ISSN 1977-0642

Amtsblatt

der Europäischen Union

L 172

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Rechtsvorschriften

62. Jahrgang
26. Juni 2019


Inhalt

 

I   Gesetzgebungsakte

Seite

 

 

VERORDNUNGEN

 

*

Verordnung (EU) 2019/1022 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Festlegung eines Mehrjahresplans für die Fischereien, die Grundfischbestände im westlichen Mittelmeer befischen, und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 508/2014

1

 

 

RICHTLINIEN

 

*

Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) ( 1 )

18

 

*

Richtlinie (EU) 2019/1024 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors

56

 


 

(1)   Text von Bedeutung für den EWR.

DE

Bei Rechtsakten, deren Titel in magerer Schrift gedruckt sind, handelt es sich um Rechtsakte der laufenden Verwaltung im Bereich der Agrarpolitik, die normalerweise nur eine begrenzte Geltungsdauer haben.

Rechtsakte, deren Titel in fetter Schrift gedruckt sind und denen ein Sternchen vorangestellt ist, sind sonstige Rechtsakte.


I Gesetzgebungsakte

VERORDNUNGEN

26.6.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 172/1


VERORDNUNG (EU) 2019/1022 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 20. Juni 2019

zur Festlegung eines Mehrjahresplans für die Fischereien, die Grundfischbestände im westlichen Mittelmeer befischen, und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 508/2014

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 43 Absatz 2,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982, bei dem die Union Vertragspartei ist, sieht Bestandserhaltungspflichten vor, zu denen auch gehört, dass die Populationen der befischten Arten auf einem Stand erhalten werden, der den höchstmöglichen Dauerertrag (maximum sustainable yield, MSY) sichert, oder dass dieser Stand wieder erreicht wird.

(2)

Auf dem Gipfel der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung in New York im Jahr 2015 haben sich die Union und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet, bis 2020 die Befischung wirksam zu regulieren, Überfischung, illegale, ungemeldete und unregulierte Fischerei sowie zerstörerische Fangpraktiken zu beenden und wissenschaftsgestützte gestützte Bewirtschaftungspläne umzusetzen, um Fischbestände in der kürzest möglichen Zeit wieder auf ein Niveau zu bringen, das zumindest den durch die jeweiligen biologischen Eigenschaften bestimmten MSY ermöglicht.

(3)

In der Ministererklärung „Malta MedFish4Ever“ vom 30. März 2017 (3) wurden ein neuer Rahmen für die Fischereipolitik im Mittelmeer und ein Arbeitsprogramm mit fünf konkreten Maßnahmen für die nächsten zehn Jahre festgelegt. Eine der eingegangenen Verpflichtungen besteht darin, Mehrjahrespläne aufzustellen.

(4)

Die Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) enthält die Vorschriften der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der Union. Die GFP soll zum Schutz der Meeresumwelt und zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung aller kommerziell genutzten Arten sowie insbesondere zum Erreichen des Ziels eines guten Umweltzustands bis 2020 beitragen.

(5)

Zu den Zielen der GFP gehört unter anderem, die langfristige ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit von Fischerei- und Aquakulturtätigkeiten sicherzustellen sowie bei der Bestandsbewirtschaftung nach dem Vorsorgeansatz vorzugehen und den ökosystemgestützten Ansatz zu verfolgen. Ferner trägt die GFP zu einem angemessenen Lebensstandard für den Fischereisektor einschließlich der kleinen, der handwerklichen und der Küstenfischerei bei. Das Erreichen dieser Ziele trägt außerdem zum Nahrungsmittelangebot bei und sorgt für beschäftigungspolitischen Nutzen.

(6)

Zur Verwirklichung der Ziele der GFP sollten eine Reihe von Bestandserhaltungsmaßnahmen, wie Mehrjahrespläne, technische Maßnahmen und die Festlegung und Zuteilung des höchstzulässigen Fischereiaufwands, erlassen werden.

(7)

Gemäß den Artikeln 9 und 10 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 müssen Mehrjahrespläne auf der Grundlage wissenschaftlicher, technischer und wirtschaftlicher Gutachten erstellt werden. Gemäß diesen Bestimmungen sollte der mit der vorliegenden Verordnung festgelegte Mehrjahresplan (im Folgenden „Plan“) Ziele, bezifferbare Vorgaben mit klarem Zeitrahmen, Referenzpunkte für die Bestandserhaltung, Sicherheitsmechanismen und technische Maßnahmen zur Vermeidung und Verringerung unerwünschter Fänge enthalten.

(8)

Der Begriff „beste verfügbare wissenschaftliche Gutachten“ sollte so verstanden werden, dass er sich auf öffentlich verfügbare wissenschaftliche Gutachten bezieht, die auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Daten und Methoden erstellt wurden und von einem auf Unionsebene oder internationaler Ebene anerkannten unabhängigen wissenschaftlichen Gremium herausgegeben oder überprüft wurden.

(9)

Die Kommission sollte die besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten für die in den Anwendungsbereich des Plans fallenden Bestände einholen. Dazu sollte sie vor allem den Wissenschafts-, Technik- und Wirtschaftsausschuss für die Fischerei (Scientific, Technical and Economic Committee for Fisheries, STECF) konsultieren. Die Kommission sollte insbesondere öffentlich verfügbare wissenschaftliche Gutachten, auch Gutachten zu gemischten Fischereien, einholen, die dem Plan Rechnung tragen und die Spannen von FMSY und Referenzpunkte für die Bestandserhaltung ausweisen (BPA und BLIM).

(10)

Mit der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 des Rates (5) wurde ein Bewirtschaftungsrahmen für die nachhaltige Bewirtschaftung der Fischereiressourcen im Mittelmeer geschaffen und festgelegt, dass für die Fischereien, die Schleppnetze, Bootswaden, Strandwaden, Umschließungsnetze und Dredgen in den Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten einsetzen, Bewirtschaftungspläne verabschiedet werden müssen.

(11)

Frankreich, Italien und Spanien haben gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 Bewirtschaftungspläne verabschiedet. Allerdings sind diese Pläne nicht aufeinander abgestimmt und berücksichtigen weder alle in den Fischereien auf Grundfischbestände eingesetzten Fanggeräte noch die gebietsübergreifende Verteilung bestimmter Bestände und Fangflotten. Darüber hinaus haben sich diese Pläne bei der Erreichung der Ziele der GFP als unwirksam erwiesen. Die Mitgliedstaaten und Interessenträger haben sich dafür ausgesprochen, auf Unionsebene einen Mehrjahresplan für die betroffenen Bestände auszuarbeiten und durchzuführen.

(12)

Der STECF hat nachgewiesen, dass die Befischung vieler Grundfischbestände im westlichen Mittelmeer weit über dem Niveau liegt, das für die Erreichung des MSY erforderlich wäre.

(13)

Deshalb sollte ein Mehrjahresplan für die Erhaltung und nachhaltige Bewirtschaftung der Grundfischbestände im westlichen Mittelmeer aufgestellt werden.

(14)

Der Plan sollte die Tatsache, dass es sich um gemischte Fischereien handelt, und die Wechselwirkungen zwischen den gezielt befischten Beständen, d. h. Seehecht (Merluccius merluccius), Rote Meerbarbe (Mullus barbatus), Rosa Geißelgarnele (Parapenaeus longirostris), Kaisergranat (Nephrops norvegicus), Afrikanische Tiefseegarnele (Aristeus antennatus) und Rote Tiefseegarnele (Aristaeomorpha foliacea), berücksichtigen. Zudem sollten darin auch Beifangarten, die im Rahmen der Fischereien auf Grundfischarten gefangen werden, und Grundfischbestände, für die keine ausreichenden Daten vorliegen, Berücksichtigung finden. Der Plan sollte für die Fischereien auf Grundfischarten (insbesondere mit Schleppnetzen, Stellnetzen, Fallen und Langleinen) gelten, die in Unionsgewässern oder von Fischereifahrzeugen der Union außerhalb der Unionsgewässer des westlichen Mittelmeers durchgeführt werden.

(15)

Wenn die durch Freizeitfischerei verursachte Sterblichkeit erhebliche Auswirkungen auf die jeweiligen Bestände hat, sollte der Rat nichtdiskriminierende Obergrenzen für Freizeitfischer festlegen können. Bei der Festlegung dieser Obergrenzen sollte sich der Rat auf transparente und objektive Kriterien stützen. Gegebenenfalls sollten die Mitgliedstaaten Bestimmungen erlassen, die notwendig und verhältnismäßig sind, um die Kontrolle und Erhebung von Daten für eine verlässliche Schätzung der tatsächlichen Fangmengen der Freizeitfischerei zu ermöglichen. Darüber hinaus sollte es möglich sein, für die Freizeitfischerei technische Bestandserhaltungsmaßnahmen zu erlassen.

(16)

Der geografische Anwendungsbereich des Plans sollte sich nach der in den besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten angegebenen geografischen Verteilung der Bestände richten. Wenn bessere wissenschaftliche Daten vorliegen, könnte es erforderlich werden, die in dem Plan angegebene geografische Verteilung der Bestände anzupassen. Daher sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, delegierte Rechtsakte zur Anpassung der in dem Plan angegebenen geografischen Verteilung der Bestände zu erlassen, wenn wissenschaftliche Gutachten zeigen, dass sich die geografische Verteilung der betreffenden Bestände geändert hat.

(17)

Ziel des Plans sollte es sein, zur Verwirklichung der Ziele der GFP beizutragen, insbesondere dazu, bei den betreffenden Beständen den MSY zu erreichen und beizubehalten, die Pflicht zur Anlandung für Grundfischbestände sowie für Beifänge pelagischer Arten, die im Rahmen der Fischereien auf Grundfischarten gefangen werden, für die jeweils eine Mindestreferenzgröße für die Bestandserhaltung gilt, umzusetzen und unter Berücksichtigung von Küstenfischerei und sozioökonomischen Aspekten einen angemessenen Lebensstandard für diejenigen zu sichern, die von der Fischerei abhängig sind. Darüber hinaus sollte mit dem Plan der ökosystemgestützte Ansatz für die Bestandsbewirtschaftung verfolgt werden, um die negativen Auswirkungen von Fangtätigkeiten auf das Meeresökosystem auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Der Plan sollte mit den Rechtsvorschriften der Union im Umweltbereich im Einklang stehen, insbesondere mit dem Ziel, spätestens 2020 einen guten Umweltzustand gemäß der Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (6) zu erreichen, sowie mit den Zielen der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (7) und der Richtlinie 92/43/EWG des Rates (8).

(18)

Der Zielwert für die fischereiliche Sterblichkeit (F), der dem Ziel des Erreichens und der Beibehaltung des MSY entspricht, sollte in Form von Spannen angegeben werden, die mit dem Ziel des MSY (FMSY) vereinbar sind. Diese Spannen auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten sind erforderlich, um Entwicklungen bei den wissenschaftlichen Gutachten flexibel Rechnung tragen zu können, zur Umsetzung der Pflicht zur Anlandung beizutragen und gemischten Fischereien Rechnung zu tragen. Auf der Grundlage des Plans sollten jene Spannen eine Senkung des langfristigen Ertrags um nicht mehr als 5 % gegenüber dem MSY bewirken. Zusätzlich ist der obere Grenzwert der FMSY-Spanne gedeckelt, sodass die Wahrscheinlichkeit, dass der Bestand unter den Biomassengrenzwert (BLIM) fällt, nicht mehr als 5 % beträgt.

(19)

Für die Festsetzung des höchstzulässigen Fischereiaufwands sollte es Spannen von FMSY für eine „normale Befischung“ geben und — vorbehaltlich des guten Zustands der betroffenen Bestände — sollte die Festlegung des höchstzulässigen Fischereiaufwands über die FMSY-Spanne für den am stärksten gefährdeten Bestand dann möglich sein, wenn das aufgrund wissenschaftlicher Gutachten erforderlich ist, um die Ziele dieser Verordnung bei gemischten Fischereien zu erreichen oder um Schaden von einem Bestand abzuwenden, der durch Wechselwirkungen innerhalb der oder zwischen den Beständen hervorgerufen wird, oder um die jährlichen Schwankungen beim höchstzulässigen Fischereiaufwand zu begrenzen. Ein Zielwert für die fischereiliche Sterblichkeit im Einklang mit diesen Spannen von FMSY sollte möglichst schrittweise bis 2020, spätestens jedoch bis 1. Januar 2025 erreicht werden.

(20)

Für Bestände, für die MSY-Vorgaben vorliegen, und für die Zwecke der Anwendung von Sicherheitsmechanismen müssen Referenzpunkte für die Bestandserhaltung festgelegt werden, die als Vorsorgereferenzpunkte (BPA) und Grenzreferenzpunkte (BLIM) angegeben werden.

(21)

Es sollten geeignete Sicherheitsmechanismen vorgesehen werden, um sicherzustellen, dass die Vorgaben eingehalten werden, und erforderlichenfalls Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, u. a. wenn Bestände unter die Referenzpunkte für die Bestandserhaltung fallen. Die Abhilfemaßnahmen sollten auch Sofortmaßnahmen gemäß den Artikeln 12 und 13 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013, höchstzulässigen Fischereiaufwand und andere besondere Bestandserhaltungsmaßnahmen umfassen.

(22)

Um einen transparenten Zugang zu den Fischereien und die Erreichung der Zielwerte für die fischereiliche Sterblichkeit zu gewährleisten, sollte auf Unionsebene eine Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands für Schleppnetze erlassen werden, die das wichtigste Fanggerät bei der Befischung von Grundfischbeständen im westlichen Mittelmeer sind. Hierzu ist es angezeigt, Fischereiaufwandsgruppen festzulegen, damit der Rat jährlich den höchstzulässigen Fischereiaufwand (ausgedrückt als Anzahl der Fangtage) festlegen kann. Erforderlichenfalls sollte die Fischereiaufwandsregelung auch andere Fanggeräte einschließen.

(23)

Da die Lage vieler Grundfischbestände im westlichen Mittelmeer besorgniserregend ist und die derzeit hohe fischereiliche Sterblichkeit gesenkt werden muss, sollte durch die Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands dieser Aufwand in den ersten fünf Jahren der Durchführung des Plans erheblich reduziert werden.

(24)

Um sicherzustellen, dass die Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands wirksam und praktikabel ist, sollten die Mitgliedstaaten gezielte Maßnahmen ergreifen und hierzu im Rahmen dieser Regelung eine Methode für die Zuteilung von Fischereiaufwandsquoten gemäß Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 anwenden, eine Liste der Schiffe erstellen, Fanggenehmigungen erteilen und die relevanten Fischereiaufwandsdaten aufzeichnen und übermitteln.

(25)

Um zur effektiven Erreichung der Ziele des Plans beizutragen, und im Einklang mit den Grundsätzen verantwortungsvoller Verwaltung gemäß Artikel 3 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013, sollten die Mitgliedstaaten partizipative Bewirtschaftungssysteme auf lokaler Ebene fördern dürfen.

(26)

Um Aufwuchsgebiete und empfindliche Lebensräume zu schützen und die handwerkliche Fischerei zu sichern, sollten in den Küstengewässern in regelmäßig wiederkehrenden Zeiträumen ausschließlich selektivere Fischereien zugelassen sein. Daher sollte in dem Plan ein Schongebiet innerhalb von sechs Seemeilen von der Küste, mit Ausnahme von Gebieten, die tiefer liegen als die 100-Meter-Isobathe, eingerichtet werden, in dem jedes Jahr während drei Monaten keine Schleppnetze eingesetzt werden dürfen. Es sollte möglich sein, andere Schongebiete einzurichten, sofern damit eine Verringerung der Fänge von jungem Seehecht von mindestens 20 % gewährleistet werden kann.

(27)

Zudem sollten weitere Erhaltungsmaßnahmen für Grundfischbestände ergriffen werden. Auf Basis der wissenschaftlichen Gutachten ist es insbesondere angebracht, in Gebieten mit großen Laicherbeständen zusätzliche Schongebiete einzurichten, um die stark dezimierte adulte Seehechtpopulation zu schützen.

(28)

Der Vorsorgeansatz sollte für Beifangbestände gelten und für Grundfischbestände, für die keine ausreichenden Daten vorliegen. Gemäß Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 sollten spezifische Bestandserhaltungsmaßnahmen erlassen werden, wenn den wissenschaftlichen Gutachten zufolge Abhilfemaßnahmen erforderlich sind.

(29)

Der Plan sollte auch zusätzliche technische Bestandserhaltungsmaßnahmen enthalten, die im Wege von delegierten Rechtsakten erlassen werden. Das ist erforderlich, um die Ziele des Plans zu erreichen und insbesondere die Grundfischbestände zu erhalten und die Selektivität zu verbessern.

(30)

Um der Pflicht zur Anlandung gemäß Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 nachzukommen, sollte der Plan zusätzliche Bewirtschaftungsmaßnahmen vorsehen, die gemäß Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 weiter zu spezifizieren sind.

(31)

Um den Plan rasch an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt anzupassen, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte zu erlassen, um die vorliegende Verordnung durch Abhilfemaßnahmen und technische Bestandserhaltungsmaßnahmen zu ergänzen, die Pflicht zur Anlandung umzusetzen und bestimmte Elemente des Plans zu ändern. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt und dass diese Konsultationen mit den Grundsätzen im Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung (9) niedergelegt wurden. Um insbesondere eine gleichberechtigte Beteiligung an der Ausarbeitung delegierter Rechtsakte zu gewährleisten, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Ausarbeitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.

(32)

Für die Vorlage gemeinsamer Empfehlungen durch die Mitgliedstaaten mit einem direkten Bewirtschaftungsinteresse sollte gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 eine Frist festgelegt werden.

(33)

Um die Fortschritte auf dem Weg zum MSY zu bewerten, sollte der Plan eine regelmäßige wissenschaftliche Überwachung der betroffenen Bestände und, soweit möglich, der Beifangbestände ermöglichen.

(34)

Die Kommission sollte die Angemessenheit und Wirksamkeit der vorliegenden Verordnung gemäß Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 regelmäßig bewerten. Diese Bewertung sollte auf regelmäßigen Überprüfungen des Plans beruhen, sich auf wissenschaftliche Gutachten des STECF stützen und erstmals zum 17. Juli 2024 und anschließend alle drei Jahre erfolgen. Durch diesen Zeitraum könnte die Pflicht zur Anlandung vollständig umgesetzt und regionale Maßnahmen verabschiedet und durchgeführt werden, und die Auswirkungen auf die Bestände und Fischereien können sichtbar werden.

(35)

Um Rechtssicherheit zu schaffen, sollte klargestellt werden, dass Maßnahmen zur vorübergehenden Einstellung der Fangtätigkeit, die erlassen wurden, um die Ziele des Plans zu erreichen, für eine Unterstützung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (10) in Betracht kommen können.

(36)

Um ein Gleichgewicht zwischen der Fangkapazität der Flotte und dem zugewiesenen höchstzulässigen Fischereiaufwand herzustellen, sollte in den Flottensegmenten, die von der vorliegenden Verordnung erfasst werden und in denen kein Gleichgewicht herrscht, für die endgültige Einstellung der Fangtätigkeit Unterstützung aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds zur Verfügung gestellt werden. Die Verordnung (EU) Nr. 508/2014 sollte daher entsprechend geändert werden.

(37)

Die voraussichtlichen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Plans wurden vor seiner Erstellung gemäß Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 ordnungsgemäß bewertet.

(38)

Unter Berücksichtigung dessen, dass der höchstzulässige Fischereiaufwand für jedes Kalenderjahr festgelegt wird, sollten die Bestimmungen über die Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands ab dem 1. Januar 2020 gelten. Unter Berücksichtigung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit sollten die Bestimmungen zu den Spannen von FMSY und zu Sicherheitsmechanismen für Bestände unterhalb des BPA ab dem 1. Januar 2025 gelten —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

KAPITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Gegenstand und Geltungsbereich

(1)   Mit dieser Verordnung wird ein Mehrjahresplan (im Folgenden „Plan“) für die Erhaltung und nachhaltige Bewirtschaftung der Grundfischbestände im westlichen Mittelmeer aufgestellt.

(2)   Diese Verordnung gilt für folgende Bestände:

a)

Afrikanische Tiefseegarnele (Aristeus antennatus) in den GFCM-Untergebieten 1, 5, 6 und 7;

b)

Rosa Geißelgarnele (Parapenaeus longirostris) in den GFCM-Untergebieten 1, 5, 6 und 9-10-11;

c)

Rote Tiefseegarnele (Aristaeomorpha foliacea) in den GFCM-Untergebieten 9-10-11;

d)

Europäischer Seehecht (Merluccius merluccius) in den GFCM-Untergebieten 1-5-6-7 und 9-10-11;

e)

Kaisergranat (Nephrops norvegicus) in den GFCM-Untergebieten 5, 6, 9 und 11;

f)

Rote Meerbarbe (Mullus barbatus) in den GFCM-Untergebieten 1, 5, 6, 7, 9, 10 und 11.

(3)   Diese Verordnung gilt auch für Beifangbestände, die im westlichen Mittelmeer bei der Befischung der in Absatz 2 genannten Bestände gefangen werden. Sie gilt auch für alle anderen Grundfischbestände, die im westlichen Mittelmeer gefangen werden und für die keine ausreichenden Daten vorliegen.

(4)   Diese Verordnung gilt für gewerbliche Fischerei, bei der die in den Absätzen 2 und 3 genannten Grundfischbestände in Unionsgewässern oder von Fischereifahrzeugen der Union außerhalb der Unionsgewässer des westlichen Mittelmeers befischt werden.

(5)   Diese Verordnung enthält auch Einzelheiten zur Umsetzung der Pflicht zur Anlandung in den Unionsgewässern des westlichen Mittelmeers für alle Bestände von Arten, für die die Pflicht zur Anlandung gemäß Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 gilt und die im Rahmen der Fischereien auf Grundfischarten gefangen werden.

(6)   Diese Verordnung sieht technische Maßnahmen gemäß Artikel 13 für alle Bestände im westlichen Mittelmeer vor.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung gelten neben den Begriffsbestimmungen des Artikels 4 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013, des Artikels 4 der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 des Rates (11) und des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 folgende Begriffsbestimmungen:

1.

„westliches Mittelmeer“ bezeichnet die Gewässer der geografischen GFCM-Untergebiete 1 (Nördliches Alboran-Meer), 2 (Insel Alboran), 5 (Balearische Inseln), 6 (Nordspanien), 7 (Golfe du Lion), 8 (Insel Korsika), 9 (Ligurisches und Nördliches Tyrrhenisches Meer), 10 (Südliches Tyrrhenisches Meer) und 11 (Sardinien) im Sinne von Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 1343/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (12).

2.

„betroffene Bestände“ bezeichnet die in Artikel 1 Absatz 2 aufgeführten Bestände;

3.

„am stärksten gefährdeter Bestand“ bezeichnet den Bestand, für den zum Zeitpunkt der Festsetzung des höchstzulässigen Fischereiaufwands die fischereiliche Sterblichkeit des Vorjahrs am weitesten vom Wert des FMSY-Punkts, der anhand der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten ermittelt wurde, entfernt ist;

4.

„Spanne von FMSY“ bezeichnet einen Wertebereich, der in den besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten, insbesondere des STECF oder eines ähnlichen, auf Unionsebene oder international anerkannten unabhängigen wissenschaftlichen Gremiums, angegeben ist und bei dem jedes Ausmaß an fischereilicher Sterblichkeit innerhalb dieses Bereichs bei einem gegebenen Fangverhalten und unter den bestehenden durchschnittlichen Umweltbedingungen langfristig zu einem höchstmöglichen Dauerertrag (MSY) führen, ohne den Fortpflanzungsprozess der betreffenden Bestände wesentlich zu beeinträchtigen. Diese Spanne wird so berechnet, dass sie eine Senkung des langfristigen Ertrags um nicht mehr als 5 % gegenüber dem MSY bewirkt. Sie ist nach oben gedeckelt, sodass die Wahrscheinlichkeit, dass der Bestand unter den Referenzpunkt für die Biomasse des Laicherbestands (BLIM) fällt, nicht mehr als 5 % beträgt;

5.

„Wert des FMSY-Punkts“ bezeichnet den Wert der geschätzten fischereilichen Sterblichkeit, der bei einem gegebenen Fangverhalten und unter den bestehenden durchschnittlichen Umweltbedingungen den höchsten langfristigen Ertrag ermöglicht;

6.

„MSY FLOWER“ bezeichnet den niedrigsten Wert innerhalb der Spanne von FMSY;

7.

„MSY FUPPER“ bezeichnet den höchsten Wert innerhalb der Spanne von FMSY;

8.

„untere Spanne von FMSY“ bezeichnet eine Spanne, die Werte zwischen MSY FLOWER und dem Wert des FMSY-Punkts umfasst;

9.

„obere Spanne von FMSY“ bezeichnet eine Spanne, die Werte zwischen dem Wert des FMSY-Punkts und MSY FUPPER umfasst;

10.

„BLIM“ bezeichnet den in den besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten — insbesondere des STECF oder eines ähnlichen auf Unionsebene oder internationaler Ebene anerkannten unabhängigen wissenschaftlichen Gremiums — angegebenen Referenzpunkt, ausgedrückt als Biomasse des Laicherbestands, unterhalb dessen die Fähigkeit zur Reproduktion vermindert sein kann;

11.

„BPA“ bezeichnet den in den besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten — insbesondere des STECF oder eines ähnlichen auf Unionsebene oder internationaler Ebene anerkannten unabhängigen wissenschaftlichen Gremiums — angegebenen Vorsorgereferenzpunkt, ausgedrückt als Biomasse des Laicherbestands, bei dem die Wahrscheinlichkeit, dass die Biomasse des Laicherbestands unter dem BLIM liegt, weniger als 5 % beträgt;

12.

„Fischereiaufwandsgruppe“ bezeichnet eine Flottenbewirtschaftungseinheit eines Mitgliedstaats, für die ein höchstzulässiger Fischereiaufwand festgelegt wurde;

13.

„Bestandsgruppe“ bezeichnet eine Gruppe von Beständen, die gemäß Anhang I gemeinsam gefangen werden;

14.

„Fangtag“ bezeichnet jeden zusammenhängenden Zeitraum von 24 Stunden oder ein Teil davon, während dessen sich ein Schiff im westlichen Mittelmeer und außerhalb des Hafens befindet;

Artikel 3

Ziele

(1)   Der Plan beruht auf einer Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands und zielt darauf ab dazu beizutragen, die in Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 aufgeführten Ziele der GFP zu erreichen, insbesondere indem bei der Bestandsbewirtschaftung der Vorsorgeansatz zur Anwendung kommt, und zu gewährleisten, dass bei der Nutzung der lebenden Meeresschätze die Populationen der befischten Arten in einem Umfang wiederhergestellt und erhalten werden, der oberhalb des Niveaus liegt, das den MSY ermöglicht.

(2)   Der Plan trägt zur Einstellung der Rückwürfe bei, indem unerwünschte Fänge so weit wie möglich vermieden und minimiert werden, sowie zur Umsetzung der in Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 festgeschriebenen Pflicht zur Anlandung von Arten, für die nach dem Unionsrecht Mindestreferenzgrößen für die Bestandserhaltung gelten und auf die die vorliegende Verordnung Anwendung findet.

(3)   Mit dem Plan wird der ökosystemgestützte Ansatz bei der Bestandsbewirtschaftung angewendet, um sicherzustellen, dass die negativen Auswirkungen der Fischerei auf das Meeresökosystem auf ein Mindestmaß reduziert werden. Er muss mit den Rechtsvorschriften der Union im Umweltbereich vereinbar sein, insbesondere mit dem in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/56/EG vorgegebenen Ziel, spätestens 2020 einen guten Umweltzustand zu erreichen.

(4)   Insbesondere wird mit dem Plan das Ziel verfolgt,

a)

sicherzustellen, dass die im Deskriptor 3 in Anhang I der Richtlinie 2008/56/EG beschriebenen Bedingungen erfüllt sind,

b)

zur Erfüllung weiterer relevanter Deskriptoren in Anhang I der Richtlinie 2008/56/EG entsprechend der Rolle, die die Fischereien für ihre Erfüllung spielen, beizutragen, und

c)

einen Beitrag zum Erreichen der Ziele der Artikel 4 und 5 der Richtlinie 2009/147/EG und der Artikel 6 und 12 der Richtlinie 92/43/EWG zu leisten, insbesondere um die negativen Auswirkungen der Fischerei auf empfindliche Lebensräume und geschützte Arten auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

(5)   Maßnahmen im Rahmen des Plans werden auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten ergriffen.

KAPITEL II

VORGABEN, REFERENZPUNKTE FÜR DIE BESTANDSERHALTUNG UND SICHERHEITSMECHANISMEN

Artikel 4

Zielwerte

(1)   Der Zielwert für die fischereiliche Sterblichkeit im Einklang mit den Spannen von FMSY nach der Begriffsbestimmung in Artikel 2 muss für die betroffenen Bestände möglichst schrittweise bis 2020, spätestens jedoch bis 1. Januar 2025 erreicht werden, und ab diesem Zeitpunkt innerhalb der Spannen von FMSY liegen.

(2)   Die Spannen von FMSY auf der Grundlage des Plans werden insbesondere beim STECF oder einem ähnlichen auf Unionsebene oder internationaler Ebene anerkannten unabhängigen wissenschaftlichen Gremium, angefragt.

(3)   Gemäß Artikel 16 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 legt der Rat, wenn er den höchstzulässigen Fischereiaufwand festsetzt, diesen Fischereiaufwand für jede Fischereiaufwandsgruppe innerhalb der unteren Spanne von FMSY fest, die zu jenem Zeitpunkt für den am stärksten gefährdeten Bestand verfügbar ist.

(4)   Ungeachtet der Absätze 1 und 3 kann der höchstzulässige Fischereiaufwand auf Niveaus festgelegt werden, die niedriger sind als die Spannen von FMSY.

(5)   Ungeachtet der Absätze 1 und 3 kann der höchstzulässige Fischereiaufwand oberhalb der zu jenem Zeitpunkt für den am stärksten gefährdeten Bestand verfügbaren Spanne von FMSY festgelegt werden, sofern alle betroffenen Bestände über dem BPA liegen,

a)

wenn das aufgrund der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten oder Erkenntnisse erforderlich ist, um in gemischten Fischereien die Ziele des Artikels 3 zu erreichen,

b)

wenn das aufgrund der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten oder Erkenntnisse erforderlich ist, um ernsthaften Schaden von einem Bestand abzuwenden, der durch Wechselwirkungen innerhalb des Bestands oder zwischen den Beständen hervorgerufen wird, oder

c)

um die Schwankungen des höchstzulässigen Fischereiaufwands zwischen aufeinanderfolgenden Jahren auf nicht mehr als 20 % zu beschränken.

(6)   Wenn für einen in Artikel 1 Absatz 2 aufgeführten Bestand keine Spannen von FMSY ermittelt werden können, weil keine angemessenen wissenschaftlichen Daten vorliegen, dann wird dieser Bestand so lange gemäß Artikel 12 bewirtschaftet, bis Spannen von FMSY gemäß Absatz 2 dieses Artikels verfügbar sind.

Artikel 5

Referenzpunkte für die Bestandserhaltung

Für die Zwecke des Artikels 6 werden die folgenden Referenzpunkte für die Bestandserhaltung insbesondere beim STECF oder einem ähnlichen auf Unionsebene oder internationaler Ebene anerkannten unabhängigen wissenschaftlichen Gremium auf der Grundlage des Plans angefordert:

a)

Vorsorgereferenzpunkte, ausgedrückt als Biomasse des Laicherbestands (BPA), und

b)

Grenzreferenzpunkte, ausgedrückt als Biomasse des Laicherbestands (BLIM).

Artikel 6

Sicherheitsmechanismen

(1)   Geht aus wissenschaftlichen Gutachten hervor, dass die Biomasse des Laicherbestands eines der betroffenen Bestände unterhalb des BPA liegt, so werden alle angemessenen Abhilfemaßnahmen verabschiedet, um sicherzustellen, dass die betroffenen Bestände schnell wieder Werte oberhalb des Niveaus erreichen, das den MSY ermöglicht. Insbesondere wird der höchstzulässige Fischereiaufwand ungeachtet des Artikels 4 Absatz 3 auf einem Niveau festgelegt, das unter Berücksichtigung des Rückgangs der Biomasse einer fischereilichen Sterblichkeit entspricht, die für den am stärksten gefährdete Bestand auf Werte innerhalb der Spanne von FMSY gesenkt wird.

(2)   Geht aus wissenschaftlichen Gutachten hervor, dass die Biomasse des Laicherbestands eines der betroffenen Bestände unter BLIM liegt, so werden weitere Abhilfemaßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass die betroffenen Bestände schnell wieder Werte oberhalb des Niveaus erreichen, das den MSY ermöglicht. Ungeachtet des Artikels 4 Absatz 3 können solche Abhilfemaßnahmen insbesondere die Aussetzung der gezielten Befischung des betroffenen Bestands sowie eine angemessene Verringerung des höchstzulässigen Fischereiaufwands umfassen.

(3)   Die in diesem Artikel genannten Abhilfemaßnahmen können Folgendes umfassen:

a)

Maßnahmen gemäß den Artikeln 7, 8 und 11 bis 14 der vorliegenden Verordnung und

b)

Sofortmaßnahmen gemäß den Artikeln 12 und 13 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013.

(4)   Die Auswahl der in vorliegendem Artikel genannten Maßnahmen erfolgt anhand der Art, Schwere, Dauer und Wiederholung der Situation, in der die Biomasse des Laicherbestands unterhalb der Werte gemäß Artikel 5 liegt.

KAPITEL III

FISCHEREIAUFWAND

Artikel 7

Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands

(1)   Alle Schiffe, die unter die in Anhang I festgelegten Längenkategorien fallen und in den dort aufgeführten Gebieten die dort aufgeführten Bestandsgruppen mit Schleppnetzen befischen, unterliegen einer Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands.

(2)   Der Rat legt auf der Grundlage der wissenschaftlichen Gutachten und gemäß Artikel 4 den höchstzulässigen Fischereiaufwand für jede Fischereiaufwandsgruppe je Mitgliedstaat fest.

(3)   Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 und ungeachtet des Absatzes 2 der vorliegenden Artikel gilt während der ersten fünf Jahre der Durchführung des Plans Folgendes:

a)

Im ersten Jahr der Durchführung des Plans wird der höchstzulässige Fischereiaufwand gegenüber dem Ausgangswert um 10 % gesenkt, jedoch nicht in den geografischen Untergebieten, in denen der Fischereiaufwand in dem Ausgangszeitraum bereits um mehr als 20 % reduziert wurde;

b)

vom zweiten bis zum fünften Jahr der Durchführung des Plans wird der höchstzulässige Fischereiaufwand um höchstens 30 % während dieses Zeitraums gesenkt. Die Verringerung des Fischereiaufwands kann durch jede andere — entsprechend dem Unionsrecht erlassene — einschlägige technische oder andere Erhaltungsmaßnahme ergänzt werden, um den FMSY bis zum 1. Januar 2025 zu erreichen.

(4)   Der in Absatz 3 erwähnte Ausgangswert wird von jedem Mitgliedstaat für jede Fischereiaufwandsgruppe oder jedes geografische Untergebiet als durchschnittlicher Fischereiaufwand berechnet, der in Anzahl der Fangtage zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 31. Dezember 2017 ausgedrückt wird; dabei werden nur die während dieses Zeitraums aktiven Schiffe berücksichtigt.

(5)   Zeigen die besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten, dass erhebliche Fänge aus einem bestimmten Bestand mit anderen Fanggeräten als Schleppnetzen getätigt werden, so kann der höchstzulässige Fischereiaufwand für das betreffende Fanggerät auf der Grundlage dieser wissenschaftlichen Gutachten festgelegt werden.

Artikel 8

Freizeitfischerei

(1)   Wirkt sich die Freizeitfischerei wissenschaftlichen Gutachten zufolge erheblich auf die fischereiliche Sterblichkeit eines in Artikel 1 Absatz 2 aufgeführten Bestands aus, so kann der Rat nichtdiskriminierende Obergrenzen für Freizeitfischer festlegen.

(2)   Bei der Festlegung der Obergrenzen gemäß Absatz 1 stützt sich der Rat auf transparente und objektive Kriterien, die unter anderem ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Natur sein können. Die anzuwendenden Kriterien können insbesondere die Auswirkungen der Freizeitfischerei auf die Umwelt, die gesellschaftliche Bedeutung dieser Tätigkeit und ihren Beitrag zur Wirtschaft in den Küstengebieten umfassen.

(3)   Die Mitgliedstaaten erlassen gegebenenfalls die Bestimmungen, die notwendig und verhältnismäßig sind, um die Kontrolle und Erhebung von Daten für eine verlässliche Schätzung der tatsächlichen Fangmengen der Freizeitfischerei zu ermöglichen.

Artikel 9

Verpflichtungen der Mitgliedstaaten

(1)   Die Mitgliedstaaten steuern den höchstzulässigen Fischereiaufwand gemäß den Bestimmungen der Artikel 26 bis 34 der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009.

(2)   Jeder Mitgliedstaat entscheidet sich nach den Kriterien des Artikels 17 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 für eine Methode zur Zuteilung des höchstzulässigen Fischereiaufwands an einzelne Schiffe oder Gruppen von Schiffen unter seiner Flagge.

(3)   Ein Mitgliedstaat kann seine Fischereiaufwandszuteilungen ändern, indem er Fangtage zwischen den Fischereiaufwandsgruppen desselben geografischen Gebiets verschiebt, sofern dabei ein Umrechnungsfaktor angewendet wird, der sich auf die besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten stützt. Die ausgetauschten Fangtage und der Umrechnungsfaktor sind unverzüglich, spätestens aber innerhalb von zehn Arbeitstagen der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten mitzuteilen.

(4)   Erlaubt ein Mitgliedstaat Schiffen unter seiner Flagge, mit Schleppnetzen zu fischen, so muss er sicherstellen, dass diese Fischerei auf höchstens 15 Stunden pro Fangtag, auf fünf Fangtage pro Woche oder vergleichbare Werte begrenzt ist.

Die Mitgliedstaaten können Ausnahmen für bis zu 18 Stunden pro Fangtag gewähren, um die Fahrzeit zwischen dem Hafen und dem Fanggrund zu berücksichtigen. Solche Ausnahmen sind der Kommission und den anderen betroffenen Mitgliedstaaten unverzüglich mitzuteilen.

(5)   Wenn ein Schiff an einem Fangtag zwei verschiedene Bestandsgruppen befischt, wird ungeachtet des Absatzes 3 ein halber Tag pro Fangtag vom höchstzulässigen Fischereiaufwand abgezogen, der diesem Schiff für jede Bestandsgruppe zugeteilt wurde.

(6)   Jeder Mitgliedstaat erteilt Schiffen unter seiner Flagge, die die betreffenden Bestände befischen, gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 Fanggenehmigungen für die in Anhang I aufgeführten Gebiete.

(7)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Gesamtkapazität (ausgedrückt in BRZ und kW), die den gemäß Absatz 6 erteilten Fanggenehmigungen entspricht, während des Geltungszeitraums des Plans nicht erhöht wird.

(8)   Jeder Mitgliedstaat erstellt und führt ein Verzeichnis der Schiffe, denen Fanggenehmigungen gemäß Absatz 6 erteilt wurden, und macht es der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten zugänglich. Die Mitgliedstaaten übermitteln ihre Verzeichnisse erstmals innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung und danach spätestens am 30. November eines jeden Jahres.

(9)   Die Mitgliedstaaten überwachen ihre Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands und stellen sicher, dass der höchstzulässige Fischereiaufwand gemäß Artikel 7 die festgesetzten Obergrenzen nicht überschreitet.

(10)   Nach den Grundsätzen verantwortungsvoller Verwaltung gemäß Artikel 3 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 können die Mitgliedstaaten zur Erreichung der Ziele des Plans partizipative Bewirtschaftungssysteme auf lokaler Ebene fördern.

Artikel 10

Übermittlung einschlägiger Daten

(1)   Die Mitgliedstaaten zeichnen gemäß Artikel 33 der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 und den Artikeln 146c, 146d und 146e der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 404/2011 der Kommission (13) die Fischereiaufwandsdaten auf und übermitteln sie an die Kommission.

(2)   Die Fischereiaufwandsdaten werden monatlich zusammengefasst und enthalten die Angaben gemäß Anhang II. Format der aggregierten Daten ist die XML-Schema-Definition auf der Grundlage von UN/CEFACT P1000-12.

(3)   Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission die Fischereiaufwandsdaten gemäß Absatz 1 bis zum 15. eines jeden Monats.

KAPITEL IV

TECHNISCHE ERHALTUNGSMAẞNAHMEN

Artikel 11

Schongebiete

(1)   Zusätzlich zu den Bestimmungen des Artikels 13 der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 dürfen im westlichen Mittelmeer innerhalb von sechs Seemeilen von der Küste, mit Ausnahme von Gebieten, die tiefer liegen als die 100-Meter-Isobathe, jedes Jahr für drei — gegebenenfalls aufeinanderfolgende — Monate keine Schleppnetze eingesetzt werden, wobei die besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten heranzuziehen sind. Diese drei Monate jährlicher Schonzeit werden von jedem einzelnen Mitgliedstaat festgelegt und müssen in dem maßgeblichsten Zeitraum gelten, der anhand der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten ermittelt wurde. Dieser Zeitraum ist der Kommission und den anderen betroffenen Mitgliedstaaten unverzüglich mitzuteilen.

(2)   Abweichend von Absatz 1 und unter der Voraussetzung, dass das durch besondere geografische Zwänge, z. B. die geringe Ausdehnung des Festlandsockels oder die großen Entfernungen zu Fanggründen, gerechtfertigt ist, können die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten andere Schongebiete einrichten, sofern eine Verringerung der Fänge von jungem Seehecht von mindestens 20 % in jedem geografischen Untergebiet erreicht wird. Solche Ausnahmen sind der Kommission und den anderen betroffenen Mitgliedstaaten unverzüglich mitzuteilen.

(3)   Bis zum 17. Juli 2021 richten die betroffenen Mitgliedstaaten auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten weitere Schongebiete ein, wenn in bestimmten Gebieten hohe Konzentrationen von Jungfischen unterhalb der Mindestreferenzgröße für die Bestandserhaltung auftreten oder diese als Laichgebiete für Grundfischbestände, insbesondere für die betroffenen Bestände, dienen.

(4)   Die weiteren gemäß Absatz 3 eingerichteten Schongebiete werden insbesondere vom STECF oder von einem ähnlichen auf Unionsebene oder internationaler Ebene anerkannten unabhängigen wissenschaftlichen Gremium bewertet. Sollte diese Bewertung ergeben, dass diese Schongebiete ihren Zielen nicht entsprechen, so überprüfen die Mitgliedstaaten diese Schongebiete im Lichte dieser Empfehlungen.

(5)   Betreffen die in Absatz 3 des vorliegenden Artikels genannten Schongebiete Fischereifahrzeuge mehrerer Mitgliedstaaten, so wird der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 und Artikel 18 der vorliegenden Verordnung sowie auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten zur Einrichtung der betroffenen Schongebiete übertragen.

Artikel 12

Bewirtschaftung von Beifangbeständen und Grundfischbeständen, für die keine ausreichenden Daten vorliegen

(1)   Die in Artikel 1 Absatz 3 der vorliegenden Verordnung genannten Bestände werden auf der Grundlage des Vorsorgeansatzes im Fischereimanagement gemäß der Begriffsbestimmung in Artikel 4 Absatz 1 Nummer 8 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 bewirtschaftet.

(2)   Bewirtschaftungsmaßnahmen für die in Artikel 1 Absatz 3 genannten Bestände, insbesondere technische Erhaltungsmaßnahmen wie die in Artikel 13 aufgeführten, werden unter Berücksichtigung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten festgelegt.

Artikel 13

Besondere Erhaltungsmaßnahmen

(1)   Der Kommission wird die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 18 der vorliegenden Verordnung und Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 zur Ergänzung der vorliegenden Verordnung durch folgende technische Erhaltungsmaßnahmen übertragen:

a)

Spezifikationen zu Merkmalen von Fanggeräten und Vorschriften für deren Einsatz, um die Selektivität sicherzustellen oder zu verbessern, unerwünschte Fänge zu verringern oder die negativen Auswirkungen auf das Ökosystem auf ein Mindestmaß zu beschränken;

b)

Spezifikationen zu Änderungen oder zusätzlichen Vorrichtungen an den Fanggeräten, um die Selektivität sicherzustellen oder zu verbessern, unerwünschte Fänge zu verringern oder die negativen Auswirkungen auf das Ökosystem auf ein Mindestmaß zu beschränken;

c)

Beschränkungen oder Verbote des Einsatzes bestimmter Fanggeräte und der Fangtätigkeiten in bestimmten Gebieten oder zu bestimmten Zeiten, um Laichfische, Fische unterhalb der Mindestreferenzgröße für die Bestandserhaltung oder Nichtzielarten zu schützen oder um die negativen Auswirkungen auf das Ökosystem auf ein Mindestmaß zu beschränken;

d)

Festlegung von Mindestreferenzgrößen für die Bestandserhaltung für alle Bestände, für die die vorliegende Verordnung gilt, um den Schutz von jungen Meerestieren zu gewährleisten; und

e)

Maßnahmen für die Freizeitfischerei.

(2)   Die in Absatz 1 genannten Maßnahmen tragen dazu bei, die Ziele gemäß Artikel 3 zu erreichen.

KAPITEL V

PFLICHT ZUR ANLANDUNG

Artikel 14

Bestimmungen zur Pflicht zur Anlandung

Für alle Bestände im westlichen Mittelmeer, für die die Pflicht zur Anlandung gemäß Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 gilt, und für unbeabsichtigte Fänge pelagischer Arten in Fischereien, die die in Artikel 1 Absatz 2 der vorliegenden Verordnung aufgeführten Bestände befischen, für die die Pflicht zur Anlandung gilt, wird der Kommission nach Konsultation der Mitgliedstaaten die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 18 der vorliegenden Verordnung und Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die vorliegende Verordnung durch die Präzisierung zur Umsetzung dieser Verpflichtung gemäß Artikel 15 Absatz 5 Buchstaben a bis e der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 zu ergänzen.

KAPITEL VI

REGIONALISIERUNG

Artikel 15

Regionale Zusammenarbeit

(1)   Für die in den Artikeln 11 bis 14 der vorliegenden Verordnung genannten Maßnahmen gilt Artikel 18 Absätze 1 bis 6 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013.

(2)   Für die Zwecke des Absatzes 1 können Mitgliedstaaten mit einem direkten Bewirtschaftungsinteresse gemäß Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 gemeinsame Empfehlungen vorlegen:

a)

erstmalig nicht später als zwölf Monate nach dem 16. Juli 2019 und danach nicht später als jeweils innerhalb von zwölf Monaten nach Vorlage der Bewertung des Plans gemäß Artikel 17 Absatz 2 der vorliegenden Verordnung,

b)

bis zum 1. Juli des Jahres, das dem Jahr vorausgeht, in dem die Maßnahmen anzuwenden sind, und/oder

c)

wann immer sie es für erforderlich halten, insbesondere im Fall einer plötzlichen Änderung der Lage eines der Bestände, für die die vorliegende Verordnung gilt.

(3)   Die der Kommission gemäß anderen Bestimmungen des Unionsrechts, einschließlich der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013, übertragenen Befugnisse bleiben von den in den Artikeln 11 bis 14 der vorliegenden Verordnung erteilten Befugnissen unberührt.

KAPITEL VII

ÄNDERUNGEN UND FOLGEMAẞNAHMEN

Artikel 16

Änderung des Plans

(1)   Zeigen die wissenschaftlichen Gutachten, dass sich die geografische Verteilung der betreffenden Bestände geändert hat, so wird der Kommission die Befugnis erteilt, gemäß Artikel 18 delegierte Rechtsakte zur Änderung der vorliegenden Verordnung zu erlassen, um die in Artikel 1 Absatz 2 und Anhang I genannten Gebiete an diese geänderte Lage anzupassen.

(2)   Gelangt die Kommission auf der Grundlage der wissenschaftlichen Gutachten zu der Auffassung, dass die Liste der betreffenden Bestände geändert werden muss, so kann sie einen Vorschlag zur Änderung dieser Liste vorlegen.

Artikel 17

Überwachung und Bewertung des Plans

(1)   Die bezifferbaren Indikatoren in dem Jahresbericht gemäß Artikel 50 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 müssen für die betroffenen Bestände und, soweit möglich, für Beifangbestände jährliche Schätzungen der fischereilichen Sterblichkeit oberhalb von FMSY (F/FMSY) sowie der Biomasse des Laicherbestands und sozioökonomische Indikatoren umfassen. Sie können auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten durch andere Indikatoren ergänzt werden.

(2)   Bis zum 17. Juli 2024 und danach alle drei Jahre erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht über die Ergebnisse und Auswirkungen des Plans auf die betreffenden Bestände und auf die Fischereien, die diese Bestände befischen, insbesondere über die Verwirklichung der Ziele gemäß Artikel 3.

KAPITEL VIII

VERFAHRENSBESTIMMUNGEN

Artikel 18

Ausübung der Befugnisübertragung

(1)   Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.

(2)   Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß den Artikeln 11 bis 14 und 16 wird der Kommission für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem 16. Juli 2019 übertragen. Die Kommission erstellt spätestens neun Monate vor Ablauf dieses Fünf-Jahres-Zeitraums einen Bericht über die Befugnisübertragung. Die Befugnisübertragung verlängert sich stillschweigend um Zeiträume derselben Dauer, es sei denn, das Europäische Parlament oder der Rat widersprechen einer solchen Verlängerung spätestens drei Monate vor Ablauf jedes Zeitraums.

(3)   Die Befugnisübertragung gemäß den Artikeln 11 bis 14 und 16 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach Veröffentlichung des Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem in dem Beschluss angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.

(4)   Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen entsprechend den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen.

(5)   Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, unterrichtet sie das Europäische Parlament und den Rat gleichzeitig darüber.

(6)   Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß den Artikeln 11 bis 14 und 16 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.

KAPITEL IX

EUROPÄISCHER MEERES- UND FISCHEREIFONDS

Artikel 19

Unterstützung durch den Europäischen Meeres- und Fischereifonds

Maßnahmen zur vorübergehenden Einstellung der Fischereitätigkeit, die zur Erreichung der Ziele des Plans erlassen wurden, gelten als vorübergehende Einstellung der Fangtätigkeit im Sinne des Artikels 33 Absatz 1 Buchstaben a und c der Verordnung (EU) Nr. 508/2014.

Artikel 20

Änderungen der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 hinsichtlich bestimmter Vorschriften für den Europäischen Meeres- und Fischereifonds

Artikel 34 der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 wird wie folgt geändert:

1.

Absatz 4 erhält folgende Fassung:

„(4)   Unterstützung nach dem vorliegenden Artikel kann bis zum 31. Dezember 2017 gewährt werden, es sei denn, die Maßnahmen zur endgültigen Einstellung werden erlassen, um die Ziele des mit der Verordnung (EU) 2019/1022 des Europäischen Parlaments und des Rates (*1) aufgestellten Mehrjahresplans für die Erhaltung und nachhaltige Bewirtschaftung der Grundfischbestände im westlichen Mittelmeer zu erreichen.

(*1)  Verordnung (EU) 2019/1022 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Festlegung eines Mehrjahresplans für die Fischereien, die Grundfischbestände im westlichen Mittelmeer befischen, und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 (ABl. L 172 vom 26.6.2019, S. 1).“"

2.

Folgender Absatz wird angefügt:

„(4a)   Ausgaben im Zusammenhang mit Maßnahmen zur endgültigen Einstellung, die erlassen werden, um die Ziele der Verordnung (EU) 2019/1022 zu erreichen, kommen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der genannten Verordnung für eine Unterstützung aus dem EMFF in Betracht.“

KAPITEL X

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 21

Inkrafttreten und Anwendung

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Unter Berücksichtigung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit gelten Artikel 4 und Artikel 6 Absatz 1 ab dem 1. Januar 2025.

Artikel 7 gilt ab dem 1. Januar 2020.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am 20. Juni 2019.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

A. TAJANI

Im Namen des Rates

Der Präsident

G. CIAMBA


(1)  ABl. C 367, 10.10.2018, S. 103

(2)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 4. April 2019 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 6. Juni 2019.

(3)  Ministererklärung „Malta MedFish4Ever“. Ministerkonferenz zur Nachhaltigkeit der Fischerei im Mittelmeer (Malta, 30. März 2017).

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rates (ABl. L 354 vom 28.12.2013, S. 22).

(5)  Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 des Rates vom 21. Dezember 2006 betreffend die Maßnahmen für die nachhaltige Bewirtschaftung der Fischereiressourcen im Mittelmeer und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1626/94 (ABl. L 409, 30.12.2006, p. 11).

(6)  Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie) (ABl. L 164 vom 25.6.2008, S. 19).

(7)  Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 20 vom 26.1.2010, S. 7).

(8)  Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7).

(9)  ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.

(10)  Verordnung (EU) Nr. 508/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2328/2003, (EG) Nr. 861/2006, (EG) Nr. 1198/2006 und (EG) Nr. 791/2007 des Rates und der Verordnung (EU) Nr. 1255/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 20.5.2014, S. 1).

(11)  Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 des Rates vom 20. November 2009 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Kontrollregelung zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften der Gemeinsamen Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 847/96, (EG) Nr. 2371/2002, (EG) Nr. 811/2004, (EG) Nr. 768/2005, (EG) Nr. 2115/2005, (EG) Nr. 2166/2005, (EG) Nr. 388/2006, (EG) Nr. 509/2007, (EG) Nr. 676/2007, (EG) Nr. 1098/2007, (EG) Nr. 1300/2008, (EG) Nr. 1342/2008 sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 2847/93, (EG) Nr. 1627/94 und (EG) Nr. 1966/2006 (ABl. L 343 vom 22.12.2009, S. 1).

(12)  Verordnung (EU) Nr. 1343/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 mit Vorschriften für die Fischerei im Übereinkommensgebiet der GFCM (Allgemeine Kommission für die Fischerei im Mittelmeer) und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1967/2006 des Rates betreffend die Maßnahmen für die nachhaltige Bewirtschaftung der Fischereiressourcen im Mittelmeer (ABl. L 347 vom 30.12.2011, S. 44).

(13)  Durchführungsverordnung (EU) Nr. 404/2011 der Kommission vom 8. April 2011 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 des Rates zur Einführung einer gemeinschaftlichen Kontrollregelung zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften der Gemeinsamen Fischereipolitik (ABL. L 112 vom 30.4.2011, S. 1).


ANHANG I

Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands

(gemäß Artikel 7)

Die Fischereiaufwandsgruppen werden wie folgt definiert:

A)

Schleppnetze für den Fang von Roter Meerbarbe, Seehecht, Rosa Geißelgarnele und Kaisergranat im Bereich des Festlandsockels und des oberen Kontinentalhangs

Art des Fanggeräts

Geografisches Gebiet

Bestandsgruppen

Länge über alles der Schiffe

Code der Fischereiaufwandsgruppe

Schleppnetze

(TBB, OTB, PTB, TBN, TBS, TB, OTM, PTM, TMS, TM, OTT, OT, PT, TX, OTP, TSP)

GFCM-Untergebiete 1-2-5-6-7

Rote Meerbarbe in den Untergebieten 1, 5, 6 und 7; Seehecht in den Untergebieten 1-5-6-7; Rosa Geißelgarnele in den Untergebieten 1, 5 und 6 und Kaisergranat in den Untergebieten 5 und 6

< 12 m

EFF1/MED1_TR1

≥ 12 m und < 18 m

EFF1/MED1_TR2

≥ 18 m und < 24 m

EFF1/MED1_TR3

≥ 24 m

EFF1/MED1_TR4

GFCM-Untergebiete 8-9-10-11

Rote Meerbarbe in den Untergebieten 9, 10 und 11; Seehecht in den Untergebieten 9-10-11; Rosa Geißelgarnele in den Untergebieten 9-10-11 und Kaisergranat in den Untergebieten 9 und 10

< 12 m

EFF1/MED2_TR1

≥ 12 m und < 18 m

EFF1/MED2_TR2

≥ 18 m und < 24 m

EFF1/MED2_TR3

≥ 24 m

EFF1/MED1_TR4

B)

Schleppnetze für den Fang von Afrikanischer Tiefseegarnele und Roter Tiefseegarnele in der Tiefsee

Art des Fanggeräts

Geografisches Gebiet

Bestandsgruppen

Länge über alles der Schiffe

Code der Fischereiaufwandsgruppe

Schleppnetze

(TBB, OTB, PTB, TBN, TBS, TB, OTM, PTM, TMS, TM, OTT, OT, PT, TX, OTP, TSP)

GFCM-Untergebiete 1-2-5-6-7

Afrikanische Tiefseegarnele in den Untergebieten 1, 5, 6 und 7

< 12 m

EFF2/MED1_TR1

≥ 12 m und < 18 m

EFF2/MED1_TR2

≥ 18 m und < 24 m

EFF2/MED1_TR3

≥ 24 m

EFF2/MED1_TR4

GFCM-Untergebiete 8-9-10-11

Rote Tiefseegarnele in den Untergebieten 9, 10 und 11

< 12 m

EFF2/MED2_TR1

≥ 12 m und < 18 m

EFF2/MED2_TR2

≥ 18 m und < 24 m

EFF2/MED2_TR3

≥ 24 m

EFF2/MED1_TR4


ANHANG II

Liste der Angaben für die Fischereiaufwandsdaten

(gemäß Artikel 10)

Angabe

Definition und Anmerkungen

1.

Mitgliedstaat

Alpha-3-ISO-Code des meldenden Flaggenmitgliedstaats

2.

Fischereiaufwandsgruppe

Code der Fischereiaufwandsgruppe gemäß Anhang I

3.

Fischereiaufwandszeitraum

Anfangs- und Enddatum des Berichtsmonats

4.

Fischereiaufwandsmeldung

Gesamtzahl der Fangtage


Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments und des Rates

Das Europäische Parlament und der Rat beabsichtigen, die Befugnis zum Erlass technischer Maßnahmen im Wege delegierter Rechtsakte nach Artikel 13 dieser Verordnung außer Kraft zu setzen, wenn sie eine neue Verordnung über technische Maßnahmen verabschieden, in der eine Befugnis zum Erlass solcher Maßnahmen geregelt wird.


RICHTLINIEN

26.6.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 172/18


RICHTLINIE (EU) 2019/1023 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 20. Juni 2019

über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz)

(Text von Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf die Artikel 53 und 114,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen (2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Ziel dieser Richtlinie ist es, zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen und Hindernisse für die Ausübung der Grundfreiheiten, etwa des freien Kapitalverkehrs oder der Niederlassungsfreiheit, zu beseitigen, die auf Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften und Verfahren für die präventive Restrukturierung, die Insolvenz, die Entschuldung und Tätigkeitsverbote zurückzuführen sind. Ohne dass die Grundrechte und Grundfreiheiten der Arbeitnehmer beeinträchtigt werden, zielt diese Richtlinie darauf ab, solche Hindernisse zu beseitigen, indem sichergestellt wird, dass bestandsfähige Unternehmen und Unternehmer, die in finanziellen Schwierigkeiten sind, Zugang zu wirksamen nationalen präventiven Restrukturierungsrahmen haben, die es ihnen ermöglichen, ihren Betrieb fortzusetzen, dass redliche insolvente oder überschuldete Unternehmer nach einer angemessenen Frist in den Genuss einer vollen Entschuldung kommen und dadurch eine zweite Chance erhalten können, und dass die Wirksamkeit von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren, insbesondere durch Verkürzung ihrer Dauer, erhöht wird.

(2)

Durch eine Änderung der Zusammensetzung, der Bedingungen oder der Struktur ihrer Vermögenswerte und ihrer Verbindlichkeiten oder anderer Teile ihrer Kapitalstruktur, einschließlich des Verkaufs von Vermögenswerten oder Unternehmensteilen oder, wenn im nationalen Recht vorgesehen, des Unternehmens als Ganzem, sowie durch operative Maßnahmen sollte die Restrukturierung Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten in die Lage versetzen, ihre Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise fortzusetzen. Sofern in den nationalen Rechtsvorschriften nichts anderes im Einzelnen vorgesehen ist, sollten operative Maßnahmen wie die Beendigung oder Änderung von Verträgen oder der Verkauf oder die sonstige Veräußerung von Vermögenswerten den allgemeinen Anforderungen genügen, die nach nationalem Recht — insbesondere nach zivil- und arbeitsrechtlichen Vorschriften — für solche Maßnahmen vorgesehen sind gelten. Jegliche Umwandlungen von Verbindlichkeiten in Eigenkapital sollten ebenfalls im Einklang mit den im nationalem Recht vorgesehenen Schutzvorkehrungen stehen. Präventive Restrukturierungsrahmen sollten es Schuldnern vor allem ermöglichen, sich frühzeitig wirksam und im Hinblick auf die Vermeidung ihrer Insolvenz zu restrukturieren, um so die unnötige Liquidation bestandsfähiger Unternehmen zu begrenzen. Diese Rahmen sollten dabei helfen, Arbeitsplatzverluste und den Verlust von Know-how und Kompetenzen zu verhindern und den Gesamtwert für die Gläubiger — im Vergleich zu dem, was sie im Falle der Liquidation des Gesellschaftsvermögens oder im Falle des nächstbesten Alternativszenarios ohne Plan erhalten hätten — sowie für die Anteilsinhaber und die Wirtschaft insgesamt zu maximieren.

(3)

Präventive Restrukturierungsrahmen sollten darüber hinaus dem Aufbau notleidender Kredite vorbeugen. Die Verfügbarkeit wirksamer präventiver Restrukturierungsrahmen würde sicherstellen, dass Maßnahmen ergriffen werden, bevor Unternehmen ihre Kredite nicht mehr bedienen können, und so dazu beitragen, das Risiko zu verringern, dass Kredite bei Konjunkturabschwüngen zu notleidenden Krediten werden, und die negativen Auswirkungen auf den Finanzsektor abmildern. Ein erheblicher Prozentsatz von Unternehmen und Arbeitsplätzen könnte bewahrt werden, wenn in allen Mitgliedstaaten, in denen sich Niederlassungen, Vermögenswerte oder Gläubiger der Unternehmen befinden, präventive Restrukturierungsrahmen existierten. Im Restrukturierungsrahmen sollten die Rechte aller Beteiligten, einschließlich der Arbeitnehmer, auf ausgewogene Weise geschützt werden. Gleichzeitig sollten nicht bestandsfähige Unternehmen ohne Überlebenschance so schnell wie möglich abgewickelt werden. Wenn ein Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten nicht wirtschaftlich bestandsfähig ist oder seine wirtschaftliche Bestandsfähigkeit nicht ohne Weiteres wiederhergestellt werden kann, könnten Restrukturierungsmaßnahmen zu einer Beschleunigung und Anhäufung von Verlusten zum Nachteil der Gläubiger, der Arbeitnehmer und sonstiger Interessenträger sowie der Wirtschaft als Ganzes führen.

(4)

Zwischen den Mitgliedstaaten bestehen Unterschiede in der Bandbreite der Verfahren, die Schuldnern in finanziellen Schwierigkeiten zur Verfügung stehen, um ihr Unternehmen zu restrukturieren. Einige Mitgliedstaaten verfügen über ein begrenztes Spektrum an Verfahren, die eine Restrukturierung von Unternehmen erst relativ spät im Rahmen von Insolvenzverfahren erlauben. In anderen Mitgliedstaaten ist eine Restrukturierung zwar früher möglich, aber die dafür zur Verfügung stehenden Verfahren sind nicht so wirksam, wie sie sein könnten, oder sie sind sehr förmlich, da sie insbesondere die Nutzung außergerichtlicher Vereinbarungen beschränken. Im Insolvenzrecht wird immer häufiger nach präventiven Lösungen gesucht. Zunehmend werden Verfahren bevorzugt, die im Gegensatz zum herkömmlichen Vorgehen, ein in finanzielle Schwierigkeiten geratenes Unternehmen zu liquidieren, auf die Sanierung des Unternehmens oder zumindest die Bewahrung seiner noch wirtschaftlich bestandsfähigen Geschäftsbereiche abzielen. Dieser Ansatz trägt, neben anderen Vorteilen für die Wirtschaft, häufig dazu bei, Arbeitsplätze zu erhalten oder Arbeitsplatzverluste zu verringern. Darüber hinaus reicht der Grad der Beteiligung von Justiz- oder Verwaltungsbehörden oder von ihnen benannten Verwaltern von einer Nichtbeteiligung oder minimaler Beteiligung in einigen Mitgliedstaaten bis hin zu einer umfassenden Beteiligung in anderen. Auch bei den nationalen Vorschriften, die Unternehmern eine zweite Chance bieten, vor allem indem ihnen die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit aufgelaufenen Schulden erlassen werden, bestehen zwischen den Mitgliedstaaten Unterschiede in der Länge der Entschuldungsfrist und den Bedingungen für die Gewährung einer Entschuldung.

(5)

In vielen Mitgliedstaaten dauert es mehr als drei Jahre, bis zahlungsunfähige aber redliche Unternehmer sich entschulden und einen Neuanfang machen können. Aufgrund ineffizienter Rahmen für die Entschuldung und Tätigkeitsverbote müssen Unternehmer ihren Sitz in andere Länder verlegen, wenn sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums einen Neubeginn wagen wollen, was sowohl für ihre Gläubiger als auch für die Unternehmer selbst mit erheblichen Mehrkosten verbunden ist. Lange Tätigkeitsverbote, die häufig mit einem zur Entschuldung führenden Verfahren einhergehen, verursachen Hindernisse für die Freiheit, eine selbstständige unternehmerische Tätigkeit aufzunehmen und auszuüben.

(6)

Die übermäßig lange Dauer von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass niedrige Befriedigungsquoten erzielt und Anleger von Anlageaktivitäten in Ländern, in denen ein Risiko langwieriger und unverhältnismäßig kostspieliger Verfahren besteht, abgeschreckt werden.

(7)

Unterschiede zwischen Mitgliedstaaten bei den Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren schlagen sich in Mehrkosten für Anleger nieder, wenn sie das Risiko, dass Schuldner in einem oder mehreren Mitgliedstaaten in finanzielle Schwierigkeiten geraten, oder die Risiken der Investition in bestandsfähige Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten, sowie die zusätzlichen Kosten für die Restrukturierung von Unternehmen mit Niederlassungen, Gläubigern oder Vermögenswerten in anderen Mitgliedstaaten bewerten. Dies wird im Falle der Restrukturierung internationaler Unternehmensgruppen besonders deutlich. Anleger nennen Unsicherheit in Bezug auf Insolvenzvorschriften oder das Risiko langwieriger oder komplexer Insolvenzverfahren in einem anderen Mitgliedstaat als einen der Hauptgründe dafür, dass sie außerhalb des Mitgliedstaats, in dem Sie ihren Sitz haben, nicht investieren oder nicht in eine Geschäftsbeziehung mit einem Partner außerhalb ihres eigenen Mitgliedstaats treten. Diese Unsicherheit wirkt abschreckend, wodurch die Niederlassungsfreiheit der Unternehmen und die Förderung der unternehmerischen Initiative eingeschränkt und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts gefährdet wird. Zumeist verfügen vor allem Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (im folgenden „KMU“) nicht über die erforderlichen Ressourcen, um die Risiken im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Aktivitäten bewerten zu können.

(8)

Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren führen zu ungleichen Bedingungen beim Zugang zu Krediten und zu ungleichen Befriedigungsquoten in den Mitgliedstaaten. Eine stärkere Harmonisierung im Bereich Restrukturierung, Insolvenz, Entschuldung und Tätigkeitsverbote ist daher für einen reibungslos funktionierenden Binnenmarkt im Allgemeinen und für eine funktionierende Kapitalmarktunion im Besonderen sowie für die Widerstandsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften, einschließlich der Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, unerlässlich.

(9)

Die Mehrkosten für die Risikobewertung und eine grenzüberschreitende Vollstreckung von Forderungen für Gläubiger überschuldeter Unternehmer, die ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, um nach viel kürzerer Zeit eine Entschuldung zu erlangen, sollten ebenfalls verringert werden. Die Mehrkosten für Unternehmer, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, um eine Entschuldung zu erlangen, sollten ebenfalls verringert werden. Darüber hinaus hemmen die Hindernisse, die durch lange Tätigkeitsverbote im Zusammenhang mit der Insolvenz oder der Überschuldung eines Unternehmers verursacht werden, das Unternehmertum.

(10)

Restrukturierungen, insbesondere größere Restrukturierungen mit erheblichen Auswirkungen, sollten auf der Grundlage eines Dialogs mit den Beteiligten erfolgen. Dieser Dialog sollte die Wahl der in Betracht gezogenen Maßnahmen im Verhältnis zu den Zielen und zu Alternativen der Restrukturierung abdecken und für eine angemessene Einbindung der Arbeitnehmervertreter im Einklang mit dem Unionsrecht und dem nationalen Recht sorgen.

(11)

Die Hindernisse für die Ausübung der Grundfreiheiten beschränken sich nicht auf rein grenzüberschreitende Situationen. In einem zunehmend vernetzten Binnenmarkt, in dem der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital sowie die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gilt, und der eine immer stärkere digitale Dimension hat, sind nur sehr wenige Unternehmen rein national tätig, wenn man alle relevanten Aspekte wie Kundenstamm, Lieferkette, Tätigkeitsbereich, Anleger- und Kapitalbasis berücksichtigt. Selbst rein nationale Insolvenzen können durch den sogenannten Dominoeffekt von Insolvenzen Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts haben, wenn die Insolvenz eines Schuldners weitere Insolvenzen in der Lieferkette auslöst.

(12)

Die Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) befasst sich mit Fragen der Zuständigkeit, der Anerkennung und Vollstreckung, des anwendbaren Rechts und der Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren sowie der Vernetzung von Insolvenzregistern. Ihr Anwendungsbereich umfasst präventive Verfahren, die die Rettung wirtschaftlich bestandsfähiger Schuldner fördern, sowie Entschuldungsverfahren für Unternehmer und andere natürliche Personen. Die Unterschiede zwischen dem jeweiligen nationalen Recht, welches diese Verfahren regelt, werden in der genannten Verordnung jedoch nicht behandelt. Zudem würde ein ausschließlich auf grenzüberschreitende Insolvenzen beschränktes Instrument weder alle Hindernisse für den freien Verkehr beseitigen, noch wäre es für Anleger möglich, im Voraus den grenzüberschreitenden oder innerstaatlichen Charakter potenzieller finanzieller Schwierigkeiten des Schuldners in der Zukunft zu bestimmen. Deshalb ist es notwendig, über Fragen der justiziellen Zusammenarbeit hinauszugehen und materiellrechtliche Mindeststandards für präventive Restrukturierungsverfahren sowie für Verfahren zur Entschuldung von Unternehmern festzulegen.

(13)

Diese Richtlinie sollte unbeschadet des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) 2015/848 gelten, jedoch vollständig mit dieser Verordnung vereinbar sein und diese ergänzen, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, präventive Restrukturierungsverfahren einzuführen, die bestimmten Mindestgrundsätzen der Wirksamkeit genügen. Sie verfolgt keinen anderen Ansatz als den der genannten Verordnung, nach dem die Mitgliedstaaten Verfahren beibehalten oder einführen können, die nicht die Bedingungen der öffentlichen Bekanntmachung für die Mitteilung nach Anhang A der genannten Verordnung erfüllen. Die vorliegende Richtlinie schreibt zwar nicht vor, dass bei den Verfahren in ihrem Anwendungsbereich sämtliche Bedingungen für die Mitteilung nach dem genannten Anhang A erfüllt sein müssen, ihr Ziel ist aber, die grenzüberschreitende Anerkennung dieser Verfahren und die Anerkennung und Vollstreckbarkeit der Urteile zu erleichtern.

(14)

Der Vorteil der Anwendung der Verordnung (EU) 2015/848 besteht darin, dass sie Schutzvorkehrungen gegen eine missbräuchliche Verlagerung des hauptsächlichen Interesses des Schuldners während grenzüberschreitender Insolvenzverfahren vorsieht. Bestimmte Beschränkungen sollten auch für Verfahren gelten, die nicht unter die genannte Verordnung fallen.

(15)

Die Restrukturierungskosten müssen sowohl für Schuldner als auch für Gläubiger gesenkt werden. Deshalb sollten die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, die eine frühzeitige Restrukturierung bestandsfähiger Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten und die Möglichkeit einer Entschuldung für redliche Unternehmer behindern, verringert werden. Die Verringerung solcher Unterschiede dürfte zu mehr Transparenz, Rechtssicherheit und Berechenbarkeit in der Union führen. Sie sollte die Rendite für alle Arten von Gläubigern und Anlegern maximieren und grenzüberschreitende Investitionen fördern. Mehr Kohärenz der Restrukturierungs- und Entschuldungsverfahren sollte außerdem die Restrukturierung von Unternehmensgruppen unabhängig vom Standort der Mitglieder der Gruppe in der Union erleichtern.

(16)

Die Beseitigung der Hindernisse für eine wirksame präventive Restrukturierung bestandsfähiger Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten trägt dazu bei, den Verlust von Arbeitsplätzen und Verluste für Gläubiger in der Lieferkette zu minimieren, erhält Know-how und Kompetenzen und kommt damit der Wirtschaft insgesamt zugute. Die Erleichterung einer Entschuldung für Unternehmer würde dazu beitragen, deren Ausschluss vom Arbeitsmarkt zu vermeiden und sie in die Lage zu versetzen, ihre unternehmerische Tätigkeit unter Berücksichtigung der aus den gesammelten Erfahrungen gezogenen Lehren wiederaufzunehmen. Zudem würde eine Verkürzung der Restrukturierungsverfahren zu höheren Befriedigungsquoten für die Gläubiger führen, da der Schuldner oder das Unternehmen des Schuldners mit der Zeit in der Regel nur weiter an Wert verliert. Schließlich würden effiziente Verfahren der präventiven Restrukturierung, Insolvenz und Entschuldung eine bessere Bewertung der mit Kreditvergabe- und Kreditaufnahmeentscheidungen verbundenen Risiken ermöglichen und eine Anpassung für insolvente oder überschuldete Schuldner erleichtern, wodurch sich die wirtschaftlichen und sozialen Kosten beim Schuldenabbau minimieren ließen. Mit dieser Richtlinie sollte den Mitgliedstaaten die Flexibilität gewährt werden, gemeinsame Grundsätze anzuwenden und gleichzeitig die nationalen Rechtssysteme zu wahren. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, in ihren nationalen Rechtssystemen andere, präventive Restrukturierungsrahmen als die in dieser Richtlinie vorgesehenen beizubehalten oder solche einzuführen.

(17)

Den Unternehmen, vor allem KMU, die 99 % aller Unternehmen in der Union ausmachen, dürfte ein kohärenterer Ansatz auf Unionsebene zugutekommen. KMU werden eher liquidiert als restrukturiert, da sie unverhältnismäßig höhere Kosten zu tragen haben als größere Unternehmen. KMU — insbesondere, wenn sie sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden — verfügen häufig nicht über die erforderlichen Mittel, um die hohen Restrukturierungskosten zu tragen und die effizienteren Restrukturierungsverfahren, die nur in einigen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, zu nutzen. Um solchen Schuldnern bei einer kostengünstigen Restrukturierung zu helfen, sollten umfassende Checklisten für Restrukturierungspläne, die an die Bedürfnisse und Besonderheiten von KMU angepasst sind, auf nationaler Ebene entwickelt und online zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollten Frühwarnsysteme eingerichtet werden, die Schuldner warnen, wenn Handeln dringend erforderlich ist, unter Berücksichtigung der begrenzten Mittel, die KMU für die Einstellung von Fachleuten zur Verfügung stehen.

(18)

Bei der Definition der KMU sollten die Mitgliedstaaten die Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (5) oder die Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (6) gebührend berücksichtigen.

(19)

Es ist angezeigt, bestimmte Schuldner vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen, nämlich Versicherungsunternehmen und Rückversicherungsunternehmen im Sinne des Artikels 13 Nummer 1 beziehungsweise 4 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (7), Kreditinstitute im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (8), Wertpapierfirmen und Organismen für gemeinsame Anlagen im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 2 beziehungsweise 7 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, zentrale Gegenparteien im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (9), Zentralverwahrer im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (10) sowie andere Finanzinstitute und Unternehmen, die in Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (11) angeführt sind. Für diese Unternehmen gelten besondere Regelungen, und die nationalen Aufsichts- und Abwicklungsbehörden haben ihnen gegenüber weitreichende Eingriffsbefugnisse. Die Mitgliedstaaten sollten andere Finanzunternehmen ausnehmen können, die Finanzdienstleistungen erbringen, die vergleichbaren Regelungen und Eingriffsbefugnissen unterworfen sind.

(20)

Aus ähnlichen Erwägungen ist es auch angezeigt, öffentliche Stellen nach nationalem Recht vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen. Die Mitgliedstaaten sollten ferner in der Lage sein, den Zugang zu präventiven Restrukturierungsrahmen auf juristische Personen zu beschränken, da die finanziellen Schwierigkeiten von Unternehmern nicht nur durch präventive Restrukturierungsverfahren, sondern auch durch Entschuldungsverfahren oder durch informelle Restrukturierungen auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen effizient geregelt werden können. Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Rechtssystemen, in denen die gleiche Art von Unternehmen in diesen jeweiligen Rechtssystemen einen unterschiedlichen Rechtsstatus hat, sollten eine einheitliche Regelung auf alle solche Unternehmen anwenden können. Ein nach dieser Richtlinie festgelegter präventiver Restrukturierungsrahmen sollte keine Auswirkungen auf Forderungen und Ansprüche aus betrieblichen Altersversorgungssystemen gegenüber einem Schuldner haben können, wenn diese Forderungen und Ansprüche in einem vor der Restrukturierung liegenden Zeitraum entstanden sind.

(21)

Die Überschuldung von Verbrauchern ist wirtschaftlich und sozial äußerst bedenklich und steht mit dem Abbau des Schuldenüberhangs in engem Zusammenhang. Zudem ist es häufig nicht möglich, klar zwischen Schulden, die von einem Unternehmer im Rahmen der Ausübung seiner unternehmerischen, geschäftlichen, handwerklichen oder freiberuflichen Tätigkeit gemacht wurden, und denjenigen, die er nicht bei diesen Tätigkeiten gemacht hat, zu unterscheiden. Unternehmerwürden nicht wirksam von einer zweiten Chance profitieren, wenn sie getrennte Verfahren mit unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen und Entschuldungsfristen durchlaufen müssten, um sich von ihren geschäftlichen Schulden und von ihren anderen Schulden, die sie außerhalb ihrer Geschäftstätigkeit gemacht haben, zu befreien. Diese Richtlinie enthält zwar keine verbindlichen Vorschriften über die Überschuldung von Verbrauchern, aber es wäre den Mitgliedstaaten aus den genannten Gründen zu empfehlen, so früh wie möglich die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Entschuldung auch auf Verbraucher anzuwenden.

(22)

Je früher ein Schuldner seine finanziellen Schwierigkeiten erkennen und geeignete Maßnahmen treffen kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine wahrscheinliche Insolvenz abgewendet wird, beziehungsweise — im Falle eines Unternehmens mit dauerhaft verminderter Bestandsfähigkeit — desto geordneter und effizienter würde der Abwicklungsprozess sein. Deshalb sollten klare, aktuelle, prägnante und nutzerfreundliche Informationen über die zur Verfügung stehenden präventiven Restrukturierungsverfahren sowie ein oder mehrere Frühwarnsysteme vorgesehen werden, die für Schuldner einen Anreiz bieten, bei beginnenden finanziellen Schwierigkeiten frühzeitig zu handeln. Frühwarnsysteme in Form von Warnmechanismen, die anzeigen, wenn der Schuldner bestimmte Arten von Zahlungen nicht getätigt hat, könnten beispielsweise durch die Nichtzahlung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen ausgelöst werden. Solche Instrumente könnten von den Mitgliedstaaten oder, sofern das Ziel erreicht wird, von privaten Einrichtungen entwickelt werden. Die Mitgliedstaaten sollten Informationen über Frühwarnsysteme online zur Verfügung stellen, beispielsweise auf einer eigens eingerichteten Website oder Webpage. Die Mitgliedstaaten sollten die Frühwarnsysteme je nach Größe des Unternehmens anpassen und spezifische Bestimmungen über Frühwarnsysteme für große Unternehmen und Gruppen festlegen können, in denen sie deren Besonderheiten berücksichtigen. Durch diese Richtlinie sollte für die Mitgliedstaaten keine Haftung für potenzielle Schäden aufgrund von Restrukturierungsverfahren eingeführt werden, die durch solche Frühwarnsysteme ausgelöst werden.

(23)

Um die Unterstützung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter zu verstärken, sollten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Arbeitnehmervertreter Zugang zu relevanten und aktuellen Informationen über die Verfügbarkeit von Frühwarnsystemen erhalten, und es sollte ihnen auch möglich sein, die Arbeitnehmervertreter bei der Bewertung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners zu unterstützen.

(24)

Schuldnern — einschließlich juristischer Personen und, wenn nach nationalem Recht vorgesehen, natürlicher Personen und Gruppen von Unternehmen — sollte ein Restrukturierungsrahmen zur Verfügung stehen, der es ihnen ermöglicht, ihre finanziellen Schwierigkeiten frühzeitig anzugehen, wenn es sich als wahrscheinlich erweist, dass ihre Insolvenz abgewendet und die Bestandsfähigkeit ihrer Geschäftstätigkeit gesichert werden kann. Ein Restrukturierungsrahmen sollte zur Verfügung stehen, bevor ein Schuldner nach nationalem Recht insolvent wird, das heißt, bevor der Schuldner nach nationalem Recht die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Gesamtverfahrens erfüllt, das die Insolvenz des Schuldners voraussetzt und in der Regel den vollständigen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge hat. Um einen Missbrauch der Restrukturierungsrahmen zu verhindern, sollten die finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners auf eine wahrscheinliche Insolvenz hinweisen, und der Restrukturierungsplan sollte die Insolvenz des Schuldners abwenden und die Bestandsfähigkeit des Unternehmens sicherstellen können.

(25)

Die Mitgliedstaaten sollten festlegen können, ob Forderungen, die fällig werden oder entstehen, nachdem das präventive Restrukturierungsverfahren beantragt oder eröffnet wurde, in die präventiven Restrukturierungsmaßnahmen oder die Aussetzung Einzelvollstreckungsmaßnahmen einbezogen werden. Die Mitgliedstaaten sollten entscheiden können, ob die fälligen Zinsen auf Forderungen der Wirkung der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen unterliegen.

(26)

Die Mitgliedstaaten sollten eine Bestandsfähigkeitsprüfung als Voraussetzung für den Zugang zu dem in dieser Richtlinie vorgesehenen Restrukturierungsverfahren einführen können. Die Durchführung einer solchen Prüfung sollte sich nicht nachteilig auf die Vermögensbasis des Schuldners auswirken, was sich unter anderem durch die Gewährung einer einstweiligen Aussetzung oder dadurch erreichen lässt, dass die Durchführung des Tests nicht mit unverhältnismäßigen Verzögerungen einhergeht. Die Vorgabe, dass keine nachteiligen Auswirkungen entstehen dürfen, sollte jedoch nicht die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten ausschließen, von den Schuldnern zu verlangen, dass sie den Nachweis ihrer Bestandsfähigkeit auf eigene Kosten erbringen.

(27)

Die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten den Zugang zum Restrukturierungsrahmen für Schuldner, die wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Rechnungslegungs- oder Buchführungspflichten verurteilt wurden, einschränken können, sollte die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, auch für solche Schuldner, deren Bücher und Aufzeichnungen in einem Maße unvollständig oder unzureichend sind, das es unmöglich macht, die geschäftliche und finanzielle Situation des Schuldners festzustellen, den Zugang zu präventiven Restrukturierungsverfahren einzuschränken.

(28)

Die Mitgliedstaaten sollten den Anwendungsbereich von in dieser Richtlinie vorgesehenen präventiven Restrukturierungsrahmen auf Fälle erstrecken können, in denen sich Schuldner in nichtfinanziellen Schwierigkeiten befinden, sofern diese Schwierigkeiten mit der tatsächlichen und erheblichen Gefahr verbunden sind, dass ein Schuldner gegenwärtig oder in Zukunft seine Verbindlichkeit bei Fälligkeit nicht begleichen kann. Der maßgebliche Zeitraum zur Feststellung einer solchen Gefahr kann mehrere Monate oder auch länger betragen, um Fällen Rechnung zu tragen, in denen sich der Schuldner in nichtfinanziellen Schwierigkeiten befindet, die die Fortführung seines Unternehmens und mittelfristig seine Liquidität gefährden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Schuldner einen Auftrag verloren hat, der für ihn von entscheidender Bedeutung war.

(29)

Zur Förderung der Effizienz und zur Verringerung von Verzögerungen und Kosten sollten die nationalen präventiven Restrukturierungsrahmen flexible Verfahren umfassen. Wird diese Richtlinie über mehr als ein Verfahren innerhalb eines Restrukturierungsrahmens umgesetzt, so sollte der Schuldner mit dem Ziel einer effektiven Restrukturierung zu allen in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechten und Schutzvorkehrungen Zugang haben. Abgesehen von den Fällen, in denen gemäß dieser Richtlinie eine Pflicht zur Beteiligung von Justiz- oder Verwaltungsbehörden besteht, sollten die Mitgliedstaaten die Beteiligung solcher Behörden auf die Fälle beschränken können, in denen dies erforderlich und angemessen ist, wobei unter anderem das Ziel, die Rechte und Interessen der Schuldner und anderer betroffener Parteien zu wahren, sowie das Ziel, Verzögerungen und Kosten der Verfahren zu verringern, berücksichtigt werden. Ist es Gläubigern oder Arbeitnehmervertretern nach nationalem Recht gestattet, ein Restrukturierungsverfahren einzuleiten und handelt es sich bei dem Schuldner um ein KMU, so sollten die Mitgliedstaaten die Zustimmung des Schuldners zur Bedingung für die Einleitung des Verfahrens machen und sie sollten auch beschließen können, diese Anforderung auf Schuldner auszuweiten, bei denen es sich um große Unternehmen handelt.

(30)

Um unnötige Kosten zu vermeiden, dem frühzeitigen Charakter der präventiven Restrukturierung Rechnung zu tragen und Schuldnern einen Anreiz zu bieten, bei finanziellen Schwierigkeiten frühzeitig die präventive Restrukturierung zu beantragen, sollten sie grundsätzlich die Kontrolle über ihre Vermögenswerte und den täglichen Betrieb ihres Unternehmens behalten. Die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten zur Überwachung der Tätigkeit eines Schuldners oder zur teilweisen Übernahme der Kontrolle über den täglichen Betrieb eines Schuldners sollte nicht in jedem Fall zwingend sein, sondern im Einzelfall je nach den Umständen des Falles bzw. den besonderen Erfordernissen des Schuldners erfolgen. Dennoch sollten die Mitgliedstaaten bestimmen können, dass die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten unter bestimmten Umständen immer erforderlich ist, etwa wenn dem Schuldner eine allgemeine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gewährt wird, wenn der Restrukturierungsplan im Wege eines klassenübergreifenden Cram-downs bestätigt werden muss, wenn der Restrukturierungsplan Maßnahmen enthält, die die Arbeitnehmerrechte berühren, oder wenn sich der Schuldner oder seine Unternehmensleitung in ihren Geschäftsbeziehungen kriminell, betrügerisch oder schädigend verhalten haben.

(31)

Zur Unterstützung der Parteien bei der Aushandlung und Ausarbeitung eines Restrukturierungsplans sollten die Mitgliedstaaten die zwingende Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten vorsehen, wenn eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde dem Schuldner eine allgemeine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gewährt, sofern in einem solchen Fall ein Verwalter zur Wahrung der Interessen der Parteien erforderlich ist, wenn der Restrukturierungsplan von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde im Wege eines klassenübergreifenden Cram-downs bestätigt werden muss, wenn dies vom Schuldner beantragt wurde oder wenn dies von der Mehrheit der Gläubiger beantragt wird sofern die Gläubiger die Kosten und Gebühren des Verwalters übernehmen.

(32)

Ein Schuldner sollte eine entweder von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde gewährte oder aufgrund Gesetzes mögliche vorübergehende Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen in Anspruch nehmen können, um dadurch die Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan zu unterstützen, damit der Schuldner während der Verhandlungen seinen Betrieb fortsetzen oder zumindest den Wert seines Vermögens erhalten kann. Die Aussetzung sollte auch gegenüber Dritten, die Sicherheiten leisten, einschließlich Bürgen und Ausstellern von Sicherheiten, angewendet werden können, wenn dies im nationalen Recht vorgesehen ist. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch bestimmen können, dass Justiz- oder Verwaltungsbehörden die Gewährung einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen verweigern können, wenn eine solche Aussetzung nicht erforderlich ist oder wenn sie nicht den Zweck erfüllen würde, die Verhandlungen zu unterstützen. Ein Mangel an Unterstützung seitens der erforderlichen Mehrheiten der Gläubiger oder, wenn im nationalen Recht vorgesehen, die tatsächliche Unfähigkeit des Schuldners, seine fällig werdenden Schulden zu begleichen, könnten Gründe für eine Verweigerung darstellen.

(33)

Zur Erleichterung und Beschleunigung der Durchführung von Verfahren sollten die Mitgliedstaaten widerlegbare Vermutungen für das Vorliegen von Gründen für eine Verweigerung der Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen festlegen können, zum Beispiel wenn der Schuldner ein für zahlungsunfähige Schuldner typische Verhaltensweise an den Tag legt — also etwa einen erheblichen Zahlungsrückstand gegenüber Arbeitnehmern, Steuerbehörden oder Sozialversicherungsträgern-, oder wenn ein Schuldner oder die gegenwärtige Geschäftsleitung eines Unternehmens eine Finanzstraftat begangen hat, welche die Annahme begründet, dass eine Mehrheit der Gläubiger die Aufnahme der Verhandlungen nicht unterstützen würde.

(34)

Eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen könnte allgemein gelten, also alle Gläubiger betreffen, oder nur für einzelne Gläubiger oder Gläubigergruppen gelten. Die Mitgliedstaaten sollten bestimmte Forderungen oder Forderungskategorien unter genau festgelegten Umständen vom Geltungsbereich der Aussetzung ausschließen können, wie etwa Forderungen, die durch Vermögenswerte besichert sind, deren Wegnahme die Restrukturierung des Unternehmens nicht gefährden würde, oder Forderungen von Gläubigern, für die eine Aussetzung eine unangemessene Beeinträchtigung darstellen würde, etwa durch einen nicht ausgeglichenen Verlust oder eine Wertminderung von Sicherheiten.

(35)

Um einen fairen Ausgleich zwischen den Rechten des Schuldners und denen der Gläubiger sicherzustellen, sollte der Höchstzeitraum einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen höchstens bis zu vier Monate betragen. Für komplexe Restrukturierungen wird jedoch möglicherweise mehr Zeit benötigt. Die Mitgliedstaaten sollten bestimmen können, dass die Justiz- oder Verwaltungsbehörde die ursprüngliche Frist für die Aussetzung in diesen Fällen verlängern kann. Wenn die Justiz- oder Verwaltungsbehörde keine Entscheidung über die Verlängerung trifft, bevor die Aussetzung endet, sollte die Aussetzung mit Ablauf der Aussetzungsfrist enden. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte die Gesamtdauer der Aussetzung auf zwölf Monate begrenzt werden. Die Mitgliedstaaten sollten eine unbefristete Aussetzung vorsehen können, wenn der Schuldner nach nationalem Recht insolvent wird. Die Mitgliedstaaten sollten entscheiden können, ob eine kurze zwischenzeitliche Aussetzung gelten, die bis zur Entscheidung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde über den Zugang zum präventiven Restrukturierungsrahmen angeordnet wird, auf die zeitlichen Fristen gemäß dieser Richtlinie anzurechnen sind.

(36)

Um zu gewährleisten, dass den Gläubigern kein unnötiger Nachteil entsteht, sollten die Mitgliedstaaten bestimmen, dass Justiz- oder Verwaltungsbehörden die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen aufheben können, wenn sie nicht länger den Zweck erfüllt, die Verhandlungen zu unterstützen — zum Beispiel, wenn deutlich wird, dass die erforderliche Mehrheit der Gläubiger die Fortführung der Verhandlungen nicht unterstützt. Die Aussetzung auch dann aufgehoben werden, wenn die Gläubiger durch diese in unangemessener Weise beeinträchtigt werden, sofern die Mitgliedstaaten eine solche Möglichkeit vorsehen. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit einer Aufhebung der Aussetzung auf Fälle beschränken können, in denen Gläubiger keine Gelegenheit hatten, sich zu äußern, bevor die Aussetzung in Kraft trat oder verlängert wurde. Die Mitgliedstaaten sollten auch eine Mindestdauer vorsehen können, während der die Aussetzung nicht aufgehoben werden kann. Bei der Prüfung, ob eine unangemessene Beeinträchtigung der Gläubiger vorliegt, sollten die Justiz- oder Verwaltungsbehörden berücksichtigen können, ob im Falle einer Aussetzung der Gesamtwert des Vermögens erhalten bliebe und ob der Schuldner bösgläubig oder in Schädigungsabsicht handelt oder ganz allgemein den berechtigten Erwartungen der Gesamtheit der Gläubiger zuwiderhandelt.

(37)

Diese Richtlinie erstreckt sich nicht auf Bestimmungen zu Ausgleichszahlungen oder Schutzvorkehrungen für Gläubiger, deren Sicherheit während der Aussetzung voraussichtlich an Wert verlieren wird. Einzelne Gläubiger oder eine Gläubigerklasse würden durch die Aussetzung beispielsweise dann in unangemessener Weise beeinträchtigt, wenn ihre Forderungen infolge der Aussetzung erheblich schlechter gestellt würden als ohne die Aussetzung oder wenn der Gläubiger stärker benachteiligt würde als andere Gläubiger in ähnlicher Lage. Die Mitgliedstaaten sollten vorsehen können, dass, sobald eine unangemessene Beeinträchtigung eines oder mehrerer Gläubiger oder einer oder mehrerer Gläubigerklassen festgestellt wird, die Aussetzung entweder für diese Gläubiger oder Gläubigerklassen oder für die Gesamtheit der Gläubiger aufgehoben werden kann. Die Mitgliedstaaten sollten entscheiden können, wer berechtigt ist, einen Antrag auf Aufhebung der Aussetzung zu stellen.

(38)

Mit der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen sollte auch die Verpflichtung des Schuldners zur Beantragung — oder die Eröffnung auf Antrag eines Gläubigers — eines Insolvenzverfahrens, das zur Liquidation des Schuldners führen könnte, ausgesetzt werden. Solche Insolvenzverfahren sollten zusätzlich zu denen, die gesetzlich als einzig mögliche Folge die Liquidation des Schuldners haben können, auch Verfahren umfassen, die zu einer Restrukturierung des Schuldners führen könnten. Die Aussetzung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Antrag von Gläubigern sollte nicht nur in den Fällen gelten, in denen Mitgliedstaaten eine allgemeine, alle Gläubiger umfassende Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen vorsehen, sondern auch in den Fällen, in denen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen für nur eine begrenzte Zahl an Gläubigern vorsehen. Dennoch sollten die Mitgliedstaaten in der Lage sein zu bestimmen, das Insolvenzverfahren auf Antrag von Behörden, die nicht als Gläubiger auftreten, sondern im allgemeinen Interesse handeln — zum Beispiel einer Staatsanwaltschaft -eröffnet werden können.

(39)

Diese Richtlinie sollte Schuldner nicht daran hindern, Forderungen von nicht betroffenen Gläubigern und während der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen entstehende Forderungen betroffener Gläubiger im normalen Geschäftsgang zu erfüllen. Um sicherzustellen, dass Gläubiger mit Forderungen, die vor der Eröffnung eines Restrukturierungsverfahrens oder vor einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen entstanden sind, den Schuldner nicht zur Begleichung dieser Forderungen drängen, die ansonsten durch die Umsetzung des Restrukturierungsplans gekürzt würden, sollten die Mitgliedstaaten eine Aussetzung der Verpflichtung des Schuldners in Bezug auf Zahlungen auf diese Forderungen vorsehen können.

(40)

Wenn gegen einen Schuldner ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, können einige Lieferanten über in sogenannten Ipso-facto-Klauseln festgelegte vertragliche Rechte verfügen, die es ihnen gestatten, den Liefervertrag allein wegen der Insolvenz zu kündigen, selbst wenn der Schuldner seine Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hat. Ipso-facto-Klauseln könnten auch dann ausgelöst werden, wenn ein Schuldner präventive Restrukturierungsmaßnahmen beantragt. Werden solche Klauseln geltend gemacht, wenn der Schuldner lediglich über einen Restrukturierungsplan verhandelt oder eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen beantragt oder werden sie in Verbindung mit einem mit der Aussetzung zusammenhängenden Ereignis geltend gemacht, kann sich eine vorzeitige Kündigung negativ auf das Unternehmen des Schuldners und die erfolgreiche Rettung des Unternehmens auswirken. Daher muss für solche Fälle vorgesehen werden, dass die Gläubiger Ipso-facto-Klauseln nicht geltend machen dürfen, die an Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan, an eine Aussetzung oder an mit der Aussetzung zusammenhängende Ereignisse anknüpfen.

(41)

Eine vorzeitige Kündigung kann die Fähigkeit des Unternehmens gefährden, seinen Betrieb während der Restrukturierungsverhandlungen fortzuführen, insbesondere wenn die Kündigung Verträge über wesentliche Lieferungen wie Gas, Strom, Wasser, Telekommunikation und Kartenzahlungsdienste betrifft. Die Mitgliedstaaten sollten vorsehen, dass Gläubiger, für die die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gilt und deren Forderungen vor der Aussetzung entstanden sind und vom Schuldner noch nicht bezahlt wurden, nicht berechtigt sind, während der Aussetzung Leistungen aus wesentlichen noch zu erfüllenden Verträgen zu verweigern oder diese Verträge zu kündigen, vorzeitig fällig zu stellen oder in sonstiger Weise zu ändern, sofern der Schuldner seinen Verpflichtungen aus diesen Verträgen, die während der Aussetzung fällig werden, weiterhin nachkommt. Zu erfüllende Verträge sind beispielsweise Miet- und Lizenzverträge, langfristige Lieferverträge und Franchiseverträge.

(42)

Diese Richtlinie legt Mindestnormen für den Inhalt eines Restrukturierungsplans fest. Jedoch sollte es den Mitgliedstaaten möglich sein, zusätzliche Erläuterungen im Restrukturierungsplan vorzuschreiben, zum Beispiel hinsichtlich der Kriterien, anhand derer die Gläubiger gruppiert wurden, was im Falle von nur teilweise besicherten Schulden von Bedeutung sein kann. Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet werden, ein Expertengutachten über den Wert der Vermögenswerte zu verlangen, der im Plan angegeben werden muss.

(43)

Die von einem Restrukturierungsplan betroffenen Gläubiger, einschließlich der Arbeitnehmer, und — wenn nach nationalem Recht zulässig — die Anteilsinhaber sollten das Recht haben, über die Annahme eines Restrukturierungsplans abzustimmen. Die Mitgliedstaaten sollten begrenzte Ausnahmen von dieser Regel vorsehen können. Die von dem Restrukturierungsplan nicht betroffenen Parteien sollten weder Stimmrechte in Bezug auf den Plan haben, noch sollte ihre Unterstützung für die Annahme eines Plans erforderlich sein. Der Begriff der betroffenen Parteien sollte Arbeitnehmer nur in ihrer Eigenschaft als Gläubiger einschließen. Wenn Mitgliedstaaten beschließen, die Forderungen von Arbeitnehmern vom präventiven Restrukturierungsrahmen auszunehmen, sollten Arbeitnehmer daher nicht als betroffene Parteien betrachtet werden. Die Abstimmung über die Annahme eines Restrukturierungsplans könnte in Form eines förmlichen Abstimmungsverfahrens oder einer Konsultation und des Abschlusses einer Vereinbarung mit einer erforderlichen Mehrheit der betroffenen Parteien durchgeführt werden. Wenn die Abstimmung in Form einer Vereinbarung mit der erforderlichen Mehrheit durchgeführt wird, könnten die betroffenen Parteien, die an der Zustimmung nicht beteiligt waren, dennoch die Möglichkeit erhalten, sich dem Restrukturierungsplan anzuschließen.

(44)

Um zu gewährleisten, dass im Wesentlichen ähnliche Rechte fair behandelt werden und dass Restrukturierungspläne angenommen werden können, ohne die Rechte betroffener Parteien in unangemessener Weise zu beeinträchtigen, sollten die betroffenen Parteien in unterschiedlichen Klassen behandelt werden, die den Kriterien für die Klassenbildung nach nationalem Recht entsprechen. Klassenbildung bedeutet die Gruppierung der betroffenen Parteien mit dem Zweck, einen Plan in der Weise anzunehmen, dass ihre Rechte und der Rang ihrer Forderungen beziehungsweise Beteiligungen zum Tragen kommen. Zumindest gesicherte und ungesicherte Gläubiger sollten stets in unterschiedlichen Klassen behandelt werden. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch vorschreiben können, dass mehr als zwei Klassen von Gläubigern gebildet werden, einschließlich verschiedener Klassen ungesicherter und gesicherter Gläubiger und Klassen von Gläubigern mit nachrangigen Forderungen. Die Mitgliedstaaten sollten auch gesonderte Klassen für andere Arten von Gläubigern ohne ausreichende gemeinsame Interessen schaffen können, wie Steuerbehörden oder Sozialversicherungsträger. Die Mitgliedstaaten sollten vorschreiben können, dass gesicherte Forderungen auf der Grundlage einer Bewertung der Sicherheiten in gesicherte und ungesicherte Teile unterteilen werden können. Die Mitgliedstaaten sollten auch besondere Vorschriften festlegen können, mit denen eine Klassenbildung unterstützt wird, wenn Gläubiger, die wie Arbeitnehmer oder kleine Lieferanten ihre Engagements nicht diversifizieren können oder aus anderen Gründen besonders schutzbedürftig sind, von der Klassenbildung profitieren würden.

(45)

Die Mitgliedstaaten sollten vorsehen können, dass Schuldner, bei denen es sich um KMU handelt, aufgrund ihrer relativ einfachen Kapitalstruktur von der Verpflichtung zur Behandlung von betroffenen Parteien in unterschiedlichen Klassen ausgenommen werden können. In Fällen, in denen KMU sich dafür entschieden haben, nur eine Abstimmungsklasse zu bilden und diese Klasse gegen den Plan stimmt, sollten die Schuldner im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen dieser Richtlinie die Möglichkeit haben, einen anderen Plan vorzulegen.

(46)

Die Mitgliedstaaten sollten auf jeden Fall gewährleisten, dass Fragen, die für die Klassenbildung von besonderer Bedeutung sind, zum Beispiel Forderungen verbundener Parteien, in geeigneter Weise in ihrem nationalen Recht behandelt werden, und das ihr nationales Recht Vorschriften enthält, die sich mit Eventualforderungen und streitigen Forderungen befassen. Den Mitgliedstaaten sollte gestattet sein, zu regeln, wie streitige Forderungen im Hinblick auf die Zuteilung von Stimmrechten zu behandeln sind. Die Justiz- oder Verwaltungsbehörde sollte die Klassenbildung — einschließlich der Auswahl der vom Plan betroffenen Gläubiger — prüfen, wenn ein Restrukturierungsplan zur Bestätigung vorgelegt wird. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch vorsehen können, dass eine solche Behörde die Klassenbildung auch zu einem früheren Zeitpunkt prüfen kann, falls derjenige, der den Plan vorschlägt, vorab um eine Validierung oder um Orientierungshilfen ersucht.

(47)

Die erforderlichen Mehrheiten sollten im nationalen Recht festgelegt werden, um zu gewährleisten, dass nicht eine Minderheit betroffener Parteien in jeder Klasse die Annahme eines Restrukturierungsplans, der ihre Rechte und Interessen nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt, vereiteln kann. Ohne das Mehrheitsprinzip, das ablehnende gesicherte Gläubiger bindet, wäre eine frühzeitige Restrukturierung in vielen Fällen nicht möglich, zum Beispiel, wenn eine finanzielle Restrukturierung notwendig, das Unternehmen im Übrigen aber bestandsfähig ist. Um sicherzustellen, dass die Parteien in dem Maße Einfluss auf die Annahme von Restrukturierungsplänen haben, in dem sie an dem Unternehmen beteiligt sind, sollte die erforderliche Mehrheit auf dem Betrag der Forderungen der Gläubiger beziehungsweise der Beteiligungen der Anteilsinhaber in jeder Klasse beruhen. Die Mitgliedstaaten sollten darüber hinaus vorschreiben können, dass bezogen auf die Anzahl der betroffenen Parteien in jeder Klasse eine Mehrheit erreicht werden muss. Die Mitgliedstaaten sollten Vorschriften hinsichtlich betroffener Parteien mit Stimmrecht, die dieses Recht nicht auf korrekte Art und Weise ausüben oder nicht vertreten sind, erlassen können und zum Beispiel festlegen können, dass diese betroffenen Parteien zur Erreichung einer Beteiligungsschwelle oder zur Berechnung einer Mehrheit miteinbezogen werden. Die Mitgliedstaaten sollten auch eine Beteiligungsschwelle für die Abstimmung festlegen können.

(48)

Die Bestätigung eines Restrukturierungsplans durch eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde ist notwendig, um sicherzustellen, dass die Kürzung der Forderungen der Gläubiger beziehungsweise der Beteiligungen der Anteilsinhaber in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der Restrukturierung verbundenen Vorteilen steht und dass die Gläubiger und die Anteilsinhaber Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf haben. Die Bestätigung ist besonders dann notwendig, wenn es ablehnende betroffene Parteien gibt, wenn der Restrukturierungsplan Bestimmungen zu neuer Finanzierung enthält oder wenn der Plan zum Verlust von mehr als 25 % der Arbeitsplätze führt. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch festlegen können, dass die Bestätigung durch eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde auch in anderen Fällen notwendig ist. Eine Bestätigung eines Plans, der zum Verlust von mehr als 25 % der Arbeitsplätze führt, sollte nur dann erforderlich sein, wenn es nach nationalem Recht zulässig ist, dass präventive Restrukturierungsrahmen Maßnahmen mit unmittelbaren Auswirkungen auf Arbeitsverträge vorsehen.

(49)

Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde einen Plan zurückweisen kann, wenn feststeht, dass dieser die Rechte ablehnender Gläubiger oder Anteilsinhaber so stark mindert, dass sie entweder weniger erhalten würden, als sie nach vernünftigem Ermessen im Falle der Liquidation des Unternehmens des Schuldners — unabhängig davon, ob diese stückweise oder in Form eines Verkaufs des Unternehmens als Ganzes erfolgen würde, je nach den besonderen Umständen des einzelnen Schuldners — erwarten könnten, oder weniger als sie nach vernünftigem Ermessen im Falle des nächstbesten Alternativszenarios — wenn der Restrukturierungsplan nicht bestätigt würde — erwarten konnten. Wenn jedoch der Restrukturierungsplan im Wege eines klassenübergreifenden Cram-downs bestätigt wird, sollte auf den in einem solchen Szenario anzuwendenden Schutzmechanismus verwiesen werden. Haben sich Mitgliedstaaten für die Bewertung des Schuldners als fortgeführtes Unternehmen entschieden, sollte der Wert des Unternehmens des Schuldners — anders als beim Liquidationswert — längerfristig betrachtet werden. Der Wert des fortgeführten Unternehmens ist in der Regel höher als der Liquidationswert, da er auf der Annahme beruht, dass das Unternehmen seine Tätigkeit mit der geringstmöglichen Störung fortsetzt, das Vertrauen der finanziellen Gläubiger, Aktionäre und Kunden genießt, weiter Einnahmen erzielt und die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer begrenzt.

(50)

Obwohl die Erfüllung des Kriteriums des Gläubigerinteresses nur im Falle einer diesbezüglichen Beanstandung des Restrukturierungsplans von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde geprüft werden sollte, um zu vermeiden, dass in jedem Fall eine Bewertung erfolgt, sollten die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass andere Bedingungen für die Bestätigung von Amts wegen geprüft werden können. Die Mitgliedstaaten sollten andere Bedingungen hinzufügen können, die für die Bestätigung eines Restrukturierungsplans erfüllt werden müssen, zum Beispiel, dass Anteilsinhaber angemessen geschützt sind. Die Justiz- oder Verwaltungsbehörden sollten die Bestätigung von Restrukturierungsplänen ablehnen können, wenn keine vernünftige Aussicht besteht, dass diese die Insolvenz des Schuldners verhindern oder die Bestandsfähigkeit des Unternehmens gewährleisten würden. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch nicht sicherstellen müssen, dass eine solche Überprüfung von Amts wegen geschieht.

(51)

Die Übermittlung an alle betroffenen Parteien sollte eine der Bedingungen für die Bestätigung eines Restrukturierungsplans sein. Die Mitgliedstaaten sollten die Form und den Zeitpunkt der Übermittlung sowie Bestimmungen für die Behandlung unbekannter Forderungen im Hinblick auf die Übermittlung festlegen können. Sie sollten auch vorsehen können, dass nicht betroffene Parteien über den Restrukturierungsplan informiert werden müssen.

(52)

Die positive Bewertung des „Kriteriums des Gläubigerinteresses“ sollte so verstanden werden, dass kein ablehnender Gläubiger nach dem Restrukturierungsplan schlechter gestellt wird als entweder im Falle der Liquidation, unabhängig davon, ob diese stückweise oder in Form eines Verkaufs des Unternehmens als Ganzen erfolgt, oder im Falle des nächstbesten Alternativszenarios, sollte der Restrukturierungsplan nicht bestätigt werden. Die Mitgliedstaaten sollten bei der Umsetzung des Kriteriums des Gläubigerinteresses im nationalen Recht eine dieser Bedingungen auswählen können. Dieses Kriterium sollte immer dann angewandt werden, wenn ein Plan bestätigt werden muss, um für ablehnende Gläubiger oder gegebenenfalls ablehnende Gläubigerklassen verbindlich zu sein. Infolge des Kriteriums des Gläubigerinteresses könnten die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Plan keinen vollständigen oder teilweisen Erlass der ausstehenden Forderungen von öffentlichen institutionellen Gläubigern, die nach nationalem Recht einen privilegierten Status genießen, vorschreiben.

(53)

Zwar sollte ein Restrukturierungsplan stets angenommen werden, wenn er von der erforderlichen Mehrheit in jeder betroffenen Klasse unterstützt wird, jedoch sollte ein Restrukturierungsplan, der nicht von der erforderlichen Mehrheit in jeder betroffenen Klasse unterstützt wird, immer noch auf Vorschlag eines Schuldners oder mit Zustimmung des Schuldners von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt werden können. Handelt es sich um eine juristische Person, sollten die Mitgliedstaaten entscheiden können, ob zum Zwecke der Annahme oder Bestätigung eines Restrukturierungsplans unter dem Schuldner das vertretungsberechtigte Organ der juristischen Person oder eine bestimmte Mehrheit der Aktionäre oder Anteilsinhaber gelten soll. Damit der Plan im Falle eines klassenübergreifenden Cram-downs bestätigt wird, sollte er von einer Mehrheit der Abstimmungsklassen betroffener Parteien unterstützt werden. Mindestens eine dieser Klassen sollte eine Klasse gesicherter Gläubiger sein oder gegenüber der Klasse gewöhnlicher ungesicherter Gläubiger vorrangig sein.

(54)

Es sollte möglich sein, dass, wenn eine Mehrheit der Abstimmungsklassen den Restrukturierungsplan nicht unterstützt, der Plan dennoch bestätigt werden kann, sofern er von zumindest einer der betroffenen oder beeinträchtigten Klassen von Gläubigern unterstützt wird, die im Falle einer Bewertung des Schuldners als fortgeführtes Unternehmen bei Anwendung der normalen Rangfolge der Liquidationsprioritäten nach nationalem Recht eine Zahlung erhalten oder eine Beteiligung behalten würde oder, wenn im nationalen Recht vorgesehen, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie eine Zahlung erhalten oder eine Beteiligung behalten würde. Im diesem Fall sollten die Mitgliedstaaten die Anzahl der Klassen, die für eine Genehmigung des Plans benötigt werden, erhöhen können, ohne notwendigerweise vorzuschreiben, dass all diese Klassen bei einer Bewertung des Schuldners als fortgeführtes Unternehmen nach nationalem Recht eine Auszahlung erhalten oder eine Beteiligung behalten. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch nicht die Zustimmung aller Klassen vorschreiben. Entsprechend sollte in Fällen mit nur zwei Klassen von Gläubigern die Zustimmung von zumindest einer Klasse als ausreichend angesehen werden, wenn die anderen Voraussetzungen für die Anwendung eines klassenübergreifenden Cram-downs erfüllt sind. Als Beeinträchtigung von Gläubigern sollte eine Kürzung ihrer Forderungen gelten.

(55)

Bei einem klassenübergreifenden Cram-down sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass ablehnende Klassen betroffener Gläubiger nach dem vorgeschlagenen Plan nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt werden und die Mitgliedstaaten sollten für hinreichenden Schutz solcher ablehnender Klassen sorgen. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, eine ablehnende Klasse betroffener Gläubiger zu schützen, indem sie sicherstellen, dass diese mindestens ebenso günstig wie andere gleichrangige Klassen und günstiger als alle nachrangigeren Klassen gestellt werden. Alternativ könnten die Mitgliedstaaten eine ablehnende Klasse betroffener Gläubiger schützen, indem sie sicherstellen, dass eine solche ablehnende Klasse in vollem Umfang befriedigt wird, wenn eine nachrangige Klasse nach dem Restrukturierungsplan eine Auszahlung erhält oder eine Beteiligung behält (im Folgenden „Regel des absoluten Vorrangs“). Bei der Umsetzung des Konzepts der „vollumfänglichen Befriedigung“ sollten die Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum haben, auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Zahlung, solange die Hauptforderung und, im Falle von gesicherten Gläubigern, der Wert der Sicherheit geschützt sind. Die Mitgliedstaaten sollten auch entscheiden können, wie die vollumfängliche Befriedigung der ursprünglichen Forderung in gleichwertiger Weise gestaltet werden kann.

(56)

Die Mitgliedstaaten sollten von der Regel des absoluten Vorrangs abweichen können, zum Beispiel, wenn es als angemessen erachtet wird, dass Anteilsinhaber nach dem Plan bestimmte Beteiligungen behalten, obwohl eine vorrangige Klasse eine Verringerung ihrer Forderungen in Kauf nehmen muss, oder dass Lieferanten von wesentlichen Versorgungsgütern, die unter die Bestimmungen über die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen fallen, vor vorrangigen Gläubigerklassen bezahlt werden. Die Mitgliedstaaten sollten zwischen den oben genannten Schutzmechanismen wählen können.

(57)

Zwar sollten die berechtigten Interessen der Aktionäre und anderen Anteilsinhaber geschützt werden, die Mitgliedstaaten sollten jedoch sicherstellen, dass sie nicht grundlos die Annahme von Restrukturierungsplänen verhindern können, die den Schuldner in die Bestandsfähigkeit zurückführen würden. Die Mitgliedstaaten sollten dies mit verschiedenen Mitteln erreichen können, beispielsweise indem sie Anteilsinhabern nicht das Recht gewähren, über einen Restrukturierungsplan abzustimmen und die Annahme eines Restrukturierungsplans nicht von der Zustimmung der Anteilsinhaber abhängig machen, die im Falle einer Bewertung des Unternehmens bei Anwendung der normalen Rangfolge der Liquidationsprioritäten keine Zahlung oder sonstige Gegenleistung erhalten würden. Wenn Anteilsinhaber jedoch das Recht haben, über einen Restrukturierungsplan abzustimmen, sollte eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde den Plan trotz der Ablehnung durch eine oder mehrere Klassen von Anteilsinhabern durch Anwendung der Regeln eines klassenübergreifenden Cram-downs bestätigen können. Mitgliedstaaten, die Anteilsinhaber von der Abstimmung ausschließen, sollten die Regel des absoluten Vorrangs im Verhältnis zwischen Gläubigern und Anteilsinhabern nicht anwenden müssen. Eine weitere Möglichkeit, um sicherzustellen, dass Anteilsinhaber nicht grundlos die Annahme von Restrukturierungsplänen verhindern, wäre sicherzustellen, dass Restrukturierungsmaßnahmen, die sich unmittelbar auf die Rechte der Anteilsinhaber auswirken und nach dem Gesellschaftsrecht durch eine Anteilsinhaberversammlung bestätigt werden müssen, keine unangemessen hohen Mehrheiten benötigen und dass Anteilsinhaber keine Zuständigkeit bei Restrukturierungsmaßnahmen haben, die sich nicht unmittelbar auf ihre Rechte auswirken.

(58)

Mehrere Klassen von Anteilsinhabern können erforderlich sein, wenn unterschiedliche Beteiligungen mit unterschiedlichen Rechten vorliegen. Für Anteilsinhaber von KMU, bei denen es sich nicht um reine Anleger, sondern um die Inhaber der Unternehmen handelt, die auch auf andere Weise, etwa mit Managementerfahrung, einen Beitrag zum Unternehmen leisten, besteht möglicherweise kein Anreiz, unter diesen Bedingungen eine Restrukturierung vorzunehmen. Der klassenübergreifende Cram-down sollte deshalb für Schuldner, bei denen es sich um KMU handelt, fakultativ bleiben.

(59)

Zur Umsetzung des Restrukturierungsplans sollten die Anteilsinhaber von KMU die Möglichkeit haben, mit Sachleistungen zur Restrukturierung beizutragen, indem sie beispielsweise auf ihre Erfahrung, ihren guten Ruf oder ihre Geschäftsbeziehungen zurückgreifen.

(60)

Arbeitnehmer sollten während der gesamten Dauer der präventiven Restrukturierungsverfahren den vollen arbeitsrechtlichen Schutz genießen. Insbesondere sollte diese Richtlinie die Arbeitnehmerrechte unberührt lassen, die durch die Richtlinien 98/59/EG (12) und 2001/23/EG des Rates (13) und die Richtlinien 2002/14/EG (14), 2008/94/EG (15) und 2009/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (16) garantiert werden. Die Verpflichtungen zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer nach den zur Umsetzung der Richtlinien erlassenen nationalen Rechtsvorschriften werden in keiner Weise berührt. Dies schließt auch Verpflichtungen mit ein, die Arbeitnehmervertreter gemäß der Richtlinie 2002/14/EG die Arbeitnehmervertreter über den Beschluss, ein präventives Restrukturierungsverfahren in Anspruch zu nehmen, zu unterrichten und anzuhören.

(61)

Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter sollten Informationen zu dem vorgeschlagenen Restrukturierungsplan erhalten, soweit dies im Unionsrecht vorgesehen ist, damit sie die verschiedenen Szenarien eingehend prüfen können. Darüber hinaus sollten Arbeitnehmer und ihre Vertreter in dem Maße einbezogen werden, wie dies zur Erfüllung der im Unionsrecht vorgesehenen Anhörungserfordernisse notwendig ist. Angesichts der Notwendigkeit, ein angemessenes Schutzniveau für Arbeitnehmer zu gewährleisten, sollten die Mitgliedstaaten verpflichtet sein, nicht erfüllte Forderungen der Arbeitnehmer von einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen auszunehmen, und zwar unabhängig davon, ob diese Forderungen vor oder nach Gewährung der Aussetzung entstanden sind. Eine Aussetzung der Vollstreckung nicht erfüllter Forderungen der Arbeitnehmer sollte nur für die Beträge und für den Zeitraum gestattet sein, für die die Erfüllung dieser Forderungen in vergleichbarer Höhe nach nationalem Recht auf andere Weise wirksam garantiert ist. Wenn die Haftung von Garantieeinrichtungen nach nationalem Recht in Bezug auf die Laufzeit der Garantie oder den den Arbeitnehmern gezahlten Betrag beschränkt ist, sollten die Arbeitnehmer ihre Forderungen wegen mangelnder Erfüllung auch während der Aussetzung der Vollstreckung gegen den Arbeitgeber vollstrecken können. Alternativ sollten die Mitgliedstaaten die Forderungen der Arbeitnehmer vom Anwendungsbereich des präventiven Restrukturierungsrahmens ausnehmen und ihren Schutz im nationalen Recht vorsehen können.

(62)

Wenn ein Restrukturierungsplan den Übergang eines Unternehmens- oder Betriebsteils zur Folge hat, sollten die Ansprüche der Arbeitnehmer aus einem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis, insbesondere der Anspruch auf Lohn, im Einklang mit den Artikeln 3 und 4 der Richtlinie 2001/23/EG gewahrt werden, unbeschadet der besonderen Vorschriften für den Fall eines Insolvenzverfahrens nach Artikel 5 der genannten Richtlinie und insbesondere der in Artikel 5 Absatz 2 der genannten Richtlinie vorgesehenen Möglichkeiten. Diese Richtlinie sollte unbeschadet der in der Richtlinie 2002/14/EG garantierten Rechte auf Unterrichtung und Anhörung — unter anderem in Bezug auf Entscheidungen, die wesentliche Veränderungen der Arbeitsorganisation oder der Arbeitsverträge mit sich bringen können — mit dem Ziel einer Einigung über diese Entscheidungen gelten. Ferner sollten Arbeitnehmer, deren Forderungen von dem Restrukturierungsplan betroffen sind, nach der vorliegenden Richtlinie das Recht haben, über einen Plan abzustimmen. Für die Zwecke der Abstimmung über den Restrukturierungsplan sollten die Mitgliedstaaten entscheiden können, Arbeiternehmer getrennt von anderen Gläubigern in eine eigene Klasse zu gruppieren.

(63)

Die Justiz- oder Verwaltungsbehörden sollten nur dann über die Ermittlung des Wertes eines Unternehmens — entweder in der Liquidation oder im nächstbesten Alternativszenario wenn der Restrukturierungsplan nicht bestätigt wurde — entscheiden, wenn eine ablehnende betroffene Partei den Restrukturierungsplan beanstandet. Dies sollte die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, Bewertungen in einem anderen Zusammenhang nach nationalem Recht durchzuführen. Es sollte jedoch möglich sein, dass eine solche Entscheidung auch darin besteht, dass eine durch einen Experten vorgenommene Bewertung oder eine Bewertung, die in einem früheren Stadium des Prozesses durch den Schuldner oder eine andere Partei vorgelegt wurde, gebilligt wird. Wird die Entscheidung getroffen, eine Bewertung durchzuführen, sollten die Mitgliedstaaten für eine Bewertung in Restrukturierungsfällen eigene, vom allgemeinen Zivilprozessrecht getrennte Ausnahmeregelungen vorsehen können, um eine zügige Durchführung zu gewährleisten. Die nationalen Vorschriften zur Beweislast im Falle einer Bewertung sollten von dieser Richtlinie nicht berührt werden.

(64)

Die verbindliche Wirkung eines Restrukturierungsplans sollte auf die betroffenen Parteien beschränkt sein, die an der Annahme des Plans beteiligt waren. Die Mitgliedstaaten sollten festlegen können, was unter der Beteiligung eines Gläubigers zu verstehen ist, einschließlich im Falle von unbekannten Gläubigern oder Gläubigern von zukünftigen Forderungen. Zum Beispiel sollten die Mitgliedstaaten entscheiden können, wie mit Gläubigern umzugehen ist, denen der Plan ordnungsgemäß übermittelt wurde, die aber nicht an den Verfahren beteiligt waren.

(65)

Betroffene Parteien sollten die Möglichkeit haben, einen Rechtsbehelf gegen einen Beschluss über die Bestätigung eines Restrukturierungsplans durch eine Verwaltungsbehörde einzulegen. Die Mitgliedstaaten sollten zudem eine Möglichkeit schaffen können, einen Rechtsbehelf gegen einen Beschluss über die Bestätigung eines Restrukturierungsplans durch eine Justizbehörde einzulegen. Um die Wirksamkeit des Plans zu gewährleisten, die Unsicherheit zu verringern und ungerechtfertigte Verzögerungen zu vermeiden, sollten Rechtsbehelfe jedoch in der Regel in Bezug auf die Umsetzung des Restrukturierungsplans keine aufschiebende Wirkung haben. Die Mitgliedstaaten sollten die Gründe für die Einlegung von Rechtsbehelfen bestimmen oder beschränken können. Bei Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung zur Bestätigung eines Plans sollten die Mitgliedstaaten der Justizbehörde gestatten können, eine vorläufige Entscheidung oder eine einstweilige Verfügung zu erlassen, die die Ausführung und Umsetzung des Plans für den Fall eines Erfolgs des anhängigen Rechtsmittels absichert. Ist ein Rechtsmittel erfolgreich, sollten die Justiz- und Verwaltungsbehörden als Alternative zur Aufhebung des Plans die Abänderung des Plans- falls die Mitgliedstaaten eine solche Möglichkeit vorsehen — und Bestätigung des Plans ohne Abänderungen in Erwägung ziehen können. Die Parteien sollten Abänderungen an dem Plan vorschlagen oder über sie abstimmen können, sei es auf ihre Eigeninitiative oder auf Aufforderung der Justizbehörde. Die Mitgliedstaaten könnten auch Bestimmungen vorsehen, laut derer die Partei, deren Rechtsmittel erfolgreich war, für finanzielle Verluste entschädigt wird. Dem nationalen Recht sollte die Möglichkeit verbleiben, zu regeln, wie mit einer möglichen neuen Aussetzung oder einer Verlängerung der Aussetzung umgegangen wird, falls die Justizbehörde entscheidet, dass das Rechtsmittel aufschiebende Wirkung hat.

(66)

Der Erfolg eines Restrukturierungsplans hängt häufig davon ab, ob dem Schuldner finanzielle Hilfe zur Verfügung gestellt wird, um erstens den Betrieb des Unternehmens während der Restrukturierungsverhandlungen und zweitens die Umsetzung des Restrukturierungsplans nach dessen Bestätigung zu unterstützen. Finanzielle Hilfe sollte im weiteren Sinne verstanden werden und Folgendes miteinschließen: Bereitstellung von finanziellen Mitteln oder Bürgschaften Dritter sowie von Waren, Vorräten, Rohstoffen und Versorgungsdienstleistungen, zum Beispiel dadurch, dass dem Schuldner ein längerer Rückzahlungszeitraum gewährt wird. Zwischenfinanzierungen und neue Finanzierungen sollten daher von Insolvenzanfechtungsklagen ausgenommen werden, die zum Ziel haben, solche Finanzierungen in späteren Insolvenzverfahren als die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlungen für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar zu erklären.

(67)

Nationale Insolvenzvorschriften, die Insolvenzanfechtungsklagen für Zwischenfinanzierungen und neue Finanzierungen vorsehen oder nach denen neue Kreditgeber mit zivil-, verwaltungs- oder strafrechtlichen Sanktionen belegt werden können, weil sie Schuldnern in finanziellen Schwierigkeiten Kredit gewähren, könnten die Verfügbarkeit der für die erfolgreiche Aushandlung und Umsetzung eines Restrukturierungsplans erforderlichen Finanzierung gefährden. Diese Richtlinie sollte nicht andere Gründe dafür berühren, neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar zu erklären, oder dafür, eine zivil-, verwaltungs- oder strafrechtliche Haftung für Anbieter solcher Finanzierungen zu begründen, wie im nationalen Recht festgelegt. Mögliche andere Gründe sind unter anderem Betrug, Bösgläubigkeit, eine bestimmte Art von Beziehung zwischen den Parteien, die mit Interessenkonflikten verbunden sein können, wie zum Beispiel bei Transaktionen zwischen nahestehenden Parteien oder zwischen Anteilsinhabern und dem Unternehmen oder bei Transaktionen, bei denen eine Partei einen Wert oder Sicherheiten erhalten hat, welche er zum Zeitpunkt der Transaktion oder in der Art, wie sie durchgeführt wurde, nicht zu beanspruchen hatte.

(68)

Bei der Gewährung einer Zwischenfinanzierung wissen die Parteien nicht, ob der Restrukturierungsplan schließlich bestätigt wird oder nicht. Daher sollten die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sein, den Schutz von Zwischenfinanzierungen auf die Fälle zu beschränken, in denen der Plan von den Gläubigern angenommen oder von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt wird. Zur Vermeidung möglichen Missbrauchs sollten nur Finanzierungen geschützt werden, die für die Fortsetzung des Betriebs oder das Überleben des Unternehmens des Schuldners oder für die Erhaltung oder Steigerung des Wertes dieses Unternehmens bis zur Bestätigung des Plans nach vernünftigem Ermessen unverzüglich erforderlich sind. Des Weiteren sollte diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht daran hindern einen Ex-ante-Kontrollmechanismus für Zwischenfinanzierungen einzuführen. Die Mitgliedstaaten sollten den Schutz neuer Finanzierungen auf Fälle beschränken können, in denen der Plan von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt wurde, und den Schutz von Zwischenfinanzierungen auf Fälle, in denen diese einer Ex-ante-Kontrolle unterzogen wurden. Ein Ex-ante-Kontrollmechanismus für Zwischenfinanzierungen oder andere Transaktionen sollte von einem Restrukturierungsbeauftragten, einem Gläubigerausschuss oder einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde angewandt werden. Schutz vor Insolvenzanfechtungsklagen und Schutz vor persönlicher Haftung sind Mindestgarantien, die für Zwischenfinanzierungen und neue Finanzierungen gewährt werden sollten. Wenn neue Kreditgeber ermutigt werden sollen, das erhöhte Risiko einzugehen, das mit einer Investition in einen rentablen Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten verbunden ist, sind jedoch möglicherweise weitere Anreize notwendig, zum Beispiel ein Vorrang solcher Finanzierungen zumindest gegenüber ungesicherten Forderungen in späteren Insolvenzverfahren.

(69)

Zur Förderung einer Kultur, in der die präventive Restrukturierung frühzeitig in Anspruch genommen wird, ist es wünschenswert, dass auch Transaktionen, die für die Verhandlung oder Umsetzung eines Restrukturierungsplans angemessen und unverzüglich notwendig sind, in späteren Insolvenzverfahren Schutz vor Insolvenzanfechtungsklagen erhalten. Justiz- oder Verwaltungsbehörden sollten bei der Feststellung der Angemessenheit und unverzüglichen Notwendigkeit von Kosten und Gebühren beispielsweise Prognosen und Kostenschätzungen berücksichtigen können, die den betroffenen Parteien, einem Gläubigerausschuss, einem Restrukturierungsbeauftragten oder den Justiz- oder Verwaltungsbehörden selbst übermittelt wurden. Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten auch von den Schuldnern verlangen können, sachdienliche Schätzungen bereitzustellen und zu aktualisieren. Ein solcher Schutz sollte die Sicherheit bei Transaktionen mit Unternehmen, die sich bekanntermaßen in finanziellen Schwierigkeiten befinden, erhöhen und Gläubigern und Anlegern die Angst nehmen, dass diese Transaktionen alle für nichtig erklärt werden könnten, falls die Restrukturierung misslingt. Die Mitgliedstaaten sollten einen Zeitpunkt vor der Eröffnung eines präventiven Restrukturierungsverfahrens und der Gewährung der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen vorsehen können, ab dem die Gebühren und Kosten für die Aushandlung, Annahme oder Bestätigung des Restrukturierungsplans oder die Inanspruchnahme professioneller Hilfe für den Restrukturierungsplan vor Insolvenzanfechtungsklagen geschützt sind. Im Falle anderer Zahlungen und Auslagen und des Schutzes der Zahlung von Arbeitnehmerlöhnen könnte ein solcher Zeitpunkt auch die Gewährung der Aussetzung oder die Eröffnung des präventiven Restrukturierungsverfahrens sein.

(70)

Um die präventive Restrukturierung weiter zu fördern, muss gewährleistet sein, dass Unternehmensleitungen nicht davon abgehalten werden, vertretbare Geschäftsentscheidungen zu treffen oder vertretbare wirtschaftliche Risiken einzugehen, vor allem wenn dies die Aussichten auf eine Restrukturierung potenziell bestandsfähiger Unternehmen verbessert. Wenn ein Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät, sollte die Unternehmensleitung Schritte einleiten, um Verluste möglichst gering zu halten und eine Insolvenz abzuwenden, wie zum Beispiel: Inanspruchnahme professioneller Beratung unter anderem zu Restrukturierung und Insolvenz, etwa durch Nutzung von Frühwarnsystemen, soweit vorhanden; Schutz der Vermögenswerte des Unternehmens, um einen möglichst hohen Wert zu sichern und den Verlust wesentlicher Vermögenswerte zu verhindern; Analyse der Struktur und der Funktionen des Unternehmens, um die Bestandsfähigkeit zu prüfen und die Ausgaben zu senken; keine Vornahme der Arten von Transaktionen für das Unternehmen, die Gegenstand einer Insolvenzanfechtungsklage werden könnten, es sei denn, es gibt einen triftigen wirtschaftlichen Grund dafür; Fortsetzung der Geschäftstätigkeit, wenn dies unter den gegebenen Umständen sinnvoll ist, um einen möglichst hohen Wert als fortgeführtes Unternehmen zu sichern; Führung von Verhandlungen mit den Gläubigern und Einleitung präventiver Restrukturierungsverfahren.

(71)

Wenn dem Schuldner die Insolvenz droht, kommt es auch darauf an, die berechtigten Interessen der Gläubiger vor Managemententscheidungen zu schützen, die sich auf die Zusammensetzung des Schuldnervermögens auswirken können, insbesondere wenn diese Entscheidungen eine weitere Wertminderung des Vermögens bewirken könnten, das für Restrukturierungsmaßnahmen oder für die Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung steht. Es ist daher notwendig, sicherzustellen, dass die Unternehmensleitung es unter diesen Umständen vermeidet, vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungen vorzunehmen, die auf Kosten der Anteilsinhaber zu persönlichen Vorteilen führen, und vermeidet, Transaktionen unter Marktwert zuzustimmen oder Maßnahmen zu treffen, die eine unfaire Bevorzugung eines oder mehrerer Interessenträger zur Folge haben. Die Mitgliedstaaten sollten die entsprechenden Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie umsetzen können, indem sie sicherstellen, dass Justiz- oder Verwaltungsbehörden bei der Beurteilung, ob ein Mitglied der Unternehmensleitung für Verletzungen der Sorgfaltspflicht haftbar zu machen ist, die Bestimmungen dieser Richtlinie zu den Pflichten der Unternehmensleitung berücksichtigen. Diese Richtlinie zielt nicht darauf ab, eine Rangfolge zwischen den verschiedenen Parteien festzulegen, deren Interessen gebührend berücksichtigt werden müssen. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch in der Lage sein, eine solche Rangfolge festzulegen. Diese Richtlinie sollte die nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Entscheidungsprozesse in einem Unternehmen unberührt lassen.

(72)

Unternehmer, die eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche selbstständige Tätigkeit ausüben, können Gefahr laufen, insolvent zu werden. Die je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Möglichkeiten für einen Neustart könnten einen Anreiz für überschuldete oder insolvente Unternehmer bieten, ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat als denjenigen zu verlegen, in dem sie niedergelassen sind, um in den Genuss von kürzeren Entschuldungsfristen oder attraktiveren Bedingungen für eine Entschuldung zu kommen, was für die Gläubiger zu zusätzlicher Rechtsunsicherheit und Mehrkosten bei der Beitreibung ihrer Forderungen führt. Zudem stellen die Auswirkungen einer Insolvenz, insbesondere das soziale Stigma, die rechtlichen Folgen — etwa das Verbot, eine unternehmerische Tätigkeit aufzunehmen und auszuüben — und die anhaltende Unfähigkeit zur Begleichung von Schulden, für Unternehmer, die ein Unternehmen gründen oder eine zweite Chance erhalten wollen, bedeutende Negativanreize dar, obwohl erwiesen ist, dass Unternehmer, die insolvent wurden, beim nächsten Mal bessere Aussichten auf Erfolg haben.

(73)

Daher sollten die negativen Auswirkungen von Überschuldung oder Insolvenz auf Unternehmerinsbesondere dadurch verringert werden, dass eine volle Entschuldung nach Ablauf einer bestimmten Frist ermöglicht und die Dauer von mit der Überschuldung oder Insolvenz eines Schuldners zusammenhängenden Tätigkeitsverboten begrenzt wird. Der Begriff der Insolvenz sollte im nationalen Recht festgelegt werden und auch als Überschuldung verstanden werden können. Der Begriff des Unternehmers im Sinne der vorliegenden Richtlinie sollte sich nicht auf Geschäftsführer oder Mitglieder einer Unternehmensleitung; diese sollten nach nationalem Recht behandelt werden. Die Mitgliedstaaten sollten entscheiden können, wie der Zugang zur Entschuldung erlangt werden kann, was die Möglichkeit einschließt, vom Schuldner einen Antrag auf Entschuldung zu verlangen.

(74)

Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit vorsehen können, die Tilgungspflicht insolventer Unternehmer anzupassen, wenn sich ihre finanzielle Situation erheblich verändert, sei es zum Besseren oder zum Schlechteren. Diese Richtlinie sollte nicht die Befürwortung des Tilgungsplans durch eine Mehrheit der Gläubiger verlangen. Die Mitgliedstaaten sollten vorsehen können, dass es Unternehmern nicht untersagt ist, während der Umsetzung des Tilgungsplans eine neue Tätigkeit in demselben oder in einem anderen Bereich aufzunehmen.

(75)

Eine Entschuldung sollte im Rahmen von Verfahren verfügbar sein, die einen Tilgungsplan, eine Verwertung von Vermögenswerten oder eine Kombination aus beidem umfassen. Bei der Umsetzung dieser Bestimmungen sollten die Mitgliedstaaten zwischen diesen Alternativen wählen können. Falls gemäß nationalem Recht mehrere zur Entschuldung führende Verfahren zur Verfügung stehen, sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass zumindest bei einem dieser Verfahren die Möglichkeit für einen insolventen Unternehmer besteht, sich innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Jahren vollständig zu entschulden. Im Falle von Verfahren, bei denen eine Verwertung von Vermögenswerten und ein Tilgungsplan miteinander kombiniert werden, sollte die Entschuldungsfrist spätestens an dem Tag beginnen, zu dem der Tilgungsplan von einem Gericht bestätigt wird oder mit seiner Umsetzung begonnen wird, beispielsweise mit der ersten Zahlung gemäß dem Tilgungsplan; sie könnte aber auch früher beginnen, etwa zum Zeitpunkt der Entscheidung, das Verfahren zu eröffnen.

(76)

Bei Verfahren ohne Tilgungsplan sollte die Entschuldungsfrist spätestens am Tag der Entscheidung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde über die Eröffnung des Verfahrens oder am Tag der Bestimmung der Insolvenzmasse beginnen. Die Mitgliedstaaten sollten zum Zwecke der Berechnung der Entschuldungsfrist gemäß dieser Richtlinie vorsehen können, dass das Konzept der „Eröffnung des Verfahrens“ keine vorläufigen Maßnahmen umfasst, wie etwa Erhaltungsmaßnahmen oder die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, es sei denn, solche Maßnahmen ermöglichen die Verwertung von Vermögenswerten, einschließlich der Veräußerung von Vermögenswerten und deren Verteilung an Gläubiger. Die Bestimmung der Insolvenzmasse sollte nicht unbedingt im Wege einer formellen Entscheidung oder Bestätigung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde erfolgen müssen, wenn eine solche Entscheidung nicht gemäß den nationalen Rechtsvorschriften erforderlich ist, und könnte aus dem Einreichen der Auflistung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten bestehen.

(77)

Wenn der zu einer Entschuldung führende Verfahrensablauf die Verwertung der Vermögenswerte eines Unternehmers vorsieht, müssen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben vorzusehen, dass der Antrag auf Entschuldung getrennt von der Verwertung der Vermögenswerte behandelt wird, vorausgesetzt, ein solcher Antrag stellt einen wesentlichen Bestandteil des zur Entschuldung führenden Verfahrensablaufs gemäß der vorliegenden Richtlinie dar. Den Mitgliedstaaten sollte es möglich sein, über die nationalen Vorschriften zur Beweislast für die Wirksamkeit der Entschuldung zu entscheiden, das heißt, dass es möglich sein sollte, Unternehmer gesetzlich zu verpflichten, die Einhaltung ihrer Verpflichtungen nachzuweisen.

(78)

Eine volle Entschuldung oder ein Ende der Tätigkeitsverbote nach einer Frist von höchstens drei Jahren ist nicht in jedem Fall angemessen; daher könnten Ausnahmen von dieser Regel festgelegt werden müssen, die mit im nationalen Recht festgelegten Gründen ausreichend gerechtfertigt sind. Solche Ausnahmeregelungen sollten zum Beispiel für den Fall eingeführt werden, dass der Schuldner unredlich oder bösgläubig gehandelt hat. Wenn Unternehmer nach nationalem Recht nicht von einer Vermutung der Redlichkeit und des guten Glaubens profitieren, sollte ihnen eine Einleitung des Verfahrens aufgrund der Beweislast für ihre Redlichkeit und ihren guten Glauben nicht unnötig erschwert oder aufwendig gestaltet werden.

(79)

Bei der Prüfung, ob ein Unternehmer unredlich war, könnten die Justiz- oder Verwaltungsbehörden Umstände wie die folgenden berücksichtigen: Art und Umfang der Schulden, Zeitpunkt des Entstehens der Schuld, Anstrengungen des Unternehmers zur Begleichung der Schulden und zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen, unter anderem im Zusammenhang mit öffentlichen Erlaubnissen und dem Erfordernis ordnungsgemäßer Buchführung, Handlungen seitens des Unternehmers zur Vereitelung einer Inanspruchnahme durch Gläubiger, die Erfüllung von Pflichten im Zusammenhang mit einer wahrscheinlichen Insolvenz, die den Unternehmenseignern als Mitgliedern der Geschäftsleitung obliegen, sowie die Einhaltung des Wettbewerbsrechts der Union und des nationalen Wettbewerbsrechts und des Arbeitsrechts der Union und des nationalen Arbeitsrechts. Es sollte auch möglich sein, Ausnahmeregelungen einzuführen, wenn der Unternehmer bestimmte rechtliche Verpflichtungen nicht erfüllt hat, unter anderem Verpflichtungen, die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen, welche die Form einer allgemeinen Verpflichtung haben könnten, Einkommen oder Vermögenswerte zu erwirtschaften. Spezielle Ausnahmeregelungen sollten darüber hinaus festgelegt werden können, wenn sie notwendig sind, um einen Ausgleich zwischen den Rechten des Schuldners und den Rechten eines oder mehrerer Gläubiger zu gewährleisten, etwa wenn der Gläubiger eine natürliche Person ist, die größeren Schutzes bedarf als der Schuldner.

(80)

Eine Ausnahme könnte auch gerechtfertigt sein, wenn die Kosten des zu einer Entschuldung führenden Verfahrens, einschließlich der Gebühren für Justiz- und Verwaltungsbehörden sowie für Verwalter, nicht gedeckt sind. Die Mitgliedstaaten sollten bestimmen können, dass die Vorteile einer vollen Entschuldung zu widerrufen werden können, zum Beispiel, wenn sich die finanzielle Situation des Schuldners aufgrund unvorhergesehener Umstände, etwa eines Lotteriegewinns oder des Erhaltens eines Erbes oder einer Schenkung, wesentlich verbessert. Die Mitgliedstaaten sollten nicht daran gehindert werden, unter wohldefinierten Umständen und in ausreichend begründeten Fällen zusätzliche Ausnahmen vorzusehen.

(81)

Wenn im nationalen Recht ein ausreichend begründeter Grund vorliegt, könnte es angemessen sein, die Möglichkeit der Entschuldung für bestimmte Schuldenkategorien einzuschränken. Es sollte für die Mitgliedstaaten möglich sein, besicherte Schulden nur bis zu dem im nationalen Recht bestimmten Wert der Sicherheit von der Möglichkeit der Entschuldung auszunehmen, wohingegen die übrigen Schulden als unbesicherte Schulden behandelt werden sollten. Die Mitgliedstaaten sollten in ausreichend begründeten Fällen weitere Schuldenkategorien ausschließen können.

(82)

Die Mitgliedstaaten sollten beschließen können, dass die Justiz- oder Verwaltungsbehörden entweder von Amts wegen oder auf Antrag einer Person mit einem berechtigten Interesse überprüfen können, ob die Unternehmer die Bedingungen für eine volle Entschuldung erfüllt haben.

(83)

In dem Fall, dass einem Unternehmer infolge eines Tätigkeitsverbots die Genehmigung oder Lizenz zur Ausübung einer bestimmten handwerklichen, geschäftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit verweigert oder entzogen wurde, sollte die vorliegende Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit nehmen, vom Unternehmer nach Ablauf des Tätigkeitsverbots die Einreichung eines Antrags für eine neue Genehmigung oder Lizenz zu verlangen. Trifft eine Behörde eines Mitgliedstaats eine Entscheidung in Bezug auf eine besonders überwachte Tätigkeit, so sollte sie — selbst nach Ablauf der Verbotsfrist — auch berücksichtigen können, dass dem insolventen Unternehmer gemäß der vorliegenden Richtlinie eine Entschuldung gewährt wurde.

(84)

Private und berufliche Schulden, die nicht sinnvoll getrennt werden können, zum Beispiel, wenn ein Vermögenswert sowohl für die berufliche Tätigkeit des Unternehmers als auch außerhalb dieser genutzt wird, sollten im Rahmen eines einzigen Verfahrens behandelt werden. Sehen die Mitgliedstaaten vor, dass diese Schulden verschiedenen Insolvenzverfahren unterliegen, so ist eine Koordinierung zwischen diesen Verfahren erforderlich. Diese Richtlinie sollte die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt lassen, alle Schulden eines Unternehmers im Rahmen eines einzigen Verfahrens zu behandeln. Die Mitgliedstaaten, in denen Unternehmer ihre Geschäfte während des Insolvenzverfahrens auf eigene Rechnung fortsetzen dürfen, sollten nicht daran gehindert werden vorzusehen, dass diese Unternehmer Gegenstand eines neuen Insolvenzverfahrens werden können, wenn diese fortgesetzten Geschäfte insolvent werden.

(85)

Transparenz und Berechenbarkeit der Verfahren hinsichtlich der Erzielung von Ergebnissen, die die Erhaltung von Unternehmen und eine zweite Chance für Unternehmer fördern oder die effiziente Liquidation nicht bestandsfähiger Unternehmen erlauben, müssen beibehalten und verbessert werden. Ferner muss die in vielen Mitgliedstaaten übermäßig lange Dauer von Insolvenzverfahren, die zu Rechtsunsicherheit für Gläubiger und Anleger sowie zu niedrigen Befriedigungsquoten führt, verringert werden. Angesichts der mit der Verordnung (EU) 2015/848 festgelegten Mechanismen für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Gerichten und Verwaltern in grenzüberschreitenden Fällen muss außerdem die Professionalität aller beteiligten Akteure in der gesamten Union auf ein vergleichbares hohes Niveau gebracht werden. Um diese Ziele zu erreichen, sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Mitglieder der Justiz- und Verwaltungsbehörden, die mit Verfahren der präventiven Restrukturierung, Insolvenz und Entschuldung befasst sind, angemessen ausgebildet sind und über die für ihre Zuständigkeiten erforderliche Sachkunde verfügen. Diese Ausbildung und Sachkunde könnte auch während der Ausübung der dienstlichen Tätigkeit als Mitglied einer Justiz- und Verwaltungsbehörde oder — vor der Ernennung für die Ausübung einer solchen dienstlichen Tätigkeit — bei der Ausübung einer sonstigen einschlägigen beruflichen Tätigkeit erworben werden.

(86)

Eine solche Ausbildung und Sachkunde sollten es ermöglichen, Entscheidungen mit potenziell erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen auf effiziente Weise zu treffen, sollte aber nicht so verstanden werden, dass Mitglieder einer Justizbehörde ausschließlich Sachen im Bereich der Restrukturierung, Insolvenz und Entschuldung bearbeiten müssen. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren effizient und zügig durchgeführt werden können. Die Einrichtung von Fachgerichten oder -kammern oder die Ernennung von Fachrichtern im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften sowie die Bündelung der Zuständigkeit bei einer begrenzten Zahl von Justiz- oder Verwaltungsbehörden würden effiziente Mittel zur Erreichung der Ziele der Rechtsicherheit und der Effizienz der Verfahren sein. Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet sein vorzuschreiben, dass Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren Vorrang vor anderen Verfahren haben.

(87)

Die Mitgliedstaaten sollten auch sicherstellen, dass von Justiz- oder Verwaltungsbehörden bestellte Verwalter (im Folgenden „Verwalter“) im Bereich Restrukturierung, Insolvenz und Entschuldung angemessen ausgebildet sind, in transparenter Weise unter gebührender Berücksichtigung der Notwendigkeit effizienter Verfahren bestellt werden, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben beaufsichtigt werden und dass sie ihre Aufgaben integer erfüllen. Es ist wichtig, dass sich die Verwalter an die Standards für solche Aufgaben halten, etwa die Absicherung durch eine Berufshaftpflichtversicherung. Die angemessene Ausbildung, Befähigung und Sachkunde der Verwalter könnte auch während der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit erworben werden. Die Mitgliedstaaten sollten die erforderliche Ausbildung nicht selbst anbieten müssen, sondern dies können beispielsweise Berufsverbände oder sonstige Einrichtungen tun. Insolvenzverwalter im Sinne der Verordnung (EU) 2015/848 sollten in den Anwendungsbereich der vorliegenden Richtlinie einbezogen werden.

(88)

Diese Richtlinie sollte die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, vorzuschreiben, dass Verwalter von einem Schuldner, von Gläubigern oder von einem Gläubigerausschuss aus einer Liste oder aus einem Pool, die beziehungsweise der von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde zuvor gebilligt wurde, ausgewählt werden. Dem Schuldner, den Gläubigern oder dem Gläubigerausschuss könnte bei der Auswahl eines Verwalters ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Sachkunde und der allgemeinen Erfahrung sowie den Anforderungen des betreffenden Falls gewährt werden. Schuldner, bei denen es sich um natürliche Personen handelt, könnten ganz von dieser Pflicht ausgenommen werden. In Fällen mit grenzüberschreitenden Bezügen sollte bei der Bestellung des Verwalters unter anderem der Fähigkeit des Verwalters gemäß den Verpflichtungen nach der Verordnung (EU) 2015/848, mit Insolvenzverwaltern sowie Justiz- und Verwaltungsbehörden anderer Mitgliedstaaten zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten, sowie seinen personellen und administrativen Ressourcen für möglicherweise komplexe Fälle gebührend Rechnung getragen werden. Die Mitgliedstaaten sollten nicht daran gehindert werden, einen Verwalter durch andere Auswahlmethoden, beispielsweise eine Zufallsauswahl mithilfe einer Software, auszuwählen, sofern sichergestellt ist, dass bei Verwendung dieser Methoden der Erfahrung und der Sachkunde des Verwalters gebührend Rechnung getragen wird. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, über die Verfahrenswege für die Ablehnung der Auswahl oder der Bestellung eines Verwalters oder für die Beantragung des Ersetzens des Verwalters zu entscheiden; dies kann beispielsweise ein Gläubigerausschuss sein.

(89)

Die Verwalter sollten Aufsichts- und Regulierungsmechanismen unterliegen, die wirksame Maßnahmen hinsichtlich der Rechenschaftspflicht der Verwalter, die ihren Pflichten nicht nachkommen, umfassen sollten, wie: eine Kürzung der Vergütung des Verwalters, die Streichung von der Liste oder aus dem Pool der Verwalter, die in Insolvenzverfahren bestellt werden können, sowie gegebenenfalls Disziplinar- oder Verwaltungssanktionen oder strafrechtliche Sanktionen. Solche Aufsichts- und Regulierungsmechanismen sollten Vorschriften nach nationalem Recht über die Haftpflicht für Schäden aufgrund eines Verstoßes gegen vertragliche oder außervertragliche Verpflichtungen unberührt lassen. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch nicht verpflichtet sein, spezifische Behörden oder Stellen einzurichten. Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass Informationen über die Behörden oder Stellen, die die Aufsicht über die Verwalter ausüben, öffentlich zugänglich sind. Ein bloßer Verweis, beispielsweise auf die Gerichts- oder Verwaltungsbehörde, sollte als Information ausreichen. Es sollte grundsätzlich möglich sein, diese Standards zu erreichen, ohne dass neue Berufe oder Befähigungsnachweise im nationalen Recht eingeführt werden müssen. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, diese Bestimmungen zur Ausbildung und Überprüfung nach nationalem Recht auch auf andere Verwalter, die nicht unter diese Richtlinie fallen, auszuweiten. Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet sein vorzusehen, dass Streitigkeiten über die Vergütung von Verwaltern vor anderen Verfahren Vorrang haben müssen.

(90)

Um die Verfahren weiter zu verkürzen, eine bessere Beteiligung der Gläubiger an Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren zu erleichtern und ähnliche Bedingungen für Gläubiger unabhängig von ihrem Standort in der Union zu gewährleisten, sollten die Mitgliedstaaten Vorkehrungen treffen, damit Schuldnern, Gläubigern, Verwaltern und Justiz- und Verwaltungsbehörden die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel ermöglicht wird. Es sollte daher möglich sein, Verfahrenshandlungen wie die Geltendmachung von Gläubigerforderungen, Mitteilungen an Gläubiger oder die Einlegung von Beschwerden und Rechtsbehelfen mit elektronischen Kommunikationsmitteln vorzunehmen. Die Mitgliedstaaten sollten vorsehen können, dass Mitteilungen an einen Gläubiger nur dann elektronisch vorgenommen werden dürfen, wenn der betreffende Gläubiger der elektronischen Kommunikation zuvor zugestimmt hat.

(91)

Die Parteien in Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren sollten nicht verpflichtet sein, elektronische Kommunikationsmittel zu nutzen, wenn diese nach nationalem Recht nicht vorgeschrieben sind, unbeschadet dessen, dass die Mitgliedstaaten ein verbindliches System für die elektronische Einreichung und Zustellung von Dokumenten in Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren einrichten können. Die Mitgliedstaaten sollten die konkreten elektronischen Kommunikationsmittel auswählen können. Beispiele solcher Kommunikationsmittel könnten ein eigens erstelltes System für die elektronische Übermittlung solcher Dokumente oder die Verwendung von E-Mail sein, ohne dass die Mitgliedstaaten daran gehindert werden, Elemente einzuführen, mit denen die Sicherheit der elektronischen Übermittlungen im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (17) gewährleistet wird, beispielsweise elektronische Signaturen oder Vertrauensdienste, etwa Dienste für die Zustellung elektronischer Einschreiben.

(92)

Für die Überwachung der Umsetzung und Anwendung dieser Richtlinie ist es wichtig, zuverlässige und vergleichbare Daten über die Ergebnisse von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren zu sammeln. Die Mitgliedstaaten sollten daher Daten mit einer ausreichenden Detailtiefe erheben und aggregieren, damit genau bewertet werden kann, wie die Richtlinie in der Praxis funktioniert, und sollten der Kommission diese Daten übermitteln. Das Übermittlungsformular für die Datenübermittlung an die Kommission, sollte von der Kommission mit Unterstützung eines Ausschusses im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (18) erstellt werden. Das Formular sollte eine Liste der wichtigsten Verfahrensergebnisse enthalten, die allen Mitgliedstaaten gemein sind. Beispielsweise könnten in einem Restrukturierungsverfahren diese wichtigsten Ergebnisse folgende sein: der Plan wird von einem Gericht bestätigt; der Plan wird von einem Gericht nicht bestätigt; die Restrukturierungsverfahren werden in Liquidationsverfahren umgewandelt oder eingestellt, da ein Liquidationsverfahren eingeleitet wurde, bevor der Plan von einem Gericht bestätigt wurde. Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet sein, diejenigen Verfahren, die vor der Ergreifung einschlägiger Maßnahmen enden, nach Art des Ergebnisses aufzuschlüsseln, sondern könnten stattdessen die Gesamtzahl aller Verfahren angeben, die für unzulässig erklärt, abgelehnt oder vor der Verfahrenseröffnung zurückgezogen werden.

(93)

Das Übermittlungsformular sollte eine Liste von Optionen enthalten, die von den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden könnten, wenn sie die Größe eines Schuldners feststellen, und zwar durch Bezugnahme auf eines oder mehrere der Merkmale für die Definition von KMU und Großunternehmen, die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Zu der Liste sollte die Option gehören, dass die Größe des Schuldners allein anhand der Zahl der Arbeitnehmer festgestellt wird. In dem Formular sollten die Elemente der durchschnittlichen Kosten und der durchschnittlichen Befriedigungsquote, für die es den Mitgliedstaaten möglich sein sollte, freiwillig Daten zu erheben, festgelegt werden, weitere Angaben zu den Elementen gemacht werden, die berücksichtigt werden könnten, wenn die Mitgliedstaaten eine Probenerhebungstechnik anwenden, beispielsweise zum Stichprobenumfang, der die Repräsentativität in Bezug auf die geografische Verteilung, die Größe der Schuldner und den Wirtschaftszweig gewährleistet, und es sollte den Mitgliedstaaten die Möglichkeit bieten, zusätzliche Angaben zu machen, beispielsweise zur Gesamthöhe der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Schuldner.

(94)

Die Stabilität der Finanzmärkte hängt stark von Finanzsicherheiten ab, insbesondere wenn die Sicherheit in Verbindung mit der Beteiligung an ausgewiesenen Systemen oder an Zentralbankgeschäften geleistet wird und wenn zentralen Gegenparteien Margen zur Verfügung gestellt werden. Da der Wert von als Sicherheit dienenden Finanzinstrumenten sehr unbeständig sein kann, kommt es entscheidend darauf an, ihren Wert schnell zu realisieren, bevor er sinkt. Die Bestimmungen der Richtlinien 98/26/EG (19) und 2002/47/EG (20) und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 sollten daher ungeachtet der Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten sollten Nettingmechanismen, einschließlich Close-out-Nettingmechanismen, von der Wirkung der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen auch dann ausnehmen dürfen, wenn sie nicht unter die Richtlinien 98/26/EG und 2002/47/EG und die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 fallen, sofern solche Vereinbarungen nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vollstreckbar sind.

Dies könnte auf eine beträchtliche Anzahl von Rahmenvereinbarungen zutreffen, die auf den Finanz-, Energie- und Rohstoffmärkten sowohl von nichtfinanziellen als auch von finanziellen Gegenparteien häufig verwendet werden. Solche Vereinbarungen verringern Systemrisiken, insbesondere an den Derivatemärkten. Solche Vereinbarungen könnten daher von den Beschränkungen ausgenommen werden, die das Insolvenzrecht für noch zu erfüllende Verträge vorsieht. Entsprechend sollten Mitgliedstaaten gesetzliche Nettingmechanismen, einschließlich Close-out- Nettingmechanismen, die mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Anwendung kommen, von der Wirkung der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen ausnehmen dürfen. Der Betrag, der sich aus der Durchführung von Nettingmechanismen, einschließlich Close-out-Nettingmechanismen, ergibt, sollte jedoch der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen unterliegen.

(95)

Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des am 16. November 2001 in Kapstadt gemeinsam unterzeichneten Übereinkommens über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung, und der zugehörigen Protokolle sind, sollten in der Lage sein, ihren bestehenden internationalen Verpflichtungen weiterhin nachzukommen. Die Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen sollten mit den Ausnahmen gelten, die erforderlich sind, um die Anwendung dieser Bestimmungen sicherzustellen, ohne die Anwendung dieses Übereinkommens und der zugehörigen Protokolle zu berühren.

(96)

Die Wirksamkeit des Prozesses der Annahme und Umsetzung eines Restrukturierungsplans sollte nicht durch das Gesellschaftsrecht gefährdet werden. Die Mitgliedstaaten sollten daher von den Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates (21) abweichen können, die die Verpflichtungen betreffen, eine Hauptversammlung einzuberufen und die Aktien vorzugsweise den bisherigen Aktionären anzubieten, und zwar in dem Umfang und für den Zeitraum, wie dies notwendig ist, um sicherzustellen, dass die Aktionäre Restrukturierungsmaßnahmen nicht in missbräuchlicher Ausübung ihrer Rechte nach der genannten Richtlinie vereiteln. So kann es beispielsweise erforderlich sein, dass die Mitgliedstaaten Ausnahmen von der Verpflichtung zur Einberufung einer Hauptversammlung oder von den üblichen Fristen für den Fall vorsehen, dass die Unternehmensleitung bei schweren und plötzlichen Verlusten des gezeichneten Kapitals und einer wahrscheinlichen Insolvenz dringend Maßnahmen zum Schutz der Vermögenswerte des Unternehmens, zum Beispiel durch die Beantragung einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen, ergreifen muss. Ausnahmen vom Gesellschaftsrecht könnten auch erforderlich sein, wenn im Restrukturierungsplan die Ausgabe neuer Aktien, die vorrangig den Gläubigern als Schuldenkapitalisierungen angeboten werden können, oder die Herabsetzung des gezeichneten Kapitals im Falle eines Übergangs von Unternehmensteilen vorgesehen ist. Solche Ausnahmen sollten auf den Zeitraum begrenzt werden, den die Mitgliedstaaten für erforderlich halten, um einen präventiven Restrukturierungsrahmen festzulegen. Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet werden, vollständig oder teilweise, unbefristet oder befristet vom Gesellschaftsrecht abzuweichen, sofern sie sicherstellen, dass Bestimmungen des Gesellschaftsrechts die Wirksamkeit des Restrukturierungsprozesses nicht gefährden können, oder sofern die Mitgliedstaaten über andere, ebenso wirksame Instrumente verfügen, mit denen sie sicherstellen, dass die Aktionäre nicht grundlos die Annahme oder Umsetzung eines Restrukturierungsplans verhindern, der die Bestandsfähigkeit des Unternehmens wiederherstellen würde. In diesem Zusammenhang sollten die Mitgliedstaaten der Wirksamkeit derjenigen Bestimmungen besondere Bedeutung beimessen, die mit der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen und der Bestätigung des Restrukturierungsplans in Verbindung stehen; diese sollten durch die Einberufung oder die Ergebnisse der Hauptversammlung der Aktionäre nicht ungebührlich behindert werden. Die Richtlinie (EU) 2017/1132 sollte daher entsprechend geändert werden. Die Mitgliedstaaten sollten bei der Beurteilung, welche Ausnahmeregelungen im Rahmen des nationalen Gesellschaftsrechts erforderlich sind, um diese Richtlinie wirksam umzusetzen, einen gewissen Ermessensspielraum genießen und sollten auch ähnliche Ausnahmen von der Richtlinie (EU) 2017/1132 für Insolvenzverfahren vorsehen können, die nicht unter diese Richtlinie fallen, die jedoch Restrukturierungsmaßnahmen ermöglichen.

(97)

Im Hinblick auf die Festlegung und spätere Änderungen des Datenübermittlungsformulars sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 ausgeübt werden.

(98)

Die Kommission sollte eine Studie durchführen, um zu ermitteln, ob Gesetzgebungsvorschläge für den Umgang mit der Insolvenz von Personen erforderlich sind, die keine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben, jedoch als Verbraucher vorübergehend oder dauerhaft und in gutem Glauben nicht in der Lage sind, ihre fällig werdenden Schulden zu begleichen. In dieser Studie sollte untersucht werden, ob der Zugang dieser Personen zu grundlegenden Gütern und Dienstleistungen geschützt werden muss, um zu gewährleisten, dass sie unter angemessenen Bedingungen leben.

(99)

Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission vom 28. September 2011 zu erläuternden Dokumenten (22) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.

(100)

Da die Ziele dieser Richtlinie von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, weil Unterschiede zwischen den nationalen Restrukturierungs- und Insolvenzrahmen nach wie vor Hindernisse für den freien Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit darstellen würden, sondern vielmehr auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(101)

Am 7. Juni 2017 hat die Europäische Zentralbank eine Stellungnahme (23) abgegeben —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

TITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Gegenstand und Anwendungsbereich

(1)   Diese Richtlinie enthält Vorschriften über

a)

präventive Restrukturierungsrahmen, die Schuldnern in finanziellen Schwierigkeiten bei einer wahrscheinlichen Insolvenz zur Verfügung stehen, um die Insolvenz abzuwenden und die Bestandsfähigkeit des Schuldners sicherzustellen,

b)

Verfahren, die zur Entschuldung insolventer Unternehmer führen, und

c)

Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren.

(2)   Diese Richtlinie gilt nicht für in Absatz 1 genannte Verfahren, die folgende Schuldner betreffen:

a)

Versicherungsunternehmen oder Rückversicherungsunternehmen im Sinne des Artikels 13 Nummer 1 und 4 der Richtlinie 2009/138/EG,

b)

Kreditinstitute im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013,

c)

Wertpapierfirmen oder Organismen für gemeinsame Anlagen im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 2 beziehungsweise 7 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013,

d)

zentrale Gegenparteien im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012,

e)

Zentralverwahrer im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014,

f)

andere Finanzinstitute und Unternehmen, die in Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU aufgeführt sind,

g)

öffentliche Stellen nach nationalem Recht und

h)

natürliche Personen, die keine Unternehmer sind.

(3)   Die Mitgliedstaaten können in Absatz 1 genannte Verfahren vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausnehmen, die Schuldner betreffen, bei denen es sich um andere als die in Absatz 2 genannten Finanzunternehmen handelt, und die Finanzdienstleistungen erbringen, für die besondere Regelungen gelten, nach denen die nationalen Aufsichts- oder Abwicklungsbehörden über weitreichende Eingriffsbefugnisse verfügen, die mit den in den Rechten der Mitgliedstaaten oder der Union in Bezug auf die in Absatz 2 genannten Unternehmen bestehenden Eingriffsbefugnissen vergleichbar sind. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese besonderen Regelungen mit.

(4)   Die Mitgliedstaaten können insolvente natürliche Personen, die keine Unternehmer sind, in die Anwendung der in Absatz 1 Buchstabe b genannten Verfahren einbeziehen.

Die Mitgliedstaaten können die Anwendung von Absatz 1 Buchstabe a auf juristische Personen beschränken.

(5)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die folgenden Forderungen von präventiven Restrukturierungsrahmen gemäß Absatz 1 Buchstabe a ausgeschlossen oder nicht betroffen sind:

a)

bestehende und künftige Forderungen derzeitiger oder ehemaliger Arbeitnehmer,

b)

Unterhaltsforderungen, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen, oder

c)

Forderungen aus einer deliktischen Haftung des Schuldners.

(6)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass präventive Restrukturierungsrahmen keine Auswirkungen auf erworbene Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung haben.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

(1)   Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1.

„Restrukturierung“ Maßnahmen, die auf die Restrukturierung des Unternehmens des Schuldners abzielen und zu denen die Änderung der Zusammensetzung, der Bedingungen oder der Struktur der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten eines Schuldners oder jedes anderen Teils der Kapitalstruktur gehört, etwa der Verkauf von Vermögenswerten oder Geschäftsbereichen und, wenn im nationalen Recht vorgesehen, der Verkauf des Unternehmens als Ganzen sowie alle erforderlichen operativen Maßnahmen oder eine Kombination dieser Elemente;

2.

„betroffene Parteien“ Gläubiger — einschließlich, wenn im nationalen Recht vorgesehen, Arbeitnehmern — oder Gläubigerklassen und, wenn im nationalen Recht vorgesehen, Anteilsinhaber, deren Forderungen beziehungsweise Beteiligungen von einem Restrukturierungsplan unmittelbar betroffen sind;

3.

„Anteilsinhaber“ eine Person, die eine Beteiligung an einem Schuldner oder an einem Unternehmen des Schuldners hält; dazu gehört auch ein Aktionär, soweit diese Person kein Gläubiger ist;

4.

„Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen“ das von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde gewährte oder kraft Gesetzes geltende vorübergehende Ruhen des Rechts eines Gläubigers, eine Forderung gegen einen Schuldner und, wenn im nationalen Recht vorgesehen, gegen einen Dritten, der Sicherheiten geleistet hat, im Rahmen eines Gerichts-, Verwaltungs- oder anderen Verfahrens durchzusetzen, oder des Rechts, die Vermögenswerte oder das Unternehmen des Schuldners zu pfänden oder außergerichtlich zu verwerten;

5.

„noch zu erfüllender Vertrag“ einen Vertrag zwischen dem Schuldner und einem oder mehreren Gläubigern, nach dem zu dem Zeitpunkt, zu dem die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gewährt oder angewandt wird, die Parteien noch Verpflichtungen zu erfüllen haben;

6.

„Kriterium des Gläubigerinteresses“ ein Kriterium, das erfüllt ist, wenn kein ablehnender Gläubiger durch einen Restrukturierungsplan schlechter gestellt würde als bei Anwendung der normalen Rangfolge der Liquidationsprioritäten nach nationalem Recht, sei es im Falle der Liquidation, unabhängig davon, ob diese stückweise oder in Form eines Verkaufs als fortgeführtes Unternehmen erfolgt, oder im Falle des nächstbesten Alternativszenarios, wenn der Restrukturierungsplan nicht bestätigt würde;

7.

„neue Finanzierung“ von einem bestehenden oder einem neuen Gläubiger zur Umsetzung eines Restrukturierungsplans bereitgestellte neue finanzielle Unterstützung, die in diesem Restrukturierungsplan enthalten ist;

8.

„Zwischenfinanzierung“ von einem bestehenden oder einem neuen Gläubiger bereitgestellte neue finanzielle Unterstützung, die mindestens finanzielle Unterstützung während der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen umfasst sowie angemessen und unverzüglich notwendig ist, damit das Unternehmen des Schuldners seinen Betrieb fortsetzen kann oder um den Wert dieses Unternehmens zu erhalten oder zu steigern;

9.

„Unternehmer“ eine natürliche Person, die eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt;

10.

„volle Entschuldung“ dass die Eintreibung der ausstehenden für eine Entschuldung infrage kommenden Schulden ausgeschlossen ist, oder dass die ausstehenden einer Entschuldung zugänglichen Schulden als solche erlassen sind, als Teil eines Verfahrens, das eine Verwertung von Vermögenswerten oder einen Tilgungsplan oder beides umfassen könnte;

11.

„Tilgungsplan“ einen Plan, gemäß dem ein insolventer Unternehmer bestimmte Beiträge zu bestimmten Zeitpunkten an Gläubiger zahlen muss, oder eine regelmäßige Übertragung eines bestimmten Teils des verfügbaren Einkommens des Unternehmers während des Entschuldungszeitraums an Gläubiger;

12.

„Restrukturierungsbeauftragter“ eine Person oder Stelle, die von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestellt wird, um insbesondere eine oder mehrere der folgenden Aufgaben zu erfüllen:

a)

Unterstützung des Schuldners oder der Gläubiger bei der Ausarbeitung oder Aushandlung eines Restrukturierungsplans;

b)

Überwachung der Tätigkeit des Schuldners während der Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan und Berichterstattung an eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde;

c)

Übernahme der teilweisen Kontrolle über die Vermögenswerte oder Geschäfte des Schuldners während der Verhandlungen.

(2)   Für die Zwecke dieser Richtlinie sind die folgenden Begriffe im Sinne des nationalen Rechts zu verstehen:

a)

Insolvenz;

b)

wahrscheinliche Insolvenz;

c)

Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (im Folgenden „KMU“).

Artikel 3

Frühwarnung und Bereitstellung von Informationen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Schuldner Zugang zu einem oder mehreren klaren und transparenten Frühwarnsystemen haben, die Umstände erkennen können, die zu einer wahrscheinlichen Insolvenz führen können, und ihnen signalisieren können, dass unverzüglich gehandelt werden muss.

Für die Zwecke des Unterabsatzes 1 können die Mitgliedstaaten auf dem neuesten Stand befindliche IT-Technologien für Mitteilungen und für die Kommunikation nutzen.

(2)   Die Frühwarnsysteme können Folgendes umfassen:

a)

Mechanismen zur Benachrichtigung des Schuldners, wenn dieser bestimmte Arten von Zahlungen nicht getätigt hat;

b)

von öffentlichen oder privaten Organisationen angebotene Beratungsdienste.

c)

Anreize nach nationalem Recht für Dritte, die über relevante Informationen über den Schuldner verfügen, zum Beispiel Wirtschaftsprüfer, Steuerbehörden oder Sozialversicherungsträger, den Schuldner auf negative Entwicklungen aufmerksam zu machen.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Schuldner und die Arbeitnehmervertreter Zugang zu relevanten und aktuellen Informationen über die Verfügbarkeit von Frühwarnsystemen sowie zu Verfahren und Maßnahmen zur Restrukturierung und Entschuldung haben.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Informationen über die Verfügbarkeit des Zugangs zu Frühwarnsystemen öffentlich online zur Verfügung stehen und dass diese Informationen insbesondere für KMU leicht zugänglich sind und nutzerfreundlich aufbereitet werden.

(5)   Die Mitgliedstaaten können den Arbeitnehmervertretern zur Bewertung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners Unterstützung gewähren.

TITEL II

PRÄVENTIVE RESTRUKTURIERUNGSRAHMEN

KAPITEL 1

Verfügbarkeit präventiver Restrukturierungsrahmen

Artikel 4

Verfügbarkeit präventiver Restrukturierungsrahmen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Schuldner bei einer wahrscheinlichen Insolvenz Zugang zu einem präventiven Restrukturierungsrahmen haben, der es ihnen ermöglicht, sich zu restrukturieren, um eine Insolvenz abzuwenden und ihre Bestandsfähigkeit sicherzustellen, unbeschadet anderer Lösungen zur Abwendung einer Insolvenz, wodurch Arbeitsplätze geschützt werden und die Geschäftstätigkeit weitergeführt wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass Schuldner, die wegen schwerwiegender Verstöße gegen die nach nationalem Recht bestehenden Rechnungslegungs- oder Buchführungspflichten verurteilt wurden, nur dann Zugang zu einem präventiven Restrukturierungsrahmen erhalten, wenn diese Schuldner geeignete Maßnahmen zur Behebung der Probleme, die zur Verurteilung geführt haben ergriffen haben, damit Gläubigern die Informationen zur Verfügung gestellt werden, die sie benötigen, um während der Restrukturierungsverhandlungen eine Entscheidung treffen zu können.

(3)   Die Mitgliedstaaten können eine Bestandsfähigkeitsprüfung nach nationalem Recht beibehalten oder einführen, sofern eine solche Prüfung dem Ausschluss von Schuldnern ohne Aussicht auf Bestandsfähigkeit dient und ohne nachteilige Auswirkungen auf die Vermögenswerte des Schuldners durchgeführt werden kann.

(4)   Die Mitgliedstaaten können für einen bestimmten Zeitraum die Zahl der Zugänge beschränken, die der Schuldner zu einem präventiven Restrukturierungsrahmen gemäß dieser Richtlinie haben kann.

(5)   Unbeschadet sonstiger Restrukturierungsrahmen nach nationalem Recht kann der präventive Restrukturierungsrahmen gemäß dieser Richtlinie aus einem oder mehreren Verfahren, Maßnahmen oder Bestimmungen bestehen, von denen einige außergerichtlich durchgeführt werden können.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass dieser präventive Restrukturierungsrahmen Schuldnern und betroffenen Parteien die in diesem Titel vorgesehenen Rechte und Schutzvorkehrungen in kohärenter Weise gewährt.

(6)   Die Mitgliedstaaten können Bestimmungen erlassen, mit denen die Beteiligung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde an präventiven Restrukturierungsrahmen auf das Erforderliche und Angemessene beschränkt wird, wobei zugleich sicherzustellen ist, dass die Rechte betroffener Parteien und einschlägiger Interessenträger gewahrt werden.

(7)   Der präventive Restrukturierungsrahmen gemäß dieser Richtlinie steht auf Antrag der Schuldner zur Verfügung.

(8)   Die Mitgliedstaaten können ferner vorsehen, dass der präventive Restrukturierungsrahmen gemäß dieser Richtlinie vorbehaltlich der Zustimmung des Schuldners auf Antrag der Gläubiger und der Arbeitnehmervertreter zur Verfügung steht. Die Mitgliedstaaten können dieses Erfordernis der Einholung der Zustimmung des Schuldners auf Schuldner beschränken, bei denen es sich um KMU handelt.

KAPITEL 2

Erleichterung der Verhandlungen über präventive Restrukturierungspläne

Artikel 5

Schuldner in Eigenverwaltung

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Schuldner, die präventive Restrukturierungsverfahren in Anspruch nehmen, ganz oder zumindest teilweise die Kontrolle über ihre Vermögenswerte und den täglichen Betrieb ihres Unternehmens behalten.

(2)   Falls erforderlich, wird über die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten durch eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde im Einzelfall entschieden, außer unter bestimmten Umständen, für die die Mitgliedstaaten vorschreiben können, dass in jedem Fall zwingend ein Restrukturierungsbeauftragter zu bestellen ist.

(3)   Die Mitgliedstaaten schreiben die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten zur Unterstützung des Schuldners und der Gläubiger bei der Aushandlung und Ausarbeitung des Plans zumindest in den folgenden Fällen vor:

a)

wenn eine allgemeine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gemäß Artikel 6 Absatz 3 von der Justiz- oder Verwaltungsbehörde gewährt wird und die Justiz- oder Verwaltungsbehörde beschließt, dass ein solcher Beauftragter zur Wahrung der Interessen der Parteien erforderlich ist;

b)

wenn der Restrukturierungsplan von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde im Wege eines klassenübergreifenden Cram-downs nach Artikel 11 bestätigt werden muss oder

c)

wenn der Schuldner oder die Mehrheit der Gläubiger dies beantragt, in letztgenanntem Fall sofern die Kosten des Beauftragten von den Gläubigern getragen werden.

Artikel 6

Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Schuldner eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen zur Unterstützung der Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan im Rahmen eines präventiven Restrukturierungsrahmens in Anspruch nehmen können.

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass Justiz- oder Verwaltungsbehörden die Gewährung einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen verweigern können, wenn eine solche Aussetzung nicht erforderlich ist oder wenn sie das in Unterabsatz 1 genannte nicht Ziel erreichen würde.

(2)   Unbeschadet der Absätze 4 und 5 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen alle Arten von Forderungen, einschließlich gesicherter Forderungen und bevorrechtigter Forderungen, erfassen kann.

(3)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen allgemein gelten und alle Gläubiger umfassen kann oder auf einen oder mehrere Gläubiger beziehungsweise Gläubigergruppen beschränkt sein kann.

Ist eine Aussetzung beschränkt, so gilt die Aussetzung nur für Gläubiger, die nach Maßgabe des nationalen Rechts über die Verhandlungen gemäß Absatz 1 über den Restrukturierungsplan oder die Aussetzung in Kenntnis gesetzt wurden.

(4)   Die Mitgliedstaaten können bestimmte Forderungen oder Forderungskategorien vom Geltungsbereich der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen unter wohldefinierten Umständen ausschließen, wenn ein solcher Ausschluss ausreichend begründet ist und

a)

die Vollstreckung die Restrukturierung des Unternehmens nicht gefährden dürfte oder

b)

die Gläubiger dieser Forderungen durch die Aussetzung in unangemessener Weise beeinträchtigt würden.

(5)   Absatz 2 findet keine Anwendung auf Forderungen von Arbeitnehmern.

Abweichend von Unterabsatz 1 können die Mitgliedstaaten Absatz 2 auf Forderungen von Arbeitnehmern anwenden, sofern und soweit die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Erfüllung solcher Forderungen in präventiven Restrukturierungsrahmen auf einem vergleichbaren Schutzniveau garantiert ist.

(6)   Die ursprüngliche Dauer einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen ist auf einen Höchstzeitraum von nicht mehr als vier Monaten begrenzt.

(7)   Ungeachtet des Absatzes 6 können die Mitgliedstaaten Justiz- oder Verwaltungsbehörden gestatten, auf Antrag des Schuldners, eines Gläubigers oder gegebenenfalls eines Restrukturierungsbeauftragten die Dauer der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen zu verlängern oder eine neue Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen zu gewähren. Eine solche Verlängerung oder neue Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen wird nur gewährt, wenn genau festgelegte Umstände zeigen, dass diese Verlängerung oder neue Aussetzung ausreichend begründet ist, zum Beispiel

a)

wenn in den Verhandlungen über den Restrukturierungsplan deutliche Fortschritte erzielt wurden;

b)

wenn die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen die Rechte beziehungsweise Beteiligungen betroffener Parteien nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt oder

c)

wenn gegen den Schuldner noch kein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, das nach nationalem Recht zur Liquidation des Schuldners führen kann.

(8)   Die Gesamtdauer der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen darf einschließlich Verlängerungen und Erneuerungen zwölf Monate nicht überschreiten.

Haben sich Mitgliedstaaten dafür entschieden, diese Richtlinie im Wege eines oder mehrerer Verfahren beziehungsweise einer oder mehrerer Maßnahmen umzusetzen, die die Bedingungen für die Mitteilung nach Anhang A der Verordnung (EU) 2015/848 nicht erfüllen, so ist die Gesamtdauer der Aussetzung im Rahmen dieser Verfahren auf höchstens vier Monate begrenzt, wenn der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor Einreichung eines Antrags auf Eröffnung eines präventiven Restrukturierungsverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde.

(9)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Justiz- oder Verwaltungsbehörden eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen in folgenden Fällen aufheben können:

a)

die Aussetzung erfüllt nicht länger den Zweck, die Verhandlungen über den Restrukturierungsplan zu unterstützen, zum Beispiel, wenn deutlich wird, dass ein Teil der Gläubiger, der nach nationalem Recht die Annahme des Restrukturierungsplans verhindern könnte, die Fortsetzung der Verhandlungen nicht unterstützt;

b)

der Schuldner oder der Restrukturierungsbeauftragte beantragt dies;

c)

– wenn im nationalen Recht vorgesehen — ein oder mehrere Gläubiger beziehungsweise eine oder mehrere Gläubigerklassen werden oder würden durch die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen in unangemessener Weise beeinträchtigt; oder

d)

– wenn im nationalen Recht vorgesehen — die Aussetzung führt zur Insolvenz eines Gläubigers.

Die Mitgliedstaaten können die Befugnis einer Aufhebung der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gemäß Unterabsatz 1 auf Fälle beschränken, in denen Gläubiger keine Gelegenheit hatten, sich zu äußern, bevor die Aussetzung in Kraft trat oder eine Verlängerung der Aussetzung von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde gewährt wurde.

Die Mitgliedstaaten können eine Mindestdauer vorsehen, die den in Absatz 6 genannten Zeitraum nicht überschreitet und während der eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen nicht aufgehoben werden kann.

Artikel 7

Folgen der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen

(1)   Entsteht während einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen nach nationalem Recht eine Verpflichtung eines Schuldners, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, das zur Liquidation des Schuldners führen könnte, so ruht diese Verpflichtung für die Dauer dieser Aussetzung.

(2)   Eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gemäß Artikel 6 führt für die Dauer der Aussetzung zum Aufschub auf Antrag eines oder mehrerer Gläubiger hin zu eröffnenden Verfahrens, das zur Liquidation des Schuldners führen kann.

(3)   Die Mitgliedstaaten können eine Ausnahmeregelung zu den Absätzen 1 und 2 für den Fall erlassen, dass ein Schuldner nicht in der Lage ist, seine fällig werdenden Schulden zu begleichen. Für diese Fälle stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde beschließen kann, die Wirkungen der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen aufrechtzuerhalten, wenn die Eröffnung von Insolvenzverfahren, die zur Liquidation des Schuldners führen könnten, unter Berücksichtigung der Umstände des Falles nicht im allgemeinen Interesse der Gläubiger wäre.

(4)   Die Mitgliedstaaten erlassen Vorschriften, um Gläubiger, für die die Aussetzung gilt, daran zu hindern, in Bezug auf vor der Aussetzung entstandene Schulden und allein aufgrund der Tatsache, dass die Schulden vom Schuldner nicht zurückgezahlt wurden, Leistungen aus wesentlichen noch zu erfüllenden Verträgen zu verweigern, diese Verträge zu kündigen, vorzeitig fällig zu stellen oder in sonstiger Weise zum Nachteil des Schuldners zu ändern. Unter dem Begriff der noch zu erfüllenden wesentlichen Verträge sind noch zu erfüllende Verträge zu verstehen, die für die Weiterführung des täglichen Betriebs des Unternehmens erforderlich sind — einschließlich solcher über Lieferungen, deren Aussetzung dazu führen würde, dass die Geschäftstätigkeit des Schuldners zum Erliegen kommt.

Unterabsatz 1 hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, solchen Gläubigern angemessene Schutzvorkehrungen zu bieten, um zu verhindern, dass diese Gläubiger durch Unterabsatz 1 in unangemessener Weise beeinträchtigt werden.

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass dieser Absatz auch für noch zu erfüllende nichtwesentliche Verträge gilt.

(5)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es Gläubigern nicht gestattet ist, aufgrund einer Vertragsklausel, die entsprechende Maßnahmen vorsieht, allein aus folgenden Gründen Leistungen aus noch zu erfüllenden Verträgen zu verweigern oder diese Verträge zu kündigen, vorzeitig fällig zu stellen oder in sonstiger Weise zum Nachteil des Schuldners zu ändern:

a)

wegen eines Antrags auf Eröffnung eines präventiven Restrukturierungsverfahrens,

b)

wegen eines Antrags auf Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen,

c)

wegen der Eröffnung eines präventiven Restrukturierungsverfahrens oder

d)

wegen der Gewährung einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen als solcher.

(6)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen nicht für Nettingmechanismen — einschließlich Close-out-Nettingmechanismen — auf Finanzmärkten, Energiemärkten und Rohstoffmärkten gilt, selbst in Fällen, in denen Artikel 31 Absatz 1 keine Anwendung findet, wenn solche Vereinbarungen nach nationalem Insolvenzrecht durchsetzbar sind. Auf die Vollstreckung einer Forderung gegen den Schuldner durch einen Gläubiger, die sich aus der Durchführung eines Nettingmechanismus ergibt, findet die Aussetzung jedoch Anwendung.

Unterabsatz 1 gilt nicht für Verträge über die Lieferung von Waren, die Erbringung von Dienstleistungen oder die Versorgung mit Energie, die für den Betrieb des Unternehmens des Schuldners erforderlich sind, es sei denn, diese Verträge nehmen die Gestalt einer an einer Börse oder einem anderen Markt gehandelten Position an, sodass sie jederzeit zum aktuellen Marktwert ersetzt werden kann.

(7)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Auslaufen einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen ohne die Annahme eines Restrukturierungsplans als solches nicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führt, das zur Liquidation des Schuldners führen könnte, es sei denn, die im nationalen Recht festgelegten Voraussetzungen für eine solche Eröffnung sind erfüllt.

KAPITEL 3

Restrukturierungspläne

Artikel 8

Inhalt von Restrukturierungsplänen

(1)   Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass Restrukturierungspläne, die gemäß Artikel 9 zur Annahme oder einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde gemäß Artikel 10 zur Bestätigung vorgelegt werden, mindestens folgende Informationen enthalten müssen:

a)

die Identität des Schuldners;

b)

die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Schuldners zum Zeitpunkt der Einreichung des Restrukturierungsplans, einschließlich einer Bewertung der Vermögenswerte, eine Beschreibung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und der Position der Arbeitnehmer und eine Beschreibung der Ursachen und des Umfangs der Schwierigkeiten des Schuldners;

c)

die betroffenen Parteien, die entweder namentlich zu benennen oder unter Bezugnahme auf Schuldenkategorien nach nationalem Recht zu beschreiben sind, sowie ihre unter den Restrukturierungsplan fallenden Forderungen oder Beteiligungen;

d)

gegebenenfalls die Klassen, in die die betroffenen Parteien für die Zwecke der Annahme des Restrukturierungsplans gruppiert wurden, und die jeweilige Höhe der Forderungen und Beteiligungen in jeder Klasse;

e)

gegebenenfalls die Parteien — die entweder namentlich zu benennen oder unter Bezugnahme auf Schuldenkategorien nach nationalem Recht zu beschreiben sind —, die vom Restrukturierungsplan nicht betroffen sind, zusammen mit einer Erläuterung der Gründe, aus denen sie nicht betroffen sein sollen;

f)

gegebenenfalls die Identität des Restrukturierungsbeauftragten;

g)

die Bedingungen des Restrukturierungsplans, die unter anderem insbesondere Folgendes enthalten:

i)

vorgeschlagene Restrukturierungsmaßnahmen im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nummer 1;

ii)

gegebenenfalls die vorgeschlagene Laufzeit der vorgeschlagenen Restrukturierungsmaßnahmen;

iii)

die Modalitäten der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertreter im Einklang mit dem Unionsrecht und dem nationalen Recht;

iv)

gegebenenfalls allgemeine Auswirkungen auf die Beschäftigung wie Entlassungen, Kurzarbeitsregelungen oder Ähnliches;

v)

die voraussichtlichen Finanzströme des Schuldners, wenn nach nationalem Recht vorgesehen, und

vi)

eine neue Finanzierung, die als Teil des Restrukturierungsplans vorgesehen ist, sowie die Gründe, aus denen die neue Finanzierung für die Umsetzung dieses Plans erforderlich ist;

h)

eine Begründung, in der erläutert wird, warum eine begründete Aussicht besteht, dass der Restrukturierungsplan die Insolvenz des Schuldners verhindern und die Bestandsfähigkeit des Unternehmens gewährleisten wird, einschließlich der notwendigen Voraussetzungen für den Erfolg des Plans. Die Mitgliedstaaten können vorschreiben, dass diese Begründung entweder von einem externen Experten oder von dem Restrukturierungsbeauftragten- falls ein solcher benannt wird — vorgelegt oder bestätigt werden muss.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen online eine umfassende, an die Bedürfnisse von KMU angepasste Checkliste für Restrukturierungspläne zur Verfügung. Die Checkliste enthält praktische Leitlinien dazu, wie der Restrukturierungsplan nach nationalem Recht zu erstellen ist.

Die Checkliste wird in der Amtssprache oder den Amtssprachen des Mitgliedstaats zur Verfügung gestellt. Die Mitgliedstaaten ziehen in Betracht, die Checkliste in mindestens einer weiteren Sprache zur Verfügung zu stellen, insbesondere in einer im internationalen Geschäftsverkehr gebräuchlichen Sprache.

Artikel 9

Annahme von Restrukturierungsplänen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Schuldner unabhängig davon, wer ein präventives Restrukturierungsverfahren gemäß Artikel 4 beantragt, das Recht haben, den betroffenen Parteien Restrukturierungspläne zur Annahme vorzulegen.

Die Mitgliedstaaten können darüber hinaus bestimmen, dass Gläubiger und Restrukturierungsbeauftragter das Recht haben, Restrukturierungspläne vorzulegen und festlegen, unter welchen Bedingungen sie dies tun dürfen.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass betroffene Parteien das Recht haben, über die Annahme eines Restrukturierungsplans abzustimmen.

Parteien, die von einem Restrukturierungsplan nicht betroffen sind, haben bei dessen Annahme kein Stimmrecht.

(3)   Ungeachtet des Absatzes 2 können die Mitgliedstaaten folgende Parteien vom Abstimmungsrecht ausschließen:

a)

Anteilsinhaber,

b)

Gläubiger, deren Forderungen gegenüber den Forderungen gewöhnlicher ungesicherter Gläubiger gemäß der normalen Rangfolge der Liquidationsprioritäten nachrangig sind, oder

c)

jede dem Schuldner oder dem Unternehmen des Schuldners nahestehende Partei, die sich nach nationalem Recht in einem Interessenkonflikt befindet.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die betroffenen Parteien im Einklang mit dem nationalen Recht in unterschiedlichen Klassen behandelt werden, die auf der Grundlage überprüfbarer Kriterien in ausreichendem Maße gemeinsame Interessen abbilden. Zumindest Gläubiger mit gesicherten und ungesicherten Forderungen werden im Hinblick auf die Annahme eines Restrukturierungsplanes in unterschiedlichen Klassen behandelt.

Die Mitgliedstaaten können darüber hinaus bestimmen, dass Forderungen von Arbeitnehmern in einer eigenen Klasse behandelt werden.

Die Mitgliedstaaten können bestimmen, dass Schuldner, bei denen es sich um KMU handelt, sich dafür entscheiden können, die betroffenen Parteien nicht in unterschiedlichen Klassen zu behandeln.

Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass bei der Klassenbildung insbesondere dem Schutz schutzbedürftiger Gläubiger wie kleiner Lieferanten Rechnung getragen wird.

(5)   Die Stimmrechte und die Bildung der Klassen werden von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde geprüft, wenn ein Antrag auf Bestätigung des Restrukturierungsplans gestellt wird.

Die Mitgliedstaaten können vorschreiben, dass die Stimmrechte und die Bildung der Klassen zu einem früheren Zeitpunkt als dem in Unterabsatz 1 genannten von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde geprüft und bestätigt werden.

(6)   Ein Restrukturierungsplan gilt als von den betroffenen Parteien angenommen, wenn bezogen auf den Betrag ihrer Forderungen oder Beteiligungen in jeder Klasse eine Mehrheit erreicht wird. Die Mitgliedstaaten können darüber hinaus vorschreiben, dass bezogen auf die Anzahl der betroffenen Parteien in jeder Klasse eine Mehrheit erreicht werden muss.

Die Mitgliedstaaten legen die für die Annahme eines Restrukturierungsplans erforderlichen Mehrheiten fest. Diese Mehrheiten dürfen nicht über 75 % des Betrags der Forderungen oder Beteiligungen in jeder Klasse beziehungsweise gegebenenfalls der Anzahl der betroffenen Parteien in jeder Klasse liegen.

(7)   Ungeachtet der Absätze 2 bis 6 können die Mitgliedstaaten vorschreiben, dass die förmliche Abstimmung über die Annahme eines Restrukturierungsplans durch eine Vereinbarung mit der erforderlichen Mehrheit ersetzt werden kann.

Artikel 10

Bestätigung von Restrukturierungsplänen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zumindest folgende Restrukturierungspläne für die Parteien nur verbindlich sind, wenn sie von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt werden:

a)

Restrukturierungspläne, die die Forderungen oder Beteiligung ablehnender betroffener Parteien beeinträchtigen;

b)

Restrukturierungspläne, die eine neue Finanzierung vorsehen;

c)

Restrukturierungspläne, die zum Verlust von mehr als 25 % der Arbeitsplätze führen, sofern dieser Verlust nach nationalem Recht zulässig ist.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Voraussetzungen, unter denen ein Restrukturierungsplan von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt werden kann, genau festgelegt sind und mindestens Folgendes umfassen:

a)

Der Restrukturierungsplan ist im Einklang mit Artikel 9 angenommen worden.

b)

Gläubiger mit ausreichenden gemeinsamen Interessen in derselben Klasse werden gleich und im Verhältnis zu ihren Forderungen behandelt.

c)

Der Restrukturierungsplan ist allen betroffenen Parteien im Einklang mit nationalem Recht übermittelt worden.

d)

Gibt es ablehnende Gläubiger, so erfüllt der Restrukturierungsplan das Kriterium des Gläubigerinteresses.

e)

Eine etwaige neue Finanzierung, die zur Umsetzung des Restrukturierungsplans erforderlich ist und die Interessen der Gläubiger nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt.

Die Einhaltung von Unterabsatz 1 Buchstabe d wird von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde nur im Falle einer diesbezüglichen Beanstandung des Restrukturierungsplans geprüft.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Justiz- oder Verwaltungsbehörden die Bestätigung eines Restrukturierungsplans ablehnen können, wenn keine vernünftige Aussicht besteht, dass der Plan die Insolvenz des Schuldners verhindern oder die Bestandsfähigkeit des Unternehmens gewährleisten würde.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in den Fällen, in denen eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde den Restrukturierungsplan bestätigen muss, damit dieser verbindlich wird, die Entscheidung mit Blick auf eine zügige Bearbeitung der Angelegenheit auf effiziente Weise getroffen wird.

Artikel 11

Klassenübergreifender Cram-down

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Restrukturierungsplan, der nicht in jeder Abstimmungsklasse von den betroffenen Parteien gemäß Artikel 9 Absatz 6 angenommen worden ist, auf Vorschlag eines Schuldners oder mit Zustimmung des Schuldners von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt und für ablehnende Abstimmungsklassen verbindlich werden kann, wenn der Restrukturierungsplan mindestens folgende Voraussetzungen erfüllt:

a)

Er entspricht Artikel 10 Absatz 2 und 3.

b)

Er ist angenommen worden von

i)

einer Mehrheit der Abstimmungsklassen betroffener Parteien, sofern mindestens eine dieser Klassen eine Klasse gesicherter Gläubiger ist oder gegenüber der Klasse gewöhnlicher ungesicherter Gläubiger vorrangig ist, oder anderenfalls

ii)

mindestens einer der Abstimmungsklassen der betroffenen Parteien oder, wenn im nationalen Recht vorgesehen, der beeinträchtigten Parteien, bei der es sich weder um eine Klasse von Anteilsinhabern noch um eine andere Klasse handelt, die im Falle einer Bewertung des Schuldners als fortgeführtes Unternehmen bei Anwendung der normalen Rangfolge der Liquidationsprioritäten nach nationalem Recht keine Zahlung erhalten oder keine Beteiligung behalten würde oder, wenn im nationalen Recht vorgesehen, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden könnte, dass sie keine Zahlung erhalten oder keine Beteiligung behalten würde,

c)

Er gewährleistet, dass ablehnende Abstimmungsklassen betroffener Gläubiger mindestens ebenso wie andere gleichrangige Klassen und besser als alle nachrangigen Klassen gestellt werden, und

d)

keine Klasse betroffener Parteien kann nach dem Restrukturierungsplan mehr erhalten oder behalten als den vollen Betrag ihrer Forderungen oder Beteiligungen.

Abweichend von Unterabsatz 1 können die Mitgliedstaaten das Erfordernis der Einholung der Zustimmung des Schuldners auf Fälle beschränken, in denen es sich bei den Schuldnern um KMU handelt.

Die Mitgliedstaaten können die Mindestzahl der Klassen betroffener Parteien oder, wenn im nationalen Recht vorgesehen, beeinträchtigter Parteien, die den Plan gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe b Ziffer ii genehmigen müssen, erhöhen.

(2)   Abweichend von Absatz 1 Buchstabe c können die Mitgliedstaaten bestimmen, dass die Forderungen betroffener Gläubiger in einer ablehnenden Abstimmungsklasse in vollem Umfang und in gleicher oder gleichwertiger Weise befriedigt werden, wenn eine nachrangige Klasse nach dem Restrukturierungsplan eine Zahlung erhält oder eine Beteiligung behält.

Die Mitgliedstaaten können von Unterabsatz 1 abweichende Vorschriften beibehalten oder einführen, wenn diese erforderlich sind, um die Ziele des Restrukturierungsplans zu erreichen, und wenn der Restrukturierungsplan die Rechte oder Beteiligungen betroffener Parteien nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt.

Artikel 12

Anteilsinhaber

(1)   Schließen die Mitgliedstaaten Anteilsinhaber von der Anwendung der Artikel 9 bis 11 aus, so stellen sie auf andere Weise sicher, dass diese Anteilsinhaber die Annahme und Bestätigung eines Restrukturierungsplans nicht grundlos verhindern oder erschweren dürfen.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen ferner sicher, dass Anteilsinhaber die Umsetzung eines Restrukturierungsplans nicht grundlos verhindern oder erschweren dürfen.

(3)   Die Mitgliedstaaten können die Bedeutung des Begriffs des grundlosen Verhinderns oder Erschwerens im Sinne dieses Artikels anpassen, um unter anderem folgende Faktoren zu berücksichtigen: die Frage, ob es sich bei dem Schuldner um ein KMU oder ein großes Unternehmen handelt, die sich auf die Rechte der Anteilsinhaber auswirkenden vorgeschlagenen Restrukturierungsmaßnahmen, die Art der Anteilsinhaber, die Frage, ob der Schuldner eine juristische oder eine natürliche Person ist, und die Frage, ob die Partner in einem Unternehmen beschränkt oder unbeschränkt haften.

Artikel 13

Arbeitnehmer

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die individuellen und kollektiven Rechte der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsrecht der Union und dem nationalen Arbeitsrecht durch den präventiven Restrukturierungsrahmen nicht beeinträchtigt werden; dazu gehören etwa

a)

das Recht auf Tarifverhandlungen und Arbeitskampfmaßnahmen;

b)

das Recht auf Unterrichtung und Anhörung im Einklang mit der Richtlinie 2002/14/EG und der Richtlinie 2009/38/EG, insbesondere

i)

die Unterrichtung der Arbeitnehmervertreter über die jüngste Entwicklung und die wahrscheinliche Weiterentwicklung der Tätigkeit und der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens oder des Betriebs, damit sie dem Schuldner ihre Bedenken hinsichtlich der Geschäftssituation und in Bezug auf die Notwendigkeit, Restrukturierungsmechanismen in Betracht zu ziehen, mitteilen können;

ii)

die Unterrichtung der Arbeitnehmervertreter über alle präventiven Restrukturierungsverfahren, die sich auf die Beschäftigung auswirken könnten, etwa auf die Möglichkeit der Arbeitnehmer, ihre Löhne und etwaige zukünftige Zahlungen, auch im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung, einzutreiben;

iii)

die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertreter zu Restrukturierungsplänen, bevor sie gemäß Artikel 9 zur Annahme oder einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde gemäß Artikel 10 zur Bestätigung vorgelegt werden;

c)

die durch die Richtlinien 98/59/EG, 2001/23/EG und 2008/94/EG garantierten Rechte.

(2)   Umfasst der Restrukturierungsplan Maßnahmen, die Änderungen an der Arbeitsorganisation oder an den Arbeitsverträgen mit sich bringen, so werden diese Maßnahmen von diesen Arbeitnehmern genehmigt, sofern das nationale Recht oder die Tarifverträge in diesen Fällen eine solche Genehmigung vorsehen.

Artikel 14

Bewertung durch die Justiz- oder Verwaltungsbehörde

(1)   Die Justiz- oder Verwaltungsbehörde trifft nur dann eine Entscheidung über die Bewertung des Unternehmens des Schuldners, wenn ein Restrukturierungsplan von einer ablehnenden betroffenen Partei beanstandet wird, wegen

a)

eines mutmaßlichen Verstoßes gegen das Kriterium des Gläubigerinteresses gemäß Artikel 2 Absatz 1 Nummer 6 oder

b)

eines mutmaßlichen Verstoßes gegen die Bedingungen für einen klassenübergreifenden Cram-down gemäß Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Justiz- oder Verwaltungsbehörden zum Zweck der Entscheidung über eine Bewertung gemäß Absatz 1 ordnungsgemäß qualifizierte Sachverständige bestellen oder hören können.

(3)   Für die Zwecke des Absatzes 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass eine ablehnende betroffene Partei bei der Justiz- oder Verwaltungsbehörde, die den Restrukturierungsplan bestätigen soll, eine Beanstandung geltend machen kann.

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine solche Beanstandung im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen den Beschluss über die Bestätigung eines Restrukturierungsplans geltend gemacht werden kann.

Artikel 15

Wirkung von Restrukturierungsplänen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigten Restrukturierungspläne für alle nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe c benannten oder beschriebenen betroffenen Parteien verbindlich sind.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Gläubiger, die an der Annahme eines Restrukturierungsplans nach nationalem Recht nicht beteiligt waren, von dem Plan nicht beeinträchtigt werden.

Artikel 16

Rechtsbehelfe

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Rechtsbehelf, der nach nationalem Recht gegen einen Beschluss einer Justizbehörde über die Bestätigung oder Ablehnung eines Restrukturierungsplans eingelegt wird, einer höheren Justizbehörde vorgelegt wird.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Rechtsbehelf, der gegen einen Beschluss einer Verwaltungsbehörde über die Bestätigung oder Ablehnung eines Restrukturierungsplans eingelegt wird, bei einer Justizbehörde vorgelegt wird.

(2)   Über die Rechtsbehelfe ist mit Blick auf eine zügige Bearbeitung auf effiziente Weise zu entscheiden.

(3)   Ein Rechtsbehelf gegen einen Beschluss zur Bestätigung eines Restrukturierungsplans hat in Bezug auf die Ausführung des Plans keine aufschiebende Wirkung.

Abweichend von Unterabsatz 1 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Justizbehörden die Durchführung des Restrukturierungsplans oder von Teilen davon aussetzen können, wenn dies zur Wahrung der Interessen einer Partei notwendig und angemessen ist.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Justizbehörde, wenn einem Rechtsbehelf nach Absatz 3 stattgegeben wird, entweder

a)

den Restrukturierungsplan aufheben kann oder

b)

den Restrukturierungsplan entweder bestätigen kann, und zwar — wenn im nationalen Recht vorgesehen -mit Änderungen oder ohne Änderungen.

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass jeder Partei, der finanzielle Verluste entstanden sind und deren Rechtsbehelf stattgegeben wird, im Falle der Bestätigung eines Plans gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe b ein Ausgleich gewährt wird.

KAPITEL 4

Schutz für neue Finanzierungen, Zwischenfinanzierungen und sonstige Transaktionen im Zusammenhang mit der Restrukturierung

Artikel 17

Schutz für neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen in angemessener Weise geschützt werden. Zumindest dürfen im Falle einer späteren Insolvenz des Schuldners:

a)

neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen nicht deshalb für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar erklärt werden und

b)

die Geber solcher Finanzierungen nicht deshalb einer zivil-, verwaltungs- oder strafrechtlichen Haftung unterliegen, weil eine solche Finanzierung die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligt, außer es liegen zusätzliche im nationalen Recht festgelegte Gründe vor.

(2)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass Absatz 1 nur für neue Finanzierungen gilt, sofern der Restrukturierungsplan von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt wurde, und nur für Zwischenfinanzierungen, die Ex-ante-Kontrollen unterlagen.

(3)   Die Mitgliedstaaten können Zwischenfinanzierungen, die gewährt werden, nachdem der Schuldner zur Begleichung seiner fällig werdenden Schulden nicht mehr in der Lage war, vom Anwendungsbereich des Absatzes 1 ausschließen.

(4)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass Geber von neuen Finanzierungen oder Zwischenfinanzierungen Anspruch darauf haben, in späteren Insolvenzverfahren Zahlungen vorrangig gegenüber anderen Gläubigern zu erhalten, die anderenfalls höher- oder gleichrangige Forderungen hätten.

Artikel 18

Schutz für sonstige Transaktionen im Zusammenhang mit der Restrukturierung

(1)   Unbeschadet des Artikels 17 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Transaktionen, die angemessen und unmittelbar notwendig für die Aushandlung eines Restrukturierungsplans sind, im Falle einer späteren Insolvenz eines Schuldners nicht deshalb für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar erklärt werden, weil solche Transaktionen die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen, außer es liegen zusätzliche im nationalen Recht festgelegte Gründe vor.

(2)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass Absatz 1 nur gilt, sofern der Plan von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt wurde oder sofern solche Transaktionen Ex-ante-Kontrollen unterlagen.

(3)   Die Mitgliedstaaten können vom Anwendungsbereich des Absatzes 1 Transaktionen ausschließen, die durchgeführt werden, nachdem der Schuldner zur Begleichung seiner fällig werdenden Schulden nicht mehr in der Lage ist.

(4)   Zu den Transaktionen nach Absatz 1 gehören mindestens

a)

die Zahlung von Gebühren und Kosten für die Aushandlung, Annahme oder Bestätigung eines Restrukturierungsplans;

b)

die Zahlung von Gebühren und Kosten für die Inanspruchnahme professioneller Beratung in engem Zusammenhang mit der Restrukturierung;

c)

die Zahlung von Arbeitnehmerlöhnen für bereits geleistete Arbeit, unbeschadet eines anderen im Unionsrecht oder im nationalen Recht vorgesehenen Schutzes;

d)

andere als unter den Buchstaben a bis c genannte Zahlungen und Auszahlungen im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb.

(5)   Unbeschadet des Artikels 17 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Transaktionen, die angemessen und unmittelbar notwendig für die Umsetzung eines Restrukturierungsplans sind und die im Einklang mit dem von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigten Restrukturierungsplan durchgeführt werden, im Falle einer späteren Insolvenz des Schuldners nicht deshalb für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar erklärt werden, weil solche Transaktionen die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen, außer es liegen zusätzliche im nationalen Recht festgelegte Gründe vor.

KAPITEL 5

Pflichten der Unternehmensleitung

Artikel 19

Pflichten der Unternehmensleitung bei einer wahrscheinlichen Insolvenz

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Unternehmensleitung bei einer wahrscheinlichen Insolvenz mindestens Folgendes gebührend berücksichtigt:

a)

die Interessen der Gläubiger, Anteilsinhaber und sonstigen Interessenträger,

b)

die Notwendigkeit, Schritte einzuleiten, um eine Insolvenz abzuwenden, und

c)

die Notwendigkeit, vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten zu vermeiden, das die Bestandsfähigkeit des Unternehmens gefährdet.

TITEL III

ENTSCHULDUNG UND TÄTIGKEITSVERBOTE

Artikel 20

Zugang zur Entschuldung

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass insolvente Unternehmer Zugang zu mindestens einem Verfahren haben, das zu einer vollen Entschuldung gemäß dieser Richtlinie führen kann.

Die Mitgliedstaaten können zur Bedingung machen, dass die gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit, mit der die Schulden eines insolventen Unternehmers im Zusammenhang stehen, eingestellt wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten, in denen die volle Entschuldung von einer teilweisen Tilgung der Schulden durch den Unternehmer abhängig ist, stellen sicher, dass die diesbezügliche Tilgungspflicht der Situation des einzelnen Unternehmers entspricht und insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zum pfändbaren oder verfügbaren Einkommen und zu den pfändbaren oder verfügbaren Vermögenswerten des Unternehmers während der Entschuldungsfrist steht sowie dem berechtigten Gläubigerinteresse Rechnung trägt.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass entschuldete Unternehmer von bestehenden nationalen Rahmen zur Förderung der Geschäftstätigkeit von Unternehmern profitieren können, einschließlich des Zugangs zu einschlägigen und aktuellen Informationen über diese Rahmen.

Artikel 21

Entschuldungsfrist

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Frist, nach deren Ablauf insolvente Unternehmer in vollem Umfang entschuldet werden können, höchstens drei Jahre beträgt, spätestens ab einem der folgenden Zeitpunkte:

a)

im Falle eines Verfahrens, das einen Tilgungsplan umfasst, dem Zeitpunkt der Entscheidung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde, den Plan zu bestätigen, oder dem Zeitpunkt, an dem mit der Umsetzung des Tilgungsplans begonnen wird, oder

b)

im Falle jedes anderen Verfahrens dem Zeitpunkt der Entscheidung der Justiz- oder Verwaltungsbehörde über die Eröffnung des Verfahrens oder dem Tag der Bestimmung der Insolvenzmasse des Unternehmers.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass insolvente Unternehmer, die ihren Verpflichtungen, sofern solche gemäß den nationalen Rechtsvorschriften bestehen, nachgekommen sind, nach Ablauf der Entschuldungsfrist entschuldet werden, ohne dass ein Antrag bei einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde gestellt werden muss, zusätzlich zu den in Absatz 1 genannten Verfahren ein weiteres Verfahren zu eröffnen.

Unbeschadet des Unterabsatzes 1 können die Mitgliedstaaten Bestimmungen beibehalten oder einführen, die es der Justiz- oder Verwaltungsbehörde ermöglichen zu überprüfen, ob die Unternehmer die Verpflichtungen für eine Entschuldung erfüllt haben.

(3)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine volle Entschuldung der Fortsetzung eines Insolvenzverfahrens nicht entgegensteht, das die Verwertung und Verteilung der Vermögenswerte eines Unternehmers umfasst, die am Tag des Ablaufs der Entschuldungsfrist Teil der Insolvenzmasse dieses Unternehmers waren.

Artikel 22

Verbotsfrist

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass, wenn ein insolventer Unternehmer im Einklang mit dieser Richtlinie entschuldet wird, ein allein aufgrund der Insolvenz des Unternehmers erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, spätestens bei Ablauf der Entschuldungsfrist außer Kraft tritt.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass mit dem Ablauf der Entschuldungsfrist die in Absatz 1 dieses Artikels genannten Verbote außer Kraft treten, ohne dass ein Antrag bei einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde gestellt werden muss, zusätzlich zu den in Artikel 21 Absatz 1 genannten Verfahren ein weiteres Verfahren zu eröffnen.

Artikel 23

Ausnahmeregelungen

(1)   Abweichend von den Artikeln 20 bis 22 behalten die Mitgliedstaaten Bestimmungen bei oder führen Bestimmungen ein, mit denen der Zugang zur Entschuldung verwehrt oder beschränkt wird, die Vorteile der Entschuldung widerrufen werden oder längere Fristen für eine volle Entschuldung beziehungsweise längere Verbotsfristen vorgesehen werden, wenn der insolvente Unternehmer bei seiner Verschuldung — während des Insolvenzverfahrens oder während der Begleichung der Schulden — gegenüber den Gläubigern oder sonstigen Interessenträgern unredlich oder bösgläubig im Sinne der nationalen Rechtsvorschriften gehandelt hat, unbeschadet der nationalen Vorschriften zur Beweislast.

(2)   Abweichend von den Artikeln 20 bis 22 können die Mitgliedstaaten Bestimmungen beibehalten oder einführen, mit denen unter bestimmten genau festgelegten Umständen der Zugang zur Entschuldung verwehrt oder beschränkt wird, die Entschuldung widerrufen wird oder längere Fristen für eine volle Entschuldung beziehungsweise längere Verbotsfristen vorgesehen werden, wenn solche Ausnahmeregelungen ausreichend gerechtfertigt sind, etwa wenn:

a)

der insolvente Unternehmer gegen im Tilgungsplan vorgesehene Verpflichtungen oder gegen eine andere rechtliche Verpflichtung zum Schutz der Interessen der Gläubiger, einschließlich der Verpflichtung, die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen, in erheblichem Maße verstoßen hat,

b)

der insolvente Unternehmer den Informationspflichten oder Verpflichtungen zur Zusammenarbeit gemäß dem Unionsrecht und den nationalen Rechtsvorschriften nicht nachgekommen ist,

c)

Entschuldungsverfahren missbräuchlich beantragt werden,

d)

innerhalb eines bestimmten Zeitraums, nachdem dem insolventen Unternehmer eine volle Entschuldung gewährt oder aufgrund eines schweren Verstoßes gegen die Informationspflichten oder die Verpflichtungen zur Zusammenarbeit verweigert worden ist, eine weitere Entschuldung beantragt wird,

e)

die Kosten des zur Entschuldung führenden Verfahrens nicht gedeckt sind oder

f)

eine Ausnahmeregelung erforderlich ist, um einen Ausgleich zwischen den Rechten des Schuldners und den Rechten eines oder mehrerer Gläubiger zu gewährleisten.

(3)   Abweichend von Artikel 21 können die Mitgliedstaaten längere Entschuldungsfristen für den Fall festlegen, dass

a)

eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde Schutzmaßnahmen billigt oder anordnet, um die Hauptwohnung des insolventen Unternehmers und gegebenenfalls der Familie des Unternehmers oder die für die Fortsetzung der gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder freiberuflichen Tätigkeit des Unternehmers unverzichtbaren Vermögenswerte zu schützen, oder

b)

die Hauptwohnung des insolventen Unternehmers und gegebenenfalls seiner Familie nicht verwertet wird.

(4)   Die Mitgliedstaaten können bestimmte Schuldenkategorien von der Entschuldung ausschließen, den Zugang zur Entschuldung beschränken oder eine längere Entschuldungsfrist festlegen, wenn solche Ausschlüsse, Beschränkungen oder längeren Fristen ausreichend gerechtfertigt sind, etwa im Falle von

a)

besicherten Schulden,

b)

aus strafrechtlichen Sanktionen entstandenen oder damit in Verbindung stehenden Schulden,

c)

aus deliktischer Haftung entstandenen Schulden,

d)

Schulden bezüglich Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen,

e)

Schulden, die nach dem Antrag auf ein zu einer Entschuldung führendes Verfahren oder nach dessen Eröffnung entstanden sind, und

f)

Schulden, die aus der Verpflichtung, die Kosten des zur Entschuldung führenden Verfahrens zu begleichen, entstanden sind.

(5)   Abweichend von Artikel 22 können die Mitgliedstaaten längere oder unbestimmte Verbotsfristen festlegen, wenn der insolvente Unternehmer einem Berufsstand angehört:

a)

für den besondere ethische Regeln oder besondere Regeln bezüglich der Reputation oder der Sachkunde gelten, und der Unternehmer gegen diese Regeln verstoßen hat, oder

b)

der sich mit der Verwaltung des Eigentums Dritter befasst.

Unterabsatz 1 gilt auch wenn ein insolventer Unternehmer beantragt, sich einem in Unterabsatz 1 Buchstabe a oder b genannten Berufsstand anzuschließen.

(6)   Die vorliegende Richtlinie berührt nicht die nationalen Vorschriften zu anderen als den in Artikel 22 genannten Tätigkeitsverboten, die von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde angeordnet werden.

Artikel 24

Konsolidierung von Verfahren in Bezug auf berufliche und private Schulden

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass, wenn insolvente Unternehmer sowohl berufliche Schulden, die im Rahmen ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder freiberuflichen Tätigkeit entstanden sind, als auch private Schulden, die außerhalb dieser Tätigkeiten entstanden sind, haben und diese nicht sinnvoll getrennt werden können, alle für eine Entschuldung infrage kommenden Schulden für die Zwecke einer vollen Entschuldung in einem einzigen Verfahren zu behandeln sind.

(2)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass, wenn berufliche und private Schulden getrennt werden können, diese Schulden für die Zwecke einer vollen Entschuldung entweder in getrennten, jedoch koordinierten Verfahren oder in demselben Verfahren zu behandeln sind.

TITEL IV

MAẞNAHMEN ZUR STEIGERUNG DER EFFIZIENZ VON RESTRUKTURIERUNGS-, INSOLVENZ- UND ENTSCHULDUNGSVERFAHREN

Artikel 25

Justiz- und Verwaltungsbehörden

Unbeschadet der Unabhängigkeit der Justiz und etwaiger Unterschiede im Aufbau des Justizwesens in der Union stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass

a)

Mitglieder der Justiz- und Verwaltungsbehörden, die mit Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren befasst sind, eine angemessene Ausbildung erhalten und die für ihre Zuständigkeiten erforderliche Sachkunde haben und

b)

Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren mit Blick auf ihre zügige Bearbeitung auf effiziente Weise geführt werden.

Artikel 26

Verwalter in Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass

a)

die von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde in Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren bestellten Verwalter eine angemessene Ausbildung erhalten und die für ihre Zuständigkeiten erforderliche Sachkunde haben;

b)

die Zulassungsvoraussetzungen sowie das Verfahren für die Bestellung, die Abberufung und den Rücktritt von Verwaltern klar, transparent und fair sind;

c)

bei der Bestellung eines Verwalters für einen bestimmten Fall, einschließlich Sachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, der Erfahrung und der Sachkunde des Verwalters gebührend Rechnung getragen wird und dabei die besonderen Merkmale des Falles berücksichtigt werden und

d)

Schuldner und Gläubiger zur Vermeidung eines Interessenkonfliktes die Möglichkeit haben, die Auswahl oder Benennung eines Verwalters abzulehnen oder das Ersetzen des Verwalters zu verlangen.

(2)   Die Kommission erleichtert im Hinblick auf eine Verbesserung der Qualität der Ausbildung in der gesamten Union den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten, unter anderem durch den Austausch von Erfahrungen und Instrumenten zum Kapazitätsaufbau.

Artikel 27

Beaufsichtigung und Vergütung von Verwaltern

(1)   Die Mitgliedstaaten richten geeignete Aufsichts- und Regulierungsmechanismen ein, um sicherzustellen, dass die Arbeit von Verwaltern wirksam überwacht wird, damit gewährleistet ist, dass ihre Dienste wirksam und sachkundig und gegenüber den beteiligten Parteien unparteiisch und unabhängig erbracht werden. Derartige Mechanismen umfassen auch Maßnahmen für die Verantwortlichkeit der Verwalter, die ihren Pflichten nicht nachkommen.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Informationen über die Behörden oder Stellen, die die Aufsicht über die Verwalter ausüben, öffentlich zugänglich sind.

(3)   Die Mitgliedstaaten können die Erarbeitung und Einhaltung von Verhaltenskodizes durch Verwalter fördern.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die Vergütung der Verwalter Vorschriften gelten, die mit dem Ziel eines effizienten Abschlusses der Verfahren im Einklang stehen.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass geeignete Verfahren zur Verfügung stehen, um Streitigkeiten über die Vergütung beizulegen.

Artikel 28

Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren die Verfahrensparteien, die Verwalter und die Justiz- oder Verwaltungsbehörde auch in grenzüberschreitenden Situationen mindestens folgende Handlungen elektronisch vornehmen können:

a)

Geltendmachung von Forderungen;

b)

Einreichung von Restrukturierungs- oder Tilgungsplänen;

c)

Mitteilungen an die Gläubiger;

d)

Einlegung von Beanstandungen und Rechtsbehelfen.

TITEL V

MONITORING VON RESTRUKTURIERUNGS-, INSOLVENZ- UND ENTSCHULDUNGSVERFAHREN

Artikel 29

Datenerhebung

(1)   Die Mitgliedstaaten erheben und aggregieren jährlich auf nationaler Ebene Daten über Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren, aufgeschlüsselt nach jeder Verfahrensart, die mindestens folgende Elemente enthalten:

a)

der Zahl der Verfahren, die beantragt oder eröffnet wurden — wenn die Verfahrenseröffnung nach nationalem Recht vorgesehen ist —, und der Zahl der Verfahren, die anhängig sind oder die beendet wurden;

b)

der durchschnittlichen Dauer der Verfahren von der Einreichung des Antrags oder von der Eröffnung des Verfahrens — wenn die Verfahrenseröffnung nach nationalem Recht vorgesehen ist — bis zum Verfahrensende;

c)

der Zahl anderer als der unter Buchstabe d vorgeschriebenen Verfahren, aufgeschlüsselt nach Art des Ergebnisses;

d)

der Zahl der Anträge auf Restrukturierungsverfahren, die für unzulässig erklärt wurden, abgelehnt wurden oder vor der Verfahrenseröffnung zurückgezogen wurden.

(2)   Die Mitgliedstaaten erheben und aggregieren auf jährlicher Grundlage auf nationaler Ebene Daten über die Zahl der Schuldner, die Gegenstand eines Restrukturierungsverfahrens oder Insolvenzverfahrens waren und die in den drei Jahren vor der Einreichung des Antrags auf Eröffnung eines solchen Verfahrens — wenn die Verfahrenseröffnung nach nationalem Recht vorgesehen ist — einen Restrukturierungsplan hatten, der im Rahmen eines früheren Restrukturierungsverfahrens zur Umsetzung von Titel II bestätigt wurde.

(3)   Die Mitgliedstaaten können auf jährlicher Grundlage auf nationaler Ebene Daten erheben und aggregieren über

a)

die durchschnittlichen Kosten einer jeden Verfahrensart;

b)

die durchschnittlichen Befriedigungsquoten für gesicherte und ungesicherte Gläubiger und gegebenenfalls für andere Arten von Gläubigern, jeweils getrennt;

c)

die Zahl der Unternehmer, die ein neues Unternehmen gründen, nachdem sie Gegenstand eines Verfahrens nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b waren;

d)

die Zahl der im Zusammenhang mit Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren verlorenen Arbeitsplätze.

(4)   Die Mitgliedstaaten schlüsseln die in Absatz 1 Buchstaben a bis c genannten Daten und gegebenenfalls, sofern verfügbar, die in Absatz 3 genannten Daten auf

a)

nach Größe der Schuldner, die keine natürlichen Personen sind;

b)

danach, ob die Schuldner in Restrukturierungs- oder Insolvenzverfahren natürliche oder juristische Personen sind, sowie

c)

danach, ob die zu einer Entschuldung führenden Verfahren nur Unternehmer oder alle natürlichen Personen betreffen.

(5)   Die Mitgliedstaaten können die in den Absätzen 1, bis 4 genannten Daten mittels einer Stichprobenmethode, bei der gewährleistet ist, dass die Stichproben hinsichtlich ihrer Größe und Diversität repräsentativ sind, erheben und aggregieren.

(6)   Die Mitgliedstaaten erheben und aggregieren die in den Absätzen 1, 2, 4 und gegebenenfalls 3 genannten Daten für am 31. Dezember endende volle Kalenderjahre; sie beginnen dabei mit dem ersten dem ersten vollen Kalenderjahr, das dem Tag der erstmaligen Anwendung des Durchführungsrechtsakts nach Absatz 7 folgt. Die Daten werden der Kommission jährlich auf einem Standard-Datenübermittlungsformular bis zum 31. Dezember des Kalenderjahrs übermittelt, das auf das Jahr folgt, für das die Daten erhoben werden.

(7)   Die Kommission legt das in Absatz 6 genannte Übermittlungsformular im Wege von Durchführungsrechtsakten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 30 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

(8)   Die Kommission veröffentlicht die gemäß Absatz 6 übermittelten Daten in einer zugänglichen und nutzerfreundlichen Weise auf ihrer Website.

Artikel 30

Ausschussverfahren

(1)   Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(2)   Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Gibt der Ausschuss keine Stellungnahme ab, so erlässt die Kommission den Entwurf des Durchführungsrechtsakts nicht und Artikel 5 Absatz 4 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 findet Anwendung.

TITEL VI

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 31

Verhältnis zu anderen Rechtsakten und internationalen Rechtsinstrumenten

(1)   Die folgenden Rechtsakte gelten ungeachtet dieser Richtlinie:

a)

Richtlinie 98/26/EG,

b)

Richtlinie 2002/47/EG und

c)

Verordnung (EU) Nr. 648/2012.

(2)   Diese Richtlinie berührt nicht die Anforderungen an die Sicherung von Geldern für Zahlungsinstitute gemäß der Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates (24) sowie die entsprechenden Anforderungen für E-Geld-Institute gemäß der Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (25).

(3)   Diese Richtlinie berührt nicht die Anwendung des in Kapstadt am 16. November 2001 gemeinsam unterzeichneten Übereinkommens über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung und des zugehörigen Protokolls über Luftfahrtausrüstung, dessen Vertragsparteien einige Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie sind.

Artikel 32

Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132

In Artikel 84 der Richtlinie (EU) 2017/1132 wird folgender Absatz angefügt:

„(4)   Die Mitgliedstaaten erlassen Ausnahmeregelungen zu Artikel 58 Absatz 1, Artikel 68, Artikel 72, Artikel 73, Artikel 74, Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe b, Artikel 80 Absatz 1 und Artikel 81 in dem Umfang und für den Zeitraum, wie diese Ausnahmeregelungen für die Festlegung des präventiven Restrukturierungsrahmens nach der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates (*1) erforderlich sind.

Unterabsatz 1 lässt den Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre unberührt.

Artikel 33

Überprüfungsklausel

Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss spätestens am 17. Juli 2026 und danach alle fünf Jahre einen Bericht über die Anwendung und die Auswirkungen dieser Richtlinie vor, einschließlich der Anwendung der Klassenbildungs- und Abstimmungsvorschriften in Bezug auf schutzbedürftige Gläubiger wie etwa Arbeitnehmer. Auf der Grundlage dieser Bewertung übermittelt die Kommission gegebenenfalls einen Gesetzgebungsvorschlag, in dem zusätzliche Maßnahmen zur Konsolidierung und Harmonisierung des rechtlichen Rahmens für Restrukturierung, Insolvenz und Entschuldung in Erwägung gezogen werden.

Artikel 34

Umsetzung

(1)   Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 17. Juli 2021 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie nachzukommen, mit Ausnahme der erforderlichen Vorschriften, um Artikel 28 Buchstaben a, b und c nachzukommen, die bis zum 17. Juli 2024 erlassen und veröffentlicht werden, und der erforderlichen Vorschriften, um Artikel 28 Buchstabe d nachzukommen, die bis zum 17. Juli 2026 erlassen und veröffentlicht werden. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

Sie wenden die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie nachzukommen, ab dem 17. Juli 2021 an, mit Ausnahme der erforderlichen Vorschriften, um Artikel 28 Buchstabe a, b und c nachzukommen, die ab dem 17. Juli 2024 gelten und der erforderlichen Vorschriften, um Artikel 28 Buchstabe d nachzukommen, die ab dem 17. Juli 2026 gelten.

(2)   Abweichend von Absatz 1 können Mitgliedstaaten, die bei der Umsetzung dieser Richtlinie auf besondere Schwierigkeiten stoßen, eine Verlängerung der in Absatz 1 vorgesehenen Umsetzungsfrist um höchstens ein Jahr in Anspruch nehmen. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission bis zum 17. Januar 2021 mit, dass sie von dieser Möglichkeit, die Umsetzungsfrist zu verlängern, Gebrauch machen müssen.

(3)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Vorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 35

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 36

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am 20. Juni 2019.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

A. TAJANI

Im Namen des Rates

Der Präsident

G. CIAMBA


(1)  ABl. C 209 vom 30.6.2017, S. 21.

(2)  ABl. C 342 vom 12.10.2017, S. 43.

(3)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 28. März 2019 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 6. Juni 2019.

(4)  Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (ABl. L 141 vom 5.6.2015, S. 19).

(5)  Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 19).

(6)  Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36).

(7)  Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1).

(8)  Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).

(9)  Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1).

(10)  Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 1).

(11)  Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190).

(12)  Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 225 vom 12.8.1998, S. 16).

(13)  Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82 vom 22.3.2001, S. 16).

(14)  Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 80 vom 23.3.2002, S. 29).

(15)  Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283 vom 28.10.2008, S. 36).

(16)  Richtlinie 2009/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen (ABl. L 122 vom 16.5.2009, S. 28).

(17)  Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73).

(18)  Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).

(19)  Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (ABl. L 166 vom 11.6.1998, S. 45).

(20)  Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten (ABl. L 168 vom 27.6.2002, S. 43).

(21)  Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (ABl. L 169 vom30.6.2017, S. 46).

(22)  ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.

(23)  ABl. C 236 vom 21.7.2017, S. 2.

(24)  Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG (ABl. L 337 vom 23.12.2015, S. 35).

(25)  Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG (ABl. L 267 vom 10.10.2009, S. 7).


26.6.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 172/56


RICHTLINIE (EU) 2019/1024 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 20. Juni 2019

über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors

(Neufassung)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (3) wurde erheblich geändert. Aus Gründen der Klarheit empfiehlt es sich, im Rahmen der anstehenden Änderungen eine Neufassung der genannten Richtlinie vorzunehmen.

(2)

Gemäß Artikel 13 der Richtlinie 2003/98/EG und fünf Jahre nach Annahme der Richtlinie 2013/37/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (4) zur Änderung der Richtlinie 2003/98/EG hat die Kommission — im Anschluss an die Konsultation der einschlägigen Interessenträger — im Rahmen des Programms zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT) die Wirksamkeit der Richtlinie 2003/98/EG bewertet und überprüft.

(3)

Im Anschluss an die Konsultation der Interessenträger und im Lichte der Ergebnisse der Folgenabschätzung war die Kommission der Ansicht, dass Maßnahmen auf Unionsebene erforderlich sind, um die verbleibenden und neu entstehenden Hemmnisse zu beseitigen, die einer breiten Weiterverwendung von öffentlichen und öffentlich finanzierten Informationen in der gesamten Union im Wege stehen, um den Rechtsrahmen auf den neuesten Stand der digitalen Technik zu bringen und um weitere digitale Innovationen, insbesondere im Hinblick auf künstliche Intelligenz, zu fördern.

(4)

Die wesentlichen Änderungen am Rechtstext, die der Ausschöpfung des Potenzials der Informationen des öffentlichen Sektors für die europäische Wirtschaft und Gesellschaft dienen sollen, sollten sich auf die Bereitstellung eines Echtzeit-Zugangs zu dynamischen Daten mithilfe angemessener technischer Mittel, die verstärkte Bereitstellung wertvoller öffentlicher Daten für die Weiterverwendung, unter anderem von öffentlichen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Forschungsförderungseinrichtungen, die Bewältigung neuer Formen von Ausschließlichkeitsvereinbarungen, die Inanspruchnahme von Ausnahmen vom Grundsatz der Gebührenbeschränkung auf die Grenzkosten und das Verhältnis zwischen dieser Richtlinie und bestimmten verwandten Rechtsinstrumenten, einschließlich der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) und der Richtlinien 96/9/EG (6), 2003/4/EG (7) und 2007/2/EG (8) des Europäischen Parlaments und des Rates konzentrieren.

(5)

Der Zugang zu Informationen ist ein Grundrecht. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) bestimmt, dass jede Person das Recht auf freie Meinungsäußerung hat; dies schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.

(6)

Artikel 8 der Charta gewährleistet das Recht auf Schutz personenbezogener Daten und sieht vor, dass diese Daten nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke, mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage und vorbehaltlich der Überwachung durch eine unabhängige Stelle verarbeitet werden dürfen.

(7)

Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sieht die Schaffung eines Binnenmarkts und eines Systems vor, das Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt verhindert. Die Angleichung der Bestimmungen und Verfahren der Mitgliedstaaten zur Nutzung von Informationen des öffentlichen Sektors trägt zur Erreichung dieser Ziele bei.

(8)

Der öffentliche Sektor in den Mitgliedstaaten erfasst, erstellt, reproduziert und verbreitet ein breites Spektrum an Informationen aus zahlreichen Gebieten wie Informationen über die Bereiche Soziales, Politik, Wirtschaft, Recht, Geografie, Umwelt, Meteorologie, Seismizität, Tourismus, Geschäftsleben, Patentwesen und Bildung. Dokumente, die von öffentlichen Stellen der Exekutive, Legislative oder Judikative erstellt werden, bilden einen umfassenden, vielfältigen und wertvollen Fundus an Ressourcen, der der Gesellschaft zugutekommen kann. Die Bereitstellung dieser Informationen, die auch dynamische Daten umfassen, in einem gängigen elektronischen Format ermöglicht es Bürgern und juristischen Personen, neue Möglichkeiten für deren Nutzung zu finden und neue, innovative Produkte und Dienstleistungen zu schaffen. Die Mitgliedstaaten und öffentliche Stellen können im Rahmen ihrer Bemühungen um die leichte Verfügbarkeit von Daten für die Weiterverwendung möglicherweise Nutzen aus einschlägigen Fonds und Programmen der Union ziehen und angemessene finanzielle Unterstützung aus diesen Quellen erhalten, wodurch eine weitreichende Nutzung digitaler Technologien oder der digitale Wandel in öffentlichen Verwaltungen und im öffentlichen Dienst gewährleistet wird.

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Informationen des öffentlichen Sektors stellen eine außergewöhnliche Datenquelle dar, die dazu beitragen kann, den Binnenmarkt zu verbessern und neue Anwendungen für Verbraucher und juristische Personen zu entwickeln. Die intelligente Nutzung von Daten, einschließlich ihrer Verarbeitung durch Anwendungen der künstlichen Intelligenz, kann eine transformative Wirkung auf alle Wirtschaftsbereiche haben.

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Die Richtlinie 2003/98/EG enthält Mindestvorschriften für die Weiterverwendung und die praktischen Mittel zur Erleichterung der Weiterverwendung vorhandener Dokumente, die im Besitz öffentlicher Stellen der Mitgliedstaaten, einschließlich Exekutive, Legislative oder Judikative, sind. Seit der Annahme der ersten Vorschriften über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors hat die Menge der Daten in der Welt, auch die der öffentlichen Daten, exponentiell zugenommen und neue Datentypen werden erstellt und gesammelt. Gleichzeitig findet eine kontinuierliche Weiterentwicklung der zur Analyse, Nutzung und Verarbeitung von Daten eingesetzten Technologien statt, etwa im Zusammenhang mit maschinellem Lernen, künstlicher Intelligenz und dem Internet der Dinge. Diese schnelle technologische Entwicklung ermöglicht die Schaffung neuer Dienste und Anwendungen, die auf dem Verwenden, Aggregieren oder Kombinieren von Daten beruhen. Die ursprünglich im Jahr 2003 erlassenen und im Jahr 2013 geänderten Vorschriften können mit diesen schnellen Veränderungen nicht mehr Schritt halten, sodass die Gefahr besteht, dass die wirtschaftlichen und sozialen Chancen, die sich aus der Weiterverwendung öffentlicher Daten ergeben, ungenutzt bleiben.

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Die Entwicklung hin zu einer datengestützten Gesellschaft, in der Daten aus verschiedenen Bereichen und Tätigkeiten genutzt werden, beeinflusst das Leben aller Bürger der Union, indem ihnen unter anderem neue Möglichkeiten für den Zugang zu und den Erwerb von Kenntnissen erschlossen werden.

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Digitale Inhalte spielen bei dieser Entwicklung eine wichtige Rolle. Im Bereich der Inhaltsproduktion wurden in den letzten Jahren und werden auch weiterhin rasch Arbeitsplätze geschaffen. Die meisten dieser Arbeitsplätze werden von innovativen Start-ups und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) geschaffen.

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Eines der Hauptziele der Errichtung eines Binnenmarkts ist die Schaffung von förderlichen Bedingungen für die Entwicklung von Dienstleistungen und Produkten, unionsweit und in den Mitgliedstaaten. Informationen des öffentlichen Sektors oder Informationen, die bei der Erfüllung eines öffentlichen Auftrags oder der Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem Interesse erhoben, erstellt, reproduziert und verbreitet werden, sind wesentliches Ausgangsmaterial für Produkte und Dienstleistungen mit digitalen Inhalten und werden angesichts der Entwicklung fortschrittlicher digitaler Technologien — wie etwa künstlicher Intelligenz, Distributed-Ledger-Technologien und dem Internet der Dinge — zu einer noch bedeutenderen Inhaltsquelle werden. Dabei ist auch eine breite grenzüberschreitende geografische Flächendeckung von Bedeutung. Es ist davon auszugehen, dass erweiterte Möglichkeiten für die Weiterverwendung derartiger Informationen unter anderem alle Unionsunternehmen, auch Kleinstunternehmen und KMU, sowie die Zivilgesellschaft in die Lage versetzen, ihr Potenzial zu nutzen, und zur wirtschaftlichen Entwicklung, zur Schaffung und zum Schutz hochwertiger Arbeitsplätze — insbesondere zugunsten lokaler Gemeinschaften — und zur Verwirklichung wichtiger gesellschaftlicher Ziele wie der Rechenschaftspflicht und der Transparenz beitragen.

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Die Gestattung der Weiterverwendung von Dokumenten, die sich im Besitz einer öffentlichen Stelle befinden, bewirkt einen zusätzlichen Nutzen zum Vorteil der Weiterverwender, der Endnutzer und der Gesellschaft insgesamt, und in vielen Fällen für die öffentliche Stelle selbst, weil sie so Transparenz und Rechenschaftspflicht fördert und es zu Rückmeldungen von Weiterverwendern und Endnutzern kommt, anhand derer die betreffende öffentliche Stelle die Qualität der gesammelten Informationen sowie die Erfüllung ihres Auftrags verbessern kann.

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Die Bestimmungen und Verfahren der Mitgliedstaaten zur Nutzung von Informationsquellen des öffentlichen Sektors weichen erheblich voneinander ab, was ein Hemmnis für die Nutzung des wirtschaftlichen Potenzials dieser bedeutenden Dokumentenquelle darstellt. Der Umstand, dass Verfahren der öffentlichen Stellen im Bereich der Nutzung von Informationen des öffentlichen Sektors sich weiterhin von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterscheiden sollte berücksichtigt werden. Eine Angleichung der nationalen Bestimmungen und Verfahren für die Weiterverwendung von Dokumenten des öffentlichen Sektors auf einem Mindestniveau sollte daher dort verfolgt werden, wo die Unterschiede zwischen den nationalen Bestimmungen und Verfahren oder ein Mangel an Klarheit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und die einwandfreie Entwicklung der Informationsgesellschaft in der Union behindern.

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Das Konzept „offene Daten“ (Open Data) bezeichnet nach dem allgemeinen Verständnis Daten in einem offenen Format, die von allen zu jedem Zweck frei verwendet, weiterverwendet und weitergegeben werden können. Eine Politik der Förderung offener Daten, die eine breite Verfügbarkeit und Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors zu privaten oder kommerziellen Zwecken mit minimalen oder keinen rechtlichen, technischen oder finanziellen Beschränkungen unterstützt und die die Verbreitung von Informationen nicht nur für Wirtschaftsakteure, sondern vor allem für die Öffentlichkeit fördert, kann eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, soziales Engagement zu fördern, und die Entwicklung neuer Dienstleistungen, die solche Informationen auf neuartige Weise kombinieren und nutzen, anzustoßen und zu fördern. Die Mitgliedstaaten werden daher ermutigt, die Erzeugung von Daten nach dem Grundsatz „konzeptionell und standardmäßig offen“ (open by design and by default) für alle Dokumente, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, zu fördern. Dadurch sollten sie ein kohärentes Maß des Schutzes der im Allgemeininteresse liegenden Ziele, etwa der öffentlichen Sicherheit, gewährleisten, auch in den Fällen, in denen es sich um sensible vertrauliche Informationen über den Schutz kritischer Infrastrukturen handelt. Sie sollten ebenfalls gewährleisten, dass der Schutz personenbezogener Daten sichergestellt ist, auch in den Fällen, in denen die Informationen in einem einzelnen Datensatz zwar nicht die Gefahr einer Identifizierung oder des Herausgreifens einer natürlichen Person bergen, aber in Kombination mit anderen verfügbaren Informationen eine derartige Gefahr hervorrufen könnten.

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Darüber hinaus könnten nationale Gesetzgebungsmaßnahmen, die angesichts der technologischen Herausforderungen bereits von einigen Mitgliedstaaten eingeleitet wurden, ohne ein Mindestmaß an Harmonisierung auf Unionsebene zu noch erheblicheren Abweichungen führen. Die Auswirkungen dieser Abweichungen und Unsicherheiten der Gesetzgebung werden mit der Weiterentwicklung der Informationsgesellschaft, die bereits zu einer wesentlich stärkeren grenzüberschreitenden Informationsnutzung geführt hat, wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen.

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Die Mitgliedstaaten haben ihre Weiterverwendungspolitik im Rahmen der Richtlinie 2003/98/EG formuliert, und einige von ihnen haben ehrgeizige Konzepte für den Umgang mit offenen Daten beschlossen, um die Weiterverwendung von zugänglichen öffentlichen Daten für die Bürger und juristische Personen über das in der Richtlinie 2003/98/EG festgelegte Mindestmaß hinaus zu vereinfachen. Es besteht die Gefahr, dass voneinander abweichende Vorschriften zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten als Hemmnis auf das grenzübergreifende Angebot von Produkten und Dienstleistungen wirken und verhindern, dass vergleichbare öffentliche Datensätze in auf ihnen aufbauenden Unionsweiten Anwendungen weiterverwendet werden können. Daher ist ein Mindestmaß an Harmonisierung erforderlich, um festzustellen, welche öffentlichen Daten in Übereinstimmung mit den und unbeschadet der einschlägigen Zugangsregelungen — sowohl allgemeiner als auch sektoraler Art, wie zum Beispiel die Regelungen nach der Richtlinie 2003/4/EG — im Informationsbinnenmarkt zur Weiterverwendung zur Verfügung stehen. Die Bestimmungen des Unionsrechts und des nationalen Rechts, die, insbesondere im sektoralen Recht, über diese Mindestanforderungen hinausgehen, sollten weiterhin gelten. Zu den Bestimmungen, die über das von dieser Richtlinie vorgesehene Mindestmaß an Harmonisierung hinausgehen, gehören niedrigere Schwellenwerte für zulässige Weiterverwendungsgebühren als die in dieser Richtlinie festgelegten Schwellenwerte oder weniger strenge Lizenzierungsbedingungen als in dieser Richtlinie vorgesehen. Insbesondere lässt diese Richtlinie Bestimmungen unberührt, die über das von ihr vorgesehene Mindestmaß an Harmonisierung, wie es in den im Rahmen der Richtlinie 2010/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (9) angenommenen delegierten Verordnungen der Kommission festgelegt ist, hinausgehen.

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Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten ermutigt, über die Mindestanforderungen dieser Richtlinie hinauszugehen, indem sie die darin enthaltenen Anforderungen auf im Besitz öffentlicher Unternehmen befindliche Dokumente anwenden, die sich auf Tätigkeiten beziehen, die nach Artikel 34 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (10) dem unmittelbaren Wettbewerb ausgesetzt sind. Die Mitgliedstaaten können auch beschließen, die Anforderungen dieser Richtlinie auf private Unternehmen anzuwenden, insbesondere auf solche, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erbringen.

(20)

Um zu gewährleisten, dass die Bedingungen für die Weiterverwendung von Dokumenten des öffentlichen Sektors gerecht, angemessen und nichtdiskriminierend sind, ist ein allgemeiner Rahmen erforderlich. Öffentliche Stellen erheben, erstellen, reproduzieren und verbreiten Dokumente zur Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags. Öffentliche Unternehmen erheben, erstellen, reproduzieren und verbreiten Dokumente zur Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Die Nutzung dieser Dokumente aus anderen Gründen stellt eine Weiterverwendung dar. Die Mitgliedstaaten können mit ihren Maßnahmen über die in dieser Richtlinie festgelegten Mindeststandards hinausgehen und eine umfassendere Weiterverwendung gestatten. Bei der Umsetzung dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten andere Begriffe als „Dokument“ verwenden, soweit der von der vorliegenden Richtlinie festgelegte Anwendungsbereich der Definition „Dokument“ dadurch vollständig abgedeckt bleibt.

(21)

Diese Richtlinie sollte für Dokumente gelten, deren Bereitstellung unter den gesetzlich oder durch andere verbindliche Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten festgelegten öffentlichen Auftrag der betreffenden öffentlichen Stellen fällt. Bestehen keine entsprechenden Vorschriften, sollte der öffentliche Auftrag im Einklang mit der allgemeinen Verwaltungspraxis der Mitgliedstaaten unter der Voraussetzung festgelegt werden, dass der Umfang des öffentlichen Auftrags transparent ist und einer Überprüfung unterliegt. Der öffentliche Auftrag könnte allgemein oder für einzelne öffentliche Stellen fallbezogen festgelegt werden.

(22)

Diese Richtlinie sollte für Dokumente gelten, die für die Weiterverwendung zugänglich gemacht werden, wenn öffentliche Stellen Lizenzen für Informationen vergeben oder Informationen verkaufen, verbreiten, austauschen oder zur Verfügung zu stellen. Damit es nicht zu Quersubventionen kommt, sollte die Weiterverwendung auch die spätere Verwendung von Dokumenten innerhalb derselben Organisation für Tätigkeiten, die nicht unter ihren öffentlichen Auftrag fallen, umfassen. Zu den Tätigkeiten, die nicht unter den öffentlichen Auftrag fallen, gehört in der Regel die Bereitstellung von Dokumenten, die ausschließlich zu kommerziellen Zwecken und im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern gegen Gebühr erstellt werden.

(23)

Die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben von Behörden und anderen öffentlichen Stellen wird durch diese Richtlinie nicht eingeschränkt oder beeinträchtigt. Durch diese Richtlinie werden die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, alle vorhandenen Dokumente weiterverwendbar zu machen, es sei denn, der Zugang ist im Rahmen der nationalen Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten eingeschränkt oder ausgeschlossen oder unterliegt den anderen in dieser Richtlinie niedergelegten Ausnahmen. Diese Richtlinie stützt sich auf die geltenden Zugangsregelungen der Mitgliedstaaten und berührt nicht die nationalen Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten. Sie gilt nicht in den Fällen, in denen Bürger oder juristische Personen die Dokumente nach der einschlägigen Zugangsregelung nur erhalten können, wenn sie ein besonderes Interesse nachweisen können. Auf Unionsebene wird in Artikel 41, mit dem Recht auf eine gute Verwaltung, und in Artikel 42, mit dem Recht auf Zugang zu Dokumenten, der Charta das Recht der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger und jeder natürlichen oder juristischen Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat auf Zugang zu den Dokumenten im Besitz des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission anerkannt. Öffentliche Stellen sollten ermutigt werden, alle ihre Dokumente zur Weiterverwendung bereitzustellen. Öffentliche Stellen sollten eine Weiterverwendung von Dokumenten einschließlich amtlicher Rechtsetzungs- und Verwaltungstexte in den Fällen fördern und unterstützen, in denen sie berechtigt sind, die Weiterverwendung zu genehmigen.

(24)

Die Mitgliedstaaten betrauen häufig Einrichtungen außerhalb des öffentlichen Sektors mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und üben ein hohes Maß an Kontrolle über diese Einrichtungen aus. Gleichzeitig gilt die Richtlinie 2003/98/EG ausschließlich für Dokumente, die sich im Besitz öffentlicher Stellen befinden; öffentliche Unternehmen hingegen sind von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen. Dies führt dazu, dass Dokumente, die im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in einer Reihe von Bereichen, insbesondere im Bereich der Versorgungsunternehmen, erstellt werden, nur in unzureichendem Maße für die Weiterverwendung zur Verfügung stehen. Ferner schränkt dies das Potenzial für die Schaffung grenzüberschreitender Dienste auf der Grundlage von Dokumenten im Besitz öffentlicher Unternehmen ein, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erbringen.

(25)

Die Richtlinie 2003/98/EG sollte daher geändert werden, damit sie auf die Weiterverwendung von vorhandenen Dokumenten angewendet werden kann, die im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse von öffentlichen Unternehmen erstellt werden, die eine der in den Artikeln 8 bis 14 der Richtlinie 2014/25/EU genannten Tätigkeiten ausüben, sowie von öffentlichen Unternehmen, die als Betreiber eines öffentlichen Dienstes gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates (11) gelten, von öffentlichen Unternehmen, die als Luftfahrtunternehmen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gemäß Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (12) erfüllen, und von öffentlichen Unternehmen, die als Gemeinschaftsreeder Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes gemäß Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates (13) erfüllen.

(26)

Diese Richtlinie enthält keine allgemeine Verpflichtung zur Gestattung der Weiterverwendung von Dokumenten, die von öffentlichen Unternehmen erstellt werden. Die Entscheidung, ob eine Weiterverwendung genehmigt wird, sollte Sache des betreffenden öffentlichen Unternehmens sein, sofern eine solche Verpflichtung nicht anderweitig gemäß der vorliegenden Richtlinie, dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht besteht. Erst nachdem das öffentliche Unternehmen ein Dokument zur Weiterverwendung bereitgestellt hat, sollte es die einschlägigen Verpflichtungen gemäß den Kapiteln III und IV dieser Richtlinie erfüllen, insbesondere in Bezug auf Formate, Gebühren und Entgelte, Transparenz, Lizenzen, die Nichtdiskriminierung und das Verbot von Ausschließlichkeitsvereinbarungen. Andererseits sollten öffentliche Unternehmen nicht verpflichtet sein, die Anforderungen des Kapitels II — darunter die Vorschriften für die Bearbeitung von Anträgen — zu erfüllen. Bei der Genehmigung einer Weiterverwendung von Dokumenten sollte insbesondere auf sensible vertrauliche Informationen über den Schutz kritischer Infrastrukturen im Sinne der Richtlinie 2008/114/EG des Rates (14) und wesentlicher Dienste im Sinne der Richtlinie (EU) 2016/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates (15) geachtet werden.

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Der Umfang der in der Forschung erzeugten Daten nimmt exponentiell zu und es besteht Potential für die Weiterverwendung von Daten über wissenschaftliche Kreise hinaus. Um in der Lage zu sein, die gesellschaftlichen Herausforderungen effizient und ganzheitlich anzugehen, ist es wesentlich und dringend erforderlich, Daten aus verschiedenen Quellen über Sektoren und Disziplinen hinweg zugänglich machen, zusammenführen und weiterverwenden zu können. Zu den Forschungsdaten gehören Statistiken, Versuchsergebnisse, Messungen, Beobachtungen aus der Feldarbeit, Umfrageergebnisse, Befragungsaufzeichnungen und Bilder. Auch Metadaten, Spezifikationen und andere digitale Objekte sind Teil davon. Forschungsdaten unterscheiden sich von wissenschaftlichen Artikeln, in denen die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung vorgestellt und kommentiert werden. Seit vielen Jahren sind die offene Verfügbarkeit und Weiterverwendbarkeit wissenschaftlicher Forschungsdaten, die aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden, Gegenstand besonderer politischer Initiativen. „Offener Zugang“ ist als die Praxis zu verstehen, Forschungsergebnisse dem Endnutzer kostenlos und ohne Beschränkung der Verwendung und Weiterverwendung, abgesehen von der Möglichkeit, die Nennung des Urhebers zu verlangen, online verfügbar zu machen. Die Politik des offenen Zugangs zielt insbesondere darauf ab, Forschern und der breiten Öffentlichkeit möglichst früh im Verbreitungsprozess Zugang zu Forschungsdaten zu geben und ihre Nutzung und Weiterverwendung zu erleichtern. Ein offener Zugang trägt dazu bei, die Qualität zu verbessern, die Notwendigkeit unnötiger Doppelarbeit in der Forschung zu verringern, den wissenschaftlichen Fortschritt zu beschleunigen und den wissenschaftlichen Betrug zu bekämpfen; außerdem kann er Wirtschaftswachstum und Innovation insgesamt fördern. Neben dem freien Zugang werden anerkennenswerte Bemühungen unternommen, um sicherzustellen, dass die Planung des Datenmanagements gängige wissenschaftliche Praxis wird, und um die Verbreitung von auffindbaren, zugänglichen, interoperablen und weiterverwendbaren (im Folgenden „FAIR-Grundsatz“) Forschungsdaten zu unterstützen.

(28)

Aus den oben dargelegten Gründen ist es angezeigt, den Mitgliedstaaten die Verpflichtung aufzuerlegen, Strategien für den offenen Zugang in Bezug auf öffentlich finanzierte Forschungsdaten aufzustellen und dafür zu sorgen, dass diese Strategien von allen Forschungseinrichtungen und Forschungsförderungseinrichtungen umgesetzt werden. Forschungseinrichtungen und Forschungsförderungseinrichtungen könnten auch als öffentliche Stellen oder öffentliche Unternehmen eingerichtet sein. Die vorliegende Richtlinie gilt für solche Hybridorganisationen nur in ihrer Funktion als Forschungseinrichtungen und bezüglich ihrer Forschungsdaten. Die Politik des offenen Zugangs lässt in der Regel Ausnahmen von der öffentlichen Bereitstellung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse zu. Die Empfehlung der Kommission vom 25. April 2018 über den Zugang zu wissenschaftlichen Informationen und deren Bewahrung geht unter anderem auf die einschlägigen Aspekte der Politik des offenen Zugangs ein. Darüber hinaus sollten die Bedingungen, unter denen bestimmte Forschungsdaten weiterverwendet werden können, verbessert werden. Aus diesem Grund sollten bestimmte Verpflichtungen nach dieser Richtlinie auf Forschungsdaten ausgeweitet werden, die aus mit öffentlichen Mitteln finanzierten oder von öffentlichen und privaten Einrichtungen kofinanzierten wissenschaftlichen Forschungstätigkeiten stammen. Gemäß der nationalen Politik des offenen Zugangs (open access) sollten öffentlich finanzierte Forschungsdaten standardmäßig öffentlich gemacht werden. In diesem Zusammenhang sollten jedoch Bedenken in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten, die Geheimhaltung, die nationale Sicherheit, berechtigte Geschäftsinteressen, wie etwa Geschäftsgeheimnisse, und Rechte Dritter an geistigem Eigentum gemäß dem Grundsatz „so offen wie möglich, so geschlossen wie nötig“ (as open as possible, as closed as necessary) gebührend berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollte diese Richtlinie nicht für Forschungsdaten gelten, zu denen aufgrund der nationalen Sicherheit, Verteidigung oder öffentlichen Sicherheit der Zugang ausgeschlossen ist. Um Verwaltungsaufwand zu vermeiden, sollten Verpflichtungen, die sich aus der vorliegenden Richtlinie ergeben, nur für solche Forschungsdaten gelten, die von Forschern, Forschungseinrichtungen oder Forschungsförderungseinrichtungen bereits über ein institutionelles oder thematisches Archiv öffentlich zugänglich gemacht wurden, und diese Verpflichtungen sollten keine zusätzlichen Kosten für den Abruf der Datensätze verursachen oder eine zusätzliche Pflege der Daten erforderlich machen. Die Mitgliedstaaten können den Anwendungsbereich der vorliegenden Richtlinie auch auf Forschungsdaten ausweiten, die durch andere Dateninfrastrukturen als durch Archive — durch frei zugängliche Veröffentlichungen, als angehängte Datei an einen Artikel, an ein Data Paper oder an ein Paper in einem Datenjournal — öffentlich verfügbar gemacht wurden. Andere Arten von Dokumenten als Forschungsdaten sollten weiterhin vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen werden.

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Die Begriffsbestimmung „öffentliche Stelle“ gründet auf Begriffsbestimmung in Artikel 2 Absatz 1 Nummer 1 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (16). Die Begriffsbestimmung „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ aus jener Richtlinie und Begriffsbestimmung „öffentliches Unternehmen“ aus der Richtlinie 2014/25/EU sollten für die vorliegende Richtlinie gelten.

(30)

Diese Richtlinie gibt eine Definition des Begriffs „Dokument“ vor, und diese Begriffsbestimmung sollte alle Teile eines Dokuments umfassen. Der Begriff „Dokument“ sollte jede Darstellung von Handlungen, Tatsachen oder Informationen sowie jede Zusammenstellung solcher Handlungen, Tatsachen oder Informationen unabhängig von der Form des Datenträgers (auf Papier oder in elektronischer Form, Ton-, Bild- oder audiovisuelles Material) umfassen. Der Begriff „Dokument“ erstreckte sich nicht auf Computerprogramme. Die Mitgliedstaaten können den Anwendungsbereich dieser Richtlinie auf Computerprogramme ausweiten.

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Öffentliche Stellen machen ihre Dokumente zunehmend aktiv für eine Weiterverwendung zugänglich, indem sie dafür sorgen, dass Dokumente und damit zusammenhängende Metadaten in einem offenen Format, die maschinenlesbar sind und Interoperabilität, Weiterverwendung und Zugänglichkeit sicherstellen, online auffindbar und tatsächlich verfügbar sind. Dokumente sollten auch auf Antrag eines Weiterverwenders zur Weiterverwendung zugänglich gemacht werden. In diesen Fällen sollte die Frist für die Beantwortung von Anträgen auf Weiterverwendung angemessen sein und der Frist für die Beantwortung von Anträgen auf Zugang zu den Dokumenten nach den einschlägigen Zugangsregelungen entsprechen. Öffentliche Unternehmen, Bildungseinrichtungen, Forschungseinrichtungen und Forschungsförderungseinrichtungen sollten von dieser Anforderung jedoch ausgenommen werden. Angemessene Fristen in der gesamten Union werden die Erstellung neuer Informationsprodukte und -dienste unionsweit fördern. Dies ist besonders wichtig bei dynamischen Daten (einschließlich Umweltdaten, Verkehrsdaten, Satellitendaten, meteorologische Daten und von Sensoren generierte Daten), deren wirtschaftlicher Wert von ihrer sofortigen Verfügbarkeit und von regelmäßigen Aktualisierungen abhängt. Dynamische Daten sollten daher unmittelbar nach der Erhebung oder, im Falle einer manuellen Aktualisierung, unmittelbar nach der Änderung des Datensatzes über eine Anwendungsprogrammierschnittstelle (im Folgenden „API“) zur Verfügung gestellt werden, um die Entwicklung von Internet-, Mobil- und Cloud-Anwendungen auf der Grundlage solcher Daten zu erleichtern. Ist dies aufgrund technischer oder finanzieller Beschränkungen nicht möglich, so sollten die öffentlichen Stellen die Dokumente innerhalb eines Zeitraums zur Verfügung stellen, der es ermöglicht, ihr volles wirtschaftliches Potenzial zu nutzen. Es sollten spezifische Maßnahmen ergriffen werden, um technische und finanzielle Beschränkungen aufzuheben. Sollte eine Lizenz verwendet werden, so kann die rechtzeitige Verfügbarkeit von Dokumenten Teil der Lizenzbedingungen sein. Wenn angesichts berechtigter Gründe des öffentlichen Interesses, insbesondere der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit, eine Datenverifizierung unerlässlich ist, sollten dynamische Daten unmittelbar nach einer Verifizierung verfügbar gemacht werden. Solch eine unerlässliche Verifizierung sollte sich nicht auf die Häufigkeit der Aktualisierungen auswirken.

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Um Zugang zu den durch diese Richtlinie für eine Weiterverwendung eröffneten Daten zu erhalten, wäre es sinnvoll, den Zugang zu dynamischen Daten mittels gut konzipierter APIs sicherzustellen. Eine API ist ein Bestand an Funktionen, Verfahren, Definitionen und Protokollen für die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation und den lückenlosen Datenaustausch. APIs sollten durch eine klare technische Dokumentation gestützt werden, die vollständig und online verfügbar ist. Nach Möglichkeit sollten offene APIs genutzt werden. Es sollten in der Union oder international anerkannte Standardprotokolle zur Anwendung kommen, und gegebenenfalls sollten internationale Standards für Datensätze verwendet werden. APIs können unterschiedlich komplex sein; es kann sich um einen einfachen Link zu einer Datenbank, von der bestimmte Datensätze abgerufen werden, eine Web-Schnittstelle oder komplexere Strukturen handeln. Die Weiterverwendung und der Austausch von Daten durch eine angemessene Verwendung von APIs sind von allgemeinem Wert, da dadurch Entwickler und Start-ups bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen und Produkte unterstützt werden. Außerdem handelt es sich um einen wesentlichen Faktor für die Schaffung wertvoller Ökosysteme rund um Datenbestände, die häufig ungenutzt bleiben. Die Einrichtung und Verwendung der API muss sich auf mehrere Grundsätze stützen, darunter Verfügbarkeit, Stabilität, Pflege über den gesamten Lebenszyklus, einheitliche Verwendung und Einhaltung von Normen, Benutzerfreundlichkeit und Sicherheit. Dynamische, d. h. häufig — oftmals in Echtzeit — aktualisierte Daten sollten von öffentlichen Stellen und öffentlichen Unternehmen unmittelbar nach der Erfassung mithilfe geeigneter APIs und gegebenenfalls — außer in Fällen, in denen dies einen unverhältnismäßig hohen Aufwand bedeuten würde — als Massen-Download für die Weiterverwendung zugänglich gemacht werden. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Aufwands sollten die Größe und das Betriebsbudget der betreffenden öffentlichen Stelle oder des öffentlichen Unternehmens berücksichtigt werden.

(33)

Die Möglichkeiten für eine Weiterverwendung können verbessert werden, indem die Notwendigkeit, Papierdokumente zu digitalisieren oder digitale Dateien zu bearbeiten, damit sie untereinander kompatibel sind, verringert wird. Daher sollten öffentliche Stellen Dokumente in allen vorhandenen Formaten oder Sprachen — soweit möglich und sinnvoll — in elektronischer Form zur Verfügung stellen. Öffentliche Stellen sollten Anträge auf Bereitstellung von Auszügen aus vorhandenen Dokumenten positiv beurteilen, wenn einem solchen Antrag bereits durch eine einfache Handhabung entsprochen werden kann. Öffentliche Stellen sollten jedoch nicht verpflichtet sein, einen Auszug aus einem Dokument zur Verfügung zu stellen oder das Format der angeforderten Informationen zu ändern, wenn dies mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden ist. Um die Weiterverwendung zu erleichtern, sollten die öffentlichen Stellen ihre eigenen Dokumente in einem Format zur Verfügung stellen, das — soweit möglich und sinnvoll — nicht von der Verwendung einer bestimmten Software abhängig ist. Soweit es möglich und sinnvoll ist, sollten die öffentlichen Stellen die Möglichkeiten der Weiterverwendung von Dokumenten durch und für Menschen mit Behinderungen berücksichtigen, indem sie gemäß den Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates (17) die Informationen in einem barrierefrei zugänglichen Format bereitstellen.

(34)

Zur Erleichterung der Weiterverwendung sollten öffentliche Stellen, soweit möglich und sinnvoll, die Dokumente — einschließlich solcher, die auf Websites veröffentlicht werden — in einem offenen, maschinenlesbaren Format und zusammen mit den zugehörigen Metadaten in höchstmöglicher Präzision und Granularität in einem Format zugänglich machen, das die Interoperabilität garantiert, indem sie die Dokumente beispielsweise in einer Weise verarbeiten, die den Grundsätzen für Kompatibilitäts- und Verwendbarkeitsanforderungen an Geodaten gemäß der Richtlinie 2007/2/EG entspricht.

(35)

Ein Dokument sollte als maschinenlesbar gelten, wenn es in einem Dateiformat vorliegt, das so strukturiert ist, dass Softwareanwendungen die konkreten Daten einfach identifizieren, erkennen und extrahieren können. Daten in Dateien, die in maschinenlesbarem Format strukturiert sind, sollten als maschinenlesbare Daten gelten. Ein maschinenlesbares Format kann offen oder proprietär sein. Es kann einem formellen Standard entsprechen oder nicht. Dokumente, die in einem Dateiformat kodiert sind, das eine automatische Verarbeitung einschränkt, weil die Daten nicht oder nicht ohne Weiteres aus ihnen extrahiert werden können, sollten nicht als maschinenlesbar gelten. Die Mitgliedstaaten sollten die Anwendung in der Union oder international anerkannter offener, maschinenlesbarer Formate — wo dies möglich und angemessen ist — fördern. Bei der Entwicklung technischer Lösungen für die Weiterverwendung von Dokumenten sollte gegebenenfalls der europäische Interoperabilitätsrahmen berücksichtigt werden.

(36)

Gebühren und Entgelte für die Weiterverwendung von Dokumenten stellen eine bedeutende Markteintrittsschranke für Start-ups und KMU dar. Daher sollten Dokumente für die Weiterverwendung kostenfrei zugänglich gemacht werden; sollten Gebühren oder Entgelte erforderlich sein, so sollten sie grundsätzlich auf die Grenzkosten beschränkt sein. Wenn öffentliche Stellen freiwillig oder aufgrund einer entsprechenden Anforderung gemäß nationalem Recht eine besonders ausführliche Suche nach angeforderten Informationen oder äußerst kostenaufwendige Änderungen am Format der angeforderten Informationen vornehmen, können die Grenzkosten die Kosten im Zusammenhang mit solchen Tätigkeiten decken. Dabei sollte in Ausnahmefällen insbesondere die Notwendigkeit berücksichtigt werden, den normalen Betrieb öffentlicher Stellen, die Einnahmen erzielen müssen, um einen wesentlichen Teil ihrer Kosten bei der Wahrnehmung ihres öffentlichen Auftrags zu decken, nicht zu behindern. Dies gilt auch, wenn eine öffentliche Stelle Daten als offene Daten öffentlich verfügbar gemacht hat, aber dazu verpflichtet ist, Einnahmen zu erzielen, um einen wesentlichen Teil der Kosten bei der Wahrnehmung ihres sonstigen öffentlichen Auftrags zu decken. Ferner sollte die Rolle öffentlicher Unternehmen in einem wettbewerbsbestimmten wirtschaftlichen Umfeld anerkannt werden. In solchen Fällen sollte es öffentlichen Stellen und öffentlichen Unternehmen daher erlaubt sein, Gebühren oder Entgelte zu erheben, die über den Grenzkosten liegen. Diese Gebühren oder Entgelte sollten nach objektiven, transparenten und überprüfbaren Kriterien festgelegt werden, und die Gesamteinnahmen aus der Bereitstellung von Dokumenten und der Gestattung ihrer Weiterverwendung sollten die Kosten ihrer Erfassung und Erstellung, — einschließlich des Erwerbs von Dritten —, ihrer Reproduktion, Pflege, Speicherung und Verbreitung zuzüglich einer angemessenen Gewinnspanne nicht übersteigen. Gegebenenfalls sollte es auch möglich sein, die Kosten der Anonymisierung personenbezogener Daten und die Kosten von Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit von Daten geltend zu machen. Die Mitgliedstaaten können öffentliche Stellen und öffentliche Unternehmen zur Offenlegung dieser Kosten verpflichten. Die Anforderung, Einnahmen zu erzielen, um einen wesentlichen Teil der Kosten der öffentlichen Stellen bei der Wahrnehmung ihres öffentlichen Auftrags oder der Kosten im Zusammenhang mit dem Umfang der öffentlichen Unternehmen übertragenen nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu decken, setzt keine gesetzliche Grundlage voraus und kann sich beispielsweise aus der Verwaltungspraxis in den Mitgliedstaaten ergeben. Eine solche Anforderung sollte von den Mitgliedstaaten regelmäßig überprüft werden.

(37)

Die Gewinnspanne kann als Prozentsatz verstanden werden, der — zusätzlich zu den Grenzkosten — die Deckung der Kapitalkosten und die Einbeziehung einer realen Rendite ermöglicht. Da die Kapitalkosten eng an die Zinssätze der Kreditinstitute gekoppelt sind, die wiederum von den Festzinssätzen der Europäischen Zentralbank (EZB) für Hauptrefinanzierungsgeschäfte abhängen, sollte die angemessene Gewinnspanne nicht mehr als 5 % über dem von der EZB festgesetzten Zinssatz liegen.

(38)

Bibliotheken (einschließlich Hochschulbibliotheken), Museen und Archiven sollte es möglich sein, Gebühren zu erheben, die über den Grenzkosten liegen, damit ihr normaler Betrieb nicht behindert wird. Bei diesen öffentlichen Stellen sollten die Gesamteinnahmen aus der Bereitstellung von Dokumenten und der Gestattung ihrer Weiterverwendung für den entsprechenden Abrechnungszeitraum die Kosten ihrer Erfassung, Erstellung, Reproduktion, Verbreitung, Bewahrung und der Rechteklärung zuzüglich einer angemessenen Gewinnspanne nicht übersteigen. Gegebenenfalls sollten auch die Kosten der Anonymisierung personenbezogener Daten oder von Geschäftsgeheimnissen geltend gemacht werden können. In Bezug auf Bibliotheken (einschließlich Hochschulbibliotheken), Museen und Archive und angesichts ihrer Besonderheiten könnten die Entgelte, die im Privatsektor für die Weiterverwendung identischer oder ähnlicher Dokumente erhoben werden, bei der Ermittlung der angemessenen Gewinnspanne berücksichtigt werden.

(39)

Die in dieser Richtlinie festgelegten Obergrenzen für Gebühren und Entgelte sollten nicht das Recht der Mitgliedstaaten berühren, niedrigere oder gar keine Gebühren oder Entgelte zu erheben.

(40)

Die Mitgliedstaaten sollten die Kriterien für die Erhebung von Gebühren oder Entgelten festlegen, die über den Grenzkosten liegen. Sie sollten beispielsweise solche Kriterien in nationalen Vorschriften niederlegen oder die geeignete Stelle oder die geeigneten Stellen benennen können, die für die Festlegung der Kriterien zuständig ist oder sind, wobei dies nicht die öffentliche Stelle selbst sein darf. Die Ausgestaltung dieser Stelle bzw. dieser Stellen sollte mit den Verfassungs- und Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten im Einklang stehen. Es könnte sich hierbei um eine bereits bestehende Stelle handeln, die mit Haushaltsbefugnissen ausgestattet ist und unter politischer Verantwortung steht.

(41)

Die Gewährleistung der Klarheit und öffentlichen Verfügbarkeit der Bedingungen für die Weiterverwendung von Dokumenten des öffentlichen Sektors ist eine Voraussetzung für die Entwicklung eines unionsweiten Informationsmarktes. Deshalb sollten alle geltenden Bedingungen für die Weiterverwendung von Dokumenten allen potenziellen Weiterverwendern erläutert werden. Die Mitgliedstaaten sollten zur Unterstützung und Erleichterung der Anträge auf Weiterverwendung die Anlage von gegebenenfalls online zugänglichen Verzeichnissen der verfügbaren Dokumente fördern. Antragsteller, die die Weiterverwendung von Dokumenten beantragt haben, die sich im Besitz von anderen Einrichtungen als öffentlichen Unternehmen, Bildungseinrichtungen, Forschungseinrichtungen und Forschungsförderungseinrichtungen befinden, sollten über die verfügbaren Rechtsbehelfe hinsichtlich der sie betreffenden Entscheidungen oder Verfahren unterrichtet werden. Dies wird insbesondere für Start-ups und KMU wichtig sein, die möglicherweise mit dem Umgang mit öffentlichen Stellen anderer Mitgliedstaaten und den entsprechenden Rechtsbehelfen nicht vertraut sind.

(42)

Zu den Rechtsbehelfen sollte die Möglichkeit der Überprüfung durch eine unabhängige Überprüfungsinstanz gehören. Diese Instanz könnte eine bereits bestehende nationale Behörde sein, wie zum Beispiel die nationale Wettbewerbsbehörde, die gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 eingerichtete Aufsichtsbehörde, die für den Zugang zu Dokumenten zuständige nationale Behörde oder ein nationales Gericht. Die Arbeitsweise dieser Stelle sollte mit den Verfassungs- und Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten im Einklang stehen. Die Anrufung dieser Stelle sollte nicht den anderen Rechtsbehelfen vorgreifen, die den Antragstellern, die die Weiterverwendung von Dokumenten beantragt haben, zur Verfügung stehen. Sie sollte jedoch von dem Mechanismus der Mitgliedstaaten zur Festlegung der Kriterien für die Erhebung von Gebühren oder Entgelten, die über die Grenzkosten hinausgehen, getrennt sein. Die Rechtsbehelfe sollten die Möglichkeit der Überprüfung abschlägiger Entscheidungen umfassen, jedoch auch von Entscheidungen, in deren Rahmen die Weiterverwendung zwar erlaubt wird, die die Antragsteller jedoch aus anderen Gründen beeinträchtigen könnten, und zwar insbesondere durch die geltende Gebührenordnung. Dieses Überprüfungsverfahren sollte im Einklang mit den Anforderungen eines sich rasch verändernden Marktes zügig vonstattengehen.

(43)

Die Offenlegung aller allgemein verfügbaren Dokumente, die sich im Besitz des öffentlichen Sektors befinden — die nicht nur die Politik, sondern auch die Justiz und die Verwaltung betreffen — ist ein grundlegendes Mittel zur Erweiterung des Rechts auf Wissen, das wiederum ein Grundpfeiler der Demokratie ist. Diese Zielvorgabe gilt für Institutionen auf allen Ebenen, das heißt auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene.

(44)

Die Weiterverwendung von Dokumenten sollte keinen Bedingungen unterliegen. In einigen Fällen, in denen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel vorliegt, kann jedoch eine Lizenz erteilt werden, in der die Bedingungen für die Weiterverwendung durch den Lizenznehmer, wie die Haftung, der Schutz personenbezogener Daten, die ordnungsgemäße Verwendung der Dokumente, die Garantie der unveränderten Wiedergabe und der Quellennachweis, festgelegt sind. Falls öffentliche Stellen Lizenzen für die Weiterverwendung von Dokumenten vergeben, sollten die Lizenzbedingungen objektiv, verhältnismäßig und nichtdiskriminierend sein. In dieser Hinsicht können auch Standardlizenzen, die online zur Verfügung stehen, eine wichtige Rolle spielen. Die Mitgliedstaaten sollten deshalb für die Verfügbarkeit von Standardlizenzen sorgen. Lizenzen für die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors sollten jedenfalls die Weiterverwendung so wenig wie möglich beschränken, beispielsweise nur im Hinblick auf die Angabe der Quelle. Offene Lizenzen in Form von standardisierten öffentlichen Lizenzen, die online erteilt werden und es ermöglichen, dass jede Person Daten und Inhalte zu jedem Zweck frei abrufen, verwenden, verändern und weitergeben kann, und die auf offenen Datenformaten beruhen, sollten in diesem Zusammenhang ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Deshalb sollten die Mitgliedstaaten die Verwendung offener Lizenzen fördern, die letztlich überall in der Union zur gängigen Praxis werden sollten. Wenn eine öffentliche Stelle oder ein öffentliches Unternehmen Dokumente ohne weitere Bedingungen oder Einschränkungen zur Weiterverwendung zur Verfügung stellt, kann dieser öffentlichen Stelle oder diesem öffentlichen Unternehmen gestattet werden, jedwede Haftung in Bezug auf die für die Weiterverwendung verfügbar gemachten Dokumente auszuschließen; Haftungsvorschriften nach Unionsrecht oder nationalem Recht bleiben hiervon unberührt.

(45)

Entscheidet sich die zuständige Behörde, bestimmte Dokumente nicht mehr für die Weiterverwendung zur Verfügung zu stellen oder diese Dokumente nicht mehr zu aktualisieren, so sollte sie diese Entscheidung so bald wie möglich, möglichst auf elektronischem Weg, bekannt geben.

(46)

Die Bedingungen für die Weiterverwendung sollten für vergleichbare Kategorien der Weiterverwendung nichtdiskriminierend sein. In dieser Hinsicht sollte das Diskriminierungsverbot z. B. nicht verhindern, dass öffentliche Stellen in Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags Informationen kostenfrei austauschen, während Dritte für die Weiterverwendung derselben Dokumente Gebühren oder Entgelte entrichten müssen. Ebenso wenig sollte es verhindern, dass für die kommerzielle und die nichtkommerzielle Weiterverwendung unterschiedliche Gebühren oder Entgelte festgelegt werden.

(47)

Die Mitgliedstaaten sollten insbesondere sicherstellen, dass die Weiterverwendung von Dokumenten öffentlicher Unternehmen nicht zu Marktverzerrungen führt und den fairen Wettbewerb nicht beeinträchtigt.

(48)

Bei der Aufstellung der Grundsätze für die Weiterverwendung von Dokumenten sollten öffentliche Stellen die Wettbewerbsvorschriften der Union und die nationalen einhalten und Ausschließlichkeitsvereinbarungen zwischen ihnen und privaten Partnern nach Möglichkeit vermeiden. Für die Bereitstellung eines Dienstes von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse kann jedoch in manchen Fällen ein ausschließliches Recht auf Weiterverwendung spezifischer Dokumente des öffentlichen Sektors erforderlich sein. Dies kann der Fall sein, wenn kein kommerzieller Verleger die Informationen ohne ein solches ausschließliches Recht veröffentlichen würde. In diesem Zusammenhang ist es angemessen, öffentliche Dienstleistungsaufträge, die gemäß Artikel 11 vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24/EU ausgenommen sind, und Innovationspartnerschaften gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2014/24/EU zu berücksichtigen.

(49)

Es gibt zahlreiche Kooperationsvereinbarungen zwischen Bibliotheken (einschließlich Hochschulbibliotheken), Museen, Archiven und privaten Partnern zur Digitalisierung von Kulturbeständen, bei denen öffentliche Stellen privaten Partnern ausschließliche Rechte gewähren. Die Praxis hat gezeigt, dass mit diesen öffentlich-privaten Partnerschaften eine sinnvolle Nutzung von Kulturbeständen erleichtert und gleichzeitig die Erschließung des kulturellen Erbes für die Öffentlichkeit beschleunigt werden kann. Daher ist es angezeigt, den derzeit in Bezug auf die Digitalisierung von Kulturbeständen bestehenden Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten durch besondere Vorschriften für Vereinbarungen über die Digitalisierung dieser Bestände Rechnung zu tragen. Betrifft ein ausschließliches Recht die Digitalisierung von Kulturbeständen, so kann eine bestimmte Schutzdauer erforderlich sein, damit der private Partner die Möglichkeit hat, seine Investition zu amortisieren. Entsprechend dem Grundsatz, dass gemeinfreies Material nach seiner Digitalisierung gemeinfrei bleiben sollte, sollte dieser Zeitraum jedoch so kurz wie möglich sein. Die Dauer des ausschließlichen Rechts zur Digitalisierung von Kulturbeständen sollte im Allgemeinen zehn Jahre nicht überschreiten. Wird ein ausschließliches Recht für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren gewährt, so sollte dieser überprüft werden, wobei bei dieser Überprüfung den technologischen, finanziellen und verwaltungstechnischen Änderungen des Umfelds Rechnung getragen werden sollte, die seit Vertragsbeginn stattgefunden haben. Darüber hinaus sollten im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften für die Digitalisierung von Kulturbeständen der kulturellen Partnereinrichtung alle Rechte in Bezug auf die Nutzung der digitalisierten Kulturbestände nach Vertragsende gewährt werden.

(50)

Vereinbarungen zwischen Inhabern und Weiterverwendern von Daten, die nicht ausdrücklich ausschließliche Rechte gewähren, bei denen aber davon ausgegangen werden kann, dass sie die Verfügbarkeit von Dokumenten zur Weiterverwendung beschränken, sollten einer zusätzlichen öffentlichen Prüfung unterzogen werden. Daher sollten die wesentlichen Aspekte solcher Vereinbarungen mindestens zwei Monate vor ihrem Inkrafttreten online veröffentlicht werden, nämlich zwei Monate vor dem vereinbarten Tag, an dem die Erbringung der Verpflichtungen der Parteien beginnen soll. Durch die Veröffentlichung soll den interessierten Parteien die Gelegenheit gegeben werden, die Weiterverwendung der unter diese Vereinbarungen fallenden Dokumente zu beantragen und die Gefahr zu vermeiden, dass das Spektrum potenzieller Weiterverwender eingeschränkt wird. In jedem Fall sollten nach Abschluss solcher Vereinbarungen die wesentlichen Aspekte in ihrer endgültigen, zwischen den Parteien vereinbarten Fassung ebenfalls ohne ungebührliche Verzögerung online öffentlich bekannt gemacht werden.

(51)

Mit dieser Richtlinie soll das Risiko überzogener Vorreitervorteile minimiert werden, die die Zahl potenzieller Weiterverwender der Daten begrenzen könnten. Ist es wahrscheinlich, dass vertragliche Vereinbarungen zusätzlich zu den Verpflichtungen eines Mitgliedstaats zur Bereitstellung von Dokumenten im Rahmen dieser Richtlinie bewirken, dass staatliche Mittel jenes Mitgliedstaats im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV übertragen werden, so sollte diese Richtlinie die Anwendung der in den Artikeln 101 bis 109 AEUV niedergelegten Vorschriften über den Wettbewerb und staatliche Beihilfen unberührt lassen. Aus den Vorschriften über staatliche Beihilfen gemäß den Artikeln 107, 108 und 109 AEUV geht hervor, dass der Mitgliedstaat vorab zu prüfen hat, ob staatliche Beihilfen möglicherweise in der betreffenden vertraglichen Vereinbarung eine Rolle spielen, und dass er die Einhaltung der Vorschriften über staatliche Beihilfen sicherstellen muss.

(52)

Diese Richtlinie wirkt sich nicht auf den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß dem Unionsrecht und dem nationalen Recht, insbesondere nach der Verordnung (EU) 2016/679 und der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (18), und einschließlich aller ergänzender Bestimmungen des nationalen Rechts aus. Dies bedeutet unter anderem, dass die Weiterverwendung personenbezogener Daten nur zulässig ist, wenn der Grundsatz der Zweckbindung nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 6 der Verordnung (EU) 2016/679 eingehalten wird. Anonyme Informationen sind Informationen, die sich nicht auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, bzw. Informationen, die sich auf personenbezogene Daten beziehen, die so anonymisiert wurden, dass die betroffene Person nicht oder nicht mehr identifiziert werden kann. Die Anonymisierung von Informationen stellt ein Mittel dar, um das Interesse daran, Informationen des öffentlichen Sektors möglichst weiterverwendbar zu machen, und die aus dem Datenschutzrecht erwachsenden Verpflichtungen miteinander zu vereinbaren; sie verursacht jedoch Kosten. Es ist angemessen, diese Kosten als eine der Kostenpositionen zu betrachten, die zu den in dieser Richtlinie genannten Grenzkosten der Weiterverbreitung zählen.

(53)

Bei Entscheidungen über den Umfang und die Bedingungen der Weiterverwendung von Dokumenten des öffentlichen Sektors, die personenbezogene Daten enthalten, zum Beispiel im Gesundheitssektor, müssen möglicherweise Datenschutz-Folgenabschätzungen gemäß Artikel 35 der Verordnung (EU) 2016/679 vorgenommen werden.

(54)

Rechte Dritter an geistigem Eigentum werden von dieser Richtlinie nicht berührt. Zur Vermeidung von Unklarheiten bezieht sich der Begriff „Rechte des geistigen Eigentums“ ausschließlich auf das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, einschließlich Sui-generis-Schutzrechten. Diese Richtlinie gilt nicht für Dokumente, die von gewerblichen Schutzrechten erfasst werden, wie Patente sowie eingetragene Muster und Marken. Die Richtlinie berührt weder das Bestehen von Rechten öffentlicher Stellen an geistigem Eigentum oder deren Inhaberschaft daran und schränkt auch nicht die Wahrnehmung dieser Rechte über die in dieser Richtlinie gesetzten Grenzen hinaus ein. Die sich gemäß dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen sollten nur insoweit gelten, als sie mit völkerrechtlichen Übereinkommen zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums, insbesondere der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Berner Übereinkunft), dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) und dem WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) vereinbar sind. Öffentliche Stellen sollten ihre Urheberrechte jedoch auf eine Weise ausüben, die eine Weiterverwendung erleichtert.

(55)

Unter Berücksichtigung des Unionsrechts sowie der von den Mitgliedstaaten und der Union eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der Berner Übereinkunft und des TRIPS-Übereinkommens, sollten Dokumente, die geistiges Eigentum Dritter sind, aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen werden. War ein Dritter ursprünglicher Eigentümer der Rechte am geistigen Eigentum eines Dokuments, das sich nun im Besitz von Bibliotheken (einschließlich Hochschulbibliotheken), Museen und Archiven, befindet, und ist die Schutzdauer dieser Rechte noch nicht abgelaufen, so sollte dieses Dokument im Sinne dieser Richtlinie als ein Dokument gelten, an dem Dritte ein geistiges Eigentumsrecht innehaben.

(56)

Diese Richtlinie berührt nicht die Rechte, einschließlich des wirtschaftlichen Rechts und des Urheberpersönlichkeitsrechts, die den Beschäftigten öffentlicher Stellen nach nationalem Recht zustehen.

(57)

Wird ein Dokument zur Weiterverwendung zugänglich gemacht, so sollte die betreffende öffentliche Stelle das Verwertungsrecht an jenem Dokument behalten.

(58)

Diese Richtlinie lässt die Richtlinie 2014/24/EU unberührt.

(59)

Hilfsmittel, die es potenziellen Weiterverwendern erleichtern, die für die Weiterverwendung verfügbaren Dokumente und die entsprechenden Weiterverwendungsbedingungen zu finden, können die grenzüberschreitende Nutzung von Dokumenten des öffentlichen Sektors wesentlich vereinfachen. Daher sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass praktische Vorkehrungen getroffen werden, die Weiterverwendern bei ihrer Suche nach den zur Weiterverwendung verfügbaren Dokumenten behilflich sind. Beispiele für solche praktischen Vorkehrungen sind Bestandslisten der wichtigsten Dokumente, die vorzugsweise online verfügbar sein sollten, (Dokumente, die in großem Umfang weiterverwendet werden oder weiterverwendet werden könnten) und Internet-Portale, die mit dezentralisierten Bestandslisten verbunden sind. Die Mitgliedstaaten sollten nach Maßgabe der geltenden Aufbewahrungsvorschriften auch die langfristige Verfügbarkeit von Informationen des öffentlichen Sektors erleichtern.

(60)

Die Kommission sollte die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern und die Konzipierung, die Erprobung, die Implementierung und den Einsatz interoperabler elektronischer Schnittstellen unterstützen, die mehr Effizienz und Sicherheit bei den öffentlichen Diensten ermöglichen.

(61)

Diese Richtlinie lässt die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (19) unberührt. Sie legt die Bedingungen fest, nach denen öffentliche Stellen ihre Rechte an geistigem Eigentum innerhalb des Informationsbinnenmarkts wahrnehmen können, wenn sie die Weiterverwendung von Dokumenten genehmigen. Wenn öffentliche Stellen Inhaber des Rechts gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 96/9/EG sind, sollten sie dieses Recht nicht in Anspruch nehmen, um die Weiterverwendung zu verhindern oder die Weiterverwendung vorhandener Dokumente über die in der vorliegenden Richtlinie festgelegten Beschränkungen hinaus einzuschränken.

(62)

Die Kommission hat die Entwicklung eines Online-Berichts über den Reifegrad offener Daten mit den einschlägigen Leistungsindikatoren für die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors in allen Mitgliedstaaten unterstützt. Mit einer regelmäßigen Aktualisierung jenes Berichts soll zum Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und zur Verfügbarkeit von Informationen über Maßnahmen und Verfahren in der ganzen Union beigetragen werden.

(63)

Es ist notwendig, dass die Mitgliedstaaten das Ausmaß der Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, die Bedingungen, unter denen diese zugänglich gemacht werden, und die Rechtsbehelfspraxis überwachen.

(64)

Die Kommission kann die Mitgliedstaaten bei der einheitlichen Umsetzung dieser Richtlinie dadurch unterstützen, dass sie nach Anhörung der Beteiligten Leitlinien insbesondere für empfohlene Standardlizenzen, Datensätze und die Erhebung von Gebühren oder Entgelten für die Weiterverwendung von Dokumenten vorlegt und bestehende Leitlinien aktualisiert.

(65)

Eines der Hauptziele der Errichtung des Binnenmarkts ist die Schaffung von Bedingungen zur Förderung der Entwicklung unionsweiter Dienstleistungen. Bibliotheken (einschließlich Hochschulbibliotheken), Museen und Archive sind im Besitz sehr umfangreicher, wertvoller Informationsbestände des öffentlichen Sektors, zumal sich der Umfang an gemeinfreiem Material durch Digitalisierungsprojekte inzwischen vervielfacht hat. Diese Sammlungen des kulturellen Erbes und die zugehörigen Metadaten fungieren als mögliches Ausgangsmaterial für auf digitalen Inhalten beruhende Produkte und Dienstleistungen und bergen vielfältige Möglichkeiten für die innovative Weiterverwendung, beispielsweise in den Bereichen Lernen und Tourismus. Andere kulturelle Einrichtungen (beispielsweise Orchester, Opern, Ballette und Theater), einschließlich der zu diesen Einrichtungen gehörenden Archive, sollten auch weiterhin außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie verbleiben, zumal es sich in diesen besonderen Fällen um darstellende Künste handelt und zumal fast ihr gesamtes Material geistiges Eigentum Dritter ist.

(66)

Um die Bedingungen für die Unterstützung der Weiterverwendung von Dokumenten, die mit wichtigen sozioökonomischen Vorteilen verbunden und für die Wirtschaft und die Gesellschaft von besonders hohem Wert ist, festzulegen, sollte eine Liste thematischer Kategorien für hochwertige Datensätze in einem Anhang festgelegt werden. Zur Veranschaulichung — und unbeschadet der Durchführungsrechtsakte zur Ermittlung hochwertiger Datensätze, für die die spezifischen Anforderungen nach der vorliegenden Richtlinie gelten sollten, und unter Berücksichtigung der Leitlinien für empfohlene Standardlizenzen, Datensätze und Gebühren für die Weiterverwendung von Dokumenten — könnten die thematischen Kategorien unter anderem Postleitzahlen, nationale und lokale Karten (Georaum), Energieverbrauch und Satellitenbilder (Erdbeobachtung und Umwelt), In-situ-Daten von Messinstrumenten und Wettervorhersagen (Meteorologie), demografische und ökonomische Indikatoren (Statistiken), Unternehmensregister und Registrierungskennungen (Unternehmen und Eigentumsverhältnisse von Unternehmen), Straßenverkehrszeichen und Binnenwasserstraßen (Mobilität) umfassen.

(67)

Um die Liste thematischer Kategorien für hochwertige Datensätze zu ändern, indem weitere thematische Kategorien hinzugefügt werden, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 AEUV Rechtsakte erlassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen im Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung (20) niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.

(68)

Eine unionsweite Liste von Datensätzen mit einem besonderen Potenzial für die Erzielung sozioökonomischer Vorteile in Verbindung mit harmonisierten Bedingungen für die Weiterverwendung stellt eine wichtige Voraussetzung für grenzüberschreitende Datenanwendungen und -dienste dar. Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Richtlinie sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden, um die Weiterverwendung von Dokumenten, die mit wichtigen sozioökonomischen Vorteilen verbunden sind, durch die Annahme einer Liste bestimmter hochwertiger Datensätze, auf die spezifische Anforderungen dieser Richtlinie Anwendung finden, sowie der Modalitäten für ihre Veröffentlichung und Weiterverwendung zu unterstützen. Daher sollten diese spezifischen Anforderungen nicht gelten, bevor die Kommission Durchführungsrechtsakte erlassen hat. Die Liste sollte sektorale Rechtsakte der Union, die die Veröffentlichung von Datensätzen regeln, wie die Richtlinien 2007/2/EG und 2010/40/EU, berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die Datensätze im Rahmen von einander entsprechenden Standards und Metadatensätzen verfügbar gemacht werden. Die Liste sollte auf thematischen Kategorien basieren, die in dieser Richtlinie aufgeführt sind. Bei der Erstellung der Liste sollte die Kommission angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführen. Darüber hinaus sollten bei der Entscheidung, ob Daten im Besitz von öffentlichen Unternehmen in die Liste aufgenommen oder frei verfügbar gemacht werden sollten, die Auswirkungen auf den Wettbewerb in den einschlägigen Märkten berücksichtigt werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (21) ausgeübt werden.

(69)

Um ihre größtmögliche Wirkung zu gewährleisten und die Weiterverwendung zu erleichtern, sollten die hochwertigen Datensätze mit minimalen rechtlichen Einschränkungen kostenlos zur Weiterverwendung zugänglich gemacht werden. Sie sollten auch über APIs veröffentlicht werden. Allerdings hindert dies öffentliche Stellen nicht daran, Gebühren oder Entgelte für Dienstleistungen zu erheben, die sie im Rahmen der Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse erbringen — insbesondere die Zertifizierung der Authentizität oder Richtigkeit von Dokumenten.

(70)

Da die Ziele dieser Richtlinie, nämlich die Erleichterung der Schaffung unionsweiter Informationsprodukte und -dienstleistungen anhand von Dokumenten des öffentlichen Sektors, sowie die Sicherstellung einer effektiven grenzüberschreitenden Nutzung von Dokumenten des öffentlichen Sektors einerseits durch Privatunternehmen, insbesondere durch KMU, zur Entwicklung von Informationsprodukten und -diensten mit einem Mehrwert und andererseits durch die Bürger zur Erleichterung der freien Verbreitung von Informationen und der Kommunikation, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern wegen der unionsweiten Dimension der vorgeschlagenen Maßnahme eher besser auf Unionsebene zu verwirklichen sind, kann die Union — im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip — tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(71)

Diese Richtlinie achtet die Grundrechte und wahrt die Grundsätze, die insbesondere in der Charta anerkannt sind, darunter die Achtung des Privat- und Familienlebens, den Schutz personenbezogener Daten, das Eigentumsrecht und die Integration von Menschen mit Behinderungen. Keine Bestimmung dieser Richtlinie sollte in einer Weise ausgelegt oder umgesetzt werden, die nicht mit der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarats vereinbar ist.

(72)

Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 28 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates (22) angehört und hat am 10. Juli 2018 eine Stellungnahme (23) abgegeben.

(73)

Die Kommission sollte eine Evaluierung dieser Richtlinie vornehmen. Gemäß der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung sollte sich diese Evaluierung auf die fünf Kriterien Effizienz, Effektivität, Relevanz, Kohärenz und erzielter Mehrwert stützen und die Grundlage der Abschätzung der Folgen weitergehender Maßnahmen bilden.

(74)

Diese Richtlinie sollte die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Frist für die Umsetzung der in Anhang II Teil B genannten Richtlinien in nationales Recht unberührt lassen —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

KAPITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Gegenstand und Anwendungsbereich

(1)   Um die Verwendung offener Daten zu fördern und Anreize für die Innovation bei Produkten und Dienstleistungen zu vermitteln, enthält diese Richtlinie Mindestvorschriften für die Weiterverwendung und die praktischen Modalitäten zur Erleichterung der Weiterverwendung von

a)

vorhandenen Dokumenten im Besitz öffentlicher Stellen der Mitgliedstaaten;

b)

vorhandenen Dokumenten im Besitz öffentlicher Unternehmen, die

i)

in den in der Richtlinie 2014/25/EU festgelegten Bereichen tätig sind;

ii)

als Betreiber eines öffentlichen Dienstes gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 tätig sind;

iii)

als Luftfahrtunternehmen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gemäß Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 erfüllen; oder

iv)

als Gemeinschaftsreeder Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes gemäß Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 erfüllen;

c)

Forschungsdaten gemäß den in Artikel 10 festgelegten Bedingungen.

(2)   Diese Richtlinie gilt nicht für

a)

Dokumente, deren Bereitstellung nicht unter den gesetzlich oder durch andere verbindliche Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats festgelegten öffentlichen Auftrag der betreffenden öffentlichen Stellen fällt oder, in Ermangelung solcher Rechtsvorschriften, nicht unter den durch allgemeine Verwaltungspraxis in dem betreffenden Mitgliedstaat festgelegten öffentlichen Auftrag fällt, vorausgesetzt, dass der Umfang der öffentlichen Aufträge transparent ist und regelmäßig überprüft wird;

b)

Dokumente im Besitz öffentlicher Unternehmen,

i)

die nicht im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Sinne der gesetzlichen oder sonstigen verbindlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten erstellt wurden;

ii)

die mit unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzten Tätigkeiten zusammenhängen und daher gemäß Artikel 34 der Richtlinie 2014/25/EU nicht den Vorschriften für die Auftragsvergabe unterliegen;

c)

Dokumente, die geistiges Eigentum Dritter betreffen;

d)

Dokumente, wie zum Beispiel sensible Daten, die nach den Zugangsregelungen der Mitgliedstaaten nicht zugänglich sind, einschließlich aus Gründen

i)

des Schutzes der nationalen Sicherheit (d. h. Staatssicherheit), der Verteidigung oder der öffentlichen Sicherheit;

ii)

der statistischen Geheimhaltung;

iii)

des Geschäftsgeheimnisses (einschließlich Betriebsgeheimnissen, Berufsgeheimnissen, Unternehmensgeheimnissen);

e)

Dokumente, die aufgrund ihrer Eigenschaft als vertrauliche Informationen über den Schutz kritischer Infrastrukturen im Sinne des Artikels 2 Buchstabe d der Richtlinie 2008/114/EG nicht oder nur eingeschränkt zugänglich sind;

f)

Dokumente, zu denen der Zugang durch die Zugangsregelungen der Mitgliedstaaten eingeschränkt ist, einschließlich der Fälle, in denen Bürger oder juristische Personen ein besonderes Interesse nachzuweisen haben, um Zugang zu den Dokumenten zu erhalten;

g)

Logos, Wappen und Insignien;

h)

Dokumente, die nach den Zugangsregelungen der Mitgliedstaaten aus Gründen des Schutzes personenbezogener Daten nicht oder nur eingeschränkt zugänglich sind, und Teile von Dokumenten, die nach diesen Regelungen zugänglich sind, wenn sie personenbezogene Daten enthalten, deren Weiterverwendung gesetzlich nicht mit dem Recht über den Schutz natürlicher Personen in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten vereinbar ist oder gesetzlich als Beeinträchtigung des Schutzes der Privatsphäre und der Integrität der betroffenen Personen definiert ist, insbesondere im Einklang mit dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht im Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten;

i)

Dokumente, die im Besitz öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten und ihrer Zweigstellen oder anderer Stellen und deren Zweigstellen sind und der Wahrnehmung eines öffentlichen Sendeauftrags dienen;

j)

Dokumente im Besitz anderer kultureller Einrichtungen als Bibliotheken (einschließlich Hochschulbibliotheken), Museen und Archiven;

k)

Dokumente im Besitz von Bildungseinrichtungen der Sekundarstufe und darunter und — bei allen sonstigen Bildungseinrichtungen — andere als die in Absatz 1 Buchstabe c genannten Dokumente;

l)

andere als die in Absatz 1 Buchstabe c genannten Dokumente im Besitz von Forschungseinrichtungen und Forschungsförderungseinrichtungen, einschließlich Einrichtungen, die zum Zweck des Transfers von Forschungsergebnissen gegründet wurden.

(3)   Diese Richtlinie stützt sich auf die Zugangsregelungen der Union und der Mitgliedstaaten und lässt diese Regelungen unberührt.

(4)   Diese Richtlinie gilt unbeschadet des Unionsrechts und des nationalen Rechts über den Schutz personenbezogener Daten, insbesondere der Verordnung (EU) 2016/679 und der Richtlinie 2002/58/EG sowie dem entsprechenden nationalen Recht.

(5)   Die sich gemäß dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen gelten nur insoweit, als sie mit den Bestimmungen völkerrechtlicher Übereinkommen zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums, insbesondere der Berner Übereinkunft, dem TRIPS-Übereinkommen und dem WCT, vereinbar sind.

(6)   Das Recht der Hersteller von Datenbanken gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 96/9/EG nehmen öffentliche Stellen nicht in Anspruch, um dadurch die Weiterverwendung von Dokumenten zu verhindern oder diese Weiterverwendung über die in dieser Richtlinie festgelegten Beschränkungen hinaus einzuschränken.

(7)   Diese Richtlinie regelt die Weiterverwendung vorhandener Dokumente, die im Besitz öffentlicher Stellen und öffentlicher Unternehmen der Mitgliedstaaten sind, einschließlich der Dokumente, auf die die Richtlinie 2007/2/EG anwendbar ist.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1.

„öffentliche Stelle“ den Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder einer oder mehreren dieser Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen;

2.

„Einrichtungen des öffentlichen Rechts“ Einrichtung, die die folgenden Eigenschaften aufweisen:

a)

sie wurden zu dem besonderen Zweck gegründet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht kommerzieller Art sind,

b)

sie Rechtspersönlichkeit besitzen und

c)

sie werden überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert oder unterliegen hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch letztere oder ihre Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan bestehen mehrheitlich aus Mitgliedern, die vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind;

3.

„öffentliches Unternehmen“ ein in den in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b genannten Bereichen tätiges Unternehmen, auf das öffentliche Stellen aufgrund der Eigentumsverhältnisse, der finanziellen Beteiligung oder der für das Unternehmen geltenden Bestimmungen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben können. Von einem beherrschenden Einfluss der öffentlichen Stellen ist in jedem der folgenden Fälle auszugehen, in denen diese Stellen unmittelbar oder mittelbar

a)

die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens halten;

b)

über die Mehrheit der mit den Anteilen am Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügen;

c)

mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens ernennen können;

4.

„Hochschule“ eine öffentliche Stelle, die postsekundäre Bildungsgänge anbietet, die zu einem akademischen Grad führen;

5.

„Standardlizenz“ eine Reihe vorgegebener Bedingungen für die Weiterverwendung, die in digitalem Format vorliegen und vorzugsweise mit standardisierten online verfügbaren öffentlichen Lizenzen kompatibel sind;

6.

„Dokument“

a)

jeden Inhalt unabhängig von der Form des Datenträgers (auf Papier oder in elektronischer Form oder als Ton-, Bild- oder audiovisuelles Aufnahme); oder

b)

einen beliebigen Teil eines solchen Inhalts;

7.

„Anonymisierung“ den Prozess, in dessen Verlauf Dokumente in anonyme Dokumente umgewandelt werden, die sich nicht auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, oder personenbezogene Daten so anonym gemacht werden, dass die betroffene Person nicht oder nicht mehr identifiziert werden kann;

8.

„dynamische Daten“ Dokumente in digitaler Form, die häufig oder in Echtzeit aktualisiert werden, insbesondere aufgrund ihrer Volatilität oder ihres raschen Veraltens; von Sensoren generierte Daten werden in der Regel als dynamische Daten angesehen;

9.

„Forschungsdaten“ Dokumente in digitaler Form, bei denen es sich nicht um wissenschaftliche Veröffentlichungen handelt und die im Laufe von wissenschaftlichen Forschungstätigkeiten erfasst oder erzeugt und als Nachweise im Rahmen des Forschungsprozesses verwendet werden oder die in der Forschungsgemeinschaft allgemein für die Validierung von Forschungsfeststellungen und -ergebnissen als notwendig erachtet werden;

10.

„hochwertige Datensätze“ Dokumente, deren Weiterverwendung mit wichtigen Vorteilen für die Gesellschaft, die Umwelt und die Wirtschaft verbunden ist, insbesondere aufgrund ihrer Eignung für die Schaffung von Mehrwertdiensten, Anwendungen und neuer, hochwertiger und menschenwürdiger Arbeitsplätze sowie aufgrund der Zahl der potenziellen Nutznießer der Mehrwertdienste und -anwendungen auf der Grundlage dieser Datensätze;

11.

„Weiterverwendung“ die Nutzung — durch natürliche oder juristische Personen — von Dokumenten, die im Besitz

a)

öffentlicher Stellen sind, für kommerzielle oder nichtkommerzielle Zwecke, die sich von dem ursprünglichen Zweck im Rahmen des öffentlichen Auftrags, für den die Dokumente erstellt wurden, unterscheiden, abgesehen vom Austausch von Dokumenten zwischen öffentlichen Stellen ausschließlich im Rahmen der Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags; oder

b)

öffentlicher Unternehmen sind, für kommerzielle oder nichtkommerzielle Zwecke, die sich von dem ursprünglichen Zweck der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, für den die Dokumente erstellt wurden, unterscheiden, abgesehen vom Austausch von Dokumenten zwischen öffentlichen Unternehmen und öffentlichen Stellen ausschließlich im Rahmen der Erfüllung des öffentlichen Auftrags öffentlicher Stellen;

12.

„personenbezogene Daten“ personenbezogene Daten im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679;

13.

„maschinenlesbares Format“ ein Dateiformat, das so strukturiert ist, dass Softwareanwendungen konkrete Daten, einschließlich einzelner Sachverhaltsdarstellungen und deren interner Struktur, leicht identifizieren, erkennen und extrahieren können;

14.

„offenes Format“ ein Dateiformat, das plattformunabhängig ist und der Öffentlichkeit ohne Einschränkungen, die der Weiterverwendung von Dokumenten hinderlich wären, zugänglich gemacht wird;

15.

„formeller, offener Standard“ einen schriftlich niedergelegten Standard, in dem die Anforderungen für die Sicherstellung der Interoperabilität der Software niedergelegt sind;

16.

„angemessene Gewinnspanne“ einen Prozentsatz der Gesamtkosten, der über den zur Deckung der einschlägigen Kosten erforderlichen Betrag hinausgeht, aber höchstens fünf Prozentpunkte über dem von der EZB festgesetzten Zinssatz liegt;

17.

„Dritte(r)“ jede natürliche oder juristische Person außer der öffentlichen Stelle oder dem öffentlichen Unternehmen, die/das im Besitz der Daten ist.

Artikel 3

Allgemeiner Grundsatz

(1)   Vorbehaltlich Absatz 2 dieses Artikels stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Dokumente, auf die diese Richtlinie gemäß Artikel 1 anwendbar ist, gemäß Kapitel III und IV für kommerzielle und nichtkommerzielle Zwecke weiterverwendet werden können.

(2)   Für Dokumente, an denen Bibliotheken (einschließlich Hochschulbibliotheken), Museen und Archiven Rechte des geistigen Eigentums innehaben, und für Dokumente im Besitz öffentlicher Unternehmen stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass diese Dokumente, falls deren Weiterverwendung erlaubt wird, gemäß Kapitel III und IV für kommerzielle und nichtkommerzielle Zwecke weiterverwendet werden können.

KAPITEL II

ANTRÄGE AUF WEITERVERWENDUNG

Artikel 4

Bearbeitung von Anträgen auf Weiterverwendung

(1)   Für die Bearbeitung von Anträgen auf Weiterverwendung und die Bereitstellung der Dokumente zur Weiterverwendung an den Antragsteller oder — falls eine Lizenz erforderlich ist — für die Unterbreitung eines endgültigen Lizenzangebots an den Antragsteller halten die öffentlichen Stellen eine angemessene Frist ein, die der Frist für die Bearbeitung von Anträgen auf Zugang zu Dokumenten entspricht, und bedienen sich dabei, soweit möglich und sinnvoll, elektronischer Mittel.

(2)   Wurden keine Fristen oder sonstige Regelungen für die rechtzeitige Bereitstellung der Dokumente festgelegt, so müssen die öffentlichen Stellen so bald wie möglich, in jedem Fall innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags den Antrag bearbeiten und dem Antragsteller die Dokumente zur Weiterverwendung bereitstellen oder — falls eine Lizenz erforderlich ist — ihm ein endgültiges Lizenzangebot unterbreiten. Diese Frist kann bei umfangreichen oder komplexen Anträgen um weitere 20 Arbeitstage verlängert werden. In diesen Fällen wird der Antragsteller so bald wie möglich, in jedem Fall jedoch innerhalb von drei Wochen nach dem ursprünglichen Antrag unter Angabe der Gründe davon unterrichtet, dass für die Bearbeitung des Antrags mehr Zeit benötigt wird.

(3)   Im Fall eines ablehnenden Bescheids teilt die öffentliche Stelle dem Antragsteller die Gründe für die Ablehnung mit und stützt sich dabei auf die einschlägigen Bestimmungen der Zugangsregelung des betreffenden Mitgliedstaats oder auf die Bestimmungen, die zur Umsetzung dieser Richtlinie, insbesondere gemäß Artikel 1 Absatz 2 Buchstaben a bis h oder Artikel 3, erlassen wurden. Wird ein ablehnender Bescheid auf Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c gestützt, so verweist die öffentliche Stelle auf die natürliche oder juristische Person, die Inhaber der Rechte ist, soweit diese bekannt ist, oder ersatzweise auf den Lizenzgeber, von dem die öffentliche Stelle das betreffende Material erhalten hat. Bibliotheken (einschließlich Hochschulbibliotheken), Museen und Archive sind nicht zu diesem Verweis verpflichtet.

(4)   Eine Entscheidung über die Weiterverwendung enthält einen Hinweis auf die Rechtsbehelfe, die dem Antragsteller zur Verfügung stehen, um gegen die Entscheidung vorzugehen. Zu den Rechtsbehelfen gehört die Möglichkeit der Überprüfung durch eine unabhängige Überprüfungsinstanz mit den entsprechenden Fachkenntnissen, wie zum Beispiel die nationale Wettbewerbsbehörde, die für den Zugang zu Dokumenten zuständige Behörde, die gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 errichtete Aufsichtsbehörde oder ein nationales Gericht, deren Entscheidungen für die betreffende öffentliche Stelle bindend sind.

(5)   Für die Zwecke dieses Artikels legen die Mitgliedstaaten praktische Vorkehrungen zur Vereinfachung der effektiven Weiterverwendung von Dokumenten fest. Diese Vorkehrungen können insbesondere die Mittel für die Bereitstellung angemessener Informationen über die in der vorliegenden Richtlinie vorgesehenen Rechte sowie für die Bereitstellung einschlägiger Unterstützung und Orientierung umfassen.

(6)   Die folgenden Einrichtungen müssen dem vorliegenden Artikel nicht entsprechen:

a)

öffentliche Unternehmen;

b)

Bildungseinrichtungen, Forschungseinrichtungen und Forschungsförderungseinrichtungen.

KAPITEL III

BEDINGUNGEN FÜR DIE WEITERVERWENDUNG

Artikel 5

Verfügbare Formate

(1)   Unbeschadet des Kapitels V stellen öffentliche Stellen und öffentliche Unternehmen ihre Dokumente in allen vorhandenen Formaten oder Sprachen und, soweit möglich und sinnvoll, auf elektronischem Wege in offenen, maschinenlesbaren, zugänglichen, auffindbaren und weiterverwendbaren Formaten zusammen mit den zugehörigen Metadaten zur Verfügung. Sowohl die Formate als auch die Metadaten müssen soweit möglich förmlichen offenen Standards entsprechen.

(2)   Die Mitgliedstaaten bestärken öffentliche Stellen und öffentliche Unternehmen darin, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallende Dokumente nach dem Grundsatz „konzeptionell und standardmäßig offen“ (open by design and by default) zu erstellen und zur Verfügung zu stellen.

(3)   Absatz 1 verpflichtet die öffentlichen Stellen nicht, Dokumente neu zu erstellen oder anzupassen oder Auszüge aus Dokumenten zur Verfügung zu stellen, um diesem Absatz nachzukommen, wenn dies mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist, der über eine einfache Bearbeitung hinausgeht.

(4)   Öffentliche Stellen sind nicht verpflichtet, die Erstellung und Speicherung bestimmter Arten von Dokumenten im Hinblick auf deren Weiterverwendung durch eine Organisation des privaten oder öffentlichen Sektors fortzusetzen.

(5)   Öffentliche Stellen machen dynamische Daten unmittelbar nach der Erfassung mithilfe geeigneter API und gegebenenfalls als Massen-Download zur Weiterverwendung zugänglich.

(6)   Würde die Bereitstellung von dynamischen Daten zur Weiterverwendung unmittelbar nach der Erfassung gemäß Absatz 5 die finanzielle und technische Leistungsfähigkeit der öffentlichen Stelle übersteigen und somit zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen, werden jene dynamischen Daten innerhalb einer Frist oder mit vorübergehenden technischen Beschränkungen zur Weiterverwendung zugänglich gemacht, die die Nutzung ihres wirtschaftlichen und sozialen Potenzials nicht übermäßig beeinträchtigen.

(7)   Die Absätze 1 bis 6 gelten für vorhandene Dokumente im Besitz öffentlicher Unternehmen, die zur Weiterverwendung verfügbar sind.

(8)   Die hochwertigen Datensätze, die gemäß Artikel 14 Absatz 1 in einer Liste aufgeführt werden, werden in maschinenlesbarem Format über geeignete APIs und gegebenenfalls als Massen-Download zur Weiterverwendung zugänglich gemacht.

Artikel 6

Grundsätze zur Bemessung von Gebühren und Entgelten

(1)   Die Weiterverwendung von Dokumenten ist kostenfrei.

Allerdings kann die Erstattung der durch die Reproduktion, Bereitstellung und Verbreitung von Dokumenten sowie durch die Anonymisierung personenbezogener Daten und Maßnahmen zum Schutz vertraulicher Geschäftsinformationen verursachten Grenzkosten gestattet werden.

(2)   Ausnahmsweise findet Absatz 1 keine Anwendung auf

a)

öffentliche Stellen, deren Auftrag das Erzielen von Einnahmen erfordert, um einen wesentlichen Teil ihrer Kosten im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufträge zu decken;

b)

Bibliotheken (einschließlich Hochschulbibliotheken), Museen und Archive;

c)

öffentliche Unternehmen.

(3)   Die Mitgliedstaaten veröffentlichen online eine Liste der in Absatz 2 Buchstabe a genannten öffentlichen Stellen.

(4)   In den in Absatz 2 Buchstaben a und c genannten Fällen werden die Gesamtkosten nach objektiven, transparenten und nachprüfbaren Kriterien berechnet. Diese Kriterien werden durch die Mitgliedstaaten festgelegt.

Die Gesamteinnahmen aus der Bereitstellung von Dokumenten und der Gestattung ihrer Weiterverwendung in dem entsprechenden Abrechnungszeitraum dürfen die Kosten ihrer Erfassung, Erstellung, Reproduktion, Verbreitung und Datenspeicherung, zuzüglich einer angemessenen Gewinnspanne, sowie — gegebenenfalls — der Anonymisierung personenbezogener Daten und Maßnahmen zum Schutz vertraulicher Geschäftsinformationen nicht übersteigen.

Die Gebühren und Entgelte werden nach Maßgabe der geltenden Buchführungsgrundsätze berechnet.

(5)   Soweit die in Absatz 2 Buchstabe b genannten öffentlichen Stellen Gebühren erheben, dürfen die Gesamteinnahmen aus der Bereitstellung von Dokumenten und der Gestattung ihrer Weiterverwendung in dem entsprechenden Abrechnungszeitraum die Kosten ihrer Erfassung, Erstellung, Reproduktion, Verbreitung, Datenspeicherung, Bewahrung und der Rechteklärung sowie, gegebenenfalls, der Anonymisierung personenbezogener Daten und Maßnahmen zum Schutz vertraulicher Geschäftsinformationen zuzüglich einer angemessenen Gewinnspanne nicht übersteigen.

Die Gebühren und Entgelte werden nach Maßgabe der für die betreffenden öffentlichen Stellen geltenden Buchführungsgrundsätze berechnet.

(6)   Die Weiterverwendung folgender Daten ist für den Nutzer kostenfrei:

a)

vorbehaltlich Artikel 14 Absätze 3, 4 und 5, der hochwertigen Datensätze, die gemäß Absatz 1 jenes Artikels in einer Liste festgelegt werden;

b)

der Forschungsdaten gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c.

Artikel 7

Transparenz

(1)   Im Falle von Standardgebühren oder Standardentgelten für die Weiterverwendung von Dokumenten werden die entsprechenden Bedingungen und die tatsächliche Höhe dieser Gebühren oder Entgelte einschließlich der Berechnungsgrundlage dieser Gebühren oder Entgelte, im Voraus festgelegt und, soweit möglich und sinnvoll, in elektronischer Form veröffentlicht.

(2)   Im Falle von Gebühren oder Entgelten für die Weiterverwendung, die in Absatz 1 nicht genannt sind, müssen im Voraus die Faktoren angegeben werden, die bei der Berechnung dieser Gebühren oder Entgelte berücksichtigt werden. Auf Anfrage gibt der Inhaber der Dokumente auch die Berechnungsweise dieser Gebühren oder Entgelte in Bezug auf einen spezifischen Antrag auf Weiterverwendung an.

(3)   Die öffentlichen Stellen gewährleisten, dass Antragsteller, die die Weiterverwendung von Dokumenten beantragt haben, über die verfügbaren Rechtsbehelfe hinsichtlich der sie betreffenden Entscheidungen oder Verfahren unterrichtet werden.

Artikel 8

Standardlizenzen

(1)   Die Weiterverwendung von Dokumenten unterliegt keinen Bedingungen, es sei denn, diese Bedingungen sind objektiv, verhältnismäßig, nichtdiskriminierend und durch ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel gerechtfertigt.

Wenn die Weiterverwendung an Bedingungen gebunden ist, dürfen diese Bedingungen die Möglichkeiten der Weiterverwendung nicht unnötig einschränken und nicht der Behinderung des Wettbewerbs dienen.

(2)   Die Mitgliedstaaten, in denen Lizenzen verwendet werden, stellen sicher, dass für die Weiterverwendung von Dokumenten des öffentlichen Sektors Standardlizenzen, die an besondere Lizenzanträge angepasst werden können, in digitaler Form zur Verfügung stehen und elektronisch verarbeitet werden können. Die Mitgliedstaaten fördern die Verwendung solcher Standardlizenzen.

Artikel 9

Praktische Vorkehrungen

(1)   Die Mitgliedstaaten treffen praktische Vorkehrungen, die eine Suche nach den zur Weiterverwendung verfügbaren Dokumenten erleichtern, wie z. B. Bestandslisten der wichtigsten Dokumente mit zugehörigen Metadaten, die, soweit möglich und sinnvoll, online verfügbar sind und in einem maschinenlesbaren Format vorliegen, sowie Internet-Portale, die mit den Bestandslisten verknüpft sind. Soweit möglich, sorgen die Mitgliedstaaten — insbesondere, indem sie die Metadatenaggregation auf Unionsebene ermöglichen — dafür, dass eine sprachübergreifende Suche nach Dokumenten vorgenommen werden kann.

Die Mitgliedstaaten bestärken öffentliche Stellen auch darin, praktische Vorkehrungen zu treffen, um die Bewahrung von zur Weiterverwendung verfügbaren Dokumenten zu erleichtern.

(2)   Die Mitgliedstaaten setzen in Zusammenarbeit mit der Kommission ihre Bemühungen fort, um den Zugang zu Datensätzen auf elektronischem Wege über zugängliche, einfach auffindbare und weiterverwendbare Formate zu vereinfachen, insbesondere indem sie eine einheitliche Anlaufstelle einrichten und geeignete Datensätze im Besitz öffentlicher Stellen, mit Blick auf die Dokumente, auf die diese Richtlinie Anwendung findet, zu Daten im Besitz der Organe der Union verfügbar machen.

Artikel 10

Forschungsdaten

(1)   Die Mitgliedstaaten unterstützen die Verfügbarkeit von Forschungsdaten durch die Annahme nationaler Strategien und einschlägiger Maßnahmen mit dem Ziel, öffentlich finanzierte Forschungsdaten nach dem Grundsatz der „standardmäßig offenen Daten“ und im Einklang mit den FAIR-Grundsätzen offen zugänglich zu machen (im Folgenden „Politik des offenen Zugangs“). In diesem Zusammenhang sind Anliegen in Bezug auf Rechte des geistigen Eigentums, den Schutz personenbezogener Daten sowie Vertraulichkeit, Sicherheit und legitime Geschäftsinteressen nach dem Grundsatz „so offen wie möglich, so geschlossen wie nötig“ (as open as possible, as closed as necessary) zu berücksichtigen. Diese Politik des offenen Zugangs richtet sich an Forschungseinrichtungen und Forschungsförderungseinrichtungen.

(2)   Unbeschadet Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c können die Forschungsdaten gemäß Kapitel III und IV für kommerzielle und nichtkommerzielle Zwecke weiterverwendet werden, soweit sie öffentlich finanziert wurden und wenn sie von Forschern, Forschungseinrichtungen oder Forschungsförderungseinrichtungen bereits über ein institutionelles oder thematisches Archiv öffentlich zugänglich gemacht wurden. In diesem Zusammenhang sind berechtigte Geschäftsinteressen, Wissenstransfertätigkeiten und bestehende Rechte Dritter an geistigem Eigentum zu berücksichtigen.

KAPITEL IV

NICHTDISKRIMINIERUNG UND LAUTERER HANDEL

Artikel 11

Nichtdiskriminierung

(1)   Die Bedingungen für die Weiterverwendung von Dokumenten müssen für vergleichbare Kategorien der Weiterverwendung, einschließlich der grenzübergreifenden Weiterverwendung, nichtdiskriminierend sein.

(2)   Werden Dokumente von öffentlichen Stellen als Ausgangsmaterial für eigene Geschäftstätigkeiten weiterverwendet, die nicht unter ihren öffentlichen Auftrag fallen, so gelten für die Bereitstellung der Dokumente für diese Tätigkeiten dieselben Gebühren und Entgelte und sonstigen Bedingungen wie für andere Nutzer.

Artikel 12

Ausschließlichkeitsvereinbarungen

(1)   Die Weiterverwendung von Dokumenten steht allen potenziellen Marktteilnehmern offen, selbst wenn auf diesen Dokumenten beruhende Mehrwertprodukte bereits von einem oder mehreren Marktteilnehmern genutzt werden. Verträge oder sonstige Vereinbarungen zwischen den öffentlichen Stellen oder öffentlichen Unternehmen, die im Besitz der Dokumente sind, und Dritten dürfen keine ausschließlichen Rechte gewähren.

(2)   Ist allerdings für die Bereitstellung eines Dienstes im öffentlichen Interesse ein ausschließliches Recht erforderlich, so ist der Grund für dessen Erteilung regelmäßig, mindestens jedoch alle drei Jahre, zu überprüfen. Die am oder nach dem 16. Juli 2019 getroffenen Ausschließlichkeitsvereinbarungen werden spätestens zwei Monate vor ihrem Inkrafttreten online öffentlich zugänglich gemacht. Die endgültigen Bedingungen solcher Vereinbarungen müssen transparent sein und online öffentlich zugänglich gemacht werden.

Dieser Absatz gilt nicht für die Digitalisierung von Kulturbeständen.

(3)   Bezieht sich ein ausschließliches Recht auf die Digitalisierung von Kulturbeständen, darf es ungeachtet des Absatzes 1 im Allgemeinen für höchstens zehn Jahre gewährt werden. Wird es für mehr als zehn Jahre gewährt, wird die Gewährungsdauer im elften Jahr und danach gegebenenfalls alle sieben Jahre überprüft.

Die in Unterabsatz 1 genannten Vereinbarungen zur Gewährung ausschließlicher Rechte müssen transparent sein und öffentlich bekannt gemacht werden.

Im Falle eines in Unterabsatz 1 genannten ausschließlichen Rechts ist der betreffenden öffentlichen Stelle im Rahmen der Vereinbarung eine Kopie der digitalisierten Kulturbestände gebührenfrei zur Verfügung zu stellen. Diese Kopie wird am Ende des Ausschließlichkeitszeitraums zur Weiterverwendung zur Verfügung gestellt.

(4)   Rechtliche oder praktische Vorkehrungen, die nicht ausdrücklich ausschließliche Rechte gewähren, die aber darauf abzielen oder bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die Weiterverwendung von Dokumenten durch andere Einrichtungen als die an der Vereinbarung beteiligten Dritten beschränken, werden spätestens zwei Monate vor ihrem Inkrafttreten online öffentlich zugänglich gemacht. Die Auswirkungen solcher rechtlichen oder praktischen Vorkehrungen auf die Verfügbarkeit von Daten zur Weiterverwendung sind Gegenstand regelmäßiger Überprüfungen und werden mindestens alle drei Jahre überprüft. Die endgültigen Bedingungen solcher Vereinbarungen müssen transparent sein und online öffentlich zugänglich gemacht werden.

(5)   Am 17. Juli 2013 bestehende Ausschließlichkeitsvereinbarungen, die nicht unter die Ausnahmen gemäß Absätze 2 und 3 fallen und die von öffentlichen Stellen getroffen wurden, werden bei Vertragsablauf, spätestens jedoch am 18. Juli 2043 beendet.

Am 16. Juli 2019 bestehende Ausschließlichkeitsvereinbarungen, die nicht unter die Ausnahmen der Absätze 2 und 3 fallen und die von öffentlichen Unternehmen getroffen wurden, werden bei Vertragsablauf, spätestens jedoch am 17. Juli 2049 beendet.

KAPITEL V

HOCHWERTIGE DATENSÄTZE

Artikel 13

Thematische Kategorien von hochwertigen Datensätzen

(1)   Um die Bedingungen für die Förderung der Weiterverwendung hochwertiger Datensätze zu schaffen, enthält der Anhang I eine Liste thematischer Kategorien solcher Datensätze.

(2)   Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 15 delegierte Rechtsakte zur Änderung des Anhangs I durch Aufnahme neuer thematischer Kategorien hochwertiger Datensätze zu erlassen, um der Technologie- und Marktentwicklung Rechnung zu tragen.

Artikel 14

Bestimmte hochwertige Datensätze und Modalitäten der Veröffentlichung und Weiterverwendung

(1)   Die Kommission erlässt Durchführungsrechtakte zur Festlegung einer Liste bestimmter im Besitz öffentlicher Stellen oder öffentlicher Unternehmen befindlicher hochwertiger Datensätze der im Anhang I angegebenen Kategorien unter den Dokumenten, auf die diese Richtlinie Anwendung findet.

Solche bestimmten hochwertigen Datensätze müssen

a)

vorbehaltlich der Absätze 3, 4 und 5 kostenlos verfügbar sein,

b)

maschinenlesbar sein,

c)

über API verfügbar sein, und

d)

gegebenenfalls als Massen-Download verfügbar sein.

In jenen Durchführungsrechtakten können die Modalitäten der Veröffentlichung und Weiterverwendung hochwertiger Datensätze festgelegt werden. Diese Modalitäten müssen mit den offenen Standardlizenzen vereinbar sein.

Diese Modalitäten können Bedingungen umfassen, die für die Weiterverwendung, Daten- und Metadatenformate sowie die technischen Modalitäten der Verbreitung gelten. Investitionen der Mitgliedstaaten in Konzepte für offene Daten, wie etwa Investitionen in die Entwicklung und Einführung bestimmter Standards, werden berücksichtigt und gegen den potenziellen Nutzen einer Aufnahme in die Liste abgewogen.

Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem Prüfverfahren gemäß Artikel 16 Absatz 2 erlassen.

(2)   Die Ermittlung bestimmter hochwertiger Datensätze gemäß Absatz 1 beruht auf der Bewertung ihres Potenzials

a)

für die Erzielung bedeutender sozioökonomischer oder ökologischer Vorteile und innovativer Dienstleistungen,

b)

für eine große Zahl von Nutzern, insbesondere KMU, von Nutzen zu sein,

c)

der Erzielung von Einnahmen zu dienen, und

d)

mit anderen Datensätzen kombiniert zu werden.

Zum Zweck der Ermittlung solcher bestimmter hochwertiger Datensätze führt die Kommission angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durch, nimmt eine Folgenabschätzung vor und stellt die Komplementarität mit bestehenden Rechtsakten, wie der Richtlinie 2010/40/EU, in Bezug auf die Weiterverwendung von Dokumenten sicher. Diese Folgenabschätzung umfasst eine Kosten-Nutzen-Analyse und eine Analyse, ob sich die kostenlose Bereitstellung hochwertiger Datensätze durch öffentliche Stellen, die Einnahmen erzielen müssen, um einen wesentlichen Teil ihrer Kosten bei der Wahrnehmung ihres öffentlichen Auftrags zu decken, wesentlich auf den Haushalt solcher Stellen auswirken würde. Bei hochwertigen Datensätzen im Besitz öffentlicher Unternehmen wird die Rolle dieser Unternehmen in einem wettbewerbsbestimmten wirtschaftlichen Umfeld in der Folgenabschätzung besonders berücksichtigt.

(3)   Abweichend von Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe a wird in den Durchführungsrechtakten gemäß Absatz 1 festgelegt, dass die kostenlose Verfügbarkeit hochwertiger Datensätze nicht für bestimmte hochwertige Datensätze im Besitz öffentlicher Unternehmen gilt, wenn dies zu einer Verfälschung des Wettbewerbs auf den betreffenden Märkten führen würde.

(4)   Die Anforderung, hochwertige Datensätze gemäß Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe a kostenlos verfügbar zu machen, gilt nicht für Bibliotheken (einschließlich Hochschulbibliotheken), Museen und Archive.

(5)   In Fällen, in denen sich die kostenlose Bereitstellung hochwertiger Datensätze durch öffentliche Stellen, die Einnahmen erzielen müssen, um einen wesentlichen Teil ihrer Kosten bei der Wahrnehmung ihres öffentlichen Auftrags zu decken, wesentlich auf den Haushalt der betreffenden Stellen auswirken würde, können die Mitgliedstaaten diese Stellen für einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren nach Inkrafttreten des entsprechenden Durchführungsrechtsakts, der gemäß Absatz 1 erlassen wurde, von der Anforderung der kostenlosen Bereitstellung dieser hochwertigen Datensätze befreien.

KAPITEL VI

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 15

Ausübung der Befugnisübertragung

(1)   Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.

(2)   Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 13 Absatz 2 wird der Kommission für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem 16. Juli 2019 übertragen. Die Kommission erstellt spätestens neun Monate vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren einen Bericht über die Befugnisübertragung. Die Befugnisübertragung verlängert sich stillschweigend um Zeiträume gleicher Länge, es sei denn, das Europäische Parlament oder der Rat widersprechen einer solchen Verlängerung spätestens drei Monate vor Ablauf des jeweiligen Zeitraums.

(3)   Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 13 Absatz 2 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.

(4)   Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen, im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen.

(5)   Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.

(6)   Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 13 Absatz 2 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um drei Monate verlängert.

Artikel 16

Ausschussverfahren

(1)   Die Kommission wird von einem Ausschuss für offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(2)   Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Artikel 17

Umsetzung

(1)   Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 17. Juli 2021 nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf die vorliegende Richtlinie Bezug. In diese Vorschriften fügen sie die Erklärung ein, dass Bezugnahmen in den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf die durch die vorliegende Richtlinie aufgehobenen Richtlinien als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme und die Formulierung dieser Erklärung.

(2)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 18

Bewertung durch die Kommission

(1)   Frühestens am 17. Juli 2025 führt die Kommission eine Bewertung dieser Richtlinie durch und übermittelt dem Europäischen Parlament und dem Rat sowie dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die wichtigsten Ergebnisse dieser Bewertung.

Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission alle erforderlichen Angaben zur Ausarbeitung des Berichts.

(2)   Bei der Bewertung werden insbesondere der Anwendungsbereich und die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Richtlinie geprüft, einschließlich

a)

des Steigerungsgrads der Weiterverwendung — vor allem durch KMU — von Dokumenten des öffentlichen Sektors, auf die diese Richtlinie anwendbar ist;

b)

der Auswirkungen der hochwertigen Datensätze;

c)

der Auswirkungen der angewandten Grundsätze für die Bemessung der Gebühren und Entgelte und der Weiterverwendung amtlicher Rechtsetzungs- und Verwaltungstexte;

d)

der Weiterverwendung von Dokumenten im Besitz anderer Einrichtungen als öffentlicher Stellen;

e)

der Verfügbarkeit und Verwendung von API;

f)

des Zusammenwirkens der Datenschutzvorschriften und der Möglichkeiten der Weiterverwendung;

g)

weiterer Möglichkeiten der Verbesserung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts und der Förderung der Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts.

Artikel 19

Aufhebung

Die Richtlinie 2003/98/EG in der Fassung der in Anhang II Teil A aufgeführten Richtlinie wird unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang II Teil B genannten Fristen für die Umsetzung der dort genannten Richtlinien in nationales Recht und der Zeitpunkte der Anwendung der Richtlinien in Anhang II Teil B mit Wirkung vom 17. Juli 2021 aufgehoben.

Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang III zu lesen.

Artikel 20

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 21

Adressaten

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am 20. Juni 2019.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

A. TAJANI

Im Namen des Rates

Der Präsident

G. CIAMBA


(1)  ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 238.

(2)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 4. April 2019 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 6. Juni 2019.

(3)  Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. November 2003 über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (ABl. L 345 vom 31.12.2003, S. 90).

(4)  Richtlinie 2013/37/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Änderung der Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (ABl. L 175 vom 27.6.2013, S. 1).

(5)  Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).

(6)  Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (ABl. L 77 vom 27.3.1996, S. 20).

(7)  Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41 vom 14.2.2003, S. 26).

(8)  Richtlinie 2007/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2007 zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft (INSPIRE) (ABl. L 108 vom 25.4.2007, S. 1).

(9)  Richtlinie 2010/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zum Rahmen für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (ABl. L 207 vom 6.8.2010, S. 1).

(10)  Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243).

(11)  Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1).

(12)  Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. L 293 vom 31.10.2008, S. 3).

(13)  Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (ABl. L 364 vom 12.12.1992, S. 7).

(14)  Richtlinie 2008/114/EG des Rates vom 8. Dezember 2008 über die Ermittlung und Ausweisung europäischer kritischer Infrastrukturen und die Bewertung der Notwendigkeit, ihren Schutz zu verbessern (ABl. L 345 vom 23.12.2008, S. 75).

(15)  Richtlinie (EU) 2016/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in der Union (ABl. L 194 vom 19.7.2016, S. 1).

(16)  Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65).

(17)  Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (ABl. L 327 vom 2.12.2016, S. 1).

(18)  Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).

(19)  Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10).

(20)  ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.

(21)  Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).

(22)  Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1).

(23)  ABl. C 305 vom 30.8.2018, S. 7.


ANHANG I

Liste der in Artikel 13 Absatz 1 genannten thematischen Kategorien hochwertiger Datensätze:

1.

Georaum

2.

Erdbeobachtung und Umwelt

3.

Meteorologie

4.

Statistik

5.

Unternehmen und Eigentümerschaft von Unternehmen

6.

Mobilität


ANHANG II

Teil A

Aufgehobene Richtlinie einschließlich Änderungen

(siehe Artikel 19)

Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

(ABl. L 345 vom 31.12.2003, S. 90).

 

Richtlinie 2013/37/EU des Europäischen Parlaments und des Rates

(ABl. L 175 vom 27.6.2013, S. 1).

 

Teil B

Fristen für die Umsetzung in nationales Recht und Zeitpunkte der Anwendung

(siehe Artikel 19)

Richtlinie

Umsetzungsfrist

Anwendungsbeginn

2003/98/EG

1. Juli 2005

1. Juli 2005

2013/37/EU

18. Juli 2015

18. Juli 2015


ANHANG III

ENTSPRECHUNGSTABELLE

Richtlinie 2003/98/EG

Vorliegende Richtlinie

Artikel 1 Absatz 1

Artikel 1 Absatz 1 Einleitung

 

Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a, b und c

Artikel 1 Absatz 2 Einleitung

Artikel 1 Absatz 2 Einleitung

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe e

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe ca

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe f

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe cb

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe g

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe cc

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe h

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe i

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe e

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe l

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe f

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe j

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe k

Artikel 1 Absatz 3

Artikel 1 Absatz 3

Artikel 1 Absatz 4

Artikel 1 Absatz 4

Artikel 1 Absatz 5

Artikel 1 Absatz 5

Artikel 1 Absatz 6 und 7

Artikel 2 Einleitung

Artikel 2 Einleitung

Artikel 2 Nummer 1

Artikel 2 Nummer 1

Artikel 2 Nummer 2

Artikel 2 Nummer 2

Artikel 2 Nummer 3 und 5

Artikel 2 Nummer 3

Artikel 2 Nummer 6

Artikel 2 Nummer 7 bis 10

Artikel 2 Nummer 4

Artikel 2 Nummer 11

Artikel 2 Nummer 5

Artikel 2 Nummer 12

Artikel 2 Nummer 6

Artikel 2 Nummer 13

Artikel 2 Nummer 7

Artikel 2 Nummer 14

Artikel 2 Nummer 8

Artikel 2 Nummer 15

Artikel 2 Nummer 9

Artikel 2 Nummer 4

Artikel 2 Nummer 16 und 17

Artikel 3

Artikel 3

Artikel 4 Absatz 1

Artikel 4 Absatz 1

Artikel 4 Absatz 2

Artikel 4 Absatz 2

Artikel 4 Absatz 3

Artikel 4 Absatz 3

Artikel 4 Absatz 4

Artikel 4 Absatz 4

Artikel 4 Absatz 5

Artikel 4 Absatz 5

Artikel 4 Absatz 6 Einleitung

 

Artikel 4 Absatz 6 Buchstabe a und b

Artikel 4 Absatz 6 Buchstabe a

Artikel 5 Absatz 1

Artikel 5 Absatz 1

Artikel 5 Absatz 2

Artikel 5 Absatz 2

Artikel 5 Absatz 3

Artikel 5 Absatz 3

Artikel 5 Absatz 4

Artikel 5 Absatz 5 bis 8

Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 1

Artikel 6 Absatz 1

Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 2

Artikel 6 Absatz 2 Einleitung

Artikel 6 Absatz 2 Einleitung

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c

Artikel 6 Absatz 3

Artikel 6 Absatz 3

Artikel 6 Absatz 4

Artikel 6 Absatz 4

Artikel 6 Absatz 5

Artikel 6 Absatz 6

Artikel 7 Absatz 1

Artikel 7 Absatz 1

Artikel 7 Absatz 2

Artikel 7 Absatz 2

Artikel 7 Absatz 3

Artikel 7 Absatz 4

Artikel 7 Absatz 3

Artikel 8

Artikel 8

Artikel 9

Artikel 9 Absatz 1

Artikel 9 Absatz 2

Artikel 10 Absatz 1 und 2

Artikel 10

Artikel 11

Artikel 11 Absatz 1

Artikel 12 Absatz 1

Artikel 11 Absatz 2

Artikel 12 Absatz 2

Artikel 11 Absatz 2a

Artikel 12 Absatz 3

Artikel 12 Absatz 4

Artikel 11 Absatz 3

Artikel 11 Absatz 4

Artikel 12 Absatz 5

Artikel 13 bis 16

Artikel 12

Artikel 17 Absatz 1

Artikel 17 Absatz 2

Artikel 13 Absatz 1

Artikel 18 Absatz 1

Artikel 13 Absatz 2

Artikel 13 Absatz 3

Artikel 18 Absatz 2 Einleitung

Artikel 18 Absatz 2 Buchstabe a bis g

Artikel 19

Artikel 14

Artikel 20

Artikel 15

Artikel 21

Anhang I, II und III