ISSN 1977-0642

Amtsblatt

der Europäischen Union

L 203

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Rechtsvorschriften

59. Jahrgang
28. Juli 2016


Inhalt

 

II   Rechtsakte ohne Gesetzescharakter

Seite

 

 

BESCHLÜSSE

 

*

Beschluss (EU) 2016/1208 der Kommission vom 23. Dezember 2015 über die staatliche Beihilfe Italiens zugunsten der Banca Tercas (SA.39451 (2015/C) (ex 2015/NN)) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2015) 9526)  ( 1 )

1

 

*

Durchführungsbeschluss (EU) 2016/1209 der Kommission vom 12. Juli 2016 zur Ersetzung des Anhangs zum Durchführungsbeschluss 2013/115/EU über das SIRENE-Handbuch und andere Durchführungsbestimmungen für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2016) 4283)

35

 


 

(1)   Text von Bedeutung für den EWR

DE

Bei Rechtsakten, deren Titel in magerer Schrift gedruckt sind, handelt es sich um Rechtsakte der laufenden Verwaltung im Bereich der Agrarpolitik, die normalerweise nur eine begrenzte Geltungsdauer haben.

Rechtsakte, deren Titel in fetter Schrift gedruckt sind und denen ein Sternchen vorangestellt ist, sind sonstige Rechtsakte.


II Rechtsakte ohne Gesetzescharakter

BESCHLÜSSE

28.7.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 203/1


BESCHLUSS (EU) 2016/1208 DER KOMMISSION

vom 23. Dezember 2015

über die staatliche Beihilfe Italiens zugunsten der Banca Tercas (SA.39451 (2015/C) (ex 2015/NN))

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2015) 9526)

(Nur der italienische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme gemäß den genannten Bestimmungen (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   VERFAHREN

(1)

Durch Presseberichte und die Websites der italienischen Bank Tercas-Cassa di Risparmio della Provincia di Teramo SpA und des italienischen Einlagensicherungssystems Fondo Interbancario di Tutela dei Depositi (im Folgenden „FITD“ oder „Fonds“) hat die Kommission erfahren, dass der FITD Maßnahmen zur Unterstützung der Bank durchgeführt hat.

(2)

Von der Kommission am 8. August und 10. Oktober 2014 an Italien übermittelte Auskunftsersuchen wurden am 16. September und 14. November 2014 beantwortet.

(3)

Mit Schreiben vom 27. Februar 2015 (im Folgenden „Einleitungsbeschluss“) unterrichtete die Kommission Italien über ihren Beschluss, wegen der Beihilfe das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einzuleiten.

(4)

Der Einleitungsbeschluss wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 24. April 2015 (2) veröffentlicht. Die Kommission hat alle Beteiligten aufgefordert, sich zu der Beihilfe zu äußern.

(5)

Am 2. April 2015 ging eine Stellungnahme Italiens bei der Kommission ein.

(6)

Am 22. Mai 2015 erhielt die Kommission Stellungnahmen von zwei Beteiligten, der Tercas-Cassa di Risparmio della Provincia di Teramo SpA und der Banca Popolare di Bari SCpA (BPB).

(7)

Am selben Tag gingen Stellungnahmen des FITD und der italienischen Zentralbank, Banca d'Italia, ein.

(8)

Am 9. Juni 2015 leitete die Kommission diese Stellungnahmen mit der Bitte um Antwort an Italien weiter. Italien teilte der Kommission mit, dass es zu den Stellungnahmen nichts anzumerken habe.

(9)

Am 13. August und 17. September 2015 fanden zwei Sitzungen mit Vertretern Italiens und der Beteiligten statt, auf denen Italien seine Argumente aus den zuvor übermittelten offiziellen Mitteilungen erläuterte.

2.   HINTERGRUND

2.1.   Tercas

(10)

Tercas-Cassa di Risparmio della Provincia di Teramo SpA ist die Holdinggesellschaft einer Bankengruppe (im Folgenden „Tercas“), die vorwiegend in der Region Abruzzen tätig ist. Ende 2011 hielt die Fondazione Tercas 65 % der Anteile und war damit Hauptanteilseignerin der Holdinggesellschaft.

(11)

Ende 2011 gehörte auch die Banca Caripe SpA (im Folgenden „Caripe“), eine vorwiegend in der Region Abruzzen tätige Regionalbank, zu Tercas. Ende 2010 hatte Tercas eine Beteiligung von 90 % an der Bank erworben, und die Finanzberichte von Tercas wurden entsprechend konsolidiert. Tercas verfügte über ein Kapital von 50 Mio. EUR und Rücklagen von 311 Mio. EUR.

(12)

Ebenfalls Ende 2011 wies Tercas eine konsolidierte Bilanzsumme von 5,3 Mrd. EUR, 4,5 Mrd. EUR Nettokundenkredite und 2,7 Mrd. EUR Kundeneinlagen aus und verfügte über 165 Zweigstellen und 1 225 Beschäftigte.

(13)

Am 17. April 2012 empfahl die Banca d'Italia dem italienischen Minister für Wirtschaft und Finanzen nach einer Prüfung von Tercas (3), die Bankengruppe nach Artikel 70 des italienischen Bankengesetzes (Testo Unico Bancario) unter Sonderverwaltung zu stellen.

(14)

Am 30. April 2012 ordnete der Minister für Wirtschaft und Finanzen an, Tercas unter Sonderverwaltung zu stellen (4). Die Banca d'Italia bestellte einen Sonderverwalter (commissario straordinario), der den Sachverhalt feststellen, Unregelmäßigkeiten beseitigen und nach Lösungen im Interesse der Einleger suchen sollte.

(15)

Auf der Suche nach einer Lösung für die Probleme bei Tercas prüfte der Sonderverwalter verschiedene Möglichkeiten. Zunächst zog er zwei Optionen in Betracht: eine Rekapitalisierung von Tercas entweder durch die Fondazione Tercas (Hauptanteilseignerin von Tercas) oder durch den Credito Valtellinese (zu 7,8 % beteiligt). Beide Möglichkeiten wurden wieder verworfen.

(16)

Im Oktober 2013 nahm der Sonderverwalter im Einvernehmen mit der Banca d'Italia Kontakt zur BPB auf, die vorbehaltlich einer Due-Diligence-Prüfung der Vermögenswerte von Tercas und Caripe bereit war, Tercas Kapital unter der Voraussetzung zuzuführen, dass das negative Eigenkapital von Tercas vollständig vom FITD gedeckt würde.

(17)

Am 25. Oktober 2013 ersuchte der Sonderverwalter auf der Grundlage von Artikel 29 der FITD-Satzung (Statuto) den FITD um Unterstützung bis zu 280 Mio. EUR in Form einer Rekapitalisierung zur Deckung des negativen Eigenkapitals (Stand 30. September 2013) von Tercas und einer Verpflichtung des FITD zum Erwerb wertgeminderter Vermögenswerte.

(18)

Auf einer Sitzung am 28. Oktober 2013 beschloss der Exekutivausschuss (Comitato di gestione) des FITD, die Unterstützung für Tercas nach Artikel 96-ter Absatz 1 Buchstabe d des Bankengesetzes bis zu einem Betrag von 280 Mio. EUR zu gewähren. Der Beschluss über die Unterstützungsmaßnahme wurde vom Verwaltungsrat (Consiglio) des FITD am 29. Oktober 2013 festgestellt.

(19)

Am 30. Oktober 2013 beantragte der FITD bei der Banca d'Italia die Genehmigung für diese Unterstützungsmaßnahme. Am 4. November 2013 erteilte die Banca d'Italia die Genehmigung. Letztlich hat der FITD diese Maßnahme jedoch nicht durchgeführt.

(20)

Eine Due-Diligence-Prüfung der Vermögenswerte von Tercas endete am 18. März 2014 mit Uneinigkeit zwischen den Experten des FITD und der Bankengruppe (BPB), die von der Holdinggesellschaft Banca Popolare di Bari SCpA kontrolliert wird. Die Angelegenheit konnte geklärt werden, nachdem sich die Parteien auf ein Schlichtungsverfahren verständigt hatten, das ein von der Banca d'Italia bestellter Schlichter leitete. Im Zuge der Due-Diligence-Prüfung wurden weitere Wertminderungen von Vermögenswerten festgestellt.

(21)

Am 1. Juli 2014 ersuchte der FITD die Banca d'Italia erneut, Unterstützung für Tercas zu genehmigen, jedoch zu geänderten Bedingungen.

(22)

Die Banca d'Italia hat die Unterstützungsmaßnahme zu geänderten Bedingungen (5) am 7. Juli 2014 genehmigt.

(23)

Die Banca d'Italia erteilte dem Sonderverwalter von Tercas die Genehmigung, für den 27. Juli 2014 eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen, auf der Maßnahmen zur Deckung der während der Sonderverwaltung entstandenen Verluste sowie eine gleichzeitige Kapitalerhöhung von 230 Mio. EUR durch die BPB beschlossen werden sollten.

(24)

Im Zeitraum 1. Januar 2012 bis 31. März 2014 beliefen sich die Verluste von Tercas auf 603 Mio. EUR. Nach einer Komplettabschreibung des verbleibenden Kapitals von 337 Mio. EUR belief sich das Nettoeigenkapital von Tercas am 31. März 2014 auf -266 Mio. EUR (6) und war somit negativ.

(25)

Am 27. Juli 2014 beschloss die Aktionärsversammlung (7) von Tercas:

1.

eine teilweise Deckung der Verluste, u. a. durch Herabsetzung des Kapitals auf null und Einziehung aller im Umlauf befindlichen Stammaktien, und

2.

eine Kapitalerhöhung auf 230 Mio. EUR durch die Ausgabe neuer Stammaktien, die ausschließlich der BPB angeboten werden sollten. Die Kapitalerhöhung erfolgte am 27. Juli 2014; finanziert wurde sie teilweise unter Verrechnung eines Kredits in Höhe von 480 Mio. EUR, den die BPB Tercas am 5. November 2013 gewährt hatte.

(26)

Im September 2014 rekapitalisierte Tercas seine Tochtergesellschaft Caripe durch eine Kapitalzufuhr von 75 Mio. EUR.

(27)

Am 1. Oktober 2014 wurde die Sonderverwaltung für Tercas aufgehoben, und die BPB setzte eine neue Geschäftsführung ein.

(28)

Am 30. September 2014, dem letzten Tag der Sonderverwaltung, verfügte Tercas über ein Gesamtvermögen von 2 994 Mio. EUR, Kundeneinlagen in Höhe von 2 198 Mio. EUR, erfüllte Nettokredite von 1 766 Mio. EUR, Wertberichtigungen für notleidende Kredite in Höhe von 716 Mio. EUR und ein Kernkapital (Tier 1) von insgesamt 182 Mio. EUR (8).

(29)

Im März 2015 zeichnete die BPB eine neue Kapitalerhöhung für Tercas von 135,4 Mio. EUR (einschließlich 40,4 Mio. EUR für ihre Tochtergesellschaft Caripe) zur Deckung weiterer Verluste aus dem vierten Quartal 2014 und von Umstrukturierungskosten der Jahre 2015 und 2016 sowie zur Verbesserung der Kapitalquoten von Tercas.

2.2.   BPB

(30)

Die Banca Popolare di Bari SCpA ist die Holdinggesellschaft der Bankengruppe BPB. Die BPB ist vorwiegend in Süditalien tätig. Ende 2013 verzeichnete die BPB eine Bilanzsumme von 10,3 Mrd. EUR, Kundenkredite von 6,9 Mrd. EUR und Kundeneinlagen von 6,6 Mrd. EUR; sie verfügte über 247 Zweigstellen und 2 206 Beschäftigte und verzeichnete eine Kernkapitalquote von 8,1 % und eine Gesamtkapitalquote von 11 %.

(31)

Im Dezember 2014 führte die BPB eine Kapitalerhöhung von 500 Mio. EUR durch; zu diesem Zweck wurden neue Aktien bis zu 300 Mio. EUR ausgegeben und ein nachrangiger Kredit (Tier 2) bis zu 200 Mio. EUR vergeben. Mit der Kapitalerhöhung wollte die BPB ihre durch die Übernahme von Tercas belasteten Kapitalquoten stärken.

2.3.   Das italienische Einlagensicherungssystem und der FITD

(32)

Nach Maßgabe der Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (9), die zu dem Zeitpunkt anzuwenden war, als der FITD seine Unterstützungsmaßnahme zugunsten von Tercas durchgeführt hat, darf ein Kreditinstitut Einlagen nur annehmen, wenn es einem amtlich anerkannten Einlagensicherungssystem angeschlossen ist (10). Nach Artikel 96 des italienischen Bankengesetzes müssen italienische Banken einem in Italien errichteten und anerkannten Einlagensicherungssystem angeschlossen sein. Genossenschaftsbanken (banche di credito cooperativo) schließen sich dem Einlagensicherungssystem an, das in ihrem Netz eingerichtet worden ist (11).

(33)

Zurzeit gibt es zwei italienische Einlagensicherungssysteme:

1.

Der am 10. Dezember 1996 als Einlagensicherungssystem anerkannte FITD ist ein privatrechtlich organisiertes Konsortium mit Pflichtmitgliedschaft (12). Bisher ist er das einzige in Italien etablierte und anerkannte Einlagensicherungssystem, das allen Banken außer Genossenschaftsbanken offensteht (13). Nach Artikel 2 der FITD-Satzung, die von der Banca d'Italia genehmigt wurde, treten italienische Banken mit Ausnahme von Genossenschaftsbanken dem Fonds bei.

2.

Der Fondo di Garanzia dei Depositanti del Credito Cooperativo steht ausschließlich Genossenschaftsbanken offen, die zur Mitgliedschaft in diesem Einlagensicherungsfonds verpflichtet sind.

(34)

Nach Artikel 96-bis des Bankengesetzes und Artikel 29 der FITD-Satzung kann der FITD unter bestimmten Voraussetzungen Mitglieder unterstützen, die unter Sonderverwaltung stehen.

(35)

Solche Maßnahmen werden durch Pflichtbeiträge der Mitgliedsbanken ex post finanziert. Nach den maßgeblichen Bestimmungen der FITD-Satzung (14) bemisst sich die Höhe der Beiträge nach den Stammeinlagen der jeweiligen Bank. Die Beiträge werden nicht direkt in der FITD-Bilanz, sondern auf einem separaten Konto für die jeweilige Unterstützungsmaßnahme verbucht.

(36)

Über die Durchführung von Unterstützungsmaßnahmen entscheiden die beiden Führungsgremien des FITD:

1.

Der Verwaltungsrat (15) entscheidet mit absoluter Mehrheit der Mitglieder, die in der beschlussfassenden Sitzung anwesend sind. Der Vorsitzende wird von den Mitgliedern des Verwaltungsrates bestimmt. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder bemisst sich nach den Stammeinlagen der jeweiligen Bank. Dadurch werden größere Einleger begünstigt, doch auch die Vertretung kleinerer Banken ist sichergestellt (16). Zurzeit gehören dem Verwaltungsrat 23 ordentliche Mitglieder an. Die meisten von ihnen sind Vertreter der größten Mitgliedsbanken (17); zurzeit entsenden Unicredit, Intesa Sanpaolo und Monte dei Paschi di Siena jeweils zwei Vertreter. Der Vorsitzende der Associazione Bancaria Italiana (ABI) ist ebenfalls Mitglied des Verwaltungsrates.

2.

Das andere Führungsgremium ist der Exekutivausschuss (18), der mit einfacher Mehrheit der Mitglieder entscheidet, die in der beschlussfassenden Sitzung anwesend sind. Mitglieder sind der Vorsitzende des Verwaltungsrates, der stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates, der zugleich stellvertretender Vorsitzender des Exekutivausschusses ist, und sechs weitere Mitglieder des Verwaltungsrates.

(37)

Unterstützungsmaßnahmen in Form von Finanzierung und Garantien beschließt der Exekutivausschuss (19), während der Verwaltungsrat auf Vorschlag des Exekutivausschusses über den Erwerb von Kapitalbeteiligungen und andere technische Unterstützungsmaßnahmen entscheidet (20).

3.   DIE MASSNAHMEN

(38)

Die von der Banca d'Italia am 7. Juli 2014 genehmigte Unterstützung des FITD umfasst folgende Maßnahmen:

1.    Maßnahme 1 : ein nicht rückzahlbarer Zuschuss in Höhe von 265 Mio. EUR zur Deckung des negativen Eigenkapitals von Tercas.

2.    Maßnahme 2 : eine über drei Jahre laufende Garantie in Höhe von 35 Mio. EUR zur Deckung des Kreditrisikos im Zusammenhang mit bestimmten Forderungen von Tercas gegen […] (21). Diese Forderungen (zwei Kredite mit Tilgungsaufschub, die am 31. März 2015 fällig wurden) wurden bei Fälligkeit von den Schuldnern vollständig zurückgezahlt; damit lief die Garantie aus, ohne in Anspruch genommen worden zu sein.

3.    Maßnahme 3 : eine Garantie bis zu 30 Mio. EUR zur Deckung zusätzlicher Kosten, die möglicherweise auf Steuerzahlungen im Rahmen von Maßnahme 1 anfallen würden. Mit diesen Steuerzahlungen wäre zu rechnen, wenn Maßnahme 1 nach italienischem Recht nicht als steuerbefreit gelten würde (*). Die Steuerbefreiung der Unterstützungsmaßnahmen des FITD musste nach Maßgabe der Rechtsvorschriften von der Europäischen Kommission genehmigt werden. In diesem Fall zahlte der FITD den gesamten Betrag von 30 Mio. EUR an Tercas aus, bevor die Kommission über die Steuerbefreiung entschieden hatte.

4.   GRÜNDE FÜR DIE EINLEITUNG DES VERFAHRENS

(39)

In ihrem Einleitungsbeschluss kam die Kommission zu dem vorläufigen Schluss, dass die Maßnahmen, die nicht angemeldet worden waren, möglicherweise staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 107 AEUV beinhalten und dass Zweifel hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt bestanden.

(40)

Die Kommission stellte vorläufig fest, dass die Unterstützungsmaßnahmen des FITD dem italienischen Staat zuzurechnen waren und dass die Mittel des FITD der Kontrolle öffentlicher Stellen unterlagen. Der FITD handelte im öffentlichen Auftrag, denn Grundlage für die Anerkennung des FITD als obligatorisches Einlagensicherungssystem war das Bankengesetz; nach Artikel 96-bis durfte der FITD bei einer Liquidation auch auf andere Weise als durch Entschädigung der Einleger tätig werden. Die Errichtung des FITD wurde von der Banca d'Italia genehmigt. Wenn der FITD in anderen Fällen als bei Liquidationen oder auf andere Weise tätig wurde, musste er dazu die Genehmigung der Banca d'Italia und damit des italienischen Staates einholen.

(41)

In der Frage, ob möglicherweise ein selektiver Vorteil gewährt wurde, stellte die Kommission fest, dass der FITD sich nicht wie ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber verhielt, da er einen nicht rückzahlbaren Zuschuss zur Deckung des negativen Eigenkapitals gewährte und für die zugunsten von Tercas bereitgestellten Garantien keine Gebühren erhob. Die Maßnahmen verhinderten einen Marktaustritt von Tercas, der ohne die Unterstützung vermutlich unumgänglich gewesen wäre.

(42)

Die Kommission kam zu dem vorläufigen Ergebnis, dass die Maßnahmen selektiv waren, da sie nur für Tercas galten, und dass sie eine Wettbewerbsverfälschung verursachten, weil die Insolvenz und der Marktaustritt von Tercas verhindert wurden. Da Tercas im Wettbewerb mit ausländischen Unternehmen stand, war auch der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt.

(43)

Falls es sich bei den Maßnahmen 1, 2 und 3 um Beihilfen handelte, wurde damit nach Einschätzung der Kommission gegen die Bestimmungen von Artikel 108 Absatz 3 AEUV verstoßen.

5.   STELLUNGNAHMEN ITALIENS UND DER BETEILIGTEN

5.1.   Staatliche Mittel und Zurechenbarkeit zum Staat

5.1.1.   Stellungnahme Italiens  (22)

(44)

Italien zufolge sind die hier in Rede stehenden Unterstützungsmaßnahmen nicht obligatorisch, denn über Zeitpunkt, Umfang und Auswahl der Maßnahmen entscheide allein der FITD. Zudem seien diese Maßnahmen nicht direkt mit den obligatorischen Aufgaben vergleichbar, die das Bankengesetz vorsieht. Sie seien vielmehr direkt auf einen anderen oder zumindest einen weiteren Zweck, nämlich Hilfe für Banken in Schwierigkeiten, ausgerichtet. Jede Übereinstimmung von Zielen in Bezug auf den Schutz von Einlegern sei rein zufällig. In diesem Zusammenhang sei der Verweis der Kommission auf das Urteil in der Sache Österreichisches Ökostromgesetz (23) verfehlt. Bei diesem Fall sei es um eine Steuerbefreiungsregelung gegangen, die per definitionem öffentlich-rechtlicher Natur gewesen sei und daher die Annahme gerechtfertigt habe, dass die Maßnahme dem Staat zuzurechnen war.

(45)

Weiter führt Italien aus, die Auslegung der Kommission, wonach es sich bei jeder Unterstützungsmaßnahme eines Einlagensicherungssystems um eine staatliche Beihilfe handelt, lasse sich durch die Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (24) (die von Italien noch nicht umgesetzt und deren Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war, als die Maßnahmen beschlossen wurden) nicht begründen. Auch die die Bankenmitteilung 2013 (25) biete keine Begründung für die Auslegung der Kommission in diesem Punkt. Um festzustellen, ob eine Entscheidung über den Einsatz eines Einlagensicherungsfonds dem Staat zuzurechnen ist, müsse nach Randnummer 63 der Bankenmitteilung jeder Einzelfall geprüft werden. Artikel 11 der Richtlinie 2014/49/EU schreibe jedoch nicht generell vor, dass jede Maßnahme eines Einlagensicherungsfonds vorab mitgeteilt werden muss. Die vorherige Anzeige bei der Kommission sei nur dann erforderlich, wenn bei einer Prüfung in dem betreffenden Fall festgestellt wurde, dass es sich bei der Unterstützungsmaßnahme um eine Beihilfe handelt.

(46)

Bei seiner Analyse der Zurechenbarkeit der FITD-Maßnahme zum Staat geht Italien von den Prüfkriterien im Urteil Stardust Marine (26) aus, die seiner Meinung nach im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen nicht zutreffen. Erstens sei der FITD eine privatrechtliche Einrichtung. Sämtliche Entscheidungen würden in der Hauptversammlung und den Führungsgremien getroffen, denen ausschließlich Vertreter der Mitgliedsbanken angehörten und die vollkommen unabhängig agierten. Die Entscheidungen über Unterstützungsmaßnahmen würden vollkommen unabhängig getroffen. Eine aktive Beteiligung der Banca d'Italia oder irgendeiner anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtung sei nicht vorgesehen. Dass ein Vertreter der Banca d'Italia an den Sitzungen der Führungsgremien des FITD teilnimmt, könne nicht als Hinweis auf eine aktive Beteiligung der Banca d'Italia am Entscheidungsprozess gewertet werden, da dieser Vertreter nur als passiver Beobachter teilnehme.

(47)

Italien zufolge nimmt die Banca d'Italia aufgrund ihrer Befugnis, der FITD-Satzung und Satzungsänderungen zuzustimmen und jede getroffene Maßnahme zu genehmigen, keinen Einfluss auf die eigenständige Entscheidungsfindung des FITD, da es sich um eine reine Ex-post-Genehmigung durch die Banca d'Italia in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde handele, die nach Maßgabe des Bankengesetzes für die Bewältigung von Krisen zuständig sei. Bei der Entscheidung der Banca d'Italia handele es sich um eine Ratifizierung, die sich auf eine rein formale nachträgliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit einer privaten Entscheidung beschränke, die in jeder Hinsicht bereits abgeschlossen sei. Dies werde durch die Fakten und insbesondere durch die Anordnung der Banca d'Italia zur Genehmigung der FITD-Maßnahme bestätigt, womit die Banca d'Italia kenntlich mache, dass sie keine Bewertung der Entscheidung des FITD vorgenommen hat. Zur Stützung seiner Argumentation macht Italien geltend, der vorliegende Fall weise Analogien zur Beihilfesache Sicilcassa (27) auf, in der die Kommission in Anbetracht der entscheidenden Beteiligung privater Einrichtungen zu dem Schluss kam, dass es sich bei der Maßnahme nicht um eine staatliche Beihilfe handelte.

(48)

Italien zufolge lässt sich aus den von der Kommission in ihrem Einleitungsbeschluss angeführten Argumenten nicht auf ein Eingreifen der Banca d'Italia in die Entscheidungsfindung des FITD schließen. Erstens könne ein Sonderverwalter, auch wenn er von der Banca d'Italia bestellt wird, keinen direkten Einfluss auf die Entscheidung des FITD über die Gewährung von Finanzmitteln für eine Bank in Schwierigkeiten nehmen. Vielmehr agiere er als Verwalter und gesetzlicher Vertreter der unter Sonderverwaltung stehenden Bank und nicht im Namen der Banca d'Italia, was bedeute, dass er alle privatrechtlichen Zuständigkeiten der aufgelösten Führungsgremien übernimmt. Zweitens bestreitet Italien, dass es irgendeinen Hinweis auf ein Eingreifen der Banca d'Italia gibt. Die Äußerung in einer Notiz des Generaldirektors des FITD vom 28. Mai 2014, dass der Vertreter der Banca d'Italia den Fonds aufgefordert habe, sich um eine ausgewogene Vereinbarung mit der BPB über die Deckung des negativen Eigenkapitals zu bemühen, sei als Wunsch und nicht als Befehl zu verstehen. Schließlich merkt Italien an, dass in keinem einzigen Protokoll, in dem es um die von den Führungsgremien des FITD getroffenen Entscheidungen über die Maßnahme zur Unterstützung von Tercas ging, eine Meinungsäußerung der Banca d'Italia zu finden sei, die den Eindruck vermitteln könnte, dass sie den Fonds beeinflusst hat.

5.1.2.   Stellungnahme der Banca d'Italia  (28)

(49)

In ihrer Stellungnahme zum Einleitungsbeschluss bestreitet die Banca d'Italia mit der folgenden Begründung, dass die Unterstützungsmaßnahmen des FITD dem Staat zuzurechnen sind:

1.

Die vom FITD gewährte Unterstützung für Kreditinstitute erfolge nicht im öffentlich-rechtlichen Auftrag.

2.

Die Banca d'Italia entscheide nicht gemeinsam mit dem FITD darüber, Unternehmen Unterstützung zu gewähren, weder generell noch im vorliegenden Fall, und sie prüfe auch nicht, ob der FITD gemäß irgendeinem ihm übertragenen öffentlich-rechtlichen Auftrag handelt.

3.

Der vorliegende Fall unterscheide sich erheblich von den in Fußnote 28 des Einleitungsbeschlusses genannten staatlichen Beihilfemaßnahmen Dänemarks, Spaniens und Portugals, bei denen die Kommission festgestellt hat, dass die für Maßnahmen im Zusammenhang mit Einlagensicherungssystemen verwendeten Mittel öffentlichen Behörden zur Verfügung standen und dass die Maßnahmen folglich dem Staat zuzurechnen waren.

(50)

Was den ersten Punkt betrifft, so besteht laut Banca d'Italia der einzige öffentliche Auftrag von Einlagensicherungssystemen darin, Einleger zu entschädigen. Nach Artikel 96-bis Absatz 1 letzter Satz des Bankengesetzes könne der FITD bei einer Liquidation gedeckte Einleger nicht nur direkt entschädigen, sondern auch auf andere Weise tätig werden. Diese Regelung könne weder als Hinweis darauf gesehen werden, dass Maßnahmen des FITD, bei denen es sich nicht um Entschädigungen für Einleger handelt, dem Staat zuzurechnen sind, noch als Übertragung eines öffentlichen Auftrags an den FITD gewertet werden. Die Bestimmung bedeute lediglich, dass auch andere Maßnahmen zulässig sind.

(51)

Die Ausführungen in der Richtlinie 2014/49/EU über den Ausfall von Kreditinstituten sagten lediglich aus, dass es bei den Maßnahmen im Allgemeinen darum gehe, die Kosten der Maßnahme, die dem Einlagensicherungssystem entstehen, dadurch zu begrenzen, dass die notwendige Entschädigung von Einlegern und damit ein Bankenausfall vermieden werde. Da die Richtlinie 2014/49/EU nicht verlange, dass Einlagensicherungssysteme bei der Kommission angezeigt werden müssen, sei die Entscheidungsfreiheit hinsichtlich solcher Maßnahmen an sich noch kein Beweis für einen öffentlichen Auftrag des Einlagensicherungssystems.

(52)

Der Banca d'Italia zufolge ist Artikel 29 der FITD-Satzung, wonach der FITD zur Unterstützung einer Bank unter Sonderverwaltung nur dann tätig werden kann, wenn die Sanierung Aussicht auf Erfolg hat und die Kosten voraussichtlich niedriger sein werden, als sie bei einer Liquidation wären, völlig anders auszulegen, als von der Kommission angenommen. Diese habe in ihrem Einleitungsbeschluss nämlich geltend gemacht, dass Italien seinem Einlagensicherungssystem gestattet hat, tätig zu werden, „um den Ausfall eines Kreditinstituts zu verhindern“.

(53)

Dass die Banca d'Italia Unterstützungsmaßnahmen des FITD genehmigen muss, bedeute nicht, dass der FITD ein Ziel im öffentlichen Interesse verfolgt. Sonst wären alle Bankenaktivitäten, die der Aufsicht der EZB oder der Banca d'Italia unterliegen, öffentlich-rechtliche Maßnahmen. Außerdem sei die Banca d'Italia nach Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates (29) verpflichtet, unabhängig vom Staat zu handeln.

(54)

Zum zweiten Punkt sei festzustellen, dass die Banca d'Italia ihre Aufsichtsfunktion nur insoweit ausübe, als es um den Schutz von Einlegern, die Stabilität des Bankensystems und eine solide, vernünftige Verwaltung der Banken gehe (Artikel 5 des Bankengesetzes). Artikel 96-ter Absatz 1 Buchstabe b des Bankengesetzes, wonach die Banca d'Italia die Tätigkeit der Sicherungssysteme koordiniert, indem sie Regeln für Bankenkrisen festlegt und Aufsichtsfunktionen wahrnimmt, bedeute nur, dass die Banca d'Italia ganz allgemein dafür zu sorgen habe, dass die Tätigkeit der Einlagensicherungssysteme mit ihrer Aufsichtsfunktion vereinbar sei. Diese Zuständigkeit beschränke sich auf die Genehmigung der getroffenen Maßnahmen.

(55)

Da die Banca d'Italia unabhängig vom Staat agieren müsse, könne die Wahrnehmung ihrer Zuständigkeit für den FITD, wenn dieser Unterstützungsmaßnahmen für eine durchführt, nicht als staatliche Kontrolle der Verwendung von Mitteln oder als Bindung an einen öffentlichen Auftrag betrachtet werden. Der vorliegende Fall sei eindeutig mit dem Urteil Doux Élevage (30) vergleichbar.

(56)

Außerdem führt die Banca d'Italia an, sie habe nichts zur Ausgestaltung oder Umsetzung der Unterstützungsmaßnahme des FITD beigetragen, und die Kontakte zwischen ihr und dem FITD, die dem förmlichen Antrag des FITD auf Genehmigung der Banca d'Italia vorausgingen, seien nicht als Beitrag zu diesen Maßnahmen anzusehen. Die Banca d'Italia habe lediglich ganz zu Anfang Hilfestellung gegeben, und zwar ausschließlich auf der Grundlage der gesetzlichen Parameter, die für das nachfolgende Genehmigungsverfahren maßgeblich waren.

(57)

Dass die Banca d'Italia den Sonderverwalter bestellt und beaufsichtigt hat, sei in diesem Fall bedeutungslos, da die Aufgaben und Zielsetzungen eines Sonderverwalters sich nicht wesentlich von denen eines „normalen“ Geschäftsführers eines privaten Unternehmens in Schwierigkeiten unterscheide, sodass der Sonderverwalter nicht im Namen der Banca d'Italia gehandelt habe.

(58)

Der Vertreter der Banca d'Italia, der an den Sitzungen des Verwaltungsrates und des Exekutivausschusses des FITD teilgenommen hat, habe dies lediglich als Beobachter ohne Stimmrecht getan. Dass eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem FITD und der BPB über das Ausmaß des negativen Eigenkapitals von Tercas durch einen von der Banca d'Italia bestellten Schlichter beigelegt wurde, sei irrelevant, da die Parteien selbst vollkommen unabhängig und im gegenseitigen Einvernehmen die Banca d'Italia gebeten hätten, eine Person vorzuschlagen, die sie dann als Schlichter bestellt hätten. Die BPB wäre wohl kaum einverstanden gewesen, die Banca d'Italia um die Benennung eines Schlichters zu ersuchen, wenn diese im FITD eine leitende und strategische Funktion gehabt hätte.

(59)

Zum dritten Punkt wird angemerkt, dass sich der vorliegende Fall von den in Erwägungsgrund 44 des Einleitungsbeschlusses genannten Fällen unterscheide, in denen die Kommission festgestellt hat, dass es sich bei den Eingriffen eines Einlagensicherungssystems in die Umstrukturierung und Liquidation von Banken um staatliche Beihilfen handelte.

(60)

Hinsichtlich der dänischen Abwicklungsregelung (31) sei Folgendes festzustellen: 1. Die Bedingungen für Unterstützungsmaßnahmen seien detailliert in nationalen Rechtsvorschriften geregelt. 2. Der für die Prüfung der Kosten der verschiedenen Optionen zuständige Ausschuss sei vom Minister für Wirtschaft und Finanzen eingesetzt worden. 3. Aufgabe dieses Ausschusses sei es gewesen zu prüfen, ob der Käufer in der Lage sein würde, die in Schwierigkeiten befindliche Bank zu betreiben, und ob die Lösung wirtschaftlich tragfähig wäre. 4. Die Entscheidung des Einlagensicherungssystems habe sich auf die Bewertung und Empfehlung des Ausschusses gestützt. 5. Der Verwaltungsrat des Einlagensicherungssystems sei vom Minister für Wirtschaft und Finanzen eingesetzt worden. 6. Die Vereinbarung zwischen der Käuferbank und dem Einlagensicherungssystem habe vom Minister genehmigt werden müssen.

(61)

Im Fall der polnischen Abwicklungsregelung für Kreditinstitute (32) seien die vom Einlagensicherungssystem gebotenen Anreize Bestandteil der Regelung gewesen, die von den polnischen Behörden entwickelt und bei der Kommission als staatliche Beihilfe angemeldet worden war. Das Einlagensicherungssystem sei von der Regierung durch Stimmrechte im Verwaltungsrat des Fonds kontrolliert worden. In mehreren Fällen sei der Finanzminister berechtigt gewesen, einzugreifen und Entscheidungen zu treffen, die sich direkt auf die Funktionsweise des Fonds ausgewirkt hätten. Außerdem sei der vom Finanzminister bestellte Vorsitzende des Verwaltungsrates des Fonds bei Stimmengleichheit stimmberechtigt gewesen.

(62)

Im Fall der Umstrukturierung von CAM und Banco CAM in Spanien (33) hätten die spanischen Behörden die finanzielle Unterstützung des Fonds für die geregelte Umstrukturierung von Banken (34) genutzt, der die Liquidation von Banken unterstützen sollte und vom Staat und vom staatlichen Einlagensicherungssystem kontrolliert wurde. Die Entscheidung des Fonds über diese Unterstützungsmaßnahme sei nicht unabhängig getroffen worden, sondern Teil eines umfassenden Umstrukturierungs- und Rettungsplans gewesen, der von den spanischen Behörden beschlossen und umgesetzt wurde.

5.1.3.   Stellungnahmen anderer Beteiligter

(63)

Zunächst wiesen die anderen Beteiligten — FITD, BPB und Tercas — ganz allgemein darauf hin, dass der öffentliche Charakter der Mittel und die Zurechenbarkeit zum Staat zwei Voraussetzungen seien, die beide erfüllt sein müssen. Private Mittel könnten nicht als öffentliche Mittel angesehen werden, nur weil eine Prüfung ergeben habe, dass die Verwendung dieser Mittel dem Staat zuzurechnen sei.

(64)

Den drei Beteiligten zufolge irrte die Kommission, als sie feststellte, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass Einlagensicherungssysteme staatliche Beihilfen gewähren, da sie im öffentlichen Auftrag handelten und unter behördlicher Aufsicht stünden. Nach Auffassung der Beteiligten steht in der Bankenmitteilung 2013 nichts davon, dass die Unterstützungsmaßnahmen von Einlagensicherungssystemen staatliche Beihilfen seien. Die Richtlinie 94/19/EG sage nichts über die Vereinbarkeit von alternativ zur Entschädigung von Einlegern getroffene Maßnahmen mit Vorschriften für staatliche Beihilfen, und die Richtlinie 2014/49/EU enthalte keine Bewertung hinsichtlich der Vereinbarkeit solcher Maßnahmen mit den Vorschriften für staatliche Beihilfen.

(65)

Die Beteiligten meinen, die Kommission sei zu dem vorläufigen Schluss gekommen, dass die Maßnahmen des FITD allein deshalb dem Staat zuzurechnen waren, weil sie gesetzlich vorgeschrieben waren. Der Gerichtshof habe in seinen Urteilen in den Sachen PreussenElektra (35) und Doux Élevage (36) jedoch ausdrücklich festgestellt, dass eine Maßnahme nicht allein aufgrund der Tatsache, dass sie nach nationalem Recht vorgeschrieben ist, den Charakter einer staatlichen Beihilfe hat. In der Sache Österreichisches Ökostromgesetz (37) habe das Gericht viele weitere Elemente berücksichtigt, die den Einfluss und die Kontrolle des Staates hinsichtlich der für die Kontrolle der betreffenden Maßnahme zuständigen Gesellschaft ÖMAG erkennen ließen.

(66)

Die Beteiligten meinen, man müsse die italienischen Rechtsvorschriften und die Entscheidungsmechanismen des FITD in Bezug auf Unterstützungsmaßnahmen, die irreversible Bankenkrisen abwenden sollen, nur richtig interpretieren, um zu verstehen, dass die Begründungen der Kommission zur Stützung ihrer vorläufigen Schlussfolgerung, der FITD sei auf öffentlichen Auftrag hin tätig geworden worden, nicht stichhaltig seien. Sie beriefen sich darauf, dass nach Artikel 96-bis des Bankengesetzes lediglich vorgesehen sei, dass Einlagensicherungssysteme andere Arten und Formen von Maßnahmen anwenden können  (38). Es seien keine obligatorischen Maßnahmen, was bedeute, dass die Maßnahme des FITD von seiner satzungsgemäßen Aufgabe losgelöst sei.

(67)

Die drei Beteiligten weisen darauf hin, dass seit der Errichtung des FITD im Jahr 1987 und vor Inkrafttreten von Artikel 96-bis des Bankengesetzes andere Maßnahmen als die Entschädigung von Einlegern zur Verfügung gestanden hätten.

(68)

Der FITD bezeichnet sich als eine privatrechtliche Einrichtung, die von ihren Mitgliedsbanken verwaltet werde und Maßnahmen umsetze, die den Mitgliedsbanken direkt zuzurechnen seien. Die dabei verwendeten Mittel gehörten nach wie vor den Mitgliedsbanken. Außerdem hätten die Führungsgremien des FITD, denen ausschließlich Vertreter der Mitgliedsbanken angehören, die Unterstützung für Tercas beschlossen. Aus schriftlichen Unterlagen gehe hervor, dass die Führungsgremien des FITD mögliche Alternativen und die Anwendung des Prinzips der geringsten Kosten sorgfältig geprüft haben, um die Interessen der Mitgliedsbanken durch Kostensenkung und Risikominderung besser zu schützen.

(69)

Dem FITD zufolge hat sein Führungsgremium nach eigenem Ermessen entschieden, wann und wie Unterstützungsmaßnahmen getroffen werden sollten. Die einzige Vorgabe sei gewesen, dass die Maßnahme weniger kosten sollte als die Entschädigung der Einleger. Seine Unterstützungsmaßnahmen beschließe der FITD nicht aufgrund eines öffentlichen Auftrags. Die Satzung des FITD entspreche voll und ganz den maßgeblichen Rechtsvorschriften; dabei seien alternative Maßnahmen nicht einmal vorgesehen oder sogar ausdrücklich verboten. Keine öffentliche Einrichtung könne den FITD veranlassen, tätig zu werden. Durch die nachträgliche Genehmigung der Banca d'Italia solle lediglich sichergestellt werden, dass die beschlossene Maßnahme für die begünstigte Bank auch nach Einschätzung des Aufsichtsgremiums angemessen und mit dem erforderlichen Schutz der Einleger und der Stabilität des Bankensystems zu vereinbaren ist.

(70)

Darüber hinaus weisen die drei Beteiligten darauf hin, dass die Mitgliedschaft im FITD in der Satzung nicht vorgeschrieben sei und dass die Banken auch ein alternatives Einlagensicherungssystem errichten könnten, dem sie sich anschließen. Speziell für Genossenschaftsbanken (39), die nicht dem FITD angehören, gebe es ein eigenes Einlagensicherungssystem, den Fondo di Garanzia dei Depositani del Credito Cooperativo.

(71)

Den Beteiligten zufolge gibt es keine Einmischung vonseiten des Staates, weder bei der Benennung der Mitglieder für die Führungsgremien des FITD noch bei dessen Entscheidungsfindung. (Dass die Banca d'Italia als Beobachterin ohne Stimmrecht teilnimmt, habe keinen Einfluss auf die Entscheidungsfindung des FITD.) Sie weisen auf den Beschluss zur Rettung der dänischen Roskilde Bank (40) hin, in dem die Kommission festgestellt habe, dass eine Einrichtung, die eine Garantie bereitgestellt hatte, ihre Beschlüsse eigenständig gefasst hatte. Nach dieser Feststellung sei die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass bei der Garantie für eine in Schwierigkeiten befindliche Bank, die von einem Verbund aus inländischen Banken, der ausschließlich von diesen Banken finanziert wurde, um Finanzinstitute zu unterstützen, keine staatlichen Mittel beteiligt waren. Unter Verweis auf das Urteil EARL Salvat père et fils (41) vertreten die drei Beteiligten die Auffassung, dass es sich nur um staatliche Beihilfen handeln könne, wenn der Staat an den Entscheidungsgremien der Einrichtung beteiligt ist und auf deren Beschlüsse Einfluss nehmen kann.

(72)

Den drei Beteiligten zufolge vertritt der FITD die Interessen seiner Mitgliedsbanken. Die Banca d'Italia sei hinsichtlich der Maßnahmen des FITD lediglich befugt, ihrer allgemeinen Aufsichtspflicht nachzukommen und insbesondere die ordnungsgemäße Verwaltung der von ihr beaufsichtigten Gremien zu überwachen und die Interessen der Einleger zu schützen. Da die Aufgabe der Banca d'Italia generell darin bestehe, die Aktivitäten von Einlagensicherungssystemen durch die Regelungen für Bankenkrisen und ihre eigene Aufsichtstätigkeit zu koordinieren, sei dies kein Hinweis darauf, dass die Mittel des FITD ständig vom Staat kontrolliert werden.

(73)

Dass die Banca d'Italia einen Sonderverwalter für eine Bank in der Krise benennt, sei kein Hinweis auf eine Verbindung zum öffentlichen Sektor, denn nach der gesetzlichen Regelung (Artikel 70 ff. Bankengesetz) sei dies eine reine Verfahrensfrage, und ihre Logik und ihre Grundlage seien durch die Besonderheiten des Sektors zu erklären. Zudem lasse sich mit der simplen Behauptung, eine Maßnahme verfolge Ziele im öffentlichen Interesse, keineswegs begründen, dass es sich dabei um staatliche Beihilfen handele (42).

(74)

Die Befugnis der Banca d'Italia, einzelne Maßnahmen nach Artikel 96-ter Absatz 1 Buchstabe d des Bankengesetzes und Artikel 3 Absatz 2 der FITD-Satzung zu genehmigen, entbinde den FITD nicht von seiner Pflicht zu einer unabhängigen Beurteilung, ob alternative Maßnahmen zu treffen sind, und wenn ja, über Zeitpunkt, Umfang und Form zu entscheiden. Bei der von der Banca d'Italia erteilten Genehmigung handele es sich um reine Ex-post-Kontrollen der vom FITD eigenständig beschlossenen Maßnahmen, die lediglich die Wahrung des allgemeinen Interesses sicherstellen sollen, für das die Banca d'Italia verantwortlich ist.

(75)

Die drei Beteiligten verweisen auch auf den Beschluss über die Beihilfe für die Banco di Sicilia und die Sicilcassa (43), in dem die Kommission festgestellt habe, dass die Maßnahme des FITD zugunsten dieser Banken keine staatliche Beihilfe war, ohne die Rolle der Banca d'Italia hinsichtlich der Tätigkeit des FITD zu prüfen.

(76)

Die drei Beteiligten meinen, dass die öffentliche Aufsicht über den FITD wie in der Sache Doux Élevage über eine rein formale Prüfung der Validität und Rechtmäßigkeit seines Vorgehens nicht hinausgehe; sie erstrecke sich nicht auf die Überprüfung der politischen Angemessenheit oder der Vereinbarkeit mit den Verfahrensweisen der Behörden. Wie in der Sache Doux Élevage entscheide der FITD selbst über die Verwendung seiner Mittel. Und auch in der Sache Pearle (44) habe der niederländische Staat bestätigt, dass die von Einrichtungen wie der HBA beschlossenen Regelungen zur Erhebung der Abgaben, um die es dabei ging, von den Behörden genehmigt werden mussten.

(77)

Der FITD weist darauf hin, dass der Sonderverwalter zwar von der Banca d'Italia bestellt wurde, jedoch kein Vertreter der Aufsichtsbehörde sei. Der Sonderverwalter arbeite weitgehend im eigenen Ermessen und auf eigene Initiative. Er könne den FITD lediglich ersuchen, tätig zu werden, doch der FITD sei keineswegs dazu verpflichtet und frei in seiner Entscheidung, alternative Maßnahmen im Interesse seiner Mitgliedsbanken durchzuführen. Im vorliegenden Fall habe der Sonderverwalter die Hauptversammlung der Bank nicht abgelöst, die als Einzige zur Genehmigung außerordentlicher Maßnahmen befugt gewesen sei. Außerdem habe die Banca d'Italia ihre Genehmigung erst erteilt, nachdem der FITD eigenständig entschieden hatte, tätig zu werden. Diese Genehmigung der Banca d'Italia sei Teil ihrer normalen Aufsichtsfunktion. Der Vertreter der Banca d'Italia, der an den Sitzungen von Verwaltungsrat und Exekutivausschuss des FITD teilnimmt, sei lediglich Beobachter ohne Stimmrecht.

(78)

Der Schlichter für die Meinungsverschiedenheit zwischen dem FITD und der BPB über die Höhe des negativen Eigenkapitals von Tercas sei nicht von der Banca d'Italia, sondern auf ihre Empfehlung von den Parteien selbst (FITD und BPB) bestellt worden. Durch die Bestellung eines Schlichters sollte der Streit beigelegt werden. Jede Entscheidung über die Kostenwirksamkeit der Maßnahmen aus Sicht der Mitgliedsbanken sei einzig und allein Sache des FITD gewesen.

(79)

Die von der Kommission angeführten Fälle im Zusammenhang mit Einlagensicherungssystemen seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Die drei Beteiligten führen hierzu die gleichen Argumente wie Italien an. Sie fügen ergänzend hinzu, dass es bei der dänischen Abwicklungsregelung und der polnischen Abwicklungsregelung für Kreditinstitute um Maßnahmen gegangen sei, die von Einlagensicherungssystemen im Zusammenhang mit der Liquidation von Banken getroffen wurden, und nicht um präventive Maßnahmen, die auf eine langfristige Erholung der Banken abzielten.

5.2.   Vorteil

5.2.1.   Stellungnahme Italiens

(80)

Italien zufolge wendet die Kommission den Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers an, wie er im Zusammenhang mit den jüngsten Fällen von Bankenumstrukturierungen entwickelt wurde (Kriterium der Lastenverteilung). Dabei habe sie jedoch übersehen, dass das Kriterium der Lastenverteilung für die Bewertung der Rationalität des Verhaltens einer privaten Einrichtung irrelevant ist, weil es in erster Linie auf den Schutz der Interessen der Allgemeinheit (aller Steuerzahler) und nicht auf den Schutz der besonderen Interessen derer abziele, die unmittelbar von der insolventen Bank betroffen sind (zu denen der FITD gehört). Außerdem habe sich der FITD an den Grundsatz der geringsten Kosten gehalten. Bei der Entscheidung, zugunsten von Tercas tätig zu werden, habe sich der FITD um eine Lösung bemüht, die seine Mitgliedsbanken finanziell so wenig wie möglich belasten sollte. Dabei habe er sich auf das Gutachten einer angesehenen Beratungsfirma gestützt und lange Diskussionen im Verwaltungsrat und im Exekutivausschuss geführt.

(81)

Italien meint, die Kommission habe für ihren Vergleich zwischen der Reorganisation von Tercas und dem Alternativszenario einer Liquidation nicht die richtigen Zahlen verwendet. Zum Vergleich zwischen Sanierung und Liquidation müsse zunächst der Posten […] abgezogen werden, dessen Risiko bei der Schätzung der Liquidationskosten nicht berücksichtigt worden sei. Nach Abzug dieses Betrages würde die Rettungsmaßnahme nicht mehr als 295 Mio. EUR kosten, während sich die Kosten für die Liquidation schätzungsweise auf 333 Mio. EUR belaufen würden. Nach der von Italien vorgenommenen Berechnung beträgt die tatsächliche Differenz zwischen den beiden Szenarien fast 40 Mio. EUR und nicht 3 Mio. EUR, wie es die Kommission in ihrer vorläufigen Einschätzung im Einleitungsbeschluss angegeben hat.

(82)

Italien zufolge ist die Maßnahme des FITD auf jeden Fall mit dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers vereinbar. Erstens habe der FITD von Tercas nicht verlangen können, den nachrangigen Gläubigern eine Lastenteilung über ihre jeweiligen vertraglichen Kreditvereinbarungen hinaus aufzubürden, die eine Abschreibung nur für den Fall der Liquidation vorsehen. Zweitens hätte eine Lastenverteilung auf nachrangige Gläubiger die Kosten für die Mitgliedsbanken des FITD ohnehin nicht senken können. Die Einschätzung der Kommission, dass sich die Kosten für die Mitgliedsbanken und dementsprechend für den FITD im Fall einer verwaltungsbehördlichen Zwangsliquidation (liquidazione coatta amministrativa) von Tercas verringert hätten, wenn nachrangige Gläubiger einen Teil der Verluste hätten tragen müssen, sei falsch. Italien stützt sich auf die Protokolle der Sitzungen von Verwaltungsrat und Exekutivausschuss des FITD und meint, durch die letztlich vom FITD getroffenen Maßnahmen sei das Risiko vermieden worden, dass auf Verluste der nachrangigen Gläubiger möglicherweise juristische Schritte gefolgt wären. Italien weist darauf hin, dass durch das Vorgehen des FITD negative Folgen für die Reputation des Bankensystems vermieden worden seien, die unvermeidlich gewesen wären, wenn im Falle einer verwaltungsbehördlichen Zwangsliquidation von Tercas nachrangige Kredite nicht hätten zurückgezahlt werden können.

(83)

Nach Auffassung Italiens entsprach die Entscheidung des FITD, nachrangige Einleger nicht mit einzubeziehen, somit dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers. Sie habe den FITD und seine Mitgliedsbanken vor weiteren Kosten bewahrt.

5.2.2.   Stellungnahme der Banca d'Italia

(84)

Der Kommission liegt keine Stellungnahme der Banca d'Italia zum selektiven Vorteil der getroffenen Maßnahmen vor.

5.2.3.   Stellungnahmen anderer Beteiligter

(85)

Unter dem Aspekt des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers vertreten anderen drei Beteiligten hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen die Auffassung, es habe sich um eine vernünftige, fundierte Entscheidung für private Unternehmen wie den FITD und seine Mitgliedsbanken gehandelt. Diesen Beteiligten zufolge weist der vorliegende Fall Ähnlichkeit mit der Beihilfesache Sicilcassa auf, in der die Kommission in Anbetracht der entscheidenden Beteiligung privater Einrichtungen zu dem Schluss kam, dass es sich bei den Maßnahmen nicht um staatliche Beihilfen handelte. Wie in der Sache Sicilcassa habe der FITD auch hier gemäß den Rechtsvorschriften für Einlagensicherungssysteme die Entschädigung von Einlegern garantiert. Die Maßnahmen des FITD seien von den gleichen Führungsgremien nach den gleichen Kriterien beschlossen worden, und die Banca d'Italia habe die gleichen Funktionen innegehabt. Inzwischen gebe es in Italien keine staatlich kontrollierten Banken mehr, sodass dem FITD jetzt ausschließlich Privatbanken angehören. Deshalb könne der FITD nur als private Einrichtung handeln.

(86)

Die drei Beteiligten haben frühere vom FITD durchgeführte alternative Maßnahmen und ihre wirtschaftliche Logik geprüft (45), darunter auch Fälle aus der Zeit, als die Teilnahme an einem Einlagensicherungssystem noch freiwillig war. Privatunternehmen hätten sich dafür entschieden, einem Einlagensicherungssystem beizutreten, auch als sie gesetzlich noch nicht dazu verpflichtet waren. Die Beteiligten weisen die These zurück, dass einem marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber keine Kosten durch die Entschädigung von Einlegern entstehen würden und dass er weder nicht rückzahlbare Beiträge noch Garantien ohne Prämie leisten würde, wie es die Kommission in ihrem Einleitungsbeschluss festgestellt hat.

(87)

Außerdem betonen die drei Beteiligten, dass die Vorgehensweise des FITD und seiner Mitgliedsbanken nicht abstrakt durch Verweis auf ein hypothetisches, nicht geregeltes Szenario bewertet werden dürfe, sondern nach Maßgabe der Vorschriften bewertet werden müsse, die für ihre Tätigkeit gelten. Wenn wie im vorliegenden Fall die vorgeschriebene Rückzahlung von Einlagen bis zu einem bestimmten Höchstwert bedeute, dass die für die Mitgliedsbanken kostengünstigste Maßnahme das negative Eigenkapital decken soll, wäre die Deckung des negativen Eigenkapitals aus Sicht eines privaten Wirtschaftsbeteiligten in einer Marktwirtschaft die vernünftigste Entscheidung.

(88)

Die drei Beteiligten widersprechen der Kommission, die argumentiert hatte, dass im Falle einer verwaltungsbehördlichen Zwangsliquidation von Tercas die Kosten für die Entschädigung von Einlegern bei der Anwendung des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers nicht berücksichtigt werden dürften, da sie sich aus den Verpflichtungen des FITD als Einlagensicherungssystem zum Schutz von Einlegern im öffentlichen Interesse ergäben. Im Fall der Abwicklung der portugiesischen Banco Espíríto Santo (46) habe die Kommission ausgeführt, dass bei Anwendung des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers die Kosten für die Entschädigung von Einlegern einbezogen werden müssten. Die Kommission könne den vorliegenden Fall auch nicht mit dem Urteil des Gerichtshofs in der Sache Land Burgenland (47) vergleichen, da der Gerichtshof in diesem Fall unterschieden habe, ob der Staat die Maßnahme in seiner Eigenschaft als Anteilseigner oder als Träger öffentlicher Gewalt getroffen habe.

(89)

Die drei Beteiligten weisen darauf hin, dass die Maßnahmen nach dem Kriterium der geringsten Kosten gestaltet worden seien und dass ein angesehenes Wirtschaftsprüfungsunternehmen damit beauftragt worden sei, die kostengünstigste und am wenigsten riskante Lösung für die Mitgliedsbanken zu finden. Auf dieser Grundlage habe der FITD eine Reihe von Maßnahmen gestaltet, die es ihm ermöglichten, die Kosten für die Mitgliedsbanken erheblich zu senken, die mit einer Liquidation verbundenen Risiken abzuwenden und mögliche negative Externalitäten zu vermeiden, die eine verwaltungsbehördliche Zwangsliquidation von Tercas mit sich gebracht hätte.

(90)

Zur Einschätzung, ob die Gesamtkosten der Unterstützungsmaßnahmen für den FITD niedriger waren, als sie bei der Liquidation von Tercas gewesen wären, meinen die drei Beteiligten, dass die Kommission die Kosten der Garantie zur Deckung des Kreditrisikos von Krediten mit Tilgungsaufschub für […] bei ihrer Kostenbewertung der Unterstützungsmaßnahme nicht hätte berücksichtigen dürfen. Sie seien nicht in die geschätzten Kosten eingeflossen, die dem FITD bei der Liquidation von Tercas entstanden wären. Entsprechend fehlerhaft sei die Berechnung der Kommission, wonach die Kostenersparnis durch die Maßnahme nur 3 Mio. EUR betragen habe. In dem […] Bericht, in dem die kostengünstigste und am wenigsten riskante Lösung für den FITD und seine Mitgliedsbanken aufgezeigt wurden, sei das mit den […] Krediten verbundene Risiko in Höhe von ca. 35 Mio. EUR bei einer verwaltungsbehördlichen Zwangsliquidation nicht berücksichtigt worden. Um die beiden Szenarien — Entschädigung der Einleger und alternative Maßnahmen — richtig miteinander zu vergleichen, müsse für den Vergleich zwischen Sanierung und Liquidation zunächst der Posten […] abgezogen werden, dessen Risiko bei der Schätzung der Liquidationskosten nicht berücksichtigt worden sei (48). Der Vergleich sei zwischen einer Zusage von maximal 295 Mio. EUR für die Rettungsmaßnahme und geschätzten Liquidationskosten von 333 Mio. EUR anzustellen (49). Deshalb beträgt die tatsächliche Differenz zwischen den beiden Szenarien nach Meinung der drei Beteiligten mindestens 38 Mio. EUR. Für diese Sicht spreche auch, dass die von der FITD-Garantie gedeckten Kredite tatsächlich an Tercas zurückgezahlt wurden (50). Der FITD habe die Garantie in Höhe von 35 Mio. EUR, die von der Kommission fälschlicherweise in ihre Berechnung der Kosten für die Maßnahme einbezogen worden seien, gar nicht ausbezahlt.

(91)

Zur Bewertung der geringsten Kosten dürfe der Betrag von 30 Mio. EUR, der sich aus der Steuerbefreiung ergibt, nicht vollständig in die Kosten eingerechnet werden. Diese Kosten würden für den FITD nur dann anfallen, wenn die Kommission die Steuerbefreiung nicht genehmigen sollte.

(92)

Die drei Beteiligten verweisen auf geschätzte Ausgaben in Höhe von 1,9 Mrd. EUR, die bei einer Liquidation angefallen wären und von denen nur ein Teil hätte zurückgefordert werden können (im […] Bericht auf 1,5 Mrd. EUR veranschlagt). Sie argumentieren, dass die 1,9 Mrd. EUR an Einlagen, die bei einer Liquidation durch das Einlagensicherungssystem nicht gedeckt gewesen wären, ein Risiko für die Mitgliedsbanken und das gesamte Bankensystem bedeutet hätten. Ein derartiges Risiko hätte möglicherweise enorme rechtliche Folgen und Auswirkungen auf die Reputation gehabt. Wenn Tercas zwangsweise abgewickelt worden wäre, hätten sich nach Einschätzung der Beteiligten die Aussichten auf Rückzahlung eines Teils der ursprünglichen Kosten von schätzungsweise 1,9 Mrd. EUR durch die Entschädigungsforderungen nachrangiger Gläubiger möglicherweise weiter verschlechtert.

(93)

Der […] Bericht, auf dessen Grundlage der FITD die geringsten Kosten ermittelt hat, basierte auf der Bilanzsituation am 31. Dezember 2013. Den drei Beteiligten zufolge hat die BPB dem FITD aber am 31. Juli 2014 eine aktualisierte Bewertung der Folgen des Liquidationsszenarios an dem Tag vorgelegt, an dem die außerordentliche Aktionärsversammlung zur Rekapitalisierung von Tercas stattfand und die Unterstützungsmaßnahmen formal festgelegt wurden. In dieser aktualisierten Bewertung seien die Kosten auf [350-750] Mio. EUR veranschlagt worden. Die Differenz zwischen diesem Betrag und dem Schätzwert im Bericht auf der Grundlage der Situation am 31. Dezember 2013 sei auf die Umgruppierung von Bilanzposten, die am 31. Dezember 2013 als „erfüllt“ und am 31. Juli 2014 als „notleidend“ erfasst worden seien, sowie auf den gestiegenen Betrag der Einlagen zurückzuführen, die der FITD hätte zurückzahlen müssen.

(94)

Die drei Beteiligten weisen das Argument der Kommission zurück, dass die genannten Kosten der Unterstützungsmaßnahmen für den FITD durch Abschreibung der nachrangigen Schuldtitel weiter hätten gesenkt werden können. Als der FITD einzugreifen beschlossen habe, sei ein Bail-in für nachrangige Schuldtitel gesetzlich nicht zulässig gewesen. Die Abschreibung von Schuldtiteln sei nach italienischem Recht nur bei einer verwaltungsbehördlichen Zwangsliquidation möglich. Wäre ein solches Bail-in versucht worden, hätten die Mitglieder des FITD sofort gewaltige Ausgaben ohne Aussicht auf Rückzahlung gehabt. Streitigkeiten mit nachrangigen Gläubigern hätten die Liquidationskosten und die Kosten für die Mitglieder des FITD durch den Wertverlust der abgewickelten Vermögenswerte in die Höhe getrieben. Der nachfolgende Spill-over-Effekt hätte sich negativ auf das Kundenvertrauen und auf die Reputation und die Stabilität des Bankensystems ausgewirkt. Außerdem meinen die drei Beteiligten, die Mehrheit der nachrangigen Gläubiger von Tercas seien einzelne Sparer und Einleger gewesen und der Sonderverwalter habe bereits die einzige mögliche Lastenverteilung gegenüber nachrangigen Gläubigern gewählt, die darin bestand, Kuponzahlungen auf die von der Banco Popolare Sc. gehaltenen Anleihen auszusetzen.

(95)

Schließlich führen die drei Beteiligten an, dass der […] Bericht in seiner Analyse der geringsten Kosten nicht vom pessimistischsten Bewertungsszenario ausgegangen sei. Die geschätzten Liquidationskosten basierten a) auf der Möglichkeit, eine Partei zu finden, die bereit sein würde, im Falle der Liquidation einige Zweigstellen zu übernehmen, und b) auf der Freistellung von Beschäftigten, die nicht in andere Zweigstellen versetzt werden konnten, mit einer Abfindung in Höhe von zwölf Monatsgehältern für jeden Beschäftigten. Der […] Bericht, den der FITD als Grundlage für seine Entscheidung zum Eingreifen verwendete, basierte auf einem vorläufigen Szenario, doch es seien auch andere Worse-Case-Szenarien herangezogen worden.

(96)

Außerdem sei anzunehmen, dass Tercas durch die Maßnahme des FITD kein Vorteil verschafft worden sei, da sie zusammen mit der Kapitalzufuhr für Tercas durch die BPB durchgeführt worden sei, die erheblichen Umfang hatte und mit der Maßnahme des FITD vergleichbar war.

(97)

Insofern sei davon auszugehen, dass dies die Maßnahme mit den niedrigsten Kosten und den geringsten Risiken für die Mitgliedsbanken des FITD war.

5.3.   Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt

5.3.1.   Stellungnahme Italiens

(98)

Der Kommission liegt keine Stellungnahme Italiens zur Vereinbarkeit der Maßnahmen mit dem Binnenmarkt vor.

5.3.2.   Stellungnahme der Banca d'Italia

(99)

Der Kommission liegt keine Stellungnahme der Banca d'Italia zur Vereinbarkeit der Maßnahmen mit dem Binnenmarkt vor.

5.3.3.   Stellungnahmen anderer Beteiligter

(100)

Die anderen drei Beteiligten meinen, dass die Maßnahmen auch dann mit dem Binnenmarkt vereinbar seien, wenn es sich um staatliche Beihilfen handeln sollte. Sie sind der Auffassung, dass Tercas dank des Umstrukturierungsplans langfristig seine Rentabilität wiederherstellen könne, dass das Eingreifen des FITD auf das notwendige Minimum beschränkt sei und dass die Maßnahmen jede mögliche Auswirkung auf die Wettbewerbsstruktur des Marktes begrenzen würden.

(101)

Hinsichtlich der Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität meinen die drei Beteiligten, der Sonderverwalter habe das Ziel verfolgt, Mängel in der Organisation und im internen Kontrollsystem von Tercas zu beseitigen. Er habe sich auf Verwaltungsmängel (Kredit, Eigenmittelinvestitionen, Streitfälle) und auf die richtige Bewertung der damit verbundenen Risiken (zweifelhafte Ergebnisse, Abschreibungen, Rückstellungen) konzentriert. Er habe ein schrittweises Deleveraging durchgeführt, um den erheblichen Finanzierungsrückgang infolge der Reduzierung des Kundenstamms auszugleichen. Er habe Strukturen rationalisiert (Überarbeitung des Geschäftsmodells mit Schließung einiger Zweigstellen, Stellenstreichungen, Vereinfachung von Organisationsstrukturen, Verringerung der Verwaltungsausgaben), um auf struktureller Basis erhebliche Kosteneinsparungen zu erreichen. Die Rekapitalisierung von Tercas durch den FITD und die BPB sei der beste Weg gewesen, um den Liquiditätsengpass schnell zu beheben. Die BPB habe das mit der Sanierung von Tercas verbundene Risiko übernommen und erhebliche Gelder zugeschossen und andere Ressourcen bereitgestellt, um den Erfolg des Geschäftsplans zu sichern.

(102)

Die BPB führt an, sie habe eine Interventionsstrategie gestützt auf Verbesserungen der Kredit- und Einlagenmargen (51), Kosteneinsparungen (52), Entwicklung von Gruppensynergien, sorgfältige Beobachtung der Kreditqualität, Optimierung der Verwaltung von wertgeminderten Forderungen durch den Verkauf notleidender Kredite, Stärkung von Liquiditätsprofilen (53) und Bereitstellung von Verwaltungsressourcen entwickelt. Die Strukturelemente des Sanierungsplans seien im Rahmen des BPB-Geschäftsplans für 2015-2019 entwickelt worden. Sie stellten eine zusammenhängende Abfolge von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Rentabilität von Tercas dar. Das Fehlen eines detaillierten Umstrukturierungsplans sollte die Kommission nicht daran hindern, allgemeine Programme, die eine einheitliche Linie verfolgen, positiv zu bewerten (54).

(103)

Die Maßnahme habe sich auf das notwendige Minimum beschränkt: 1. aus den in den Erwägungsgründen 90 bis 93 genannten Gründen; 2. weil es die einzige praktikable Option war und 3. weil sich der FITD nur teilweise an der Deckung des negativen Eigenkapitals und der Wiederherstellung der Mindestkapitalquoten beteiligt habe. Die drei Beteiligten meinen, dass es in Anbetracht des Umfangs der Verluste von Tercas keine kostengünstigeren Alternativen zur Übernahme von Tercas durch die BPB gegeben habe, obwohl sich der Sonderverwalter bemüht habe, andere Käufer zu finden (55). Dass versucht wurde, die Kosten auf das notwendige Mindestmaß zu reduzieren, werde auch dadurch bestätigt, dass sich die Beteiligten auf eine Schlichtung geeinigt haben, um Einigkeit über die tatsächliche Höhe des negativen Eigenkapitals von Tercas zu erzielen. Dadurch habe sich der von der BPB verlangte Gesamtbetrag von [300-800] Mio. EUR auf 265 Mio. EUR reduziert.

(104)

Die Kosten der Maßnahme wurden durch eine Lastenverteilung weiter begrenzt. Durch eine Herabsetzung des Aktienkapitals auf null verloren die Anteilseigner ihre gesamten Investitionen. Zusätzlich wurden die Kuponzahlungen für nachrangige Anleihen nach Möglichkeit ausgesetzt. Den Beteiligten zufolge konnten aufgrund der Rechtslage keine anders gearteten Opfer von nachrangigen Gläubigern verlangt werden, da sie nach geltendem Gesetz nur im Fall der verwaltungsbehördlichen Zwangsliquidation zur gemeinsamen Verlustübernahme gezwungen werden können. Doch obwohl eine weitere Belastung der nachrangigen Gläubiger nicht möglich war, habe dies nicht zu höheren Kosten für die öffentlichen Stellen geführt, da ausschließlich private Beteiligte die Mittel für die Maßnahme aufgebracht hätten. Außerdem hätten Opfer der nachrangigen Gläubiger zusätzliche Kosten und erhebliche Risiken für die Mitgliedsbanken des FITD verursachen können. Die Zerschlagung von Tercas hätte Konsequenzen wie drohende Klagen der Kunden von Tercas und negative Folgen für die Reputation von Tercas und die allgemeine Stabilität des Bankensystems nach sich gezogen. Dass nachrangige Gläubiger nicht weiter belastet wurden, habe kein moralisches Risiko (Moral Hazard) bedeutet, da die Kosten für die Deckung des negativen Eigenkapitals vollständig vom Bankensystem aufgefangen wurden ohne zusätzliche Kosten für den Steuerzahler.

(105)

Den drei Beteiligten zufolge stand die nicht erfolgte Umwandlung oder Abschreibung nachrangiger Schuldtitel im Einklang mit Randnummer 42 der Bankenmitteilung, aus der klar hervorgehe, dass Beiträge von Gläubigern kein obligatorischer Bestandteil der Lastenverteilung sind. Sie habe auch im Einklang mit Randnummer 45 der Bankenmitteilung gestanden, die eine Ausnahme vom Grundsatz der Umwandlung oder Abschreibung nachrangiger Schuldtitel erlaube, „wenn die Umsetzung dieser Maßnahmen die Stabilität des Finanzsystems gefährden oder zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führen würde“.

(106)

Eine ausbleibende oder unzureichende Rendite halten die drei Beteiligten für akzeptabel, wenn sie wie hier durch eine tiefgreifende und breit angelegte Umstrukturierung ausgeglichen werde und in der Suche nach einem Käufer für die Bank in der Krise begründet sei.

(107)

Zudem verursache die Maßnahme keine Beeinträchtigung des Binnenmarktes, denn:

1.

die Tätigkeit von Tercas sei nur von geringem Umfang und in ihrer geografischen Reichweite begrenzt gewesen;

2.

die BPB sei die einzige Wirtschaftsbeteiligte gewesen, die wirklich zu einer Kapitalzufuhr für Tercas bereit war, und die Kommission habe ausgeführt, dass der Verkauf einer von der vermuteten Beihilfe profitierenden Bank in Schwierigkeiten an einen privaten Marktteilnehmer im Rahmen eines offenen Verkaufsverfahrens eine Möglichkeit sei, potenzielle Wettbewerbsverfälschungen abzuschwächen (56);

3.

der Umstrukturierungsplan für Tercas sei weitreichend genug gewesen und habe die Integration von Tercas in die BPB vorgesehen.

(108)

Die Übernahme von Tercas durch die BPB sei die einzige machbare Option gewesen, um die Auflagen der italienischen Aufsichtsbehörde zu erfüllen und mögliche Wettbewerbsverfälschungen zu vermeiden. Außerdem habe die Umstrukturierung eine vollständige Rekapitalisierung von Tercas und eine erhebliche Kapitalerhöhung der BPB erforderlich gemacht.

(109)

Schließlich erklären die anderen Beteiligten unter Berufung auf frühere Beschlüsse der Kommission (57), die Rekapitalisierung von Tercas und deren Aufgehen in der BPB nach der ohne Entschädigung erfolgten Deckung ihres negativen Eigenkapitals durch den FITD könne insoweit als gerechtfertigt angesehen werden, als dies eine Voraussetzung für die Gewährleistung der Übertragung der Vermögenswerte der Gesellschaft und eine tiefgreifende und umfassende Rekapitalisierung der Bank gewesen sei. Im vorliegenden Fall hätte keine andere Option die Überwindung der tiefen Krise von Tercas ermöglicht. Hätte der FITD auf einer Rendite bestanden, hätte sich die Eigenkapitalposition von Tercas weiter verschlechtert, was die Kosten für die Käuferbank erhöht hätte.

6.   BEIHILFERECHTLICHE WÜRDIGUNG DER MASSNAHMEN

6.1.   Vorliegen einer staatlichen Beihilfe

(110)

Nach Artikel 107 Absatz 1 AEUV „sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“. Alle diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Im Folgenden wird die Kommission prüfen, ob dies bei den vom FITD getroffenen Maßnahmen der Fall war.

(111)

Die in Erwägungsgrund 4 des Einleitungsbeschlusses genannte Steuerbefreiungsregelung ist von Italien nicht angemeldet worden. Da die Regelung nach den der Kommission vorliegenden Informationen in diesem Fall nicht angewandt wurde, wird sie von diesem Beschluss nicht erfasst.

6.1.1.   Staatliche Mittel und Zurechenbarkeit zum Staat

(112)

Der Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, dass alle Finanzmittel öffentlicher Stellen, mit denen Unternehmen unterstützt werden, der Kontrolle über staatliche Beihilfen unterliegen, unabhängig davon, ob es sich um Anlagevermögen des öffentlichen Sektors handelt. Wo Pflichtbeiträge nach gesetzlichen oder anderen öffentlichen Vorschriften erhoben, verwaltet und verteilt werden, handelt es sich um staatliche Mittel, auch wenn sie nicht von den Behörden verwaltet werden (58). Der Umstand allein, dass Mittel aus privater Quelle finanziert werden, genügt nicht, um der Regelung den Charakter einer staatlichen Beihilfe zu nehmen. Ausschlaggebend ist nicht die ursprüngliche Herkunft der Mittel, sondern der Umfang der Beteiligung öffentlicher Stellen an der Festlegung der betreffenden Maßnahmen und ihrer Finanzierungsmodalitäten (59).

(113)

Wie der Gerichtshof in den Sachen Ladbroke (60), Stardust Marine und Doux Élevage festgestellt hat, handelt es sich bei Mitteln, die ständig unter staatlicher Kontrolle und somit den Behörden zur Verfügung stehen, um staatliche Mittel.

(114)

Im Fall Doux Élevage wurde die Tätigkeit einer Branchenorganisation aus Mitteln finanziert, die aus staatlich vorgeschriebenen Abgaben stammten. Wie der Gerichtshof feststellte, ließ dies nicht den Schluss zu, dass die Tätigkeit der Organisation dem Staat zuzurechnen war. Der Gerichtshof stellte fest, dass die betreffende Branchenorganisation selbst über die Verwendung der Mittel entschied, die ausschließlich den von ihr selbst bestimmten Zielen gewidmet waren und dass der Pflichtcharakter der Beiträge in diesem Fall nicht „von der Verfolgung konkreter, von den Behörden festgelegter und definierter politischer Ziele abhängig“ war. Der Staat hat lediglich die Validität und Rechtmäßigkeit der Erhebung von Beiträgen durch die Organisationen, d. h. den Verfahrensrahmen, kontrolliert. Auf die Verwaltung der Mittel durfte er keinen Einfluss nehmen.

(115)

In der ständigen Rechtsprechung der Unionsgerichte ist eine Maßnahme somit dem Staat zuzurechnen und aus staatlichen Mitteln finanziert, wenn mehrere Indikatoren darauf hinweisen, dass der Staat nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats Kontrolle und Einfluss ausübt, um sicherzustellen, dass bei der Verwendung der Mittel einer privaten Einrichtung das dieser Einrichtung übertragene politische Ziel verfolgt wird.

(116)

In seinem Urteil in der Sache Stardust Marine stellte der Gerichtshof ebenfalls fest, dass sich die Zurechenbarkeit einer von einer unabhängigen, nicht staatlichen Einrichtung beschlossenen Beihilfemaßnahme zum Staat aus einer Reihe von Indikatoren ableiten lässt, die sich aus den jeweiligen Umständen ergeben. Ein solcher Indikator wäre beispielsweise, dass die betreffende Einrichtung die Entscheidung, die eine vermutete staatliche Beihilfe betrifft, nicht treffen könnte, ohne behördliche Anweisungen oder Vorschriften zu beachten. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch andere Indikatoren für die Beurteilung, ob eine von einem Unternehmen beschlossene Beihilfemaßnahme dem Staat zuzurechnen ist, maßgeblich sein.

(117)

Hinsichtlich der Maßnahmen, derentwegen die Kommission im vorliegenden Fall das förmliche Prüfverfahren eingeleitet hat, sei daran erinnert, dass der Unionsgesetzgeber mit der Richtlinie 94/19/EG Einlagensicherungssysteme mit der politischen Zielsetzung eingeführt hat, „die Stabilität des Bankensystems“ (61) zu schützen und zu erhöhen, und sie mit dem Schutz der Einleger (62) zu betrauen. Nach den Bestimmungen der Richtlinie 94/19/EG sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ein oder mehrere Einlagensicherungssysteme zu schaffen, die Einleger bei Ausfall eines Kreditinstituts entschädigen sollen. Die Möglichkeit, andere Maßnahmen durchzuführen, ist in dieser Richtlinie nicht geregelt. Somit ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, ob ihre Einlagensicherungssysteme über die reine Entschädigungsfunktion hinausgehen und die verfügbaren Gelder auf andere Weise verwenden können.

(118)

Daran hat sich auch durch die Richtlinie 2014/49/EU nichts geändert, auch wenn solche alternative Maßnahmen dort genauer erläutert werden. Ziel der Maßnahmen muss es sein, den Ausfall eines Kreditinstituts zu verhindern, um nicht nur „die Kosten für die Entschädigung der Einleger“, sondern auch „die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Ausfalls eines Kreditinstitutes“ und „andere negative Auswirkungen“ wie „negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität und das Vertrauen der Einleger“ (63) zu vermeiden.

(119)

Nach den Bestimmungen der Richtlinie 2014/49/EU können die Mitgliedstaaten den Einlagensicherungssystemen gestatten, den Zugang von Einlegern zu gedeckten Einlagen (64) sowohl zur Unternehmensfortführung als auch im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren zu wahren. Die Kommission weist darauf hin, dass im Gegensatz zu der in Erwägungsgrund 79 genannten Position der anderen Beteiligten alternative Maßnahmen eines Einlagensicherungssystems eine staatliche Beihilfe sein können, unabhängig davon, ob damit der Ausfall eines Kreditinstituts verhindert werden soll oder ob sie im Zusammenhang mit einer Liquidation getroffen werden.

(120)

Sparguthaben und Einleger sind nach italienischem Recht besonders geschützt. Nach Artikel 47 der italienischen Verfassung muss die Republik Sparguthaben in jeglicher Form schützen (65). Die Banca d'Italia ist eine öffentlich-rechtliche Institution, und allein aus diesem Grund ist ihre Tätigkeit dem Mitgliedstaat zuzurechnen. Sie wird nicht aus dem Anwendungsbereich von Artikel 107 AEUV ausgenommen, nur weil sie verfassungsrechtlich unabhängig ist (66). Ihre Aufgabe darin besteht, die Stabilität des italienischen Bankensystems (67) und die Einleger zu schützen (68).

(121)

Aus den oben genannten Gründen ist Artikel 96-bis des Bankengesetzes als Definition des öffentlichen Auftrags zum Schutz der Einleger zu verstehen, der für die in Italien anerkannten Einlagensicherungssysteme gilt. Der letzte Satz von Artikel 96-bis Absatz 1, wonach Einlagensicherungssysteme außer der Entschädigung von Einlegern auch andere Arten und Formen von Maßnahmen durchführen können, weist darauf hin, dass die italienischen Behörden ihren anerkannten Einlagensicherungssystemen die Verwendung der von den Mitgliedsbanken stammenden Mittel auch für andere Maßnahmen gestatten. Artikel 96-bis des Bankengesetzes ist somit die Grundlage für die Anerkennung des FITD als obligatorisches Einlagensicherungssystem in Italien und verleiht dem FITD zugleich die Befugnis, Unterstützungsmaßnahmen durchzuführen.

(122)

So gesehen ist die Tatsache, dass der FITD ein privatrechtlich organisiertes Konsortium (69) ist, irrelevant, denn allein dadurch lässt sich nicht ausschließen, dass eine von einer solchen Einrichtung durchgeführte Beihilfemaßnahme dem Staat zuzurechnen ist, wie der Gerichtshof in der Sache Stardust Marine festgestellt hat. Die Ziele des FITD — Wahrung der allgemeinen Interessen seiner Mitglieder durch besseren Schutz der Einlagen und Schutz der Reputation des Bankensystems — entsprechen dem öffentlichen Interesse. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass das Unternehmen Beschlüsse fasst, ohne die Anforderungen der öffentlichen Stellen zu berücksichtigen. Zudem muss der Einfluss des Staates nicht unbedingt auf einem rechtsverbindlichen Akt einer Behörde beruhen. Die Eigenständigkeit, über die das Unternehmen grundsätzlich verfügt, verhindert in der Praxis nicht die Einmischung des Staates.

(123)

Auf jeden Fall hat die Banca d'Italia nach Maßgabe der Rechtsvorschriften der Union und nach italienischem Recht die Befugnis und die Mittel, dafür zu sorgen, dass alle Maßnahmen, die der FITD als Einlagensicherungssystem nach Maßgabe des Bankengesetzes durchführt, mit diesem öffentlichen Auftrag im Einklang stehen und zum Schutz der Einleger beitragen. Dies geht klar aus dem einleitenden Satz des Artikels 96-ter Absatz 1 des Bankengesetzes hervor, wo vor der Auflistung aller Befugnisse der Banca d'Italia hinsichtlich der italienischen Einlagensicherungssysteme steht, dass diese Befugnisse im Hinblick auf den Schutz der Einleger und die Stabilität des Bankengesetzes auszuüben sind.

(124)

Im Unterschied zum Fall Doux Élevage, wo die Ex-post-Genehmigung durch die Behörde rein verfahrenstechnischer Art war, zeigt dies, dass die Banca d'Italia jede Maßnahme des FITD genehmigen und prüfen muss, ob sie mit dem öffentlichen Auftrag des FITD nach Maßgabe des Bankengesetzes in Einklang steht.

(125)

Italien hat bestätigt, dass die umsichtige Bankenaufsicht nach dieser Argumentation als öffentliche Kontrolle angesehen werden müsste und die Mittel der Banken dementsprechend als öffentliche Mittel anzusehen wären (Erwägungsgrund 53), was eindeutig unerheblich ist. Die Kommission merkt dazu lediglich an, dass die Bankenaufsicht der Banca d'Italia nicht dazu dient, die Übereinstimmung mit einem öffentlichen Auftrag zu überprüfen, der den beaufsichtigten Banken erteilt worden ist.

(126)

Der Vorrang des öffentlichen Auftrags und der damit zusammenhängenden öffentlichen Kontrollen wird in der FITD-Satzung (70) anerkannt. Danach müssen alle Unterstützungsmaßnahmen sämtlichen Bedingungen entsprechen, d. h., es muss eine begründete Aussicht auf Erholung bestehen und davon auszugehen sein, dass die Kosten für den FITD geringer sein werden, als sie es im Fall der Liquidation wären (Grundsatz der geringsten Kosten). Diese kumulativen Bedingungen bedeuten, dass der FITD nur dann Unterstützungsmaßnahmen beschließen darf, wenn er damit seinen öffentlichen Auftrag, den Schutz von Einlegern, erfüllen kann. Bestätigt wird dies durch die erforderliche Genehmigung der Banca d'Italia nach Maßgabe des Bankengesetzes.

(127)

Außerdem verleiht das Bankengesetz der Banca d'Italia weitreichende Befugnisse in Bezug auf Einlagensicherungssysteme:

1.

Nach Artikel 96-ter Absatz 1 Buchstabe d des Bankengesetzes muss die Banca d'Italia die Maßnahmen der Einlagensicherungssysteme genehmigen.

2.

Nach Artikel 96-ter Absatz 1 Buchstabe b des Bankengesetzes muss die Banca d'Italia die Tätigkeit der Einlagensicherungssysteme mit den Regeln für Bankenkrisen und ihrer eigenen Aufsichtstätigkeit in Einklang bringen (71).

3.

Nach Artikel 96-ter Absatz 1 Buchstabe a des Bankengesetzes muss die Banca d'Italia Einlagensicherungssysteme anerkennen und ihre Satzung genehmigen, sofern die Systeme keine Elemente aufweisen, die zu einer unausgewogenen Verteilung der Insolvenzrisiken im Bankensystem führen könnten (72).

4.

Nach Artikel 96-ter Absatz 1 Buchstabe h des Bankengesetzes kann die Banca d'Italia Regelungen zur Durchführung der Bestimmungen in Abschnitt IV Bankengesetz zu Einlagensicherungssystemen festlegen (73).

(128)

Abgesehen von diesen Befugnissen, die das Bankengesetz der Banca d'Italia gegenüber dem FITD einräumt, kommen nur unter Sonderverwaltung stehende Banken für Unterstützungsmaßnahmen des FITD in Betracht (74). Eine Bank wird auf Vorschlag der Banca d'Italia durch Anordnung des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen unter Sonderverwaltung gestellt. Ab diesem Zeitpunkt kann der FITD gemäß seiner Satzung im Falle von unter Sonderverwaltung gestellten Mitgliedsbanken, die in Italien Geschäfte betreiben dürfen, tätig werden (75). Nur der Sonderverwalter der Bank kann den FITD ersuchen, tätig zu werden. Seinem Ersuchen muss eine Aktionärsversammlung der Bank zustimmen. Der Sonderverwalter ist eine Amtsperson, die das öffentliche Interesse vertritt. Er wird von der Banca d'Italia bestellt und beaufsichtigt. Die Banca d'Italia kann den Sonderverwalter abberufen oder ersetzen (76) und Anweisungen für bestimmte Sicherungen und Einschränkungen hinsichtlich der Verwaltung der Bank erteilen (77). Der FITD wird folglich auf Betreiben einer Amtsperson unter Aufsicht der Banca d'Italia tätig.

(129)

Hinsichtlich der Befugnis zur Genehmigung von Maßnahmen des Einlagensicherungssystems stellt die Kommission fest, dass dazu ein Verwaltungsakt erforderlich ist, der dem Inkrafttreten der zu genehmigenden Maßnahme zwangsläufig vorausgehen muss. Andernfalls wäre die Wahrnehmung der Befugnisse der Banca d'Italia in Bezug auf Maßnahmen des FITD zur Sicherung der Stabilität des Finanzsystems und zum Schutz von Einlegern wirkungslos. In der Praxis muss die Genehmigung zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der FITD die vorgeschlagene Maßnahme noch überprüfen und ändern kann, falls die Banca d'Italia Einwände haben sollte. Es ist keinesfalls davon auszugehen, dass die Genehmigung erst nach dem Beschluss des FITD zum Eingreifen erteilt wird (wie es Italien, der FITD, Tercas und die BPB angegeben haben (78)). Dass die Banca d'Italia als Beobachterin an sämtlichen Sitzungen des Verwaltungsrates und des Exekutivausschusses des FITD (79) teilnimmt, ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung (im Gegensatz zu den Ausführungen von Italien, FITD, Tercas und BPB (80)), denn es ist davon auszugehen, dass die Banca d'Italia dadurch die Möglichkeit hat, schon zu einem frühen Zeitpunkt Bedenken gegen geplante Maßnahmen zu äußern.

(130)

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die öffentlichen Stellen durch ihr Ersuchen und kraft ihrer Befugnis zur Genehmigung Einfluss auf die Maßnahme nehmen können, bevor endgültig darüber entschieden wird. Durch ihre Teilnahme an allen beschlussfassenden Sitzungen, auf denen sie Bedenken äußern können, ist ihr Einfluss verfahrenstechnisch gesichert. Trotzdem und obwohl die Genehmigung der Banca d'Italia im Prinzip als Ex-ante- und nicht als Ex-post-Genehmigung anzusehen ist (81), weist die Kommission darauf hin, dass auch eine Ex-post-Kontrolle zu den Indikatoren für Zurechenbarkeit gehören kann, auf die in der Sache Stardust Marine eingegangen wurde.

(131)

Die Befugnisse der öffentlichen Stellen wurden in Verbindung mit der Annahme der in Rede stehenden Unterstützungsmaßnahmen wahrgenommen:

1.

Aus den von Italien an die Kommission übermittelten Unterlagen geht hervor, dass die Banca d'Italia die besonderen Maßnahmen für Tercas zum Schutz der Interessen von Einlegern und Kunden im Sinne von Artikel 96-ter Absatz 1 Buchstabe d des Bankengesetzes genehmigt hat (82). Somit hat die Banca d'Italia die besonderen Maßnahmen des FITD im Sinne der entsprechenden Bestimmungen des öffentlichen Rechts genehmigt.

2.

Die Verhandlungen zwischen der BPB und dem Sonderverwalter von Tercas wurden in Koordination mit der Banca d'Italia geführt (83).

3.

Die Banca d'Italia ersuchte den FITD, sich um eine ausgewogene Vereinbarung mit der BPB über die Deckung des negativen Eigenkapitals von Tercas zu bemühen und dabei auf mögliche negative Auswirkungen der Liquidation von Tercas und ihrer Tochtergesellschaft Caripe zu achten (84).

(132)

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass anders als in der Sache Doux Élevage, in der, wie der Gerichtshof festgestellt hat, Ziel und Zweck der Maßnahme allein von der Einrichtung selbst festgelegt wurden, im vorliegenden Fall Ziel und Zweck der Maßnahme ganz sicher nicht allein vom FITD selbst festgelegt worden sind. Sie wurden bis ins Detail durch den öffentlichen Auftrag nach Maßgabe des Bankengesetzes festgelegt und im Wesentlichen von den Behörden kontrolliert. Der FITD kann zwar beschließen, dass er nicht einzugreifen wird, doch davon bleibt die Schlussfolgerung der Kommission hinsichtlich der vom FITD durchgeführten Maßnahme unberührt.

(133)

Zusätzlich zu der oben aufgezeigten erheblichen öffentlichen Kontrolle weist die Kommission auf den Pflichtcharakter der Beiträge zu den für die Maßnahme des FITD verwendeten Mitteln hin.

(134)

Wie in Abschnitt 2.3 beschrieben, ist die Mitgliedschaft im FITD für italienische Banken zwingend vorgeschrieben (85). Insofern ist der Hinweis auf den Fondo di Garanzia dei Depositanti del Credito Cooperativo (siehe Erwägungsgrund 70), der die angebliche Freiwilligkeit der Mitgliedschaft im FITD bestätigen sollte, falsch, denn italienische Genossenschaftsbanken müssen laut Bankengesetz (86) ein eigenes Einlagensicherungssystem für ihr Bankennetz schaffen. Das bedeutet, dass Genossenschaftsbanken nicht Mitglied des FITD sein können, während andere Banken nicht dem Fondo di Garanzia dei Depositani del Credito Cooperativo angehören können, sondern Mitglied des FITD sein müssen. Von daher ist die Bestimmung der FITD-Satzung (87), die es den Mitgliedsbanken erlaubt, ihre Mitgliedschaft zu beenden, worauf die Beteiligten in ihrer Stellungnahme hingewiesen haben (siehe Erwägungsgrund 70), eine rein theoretische Möglichkeit, die sich nicht realisieren lässt, weil diese Banken keinem anderen anerkannten Einlagensicherungssystem beitreten können.

(135)

Außerdem entscheiden die Führungsgremien des FITD über die Durchführung von Unterstützungsmaßnahmen. Ungeachtet ihrer eigenen Interessen können die Mitgliedsbanken weder gegen eine solche Entscheidung votieren noch die Beteiligung an solchen Maßnahmen verweigern (88), und sie sind verpflichtet, sich an der Finanzierung der beschlossenen Maßnahme beteiligen. Dass diese Mittel nicht in der Bilanz des FITD, sondern in separaten Konten erfasst werden, ist eine reine Formsache, da die Mittel direkt vom FITD verwaltet werden.

(136)

Daher kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Maßnahme dem FITD und nicht seinen Mitgliedern zuzurechnen ist und dass die Mittel für die Maßnahmen Mittel des FITD und nicht der Mitgliedsbanken sind.

(137)

Da sowohl die Mitgliedschaft im FITD als auch die Beiträge für die vom FITD beschlossenen Unterstützungsmaßnahmen obligatorisch sind, kommt die Kommission zu dem Schluss, dass Banken in Italien mit Ausnahme von Genossenschaftsbanken nach italienischem Recht nur dann tätig sein dürfen, wenn sie sich an den Kosten der Unterstützungsmaßnahmen des FITD beteiligen. Die Mittel zur Finanzierung solcher Unterstützungsmaßnahmen werden ganz eindeutig nach Maßgabe gesetzlicher und anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften erhoben, verwaltet und verteilt und haben somit öffentlichen Charakter.

(138)

Deshalb kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall die italienischen Behörden sowohl theoretisch als auch praktisch eine ständige Kontrolle der Verwendung der Mittel des FITD hinsichtlich der Einhaltung öffentlicher Ziele ausüben und Einfluss auf die Verwendung dieser Mittel durch den FITD nehmen.

(139)

Da die öffentlichen Stellen formal befugt sind, sowohl Maßnahmen zu verlangen als auch die getroffene Maßnahme hinsichtlich des öffentlichen Auftrags im Grundsatz zu genehmigen (Erwägungsgrund 126), kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Rolle der Banca d'Italia keineswegs als reine Information oder formale Kontrolle der Validität und Rechtmäßigkeit angesehen werden kann (89).

(140)

So hat der Gerichtshof in seinem Urteil in der Sache Doux Élevage insbesondere darauf hingewiesen, dass der Pflichtcharakter der Beiträge in dem Fall nicht „von der Verfolgung konkreter, von den Behörden festgelegter und definierter politischer Ziele abhängig“ gemacht werden konnte. Die Maßnahmen des FITD sind aber von konkreten, von den Behörden festgelegten, definierten und kontrollierten politischen Zielen abhängig, zu denen insbesondere der Schutz der Einleger zählt.

(141)

Die hier in Rede stehenden Maßnahmen unterliegen der Aufsicht der Banca d'Italia und werden folglich u. a. im Hinblick auf die Ziele der Banca d'Italia einschließlich der Erhaltung der Stabilität des Finanzsystems überwacht. Es sei noch einmal erinnert an:

1.

die Bedeutung der Rolle der Banca d'Italia für den Erhalt der Stabilität des italienischen Bankensystems und den Schutz der Einleger;

2.

die umfangreichen Befugnisse der Banca d'Italia, dafür zu sorgen, dass der FITD diese Anforderungen berücksichtigt.

(142)

Die in den Erwägungsgründen 127 bis 131 genannten Sachverhalte (Rechtsvorschriften, wonach der FITD einer strengen Kontrolle unterworfen ist, und wirksame Koordinierung durch die Banca d'Italia, die sicherstellen soll, dass der FITD zu wichtigen politischen Zielen beiträgt) machen deutlich, dass der FITD im Vergleich zu anderen privatrechtlichen Konsortien nach italienischem Recht einen besonderen Status hat und dass sein durch seinen öffentlichen Auftrag bestätigter Zweck deutlich z. B. über den des CIDEF (90) hinausgeht, der im Urteil Doux Élevage beurteilt wurde. Ein derartiger Sonderstatus ist nach den Kriterien des Urteils in der Sache Stardust Marine ein guter Indikator für die Zurechenbarkeit zum Staat.

(143)

In Anbetracht der genannten Sachverhalte zeigen Inhalt, Ausrichtung und Ziel der Maßnahmen, wie unwahrscheinlich es ist, dass die Behörden an der Annahme der Maßnahmen gänzlich unbeteiligt sein sollen. Die Maßnahmen haben einem Unternehmen dank der öffentlichen Unterstützung durch die in Erwägungsgrund 38 genannten Maßnahmen 1, 2 und 3 zum Schutz der Einleger und der Stabilität des italienischen Bankensystems nicht nur einen Wettbewerbsvorteil verschafft, sondern es auch vor dem Ausfall bewahrt.

(144)

Die Kommission sieht daher genügend Hinweise darauf, dass die Maßnahme dem Staat zuzurechnen ist und mit öffentlichen Mitteln finanziert wird.

(145)

Auch wenn einige der von der Kommission berücksichtigten Elemente für sich genommen nicht ausreichen, um die Zurechenbarkeit der Maßnahmen zum Staat zu bestätigen, belegen sie doch in ihrer Gesamtheit, wie aus den Erwägungsgründen 118 bis 144 ganz klar hervorgeht, dass die von der Kommission geprüften Maßnahmen des FITD dem Staat zuzurechnen sind.

(146)

In Bezug auf die von Italien und den Beteiligten vorgebrachten Stellungnahmen zum Beschluss der Kommission zur Beihilfe für die Banco di Sicilia und die Sicilcassa sei zunächst daran erinnert, dass das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe ein objektiver Tatbestand ist und nicht aufgrund der angeblichen Vorgehensweise der Kommission in ihren Beschlüssen festgestellt werden kann. Dies gilt selbst dann, wenn sich diese Vorgehensweise nachweisen ließe. Zu dem Zeitpunkt, als die Unterstützungsmaßnahmen für Tercas genehmigt wurden, hatte die Kommission die Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit die von einem Einlagensicherungssystem gewährte Unterstützung als staatliche Beihilfe gelten kann, anders als im Jahr 1999 bereits sehr detailliert ausgearbeitet und veröffentlicht.

(147)

Zum Zeitpunkt ihres Sicilcassa-Beschlusses hatte die Kommission ihre Bewertung der Zurechenbarkeit zum Staat noch gar nicht auf die Feststellungen der Unionsgerichte im Urteil Stardust Marine und in nachfolgenden Urteilen abgestimmt.

(148)

Im Gegensatz zu dem, was Italien und die Beteiligten in ihren Stellungnahmen dargelegt haben, enthalten die Beschlüsse der Kommission zu Maßnahmen von Einlagensicherungssystemen (91) genügend Hinweise darauf, dass die Maßnahme des FITD eine staatliche Beihilfe darstellt. Nach den obigen Ausführungen können sich Italien und die Beteiligten keinesfalls auf den Sicilcassa-Beschluss stützen.

6.1.2.   Selektiver Vorteil, der den Wettbewerb verfälscht und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt

(149)

Durch die Unterstützungsmaßnahmen des FITD wurde Tercas ein selektiver Vorteil gewährt. Der FITD verhielt sich nicht wie ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber. Kein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter würde sich auf die Maßnahmen 1, 2 und 3 einlassen, die keinerlei Rendite erwarten lassen oder ermöglichen. Hieran wird deutlich, dass der FITD nicht als marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber aufgetreten ist, sondern als Einrichtung, die einen öffentlichen Auftrag erfüllt (92). Alle drei Maßnahmen sind reine Hilfsmaßnahmen ohne Vergütung und ohne Rendite. Durch die Kombination dieser Maßnahmen wurde erreicht, dass Tercas nicht aus dem Markt ausgeschieden ist, was ohne diese Unterstützung vermutlich der Fall gewesen wäre. Damit wurde Tercas ein selektiver Vorteil verschafft.

(150)

Selbst wenn die Maßnahmen im Hinblick auf das Verhalten eines marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers in einer vergleichbaren Situation geprüft werden müssten, müsste der betreffende Mitgliedstaat der Kommission auf jeden Fall objektive und überprüfbare Nachweise dafür vorlegen, dass der Beschluss auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Prüfung getroffen wurde, wie sie ein vernünftiger privater Wirtschaftsbeteiligter in einer ähnlichen Situation vorgenommen hätte, um die künftige Rentabilität der Maßnahme zu bewerten. Im vorliegenden Fall wurden der Kommission keine Nachweise vorgelegt, dass der FITD einen Geschäftsplan oder eine Berechnung der Rendite des investierten Kapitals verlangt hätte, obwohl dies die grundlegenden Anforderungen an jede Investitionsentscheidung eines privaten Wirtschaftsbeteiligten sind.

(151)

Italien und die Beteiligten machen geltend, dass diese Maßnahmen mit dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers (93) vereinbar waren, zumal die Maßnahme es dem FITD ermöglicht habe, die Kosten zu begrenzen, die ihm andernfalls bei einer verwaltungsbehördlichen Zwangsliquidation von Tercas durch die Entschädigung der Einleger entstanden wären.

(152)

Außerdem legen die Beteiligten dar, die Maßnahmen des FITD bewegten sich im Rahmen der privaten Autonomie der Mitgliedsbanken.

(153)

Nach Einschätzung der Kommission sind die Maßnahmen eindeutig dem FITD, der von den Behörden kontrolliert wird (siehe Erwägungsgründe 134 bis 136), und nicht den Mitgliedsbanken zuzurechnen. Jeder Vergleich mit Maßnahmen des FITD zu der Zeit, als die Mitgliedsbanken noch nicht gesetzlich verpflichtet waren, ihm beizutreten, ist irrelevant, da die Mitgliedsbanken jetzt keine Möglichkeit mehr haben, sich gegen einzelne Maßnahmen zu entscheiden, wie in den Erwägungsgründen 134 und 135 erläutert wurde. Erschwerend kommt noch der Mechanismus der Entscheidungsfindung beim FITD hinzu, der in Erwägungsgrund 36 erläutert wurde. Er verleiht großen Banken so starkes Gewicht (94), dass Beschlüsse über durchzuführende Maßnahmen auch gegen die Mehrheit der Mitgliedsbanken getroffen werden können.

(154)

Die fraglichen Kosten entstehen somit aus den Verpflichtungen des FITD als Einlagensicherungssystem, das in öffentlichem Auftrag zum Schutz der Einleger tätig wird. Kein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber müsste die aus einem öffentlichen Auftrag erwachsenden Verpflichtungen erfüllen und beispielsweise im Fall der Liquidation von Tercas Einleger entschädigen. Nach ständiger Rechtsprechung können die aus einem öffentlichen Auftrag erwachsenden Verpflichtungen bei der Anwendung des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers nicht berücksichtigt werden (95).

(155)

Abgesehen von den Verpflichtungen des FITD im Rahmen seines öffentlichen Auftrags kommt die Kommission zu dem Schluss, dass keine der drei Maßnahmen von einem marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber beschlossen worden wären. Dass es keinen Geschäftsplan und überhaupt keine Aussicht auf eine Investitionsrendite gab, trägt entscheidend zu dieser Einschätzung bei und kann daher die Schlussfolgerung nur bestätigen.

(156)

Die BPB und Tercas machen geltend, die Maßnahme des FITD sei als Ergänzung zum Beitrag der BPB als einer privaten Wirtschaftsbeteiligten anzusehen. Die Kommission weist darauf hin, dass solche Parallelinvestitionen unter vollständig gleichen Bedingungen für den privaten und den öffentlichen Koinvestor erfolgen müssen. Diese Voraussetzung ist hier ganz eindeutig nicht erfüllt. Die Tercas ist vollständig in das Eigentum der BPB übergegangen, während der FITD für seine Investition keine Gegenleistung erhielt.

(157)

Aus den in den Erwägungsgründen 149 bis 156 genannten Gründen verschafften die vom FITD zugunsten von Tercas getroffenen Maßnahmen Tercas einen Vorteil, nämlich einen nicht rückzahlbaren Beitrag zur Deckung seines negativen Eigenkapitals, eine kostenfreie Garantie für Kreditforderungen gegen […] und einen an Bedingungen geknüpften, nicht rückzahlbaren Zuschuss zur teilweisen Entlastung von Tercas von seinen Steuerverbindlichkeiten nach den zum damaligen Zeitpunkt geltenden Steuervorschriften. Durch die Gesamtheit dieser Maßnahmen wurde der Marktaustritt von Tercas vermieden. Unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen wären Tercas diese Maßnahmen nicht zuteil geworden.

(158)

Nach Einschätzung der Kommission handelt es sich um selektive Maßnahmen, da sie ausschließlich Tercas zugutekamen. Solche Unterstützungsmaßnahmen stehen nur Banken unter Sonderverwaltung und auch ihnen nur im Einzelfall zur Verfügung. Daher kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die in diesem Beschluss geprüften Maßnahmen einzig und allein auf Tercas ausgerichtet waren, um dessen Marktaustritt zu verhindern, und es sich folglich um selektive Maßnahmen handelte.

(159)

Die Vorteile, die Tercas vom FITD gewährt wurden, haben den Ausfall und den Marktaustritt von Tercas verhindert und somit den Wettbewerb verfälscht. Da Tercas im Wettbewerb mit ausländischen Unternehmen steht, ist auch der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt.

(160)

Im Rahmen von Maßnahme 1 erhielt Tercas 265 Mio. EUR in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschusses zur Deckung des negativen Eigenkapitals ohne jeden rückzahlbaren Anteil. Die Kommission betrachtet den gesamten Betrag von 265 Mio. EUR als Beihilfeelement.

(161)

Im Rahmen von Maßnahme 2 wurde die Garantie von 35 Mio. EUR für die Dauer von drei Jahren zur Deckung des Kreditrisikos im Zusammenhang mit bestimmten Forderungen von Tercas gegen […] gewährt. Nach Maßgabe der Mitteilung der Kommission über Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (96) wird zur Berechnung des Beihilfeelements das Brutto-Subventionsäquivalent als Differenz zwischen dem marktüblichen Entgelt und dem zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich gezahlten Entgelt ermittelt.

(162)

Der Kommission liegen keine Informationen darüber vor, welches Entgelt ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber für die Absicherung der Kreditforderung gegen […] oder der Kreditwürdigkeit von […] verlangt hätte. Da die Forderung zum damaligen Zeitpunkt erfüllt war und der Kredit termingerecht zurückgezahlt wurde, kommt die Kommission unter Berücksichtigung der sehr viel höheren Beihilfebeträge im Rahmen der Maßnahmen 1 und 3 zu dem Schluss, dass der geschätzte Beihilfebetrag in diesem Fall geringer angesetzt werden kann.

(163)

Dazu kann als Benchmark der Durchschnittswert eines dreijährigen Credit Default Swap (97) zum Zeitpunkt der Beihilfegewährung für die größten italienischen Nichtfinanzinstitute mit aktiv gehandelten CDS zugrunde gelegt werden. Dieser Durchschnittswert beläuft sich auf 53 Basispunkte (98). Da die Garantie Forderungen von 35 Mio. EUR deckte und nur über neun Monate lief, beträgt der Barwert der Garantieprämie 0,14 Mio. EUR. Die Vereinbarungen sahen keine Prämie für den FITD vor, die davon abgezogen werden könnte. Deshalb geht die Kommission davon aus, dass die Beihilfe 0,14 Mio. EUR beträgt.

(164)

In Bezug auf Maßnahme 3 stellt die Kommission fest, dass die Steuerbefreiung nach italienischem Recht der Europäischen Kommission mitgeteilt und von ihr genehmigt werden muss. Da die Kommission zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe oder danach keinen Beschluss in Bezug auf Maßnahme 3 getroffen hat, muss davon ausgegangen werden, dass die Garantie verfallen ist. Da die Steuerbefreiung der Kommission nicht förmlich mitgeteilt worden ist, durfte sie auch nicht angewandt werden. Folglich kann die Kommission die Maßnahme nicht als Garantie, sondern nur als einen weiteren nicht rückzahlbaren Zuschuss ohne Vergütung betrachten. Die Kommission betrachtet den gesamten Betrag von 30 Mio. EUR als Beihilfeelement.

6.1.3.   Schlussfolgerungen hinsichtlich des Vorliegens einer Beihilfe

(165)

Aus den in den Erwägungsgründen 149 bis 164 genannten Gründen kommt die Kommission zu dem Schluss, das Maßnahme 1 (nicht rückzahlbarer Zuschuss von 265 Mio. EUR), Maßnahme 2 (Garantie für 35 Mio. EUR Kreditforderungen gegen […] mit einem Beihilfeelement von 0,14 Mio. EUR) und Maßnahme 3 (ein weiterer nicht rückzahlbarer Zuschuss von 30 Mio. EUR) mit einem Gesamtbetrag von 295,14 Mio. EUR eine vom FITD gewährte staatliche Beihilfe war, die Tercas einen selektiven Vorteil verschafft und damit den Wettbewerb verfälscht und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt hat. Der selektive Vorteil wurde aus staatlichen Mitteln durch die Maßnahme des FITD gewährt, die aus den in den Erwägungsgründen 112 bis 148 genannten Gründen dem Staat zuzurechnen ist. Die Beihilfe wurde am 7. Juli 2014 gewährt.

6.2.   Die Begünstigte der Beihilfe

(166)

Die Kommission weist noch einmal darauf hin, dass die drei genannten Maßnahmen in ihrer Gesamtheit Tercas einen Vorteil verschaffen. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Maßnahmen die Wirtschaftstätigkeit von Tercas begünstigt haben, weil sie den Marktaustritt von Tercas verhindert und die Fortsetzung seiner Wirtschaftstätigkeit innerhalb der BPB als dem übernehmenden Unternehmen ermöglicht haben.

(167)

Um festzustellen, ob der Verkauf der Bank mit staatlichen Beihilfen für die Käuferin verbunden war, muss die Kommission nach Randnummern 79, 80 und 81 der Bankenmitteilung 2013 und Randnummer 20 der Umstrukturierungsmitteilung (99) prüfen, ob bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Sie muss insbesondere prüfen, i) ob der Verkauf in einem offenen, bedingungs- und diskriminierungsfreien Verfahren durchgeführt wurde; ii) ob der Verkauf zu Marktkonditionen erfolgt ist; iii) ob das Kreditinstitut oder der Staat einen möglichst hohen Verkaufspreis für die betreffenden Vermögensgüter und Verbindlichkeiten festgesetzt hat.

(168)

Wie im Einleitungsbeschluss ausgeführt wurde, hat die Kommission keine Hinweise darauf, i) dass der Verkauf nicht in einem offenen, bedingungs- und diskriminierungsfreien Verfahren durchgeführt wurde; ii) dass der Verkauf nicht zu Marktkonditionen erfolgt ist; iii) dass es die italienischen Behörden versäumt haben, einen möglichst hohen Verkaufspreis für Tercas festzusetzen.

(169)

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass die einzige Begünstigte der Beihilfemaßnahme Tercas ist und dass die BPB als Käuferin keine Beihilfe erhalten hat.

7.   RECHTMÄSSIGKEIT DER BEIHILFE

(170)

Nach den obigen Ausführungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die festgestellten Maßnahmen eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV beinhalten und unter Verstoß gegen die Anmeldepflicht und das Durchführungsverbot nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV gewährt wurden. Deshalb betrachtet die Kommission die Tercas gewährten Maßnahmen als rechtswidrige staatliche Beihilfe.

8.   VEREINBARKEIT DER BEIHILFE MIT DEM BINNENMARKT

8.1.   Rechtliche Grundlage für die Bewertung der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt

(171)

Italien hat nicht behauptet, dass die Maßnahmen mit dem Binnenmarkt vereinbar sind. Keine der Bestimmungen des Artikels 107 Absatz 2 AEUV trifft zu. Ebenso wenig treffen Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe a und Buchstabe d zu, während Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c restriktivere Bedingungen vorsieht als Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b, den die Kommission auf Finanzinstitute in Schwierigkeiten anwendet. Deshalb wird die Kommission die Vereinbarkeit der Maßnahme des FITD ausschließlich anhand der letztgenannten Bestimmung prüfen.

(172)

Nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV kann die Kommission eine Beihilfe als mit dem Binnenmarkt vereinbar ansehen, wenn sie „zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“ gewährt wird. Die Kommission hat festgestellt, dass die globale Finanzkrise eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats verursachen kann und dass Maßnahmen zur Unterstützung von Banken geeignet sein können, diese Störung zu beheben. Diese Einschätzung wurde in den Krisenmitteilungen (100) schrittweise genauer ausgeführt und entwickelt und in der Bankenmitteilung 2013 erneut bestätigt, in der die Kommission erläutert, weshalb sie die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b als erfüllt betrachtet.

(173)

Damit eine Beihilfe nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar gelten kann, muss sie die allgemeinen Bedingungen des Artikels 107 Absatz 3 im Rahmen der allgemeinen Ziele des Vertrags erfüllen. In früheren Beschlüssen (101) hat die Kommission festgestellt, dass jede Beihilfemaßnahme oder Beihilferegelung drei Kriterien erfüllen muss: i) Angemessenheit, ii) Notwendigkeit, iii) Verhältnismäßigkeit.

(174)

Die Bankenmitteilung 2013 gilt für staatliche Beihilfen, die ab dem 1. August 2013 gewährt wurden. Die Unterstützungsmaßnahme des FITD wurde am 7. Juli 2014 von der Banca d'Italia genehmigt.

(175)

Um festzustellen, ob die Maßnahmen mit den maßgeblichen Krisenmitteilungen vereinbar sind, wird die Kommission die im Rahmen der drei Maßnahmen gewährte Beihilfe folgendermaßen prüfen:

1.    Maßnahme 1 : Der nicht rückzahlbare Zuschuss von 265 Mio. EUR wird im Rahmen der Prüfung anhand der Bankenmitteilung 2013 und der Umstrukturierungsmitteilung als Rekapitalisierung behandelt, obwohl er sich von einer üblichen Rekapitalisierungsmaßnahme dadurch unterscheidet, dass die unterstützende Behörde keinerlei Rechte erworben hat und keine Vergütung gezahlt wurde.

2.    Maßnahme 2 : Die Garantie in Höhe von 35 Mio. EUR zur Deckung des Kreditrisikos im Zusammenhang mit bestimmten Forderungen von Tercas gegen […] einschließlich eines Beihilfeelements von 0,14 Mio. EUR kann anhand der Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva (102) sowie der Bankenmitteilung 2013 und der Umstrukturierungsmitteilung als Beihilfe zur Umstrukturierung von Tercas bewertet werden.

3.    Maßnahme 3 : Da kein Beschluss der Kommission vorliegt, wird die Garantie in Höhe von 30 Mio. EUR als zusätzliche Unterstützung durch einen nicht rückzahlbaren Zuschuss bewertet. Daher muss sie als Rekapitalisierung behandelt und in gleicher Weise wie Maßnahme 1 geprüft werden.

(176)

Zunächst wird die Kommission die Vereinbarkeit von Maßnahme 2 mit dem Binnenmarkt nach Maßgabe der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva und anschließend alle drei Maßnahmen zusammen anhand der Bankenmitteilung 2013 und der Umstrukturierungsmitteilung prüfen.

8.2.   Prüfung von Maßnahme 2 anhand der Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva

(177)

Maßnahme 2 muss anhand der Vereinbarkeitskriterien der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva geprüft werden, da sie „der begünstigten Bank den Ausweis von Verlusten bzw. Rückstellungen für potenzielle Ausfälle ihrer wertgeminderten Vermögenswerte ersparen (oder diese ausgleichen)“ soll. Diese Kriterien sind: i) Entlastungsfähigkeit der Vermögenswerte; ii) Transparenz und Offenlegung von Wertminderungen; iii) Management der Vermögenswerte; iv) korrektes und kohärentes Konzept für die Bewertung von Vermögenswerten; v) Angemessenheit von Vergütung und Verteilung der Kosten.

8.2.1.   Entlastungsfähigkeit der Vermögenswerte

(178)

Hinsichtlich der Entlastungsfähigkeit der Vermögenswerte heißt es in Abschnitt 5.4 der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva, dass Entlastungsmaßnahmen die genaue Festlegung der wertgeminderten Aktiva voraussetzen und dass sie nur innerhalb bestimmter Grenzen in Betracht kommen können.

(179)

Nach Maßgabe der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva kommen Vermögenswerte für eine Entlastung in Betracht, die die Finanzkrise ausgelöst haben, doch danach ist den Mitgliedstaaten auch gestattet, „die Entlastungsfähigkeit auch auf diejenigen klar definierten Kategorien von Vermögenswerten ohne quantitative Beschränkung auszudehnen, mit denen dieses systemische Risiko zusammenhängt“. Unter Randnummer 35 der Mitteilung heißt es: „Vermögenswerte, die derzeit nicht als wertgemindert anzusehen sind, sollten hingegen nicht von Entlastungsprogrammen abgedeckt werden.“

(180)

Im vorliegenden Fall wird in einem FITD-Bericht vom Juli 2014 erwähnt, dass die in Maßnahme 2 genannten Forderungen sich auf zwar erfüllte, aber problematische Kredite beziehen. Nach den Kriterien in Abschnitt 5.4 der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva sind erfüllte Kredite nicht entlastungsfähig. Auf dieser Grundlage kommt die Kommission zu dem Schluss, dass Maßnahme 2 die Kriterien für die Entlastungsfähigkeit von Vermögenswerten gemäß der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva nicht erfüllt.

8.2.2.   Transparenz und Offenlegung, Management und Bewertung

(181)

Nach Abschnitt 5.1 der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva verlangt die Kommission uneingeschränkte Transparenz und volle Offenlegung der Wertminderungen ex ante, die für eine Entlastung in Frage kommen. Der Kommission liegen keine Informationen über die fraglichen Forderungen bzw. das betreffende Unternehmen vor.

(182)

Weder der betroffene Mitgliedstaat noch einer der Beteiligten hat eine Bewertung der wertgeminderten Vermögenswerte vorgelegt, wie es nach Abschnitt 5.5 der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva vorgesehen ist, und es liegen auch keine Angaben vor, die es der Kommission ermöglichen würden festzustellen, ob eine klare funktionale oder organisatorische Trennung zwischen der Bank und ihren wertgeminderten Vermögenswerten nach Abschnitt 5.6 der Mitteilung bestanden hat.

(183)

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass die Kriterien für Transparenz und Offenlegung nicht erfüllt sind und nichts darauf hinweist, dass die Kriterien für Management und Bewertung erfüllt sind.

8.2.3.   Lastenverteilung und Vergütung

(184)

In Bezug auf die Vergütung wird in Abschnitt 5.2 der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva noch einmal auf das allgemeine Prinzip verwiesen, dass Banken grundsätzlich die mit den wertgeminderten Aktiva verbundenen Verluste so weit wie möglich selbst tragen und eine angemessene Vergütung gewähren sollten, um eine gleichwertige Verantwortung und Kostenbeteiligung der Anteilseigner sicherzustellen.

(185)

Wie in den Erwägungsgründen 195 bis 212 erläutert wurde, sind keine Maßnahmen für eine angemessene Lastenverteilung durchgeführt worden. Außerdem stellt die Kommission fest, dass keine Vergütung für die Garantie im Zusammenhang mit der Forderung gegen […] vorgesehen war.

(186)

Auf der Grundlage der obigen Ausführungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass Maßnahme 2 keine der in der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva genannten kumulativen Bedingungen erfüllt. Folglich kann Maßnahme 2 nicht als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden.

8.3.   Prüfung der Maßnahmen 1, 2 und 3 anhand der Bankenmitteilung 2013 und der Umstrukturierungsmitteilung

(187)

Bei den Maßnahmen 1 und 3 handelt es sich rechtlich gesehen um nicht rückzahlbare Zuschüsse, d. h. um Barzuschüsse ohne Gegenleistung (wie Eigentumsrechte oder Vergütung). Die Vereinbarkeitskriterien der Bankenmitteilung 2013 sehen solche Zuschüsse nicht vor.

(188)

Die einzige in der Bankenmitteilung 2013 vorkommende Form von Beihilfe, die einem Zuschuss ähnelt, ist die Beihilfe zur Rekapitalisierung. Für die Rekapitalisierung müssen aber einige Vereinbarkeitskriterien erfüllt sein. Dazu muss Folgendes vorhanden sein: i) ein Kapitalbeschaffungsplan, in dem alle der Bank zur Verfügung stehenden Kapitalbeschaffungsmaßnahmen aus privaten Quellen aufgeführt sind; ii) ein Umstrukturierungsplan, der zur Wiederherstellung der Rentabilität des Finanzinstituts führen wird; iii) ein ausreichender Beitrag vom Begünstigten selbst, wobei Kapitalgeber und Inhaber nachrangiger Schuldtitel so viel wie möglich beitragen sollen (Lastenverteilung); iv) Maßnahmen zur Begrenzung der Wettbewerbsverfälschung. Auch wenn der Sonderverwalter von Tercas möglicherweise einen Kapitalbeschaffungsplan durchgeführt hat (siehe Erwägungsgrund 15), wurde der Kommission kein Nachweis dafür vorgelegt, dass die hier beschriebenen Vereinbarkeitskriterien erfüllt worden sind.

(189)

Im Wesentlichen wurden die nicht rückzahlbaren Zuschüsse im Rahmen der Maßnahmen 1 und 3 gewährt, um das negative Eigenkapital von Tercas auf null zu bringen, bevor die Geschäfte von der BPB übernommen wurden. Die Kommission hat früher festgestellt, dass ähnliche Transaktionen mit dem Binnenmarkt vereinbar sind, jedoch nur als Beihilfe, mit der die Auflösung erleichtert oder die geregelte Abwicklung einer Bank unterstützt wird (103). Im Fall Tercas kann die Kommission aber nicht in gleicher Weise argumentieren, da Italien eindeutig bestätigt hat, dass bei den Maßnahmen zur Unterstützung von Tercas keine Abwicklungsregelungen angewandt wurden. Sie muss die Maßnahme als Rekapitalisierungsmaßnahme bewerten.

(190)

Maßnahme 2 sollte Tercas vor möglichen Verlusten durch seine Forderungen an […] schützen. Somit ist sie der Rekapitalisierungsbeihilfe zur Umstrukturierung von Tercas vergleichbar. Unabhängig von der Vereinbarkeit mit der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva müsste Maßnahme 2 auch im Einklang mit der Bankenmitteilung 2013 und der Umstrukturierungsmitteilung stehen, damit sie als mit dem Binnenmarkt vereinbar betrachtet werden kann. Außerdem wäre es nicht möglich, die Maßnahmen 1 und 3 im Rahmen dieser Mitteilungen zu bewerten, ohne Maßnahme 2 zu berücksichtigen.

8.3.1.   Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität

(191)

Die Bankenmitteilung 2013 verlangt sowohl einen Kapitalbeschaffungsplan, um sicherzustellen, dass alle möglichen privaten Kapitalquellen genutzt werden, bevor staatliche Beihilfen in Anspruch genommen werden, als auch einen Umstrukturierungsplan zur Wiederherstellung langfristiger Rentabilität. Langfristige Rentabilität ist erreicht, wenn eine Bank in der Lage ist, sich am Markt aus eigener Kraft gemäß den gesetzlichen Bestimmungen Kapital zu beschaffen. Dazu muss sie in der Lage sein, alle Kosten zu decken und unter Berücksichtigung des Risikoprofils der Bank eine angemessene Eigenkapitalrendite zu bieten. Nach Randnummer 17 der Umstrukturierungsmitteilung kann die erforderliche Rentabilität auch durch den Verkauf der Bank erreicht werden.

(192)

Den Beteiligten zufolge hat der Sonderverwalter Schritte eingeleitet, um Mängel in der Organisation und im internen Kontrollsystem von Tercas zu beseitigen. Die BPB macht darüber hinaus geltend, dass die Strukturelemente des Sanierungsplans im Rahmen des Geschäftsplans der BPB für 2015-2019 entwickelt worden seien.

(193)

Die Kommission weist darauf hin, dass sie weder einen Umstrukturierungs- noch einen Sanierungsplan erhalten hat, aus dem die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität ersichtlich wäre, obwohl sie Italien förmlich darum ersucht hat.

(194)

Die Kommission könnte auch einen Umstrukturierungsplan prüfen, der nach der Durchführung einer Rekapitalisierungsmaßnahme vorgelegt wird. Die Bankenmitteilung 2013 sieht diese Möglichkeit insbesondere dann vor, wenn die Beihilfemaßnahme als Rettungsbeihilfe unter strengen Auflagen angemeldet und durchgeführt worden ist. Da jedoch keine Rettungsbeihilfe angemeldet wurde, betrachtet die Kommission die Bedingung, langfristige Rentabilität durch einen detaillierten Umstrukturierungsplan nachzuweisen, nach den vorliegenden Informationen und insbesondere wegen des fehlenden Umstrukturierungsplans als nicht erfüllt.

8.3.2.   Begrenzung der Beihilfe auf ein Minimum und Lastenverteilung

(195)

Die Umstrukturierungsmitteilung, gestützt durch die Bankenmitteilung 2013, verlangt einen angemessenen Beitrag des Begünstigten, um die Beihilfe auf ein Minimum zu beschränken und Wettbewerbsverfälschungen und das moralische Risiko zu vermeiden. Dazu sollten i) sowohl die Umstrukturierungskosten als auch der Beihilfebetrag begrenzt werden und ii) die höchstmögliche Lastenverteilung auf Anteilseigner und nachrangige Gläubiger vorgenommen werden.

(196)

Nach Randnummer 29 der Bankenmitteilung kann die Kommission Beihilfemaßnahmen erst genehmigen, wenn der betreffende Mitgliedstaat nachgewiesen hat, dass alle Möglichkeiten, eine solche Unterstützung auf das erforderliche Minimum zu beschränken, vollumfänglich ausgeschöpft wurden. Deshalb werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, vor der Übermittlung eines Umstrukturierungsplans bzw. als Teil des Umstrukturierungsplans einen Kapitalbeschaffungsplan vorzulegen.

(197)

Nach Randnummer 44 der Bankenmitteilung „müssen, in der Regel bevor staatliche Beihilfen gewährt werden, nachrangige Schuldtitel umgewandelt oder abgeschrieben werden. Staatliche Beihilfen dürfen erst dann gewährt werden, wenn Eigenkapital, Hybridkapital und nachrangige Schuldtitel vollumfänglich zum Ausgleich der Verluste eingesetzt worden sind“.

(198)

Nach Randnummer 47 der Bankenmitteilung muss zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein Abfluss von Mitteln verhindert werden, um die Beihilfe auf das erforderliche Minimum beschränken zu können.

(199)

Nach Randnummer 52 der Bankenmitteilung genehmigt die Kommission die Rettungsbeihilfen in Form von Rekapitalisierungsmaßnahmen (und gestattet, dass ein Umstrukturierungsplan nach der Durchführung der Maßnahme vorgelegt wird) nur, wenn die Rettungsbeihilfen der Erfüllung der Vorgaben der Mitteilung zur Lastenverteilung nicht entgegenstehen.

(200)

Die Kommission stellt fest, dass bei Tercas eine vollständige Abschreibung des Eigenkapitals der Anteilseigner vorgenommen wurde.

(201)

Nach den Bestimmungen der Bankenmitteilung 2013 hätten 189 Mio. EUR (Stand 31. März 2014) der nachrangigen Schuldtitel von Tercas auf konsolidierter Basis (einschließlich der Tochtergesellschaft Caripe) umgewandelt oder abgeschrieben werden müssen, um die Kapitallücke und den Beihilfebetrag zu verringern. Doch es fand weder eine Umwandlung noch eine Abschreibung statt. Nach den von Tercas vorgelegten Informationen liefen von der Holdinggesellschaft ausgestellte nachrangige Schuldtitel in Höhe von 36 Mio. EUR aus, die im Dezember 2014 zurückgezahlt wurden. Der Kommission ist nicht bekannt, ob von der Caripe ausgestellte nachrangige Schuldtitel ausgelaufen sind und zurückgezahlt wurden.

(202)

Die Kommission geht davon aus, dass der Kapitalabfluss durch den Verfall dieser nachrangigen Schuldtitel und die nachträgliche Rückzahlung im Grunde gegen die Voraussetzungen verstoßen haben, unter denen Rekapitalisierungsbeihilfen nach Maßgabe der Bankenmitteilung 2013 mit dem Binnenmarkt vereinbar sein können.

(203)

Die Beteiligten führen aus, dass ein Bail-in hinsichtlich der nachrangigen Schuldtitel nach geltendem italienischem Recht nicht möglich war und dass Schulden nur im Falle einer verwaltungsbehördlichen Zwangsliquidation abgeschrieben werden können. In der Bankenmitteilung 2013 sind die Elemente aufgeführt, anhand derer die Kommission feststellt, ob eine staatliche Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Dazu gehört auch die Bail-in-Regelung. Eine derartige Lastenverteilung ist bei einer Liquidation möglich, wie aus dem Beschluss in der Beihilfesache Banca Romagna (104) hervorgeht. In diesem Fall wurde die von Italien gewährte Beihilfe genehmigt; das Kriterium der Lastenverteilung hinsichtlich der nachrangigen Schuldtitel war erfüllt.

(204)

Die Beteiligten verweisen auf Randnummer 42 der Bankenmitteilung 2013. Die Kommission stellt jedoch fest, dass es dort um vorrangige und nicht um nachrangige Gläubiger geht.

(205)

Die Beteiligten verweisen außerdem auf Randnummer 45 der Bankenmitteilung, die eine Ausnahme vom Grundsatz der Umwandlung oder Abschreibung nachrangiger Schuldtitel erlaubt, „wenn die Umsetzung dieser Maßnahmen die Stabilität des Finanzsystems gefährden oder zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führen würde“.

(206)

Die Kommission stellt fest, dass die Lastenverteilung auch auf nachrangige Gläubiger in Übereinstimmung mit der Bankenmitteilung auf einen Großteil des gesamten Bankensystems in Slowenien (105) und auf die drittgrößte Bank Portugals (106) angewandt wurde. Schon vor Annahme der Bankenmitteilung 2013 wurde sie auf einen Großteil des Bankensystems in Spanien angewandt, ohne dass die Finanzstabilität gefährdet wurde oder es zu unverhältnismäßigen Ergebnissen kam. In Anbetracht der geringen Größe von Tercas kann die Kommission nicht erkennen, dass in diesem Fall ein solches Risiko bestehen soll. Die einzigen Fälle, in denen die Kommission eine Abweichung von der normalen Lastenverteilung wegen unverhältnismäßiger Ergebnisse akzeptiert hat, sind hier nicht maßgeblich (107).

(207)

Die Kommission stellt fest, dass die Inhaber nachrangiger Schuldtitel nicht im größtmöglichen Umfang beigetragen haben und dass die Maßnahme des FITD mit einem wesentlichen Aspekt der Bankenmitteilung 2013 nicht im Einklang steht.

(208)

Der FITD legt in seiner Stellungnahme dar, im Rahmen der Umstrukturierung sei eine vollständige Rekapitalisierung von Tercas durch die BPB erfolgt, die mit einer Kapitalbeschaffung am Markt zur Kapitalerhöhung beigetragen habe. Nach Randnummer 34 der Bankenmitteilung 2013 muss der Mitgliedstaat nach der Vorlage des Kapitalbeschaffungsplans die verbleibende Kapitallücke ermitteln, die durch staatliche Beihilfen geschlossen werden soll. Die BPB und Tercas haben eingeräumt, dass eine Bedingung für die Rekapitalisierung durch die BPB war, dass das negative Eigenkapital zunächst durch den FITD gedeckt werden sollte.

(209)

Der BPB und Tercas zufolge beschränkten sich die Maßnahmen auf das notwendige Mindestmaß, um die angestrebte langfristige Rentabilität von Tercas zu erreichen. Sie begründen dies folgendermaßen: 1. Der Beitrag des FITD erfülle das Kriterium der geringsten Kosten der FITD-Satzung. 2. In Anbetracht der Verschlechterung von Tercas und der Notwendigkeit, einen Käufer zu finden, sei dies die einzige machbare Option gewesen. 3. Der FITD habe nur teilweise zur Deckung des negativen Eigenkapitals und zur Wiederherstellung der Mindestkapitalquoten beigetragen (nur 265 Mio. EUR der insgesamt erforderlichen 495 Mio. EUR).

(210)

Dazu weist die Kommission darauf hin, dass das Kriterium der geringsten Kosten in der FITD-Satzung für eine Bewertung der Vereinbarkeit der Maßnahmen mit dem Binnenmarkt irrelevant ist. Dazu ist lediglich zu prüfen, ob die staatliche Beihilfe ausreicht, um die langfristige Rentabilität des betreffenden Finanzinstituts wiederherzustellen, ob sie auf das notwendige Mindestmaß beschränkt war und die Wettbewerbsverfälschung ausreichend begrenzt wurde. Die Behauptung, die gewährte Beihilfe sei niedriger gewesen als der benötigte Kapitalbetrag, beweist nicht, dass die Beihilfe auf das notwendige Mindestmaß begrenzt war.

(211)

Wie in Erwägungsgrund 194 ausgeführt wurde, ist für die Kommission aufgrund der vorgelegten Informationen nicht ersichtlich, ob die Beihilfe tatsächlich ausreichend war, um die Rentabilität wiederherzustellen. Zudem war die Beihilfe ganz eindeutig nicht auf das Mindestmaß begrenzt, denn es war kein Bail-in von Inhabern nachrangiger Schuldtitel vorgesehen.

(212)

Wenn der FITD in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Bankenmitteilung 2013 gehandelt hätte, hätten sich die Kosten für den FITD durch vollständige Abschreibung der nachrangigen Schuldtitel in Höhe von 169 Mio. EUR (88 Mio. EUR für Tercas-Cassa di Risparmio della Provincia di Teramo SpA und 81 Mio. EUR für Caripe) noch weiter reduzieren lassen. Dadurch hätte sich die Belastung für den Mitgliedstaat erheblich verringert. Eine solche Abschreibung wäre bei einer Liquidation rechtlich möglich gewesen (108).

8.3.3.   Maßnahmen zur Begrenzung von Wettbewerbsverfälschungen

(213)

Nach Abschnitt 4 der Umstrukturierungsmitteilung muss die Umstrukturierung eines Finanzinstituts Maßnahmen zur Begrenzung von Wettbewerbsverfälschungen umfassen. Sie sollten immer auf die spezifischen Probleme der Märkte zugeschnitten sein, auf denen die begünstigte Bank nach der Umstrukturierung wieder tätig sein wird.

(214)

Nach Randnummer 34 der Umstrukturierungsmitteilung ist eine angemessene Vergütung für öffentliches Kapital eines der besten Mittel, um Wettbewerbsverfälschungen zu beschränken, weil sich dadurch die Höhe der Beihilfe verringert.

(215)

Bei allen drei Maßnahmen ist weder eine Vergütung für die vom FITD bereitgestellten Mittel noch eine Prämie für die Garantie noch der Erwerb von Rechten (z. B. Stammaktien) oder eine Beteiligung an künftigen Einnahmen vorgesehen. Es gibt auch keinen Claw-back-Mechanismus, der es ermöglichen würde, einen Teil der Beihilfe von Tercas zurückzufordern, sobald Tercas wieder rentabel arbeitet.

(216)

Der FITD macht geltend, es sei ganz normal, auf eine Vergütung zu verzichten, wenn Maßnahmen zur Deckung von negativem Eigenkapital durchgeführt werden, damit ein Unternehmen in Schwierigkeiten von anderen übernommen werden kann. Die Kommission stellt fest, dass es sich bei den Maßnahmen um Zuschüsse handelte, die das ohne diese Unterstützung unausweichliche Ausscheiden von Tercas aus dem Markt unmittelbar verhindert haben. Deshalb sind sie als ganz erhebliche Wettbewerbsverfälschung zu betrachten. Wie in Erwägungsgrund 189 festgestellt wurde, hält die Kommission solche Maßnahmen nur dann für mit dem Binnenmarkt vereinbar, wenn die Beihilfe gewährt wird, um eine Auflösung zu erleichtern oder eine geregelte Abwicklung zu ermöglichen.

(217)

Der FITD legt dar, die Kommission habe früher eine geringe Vergütung oder sogar das Fehlen einer Vergütung akzeptiert, beispielsweise in den Beihilfesachen Banco de Valencia (BVA) (109), Banco Portugês de Negócios (BNP) (110) oder Banco CAM (111).

(218)

Die Kommission weist darauf hin, dass alle diese Beschlüsse, soweit die genehmigten Beihilfen nicht darauf ausgerichtet waren, eine Auflösung zu erleichtern oder eine geregelte Abwicklung zu ermöglichen (Erwägungsgrund 189), ergangen sind, bevor die Bankenmitteilung 2013 angewendet werden musste.

(219)

In der Sache stellt die Kommission fest, dass in den drei von den Beteiligten angeführten Fällen besonders tiefgreifende Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, die die Kriterien der Umstrukturierungsmitteilung erfüllt haben. In allen drei Fällen hat dies dazu geführt, dass die Bank und ihre Marke vom Markt verschwunden sind. Außerdem wurde die Geschäftstätigkeit in jedem dieser Fälle ganz erheblich eingeschränkt. (Bei der CAM wurde die Zahl der Zweigstellen um 50 % und die der Beschäftigten um ca. 35 %, bei der BVA die Zahl der Zweigstellen um ca. 90 % und die Zahl der Beschäftigten um ca. 50 % reduziert, und bei der BPN verringerte sich die Bilanzsumme um 65 %, und alle Geschäftsfelder mit Ausnahme des Privatkundengeschäfts wurden geschlossen.)

(220)

Die Kommission weist darauf hin, dass im Gegensatz dazu bei Tercas die Zahl der Zweigstellen und der Beschäftigten jeweils um rund […] % zurückgehen soll, während alle Geschäftsfelder weiter betrieben werden sollen. Die Marke Tercas bleibt erhalten, und das Unternehmen ist auch weiterhin in seinem früheren Geschäftsfeld tätig.

(221)

Daher kommt die Kommission zu dem Schluss, dass, anders als von FITD, BPB und Tercas dargelegt, die Reorganisation von Tercas nicht so weit geht wie in den von ihnen angeführten Beispielen und keinen vollständigen Verzicht auf eine Vergütung für die Maßnahmen rechtfertigt.

(222)

Der FITD führt ferner aus, dass die Wirkung der Maßnahmen auf den Markt wegen der begrenzten Größe und geografischen Reichweite der Tätigkeit von Tercas, die vorwiegend in der Region Abruzzen tätig ist, begrenzt sei.

(223)

Nach den bei der Banca d'Italia Ende 2014 verfügbaren Statistiken gibt es in der Region Abruzzen 12 Banken, darunter mindestens ein großes europäisches Finanzinstitut. Da Tercas im Finanzsektor tätig ist und in der Region Abruzzen 2011 über 163 Zweigstellen verfügt und mit einer Reihe anderer europäischer Finanzinstitute mit Zweigstellen in dieser Region konkurriert, würde jeder ihr gewährte Vorteil eine Wettbewerbsverfälschung bewirken.

(224)

In Anbetracht der fehlenden Vergütung für die Maßnahmen des FITD und des relativ moderaten Rückgangs der Geschäftstätigkeit von Tercas in Verbindung mit dem Weiterbestehen der Marke Tercas kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Maßnahmen zur Begrenzung möglicher Wettbewerbsverfälschungen unzureichend sind.

8.4.   Schlussfolgerung in Bezug auf die Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt

(225)

Insgesamt kann die Kommission keine Gründe dafür erkennen, dass die drei Maßnahmen mit dem Binnenmarkt vereinbar sein sollen.

(226)

Aus den vorgelegten Unterlagen geht insbesondere hervor, dass die Maßnahmen keine Lastenverteilung vorsehen, wie sie nach Maßgabe der Bankenmitteilung 2013 erforderlich ist, und dass sie die kombinierten Kriterien der Umstrukturierungsmitteilung hinsichtlich der Vereinbarkeit der Umstrukturierungsbeihilfe mit dem Binnenmarkt — Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität, Begrenzung der Beihilfe auf das notwendige Mindestmaß und Maßnahmen zur Begrenzung der Wettbewerbsverzerrungen — nicht erfüllen.

9.   RÜCKFORDERUNG

(227)

Nach Maßgabe des AEUV und nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Kommission befugt zu entscheiden, dass ein Mitgliedstaat eine Beihilfe aufheben oder umgestalten muss, wenn sie festgestellt hat, dass die Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist (112). Das Gericht hat ferner wiederholt festgestellt, dass die Verpflichtung des betroffenen Staates, eine von der Kommission als mit dem Binnenmarkt unvereinbar angesehene Beihilfe aufzuheben, der Wiederherstellung der früheren Lage dient (113).

(228)

Der Gerichtshof stellte fest, dass dieses Ziel erreicht ist, wenn der Begünstigte die rechtswidrige Beihilfe zurückgezahlt und damit den Vorteil verloren hat, den er am Markt gegenüber seinen Wettbewerbern besaß, sodass die Lage, die vor Gewährung der Beihilfe bestand, wiedergestellt ist (114).

(229)

Im Einklang mit der Rechtsprechung sieht Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2015/1589 (115) Folgendes vor: „In Negativbeschlüssen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet die Kommission, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern … Die Kommission verlangt nicht die Rückforderung der Beihilfe, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstoßen würde.“

(230)

Weder Italien noch einer der Beteiligten haben förmlich ersucht, keine Rückforderung anzuordnen, weil dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstoßen würde. Nach ihrem Austausch mit Italien und den Beteiligten hält es die Kommission aber für angemessen zu prüfen, ob im vorliegenden Fall eine Rückforderungsanordnung gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstoßen würde.

(231)

In Anbetracht der Ausführungen über Maßnahmen von Einlagensicherungsfonds unter Randnummer 63 der Bankenmitteilung 2013 und der Praxis der Kommission in früheren Beschlüssen (116) konnte keine Bank und kein Mitgliedstaat im Juni 2014 davon ausgehen, dass Maßnahmen von Einlagensicherungssystemen möglicherweise nicht als staatliche Beihilfe angesehen würden. Außerdem kann kein Empfänger rechtswidriger Beihilfen berechtigterweise erwarten, dass die Beihilfe rechtmäßig werden würde, bevor die Kommission einen endgültigen Beschluss nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV getroffen haben würde.

(232)

Grundsätzlich prüft die Kommission die Vereinbarkeit einer Beihilfemaßnahme anhand der Kriterien, die zu dem Zeitpunkt galten, auf den sich ihr Beschluss bezieht. Die Vereinbarkeitskriterien in der Bankenmitteilung 2013 galten ab 1. August 2013 und damit mehr als elf Monate, bevor die Maßnahmen eingeleitet wurden. Zweifel an der Rechtssicherheit konnten somit nicht bestehen, da die Bankenmitteilung 2013 erst vor Kurzem veröffentlicht worden war.

(233)

Eine Rückforderung ist die übliche Konsequenz eines Negativbeschlusses wegen rechtswidriger Beihilfen. Sie kann daher nicht als unverhältnismäßig betrachtet werden.

(234)

Die Unionsgerichte haben in ihrer Rechtsprechung genau ausgeführt, in welchen Fällen es für einen Mitgliedstaat absolut unmöglich ist, einer Rückforderungsanordnung nachzukommen. Finanzielle Schwierigkeiten, in die ein Beihilfeempfänger geraten würde, wenn die Beihilfe zurückgefordert wird, stellen kein Hindernis für die Rückforderung dar. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass es im vorliegenden Fall nicht möglich ist, sich auf die absolute Unmöglichkeit der Rückforderung der Beihilfe zu berufen.

(235)

Da die fraglichen Maßnahmen unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 AEUV gewährt wurden und als rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe betrachtet werden müssen und da die Rückforderung nicht gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstoßen würde, muss die Beihilfe zurückgefordert werden, um die Situation wiederherzustellen, die vorher am Markt bestanden hat. Zurückzufordern ist die Beihilfe ab dem Tag, an dem der Begünstigte erstmals in den Genuss des Vorteils kam, d. h. an dem die Beihilfe dem Begünstigten zur Verfügung gestellt wurde, bis zum Tag der tatsächlichen Rückzahlung. Der Rückforderungsbetrag umfasst Zinsen, die bis zum Tag der tatsächlichen Rückzahlung berechnet werden. Im vorliegenden Fall war der Zeitpunkt, zu dem die Beihilfe der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurde, der Tag der Zahlung des Zuschusses im Rahmen von Maßnahme 1 und der Tag der Bereitstellung der Garantie im Rahmen der Maßnahmen 2 und 3.

10.   SCHLUSSFOLGERUNG

(236)

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass Italien Maßnahme 1 in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschusses in Höhe von 265 Mio. EUR, Maßnahme 2 in Form einer Garantie für 35 Mio. EUR Kreditforderungen gegen […] mit einem Beihilfeelement von 0,14 Mio. EUR und Maßnahme 3 in Form eines weiteren nicht rückzahlbaren Zuschusses von 30 Mio. EUR rechtswidrig durchgeführt hat und damit am 7. Juli 2014 eine staatliche Beihilfe von insgesamt 295,14 Mio. EUR unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährt hat. Deshalb ist die rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe von der begünstigten Banca Tercas verzinst zurückzufordern —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass Italien Maßnahme 1 in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschusses in Höhe von 265 Mio. EUR, Maßnahme 2 in Form einer Garantie für 35 Mio. EUR Kreditforderungen gegen […] mit einem Beihilfeelement von 0,14 Mio. EUR und Maßnahme 3 in Form eines weiteren nicht rückzahlbaren Zuschusses von 30 Mio. EUR rechtswidrig durchgeführt hat und damit am 7. Juli 2014 eine staatliche Beihilfe von insgesamt 295,14 Mio. EUR unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährt hat.

Artikel 2

(1)   Italien fordert die in Artikel 1 genannte Beihilfe vom Empfänger zurück.

(2)   Der Rückforderungsbetrag umfasst Zinsen, die von dem Tag, an dem die Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung gestellt wurde, bis zur tatsächlichen Rückzahlung berechnet werden.

(3)   Die Zinsen werden nach Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission (117) und nach der Verordnung (EG) Nr. 271/2008 der Kommission (118) zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 anhand der Zinseszinsformel berechnet.

Artikel 3

(1)   Die in Artikel 1 genannte Beihilfe wird sofort in wirksamer Weise zurückgefordert.

(2)   Italien stellt sicher, dass dieser Beschluss innerhalb von vier Monaten nach seiner Bekanntgabe umgesetzt wird.

Artikel 4

(1)   Italien übermittelt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses die folgenden Informationen:

a)

Gesamtbetrag (Nennbetrag und Zinsen), der vom Empfänger zurückzufordern ist;

b)

ausführliche Beschreibung der Maßnahmen, die getroffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen;

c)

Unterlagen, die belegen, dass eine Rückzahlungsanordnung an den Empfänger ergangen ist.

(2)   Italien unterrichtet die Kommission über den Fortgang seiner Maßnahmen zur Umsetzung dieses Beschlusses, bis die Rückzahlung der in Artikel 1 genannten Beihilfe abgeschlossen ist. Auf Anfrage der Kommission legt Italien unverzüglich Informationen über die Maßnahmen vor, die getroffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen. Ferner übermittelt Italien ausführliche Angaben über die Beihilfebeträge und die Zinsen, die vom Empfänger bereits zurückgezahlt wurden.

Artikel 5

Dieser Beschluss ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 23. Dezember 2015

Für die Kommission

Margrethe VESTAGER

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. C 136 vom 24.4.2015, S. 17.

(2)  Siehe Fußnote 1.

(3)  Vom 5. Dezember 2011 bis 23. März 2012 führte die Banca d'Italia eine Prüfung bei Tercas durch. Sie stellte zahlreiche Unregelmäßigkeiten und verbreitete Auffälligkeiten 1. bei der Verwaltung und Geschäftsführung der Bank, 2. bei der internen Kontrollfunktion, 3. bei der Kreditvergabe und 4. bei der Offenlegung von Informationen gegenüber den Führungsgremien und dem Aufsichtsgremium fest.

(4)  Wegen schwerwiegender Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung und schwerwiegender Rechtsverstöße.

(5)  Siehe Erwägungsgrund 38.

(6)  Die in diesem Erwägungsgrund angegebenen Zahlen gelten nur für die Tercas-Cassa di Risparmio della Provincia di Teramo SpA und nicht für die gesamte Tercas-Gruppe.

(7)  Protokoll der Aktionärsversammlung, Repertorio n. 125.149, raccolta n. 28.024 del 29 luglio 2014, Notar Vicenzo Galeota.

(8)  Siehe Fußnote 6.

(9)  Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. L 135 vom 31.5.1994, S. 5).

(10)  Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie.

(11)  „Le banche italiane aderiscono a uno dei sistemi di garanzia dei depositanti istituiti e riconosciuti in Italia. Le banche di credito cooperative aderiscono al sistema di garanzia dei depositanti costituito nel loro ambito.“ (Italienische Banken müssen einem in Italien errichteten und anerkannten Einlagensicherungssystem angeschlossen sein. Genossenschaftsbanken schließen sich dem in ihrem Netz eingerichteten Einlagensicherungssystem an.)

(12)  Der FITD präsentiert sich auf seiner Website als Konsortium mit Pflichtmitgliedschaft (consorzio obbligatorio).

(13)  Genossenschaftsbanken können nicht Mitglied des FITD werden. Ihnen steht nur der Fondo di Garanzia dei Depositanti del Credito Cooperativo offen; dieser Einlagensicherungsfonds wurde im Rahmen des Genossenschaftsbankennetzes errichtet.

(14)  Siehe Artikel 25 der FITD-Satzung und Artikel 9 bis 14 des Anhangs der Satzung.

(15)  Siehe Artikel 3 bis 15 der FITD-Satzung (Statuto).

(16)  Consiglio: siehe Artikel 12 Absatz 3 der FITD-Satzung.

(17)  Siehe Artikel 13 Absatz 10 der FITD-Satzung. Unicredit, Intesa Sanpaolo und Monte dei Paschi di Siena entsenden jeweils zwei Mitglieder. Mit jeweils einem Mitglied vertreten sind: Credem, Credito Valtellinese, BNL, Deutsche Bank, Cariparma, Veneto Banca, CheBanca, BPM, Banco Desio e della Brianza, UBI, Banca di Credito Popolare Torre del Greco, Cassa di Risparmio di Rimini, Banca Popolare Pugliese, Unipol Banca, Banco Popolare, Banca Popolare dell'Emilia Romagna und Banca del Piemonte.

(18)  Comitato di gestione: siehe Artikel 16 bis 18 der FITD-Satzung.

(19)  Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a der FITD-Satzung.

(20)  Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe e der FITD-Satzung.

(21)  Artikel 1 Absätze 627 und 628 des Stabilitätsgesetzes von 2014 (Gesetz Nr. 147/2013): „627. Ai fini del riassetto economico e finanziario dei soggetti in amministrazione straordinaria, gli interventi di sostegno disposti dal Fondo interbancario di tutela dei depositi non concorrono alla formazione del reddito dei medesimi soggetti. 628. L'efficacia delle disposizioni del comma 627 è subordinata all'autorizzazione della Commissione europea.“ (627. Vom FITD gewährte Unterstützungsmaßnahmen zur wirtschaftlichen und finanziellen Umstrukturierung von unter Sonderverwaltung gestellten Banken gelten nicht als Einkünfte dieser Banken. 628. Absatz 627 bedarf der Genehmigung durch die Europäische Kommission.)

(*)  Vertrauliche Information.

(22)  Bei der italienischen Behörde, deren Stellungnahme bei der Kommission eingegangen ist, handelt es sich um das italienische Ministerium für Wirtschaft und Finanzen.

(23)  Urteil Österreich/Kommission (Österreichisches Ökostromgesetz), T-251/11, EU:T:2014:1060.

(24)  Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 149).

(25)  Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1. August 2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise („Bankenmitteilung“) (ABl. C 216 vom 30.7.2013, S. 1).

(26)  Urteil Frankreich/Kommission, C-482/99, EU:C:2002:294.

(27)  Entscheidung 2000/600/EG der Kommission vom 10. November 1999 über die staatlichen Beihilfen, die Italien den sizilianischen öffentlichen Banken Banco di Sicilia und Sicilcassa gewährt hat (ABl. L 256 vom 10.10.2000, S. 21).

(28)  Da die Banca d'Italia ihre Stellungnahme als Beteiligte vorgelegt hat, werden ihre Äußerungen in diesem Abschnitt nicht mit der Stellungnahme Italiens zusammen erörtert. Doch die Banca d'Italia ist eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, die im Sinne des Mitgliedstaats agiert und somit nicht wie eine verfassungsmäßig unabhängige Einrichtung aus dem Geltungsbereich des Artikels 107 AEUV ausgenommen ist. Deshalb ist sie in diesem Beschluss unter der Überschrift „Würdigung der Maßnahmen“ stets mit eingeschlossen, wenn von „Italien“ die Rede ist.

(29)  Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63).

(30)  Urteil Doux Élevage SNC u. a., C-677/11, EU:C:2013:348, insbesondere Rn. 41.

(31)  Beschluss der Kommission vom 1. August 2011 in der Beihilfesache SA.33001 (11/N) — Dänemark — Teil B — Änderung der dänischen Abwicklungsregelung für Banken (ABl. C 271 vom 14.9.2011, S. 1).

(32)  Beschluss der Kommission vom 18. Februar 2014 in der Beihilfesache SA.37425 (2013/N) — Polen — Abwicklungsregelung für Kreditinstitute (ABl. C 210 vom 4.7.2014, S. 1).

(33)  Beschluss der Kommission vom 30. Mai 2012 in der Beihilfesache SA.34255 (12/N) — Spanien — Umstrukturierung von CAM und Banco CAM (ABl. C 173 vom 19.6.2013, S. 1).

(34)  Fondo de Restructuración Ordenada Bancaria.

(35)  Urteil PreussenElektra AG, C-379/98, EU:C:2001:160, insbesondere Rn. 61 ff.

(36)  Siehe Fußnote 30.

(37)  Siehe Fußnote 23.

(38)  Hervorhebung hinzugefügt.

(39)  Banche di credito cooperativo.

(40)  Entscheidung der Kommission vom 31. Juli 2008 in der Beihilfesache NN 36/08 — Dänemark — Roskilde bank A/S (ABl. C 238 vom 17.9.2008, S. 5).

(41)  Urteil EARL Salvat père & fils u. a., T-136/05, EU:T:2007:295, Rn. 154.

(42)  Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Doux Élevage.

(43)  Siehe Fußnote 27.

(44)  Urteil Pearle BV u. a., C-345/02, EU:C:2004:448.

(45)  Banca di Girgenti, Banca di Credito di Trieste SpA-Kreditna Banka (BCT) und Cassa di Risparmi e Depositi di Prato.

(46)  Beschluss der Kommission vom 3. August 2014 in der Beihilfesache SA.39250 (2014/N) — Portugal — Abwicklung der Banco Espírito Santo SA (ABl. C 393 vom 7.11.2014, S. 1), Erwägungsgründe 75-77.

(47)  Urteil Land Burgenland u. a., C-214/12 P, C-215/12 P und C-223/12 P, EU:C:2013:682, Rn. 60.

(48)  Protokoll der Sitzung des FITD-Exekutivausschusses vom 30. Mai 2014, S. 4; Bericht des Generaldirektors des FITD vom 28. Mai 2014, Dokument Nr. 7/2014, S. 5.

(49)  Siehe Bericht des Generaldirektors des FIDT vom 28. Mai 2014, Dokument Nr. 7/2014, S. 5.

(50)  Siehe Mitteilung von Tercas an den FITD vom 1. April 2015.

(51)  […].

(52)  […].

(53)  […].

(54)  Die BPB bezieht sich auf den Standpunkt der Kommission im Fall BP Chemicals gegen Kommission, wonach „die Durchführung eines Umstrukturierungsplans keine statische Übung sei“ (Urteil BP Chemicals, T-11/95, EU:T:1998:199, Rn. 105). Ferner weist die BPB darauf hin, dass in einigen neueren Beschlüssen der Kommission bestätigt werde, dass das Fehlen eines Umstrukturierungsplans nicht automatisch gegen die Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Binnenmarkt spreche. Siehe Beschluss der Kommission vom 13. Februar 2014 in der Beihilfesache SA.36663 (2014/NN) — Spanien — Unterstützung für SGR (ABl. C 120 vom 23.4.2014, S. 1) und Beschluss (EU) 2015/1092 der Kommission vom 23. Juli 2014 über die staatlichen Beihilfen SA.34824 (2012/C), SA.36007 (2013/NN) SA.36658 (2014/NN), SA.37156 (2014/NN), SA.34534 (2012/NN) Griechenlands zugunsten der National Bank of Greece-Gruppe in Bezug auf die Rekapitalisierung und Umstrukturierung der National Bank of Greece S.A.; Abwicklung der First Business Bank S.A. durch Übertragung auf die National Bank of Greece S.A.; Abwicklung der Probank S.A. durch Übertragung auf die National Bank of Greece S.A.; Abwicklung der Cooperative Bank of Lesvos-Limnos, Cooperative Bank of Achaia und Cooperative Bank of Lamia (ABl. L 183 vom 10.7.2015, S. 29).

(55)  Siehe Ersuchen des Sonderverwalters um ein Eingreifen des FITD, 25. Oktober 2013, S. 3. Das Fehlen von Lösungsalternativen zu der von der BPB vorgeschlagenen Transaktion wurde im Protokoll der Sitzung des FITD-Exekutivausschusses vom 28. Oktober 2013, S. 4, bestätigt.

(56)  Siehe Fußnote 31

(57)  Beschluss der Kommission vom 27. März 2012 in der Beihilfesache SA.26909 (2011/C) — Portugal — Banco Português de Negócios (BPN), Rn. 247 und 248; Beschluss der Kommission vom 18. Februar 2014 — Polen — Abwicklungsregelung für Kreditinstitute, a. a. O., Rn. 65; Beschluss der Kommission vom 30. Mai 2012 — Spanien — Umstrukturierung von CAM und Banco CAM, a. a. O., Rn. 113, siehe auch Rn. 119 und 120.

(58)  Urteil Italien/Kommission, 173/73, EU:C:1974:71, Rn. 16; Urteil Compagnie Commerciale de l'Ouest u. a., verbundene Rechtssachen C-78/90 bis C-83/90, EU:C:1992:118, Rn. 35; Urteil Essent Netwerk Noord BV u. a., C-206/06, EU:C:2008:413, Rn. 58-74; Urteil Elliniki Nafpigokataskevastiki u. a., T-384/08 EU:T:2011:650, Rn. 87.

(59)  Urteil Frankreich/Kommission, T-139/09, EU:T:2012:496, Rn. 63 und 64.

(60)  Urteil Frankreich/Ladbroke Racing und Kommission, C-83/98 P, EU:C:2000:248, Rn. 50 („Auch wenn die … Beträge nicht auf Dauer dem Staat gehören, genügt folglich der Umstand, dass sie ständig unter staatlicher Kontrolle und somit zur Verfügung der zuständigen nationalen Behörden stehen, damit sie als staatliche Mittel qualifiziert werden können …“).

(61)  Siehe u. a. Erwägungsgründe 1 und 16 der Richtlinie 94/19/EG.

(62)  Siehe Artikel 3 und Erwägungsgründe 1, 2, 3, 11, 12, 15, 16, 20, 21, 24 und 25 der Richtlinie 94/19/EG.

(63)  Siehe u. a. Erwägungsgründe 3, 4 und 16 der Richtlinie 2014/49/EU.

(64)  Siehe Artikel 11 Absätze 3 und 6 der Richtlinie 2014/49/EU.

(65)  „La Repubblica … tutela il risparmio in tutte le sue forme.“ (Die Republik schützt Sparguthaben in jeglicher Form.)

(66)  Urteil Compagnie nationale Air France, T-358/94, EU:T:1996:194, Rn. 59 bis 62. In seinem Urteil stellte das Gericht fest, dass das Verhalten der Caisse des Dépôts et Consignations zwangsläufig dem Staat zuzurechnen war, weil es sich um eine zum öffentlichen Sektor gehörende Einrichtung handelte. Dabei spiele es auch keine Rolle, ob es sich um ein verfassungsmäßig unabhängiges Organ handelt.

(67)  Auf der Website der Banca d'Italia (https://www.bancaditalia.it/compiti/stabilita-finanziaria/) heißt es: „L'ordinamento giuridico affida alla Banca d'Italia la responsabilità per la salvaguardia della stabilità del sistema finanziario nazionale.“ (Die Banca d'Italia ist gesetzlich zur Wahrung der Stabilität des nationalen Finanzsystems verpflichtet.)

(68)  Auf der Website der Banca d'Italia (im Abschnitt „Aufsicht über das Banken- und Finanzsystem“) heißt es: „Alla Banca d'Italia sono affidati rilevanti compiti in materia di tutela dei clienti degli intermediari bancari e finanziari che rappresenta un elemento costitutivo della supervisione bancaria e finanziaria, affiancandosi ed integrandosi con gli altri obiettivi dell'azione di vigilanza.“ (Die Banca d'Italia ist außerdem für den Schutz der Kunden von Banken und Finanzinstituten zuständig. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil der Banken- und Finanzaufsicht, den sie parallel zu und zusammen mit ihren anderen Aufsichtsfunktionen wahrnimmt.)

(69)  Artikel 1 der FITD-Satzung.

(70)  Artikel 29 Absatz 1.

(71)  „La Banca d'Italia, avendo riguardo alla tutela dei risparmiatori e alla stabilità del Sistema bancario … coordina l'attività dei sistemi di garanzia con la disciplina delle crisi bancarie e con l'attività di vigilanza.“ (Zum Schutz der Einleger und zur Wahrung der Stabilität des Bankensystems … bringt die Banca d'Italia die Tätigkeit der Sicherungssysteme mit den Regelungen für Bankenkrisen und ihrer eigenen Aufsichtstätigkeit in Einklang.)

(72)  „La Banca d'Italia, avendo riguardo alla tutela dei risparmiatori e alla stabilità del Sistema bancario … riconosce i sistemi di garanzia, approvandone gli statuti, a condizione che i sistemi stessi non presentino caratteristiche tali da comportare una ripartizione squilibrata dei rischi di insolvenza sul sistema bancario.“ (Zum Schutz der Einleger und zur Wahrung der Stabilität des Bankensystems … erkennt die Banca d'Italia die Sicherungssysteme an und genehmigt ihre Satzung, sofern die Systeme keine Elemente aufweisen, die zu einer unausgewogenen Verteilung der Insolvenzrisiken im Bankensystem führen könnten.)

(73)  „La Banca d'Italia, avendo riguardo alla tutela dei risparmiatori e alla stabilità del Sistema bancario … emana disposizioni attuative delle norme contenute nella presente sezione.“ (Zum Schutz der Einleger und zur Wahrung der Stabilität des Bankensystems … erlässt die Banca d'Italia Durchführungsbestimmungen zu den in diesem Abschnitt genannten Bestimmungen.)

(74)  Artikel 29 Absatz 1 der FITD-Satzung.

(75)  Artikel 4 der FITD-Satzung.

(76)  Artikel 71 Absatz 3 des Bankengesetzes.

(77)  Artikel 72 Absatz 4 des Bankengesetzes: „La Banca d'Italia, con istruzioni impartite ai commissari e ai membri del comitato di sorveglianza, può stabilire speciali cautele e limitazioni nella gestione della banca. I componenti gli organi straordinari sono personalmente responsabili dell'inosservanza delle prescrizioni della Banca d'Italia.“ (Die Banca d'Italia kann dem Sonderverwalter und den Mitgliedern des Kontrollausschusses Anweisungen für besondere Sicherungen und Einschränkungen hinsichtlich der Verwaltung der Bank erteilen. Der Sonderverwalter und die Mitglieder des Kontrollausschusses haften persönlich für Verstöße gegen Anweisungen der Banca d'Italia.)

(78)  Siehe Erwägungsgründe 47, 56 und 69.

(79)  Artikel 13 Absatz 6 und Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe d der FITD-Satzung .

(80)  Siehe Erwägungsgründe 46, 58 und 71.

(81)  Siehe z. B. den Kommentar von Irene Mecatti zu Artikel 96 bis 96-quater des Bankengesetzes in: M. Porzio, V. Santoro, F. Belli, G. Losappio und M. Rispoli Farina, Testo unico bancario, Commentario, Giuffrè Editore, 2010: „ogni intervento dei spd deve essere preventivamente autorizzato della BI (art. 96-ter, co. 1, lett. d)“ (Hervorhebung durch die Autorin). (Jede Maßnahme eines Einlagensicherungssystems ist im Voraus von der Banca d'Italia zu genehmigen (Artikel 96-ter Absatz 1 Buchstabe d).)

(82)  Siehe Schreiben der Banca d'Italia vom 4. November 2013 und 7. Juli 2014, in denen die in Rede stehenden Unterstützungsmaßnahmen des FITD genehmigt wurden (Anhänge 8 und 9 der Antwort Italiens vom 14. November 2014 auf das Auskunftsersuchen der Kommission vom 10. Oktober 2014).

(83)  Bericht in der Anlage zum Protokoll der Sitzung des FITD-Verwaltungsrates vom 30. Mai 2014, S. 1 (Anlage 3.9 zur Antwort Italiens vom 14. November 2014 auf das Auskunftsersuchen der Kommission vom 10. Oktober 2014): „L'evolversi di tali fattori ha portato ad un articolato negoziato con la BPB e con il Commissario straordinario, in coordinamento con la Banca d'Italia, per l'individuazione di modalità attuative dell'intervento del Fondo volte a massimizzare l'efficacia dell'azione di sostegno nel quadro del più ampio piano di risanamento della Tercas, imperniato su un'operazione di ricapitalizzazione da parte della BPB.“ (Die Entwicklung dieser Faktoren hat zu eingehenden Verhandlungen mit der BPB und dem Sonderverwalter in Koordination mit der Banca d'Italia geführt, die das Ziel hatten, Mechanismen für die Maßnahme des FITD zu finden, die die Effektivität der Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen eines umfassenderen Plans zur Wiedererlangung der langfristigen Rentabilität von Tercas auf der Grundlage einer Rekapitalisierung durch die BPB optimieren.)

(84)  Bericht in der Anlage zum Protokoll der Sitzung des FITD-Exekutivausschusses vom 30. Mai 2014, S. 4 (Anlage 3.9 zur Antwort Italiens vom 14. November 2014 auf das Auskunftsersuchen der Kommission vom 10. Oktober 2014): „La Banca d'Italia … ha invitato il Fondo a ricercare un'intesa equilibrata con BPB per la copertura del deficit patrimoniale.“ (Die Banca d'Italia … hat den FITD ersucht, eine ausgewogene Vereinbarung mit der BPB über die Deckung des negativen Eigenkapitals anzustreben.)

(85)  Zwar sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass Banken aus dem FITD austreten, doch die Mitgliedschaft in einem Einlagensicherungssystem ist gesetzlich vorgeschrieben. Wie in Erwägungsgrund 33 ausgeführt wurde, sind italienische Banken mit Ausnahme von Genossenschaftsbanken aus folgenden Gründen zur Mitgliedschaft im FITD verpflichtet: 1. Da es für Handelsbanken in Italien kein anderes Einlagensicherungssystem gibt, ist die Mitgliedschaft im FITD de facto obligatorisch. 2. Laut FITD-Satzung müssen alle italienischen Banken mit Ausnahme von Genossenschaftsbanken Mitglied sein.

(86)  Artikel 96 des Bankengesetzes.

(87)  Artikel 8 der FITD-Satzung.

(88)  Die Entscheidung, tätig zu werden, trifft der Verwaltungsrat oder der Exekutivausschuss mit der in Erwägungsgrund 36 beschriebenen Mehrheit.

(89)  Siehe Urteil Doux Élevage, Rn. 38.

(90)  Comité interprofessionnel de la dinde française.

(91)  Siehe Beschluss in der Beihilfesache SA.33001 (2011/N) — Dänemark — Teil B — Änderung der dänischen Abwicklungsregelung für Kreditinstitute, Erwägungsgründe 43 bis 49; Beschluss in der Beihilfesache SA.34255 (2012/N) — Spanien — Umstrukturierung von CAM und Banco CAM, Erwägungsgründe 76 bis 87; Beschluss in der Beihilfesache SA.37425 (2013/N) — Polen — Abwicklungsregelung für Kreditinstitute, Erwägungsgründe 44 bis 53; Beschluss in der Beihilfesache NN 36/2008 — Dänemark — Roskilde bank A/S, Erwägungsgründe 28 bis 31; Beschluss in der Beihilfesache NN 61/2009 — Spanien — Rettung und Umstrukturierung der Caja Castilla-La Mancha, Erwägungsgründe 97 bis 106.

(92)  Siehe Urteil Europäische Kommission, C-124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 80 und 81.

(93)  Siehe Erwägungsgründe 80 bis 97.

(94)  Die vier großen Banken, die eine gesicherte Vertretung im Verwaltungsrat haben und jeweils über zwei Stimmen verfügen, erreichen mit nur fünf weiteren Vertretern eine Stimmenmehrheit (13 Stimmen).

(95)  Siehe Land Burgenland u. a., verbundene Rechtssachen C-214/12 P. C-215/12 P und C-223/12 P, EU:C:2013:682, Rn. 52.

(96)  Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 des EG-Vertrags auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (ABl. C 155 vom 20.6.2008, S. 10).

(97)  Ein Credit Default Swap (CDS) ist ein Kreditderivat, bei dem das mit einem Finanzprodukt verbundene Kreditrisiko auf zwei oder mehr Parteien übertragen wird. Der Käufer des CDS zahlt Prämien an den Verkäufer und erhält dafür bei Ausfall des Schuldners eine Entschädigung.

(98)  Durchschnittswerte für dreijährige CDS von ENI, ENEL, Telecom Italia und Atlantia am 1. Juli 2014.

(99)  Mitteilung der Kommission über die Wiederherstellung der Rentabilität und die Bewertung von Umstrukturierungsmaßnahmen im Finanzsektor im Rahmen der derzeitigen Krise gemäß den Beihilfevorschriften („Umstrukturierungsmitteilung“).

(100)  Mitteilung der Kommission — Die Rekapitalisierung von Finanzinstituten in der derzeitigen Finanzkrise: Beschränkung der Hilfen auf das erforderliche Minimum und Vorkehrungen gegen unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen („Rekapitalisierungsmitteilung“) (ABl. C 10 vom 15.1.2009, S. 2); Umstrukturierungsmitteilung; Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2012 („Verlängerungsmitteilung“) (ABl. C 356 vom 6.12.2011, S. 7); Bankenmitteilung 2013.

(101)  Siehe Beschluss der Kommission vom 6. September 2013 in der Beihilfesache SA.37314 — Rettungsbeihilfe für die Probanka (ABl. C 314 vom 29.10.2013, S. 1) und Beschluss der Kommission vom 6. September 2013 in der Beihilfesache SA.37315 — Rettungsbeihilfe für die Factor Banka (ABl. C 314 vom 29.10.2013, S. 2).

(102)  Mitteilung der Kommission über die Behandlung wertgeminderter Aktiva im Bankensektor der Gemeinschaft (ABl. C 72 vom 26.3.2009, S. 1).

(103)  Beschluss in der Beihilfesache SA.39250 (2014/N) — Portugal — Abwicklung der Banco Espírito Santo, S.A.; Beschluss der Kommission vom 16. April 2015 in der Beihilfesache SA.41503 (2015/N) — Griechenland — Abwicklung der Panellinia Bank durch Übertragung an die Piraeus bank (ABl. C 325 vom 2.10.2015, S. 1); Beschluss der Kommission vom 2. Juli 2015 in der Beihilfesache SA.41924 (2015/N) — Italien — Liquidation der Banca Romagna Cooperativa (ABl. C 369 vom 6.11.2015, S. 1).

(104)  Siehe Fußnote 103.

(105)  Beschluss der Kommission vom 18. Dezember 2013 in der Beihilfesache SA.35709 (2013/N) — Slowenien — Umstrukturierung der Nova Kreditna Banka Maribor dd (NKBM) (ABl. C 120 vom 23.4.2014, S. 1); Beschluss 2014/535/EU der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die staatliche Beihilfe SA.33229 (2012/C) (ex 2011/N) — Umstrukturierung der NLB — Slowenien, die Slowenien für die Nova Ljubljanska banka d.d. durchzuführen beabsichtigt (ABl. L 246 vom 21.8.2014, S. 28); Beschluss der Kommission vom 18. Dezember 2013 in der Beihilfesache SA.37690 (13/N) — Slowenien — Rettungsbeihilfe zugunsten der Abanka dd (ABl. C 37 vom 7.2.2014, S. 1); Beschluss der Kommission vom 18. Dezember 2013 in der Beihilfesache SA.37642 (13/N) — Slowenien — Geregelte Abwicklung der Probanka d.d. (ABl. C 69 vom 7.3.2014, S. 1); und Beschluss der Kommission vom 18. Dezember 2013 in der Beihilfesache SA.37643 (2013/N) — Slowenien — Geregelte Abwicklung der Factor Banka (ABl. C 69 vom 7.3.2014, S. 1).

(106)  Beschluss in der Beihilfesache SA.39250 (2014/N) — Portugal — Abwicklung der Banco Espírito Santo, S.A.

(107)  Die Situation von Tercas ist mit dem Beschluss in der Beihilfesache Eurobank nicht vergleichbar. In diesem Fall, in dem der Staat die vollständige Garantie für eine Rekapitalisierungsmaßnahme übernommen hat, ohne selbst Kapital aufwenden zu müssen, da alle neuen Anteile von privaten Anlegern gezeichnet wurden, hat die Kommission die Unverhältnismäßigkeit einiger Ergebnisse akzeptiert. Beschluss 2014/885/EU der Kommission vom 29. April 2014 über die staatlichen Beihilfen SA.34825 (2012/C), SA.34825 (2014/NN), SA. 36006 (2013/NN), SA.34488 (2012/C) (ex 2012/NN), SA.31155 (2013/C) (2013/NN) (ex 2010/N) Griechenlands zugunsten der Eurobank-Gruppe in Bezug auf: Rekapitalisierung und Umstrukturierung der Eurobank Ergesias S.A.; Umstrukturierungsbeihilfe für die Proton Bank durch die Gründung und Kapitalisierung der Nea Proton Bank sowie die zusätzliche Rekapitalisierung der Nea Proton Bank durch den Hellenic Financial Stability Fund; Abwicklung der Hellenic Postbank durch die Gründung einer Brückenbank (ABl. L 357 vom 12.12.2014, S. 112).

(108)  Siehe Fußnote 103.

(109)  Beschluss der Kommission vom 28. November 2012 in der Beihilfesache SA.34053 (12/N) — Spanien — Rekapitalisierung und Umstrukturierung der Banco de Valencia S.A. (ABl. C 75 vom 14.3.2013, S. 1).

(110)  Beschluss 2012/660/EU der Kommission vom 27. März 2012 über die von Portugal umgesetzten Maßnahmen SA.26909 (2011/C) zur Umstrukturierung der Banco Português de Negócios (BPN) (ABl. L 301 vom 30.10.2012, S. 1).

(111)  Beschluss der Kommission vom 29. June 2010 in der Beihilfesache NN 61/09 — Spanien — Rettung und Umstrukturierung der Caja Castilla-La Mancha (ABl. C 289 vom 26.10.2010, S. 1).

(112)  Siehe Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 70/72, EU:C:1973:87, Rn. 13.

(113)  Siehe Königreich Spanien, verbundene Rechtssache C-278/92, C-279/92 und C-280/92, EU:C:1994:325, Rn. 75.

(114)  Siehe Belgien, C-75/97, EU:C:1999:311, Rn. 64 und 65.

(115)  Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. L 248 vom 24.9.2015, S. 9).

(116)  Siehe Beschluss in der Rechtssache SA.33001 (2011/N) — Dänemark — Teil B — Änderung der dänischen Abwicklungsregelung für Kreditinstitute, Rn. 43 bis 49; Beschluss in der Beihilfesache SA.34255 (2012/N) — Spanien — Umstrukturierung von CAM und Banco CAM, Rn. 76 bis 87; und Beschluss in der Beihilfesache SA.37425 (2013/N) — Polen — Regelung zur Abwicklung von Kreditinstituten, Rn. 44 bis 53.

(117)  Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. L 140 vom 30.4.2004, S. 1).

(118)  Verordnung (EG) Nr. 271/2008 der Kommission vom 30. Januar 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. L 82 vom 25.3.2008, S. 1).


28.7.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 203/35


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2016/1209 DER KOMMISSION

vom 12. Juli 2016

zur Ersetzung des Anhangs zum Durchführungsbeschluss 2013/115/EU über das SIRENE-Handbuch und andere Durchführungsbestimmungen für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2016) 4283)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) (1), insbesondere auf Artikel 8 Absatz 4, Artikel 9 Absatz 1, Artikel 20 Absatz 3, Artikel 22 Buchstabe a, Artikel 36 Absatz 4 und Artikel 37 Absatz 7,

gestützt auf den Beschluss 2007/533/JI des Rates vom 12. Juni 2007 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) (2), insbesondere auf Artikel 8 Absatz 4, Artikel 9 Absatz 1, Artikel 20 Absatz 4, Artikel 22 Buchstabe a, Artikel 51 Absatz 4 und Artikel 52 Absatz 7,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) wurde am 9. April 2013 in Betrieb genommen. Es enthält hinreichende Informationen zur Identifizierung einer Person oder einer Sache sowie zu den zu ergreifenden Maßnahmen. Damit das SIS II wirksam funktionieren kann, tauschen die Mitgliedstaaten darüber hinaus mit den Ausschreibungen im Zusammenhang stehende Zusatzinformationen aus. Dieser Informationsaustausch wird von den SIRENE-Büros durchgeführt.

(2)

Zur Erleichterung der täglichen Arbeit der SIRENE-Büros und der an SIRENE-Maßnahmen beteiligten Benutzer des SIS II wurde 2008 das SIRENE-Handbuch durch einen Rechtsakt der ehemaligen ersten Säule, die Entscheidung 2008/333/EG der Kommission (3), sowie einen Rechtsakt der ehemaligen dritten Säule, den Beschluss 2008/334/JI der Kommission (4), angenommen. Diese Entscheidung und dieser Beschluss wurden durch den Durchführungsbeschluss 2013/115/EU der Kommission (5) ersetzt, um die operativen Erfordernisse der Benutzer und an SIRENE-Maßnahmen beteiligten Bediensteten besser zu berücksichtigen sowie eine einheitlichere Anwendung der Arbeitsverfahren und dem Stand der Technik entsprechende Vorschriften zu gewährleisten.

(3)

Die Überarbeitung und Aktualisierung des SIRENE-Handbuchs erfolgte Anfang 2015 mit der Annahme des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/219 der Kommission (6). Mit bestimmten im Durchführungsbeschluss (EU) 2015/219 vorgesehenen Maßnahmen sollte der Informationsaustausch über Ausschreibungen zur verdeckten und zur gezielten Kontrolle von Personen beschleunigt werden, die an Terrorismus und an schwerer Kriminalität beteiligt sind. Da es diese Maßnahmen vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedrohung durch den Terrorismus — insbesondere nach dem Terroranschlag in Paris vom 7. Januar 2015 — dringend anzunehmen galt, musste der Durchführungsbeschluss (EU) 2015/219 ohne die vollständige kroatische Sprachfassung erlassen werden. Daher müssen die Bestimmungen des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/219 in allen Amtssprachen der Organe der Union erneut erlassen werden.

(4)

Um den Informationsaustausch über Terrorverdächtige und an schwerer Kriminalität beteiligte Personen zu erleichtern, sollten die Vereinbarkeitsvorschriften in Bezug auf Ausschreibung zur verdeckten oder spezifischen Kontrolle — unbeschadet der Vorschriften über die Priorität von Ausschreibungen — aufgehoben werden. Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass ihre Endnutzer die Maßnahmen durchführen, deren Ausschreibungen Vorrang haben haben.

(5)

Da die Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 den Schengen-Besitzstand weiterentwickelt, hat Dänemark gemäß Artikel 5 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks mit Schreiben vom 15. Juni 2007 mitgeteilt, dass es diesen Besitzstand in innerstaatliches Recht umgesetzt hat. Dänemark beteiligt sich am Beschluss 2007/533/JI. Es ist daher zur Umsetzung des vorliegenden Beschlusses verpflichtet.

(6)

Das Vereinigte Königreich beteiligt sich an dem vorliegenden Beschluss im Einklang mit Artikel 5 Absatz 1 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 19 über den in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstand sowie Artikel 8 Absatz 2 des Beschlusses 2000/365/EG des Rates (7), soweit der vorliegende Beschluss nicht den Austausch von Zusatzinformationen in Bezug auf die Artikel 24 und 25 der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 betrifft.

(7)

Irland beteiligt sich an dem vorliegenden Beschluss im Einklang mit Artikel 5 Absatz 1 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 19 über den in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstand sowie Artikel 6 Absatz 2 des Beschlusses 2002/192/EG des Rates (8), soweit der vorliegende Beschluss nicht den Austausch von Zusatzinformationen in Bezug auf die Artikel 24 und 25 der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 betrifft.

(8)

Dieser Beschluss stellt einen auf dem Schengen-Besitzstand aufbauenden oder anderweitig damit zusammenhängenden Rechtsakt im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Beitrittsakte von 2003, von Artikel 4 Absatz 2 der Beitrittsakte von 2005 und von Artikel 4 Absatz 2 der Beitrittsakte von 2011 dar.

(9)

Für Island und Norwegen stellt dieser Beschluss eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Übereinkommens zwischen dem Rat der Europäischen Union sowie der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung der beiden letztgenannten Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (9) dar, die zu den in Artikel 1 Buchstabe G des Beschlusses 1999/437/EG des Rates (10) genannten Bereichen gehören.

(10)

Für die Schweiz stellt dieser Beschluss eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (11) dar, die in den in Artikel 1 Buchstabe G des Beschlusses 1999/437/EG in Verbindung mit Artikel 3 des Beschlusses 2008/146/EG des Rates (12) und mit Artikel 3 des Beschlusses 2008/149/JI des Rates (13) genannten Bereich fallen.

(11)

Für Liechtenstein stellt dieser Beschluss eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Sinne des von der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein unterzeichneten Protokolls über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (14) dar, die zu dem in Artikel 1 Buchstabe G des Beschlusses 1999/437/EG des Rates in Verbindung mit Artikel 3 des Beschlusses 2011/349/EU (15) des Rates und Artikel 3 des Beschlusses 2011/350/EU des Rates (16) genannten Bereich gehören.

(12)

Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des nach Artikel 51 der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 und Artikel 67 des Beschlusses 2007/533/JI eingesetzten Ausschusses —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Der Anhang des Durchführungsbeschlusses 2013/115/EU erhält die Fassung des Anhangs des vorliegenden Beschlusses.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 12. Juli 2016

Für die Kommission

Dimitris AVRAMOPOULOS

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 381 vom 28.12.2006, S. 4.

(2)  ABl. L 205 vom 7.8.2007, S. 63.

(3)  Beschluss 2008/333/EG der Kommission vom 4. März 2008 zur Annahme des SIRENE-Handbuchs und anderer Durchführungsbestimmungen für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) (ABl. L 123 vom 8.5.2008, S. 1).

(4)  Beschluss 2008/334/JI der Kommission vom 4. März 2008 zur Annahme des SIRENE-Handbuchs und anderer Durchführungsbestimmungen für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SISII) (ABl. L 123 vom 8.5.2008, S. 39).

(5)  Durchführungsbeschluss 2013/115/EU der Kommission vom 26. Februar 2013 über das SIRENE-Handbuch und andere Durchführungsbestimmungen für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) (ABl. L 71 vom 14.3.2013, S. 1).

(6)  Durchführungsbeschluss (EU) 2015/219 der Kommission vom 29. Januar 2015 zur Ersetzung des Anhangs zum Durchführungsbeschluss 2013/115/EU über das SIRENE-Handbuch und andere Durchführungsbestimmungen für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) (ABl. L 44 vom 18.2.2015, S. 75).

(7)  Beschluss 2000/365/EG des Rates vom 29. Mai 2000 zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf sie anzuwenden (ABl. L 131 vom 1.6.2000, S. 43).

(8)  Beschluss 2002/192/EG des Rates vom 28. Februar 2002 zum Antrag Irlands auf Anwendung einzelner Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf Irland (ABl. L 64 vom 7.3.2002, S. 20).

(9)  ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 36.

(10)  Beschluss 1999/437/EG des Rates vom 17. Mai 1999 zum Erlass bestimmter Durchführungsvorschriften zu dem Übereinkommen zwischen dem Rat der Europäischen Union und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung dieser beiden Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 31).

(11)  ABl. L 53 vom 27.2.2008, S. 52.

(12)  Beschluss 2008/146/EG des Rates vom 28. Januar 2008 über den Abschluss — im Namen der Europäischen Gemeinschaft — des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 53 vom 27.2.2008, S. 1).

(13)  Beschluss des Rates 2008/149/JI vom 28. Januar 2008 über den Abschluss — im Namen der Europäischen Union — des Abkommens zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 53 vom 27.2.2008, S. 50).

(14)  ABl. L 160 vom 18.6.2011, S. 21.

(15)  Beschluss 2011/349/EU des Rates vom 7. März 2011 über den Abschluss — im Namen der Europäischen Union — des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands, insbesondere in Bezug auf die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und die polizeiliche Zusammenarbeit (ABl. L 160 vom 18.6.2011, S. 1).

(16)  Beschluss 2011/350/EU des Rates vom 7. März 2011 über den Abschluss — im Namen der Europäischen Union — des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands in Bezug auf die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen und den freien Personenverkehr (ABl. L 160 vom 18.6.2011, S. 19).


ANHANG

„ANHANG

Sirene-Handbuch und andere Durchführungsbestimmungen für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II)

INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG 42

1.

DIE SIRENE-BÜROS UND ZUSATZINFORMATIONEN 44

1.1.

Das SIRENE-Büro 44

1.2.

SIRENE-Handbuch 45

1.3.

Anlagen zum SIRENE-Handbuch 45

1.4.

Katalog von Empfehlungen für die korrekte Anwendung des Schengen-Besitzstands und bewährte Praktiken (Schengener Informationssystem) 45

1.5.

Rolle der SIRENE-Büros im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit in der Europäischen Union 45

1.5.1.

Übermittlung von SIS-II-Daten und Zusatzinformationen an Drittstaaten oder internationale Organisationen 45

1.6.

Beziehungen zwischen SIRENE-Büros und Europol 46

1.7.

Beziehungen zwischen SIRENE-Büros und Eurojust 46

1.8.

Beziehungen zwischen SIRENE-Büros und Interpol 46

1.8.1.

Vorrang von SIS-II-Ausschreibungen vor Interpol-Ausschreibungen 46

1.8.2.

Wahl des Kommunikationskanals 46

1.8.3.

Nutzung und Verbreitung von Interpol-Ausschreibungen in Schengen-Staaten 46

1.8.4.

Treffer und Löschung einer Ausschreibung 47

1.8.5.

Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den SIRENE-Büros und den NZB von Interpol 47

1.9.

Grundsätze 47

1.9.1.

Ständige Verfügbarkeit 47

1.9.2.

Kontinuität 47

1.9.3.

Geheimhaltung 47

1.9.4.

Zugänglichkeit 47

1.10.

Kommunikation 47

1.10.1.

Kommunikationssprache 47

1.10.2.

Datenaustausch zwischen SIRENE-Büros 47

1.10.3.

Netz, Mitteilungen und Mailboxen 48

1.10.4.

Kommunikation in Ausnahmesituationen 48

1.11.

SIRENE-Adressbuch (SAB) 48

1.12.

SIRENE-Arbeitsablaufsystem 49

1.13.

Antwortfristen 49

1.13.1.

Angabe der Dringlichkeit in SIRENE-Formularen einschließlich der dringlichen Meldung eines Treffers 49

1.14.

Transliterations-/Transkriptionsregeln 49

1.15.

Datenqualität 49

1.16.

Archivierung 50

1.17.

Personal 50

1.17.1.

Leiter der SIRENE-Büros 50

1.17.2.

SIRENE-Kontaktperson (SIRCoP) 50

1.17.3.

Kenntnisse 51

1.17.4.

Fortbildung 51

1.17.5.

Personalaustausch 52

2.

ALLGEMEINE VERFAHREN 52

2.1.

Begriffsbestimmungen 52

2.2.

Mehrfachausschreibungen (Artikel 34 Absatz 6 SIS-II-Verordnung und Artikel 49 Absatz 6 SIS-II-Beschluss) 52

2.2.1.

Vereinbarkeit von Ausschreibungen 53

2.2.2.

Rangfolge von Ausschreibungen 54

2.2.3.

Überprüfung auf Unvereinbarkeit und Eingabe von Mehrfachausschreibungen 55

2.2.4.

Besondere Situation des Vereinigten Königreichs und Irlands 56

2.3.

Informationsaustausch im Trefferfall 57

2.4.

Unmöglichkeit der Durchführung der erbetenen Maßnahme im Trefferfall (Artikel 48 SIS-II-Beschluss und Artikel 33 SIS-II-Verordnung) 57

2.5.

Verarbeitung der Informationen zu anderen Zwecken als jenen, zu denen die Ausschreibung in das SIS II eingegeben wurde (Artikel 46 Absatz 5 SIS-II-Beschluss) 58

2.6.

Kennzeichnung 58

2.6.1.

Vorbemerkungen 58

2.6.2.

Konsultation der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine Kennzeichnung 59

2.6.3.

Ersuchen um Löschung einer Kennzeichnung 59

2.7.

Unrechtmäßig gespeicherte oder unrichtige Daten (Artikel 34 SIS-II-Verordnung und Artikel 49 SIS-II-Beschluss) 59

2.8.

Recht auf Auskunft und Berichtigung unrichtiger Daten (Artikel 41 SIS-II-Verordnung und Artikel 58 SIS-II-Beschluss) 60

2.8.1.

Ersuchen um Auskunft oder Berichtigung von Daten 60

2.8.2.

Informationsaustausch über Ersuchen um Auskunft über Ausschreibungen anderer Mitgliedstaaten 60

2.8.3.

Informationsaustausch bei Anträgen auf Berichtigung oder Löschung von Daten, die von anderen Mitgliedstaaten eingegeben wurden 60

2.9.

Löschung, wenn die Voraussetzungen für die Beibehaltung der Ausschreibung nicht mehr gegeben sind 60

2.10.

Eingabe von Eigennamen 61

2.11.

Identitätskategorien 61

2.11.1.

Missbräuchlich verwendete Identität (Artikel 36 SIS-II-Verordnung und Artikel 51 SIS-II-Beschluss) 61

2.11.2.

Eingabe eines Aliasnamens 62

2.11.3.

Weitere Informationen zur Feststellung der Identität einer Person 62

2.12.

Informationsaustausch bei verknüpften Ausschreibungen 63

2.12.1.

Operationelle Regeln 63

2.13.

Format und Qualität der biometrischen Daten im SIS II 63

2.13.1.

Weiterverwendung der ausgetauschten Daten, einschließlich Archivierung 63

2.13.2.

Austausch von Fingerabdrücken und Lichtbildern 64

2.13.3.

Technische Anforderungen 64

2.13.4.

Format und Qualität der biometrischen Daten 64

2.14.

Besondere Fahndungsarten 64

2.14.1.

Örtlich begrenzte Fahndung 64

2.14.2.

Zielfahndung unter Beteiligung von Polizeisondereinheiten (FAST) 65

3.

AUSSCHREIBUNGEN VON PERSONEN ZUM ZWECKE DER ÜBERGABE- ODER AUSLIEFERUNGSHAFT (ARTIKEL 26 SIS-II-BESCHLUSS) 65

3.1.

Eingabe einer Ausschreibung 65

3.2.

Mehrfachausschreibungen 65

3.3.

Missbräuchlich verwendete Identität 66

3.4.

Eingabe eines Aliasnamens 66

3.5.

Übermittlung von Zusatzinformationen an die Mitgliedstaaten 66

3.5.1.

Zu übermittelnde Zusatzinformationen in Bezug auf eine vorläufige Festnahme 66

3.6.

Kennzeichnung 67

3.6.1.

Systematisches Ersuchen um Kennzeichnung der Ausschreibungen von Personen, die zum Zwecke der Auslieferung festgenommen werden sollen, in Fällen, in denen der Rahmenbeschluss 2002/584/JI (1) keine Anwendung findet 67

3.7.

Tätigwerden der SIRENE-Büros bei Erhalt einer Ausschreibung zur Festnahme 67

3.8.

Informationsaustausch im Trefferfall 68

3.9.

Austausch von Zusatzinformationen über eine Übergabe oder Auslieferung 68

3.10.

Austausch von Zusatzinformationen über die Durchbeförderung durch einen anderen Mitgliedstaat 68

3.11.

Löschung von Ausschreibungen nach Übergabe oder Auslieferung 68

4.

AUSSCHREIBUNGEN ZUR EINREISE- ODER AUFENTHALTSVERWEIGERUNG (ARTIKEL 24 SIS-II-VERORDNUNG) 69

4.1.

Eingabe einer Ausschreibung 69

4.2.

Mehrfachausschreibungen 70

4.3.

Missbräuchlich verwendete Identität 70

4.4.

Eingabe eines Aliasnamens 70

4.5.

Informationsaustausch bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln oder Visa 70

4.5.1.

Besondere Verfahren gemäß Artikel 25 des Schengener Übereinkommens 70

4.5.2.

Besondere Verfahren gemäß Artikel 5 Absatz 4 Buchstaben a und c des Schengener Grenzkodexes 71

4.6.

Gemeinsame Regeln für die in Abschnitt 4.5 angegebenen Verfahren 72

4.7.

Informationsaustausch bei einem Treffer im Fall der Einreiseverweigerung oder Ausweisung aus dem Schengen-Raum 72

4.8.

Informationsaustausch bei einem Treffer im Fall eines Drittstaatsangehörigen, der das Recht auf Freizügigkeit genießt 73

4.9.

Informationsaustausch, wenn ein Mitgliedstaat ohne Vorliegen eines Treffers feststellt, dass ein Drittstaatsangehöriger, der das Recht auf Freizügigkeit genießt, zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist 74

4.10.

Löschung von Ausschreibungen zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung 74

5.

VERMISSTENAUSSCHREIBUNGEN (ARTIKEL 32 SIS-II-BESCHLUSS) 75

5.1.

Mehrfachausschreibungen 75

5.2.

Missbräuchlich verwendete Identität 75

5.3.

Eingabe eines Aliasnamens 75

5.4.

Kennzeichnung 75

5.5.

Nähere Angaben zu vermissten Minderjährigen und sonstigen als schutzbedürftig eingestuften Personen 75

5.6.

Informationsaustausch im Trefferfall 76

5.7.

Löschung von Vermisstenausschreibungen 76

5.7.1.

Minderjährige 77

5.7.2.

Erwachsene, in deren Fall keine Schutzmaßnahmen erforderlich sind 77

5.7.3.

Erwachsene, in deren Fall Schutzmaßnahmen erforderlich sind 77

6.

AUSSCHREIBUNGEN VON PERSONEN, DIE IM HINBLICK AUF IHRE TEILNAHME AN EINEM GERICHTSVERFAHREN GESUCHT WERDEN (ARTIKEL 34 SIS-II-BESCHLUSS) 77

6.1.

Mehrfachausschreibungen 77

6.2.

Missbräuchlich verwendete Identität 77

6.3.

Eingabe eines Aliasnamens 77

6.4.

Informationsaustausch im Trefferfall 77

6.5.

Löschung von Ausschreibungen von Personen, die im Hinblick auf ihre Teilnahme an einem Gerichtsverfahren gesucht werden 78

7.

AUSSCHREIBUNGEN ZUM ZWECKE DER VERDECKTEN ODER DER GEZIELTEN KONTROLLE (ARTIKEL 36 SIS-II-BESCHLUSS) 78

7.1.

Mehrfachausschreibungen 78

7.2.

Missbräuchlich verwendete Identität 78

7.3.

Eingabe eines Aliasnamens 78

7.4.

Benachrichtigung anderer Mitgliedstaaten bei der Eingabe von Ausschreibungen 78

7.5.

Kennzeichnung 79

7.6.

Informationsaustausch im Trefferfall 79

7.7.

Löschung von Ausschreibungen zur verdeckten oder zur gezielten Kontrolle 79

7.8.

Automatische Nummernschild-Erkennungssysteme (Automatic Number Plate Recognition systems — ANPR) 79

8.

SACHFAHNDUNGSAUSSCHREIBUNGEN ZUR SICHERSTELLUNG ODER BEWEISSICHERUNG (ARTIKEL 38 SIS-II-BESCHLUSS) 79

8.1.

Mehrfachausschreibungen 79

8.2.

Fahrzeugausschreibungen 80

8.2.1.

Überprüfung auf Mehrfachausschreibungen bezüglich eines Fahrzeugs 80

8.2.2.

VIN-Dubletten 80

8.3.

Informationsaustausch im Trefferfall 81

8.4.

Löschung von Sachfahndungsausschreibungen zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren 81

9.

AUTOMATISCHE NUMMERNSCHILD-ERKENNUNGSSYSTEME (AUTOMATIC NUMBER PLATE RECOGNITION SYSTEMS — ANPR) 82

10.

STATISTIKEN 83

EINLEITUNG

Der Schengen-Raum

Am 14. Juni 1985 unterzeichneten die Regierungen des Königreichs Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, des Großherzogtums Luxemburg und des Königreichs der Niederlande im luxemburgischen Schengen ein Übereinkommen mit dem Ziel, das „freie Überschreiten der Binnengrenzen durch alle Angehörigen der Mitgliedstaaten“ und den „freien Waren- und Dienstleistungsverkehr“ zu verwirklichen.

Dem am 19. Juni 1990 von den fünf Erstunterzeichnerstaaten geschlossenen Übereinkommen (2) zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen traten am 27. November 1990 die Italienische Republik, am 25. Juni 1991 das Königreich Spanien und die Portugiesische Republik, am 6. November 1992 die Hellenische Republik, am 28. April 1995 die Republik Österreich und am 19. Dezember 1996 das Königreich Dänemark, das Königreich Schweden und die Republik Finnland bei.

Seit dem 26. März 1995 wird der Schengen-Besitzstand in Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien und Portugal (3) vollständig angewendet. In Österreich und Italien ist dies seit dem 31. März 1998 (4), in Griechenland seit dem 26. März 2000 (5) und in Norwegen, Island, Schweden, Dänemark und Finnland schließlich seit dem 25. März 2001 (6) der Fall.

Das Vereinigte Königreich (VK) und Irland wenden gemäß dem Beschluss 2000/365/EG bzw. dem Beschluss 2002/192/EG nur einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands an.

Die Bestimmungen, zu deren Anwendung sich das VK entschloss (mit Ausnahme des SIS), gelten seit dem 1. Januar 2005 (7).

Der Schengen-Besitzstand wurde durch Protokolle, die 1999 dem Vertrag von Amsterdam (8) beigefügt wurden, in den Rechtsrahmen der Europäischen Union aufgenommen. Am 12. Mai 1999 erging ein Beschluss des Rates, mit dem gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Vertrags über die Europäische Union die Rechtsgrundlage für jede der Bestimmungen oder Beschlüsse, die den Schengen-Besitzstand ausmachen, festgelegt wurde.

Seit dem 1. Mai 2004 sind der Schengen-Besitzstand, wie er durch das Protokoll zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in den Rahmen der Europäischen Union einbezogen wurde („Schengen-Protokoll“), sowie die darauf aufbauenden oder anderweitig damit in Verbindung stehenden Rechtsakte für die Tschechische Republik, die Republik Estland, die Republik Lettland, die Republik Litauen, Ungarn, die Republik Malta, die Republik Polen, die Republik Slowenien und die Slowakische Republik verbindlich. Am 21. Dezember 2007 wurden diese Mitgliedstaaten Vollmitglieder des Schengen-Raums.

Zypern hat das Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen unterzeichnet, kann aber gemäß seiner Beitrittsakte von 2003 eine Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen.

Die Republik Bulgarien und Rumänien traten am 1. Januar 2007 der Europäischen Union bei. Seit diesem Zeitpunkt sind der Schengen-Besitzstand und die darauf aufbauenden oder anderweitig damit in Verbindung stehenden Rechtsakte für sie verbindlich, wobei die in ihrer Beitrittsakte von 2005 vorgesehenen Ausnahmeregelung Anwendung findet.

Kroatien trat der Europäischen Union am 1. Juli 2013 bei. Es wendet den Schengen-Besitzstand unter Inanspruchnahme der in seiner Beitrittsakte von 2011 vorgesehenen Ausnahmeregelung an.

Einige Schengen-Bestimmungen gelten in den neuen Mitgliedstaaten der EU ab ihrem Beitritt. Andere Bestimmungen sind nur nach einem entsprechenden Beschluss des Rates auf diese Mitgliedstaaten anwendbar. Der Rat beschließt die Aufhebung der Grenzkontrollen, nachdem er nach den geltenden Schengen-Bewertungsverfahren und nach Konsultation des Europäischen Parlaments geprüft hat, ob die Voraussetzungen für die Anwendung aller einschlägigen Bestimmungen des Besitzstands in dem jeweiligen Mitgliedstaat erfüllt sind.

Weitere europäische Länder traten dem Schengen-Raum bei. Das Königreich Norwegen und die Republik Island schlossen am 18. Mai 1999 ein Assoziierungsübereinkommen mit den Mitgliedstaaten (9), um am Schengener Übereinkommen beteiligt zu werden.

2004 unterzeichnete die Schweizerische Eidgenossenschaft das Abkommen mit der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (10), auf dessen Grundlage sie am 12. Dezember 2008 dem Schengen-Raum beitrat.

Auf der Grundlage des 2008 unterzeichneten Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (11) trat das Fürstentum Liechtenstein am 19. Dezember 2011 dem Schengen-Raum bei.

Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II)

Das SIS II, das durch die Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 (SIS-II-Verordnung) und den Beschluss 2007/533/JI (SIS-II-Beschluss) über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) (zusammen „SIS-II-Rechtsakte“) sowie die Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (12) eingerichtet wurde, ist ein gemeinsames Informationssystem, über das die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Informationen austauschen und so zusammenarbeiten können. Es ist ein wichtiges Instrument für die Anwendung der Bestimmungen des in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstands. Diese Rechtsakte gelangten am 9. April 2013 zur Anwendung, wodurch Titel IV des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen aufgehoben wurde. Das SIS II ersetzt das Schengener Informationssystem der ersten Generation, das 1995 in Betrieb genommen und danach zweimal (2005 und 2007) erweitert wurde.

Das SIS II hat gemäß Artikel 1 der SIS-II-Rechtsakte zum Ziel, „… anhand der über dieses System mitgeteilten Informationen ein hohes Maß an Sicherheit in dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts der Europäischen Union, einschließlich der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie des Schutzes der Sicherheit im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, zu gewährleisten und die Bestimmungen des Dritten Teils Titel IV des (EG-)Vertrags (nachstehend ‚EG-Vertrag‘ genannt) im Bereich des Personenverkehrs in ihrem Hoheitsgebiet anzuwenden“.

Gemäß den SIS-II-Rechtsakten haben im SIS II folgende Behörden durch ein automatisiertes Abfrageverfahren Zugriff auf Personen- und Sachfahndungsausschreibungen:

a)

für Grenzkontrollen zuständige Behörden nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (13),

b)

für sonstige polizeiliche und zollrechtliche Überprüfungen im Inland sowie für die Koordinierung dieser Überprüfungen zuständige Behörden,

c)

nationale Justizbehörden sowie ihre Koordinierungsstellen,

d)

für die Erteilung von Visa zuständige Behörden, für die Prüfung von Visumanträgen zuständige zentrale Behörden, für die Erteilung von Aufenthaltstiteln zuständige Behörden und für die Handhabung der Bestimmungen zu Drittstaatsangehörigen im Zusammenhang mit der Anwendung des Unionsrechts im Bereich des Personenverkehrs zuständige Behörden,

e)

für die Ausstellung von Kfz-Zulassungsbescheinigungen zuständige Behörden (gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1986/2006).

Gemäß dem SIS-II-Beschluss haben auch Europol und Eurojust Zugriff auf bestimmte Ausschreibungskategorien.

Das SIS II besteht aus folgenden Einheiten:

1.

einem zentralen System („zentrales SIS II“), zu dem folgende Elemente gehören:

a)

eine technische Unterstützungseinheit („CS-SIS“), die eine Datenbank („SIS-II-Datenbank“) enthält,

b)

eine einheitliche nationale Schnittstelle („NI-SIS“);

2.

einem nationalen System („N.SIS II“) in jedem einzelnen Mitgliedstaat, das aus den nationalen, mit dem zentralen SIS II kommunizierenden Datensystemen besteht. Jedes N.SIS II kann einen Datenbestand („nationale Kopie“) umfassen, der eine vollständige oder Teilkopie der SIS-II-Datenbank enthält;

3.

einer Infrastruktur für die Kommunikation zwischen CS-SIS und NI-SIS, die ein verschlüsseltes virtuelles Netz speziell für SIS-II-Daten und den nachstehend definierten Austausch von Daten zwischen den SIRENE-Büros bietet.

1.   DIE SIRENE-BÜROS UND ZUSATZINFORMATIONEN

1.1.   Das SIRENE-Büro

Das SIS II enthält nur die unerlässlichen Informationen (also Ausschreibungsdaten) zur Identifizierung einer Person oder einer Sache sowie über die zu ergreifenden Maßnahmen. Damit bestimmte in den SIS-II-Rechtsakten vorgesehene Maßnahmen ergriffen werden können und das SIS II reibungslos funktionieren kann, tauschen die Mitgliedstaaten darüber hinaus gemäß diesen Rechtsakten auf bilateraler oder multilateraler Basis mit der Ausschreibung im Zusammenhang stehende Zusatzinformationen aus.

Die Struktur für den Austausch dieser Zusatzinformationen wurde „SIRENE“ genannt, ein Kürzel der in dem Dokument auf Englisch formulierten Definition: Supplementary Information Request at the National Entries.

Nach dem gemeinsamen Artikel 7 Absatz 2 der SIS-II-Rechtsakte bestimmt jeder Mitgliedstaat ein „SIRENE-Büro“. Es dient als einzige Kontaktstelle der Mitgliedstaaten, muss rund um die Uhr voll einsatzbereit sein und soll Zusatzinformationen im Zusammenhang mit der Eingabe von Ausschreibungen austauschen, auf deren Grundlage die geeigneten Maßnahmen ergriffen werden können, wenn in Bezug auf Personen bzw. Sachen, zu denen Daten im SIS II aufgenommen sind, ein Treffer erzielt wird. Im Wesentlichen haben die SIRENE-Büros die Aufgabe (14) zu gewährleisten, dass in den nachstehenden Fällen der Austausch aller Zusatzinformationen im Einklang mit den Vorgaben des SIRENE-Handbuchs gemäß dem gemeinsamen Artikel 8 der SIS-II-Rechtsakte erfolgt:

a)

bei Eingabe einer Ausschreibung, damit die Mitgliedstaaten einander konsultieren und benachrichtigen können (z. B. bei Eingabe einer Personenausschreibung zur Festnahme),

b)

nach einem Treffer, damit die geeigneten Maßnahmen ergriffen werden können (positiver Abgleich),

c)

in Fällen, in denen die erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen werden können (z. B. Kennzeichnung),

d)

bei Fragen der Qualität der SIS-II-Daten (z. B. wenn Daten unrechtmäßig gespeichert wurden oder unrichtig sind), einschließlich — sofern nach innerstaatlichem Recht vorgesehen — der Validierung der ausgehenden Ausschreibungen und der Überprüfung der eingehenden Ausschreibungen,

e)

bei Fragen der Kompatibilität und Priorität von Ausschreibungen (z. B. bei der Suche nach Mehrfachausschreibungen),

f)

bei Fragen der Rechte der betroffenen Personen, insbesondere des Auskunftsrechts.

Die Mitgliedstaaten sollten alle für die internationale polizeiliche Zusammenarbeit verantwortlichen nationalen Stellen, einschließlich der SIRENE-Büros, in eine Struktur einbinden, so dass Kompetenzstreitigkeiten und unnötige Doppelarbeit vermieden werden.

1.2.   SIRENE-Handbuch

Das SIRENE-Handbuch enthält Weisungen mit einer detaillierten Beschreibung der Vorschriften und Verfahren für den bilateralen oder multilateralen Austausch von Zusatzinformationen.

1.3.   Anlagen zum SIRENE-Handbuch

Da sich bestimmte technische Regeln direkt auf die Arbeit der Benutzer in den Mitgliedstaaten, einschließlich der Bediensteten der SIRENE-Büros, auswirken, ist es angebracht, sie in das SIRENE-Handbuch aufzunehmen. Daher enthalten die Anlagen zu diesem Handbuch unter anderem Transliterationsregeln, Codetabellen, Formulare für die Mitteilung von Zusatzinformationen und sonstige technische Bestimmungen für die Datenverarbeitung.

1.4.   Katalog von Empfehlungen für die korrekte Anwendung des Schengen-Besitzstands und bewährte Praktiken (Schengener Informationssystem)

Unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen enthält der Katalog rechtlich unverbindliche Empfehlungen und bewährte Praktiken für die Mitgliedstaaten. Zudem dient er als Bezugsrahmen für die Bewertung, ob den SIS-II-Rechtsakten ordnungsgemäß nachgekommen wird. Dementsprechend ist dem Katalog so weit wie möglich Rechnung zu tragen.

1.5.   Rolle der SIRENE-Büros im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit in der Europäischen Union

Der Austausch von Zusatzinformationen berührt nicht die Aufgaben, mit denen die SIRENE-Büros aufgrund innerstaatlicher Vorschriften zur Umsetzung anderer Rechtsinstrumente der Europäischen Union im Bereich der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit betraut sind.

Weitere Aufgaben können den SIRENE-Büros übertragen werden, insbesondere aufgrund der innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI, der Artikel 39 und 46 des Schengener Übereinkommens — soweit diese nicht durch den Rahmenbeschluss 2006/960/JI ersetzt wurden —, der Artikel 40 und 41 des Schengener Übereinkommens oder im Falle des Austauschs von Informationen im Rahmen der Rechtshilfe.

Geht bei einem SIRENE-Büro ein Ersuchen eines anderen SIRENE-Büros ein, das nicht in seinen Zuständigkeitsbereich nach innerstaatlichem Recht fällt, so sollte es das Ersuchen unverzüglich an die zuständige Behörde weiterleiten und das ersuchende SIRENE-Büro davon in Kenntnis setzen. Erforderlichenfalls sollte es das ersuchende SIRENE-Büro bei der Kommunikation unterstützen.

1.5.1.   Übermittlung von SIS-II-Daten und Zusatzinformationen an Drittstaaten oder internationale Organisationen

Nach Artikel 39 SIS-II-Verordnung und Artikel 54 SIS-II-Beschluss dürfen Daten, die im SIS II gemäß diesen Rechtsakten verarbeitet werden, Drittstaaten oder internationalen Organisationen nicht übermittelt oder zur Verfügung gestellt werden. Dieses Verbot gilt auch für die Übermittlung von Zusatzinformationen an Drittstaaten oder internationale Organisationen. Artikel 55 SIS-II-Beschluss sieht unter bestimmten Bedingungen eine Ausnahmeregelung für den Datenaustausch mit Interpol über gestohlene, unterschlagene, abhanden gekommene oder ungültig gemachte Pässe vor.

1.6.   Beziehungen zwischen SIRENE-Büros und Europol

Europol kann nach den Artikeln 26, 36 und 38 SIS-II-Beschluss Auskunft über die in das SIS II eingegebenen Daten einholen und diese unmittelbar abfragen. Nach Maßgabe des Europol-Beschlusses (15) kann Europol den betreffenden Mitgliedstaat um weitere Informationen ersuchen. Es wird nachdrücklich empfohlen, nach einzelstaatlichem Recht eine Zusammenarbeit mit der nationalen Europol-Stelle (ENU) aufzubauen, so dass das SIRENE-Büro stets über den Austausch von Zusatzinformationen zu Ausschreibungen im SIS II zwischen Europol und der ENU informiert ist. In Ausnahmefällen, in denen die Kommunikation über SIS-II-Ausschreibungen auf nationaler Ebene durch die ENU erfolgt, sollten alle an der Kommunikation Beteiligten, insbesondere die SIRENE-Büros, hierüber informiert werden, damit keine Unklarheiten entstehen.

1.7.   Beziehungen zwischen SIRENE-Büros und Eurojust

Die nationalen Mitglieder von Eurojust und ihre Assistenten können nach den Artikeln 26, 32, 34 und 38 SIS-II-Beschluss Auskunft über die in das SIS II eingegebenen Daten einholen und diese unmittelbar abfragen. Nach einzelstaatlichem Recht sollte eine Zusammenarbeit mit ihnen aufgebaut werden, damit im Trefferfall ein reibungsloser Informationsaustausch sichergestellt werden kann. Das SIRENE-Büro sollte insbesondere als Kontaktstelle für nationale Mitglieder von Eurojust und ihre Assistenten für die Einholung von Zusatzinformationen zu Ausschreibungen im SIS II dienen.

1.8.   Beziehungen zwischen SIRENE-Büros und Interpol  (16)

Das SIS II soll Interpol weder ersetzen noch soll eine Parallelstruktur gebildet werden. Zwar überschneiden sich einige Aufgaben, doch unterscheiden sich die Grundsätze für das Tätigwerden und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen von Schengen deutlich von denen bei Interpol. Daher sind Regeln für die Zusammenarbeit zwischen den SIRENE-Büros und den NZB (Interpol-Zentralstellen) auf nationaler Ebene festzulegen.

Folgende Grundsätze gelten:

1.8.1.   Vorrang von SIS-II-Ausschreibungen vor Interpol-Ausschreibungen

Ausschreibungen von Mitgliedstaaten im SIS II und der diesbezügliche Informationsaustausch haben immer Vorrang vor Ausschreibungen und dem Informationsaustausch über Interpol. Dies kommt besonders bei widersprüchlichen Ausschreibungen zum Tragen.

1.8.2.   Wahl des Kommunikationskanals

Der Grundsatz, dass Schengen-Ausschreibungen Vorrang vor Interpol-Ausschreibungen von Mitgliedstaaten haben, ist zu befolgen, und es ist sicherzustellen, dass die NZB der Mitgliedstaaten sich ebenfalls daran halten. Sobald die Ausschreibung in das SIS II eingegeben ist, erfolgt die gesamte Kommunikation im Zusammenhang mit dieser Ausschreibung, dem Eingabezweck und dem Vollzug der zu ergreifenden Maßnahme über SIRENE-Büros. Möchte ein Mitgliedstaat die Kommunikationskanäle wechseln, sind die anderen Parteien vorab zu konsultieren. Eine solche Änderung des Kanals ist nur in Sonderfällen möglich.

1.8.3.   Nutzung und Verbreitung von Interpol-Ausschreibungen in Schengen-Staaten

Angesichts des Vorrangs von SIS-II-Ausschreibungen vor Interpol-Ausschreibungen sind Interpol-Ausschreibungen auf Ausnahmefälle zu beschränken (d. h. auf die Fälle, in denen in den SIS-II-Rechtsakten die Eingabe einer Ausschreibung in das SIS II nicht vorgesehen oder die Eingabe technisch nicht möglich ist oder in denen nicht alle für eine SIS-II-Ausschreibung erforderlichen Informationen vorliegen). Die gleichzeitige Ausschreibung einer Person oder Sache im SIS II und bei Interpol ist im Schengen-Raum möglichst zu vermeiden. Über den Interpol-Kanal verbreitete Ausschreibungen, die den gesamten Schengen-Raum oder einen Teil davon betreffen, müssen den folgenden Vermerk enthalten: „ausgenommen die Schengen-Staaten“.

1.8.4.   Treffer und Löschung einer Ausschreibung

Damit die SIRENE-Büros ihre Aufgabe der Koordinierung der Datenqualitätsüberprüfung im SIS II wahrnehmen können, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die SIRENE-Büros und die NZB einander über Treffer und die Löschung von Ausschreibungen informieren.

1.8.5.   Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den SIRENE-Büros und den NZB von Interpol

Jeder Mitgliedstaat ergreift nach innerstaatlichem Recht geeignete Maßnahmen, um auf nationaler Ebene einen effektiven Informationsaustausch zwischen seinem SIRENE-Büro und den NZB sicherzustellen.

1.9.   Grundsätze

Die Zusammenarbeit über die SIRENE-Büros beruht auf folgenden Grundsätzen:

1.9.1.   Ständige Verfügbarkeit

Jedes SIRENE-Büro muss an sieben Tagen pro Woche 24 Stunden täglich voll funktionsfähig sein, um innerhalb der in Abschnitt 1.13 vorgeschriebenen Frist reagieren zu können. Es muss außerdem für technische und rechtliche Analysen, Unterstützung und Problemlösungen an sieben Tagen pro Woche 24 Stunden täglich zur Verfügung stehen.

1.9.2.   Kontinuität

Jedes SIRENE-Büro muss über eine interne Struktur verfügen, die die Kontinuität des Managements, der personellen Besetzung und der technischen Infrastruktur garantiert.

1.9.3.   Geheimhaltung

Gemäß dem gemeinsamen Artikel 11 der SIS-II-Rechtsakte unterliegen alle Bediensteten der SIRENE-Büros den innerstaatlichen Vorschriften über die berufliche Schweigepflicht bzw. einer vergleichbaren Geheimhaltungspflicht. Diese Pflicht besteht auch nach dem Ausscheiden der Bediensteten aus dem Amt oder dem Dienstverhältnis.

1.9.4.   Zugänglichkeit

Um die erforderlichen Zusatzinformationen liefern zu können, müssen die Bediensteten der SIRENE-Büros direkten oder indirekten Zugang zu allen im Land vorhandenen einschlägigen Informationen haben und Fachleute zu Rate ziehen können.

1.10.   Kommunikation

1.10.1.   Kommunikationssprache

Damit die SIRENE-Büros möglichst gut mit anderen SIRENE-Büros kommunizieren können, ist eine Sprache zu verwenden, die beiden Seiten geläufig ist.

1.10.2.   Datenaustausch zwischen SIRENE-Büros

Die technischen Spezifikationen für den Informationsaustausch zwischen SIRENE-Büros sind dem Dokument „Data exchange between SIRENE Bureaux (DEBS)“ zu entnehmen. Die darin enthaltenen Weisungen sind zu befolgen.

1.10.3.   Netz, Mitteilungen und Mailboxen

Gemäß dem gemeinsamen Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c und dem gemeinsamen Artikel 8 Absatz 1 der SIS-II-Rechtsakte verwenden die SIRENE-Büros ein verschlüsseltes virtuelles Netz speziell für SIS-II-Daten und für den Austausch von Zusatzinformationen zwischen SIRENE-Büros. Nur wenn das Netz nicht verfügbar ist, darf ein geeignetes, ebenso gut geschütztes anderes Kommunikationsmittel verwendet werden. Die Wahl des Kommunikationsmittels ist von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten und der jeweiligen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen zu treffen.

Es gibt zwei Arten schriftlicher Mitteilungen: Freitext und Standardformulare. Anlage 3 erläutert die zwischen SIRENE-Büros auszutauschenden Formulare und enthält Anleitungen für das Ausfüllen der Felder, einschließlich Hinweisen auf Pflichtangaben.

Im Rahmen des oben genannten Netzes gibt es vier verschiedene Mailboxen für Freitext-Mitteilungen und SIRENE-Formulare.

Mailbox

Mailbox-Adresse

Zweck

Operationell

oper@xx.sirenemail2.eu

Austausch von Formularen und Anhängen zwischen SIRENE-Büros

Technisch

tech@xx.sirenemail2.eu

E-Mail-Austausch zwischen dem für die technische Unterstützung zuständigen Personal der SIRENE-Büros

Leiter SIRENE-Büros

director@xx.sirenemail2.eu

E-Mail-Austausch mit den Leitern der SIRENE-Büros

E-Mail

message@xx.sirenemail2.eu

Austausch von Freitext-Mitteilungen zwischen SIRENE-Büros

Zu Testzwecken gibt es eine zweite Domäne (17) (testxx.sirenemail2.eu); darin können alle in der vorstehenden Tabelle angegebenen Mailboxen zu Testzwecken repliziert werden, ohne dass sich dies auf den direkten Austausch von Mitteilungen und in der Arbeitsablaufumgebung auswirkt.

Die im DEBS-Dokument detaillierten Vorschriften über SIRENE-Mailboxen und die Übermittlung von SIRENE-Formularen sind zu beachten.

Durch das SIRENE-Arbeitsablaufsystem (siehe Abschnitt 1.12) werden die operationelle und die E-Mail-Mailbox („oper“ und „message“) überwacht, damit der Eingang von Formularen, damit im Zusammenhang stehenden E-Mails und Anhängen festgestellt wird. Dringende Mitteilungen sind nur an die operationelle Mailbox zu übermitteln.

1.10.4.   Kommunikation in Ausnahmesituationen

Wenn die üblichen Kommunikationskanäle nicht verfügbar sind und Standardformulare beispielsweise per Fax übermittelt werden müssen, ist das im DEBS-Dokument beschriebene Verfahren anwendbar.

1.11.   SIRENE-Adressbuch (SAB)

Die Kontaktadressen der SIRENE-Büros und die für die Kommunikation und Zusammenarbeit benötigten Angaben werden im SIRENE-Adressbuch (SAB) erfasst und bereitgestellt. Die Aktualisierung des SAB wird von der Kommission vorgenommen, die mindestens zweimal jährlich ein aktualisiertes SAB erstellt. Jedes SIRENE-Büro sorgt dafür, dass

a)

im SAB enthaltene Informationen nicht an Dritte weitergegeben werden,

b)

das SAB den Bediensteten der SIRENE-Büros bekannt ist und von ihnen genutzt wird,

c)

jegliche Aktualisierung der im SAB aufgelisteten Informationen unverzüglich an die Kommission weitergeleitet wird.

1.12.   SIRENE-Arbeitsablaufsystem

Die Arbeit der SIRENE-Büros ist am wirksamsten dadurch zu bewältigen, dass jedes SIRENE-Büro über ein computergestütztes Verwaltungssystem (Arbeitsablaufsystem) verfügt, mit dem sich ein Großteil der täglichen Arbeitsabläufe automatisieren lässt.

Für ernste Notsituationen kann das SIRENE-Büro an einem anderen Ort über einen Backup-Computer und ein Backup-Datenbanksystem für seine Arbeitsabläufe verfügen. Dazu sollte ein geeignetes Backup-System für Stromversorgung und Telekommunikation gehören.

Zur Gewährleistung einer hohen Verfügbarkeit des Systems sollte eine geeignete IT-Unterstützung für die SIRENE-Arbeitsabläufe bereitgestellt werden.

1.13.   Antwortfristen

Das SIRENE-Büro beantwortet alle von einem anderen Mitgliedstaat über sein SIRENE-Büro gestellten Auskunftsersuchen zu Ausschreibungen und Vorgehensweisen im Falle von Treffern so bald wie möglich, spätestens aber zwölf Stunden nach Eingang der Anfrage. (Siehe auch Abschnitt 1.13.1 über die Angabe der Dringlichkeit in SIRENE-Formularen.)

Nach der Ausschreibungskategorie und der Bedeutung des Falles werden Prioritäten für die tägliche Arbeit des Büros festgelegt.

1.13.1.   Angabe der Dringlichkeit in SIRENE-Formularen einschließlich der dringlichen Meldung eines Treffers

SIRENE-Formulare, denen vom ersuchten SIRENE-Büro höchste Priorität einzuräumen ist, können in Feld 311 („Important Notice“ — Wichtiger Hinweis) als dringend („URGENT“), gefolgt von dem Grund für die Dringlichkeit, gekennzeichnet werden. Der Dringlichkeitsgrund ist in den entsprechenden Feldern der SIRENE-Formulare zu erläutern. Wenn eine rasche Antwort benötigt wird, kann die Mitteilung auch telefonisch übermittelt werden.

Wenn es die Umstände eines Treffers bei einer Ausschreibung, zum Beispiel in Fällen echter Dringlichkeit oder besonderer Bedeutung, erfordern, unterrichtet das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, in dem der Abgleich ein positives Ergebnis erbrachte, gegebenenfalls das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats nach Abschicken eines Formulars G telefonisch von dem Treffer.

1.14.   Transliterations-/Transkriptionsregeln

Anlage 1 enthält die Transliterations- und Transkriptionsfestlegungen und -regeln. Sie sind bei der Kommunikation zwischen SIRENE-Büros zu beachten (siehe auch Abschnitt 2.10 über die Eingabe von Eigennamen).

1.15.   Datenqualität

Gemäß Artikel 7 Absatz 2 der SIS-II-Rechtsakte koordinieren die SIRENE-Büros die Überprüfung der Qualität der in das SIS II eingegebenen Daten. Die SIRENE-Büros sollten über die dazu notwendigen nationalen Befugnisse verfügen. Zu diesem Zweck ist ein angemessenes nationales Datenqualitätsaudit einschließlich einer Überprüfung der Trefferquote bei den Ausschreibungen sowie des Dateninhalts vorzusehen.

Die SIRENE-Büros müssen die erforderliche IT-Unterstützung und die entsprechenden Rechte erhalten, um ihre Aufgabe als Koordinierungsstelle für die Datenqualitätsüberprüfung wahrnehmen zu können.

In Zusammenarbeit mit den nationalen SIRENE-Büros sollten nationale Vorschriften für die Schulung der Benutzer hinsichtlich der Grundsätze der Datenqualität und der Vorgehensweise festgelegt werden. Die Mitgliedstaaten können die Bediensteten der SIRENE-Büros auffordern, sich an den Schulungen für Mitarbeiter von Behörden, die Ausschreibungen eingeben, zu beteiligen, wobei die Datenqualität und eine maximale Nutzung des SIS II im Mittelpunkt stehen sollten.

1.16.   Archivierung

a)

Jeder Mitgliedstaat legt die Modalitäten der Speicherung von Informationen fest.

b)

Das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats hält für die anderen Mitgliedstaaten sämtliche Informationen zu den von ihm eingegebenen Ausschreibungen zur Verfügung, darunter die Entscheidung, die der Ausschreibung zugrunde liegt.

c)

Die Informationen sind in jedem SIRENE-Büro so zu archivieren, dass ein schneller Zugriff möglich ist und die sehr knappen Fristen für die Informationsübermittlung eingehalten werden können.

d)

Im Einklang mit Artikel 12 Absatz 4 der SIS-II-Rechtsakte speichern die SIRENE-Büros die bei einem Informationsaustausch erhaltenen personenbezogenen Daten nur so lange wie für den Zweck der Datenübermittlung erforderlich. In der Regel sind diese Informationen zu löschen, sobald die entsprechende Ausschreibung aus dem SIS II gelöscht ist, spätestens aber ein Jahr danach. Allerdings kann nach dem Recht eines Mitgliedstaats eine längere Speicherung von Daten zu einer Ausschreibung dieses Mitgliedstaats oder zu einer Ausschreibung, in deren Zusammenhang Maßnahmen in seinem Hoheitsgebiet ergriffen wurden, zulässig sein.

e)

Von anderen Mitgliedstaaten übermittelte Zusatzinformationen werden vom Empfänger-Mitgliedstaat nach Maßgabe der innerstaatlichen Datenschutzvorschriften gespeichert. Der gemeinsame Artikel 12 der SIS-II-Rechtsakte, die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (18) und der Rahmenbeschluss 2008/977/JI des Rates (19) finden ebenfalls Anwendung.

f)

Informationen über missbräuchlich verwendete Identitäten sind nach der Löschung der entsprechenden Ausschreibung zu löschen.

g)

Der Zugang zu den Archiven ist zu erfassen, zu kontrollieren und dazu befugten Personen vorzubehalten.

1.17.   Personal

Je mehr Erfahrung das Personal hat, desto besser ist es in der Lage, eigenverantwortlich und effizient zu arbeiten. Daher ist eine geringe Personalfluktuation wünschenswert. Dies setzt voraus, dass das Management dezentralisierte Arbeitsstrukturen uneingeschränkt unterstützt. Die Mitgliedstaaten sollten geeignete Maßnahmen treffen, um Kompetenz- und Erfahrungsverluste infolge von Personalfluktuation zu vermeiden.

1.17.1.   Leiter der SIRENE-Büros

Die Leiter der einzelnen SIRENE-Büros sollten mindestens zweimal jährlich zusammenkommen, um die Qualität der Zusammenarbeit zwischen ihren Diensten zu bewerten, die im Falle von Schwierigkeiten erforderlichen technischen oder organisatorischen Maßnahmen zu besprechen und gegebenenfalls Verfahren zu klären. Das Treffen der Leiter der SIRENE-Büros wird von dem Mitgliedstaat organisiert, der den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehat.

1.17.2.   SIRENE-Kontaktperson (SIRCoP)

In Fällen, in denen die Standardverfahren möglicherweise nicht ausreichen, kann sich die SIRENE-Kontaktperson (SIRCoP) mit Dateien befassen, deren Bearbeitung komplex, problematisch oder sensibel ist und unter Umständen eine gewisse Qualitätssicherung und/oder längerfristige Kontakte mit einem anderen SIRENE-Büro erfordert. Der SIRCoP ist nicht für dringende Fälle zuständig, in denen in der Regel die rund um die Uhr erreichbaren Dauerdienste in Anspruch zu nehmen sind.

Der SIRCoP kann Vorschläge zur Verbesserung der Qualität ausarbeiten und Möglichkeiten für eine längerfristige Lösung solcher Probleme aufzeigen.

In der Regel ist ein SIRCoP nur während der Bürostunden für einen anderen SIRCoP erreichbar.

Im Rahmen der statistischen Berichterstattung gemäß Anlage 5 wird eine jährliche Bewertung anhand der folgenden Indikatoren vorgenommen:

a)

Zahl der SIRCoP-Interventionen je Mitgliedstaat,

b)

Grund für die Kontaktaufnahme,

c)

Ergebnis der Interventionen auf der Grundlage der während des Berichtszeitraums vorliegenden Informationen.

1.17.3.   Kenntnisse

Das Personal der SIRENE-Büros muss möglichst viele Fremdsprachen abdecken; das diensthabende Personal muss mit allen SIRENE-Büros kommunizieren können.

Die Bediensteten müssen über Kenntnisse in folgenden Bereichen verfügen:

nationale, europäische und internationale Rechtsfragen,

nationale Strafverfolgungsbehörden und

nationale und europäische Justizsysteme und Systeme der Einwanderungssteuerung.

Sie müssen die Befugnis haben, jeden neuen Fall selbstständig zu bearbeiten.

Bedienstete, die außerhalb der Bürozeiten im Dienst sind, müssen dieselbe Kompetenz, dieselben Kenntnisse und Befugnisse sowie die Möglichkeit haben, sich an Experten zu wenden, die telefonisch erreichbar sind.

Zur Bearbeitung der üblichen und der besonderen Fälle ist in den SIRENE-Büros rechtlicher Sachverstand erforderlich. Je nach Fall können SIRENE-Bedienstete mit einem entsprechenden juristischen Hintergrund oder Experten aus den Justizbehörden dieses Fachwissen zur Verfügung stellen.

1.17.4.   Fortbildung

Nationale Ebene

Auf nationaler Ebene soll mit angemessenen Schulungen sichergestellt werden, dass die in diesem Handbuch festgelegten personellen Anforderungen erfüllt werden. Bevor ein Bediensteter die Berechtigung erhält, im SIS II gespeicherte Daten zu verarbeiten, muss er insbesondere in Fragen der Datensicherheit und des Datenschutzes geschult und über alle einschlägigen Straftatbestände und Strafen informiert werden.

Europäische Ebene

Um die Zusammenarbeit zwischen den SIRENE-Büros zu verbessern, sind mindestens einmal jährlich gemeinsame Schulungen zu organisieren. Dabei treffen die SIRENE-Bediensteten ihre Kollegen aus den anderen SIRENE-Büros und tauschen Informationen über nationale Arbeitsmethoden aus. Dadurch werden die Kenntnisse in den Büros aneinander angeglichen und den Bediensteten wird vermittelt, wie wichtig ihre Tätigkeit ist und wie sehr es im Interesse der Sicherheit aller Mitgliedstaaten auf Solidarität ankommt.

Die Schulungen sind im Einklang mit dem für SIRENE-Ausbilder und -Fortbilder bestimmten Handbuch durchzuführen.

Artikel 3 der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (20) sieht vor, dass die Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (die „Agentur“) Aufgaben im Zusammenhang mit Schulungen zur technischen Nutzung des SIS II, insbesondere für SIRENE-Personal, wahrnimmt.

1.17.5.   Personalaustausch

Soweit möglich, sollten auch mindestens einmal im Jahr Mitarbeiter mit anderen SIRENE-Büros ausgetauscht werden. Ein solcher Austausch soll den Bediensteten einen besseren Einblick in andere Arbeitsmethoden geben, ihnen zeigen, wie andere SIRENE-Büros organisiert sind, und ermöglichen, persönliche Kontakte mit Kollegen in anderen Mitgliedstaaten zu knüpfen.

2.   ALLGEMEINE VERFAHREN

Die nachstehenden Verfahren gelten für alle Ausschreibungskategorien. Verfahren speziell für einzelne Ausschreibungskategorien sind den entsprechenden Teilen dieses Handbuchs zu entnehmen.

2.1.   Begriffsbestimmungen

„Ausschreibender Mitgliedstaat“: Mitgliedstaat, der die Ausschreibung in das SIS II eingegeben hat;

„vollziehender Mitgliedstaat“: Mitgliedstaat, der im Trefferfall die erforderlichen Maßnahmen vollzieht;

„lieferndes SIRENE-Büro“: SIRENE-Büro eines Mitgliedstaats, das im Besitz von Fingerabdrücken oder Lichtbildern der von einem anderen Mitgliedstaat ausgeschriebenen Person ist;

„Treffer“: Ein Treffer im SIS II liegt vor, wenn

a)

von einem Benutzer eine Abfrage durchgeführt wird,

b)

sich bei der Abfrage herausstellt, dass eine ausländische Ausschreibung im SIS II gespeichert ist,

c)

die Daten der Ausschreibung im SIS II den Abfragedaten entsprechen und

d)

infolge des Treffers weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen;

„Kennzeichnung“: auf nationaler Ebene erfolgende Aussetzung einer Ausschreibung zur Festnahme, einer Vermisstenausschreibung oder einer Ausschreibung zur Kontrolle, wenn ein Mitgliedstaat der Auffassung ist, dass der Vollzug der in einer Ausschreibung vorgesehenen Maßnahme mit seinem innerstaatlichen Recht, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen oder wesentlichen nationalen Interessen nicht vereinbar ist. Wird eine Kennzeichnung hinzugefügt, so wird die aufgrund der Ausschreibung verlangte Maßnahme im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats nicht vollzogen.

2.2.   Mehrfachausschreibungen (Artikel 34 Absatz 6 SIS-II-Verordnung und Artikel 49 Absatz 6 SIS-II-Beschluss)

Für jede Person oder Sache darf nur eine Ausschreibung pro Mitgliedstaat in das SIS II eingegeben werden.

Soweit erforderlich, sind daher nach Möglichkeit die zweite und alle nachfolgenden Ausschreibungen zu derselben Person oder derselben Sache im jeweiligen Mitgliedstaat zur Verfügung zu halten, so dass sie eingegeben werden können, sobald die erste Ausschreibung erlischt oder gelöscht wird.

Verschiedene Mitgliedstaaten können eine Ausschreibung zur gleichen Person oder Sache eingeben. Wichtig ist, Unklarheiten zu vermeiden: Benutzer müssen genau wissen, was sie zu tun haben, wenn sie eine Ausschreibung eingeben wollen oder wenn ein Treffer erzielt wird. Daher sind Verfahren zur Auffindung bereits vorhandener Ausschreibungen zur gleichen Person oder Sache (Mehrfachausschreibungen) und eine Rangfolge dieser Ausschreibungen für die Eingabe in das SIS II festzulegen.

Es ist wie folgt vorzugehen:

Vor Eingabe einer Ausschreibung muss geprüft werden, ob dieselbe Person oder Sache bereits im SIS II ausgeschrieben ist,

die anderen Mitgliedstaaten müssen konsultiert werden, wenn die Eingabe einer Ausschreibung zu Mehrfachausschreibungen führt, die nicht miteinander vereinbar sind.

2.2.1.   Vereinbarkeit von Ausschreibungen

Mehrere Mitgliedstaaten dürfen eine Ausschreibung zu derselben Person oder Sache eingeben, wenn die Ausschreibungen miteinander vereinbar sind.

Die Mitgliedstaaten können bei der Eingabe einer Ausschreibung zur verdeckten oder zur gezielten Kontrolle von den Vorschriften über die Vereinbarkeit abweichen, insbesondere bei Ausschreibungen aus Gründen der nationalen Sicherheit. Die Rangfolge von Ausschreibungen und das Konsultationsverfahren gemäß Abschnitt 2.2.2 bleiben davon unberührt.

Vereinbarkeit von Personenfahndungsausschreibungen

Rangfolge

Ausschreibung zur Festnahme

Ausschreibung zur Einreiseverwei-gerung

Vermisstenausschreibung (Schutz)

Ausschreibung zur gezielten Kontrolle — sofortiges Handeln

Ausschreibung zur gezielten Kontrolle

Ausschreibung zur verdeck-ten Kontrolle — sofortiges Handeln

Ausschreibung zur verdeckten Kontrolle

Vermisstenausschreibung (Aufenthaltsermittlung)

Ausschreibung von Personen im Hinblick auf ihre Teilnahme an einem Gerichtsverfahren

Ausschreibung zur Festnahme

ja

ja

ja

nein

nein

nein

nein

ja

ja

Ausschreibung zur Einreiseverweigerung

ja

ja

nein

nein

nein

nein

nein

nein

nein

Vermisstenausschreibung (Schutz)

ja

nein

ja

nein

nein

nein

nein

ja

ja

Ausschreibung zur gezielten Kontrolle — sofortiges Handeln

nein

nein

nein

ja

ja

nein

nein

nein

nein

Ausschreibung zur gezielten Kontrolle

nein

nein

nein

ja

ja

nein

nein

nein

nein

Ausschreibung zur verdeckten Kontrolle — sofortiges Handeln

nein

nein

nein

nein

nein

ja

ja

nein

nein

Ausschreibung zur verdeckten Kontrolle

nein

nein

nein

nein

nein

ja

ja

nein

nein

Vermisstenausschreibung (Aufenthaltsermittlung)

ja

nein

ja

nein

nein

nein

nein

ja

ja

Ausschreibung von Personen im Hinblick auf ihre Teilnahme an einem Gerichtsverfahren

ja

nein

ja

nein

nein

nein

nein

ja

ja


Vereinbarkeit von Sachfahndungsausschreibungen

Rangfolge

Ausschreibung zur Beweissicherung

Für ungültig erklärtes, zu Reisezwecken verwendetes Dokument

Ausschreibung zur Sicherstellung

Ausschreibung zur gezielten Kontrolle — sofortiges Handeln

Ausschreibung zur gezielten Kontrolle

Ausschreibung zur verdeckten Kontrolle — sofortiges Handeln

Ausschreibung zur verdeckten Kontrolle

Ausschreibung zur Beweissicherung

ja

ja

ja

nein

nein

nein

nein

Für ungültig erklärtes, zu Reisezwecken verwendetes Dokument

ja

ja

ja

nein

nein

nein

nein

Ausschreibung zur Sicherstellung

ja

ja

ja

nein

nein

nein

nein

Ausschreibung zur gezielten Kontrolle — sofortiges Handeln

nein

nein

nein

ja

ja

nein

nein

Ausschreibung zur gezielten Kontrolle

nein

nein

nein

ja

ja

nein

nein

Ausschreibung zur verdeckten Kontrolle — sofortiges Handeln

nein

nein

nein

nein

nein

ja

ja

Ausschreibung zur verdeckten Kontrolle

nein

nein

nein

nein

nein

ja

ja

2.2.2.   Rangfolge von Ausschreibungen

Im Falle unvereinbarer Ausschreibungen gilt bei Personenfahndungsausschreibungen die nachstehende Rangfolge:

Festnahme zum Zwecke der Übergabe oder Auslieferung (Artikel 26 Beschluss),

Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung im Schengen-Gebiet (Artikel 24 Verordnung),

Ingewahrsamnahme (Artikel 32 Beschluss),

gezielte Kontrolle — sofortiges Handeln (Artikel 36 Beschluss),

gezielte Kontrolle (Artikel 36 Beschluss),

verdeckte Kontrolle — sofortiges Handeln (Artikel 36 Beschluss),

verdeckte Kontrolle (Artikel 36 Beschluss).

Mitteilung des Aufenthalts (Artikel 32 und 34 Beschluss).

Bei Sachfahndungsausschreibungen gilt die nachstehende Rangfolge:

Beweissicherung (Artikel 38 Beschluss),

Für ungültig erklärtes, zu Reisezwecken verwendetes Dokument (Artikel 38 Beschluss)

Sicherstellung (Artikel 38 Beschluss),

gezielte Kontrolle — sofortiges Handeln (Artikel 36 Beschluss),

gezielte Kontrolle (Artikel 36 Beschluss),

verdeckte Kontrolle — sofortiges Handeln (Artikel 36 Beschluss),

verdeckte Kontrolle (Artikel 36 Beschluss).

Im Benehmen mit den Mitgliedstaaten kann wegen wesentlicher nationaler Belange von dieser Rangfolge abgewichen werden.

2.2.3.   Überprüfung auf Unvereinbarkeit und Eingabe von Mehrfachausschreibungen

Um unvereinbare Mehrfachausschreibungen zu vermeiden, ist sorgfältig zwischen Personen bzw. Sachen zu unterscheiden, die ähnliche Merkmale aufweisen. Wichtig ist, dass die SIRENE-Büros einander konsultieren und zusammenarbeiten. Jeder Mitgliedstaat muss angemessene technische Verfahren zur Auffindung bereits vorhandener Ausschreibungen zur gleichen Person oder Sache festlegen, bevor eine Eingabe getätigt wird.

Ist ein Ausschreibungsersuchen mit einer Ausschreibung desselben Mitgliedstaats nicht vereinbar, stellt das SIRENE-Büro nach dem innerstaatlichen Verfahren sicher, dass nur eine Ausschreibung im SIS II enthalten ist.

Um zu überprüfen, ob Mehrfachausschreibungen zu derselben Person oder Sache vorliegen, ist wie folgt vorzugehen:

a)

Die vorgeschriebenen Identifizierungskriterien sind zu vergleichen:

i)

bei einer Person:

Familienname,

Vorname,

Geburtsdatum,

Geschlecht;

ii)

bei einem Fahrzeug:

Fahrzeugidentifizierungsnummer (VIN),

amtliches Kennzeichen und Land der Zulassung,

Marke,

Typ;

iii)

bei einem Luftfahrzeug:

Flugzeugklasse,

ICAO-Register-Nummer;

iv)

bei einem Wasserfahrzeug:

Art des Wasserfahrzeugs,

Zahl der Rümpfe,

äußere Kennbuchstaben und -ziffern (fakultativ);

v)

bei einem Container:

BIC-Nummer (21).

b)

Bei der Eingabe einer neuen Ausschreibung zu einem Fahrzeug oder einer sonstigen Sache mit einer VIN-Nummer oder einem Kennzeichen sind die Verfahren in Abschnitt 8.2.1 zu beachten.

c)

Bei anderen Sachen können Mehrfachausschreibungen am besten über die Pflichtangaben ermittelt werden, die vom System automatisch verglichen werden.

Stellt sich heraus, dass zwei ähnliche Sachen dieselbe Seriennummer haben, sind die Verfahren in Abschnitt 8.2.1 (Überprüfung auf Mehrfachausschreibungen bezüglich eines Fahrzeugs) zur Unterscheidung zwischen anderen Sachfahndungskategorien im SIS II anzuwenden.

Ergibt die Überprüfung, dass sich die Angaben auf zwei verschiedene Personen bzw. Sachen beziehen, genehmigt das SIRENE-Büro das Ersuchen um Eingabe der Ausschreibung (22).

Stellt sich bei der Überprüfung auf Mehrfachausschreibungen heraus, dass die Angaben identisch sind und sich auf dieselbe Person oder Sache beziehen, konsultiert das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, der eine neue Ausschreibung eingeben will, bei Unvereinbarkeit der Ausschreibungen das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats.

Um Ausschreibungen auf ihre Vereinbarkeit zu überprüfen, ist wie folgt vorzugehen:

a)

Vor Eingabe einer Ausschreibung ist unbedingt durch eine Überprüfung sicherzustellen, dass keine unvereinbaren Ausschreibungen existieren.

b)

Existiert eine andere vereinbare Ausschreibung, so sind keine Konsultationen zwischen den SIRENE-Büros erforderlich. Muss jedoch geklärt werden, ob sich die Ausschreibung auf dieselbe Person bezieht, konsultiert das SIRENE-Büro das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit dem Formular L.

c)

Sind die Ausschreibungen unvereinbar, konsultieren die SIRENE-Büros einander mit dem Formular E, damit letztlich nur eine Ausschreibung eingegeben wird.

d)

Ausschreibungen zur Festnahme werden unverzüglich eingegeben, ohne die Ergebnisse der Konsultation anderer Mitgliedstaaten abzuwarten.

e)

Wird einer Ausschreibung, die mit bereits bestehenden Ausschreibungen unvereinbar ist, nach Konsultation Vorrang eingeräumt, werden bei Eingabe der neuen Ausschreibung die vorherigen Ausschreibungen von den Mitgliedstaaten, die diese eingegeben haben, gelöscht. Streitigkeiten werden von den Mitgliedstaaten über die SIRENE-Büros beigelegt.

f)

Mitgliedstaaten, die eine Ausschreibung nicht eingeben konnten, können sich vom CS-SIS benachrichtigen lassen, wenn die Ausschreibung gelöscht wurde.

g)

Das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, der eine Ausschreibung nicht eingeben konnte, kann das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, der die Ausschreibung eingegeben hatte, ersuchen, es über Treffer bei dieser Ausschreibung zu informieren.

2.2.4.   Besondere Situation des Vereinigten Königreichs und Irlands

Das Vereinigte Königreich und Irland beteiligen sich nicht an der SIS-II-Verordnung und haben daher keinen Zugriff auf Ausschreibungen zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung (Artikel 24 und 26 SIS-II-Verordnung). Dennoch sind sie an die Vorschriften über die Vereinbarkeit von Ausschreibungen in Abschnitt 2.2 gebunden und insbesondere verpflichtet, das in Abschnitt 2.2.3 angegebene Verfahren anzuwenden.

Es ist wie folgt vorzugehen:

a)

Sollte das Vereinigte Königreich oder Irland eine Ausschreibung eingeben, die mit einer bereits bestehenden Ausschreibung zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung gemäß Abschnitt 2.2.1 unvereinbar sein könnte, werden diese beiden Mitgliedstaaten vom zentralen SIS II über die etwaige Unvereinbarkeit ausschließlich durch Mitteilung der Schengen-ID-Nummer der bereits bestehenden Ausschreibung benachrichtigt.

b)

Sollte die Benachrichtigung erfolgen, dass eine vom Vereinigten Königreich oder Irland eingegebene Ausschreibung mit einer von einem anderen Mitgliedstaat eingegebenen Ausschreibung zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung unvereinbar sein könnte, so konsultiert das SIRENE-Büro des Vereinigten Königreichs oder Irlands den ausschreibenden Mitgliedstaat anhand einer Freitext-Mitteilung und löscht die möglicherweise unvereinbare Ausschreibung im Zuge der Konsultation.

c)

Je nach Ausgang der Konsultation können das Vereinigte Königreich oder Irland eine erwiesenermaßen vereinbare Ausschreibung erneut eingeben.

2.3.   Informationsaustausch im Trefferfall

Benötigt der Benutzer nach dem Treffer Zusatzinformationen, setzt sich das SIRENE-Büro unverzüglich mit dem SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats in Verbindung und ersucht um die nötigen Informationen. Gegebenenfalls vermitteln die SIRENE-Büros zwischen den nationalen Behörden. Sie geben Zusatzinformationen zur fraglichen Ausschreibung und tauschen solche Informationen aus.

Im Regelfall ist der ausschreibende Mitgliedstaat über den Trefferfall und dessen Ergebnis zu unterrichten (siehe auch Abschnitt 1.13.1 über die Angabe der Dringlichkeit).

Es ist wie folgt vorzugehen:

a)

Unbeschadet des Abschnitts 2.4 dieses Handbuchs ist ein Treffer bei der Abfrage des Systems nach einer Person oder Sache im Prinzip mit einem Formular G dem SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats zu melden.

b)

Dabei ist der einschlägige Artikel der SIS-II-Rechtsakte in Feld 090 des Formulars G, einschließlich einer eventuell erforderlichen zusätzlichen Information (zum Beispiel „MINOR“ (Minderjähriger)), anzugeben.

Im Formular G sind möglichst umfassende Angaben zum Treffer zu machen, unter anderem in Feld 088 die getroffenen Maßnahmen. In Feld 089 kann der ausschreibende Mitgliedstaat um Zusatzinformationen ersucht werden.

c)

Will das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats nach Zusendung eines Formulars G weitere Informationen übermitteln, so hat es ein Formular M zu verwenden.

d)

Gegebenenfalls übermittelt das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats einschlägige Informationen und gibt an, um welche besonderen Maßnahmen es das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats ersucht.

Das Meldeverfahren im Falle von Treffern aufgrund von automatischen Nummernschild-Erkennungssystemen (Automatic Number Plate Recognition — ANPR) ist in Abschnitt 9 erläutert.

2.4.   Unmöglichkeit der Durchführung der erbetenen Maßnahme im Trefferfall (Artikel 48 SIS-II-Beschluss und Artikel 33 SIS-II-Verordnung)

Gemäß Artikel 48 SIS-II-Beschluss und Artikel 33 SIS-II-Verordnung ist wie folgt vorzugehen:

a)

Wenn ein Mitgliedstaat auf der Grundlage aller verfügbaren Informationen definitiv nicht in der Lage ist, die in der Ausschreibung vorgesehene erbetene Maßnahme auszuführen, unterrichtet er den ausschreibenden Mitgliedstaat über das SIRENE-Büro darüber und begründet dies in Feld 083 des Formulars H.

b)

Die betroffenen Mitgliedstaaten einigen sich unter Beachtung ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften und der SIS-II-Rechtsakte gegebenenfalls auf die zu ergreifende Maßnahme.

2.5.   Verarbeitung der Informationen zu anderen Zwecken als jenen, zu denen die Ausschreibung in das SIS II eingegeben wurde (Artikel 46 Absatz 5 SIS-II-Beschluss)

Die im SIS II gespeicherten Daten dürfen nur für die Zwecke verarbeitet werden, die für die jeweilige Ausschreibungskategorie festgelegt sind.

Mit vorheriger Zustimmung des ausschreibenden Mitgliedstaats können die Daten jedoch zu anderen Zwecken als jenen, zu denen sie eingegeben wurden, verarbeitet werden, soweit dies zur Abwehr einer schwerwiegenden und unmittelbar bevorstehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder aus schwerwiegenden Gründen der Sicherheit des Staates oder zur Verhütung einer Straftat mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist.

Will ein Mitgliedstaat im SIS II enthaltene Informationen zu anderen Zwecken als jenen, zu denen sie eingegeben wurden, verarbeiten, so gelten folgende Regeln für den Informationsaustausch:

a)

Der Mitgliedstaat, der die Informationen zu einem anderen Zweck verwenden will, unterrichtet den ausschreibenden Mitgliedstaat über sein SIRENE-Büro mit einem Formular I von den Gründen für die zweckentfremdete Datenverarbeitung.

b)

Der ausschreibende Mitgliedstaat prüft so bald wie möglich, ob er dem Ersuchen stattgeben kann, und teilt dem anderen Mitgliedstaat über sein SIRENE-Büro mit einem Formular M seine Entscheidung mit.

c)

Gegebenenfalls kann der ausschreibende Mitgliedstaat seine Zustimmung mit bestimmten Auflagen für die Nutzung der Daten mit einem Formular M erteilen.

Nach Zustimmung des ausschreibenden Mitgliedstaats verwendet der andere Mitgliedstaat die Daten ausschließlich zu dem Zweck, für den ihm die Zustimmung erteilt wurde. Er hat sich an die Auflagen des ausschreibenden Mitgliedstaats zu halten.

2.6.   Kennzeichnung

2.6.1.   Vorbemerkungen

a)

Artikel 24 SIS-II-Beschluss sieht folgende Fälle vor, in denen ein Mitgliedstaat eine Kennzeichnung verlangen kann:

i)

Ist ein Mitgliedstaat der Auffassung, dass der Vollzug einer Maßnahme, die in einer nach den Artikeln 26, 32 oder 36 SIS-II-Beschluss eingegebenen Ausschreibung vorgesehen ist, mit seinem nationalen Recht, mit internationalen Verpflichtungen oder wesentlichen nationalen Interessen nicht vereinbar ist, so kann er nachträglich verlangen, die Ausschreibung so zu kennzeichnen, dass die Maßnahme aufgrund der Ausschreibung nicht in seinem Hoheitsgebiet vollzogen wird. Die Kennzeichnung wird vom SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats eingefügt.

ii)

Damit die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, die nachträgliche Kennzeichnung einer Ausschreibung nach Artikel 26 zu verlangen, werden sämtliche Mitgliedstaaten im Wege des Austausches von Zusatzinformationen automatisch über neue Ausschreibungen dieser Kategorie informiert.

iii)

Verlangt ein ausschreibender Mitgliedstaat in besonders dringenden und schwerwiegenden Fällen den Vollzug der Maßnahme, so prüft der vollziehende Mitgliedstaat, ob er gestatten kann, die auf sein Verlangen hinzugefügte Kennzeichnung zurückzuziehen. Kann der vollziehende Mitgliedstaat dies gestatten, so trifft er die nötigen Vorkehrungen, um sicherzustellen, dass die Maßnahme unverzüglich ausgeführt werden kann.

b)

Ein alternatives Verfahren ist nur für Ausschreibungen zur Festnahme (siehe Abschnitt 3.6) vorgesehen.

c)

Bei Kennzeichnung von Vermisstenausschreibungen und Ausschreibungen zur verdeckten oder zur gezielten Kontrolle erscheint die Ausschreibung bei einer Abfrage des Systems durch den Benutzer nicht auf dem Bildschirm.

d)

Unbeschadet des Abschnitts 3.6.1 darf ein Mitgliedstaat nicht allein aufgrund der Tatsache um Kennzeichnung ersuchen, dass es sich bei dem ausschreibenden Mitgliedstaat um einen bestimmten Mitgliedstaat handelt. Kennzeichnungsersuchen erfolgen ausschließlich auf Einzelfallbasis.

2.6.2.   Konsultation der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine Kennzeichnung

Eine Kennzeichnung erfolgt ausschließlich auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats oder im Einvernehmen mit einem anderen Mitgliedstaat.

Es ist wie folgt vorzugehen:

a)

Wünscht ein Mitgliedstaat eine Kennzeichnung, so ersucht er den ausschreibenden Mitgliedstaat mit einem Formular F um die Kennzeichnung und erläutert den Grund hierfür. Hierzu ist Feld 071 zu verwenden, wobei der Kennzeichnungsgrund in Feld 080 zu erläutern ist. Sonstige Zusatzinformationen zur Ausschreibung sind in Feld 083 anzugeben.

b)

Der ausschreibende Mitgliedstaat fügt die erbetene Kennzeichnung umgehend ein.

c)

Nach Austausch der Informationen muss die Ausschreibung auf der Grundlage der Informationen, die der um Kennzeichnung ersuchende Mitgliedstaat im Konsultationsverfahren vorgelegt hat, unter Umständen geändert oder gelöscht oder das Ersuchen bei unveränderter Ausschreibung zurückgezogen werden.

2.6.3.   Ersuchen um Löschung einer Kennzeichnung

Sobald der Grund für die Kennzeichnung nicht mehr gegeben ist, ersuchen die Mitgliedstaaten um Löschung der zuvor erbetenen Kennzeichnung. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn sich die innerstaatlichen Rechtsvorschriften geändert haben oder wenn sich bei einem weiteren Informationsaustausch über den betreffenden Fall herausstellt, dass die in Artikel 24 Absatz 1 oder Artikel 25 SIS-II-Beschluss genannten Umstände nicht mehr vorliegen.

Es ist wie folgt vorzugehen:

a)

Das SIRENE-Büro, das zuvor um Kennzeichnung der Ausschreibung ersucht hatte, ersucht das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit einem Formular F darum, die Kennzeichnung zu löschen. Hierzu ist Feld 075 zu verwenden. (23) Feld 080 ist für weitere Angaben zum innerstaatlichen Recht und Feld 083 gegebenenfalls zur Eingabe von Zusatzinformationen zur Erläuterung des Grundes für die Löschung der Kennzeichnung und für sonstige Zusatzinformationen zur Ausschreibung zu verwenden.

b)

Das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats löscht die Kennzeichnung umgehend.

2.7.   Unrechtmäßig gespeicherte oder unrichtige Daten (Artikel 34 SIS-II-Verordnung und Artikel 49 SIS-II-Beschluss)

Wird festgestellt, dass im SIS II gespeicherte Daten unrichtig sind oder unrechtmäßig gespeichert wurden, sind Zusatzinformationen nach Maßgabe des Artikels 34 Absatz 2 SIS-II-Verordnung und Artikel 49 Absatz 2 SIS-II-Beschluss auszutauschen, wobei nur der ausschreibende Mitgliedstaat Daten ändern, ergänzen, berichtigen, aktualisieren oder löschen kann.

Der Mitgliedstaat, der einen Fehler oder die Unrechtmäßigkeit der Datenspeicherung festgestellt hat, setzt den ausschreibenden Mitgliedstaat so rasch wie möglich, spätestens aber zehn Kalendertage, nachdem er auf Anhaltspunkte für den Fehler aufmerksam geworden ist, über das SIRENE-Büro davon in Kenntnis. Für den Austausch der Informationen ist Formular J zu verwenden.

a)

Je nach Ergebnis der Konsultationen muss der ausschreibende Mitgliedstaat Daten gegebenenfalls löschen oder berichtigen, was nach den innerstaatlichen Verfahren zur Berichtigung der fraglichen Angaben erfolgt.

b)

Können sich die Mitgliedstaaten nicht binnen zwei Monaten einigen, so empfiehlt das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, der den Fehler oder die Unrechtmäßigkeit der Datenspeicherung festgestellt hatte, der zuständigen Behörde seines Landes, den Fall dem Europäischen Datenschutzbeauftragten vorzulegen, der gemeinsam mit den zuständigen nationalen Kontrollinstanzen vermittelt.

2.8.   Recht auf Auskunft und Berichtigung unrichtiger Daten (Artikel 41 SIS-II-Verordnung und Artikel 58 SIS-II-Beschluss)

2.8.1.   Ersuchen um Auskunft oder Berichtigung von Daten

Wenn die nationalen Behörden über ein Ersuchen um Auskunft oder Berichtigung von Daten informiert werden müssen, findet der Informationsaustausch unbeschadet innerstaatlicher Vorschriften nach den folgenden Regeln statt:

a)

Jedes SIRENE-Büro wendet die innerstaatlichen Vorschriften für das Recht auf Auskunft über personenbezogene Daten an. Je nach Fall übermitteln die SIRENE-Büros nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften den zuständigen nationalen Behörden die ihnen zugegangenen Ersuchen um Auskunft oder Berichtigung von Daten oder befinden über diese Ersuchen, soweit sie dazu befugt sind.

b)

Wenn die zuständigen nationalen Behörden dies wünschen, übermitteln die SIRENE-Büros der betroffenen Mitgliedstaaten nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts Informationen über die Ausübung dieses Auskunftsrechts.

2.8.2.   Informationsaustausch über Ersuchen um Auskunft über Ausschreibungen anderer Mitgliedstaaten

Der Austausch von Informationen im Zusammenhang mit Ersuchen um Auskunft über Ausschreibungen, die von einem anderen Mitgliedstaat in das SIS II eingegeben wurden, erfolgt über die nationalen SIRENE-Büros mit einem Formular K für Personen und einem Formular M für Sachen.

Es ist wie folgt vorzugehen:

a)

Das Ersuchen um Auskunft wird dem SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats so bald wie möglich zugeschickt, damit dieses dazu Stellung nehmen kann.

b)

Das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats übermittelt dem SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, an den das Auskunftsersuchen gerichtet wurde, seinen Standpunkt.

c)

Dabei trägt das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats den Fristen Rechnung, die das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, an den das Ersuchen gerichtet wurde, für die Bearbeitung des Ersuchens festgelegt hat.

d)

Erhält das SIRENE-Büro eines Mitgliedstaats ein Ersuchen einer Person um Auskunft, Berichtigung oder Löschung, so trifft es alle erforderlichen Maßnahmen, um das Ersuchen fristgemäß zu beantworten.

Wenn das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats dem SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, an den das Auskunftsersuchen gerichtet wurde, seinen Standpunkt übermittelt hat, befindet das SIRENE-Büro nach innerstaatlichem Recht und nach Maßgabe seiner Befugnisse über das Ersuchen oder leitet den Standpunkt so bald wie möglich an die entscheidungsbefugte Behörde weiter.

2.8.3.   Informationsaustausch bei Anträgen auf Berichtigung oder Löschung von Daten, die von anderen Mitgliedstaaten eingegeben wurden

Die von einer Person beantragte Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden Daten kann nur von dem ausschreibenden Mitgliedstaat vorgenommen werden. Wendet sich die Person an einen anderen Mitgliedstaat als den ausschreibenden, so setzt das SIRENE-Büro des betreffenden Mitgliedstaats das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats davon mit einem Formular K in Kenntnis, und das Verfahren in Abschnitt 2.8.2 ist anzuwenden.

2.9.   Löschung, wenn die Voraussetzungen für die Beibehaltung der Ausschreibung nicht mehr gegeben sind

Ausschreibungen dürfen nur so lange im SIS II gespeichert werden, bis der Zweck, für den sie eingegeben wurden, erfüllt ist.

Sobald die Voraussetzungen für die Beibehaltung der Ausschreibung nicht mehr erfüllt sind, löscht der ausschreibende Mitgliedstaat die Ausschreibung unverzüglich. Ist die Ausschreibung befristet, wird sie automatisch im CS-SIS gelöscht. Im Trefferfall sind die besonderen Verfahren in den Abschnitten 3.11, 4.10, 5.7, 6.5, 7.7 und 8.4 anzuwenden.

Die Löschmeldung des CS-SIS wird von den N.SIS II automatisch verarbeitet.

Die Mitgliedstaaten können sich automatisch über die Löschung einer Ausschreibung benachrichtigen lassen.

2.10.   Eingabe von Eigennamen

Soweit es die einzelstaatlichen Vorschriften für die Eingabe und die Verfügbarkeit von Daten zulassen, werden Eigennamen (Vornamen und Familiennamen) in einer Form (Schrift und Orthografie) in das SIS II eingegeben, die der in den amtlichen Reisedokumenten verwendeten Form entspricht; hierfür maßgeblich sind die ICAO-Normen für Reisedokumente, die auch den Transliterations- und Transkriptionsfunktionalitäten des zentralen SIS II zugrunde liegen. Beim Austausch von Zusatzinformationen verwenden die SIRENE-Büros die Eigennamen in der in das SIS II eingegebenen Form. Sowohl die Benutzer als auch die SIRENE-Büros in den ausschreibenden Mitgliedstaaten verwenden für Eingaben in das SIS II im Allgemeinen das lateinische Alphabet, wobei die Transliterations- und Transkriptionsregeln in Anlage 1 zu beachten sind.

Müssen Zusatzinformationen zu einer Person ausgetauscht werden, die zwar nicht selbst ausgeschrieben ist, bei der aber unter Umständen ein Bezug zu einer Ausschreibung hergestellt werden kann (beispielsweise eine Person, die einen vermissten Minderjährigen begleitet), sind bei der Darstellung und Orthografie des Namens die Regeln in Anlage 1 zu befolgen. Der Name ist sowohl in lateinischen Buchstaben als auch in der ursprünglichen Form anzugeben, wenn der Mitgliedstaat, der die Informationen liefert, in der Lage ist, auch Sonderzeichen in der ursprünglichen Form einzugeben.

2.11.   Identitätskategorien

Bestätigte Identität

Bestätigte Identität bedeutet, dass die Identität anhand von echten Ausweispapieren, Pässen oder durch eine Erklärung der zuständigen Behörden bestätigt wurde.

Nicht bestätigte Identität

Eine nicht bestätigte Identität bedeutet, dass keine hinreichenden Nachweise für die Identität vorliegen.

Missbräuchlich verwendete Identität

Von missbräuchlich verwendeter Identität (Nachname, Vorname, Geburtsdatum) spricht man, wenn eine im SIS II ausgeschriebene Person die Identität einer anderen Person benutzt. So kann beispielsweise ein Dokument zum Nachteil des tatsächlichen Inhabers verwendet werden.

Aliasname

Von Aliasname spricht man, wenn eine Person eine fingierte Identität verwendet.

2.11.1.   Missbräuchlich verwendete Identität (Artikel 36 SIS-II-Verordnung und Artikel 51 SIS-II-Beschluss)

Angesichts der Komplexität der Fälle von missbräuchlich verwendeter Identität prüft der ausschreibende Mitgliedstaat, ob die missbräuchlich verwendete Identität in der SIS-II-Ausschreibung beibehalten werden muss, wenn festgestellt wird, dass eine im SIS II ausgeschriebene Person die Identität einer anderen Person missbräuchlich verwendet.

Sobald feststeht, dass die Identität einer Person missbräuchlich verwendet wurde, wird die Ausschreibung im SIS II mit der ausdrücklichen Zustimmung dieser Person um Daten ergänzt, um negativen Auswirkungen einer falschen Identifizierung vorzubeugen. Die Person, deren Identität missbräuchlich verwendet wurde, kann der zuständigen Behörde nach innerstaatlichen Verfahren die in Artikel 36 Absatz 3 SIS-II-Verordnung und Artikel 51 Absatz 3 SIS-II-Beschluss aufgeführten Daten übermitteln. Personen, deren Identität missbräuchlich verwendet wurde, haben das Recht, ihre Zustimmung zur Verarbeitung der Informationen zurückzuziehen.

Es obliegt dem ausschreibenden Mitgliedstaat, die Anmerkung „misused identity“ (missbräuchlich verwendete Identität) in die Ausschreibung einzufügen und ergänzende Daten des Opfers der missbräuchlichen Identitätsverwendung wie Lichtbilder, Fingerabdrücke und Angaben zu gültigen Ausweispapieren einzugeben.

Stellt ein Mitgliedstaat fest, dass bei der von einem anderen Mitgliedstaat eingegebenen Ausschreibung einer Person ein Identitätsmissbrauch vorliegt, und wird nachweislich die Identität der Person missbräuchlich verwendet, so setzt er das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit einem Formular Q davon in Kenntnis, damit die sich auf eine missbräuchlich verwendete Identität beziehende Erweiterung in der SIS-II-Ausschreibung vermerkt werden kann.

In Anbetracht des Zwecks der Eingabe von Daten dieser Art sind, sofern Lichtbilder und Fingerabdrücke der Person, deren Identität missbräuchlich verwendet wurde, vorhanden sind, diese der Ausschreibung hinzuzufügen. Ein Fall von missbräuchlich verwendeter Identität liegt dann vor, wenn die Personalien einer nichtsahnenden Person mit der Identität einer ausgeschriebenen Person übereinstimmen. Im Formular Q sind die Personalien, einschließlich der Alias-Nummer, aus der Ausschreibung anzugeben, damit der ausschreibende Mitgliedstaat ermitteln kann, auf welche Identität in der Ausschreibung sich das Formular bezieht. Die Pflichtangaben für das Ausfüllen eines Formulars Q in solchen Fällen sind Anlage 3 zu entnehmen.

Die Daten der Person, deren Identität missbräuchlich verwendet wurde, dürfen nur herangezogen werden, um die Identität der überprüften Person festzustellen; sie dürfen keinesfalls zu einem anderen Zweck verwendet werden. Informationen über die missbräuchlich verwendete Identität, einschließlich Fingerabdrücken und Lichtbildern, sind gleichzeitig mit der Ausschreibung oder früher zu löschen, wenn die betroffene Person dies beantragt.

2.11.2.   Eingabe eines Aliasnamens

Um unvereinbare Ausschreibungen jeglicher Art aufgrund eines einzugebenden Aliasnamens und Probleme für unschuldige Opfer zu vermeiden und um eine hinlängliche Datenqualität zu gewährleisten, unterrichten die Mitgliedstaaten einander soweit möglich über Aliasnamen und tauschen alle einschlägigen Informationen über die tatsächliche Identität der gesuchten Person aus.

Der ausschreibende Mitgliedstaat ist für die Eingabe von Aliasnamen zuständig. Stößt ein anderer Mitgliedstaat auf einen Aliasnamen, so informiert er den ausschreibenden Mitgliedstaat mit einem Formular M.

2.11.3.   Weitere Informationen zur Feststellung der Identität einer Person

Reichen die Informationen im SIS II zur Klärung der Identität einer Person nicht aus, können nach Konsultation, auf eigene Initiative oder auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats vom SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats weitere Informationen übermittelt werden. Hierzu ist Formular L (einschließlich Anhängen) zu verwenden. Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Angaben:

Herkunft des Passes oder Ausweises im Besitz der gesuchten Person,

Nummer, Ausstellungsdatum und -ort, ausstellende Behörde sowie Gültigkeitsdauer des Passes oder Ausweises,

Beschreibung der gesuchten Person,

Name und Vorname der Mutter und des Vaters der gesuchten Person,

etwaige andere Schreibweisen des Namens und der Vornamen der gesuchten Person,

sofern vorhanden Lichtbilder und Fingerabdrücke,

letzte bekannte Adresse.

Die SIRENE-Büros halten diese Informationen nach Möglichkeit zur Verfügung oder stellen sicher, dass sie jederzeit sofort Zugriff darauf haben, sodass sie schnell weitergeleitet werden können.

Das gemeinsame Ziel muss darin bestehen, das Risiko möglichst gering zu halten, dass eine Person, deren Personalien denen der ausgeschriebenen Person ähnlich sind, fälschlicherweise festgehalten wird.

2.12.   Informationsaustausch bei verknüpften Ausschreibungen

Durch eine solche Verknüpfung werden mindestens zwei Ausschreibungen miteinander in Verbindung gebracht.

Eine Verknüpfung von Ausschreibungen im SIS II kann nur von dem ausschreibenden Mitgliedstaat hergestellt werden, und nur der Mitgliedstaat, der die Verknüpfung hergestellt hat, kann diese ändern oder aufheben. Verknüpfungen sind nur erkennbar, wenn der betreffende Benutzer über ordnungsgemäße Zugangsberechtigungen verfügt, wonach er auf mindestens zwei der verknüpften Ausschreibungen Zugriff hat. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass nur der berechtigte Zugriff auf die Verknüpfungen möglich ist.

2.12.1.   Operationelle Regeln

Bei Verknüpfungen zwischen Ausschreibungen sind keine besonderen Verfahren für den Austausch von Zusatzinformationen zu beachten. Zu befolgen sind jedoch folgende Grundsätze:

Bezieht sich ein Treffer auf jede von zwei oder mehreren verknüpften Ausschreibungen, so übermittelt das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats für jede dieser Ausschreibungen ein Formular G, wobei in Feld 086 anzugeben ist, dass weitere Formulare G zu den verknüpften Ausschreibungen folgen werden.

Zu einer Ausschreibung, die zwar mit der Ausschreibung, zu der ein Treffer erzielt wurde, verknüpft ist, auf die sich der Treffer aber nicht bezieht, wird kein Formular übermittelt. Gibt es jedoch eine verknüpfte Ausschreibung einer Person zum Zwecke der Übergabe- oder Auslieferungshaft oder einer vermissten Person (im Interesse ihres eigenen Schutzes oder zur Gefahrenabwehr) wird bei Vorliegen der entsprechenden Informationen mit einem Formular M mitgeteilt, dass eine verknüpfte Ausschreibung vorhanden ist.

2.13.   Format und Qualität der biometrischen Daten im SIS II

Gemäß Artikel 23 Absatz 2 SIS-II-Beschluss werden Lichtbilder und Fingerabdrücke der gesuchten Person, soweit verfügbar, der Ausschreibung hinzugefügt.

Die SIRENE-Büros müssen Fingerabdrücke und Lichtbilder zur Ergänzung der Ausschreibung und/oder zum wirksameren Vollzug der geforderten Maßnahme austauschen können. Wenn ein Mitgliedstaat im Besitz des Lichtbildes oder der Fingerabdrücke einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgeschriebenen Person ist, kann er diese als Anhang übermitteln, so dass der ausschreibende Mitgliedstaat sie in der Ausschreibung ergänzen kann.

Dies lässt den Austausch im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit auf der Grundlage des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI des Rates unberührt.

2.13.1.   Weiterverwendung der ausgetauschten Daten, einschließlich Archivierung

Die SIS-II-Rechtsakte schränken die Verwendung der für Ausschreibungen im SIS II bereitgestellten Daten ein. Jede weitere Verwendung von Lichtbildern und Fingerabdrücken, die ausgetauscht und archiviert werden, muss mit den einschlägigen Bestimmungen der SIS-II-Rechtsakte, den geltenden innerstaatlichen Datenschutzvorschriften sowie mit der Richtlinie 95/46/EG und dem Rahmenbeschluss 2008/977/JI in Einklang stehen.

Bei jeder Speicherung von Fingerabdrücken auf nationaler Ebene sind die Datenschutzbestimmungen des SIS II vollständig einzuhalten. Die Mitgliedstaaten bewahren über das CS-SIS heruntergeladene Fingerabdruckdaten getrennt von nationalen Fingerabdruck-Datenbanken auf und löschen diese Daten gleichzeitig mit den entsprechenden Ausschreibungen und Zusatzinformationen.

2.13.2.   Austausch von Fingerabdrücken und Lichtbildern

Es ist wie folgt vorzugehen:

a)

Das liefernde SIRENE-Büro verschickt auf dem üblichen elektronischen Weg ein Formular L und vermerkt in Feld 083 des Formulars L, dass die Fingerabdrücke und Lichtbilder zur Ergänzung einer Ausschreibung im SIS II übermittelt werden.

b)

Das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats fügt die Fingerabdrücke oder Lichtbilder zur Ausschreibung im SIS II hinzu oder schickt diese an die zuständige Behörde, die sie hinzufügt.

2.13.3.   Technische Anforderungen

Die Einzelheiten der Erfassung und Übermittlung von Fingerabdrücken und Lichtbildern sind in den Durchführungsvorschriften für die Eingabe biometrischer Daten in das SIS II festgelegt.

Jedes SIRENE-Büro muss diese technischen Anforderungen erfüllen.

2.13.4.   Format und Qualität der biometrischen Daten

Alle in das System eingegebenen biometrischen Daten werden einer speziellen Qualitätsprüfung unterzogen, um Mindestqualitätsstandards zu garantieren, die für alle SIS-II-Benutzer gelten.

Vor der Eingabe werden auf nationaler Ebene Kontrollen durchgeführt, um sicherzustellen, dass

a)

die Fingerabdruckdaten dem ANSI/NIST — ITL 1-2000-Format entsprechen, das von Interpol verwendet und für das SIS II angepasst wurde;

b)

Lichtbilder, die ausschließlich zur Bestätigung der Identität einer Person herangezogen werden, deren Aufenthaltsort durch eine alphanumerische Abfrage im SIS II ermittelt wurde, folgenden Anforderungen entsprechen: Frontalaufnahme des Gesichts möglichst mit einem Seitenverhältnis von 3:4 oder 4:5. Soweit möglich sollte das Bild eine Auflösung von mindestens 480 × 600 Pixel und eine Farbtiefe von 24 Bit haben. Wenn das Bild eingescannt wurde, sollte die Bildgröße rund 200 kByte möglichst nicht überschreiten.

2.14.   Besondere Fahndungsarten

2.14.1.   Örtlich begrenzte Fahndung

Von einer örtlich begrenzten Fahndung ist die Rede, wenn eine Suche durchgeführt wird und ein Mitgliedstaat konkrete Anhaltspunkte für den Aufenthaltsort einer ausgeschriebenen Person oder den Verbleib einer ausgeschriebenen Sache in einem bestimmten Raum hat.

Örtlich begrenzte Fahndungen im Schengen-Raum werden auf der Grundlage einer Ausschreibung im SIS II durchgeführt. Wenn der Aufenthaltsort einer Person oder der Verbleib einer Sache bekannt ist, kann Feld 311 („Important Notice“ — Wichtiger Hinweis) ausgefüllt und unter Auswahl der entsprechenden Länder eine örtlich begrenzte Fahndung angegeben werden. Ist der Aufenthaltsort einer mit Haftbefehl gesuchten Person bekannt, so sind zudem Angaben darüber in Feld 061 des Formulars A zu machen. In allen anderen Fällen, darunter auch zur Meldung des Verbleibs gesuchter Sachen, ist Formular M (Feld 083) zu verwenden. Eine Personenfahndungsausschreibung wird in das SIS II eingegeben, damit umgehend auf ein Ersuchen um Ergreifung der erforderlichen Maßnahme reagiert werden kann (Artikel 9 Absatz 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI).

Befindet sich die Person oder Sache, nach der örtlich begrenzt gefahndet wird, an einem anderen als dem in der örtlich begrenzten Fahndung angegebenen Ort, so teilt das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats dies dem (den) an der Fahndung beteiligten Mitgliedstaat(en) mit einem Formular M mit, damit die damit in Zusammenhang stehenden Arbeiten gestoppt werden.

2.14.2.   Zielfahndung unter Beteiligung von Polizeisondereinheiten (FAST)

Die SIRENE-Büros in ersuchten Mitgliedstaaten sollten in geeigneten Fällen auch die Dienste von Teams für die Zielfahndung nach flüchtigen Personen (Fugitive Active Search Teams — FAST) nutzen. Die Ausschreibung im SIS II sollte nicht durch die internationale Zusammenarbeit der genannten Polizeieinheiten ersetzt werden. Diese Zusammenarbeit darf sich nicht mit der Funktion der SIRENE-Büros als zentrale Stellen für Fahndungen unter Nutzung des SIS II überschneiden.

Gegebenenfalls ist eine Zusammenarbeit aufzubauen, damit das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats von dessen nationalen FAST-Einheiten über alle laufenden Maßnahmen im Zusammenhang mit einer in das SIS II eingegebenen Ausschreibung informiert wird. Bei Bedarf stellt dieses SIRENE-Büro die betreffenden Informationen anderen SIRENE-Büros zur Verfügung. Jeder koordinierte ENFAST-Einsatz (European Network of Fugitive Active Search Teams — Europäisches Netz von Teams für die Zielfahndung nach flüchtigen Personen), der eine Kooperation des SIRENE-Büros erfordert, ist diesem im Voraus zu melden.

Die SIRENE-Büros sorgen für einen schnellen Fluss der Zusatzinformationen, einschließlich der trefferbezogenen Informationen, an die nationalen FAST-Einheiten, wenn Letztere an der Fahndung beteiligt sind.

3.   AUSSCHREIBUNGEN VON PERSONEN ZUM ZWECKE DER ÜBERGABE- ODER AUSLIEFERUNGSHAFT (ARTIKEL 26 SIS-II-BESCHLUSS)

3.1.   Eingabe einer Ausschreibung

Bei den meisten Ausschreibungen einer Person zur Festnahme wird gleichzeitig ein Europäischer Haftbefehl (EuHb) ausgestellt. Bei einer Ausschreibung mit Haftbefehl ist jedoch auch eine vorläufige Festnahme bis zum Erhalt eines Auslieferungsersuchens gemäß Artikel 16 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens möglich.

Der Europäische Haftbefehl bzw. das Auslieferungsersuchen muss von einer dafür zuständigen Justizbehörde des ausschreibenden Mitgliedstaats ausgestellt sein.

Bei der Ausschreibung einer Person, nach der zum Zwecke der Übergabehaft gefahndet wird, wird im SIS II eine Kopie des EuHb beigefügt. Übersetzungen des EuHb in einer oder mehreren Amtssprachen der Union können ebenfalls eingegeben werden.

Darüber hinaus werden Lichtbilder und Fingerabdrücke der gesuchten Person eingegeben, wenn vorhanden.

Die einschlägigen Informationen, darunter der EuHb und das Auslieferungsersuchen, zu der Person, die zwecks Übergabe- oder Auslieferungshaft gesucht wird, müssen dem SIRENE-Büro bei Eingabe der Ausschreibung zur Verfügung stehen. Es ist zu prüfen, ob die Informationen vollständig sind und den formalen Anforderungen entsprechen.

Die Mitgliedstaaten können mehr als einen EuHb pro Ausschreibung eingeben. Der ausschreibende Mitgliedstaat ist für die Löschung eines EuHb zuständig, wenn dieser ungültig geworden ist. Er muss außerdem prüfen, ob der Ausschreibung andere EuHb beigefügt sind, und muss die Ausschreibung gegebenenfalls verlängern.

Die Mitgliedstaaten können einem EuHb, den sie einer Ausschreibung zur Festnahme hinzufügen, gegebenenfalls in getrennten Binärdateien Übersetzungen beifügen.

Für eingescannte Dokumente, die einer Ausschreibung beigefügt werden, ist eine Auflösung von mindestens 150 dpi zu verwenden.

3.2.   Mehrfachausschreibungen

Die allgemeinen Verfahren sind in Abschnitt 2.2 beschrieben.

Zusätzlich gelten folgende Regeln:

Mehrere Mitgliedstaaten können zu derselben Person eine Ausschreibung zur Festnahme eingeben. Wenn zwei oder mehr Mitgliedstaaten die gleiche Person zur Festnahme ausschreiben, entscheidet die vollstreckende Justizbehörde des Mitgliedstaats, in dem die Festnahme erfolgt, welcher Haftbefehl bei einer Festnahme vollstreckt wird. Das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats übermittelt jedem betroffenen Mitgliedstaat ein Formular G.

3.3.   Missbräuchlich verwendete Identität

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.11.1 beschrieben.

3.4.   Eingabe eines Aliasnamens

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.11.2 beschrieben.

Bei Ausschreibungen zur Festnahme benutzen die SIRENE-Büros (zum Zeitpunkt der Eingabe der Ausschreibung) Feld 011 des Formulars A  (24) oder später Formular M, um die anderen Mitgliedstaaten über Aliasnamen im Zusammenhang mit einer Ausschreibung zur Festnahme zu unterrichten, wenn diese Information dem betreffenden SIRENE-Büro vorliegt.

3.5.   Übermittlung von Zusatzinformationen an die Mitgliedstaaten

Zusatzinformationen zu einer Ausschreibung sind bei der Eingabe allen Mitgliedstaaten zuzuschicken.

Die in Abschnitt 3.5.1 genannten Informationen sind den anderen SIRENE-Büros zeitgleich mit der Eingabe der Ausschreibung mit dem Formular A zu übermitteln. Alle weiteren Informationen, die zu Identifizierungszwecken erforderlich sind, werden nach einer Konsultation und/oder auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats übermittelt.

Liegen mehrere Europäische Haftbefehle oder Auslieferungsersuchen zu einer Person vor, sind für jeden Haftbefehl bzw. jedes Auslieferungsersuchen getrennte Formulare A auszufüllen.

Im Europäischen Haftbefehl bzw. Auslieferungsersuchen sowie im Formular A müssen ausreichend detaillierte Angaben eingetragen sein (insbesondere EuHb, Abschnitt e: „Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat(en) begangen wurde(n), einschließlich Tatzeit und -ort“ und Formular A, Felder 042, 043, 044, 045: „Beschreibung der Umstände“), damit andere SIRENE-Büros die Ausschreibung prüfen können. Anlage 3 erläutert die erforderlichen Angaben und ihren Bezug zu den Feldern des EuHb.

Wird ein EuHb ersetzt oder aufgehoben, so ist dies in Feld 267 des Formulars A (Artikel 26 SIS-II-Beschluss) oder in Feld 044 des Formulars A (Auslieferungsersuchen/Migrierte Ausschreibungen) wie folgt anzugeben: „This form replaces the form (reference number) referring to EAW (reference number) issued on (date).“ (Dieses Formular ersetzt das Formular (Aktenzeichen), das sich auf den EuHb (Aktenzeichen), ausgestellt am (Datum), bezieht.)

3.5.1.   Zu übermittelnde Zusatzinformationen in Bezug auf eine vorläufige Festnahme

3.5.1.1.   Bei einer Ausschreibung, der sowohl ein Europäischer Haftbefehl als auch ein Auslieferungsersuchen zugrunde liegt

Bei der Eingabe einer Ausschreibung zwecks Auslieferungshaft sind an alle Mitgliedstaaten mit einem Formular A Zusatzinformationen zu schicken. Reichen die Angaben in der Ausschreibung und die an die Mitgliedstaaten geschickten Zusatzinformationen im Zusammenhang mit einem EuHb für eine Auslieferung nicht aus, so sind weitere Informationen bereitzustellen.

In Feld 239 ist anzugeben, dass sich das Formular sowohl auf einen EuHb als auch auf ein Auslieferungsersuchen bezieht.

3.5.1.2.   Bei einer Ausschreibung, der ausschließlich ein Auslieferungsersuchen zugrunde liegt

Bei der Eingabe einer Ausschreibung zwecks Auslieferungshaft sind an alle Mitgliedstaaten mit einem Formular A Zusatzinformationen zu schicken.

In Feld 239 ist anzugeben, dass sich das Formular auf ein Auslieferungsersuchen bezieht.

3.6.   Kennzeichnung

Die allgemeinen Regeln sind Abschnitt 2.6 zu entnehmen.

Wenn mindestens einer der der Ausschreibung beigefügten Europäischen Haftbefehle vollstreckt werden kann, wird die Ausschreibung nicht gekennzeichnet.

Erstreckt sich ein EuHb auf mehr als eine Straftat, wird die Ausschreibung nicht gekennzeichnet, wenn die Übergabe in Bezug auf mindestens eine dieser Straftaten erfolgen kann.

Wird eine Ausschreibung nach Artikel 26 SIS-II-Beschluss gekennzeichnet, so ist — wie aus Abschnitt 2.6 hervorgeht — für die Dauer der Kennzeichnung davon auszugehen, dass um die Mitteilung des Aufenthaltsorts der betreffenden Person ersucht wird.

3.6.1.   Systematisches Ersuchen um Kennzeichnung der Ausschreibungen von Personen, die zum Zwecke der Auslieferung festgenommen werden sollen, in Fällen, in denen der Rahmenbeschluss 2002/584/JI keine Anwendung findet

Es ist wie folgt vorzugehen:

a)

In Fällen, in denen der Rahmenbeschluss 2002/584/JI keine Anwendung findet, kann das SIRENE-Büro bei Ausschreibungen von Personen, die zum Zwecke der Auslieferung festgenommen werden sollen, andere SIRENE-Büros um systematische Kennzeichnung der Ausschreibungen eigener Staatsangehöriger nach Artikel 26 SIS-II-Beschluss ersuchen.

b)

Jedes SIRENE-Büro, das dies wünscht, übermittelt anderen SIRENE-Büros ein schriftliches Ersuchen.

c)

Jedes SIRENE-Büro, an das ein solches Ersuchen gerichtet wird, kennzeichnet die Ausschreibungen für den fraglichen Mitgliedstaat umgehend nach der Eingabe.

d)

Die Kennzeichnung wird beibehalten, bis das ersuchende SIRENE-Büro um ihre Löschung bittet.

3.7.   Tätigwerden der SIRENE-Büros bei Erhalt einer Ausschreibung zur Festnahme

Wenn ein SIRENE-Büro ein Formular A erhält, durchsucht es so bald wie möglich alle vorhandenen Quellen, um den Aufenthaltsort der Person zu ermitteln. Reichen die vom ausschreibenden Mitgliedstaat gelieferten Informationen dem empfangenden Mitgliedstaat nicht aus, ist dies kein Grund, keine Suche durchzuführen. Soweit nach einzelstaatlichem Recht zulässig, führen die empfangenden Mitgliedstaaten eine Suche durch.

Wurde die Ausschreibung einer Person zur Festnahme geprüft und die Person in einem Mitgliedstaat ausfindig gemacht bzw. festgenommen, so können die im Formular A enthaltenen Informationen von dem empfangenden SIRENE-Büro an die zuständige Behörde des Mitgliedstaats übermittelt werden, die den Haftbefehl bzw. das Auslieferungsersuchen vollstreckt. Wird das Original des Haftbefehls oder des Auslieferungsersuchens angefordert, so kann die Justizbehörde, die dieses ausgestellt hat, es der vollstreckenden Justizbehörde direkt übermitteln (es sei denn, der ausschreibende und/oder der vollziehende Mitgliedstaat haben anderweitige Vorkehrungen getroffen).

3.8.   Informationsaustausch im Trefferfall

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.3 beschrieben.

Außerdem wird folgendes Verfahren angewandt:

a)

Ein Trefferfall bei der Kontrolle einer zur Festnahme ausgeschriebenen Person ist stets umgehend dem SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mitzuteilen. Nach Übermittlung eines Formulars G unterrichtet das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats darüber hinaus das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats gegebenenfalls telefonisch von dem Trefferfall.

b)

Erforderlichenfalls teilt das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats alle einschlägigen Informationen zu besonderen Maßnahmen mit, die das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats zu ergreifen hat.

c)

In Feld 091 des Formulars G sind folgende Angaben zu machen: für die Entgegennahme des EuHb oder des Auslieferungsersuchens zuständige Behörde (Postanschrift, Telefonnummer und, falls vorhanden, Faxnummer und E-Mail-Adresse), Aktenzeichen des EuHb oder des Auslieferungsersuchens (falls vorhanden), zuständige Person (falls vorhanden), erbetene Sprache, Übermittlungsfrist und -weg.

d)

Außerdem informiert das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit einem Formular M andere SIRENE-Büros über den Treffer, wenn aufgrund des Sachverhalts und weiterer Nachforschungen eine klare Verbindung zu bestimmten Mitgliedstaaten hergestellt wurde.

e)

Die SIRENE-Büros können weitere Informationen über Ausschreibungen nach Artikel 26 SIS-II-Beschluss übermitteln; dabei können sie im Namen von Justizbehörden handeln, falls diese Informationen im Rahmen der Rechtshilfe weitergeleitet werden.

3.9.   Austausch von Zusatzinformationen über eine Übergabe oder Auslieferung

Wenn die zuständigen Justizbehörden dem SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats mitteilen, ob eine zur Festnahme ausgeschriebene Person übergeben oder ausgeliefert werden darf, teilt dieses SIRENE-Büro diese Information umgehend dem SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit einem Formular M mit, indem in Feld 083 das Wort „SURRENDER“ (Übergabe) oder „EXTRADITION“ (Auslieferung) eingetragen wird. (25) Gegebenenfalls sind die Einzelheiten der Übergabe oder Auslieferung so bald wie möglich über die SIRENE-Büros mitzuteilen.

3.10.   Austausch von Zusatzinformationen über die Durchbeförderung durch einen anderen Mitgliedstaat

Ist die Durchbeförderung einer gesuchten Person notwendig, leitet das SIRENE-Büro des Durchbeförderungsmitgliedstaats die benötigten Informationen nach einem — vom SIRENE-Büro mit einem Formular M, in dessen Feld 083 als Erstes das Wort „TRANSIT“ (Durchbeförderung) eingetragen ist, übermittelten — Ersuchen des SIRENE-Büros des ausschreibenden Mitgliedstaats oder der zuständigen Justizbehörde weiter und leistet die erforderliche Unterstützung.

3.11.   Löschung von Ausschreibungen nach Übergabe oder Auslieferung

Ausschreibungen zwecks Übergabe- oder Auslieferungshaft werden gelöscht, sobald die betreffende Person den zuständigen Behörden des ausschreibenden Mitgliedstaats übergeben oder ausgeliefert wurde. Eine Löschung kann aber auch erfolgen, wenn die Verfügung, die der Ausschreibung zugrunde lag, von der zuständigen Justizbehörde nach innerstaatlichem Recht aufgehoben wurde.

4.   AUSSCHREIBUNGEN ZUR EINREISE- ODER AUFENTHALTSVERWEIGERUNG (ARTIKEL 24 SIS-II-VERORDNUNG)

Vorbemerkungen

Aufgrund des Informationsaustauschs über nach Artikel 24 SIS-II-Verordnung ausgeschriebene Drittstaatsangehörige können die Mitgliedstaaten über die Einreise oder den Visumantrag entscheiden. Befindet sich die Person bereits im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, sind die nationalen Behörden somit in der Lage, entsprechende Maßnahmen für die Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder von Visa für den längerfristigen Aufenthalt oder die Ausweisung zu ergreifen. Verweise auf Visa beziehen sich in diesem Abschnitt auf Visa für den längerfristigen Aufenthalt, sofern nicht eindeutig etwas anderes angegeben ist (zum Beispiel Rückreisevisum).

Für die Informationsverfahren nach Artikel 5 Absatz 4 des Schengener Grenzkodexes und für die Konsultationsverfahren nach Artikel 25 des Schengener Übereinkommens sind die mit den Grenzkontrollen und der Erteilung von Aufenthaltstiteln oder Visa betrauten Behörden zuständig. Im Prinzip werden die SIRENE-Büros nur einbezogen, wenn es um die Übermittlung von Zusatzinformationen geht, die direkt mit den Ausschreibungen (zum Beispiel Mitteilung eines Trefferfalls, Klärung der Identität) oder mit ihrer Löschung zusammenhängen.

Die SIRENE-Büros können jedoch auch Zusatzinformationen übermitteln, die für die Ausweisung eines Drittstaatsangehörigen oder die Verweigerung seiner Einreise erforderlich sind bzw. sich aus diesen Maßnahmen ergeben.

Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (26), gilt nicht in der Schweiz. Daher finden bei einem Treffer im Fall eines Drittstaatsangehörigen, der das Recht auf Freizügigkeit genießt, die üblichen Konsultationsverfahren zwischen der Schweiz, dem ausschreibenden Mitgliedstaat und weiteren Mitgliedstaaten statt, die möglicherweise im Besitz einschlägiger Informationen zum Freizügigkeitsrecht des Drittstaatsangehörigen sind.

4.1.   Eingabe einer Ausschreibung

Nach Artikel 25 SIS-II-Verordnung gelten für Drittstaatsangehörige, die das Recht auf Freizügigkeit im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG genießen, besondere Bestimmungen. Das SIRENE-Büro muss nach Möglichkeit in der Lage sein, die Informationen, die zur Entscheidung über die Ausschreibung einer das Recht auf Freizügigkeit genießenden Person zwecks Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts verwendet wurden, zur Verfügung zu stellen (27). Soll ausnahmsweise eine Ausschreibung zu einem Drittstaatsangehörigen, der das Recht auf Freizügigkeit genießt, eingegeben werden, übermittelt das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats allen anderen Mitgliedstaaten ein Formular M auf der Grundlage der Informationen der Behörde, die die Ausschreibung eingegeben hat (siehe Abschnitte 4.6 und 4.7).

Nach Artikel 26 SIS-II-Verordnung wird ein Drittstaatsangehöriger, gegen den eine restriktive Maßnahme im Einklang mit Artikel 29 des Vertrags über die Europäische Union (28) erlassen wurde, mit der seine Einreise in das Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten oder seine Durchreise durch dieses Hoheitsgebiet verhindert werden soll, unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls ausgeschrieben. Die Ausschreibung wird von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats eingegeben und laufend aktualisiert, der zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme im Rat der Europäischen Union den Vorsitz innehat. Hat dieser Mitgliedstaat keinen Zugriff auf das SIS II oder auf Ausschreibungen nach Artikel 24 SIS-II-Verordnung, geht die Verantwortung hierfür auf den Mitgliedstaat über, der als nächster den Vorsitz innehaben wird und Zugriff auf das SIS II, darunter auf Ausschreibungen nach Artikel 24 SIS-II-Verordnung, hat.

Die Mitgliedstaaten führen die erforderlichen Verfahren für die Eingabe, Aktualisierung und Löschung solcher Ausschreibungen ein.

4.2.   Mehrfachausschreibungen

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.2 beschrieben.

4.3.   Missbräuchlich verwendete Identität

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.11.1 beschrieben.

Probleme können auftreten, wenn ein zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung ausgeschriebener Drittstaatsangehöriger unrechtmäßig die Identität eines Bürgers eines Mitgliedstaats verwendet, um die Einreise zu versuchen. Wird ein solcher Fall entdeckt, können die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten auf die ordnungsgemäße Benutzung der SIS-II-Funktion betreffend missbräuchlich verwendete Identitäten hingewiesen werden. Ausschreibungen zur Einreiseverweigerung dürfen nicht unter Verwendung der Hauptidentität eines Bürgers eines Mitgliedstaats eingegeben werden.

4.4.   Eingabe eines Aliasnamens

Die allgemeinen Regeln sind Abschnitt 2.11.2 zu entnehmen.

4.5.   Informationsaustausch bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln oder Visa

Es ist wie folgt vorzugehen:

a)

Unbeschadet des besonderen Verfahrens für den Informationsaustausch gemäß Artikel 25 des Schengener Übereinkommens und unbeschadet des Abschnitts 4.8 zum Informationsaustausch bei einem Treffer im Fall eines Drittstaatsangehörigen, der das Recht auf Freizügigkeit genießt (in diesem Fall muss das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats konsultiert werden), kann bei einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung der vollziehende Mitgliedstaat dem ausschreibenden Mitgliedstaat mitteilen, dass der Abgleich bei der Prüfung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung oder eines Visums ein positives Ergebnis erbrachte. Gegebenenfalls kann der ausschreibende Mitgliedstaat andere Mitgliedstaaten mit einem Formular M in Kenntnis setzen.

b)

Wenn sie darum gebeten werden, können die SIRENE-Büros der betroffenen Mitgliedstaaten nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts die erforderlichen Informationen an die für die Erteilung von Aufenthaltstiteln und Visa zuständigen Stellen übermitteln.

4.5.1.   Besondere Verfahren gemäß Artikel 25 des Schengener Übereinkommens

Verfahren nach Artikel 25 Absatz 1 des Schengener Übereinkommens

Stellt ein Mitgliedstaat vor Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Visums fest, dass der Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung ausgeschrieben ist, konsultiert er den ausschreibenden Mitgliedstaat über die SIRENE-Büros. Der Mitgliedstaat, der einen Aufenthaltstitel oder ein Visum zu erteilen beabsichtigt, informiert den ausschreibenden Mitgliedstaat mit einem Formular N darüber, ob der Aufenthaltstitel oder das Visum erteilt werden soll. Beschließt der Mitgliedstaat, den Aufenthaltstitel oder das Visum zu erteilen, wird die Ausschreibung gelöscht. Die Person kann jedoch in das nationale Ausschreibungsverzeichnis des ausschreibenden Mitgliedstaats zwecks Einreiseverweigerung eingetragen werden.

Verfahren nach Artikel 25 Absatz 2 des Schengener Übereinkommens

Stellt ein Mitgliedstaat, der eine Person zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung ausgeschrieben hat, fest, dass der ausgeschriebenen Person ein Aufenthaltstitel oder ein Visum erteilt wurde, konsultiert er den Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum erteilt hat, über die SIRENE-Büros. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum erteilt hat, informiert den ausschreibenden Mitgliedstaat mit einem Formular O darüber, ob der Aufenthaltstitel oder das Visum entzogen werden soll oder nicht. Beschließt dieser Mitgliedstaat, den Aufenthaltstitel oder das Visum nicht zu entziehen, wird die Ausschreibung gelöscht. Die Person kann jedoch in das nationale Ausschreibungsverzeichnis eines Mitgliedstaats zwecks Einreiseverweigerung eingetragen werden.

Die Konsultation über die SIRENE-Büros mit einem Formular O ist auch erforderlich, wenn der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum erteilt hat, später feststellt, dass die Person im SIS II zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung ausgeschrieben ist (29).

Stellt ein anderer Mitgliedstaat (also weder der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel bzw. das Visum erteilt hat, noch der ausschreibende Mitgliedstaat) fest, dass ein Drittstaatsangehöriger, der über einen Aufenthaltstitel oder ein Visum eines Mitgliedstaats verfügt, ausgeschrieben ist, so informiert sein SIRENE-Büro mit einem Formular H die SIRENE-Büros sowohl des ausschreibenden Mitgliedstaats als auch des Mitgliedstaats, der den Aufenthaltstitel bzw. das Visum ausgestellt hat.

Hat das Verfahren nach Artikel 25 des Schengener Übereinkommens die Löschung einer Ausschreibung zwecks Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung zur Folge, so leisten die SIRENE-Büros nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts Unterstützung, soweit sie darum gebeten werden.

4.5.2.   Besondere Verfahren gemäß Artikel 5 Absatz 4 Buchstaben a und c des Schengener Grenzkodexes

Verfahren nach Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe a

Nach Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe a des Schengener Grenzkodexes wird Drittstaatsangehörigen, die zwecks Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung ausgeschrieben wurden, aber Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitels, Visums für den längerfristigen Aufenthalt oder Rückreisevisums sind, die Einreise in das Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten zum Zwecke der Durchreise zur Erreichung des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats gestattet, der das Dokument ausgestellt hat. Die Einreise kann verweigert werden, wenn sie im nationalen Ausschreibungsverzeichnis des letzteren Mitgliedstaats zwecks Einreiseverweigerung eingetragen sind. In beiden Fällen übermittelt das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, in den die Person einzureisen versucht, auf Ersuchen der zuständigen Behörde den SIRENE-Büros der beiden anderen Mitgliedstaaten eine Mitteilung (Formular H, wenn die Durchreise gestattet wurde/Formular G, wenn die Einreise verweigert wurde), mit der es sie über die widersprüchliche Regelung informiert und sie auffordert, im gegenseitigen Einvernehmen entweder die Ausschreibung im SIS II zu löschen oder den Aufenthaltstitel bzw. das Visum zu entziehen. Es kann auch beantragen, über die Ergebnisse der Konsultationen informiert zu werden.

Der Mitgliedstaat, der die Ausschreibung in das SIS II eingegeben hat, kann dem betreffenden Drittstaatsangehörigen die Einreise verweigern. Auf Ersuchen der zuständigen Behörde konsultiert das SIRENE-Büro dieses Mitgliedstaats jedoch das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, der den Aufenthaltstitel oder das Visum erteilt hat, damit die zuständige Behörde entscheiden kann, ob genügend Gründe für den Entzug des Aufenthaltstitels oder des Visums vorliegen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum erteilt hat, informiert den ausschreibenden Mitgliedstaat mit einem Formular O darüber, ob der Aufenthaltstitel oder das Visum entzogen werden soll oder nicht. Beschließt dieser Mitgliedstaat, den Aufenthaltstitel oder das Visum nicht zu entziehen, wird die Ausschreibung gelöscht. Die Person kann jedoch in das nationale Ausschreibungsverzeichnis eines Mitgliedstaats zwecks Einreiseverweigerung eingetragen werden.

Die betreffende Person darf in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der den Aufenthaltstitel oder das Visum erteilt hat, einreisen, jedoch konsultiert das SIRENE-Büro dieses Mitgliedstaats auf Ersuchen der zuständigen Behörde das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats, damit die zuständigen Behörden über den Entzug des Aufenthaltstitels oder des Visums bzw. die Löschung der Ausschreibung entscheiden können. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum erteilt hat, informiert den ausschreibenden Mitgliedstaat mit einem Formular O darüber, ob der Aufenthaltstitel oder das Visum entzogen werden soll oder nicht. Beschließt dieser Mitgliedstaat, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum weiterhin gültig sind, wird die Ausschreibung gelöscht. Die Person kann jedoch in das nationale Ausschreibungsverzeichnis eines Mitgliedstaats zwecks Einreiseverweigerung eingetragen werden.

Verfahren nach Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe c

Nach Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe c kann ein Mitgliedstaat aus humanitären Gründen oder Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen vom Grundsatz abweichen, dass einer Person, die zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist, die Einreise verweigert wird. Auf Ersuchen der zuständigen Behörde informiert das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, der die Einreise gestattet hat, das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit einem Formular H hierüber.

4.6.   Gemeinsame Regeln für die in Abschnitt 4.5 angegebenen Verfahren

a)

Je Konsultationsverfahren übermittelt das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, der einen Aufenthaltstitel oder ein Visum für den längerfristigen Aufenthalt ausgestellt hat oder die Ausstellung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels oder eines solchen Visums beabsichtigt, lediglich ein Formular N oder Formular O, um den Mitgliedstaat, der die betreffende Person zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben hat oder auszuschreiben plant, über die endgültige Entscheidung zur Ausstellung, Beibehaltung oder Aufhebung des Aufenthaltstitels oder des Visums zu informieren.

b)

Bei dem Konsultationsverfahren handelt es sich entweder um ein Verfahren nach Artikel 25 Absatz 1 des Schengener Übereinkommens oder um ein Verfahren nach Artikel 25 Absatz 2 des Schengener Übereinkommens.

c)

Bei Übermittlung eines Formulars M, G oder H im Rahmen eines Konsultationsverfahrens kann das Schlüsselwort „consultation procedure“ (in Feld 083 des Formulars M, in Feld 086 des Formulars G, in Feld 083 des Formulars H) vermerkt werden.

4.7.   Informationsaustausch bei einem Treffer im Fall der Einreiseverweigerung oder Ausweisung aus dem Schengen-Raum

Unbeschadet der besonderen Verfahren für den Informationsaustausch gemäß Artikel 5 Absatz 4 Buchstaben a und c des Schengener Grenzkodexes und unbeschadet des Abschnitts 4.8 zum Informationsaustausch bei einem Treffer im Fall eines Drittstaatsangehörigen, der das Recht auf Freizügigkeit genießt (in diesem Fall muss das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats konsultiert werden), kann ein Mitgliedstaat beantragen, über Treffer bei seinen Ausschreibungen zwecks Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung informiert zu werden.

Die SIRENE-Büros der ausschreibenden Mitgliedstaaten werden bei Ausschreibungen zur Einreiseverweigerung nicht unbedingt systematisch über Trefferfälle informiert; dies kann aber in Ausnahmefällen geschehen. In jedem Fall kann entsprechend der ergriffenen Maßnahme ein Formular G oder ein Formular H geschickt werden, beispielsweise wenn Zusatzinformationen erforderlich sind. Ein Formular G ist grundsätzlich zu senden, wenn es um eine Person geht, die das Recht auf Freizügigkeit genießt.

Ungeachtet der Bestimmungen des vorstehenden Absatzes legen — wie Abschnitt 10 zu entnehmen ist — alle SIRENE-Büros Statistiken zu Trefferfällen bei allen ausländischen Ausschreibungen in ihrem Hoheitsgebiet vor.

Es ist wie folgt vorzugehen:

a)

Ein Mitgliedstaat kann beantragen, über Trefferfälle bei seinen Ausschreibungen zwecks Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung informiert zu werden. Jeder Mitgliedstaat, der von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will, übermittelt den anderen Mitgliedstaaten sein Ersuchen schriftlich.

b)

Der vollziehende Mitgliedstaat kann auf eigene Initiative den ausschreibenden Mitgliedstaat über einen Trefferfall und die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung des ausgeschriebenen Drittstaatsangehörigen aus dem Schengen-Gebiet unterrichten.

c)

Sobald eine Maßnahme aufgrund eines Treffers ausgeführt wurde, übermittelt das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats dem SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats ein Formular G; ein Formular G ist auch zu senden, wenn bei einem Treffer nähere Informationen benötigt werden, um die Maßnahme ausführen zu können.

d)

Nach Erhalt der Informationen gemäß Buchstabe c vom ausschreibenden Mitgliedstaat

i)

informiert der vollziehende Mitgliedstaat das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit einem Formular M (nicht mit einem weiteren Formular G für denselben Treffer), wenn die Maßnahme ausgeführt wurde,

ii)

informiert der vollziehende Mitgliedstaat das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit einem Formular H, wenn die Maßnahme nicht ausgeführt wurde, oder

iii)

wird Formular M verwendet, wenn es einer weiteren Konsultation bedarf,

iv)

wird Formular N oder O für den abschließenden Formular-Austausch in einem Konsultationsverfahren verwendet.

e)

Stellt ein Mitgliedstaat fest, dass sich ein ausgeschriebener Drittstaatsangehöriger in seinem Hoheitsgebiet aufhält, übermittelt das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats die für die Rückführung der Person erforderlichen angeforderten Informationen. Diese Informationen müssen, soweit der vollziehende Mitgliedstaat sie benötigt, in einem Formular M erteilt werden und Folgendes umfassen:

Art und Grund der Verfügung,

verfügende Behörde,

Datum der Verfügung,

Datum der Zustellung (Datum, an dem die Verfügung zugestellt wurde),

Datum der Vollstreckung,

Datum des Ablaufs der Verfügung oder ihre Gültigkeitsdauer,

die Angabe, ob die Person verurteilt wurde, und die Art der Strafe.

Wird eine ausgeschriebene Person an der Grenze aufgegriffen, sind die im Schengener Grenzkodex und vom ausschreibenden Mitgliedstaat vorgesehenen Verfahren zu beachten.

In Einzelfällen kann auch der Austausch von Zusatzinformationen über die SIRENE-Büros zur eindeutigen Identifizierung einer Person dringend erforderlich sein.

4.8.   Informationsaustausch bei einem Treffer im Fall eines Drittstaatsangehörigen, der das Recht auf Freizügigkeit genießt

Für Drittstaatsangehörige, die das Recht auf Freizügigkeit im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG genießen, gelten besondere Bestimmungen. (30)

Wird beim Datenabgleich bei einem Drittstaatsangehörigen, der das Recht auf Freizügigkeit im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG genießt, ein Trefferfall erzielt, gelten besondere Bestimmungen (siehe jedoch auch die Vorbemerkungen zu Abschnitt 4 in Bezug auf die Position der Schweiz). Es ist wie folgt vorzugehen:

a)

Auf Ersuchen der zuständigen Behörde fordert das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats mit einem Formular G unverzüglich vom SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats Informationen an, um umgehend über die zu ergreifende Maßnahme entscheiden zu können.

a)

Bei Erhalt eines Auskunftsersuchens stellt das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats unverzüglich die angeforderten Informationen zusammen und schickt sie so bald wie möglich an das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats.

b)

Das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats prüft zusammen mit der zuständigen Behörde, ob die Ausschreibung im Einklang mit der Richtlinie 2004/38/EG beibehalten werden kann, wenn die betreffende Information noch nicht vorliegt. Entscheidet die zuständige Behörde, dass die Ausschreibung beizubehalten ist, informiert das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit einem Formular M alle anderen SIRENE-Büros hierüber.

c)

Der vollziehende Mitgliedstaat informiert über sein SIRENE-Büro das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats darüber, ob die erbetene Maßnahme ausgeführt wurde (mit einem Formular M) oder nicht (mit einem Formular H). (31)

4.9.   Informationsaustausch, wenn ein Mitgliedstaat ohne Vorliegen eines Treffers feststellt, dass ein Drittstaatsangehöriger, der das Recht auf Freizügigkeit genießt, zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist

Stellt ein Mitgliedstaat ohne Vorliegen eines Treffers fest, dass ein Drittstaatsangehöriger, der das Recht auf Freizügigkeit genießt, zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist, schickt das SIRENE-Büro dieses Mitgliedstaats auf Ersuchen der zuständigen Behörde ein Formular M an das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats, um es hierüber zu informieren.

Das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats prüft zusammen mit der zuständigen Behörde, ob die Ausschreibung im Einklang mit der Richtlinie 2004/38/EG beibehalten werden kann, wenn die betreffende Information noch nicht vorliegt. Entscheidet die zuständige Behörde, dass die Ausschreibung beizubehalten ist, informiert das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit einem Formular M alle anderen SIRENE-Büros hierüber.

4.10.   Löschung von Ausschreibungen zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung

Unbeschadet der besonderen Verfahren gemäß Artikel 25 des Schengener Übereinkommens und Artikel 5 Absatz 4 Buchstaben a und c des Schengener Grenzkodexes werden Ausschreibungen zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung in Bezug auf Drittstaatsangehörige gelöscht, wenn

a)

die Ausschreibung abgelaufen ist,

b)

die zuständige Behörde des ausschreibenden Mitgliedstaats die Löschung beschlossen hat,

c)

die Frist für die Einreiseverweigerung abgelaufen ist, sofern die zuständige Behörde des ausschreibenden Mitgliedstaats ihre Entscheidung befristet hat, oder

d)

die Staatsangehörigkeit eines der Mitgliedstaaten erworben wurde. Wird das SIRENE-Büro eines anderen als des ausschreibenden Mitgliedstaats auf den Erwerb der Staatsangehörigkeit aufmerksam, konsultiert es das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats und übermittelt ihm bei Bedarf ein Formular J nach dem Verfahren für die Berichtigung und Löschung unrechtmäßig gespeicherter oder unrichtiger Daten (siehe Abschnitt 2.7).

5.   VERMISSTENAUSSCHREIBUNGEN (ARTIKEL 32 SIS-II-BESCHLUSS)

5.1.   Mehrfachausschreibungen

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.2 beschrieben.

5.2.   Missbräuchlich verwendete Identität

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.11.1 beschrieben.

5.3.   Eingabe eines Aliasnamens

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.11.2 beschrieben.

5.4.   Kennzeichnung

Bei einem Trefferfall zu einer Vermisstenausschreibung können gewisse Umstände die zuständigen Behörden im vollziehenden Mitgliedstaat dazu veranlassen zu beschließen, dass die erbetene Maßnahme nicht ausgeführt werden kann und/oder keine weiteren Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ausschreibung ergriffen werden. Dieser Beschluss kann auch dann gefasst werden, wenn die zuständigen Behörden des ausschreibenden Mitgliedstaats sich für die Beibehaltung der Ausschreibung im SIS II entscheiden. In diesem Fall kann der vollziehende Mitgliedstaat nach dem Treffer um Kennzeichnung ersuchen. Die Kennzeichnung hat nach den allgemeinen Verfahren in Abschnitt 2.6 zu erfolgen.

Alternative Maßnahmen sind bei Vermisstenausschreibungen nicht vorgesehen.

5.5.   Nähere Angaben zu vermissten Minderjährigen und sonstigen als schutzbedürftig eingestuften Personen

Die SIRENE-Büros haben ohne Weiteres Zugriff auf alle relevanten Zusatzinformationen, die auf nationaler Ebene zu Vermisstenausschreibungen vorliegen, damit sie wirksam zum erfolgreichen Abschluss der Fälle und zur Identifizierung der betreffenden Personen beitragen und umgehend Zusatzinformationen zu fallbezogenen Aspekten liefern können. Relevante Zusatzinformationen können sich insbesondere aus nationalen Entscheidungen über das Sorgerecht für ein Kind oder eine schutzbedürftige Person oder aus Ersuchen um Inanspruchnahme von Warnsystemen für vermisste Kinder („Child Alert“) ergeben.

Da nicht alle schutzbedürftigen vermissten Personen Landesgrenzen überschreiten, ist im Einzelfall zu entscheiden, welche Zusatzinformationen (zur näheren Beschreibung) an welche Empfänger weitergeleitet werden, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind. Nachdem auf nationaler Ebene darüber entschieden worden ist, inwieweit solche Zusatzinformationen weitergeleitet werden müssen, hat das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats soweit angebracht eine der folgenden Maßnahmen zu ergreifen:

a)

Speicherung der Informationen, damit Zusatzinformationen auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats übermittelt werden können;

b)

Übermittlung eines Formulars M an das zuständige SIRENE-Büro, wenn Ermittlungen auf den voraussichtlichen Zielort der vermissten Person schließen lassen;

c)

Übermittlung eines Formulars M an alle zuständigen SIRENE-Büros, wenn dies aufgrund der Umstände des Verschwindens angezeigt ist, damit alle die Person betreffenden Daten in kurzer Zeit zur Verfügung gestellt werden können.

Im Falle eines besonders schutzbedürftigen Vermissten ist in Feld 311 des Formulars M zuerst das Wort „URGENT“ (dringend) einzutragen und die Dringlichkeit zu begründen. (Wenn der vermisste Minderjährige ohne Begleitung ist (32), ist die erläuternde Angabe „Unaccompanied minor“ (unbegleiteter Minderjähriger) zu vermerken. Die Dringlichkeit kann durch ein Telefongespräch, in dem auf die Bedeutung des Formulars M und seine Dringlichkeit hingewiesen wird, weiter herausgestellt werden.

Im Falle eines besonders schutzbedürftigen Vermissten ist eine gemeinsame Methode für die Eingabe strukturierter Zusatzinformationen in einer vereinbarten Reihenfolge anzuwenden. (33) Diese Informationen sind in Feld 083 des Formulars M einzutragen.

Sobald ein SIRENE-Büro die Informationen erhalten hat, werden sie — zur Optimierung der Möglichkeiten zur gezielten Ermittlung des Aufenthaltsorts der Person — soweit angebracht an folgende Stellen übermittelt:

a)

relevante Grenzstellen,

b)

die für die Ermittlung des Aufenthaltsorts und den Schutz von Personen zuständigen Verwaltungs- und Polizeibehörden,

c)

die zuständigen Konsularbehörden des ausschreibenden Mitgliedstaats, nachdem ein Trefferfall im SIS II festgestellt wurde.

5.6.   Informationsaustausch im Trefferfall

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.3 beschrieben.

Zusätzlich gelten folgende Regeln:

a)

Die SIRENE-Büros teilen so weit wie möglich die erforderlichen ärztlichen Informationen über die betreffenden Vermissten mit, wenn Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen.

Die übermittelten Informationen werden nur so lange wie unbedingt nötig aufbewahrt und ausschließlich im Rahmen der ärztlichen Behandlung der betreffenden Person verwendet.

b)

Das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats teilt dem SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats stets den Aufenthaltsort mit.

c)

Gemäß Artikel 33 Absatz 2 SIS-II-Beschluss bedarf die Mitteilung des Aufenthaltsorts einer volljährigen aufgefundenen Person an die Person, die den Betroffenen als vermisst gemeldet hat, der Einwilligung des Betroffenen. (34) Die Einwilligung hat entweder schriftlich zu erfolgen, oder es sollte zumindest ein schriftlicher Nachweis darüber existieren. Wird die Einwilligung verweigert, so muss dies schriftlich geschehen oder amtlich protokolliert werden. Die zuständigen Behörden können jedoch der Person, die den Betroffenen als vermisst gemeldet hat, die Tatsache mitteilen, dass die Ausschreibung gelöscht wurde, weil die Person aufgefunden wurde.

5.7.   Löschung von Vermisstenausschreibungen

Kommt es bei der Löschung der Ausschreibung durch den ausschreibenden Mitgliedstaat zu einer erheblichen Verzögerung, so ist das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats davon in Kenntnis zu setzen, damit die Ausschreibung wie in Abschnitt 5.4 des SIRENE-Handbuchs erläutert gekennzeichnet wird.

5.7.1.   Minderjährige

Eine Ausschreibung wird gelöscht, wenn

a)

der Fall gelöst ist (z. B. der Minderjährige rückgeführt wurde; die zuständigen Behörden im vollziehenden Mitgliedstaat entscheiden darüber, in wessen Obhut das Kind gegeben wird);

b)

die Ausschreibung abgelaufen ist oder

c)

die zuständige Behörde des ausschreibenden Mitgliedstaats die Löschung beschlossen hat.

5.7.2.   Erwachsene, in deren Fall keine Schutzmaßnahmen erforderlich sind

Eine Ausschreibung wird gelöscht, wenn

a)

die zu ergreifende Maßnahme ausgeführt wurde (d. h. der Aufenthaltsort vom vollziehenden Mitgliedstaat festgestellt wurde);

b)

die Ausschreibung abgelaufen ist oder

c)

die zuständige Behörde des ausschreibenden Mitgliedstaats die Löschung beschlossen hat.

5.7.3.   Erwachsene, in deren Fall Schutzmaßnahmen erforderlich sind

Eine Ausschreibung wird gelöscht, wenn

a)

die zu ergreifende Maßnahme ausgeführt wurde (d. h. die Person unter Schutz gestellt wurde);

b)

die Ausschreibung abgelaufen ist oder

c)

die zuständige Behörde des ausschreibenden Mitgliedstaats die Löschung beschlossen hat.

Vorbehaltlich des innerstaatlichen Rechts kann, wenn eine Person offiziell in Schutzobhut genommen wurde, eine Ausschreibung beibehalten werden, bis der Betreffende rückgeführt wurde.

6.   AUSSCHREIBUNGEN VON PERSONEN, DIE IM HINBLICK AUF IHRE TEILNAHME AN EINEM GERICHTSVERFAHREN GESUCHT WERDEN (ARTIKEL 34 SIS-II-BESCHLUSS)

6.1.   Mehrfachausschreibungen

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.2 beschrieben.

6.2.   Missbräuchlich verwendete Identität

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.11.1 beschrieben.

6.3.   Eingabe eines Aliasnamens

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.11.2 beschrieben.

6.4.   Informationsaustausch im Trefferfall

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.3 beschrieben.

Zusätzlich gelten folgende Regeln:

a)

Zur Ermittlung des tatsächlichen Wohnsitzes oder Aufenthaltsorts werden sämtliche Maßnahmen ergriffen, die nach dem innerstaatlichen Recht des Mitgliedstaats, in dem die Person aufgefunden wurde, zulässig sind.

b)

Gegebenenfalls muss durch nationale Verfahren sichergestellt werden, dass Ausschreibungen nur so lange im SIS II gespeichert werden, bis der Ausschreibungszweck erfüllt ist.

Die SIRENE-Büros können weitere Informationen über Ausschreibungen nach Artikel 34 SIS-II-Beschluss übermitteln; dabei können sie im Namen von Justizbehörden handeln, falls diese Informationen im Rahmen der Rechtshilfe weitergeleitet werden.

6.5.   Löschung von Ausschreibungen von Personen, die im Hinblick auf ihre Teilnahme an einem Gerichtsverfahren gesucht werden

Eine Ausschreibung wird gelöscht, wenn

a)

der Aufenthaltsort der Person der zuständigen Behörde des ausschreibenden Mitgliedstaats mitgeteilt wurde. Wenn aufgrund der weitergeleiteten Informationen nicht gehandelt werden kann (z. B. falsche Adresse oder kein fester Wohnsitz), informiert das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats, damit das Problem gelöst wird,

b)

die Ausschreibung abgelaufen ist oder

c)

die zuständige Behörde des ausschreibenden Mitgliedstaats die Löschung beschlossen hat.

Wenn in einem Mitgliedstaat ein Treffer erzielt wurde und die Adressdaten an den ausschreibenden Mitgliedstaat weitergeleitet wurden und ein anschließender Treffer in diesem Mitgliedstaat dieselben Adressdaten ergeben hat, wird der Treffer im vollziehenden Mitgliedstaat registriert, werden aber weder die Adressdaten noch ein Formular G erneut an den ausschreibenden Mitgliedstaat gesandt. In einem solchen Fall informiert der vollziehende Mitgliedstaat den ausschreibenden Mitgliedstaat über die wiederholten Treffer, und der ausschreibende Mitgliedstaat prüft, ob die Ausschreibung beibehalten werden muss.

7.   AUSSCHREIBUNGEN ZUM ZWECKE DER VERDECKTEN ODER DER GEZIELTEN KONTROLLE (ARTIKEL 36 SIS-II-BESCHLUSS)

7.1.   Mehrfachausschreibungen

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.2 beschrieben.

7.2.   Missbräuchlich verwendete Identität

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.11.1 beschrieben.

7.3.   Eingabe eines Aliasnamens

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.11.2 beschrieben.

7.4.   Benachrichtigung anderer Mitgliedstaaten bei der Eingabe von Ausschreibungen

Bei der Eingabe einer Ausschreibung benachrichtigt das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats in folgenden Fällen mit einem Formular M alle anderen SIRENE-Büros:

a)

Eine Ausschreibung zur verdeckten oder zur gezielten Kontrolle erfolgt mit dem Ersuchen, dass Treffer unverzüglich dem ausschreibenden SIRENE-Büro mitgeteilt werden; im Formular M ist Folgendes anzugeben: „ARTICLE 36(2) of the SIS II Decision — immediate action“ oder „ARTICLE 36(3) of the SIS II Decision — immediate action“. Außerdem ist die Notwendigkeit eines sofortigen Handelns in Feld 083 des Formulars M zu vermerken.

b)

Eine für die Sicherheit des Staates zuständige nationale Stelle ersucht um eine Ausschreibung gemäß Artikel 36 Absatz 3 SIS-II-Beschluss; im Formular M ist Folgendes anzugeben: „ARTICLE 36(3) of the SIS II Decision“.

Erfolgt die Ausschreibung gemäß Artikel 36 Absatz 3 SIS-II-Beschluss, so muss das Formular M in Feld 080 den Namen der um die Eingabe der Ausschreibung ersuchenden Stelle — zuerst in der Landessprache des ausschreibenden Mitgliedstaats und danach auch in Englisch — sowie in Feld 081 die Kontaktdaten dieser Stelle in einem keine Übersetzung erfordernden Format enthalten.

Die Vertraulichkeit bestimmter Informationen wird nach dem innerstaatlichen Recht gewährleistet. So werden die Kontakte zwischen den SIRENE-Büros von den Kontakten zwischen den für die Sicherheit des Staates zuständigen Stellen getrennt.

7.5.   Kennzeichnung

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.6 beschrieben.

Alternative Maßnahmen sind bei Ausschreibungen zur verdeckten oder zur gezielten Kontrolle nicht vorgesehen.

Sollte die für die Sicherheit des Staates zuständige Stelle im vollziehenden Mitgliedstaat darüber hinaus beschließen, dass die Ausschreibung einer Kennzeichnung bedarf, setzt sie sich mit dem nationalen SIRENE-Büro in Verbindung und teilt ihm mit, dass die angeforderte Maßnahme nicht durchgeführt werden kann. Das SIRENE-Büro fordert daraufhin mit einem Formular F das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats auf, eine Kennzeichnung vorzunehmen. Wie bei anderen Kennzeichnungsersuchen ist ein allgemeiner Grund anzugeben. Angelegenheiten sensibler Art müssen jedoch nicht offengelegt werden (siehe auch Abschnitt 7.6 Buchstabe b.

7.6.   Informationsaustausch im Trefferfall

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.3 beschrieben.

Zusätzlich gelten folgende Regeln:

a)

Wenn ein Abgleich bei einer Ausschreibung nach Artikel 36 Absatz 3 SIS-II-Beschluss ein positives Ergebnis erbringt, informiert das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit dem Formular G darüber (verdeckte Kontrolle oder gezielte Kontrolle). Gleichzeitig informiert das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats die für die Sicherheit des Staates zuständige nationale Stelle.

b)

Es ist ein spezielles Verfahren erforderlich, um die Vertraulichkeit der Informationen zu gewährleisten. Daher werden die Kontakte zwischen den für die Sicherheit des Staates zuständigen Stellen von den Kontakten zwischen den SIRENE-Büros getrennt. Folglich sind die genauen Gründe für ein Ersuchen um Kennzeichnung direkt zwischen den für die Sicherheit des Staates zuständigen Stellen und nicht über die SIRENE-Büros zu erörtern.

c)

Wenn ein Abgleich bei einer Ausschreibung ein positives Ergebnis erbringt, das eine umgehende Meldung des Treffers erfordert, ist unverzüglich ein Formular G dem SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats zu übermitteln.

7.7.   Löschung von Ausschreibungen zur verdeckten oder zur gezielten Kontrolle

Eine Ausschreibung wird gelöscht, wenn

a)

die Ausschreibung abgelaufen ist oder

b)

die zuständige Behörde des ausschreibenden Mitgliedstaats die Löschung beschlossen hat.

7.8.   Automatische Nummernschild-Erkennungssysteme (Automatic Number Plate Recognition systems — ANPR)

Siehe Abschnitt 9.

8.   SACHFAHNDUNGSAUSSCHREIBUNGEN ZUR SICHERSTELLUNG ODER BEWEISSICHERUNG (ARTIKEL 38 SIS-II-BESCHLUSS)

8.1.   Mehrfachausschreibungen

Das allgemeine Verfahren ist in Abschnitt 2.2 beschrieben.

8.2.   Fahrzeugausschreibungen

8.2.1.   Überprüfung auf Mehrfachausschreibungen bezüglich eines Fahrzeugs

Die vorgeschriebenen Identifizierungskriterien für die Überprüfung auf Mehrfachausschreibungen bezüglich eines Fahrzeugs umfassen:

a)

das amtliche Kennzeichen und/oder

b)

die Fahrzeug-Identifizierungsnummer (VIN).

Beide Nummern können gleichzeitig im SIS II erscheinen.

Stellt sich bei der Eingabe einer neuen Ausschreibung heraus, dass die VIN und/oder das Kennzeichen bereits im SIS II enthalten sind, ist davon auszugehen, dass Mehrfachausschreibungen zum selben Fahrzeug vorliegen. Diese Überprüfungsmethode funktioniert allerdings nur, wenn die gleichen Beschreibungsmerkmale verwendet werden. Daher ist ein Vergleich nicht immer möglich.

Das SIRENE-Büro weist den Benutzer auf die Probleme, die entstehen können, wenn nur eine der Nummern verglichen wurde, sowie auf VIN-Dubletten und die Wiederverwendung von Kennzeichen hin. Ein positives Ergebnis bedeutet nicht unbedingt einen Trefferfall und ein negatives bedeutet nicht, dass es keine Ausschreibung zu dem Fahrzeug gibt.

Die Identifizierungskriterien, anhand deren sich bestimmen lässt, ob zwei Fahrzeugeinträge identisch sind, enthält Abschnitt 2.2.3.

Die von den SIRENE-Büros anzuwendenden Konsultationsverfahren für die Überprüfung auf Mehrfachausschreibungen und unvereinbare Ausschreibungen sind bei Fahrzeugen dieselben wie bei Personen. Die allgemeinen Verfahren sind in Abschnitt 2.2 beschrieben.

Bis zur Löschung der eingegebenen Ausschreibung registriert das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats alle Ausschreibungsersuchen, die nach Konsultation gemäß den oben genannten Bestimmungen abgelehnt wurden.

8.2.2.   VIN-Dubletten

Eine VIN-Dublette liegt vor, wenn im SIS II bereits ein Fahrzeug desselben Typs mit derselben Fahrzeug-Identifizierungsnummer (Vehicle Identification Number — VIN) wie das Original-Herstellerfahrzeug erfasst ist (ein Traktor und ein Motorrad mit derselben VIN fallen nicht in diese Kategorie). Um die negativen Auswirkungen einer wiederholten Sicherstellung eines Original-Herstellerfahrzeugs mit derselben VIN zu vermeiden, gilt das nachstehende spezifische Verfahren.

a)

Wird festgestellt, dass möglicherweise eine VIN-Dublette vorliegt, ergreift das SIRENE-Büro gegebenenfalls folgende Maßnahmen:

i)

Es vergewissert sich, dass die SIS-II-Ausschreibung keinen Fehler aufweist und die Ausschreibungsdaten möglichst vollständig sind.

ii)

Es prüft die Umstände des Falles, die zu der Ausschreibung im SIS II geführt haben.

iii)

Es ermittelt die Vorgeschichte beider Fahrzeuge ab ihrer Fertigung.

iv)

Es bittet um eine gründliche Kontrolle des sichergestellten Fahrzeugs, insbesondere seiner VIN, um zu prüfen, ob es sich dabei um das Original-Herstellerfahrzeug handelt.

Alle beteiligten SIRENE-Büros arbeiten bei der Ergreifung derartiger Maßnahmen eng zusammen.

b)

Bestätigt sich, dass eine VIN-Dublette vorliegt, prüft der ausschreibende Mitgliedstaat, ob die Ausschreibung im SIS II beibehalten werden muss. Beschließt der ausschreibende Mitgliedstaat, die Ausschreibung im SIS II beizubehalten, geht er wie folgt vor:

i)

Er fügt die fahrzeugbezogene Anmerkung „Suspicion of clone“ (Verdacht auf Dublette) (35) in die Ausschreibung ein.

ii)

Er bittet den Eigentümer des Original-Herstellerfahrzeugs, — sofern dieser hierzu seine ausdrückliche Einwilligung erteilt — nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts dem SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats alle einschlägigen Informationen zukommen zu lassen, die zur Vermeidung der negativen Auswirkungen einer falschen Identifizierung erforderlich sind.

iii)

Über sein SIRENE-Büro übermittelt er allen anderen Büros ein Formular M, das gegebenenfalls die Besonderheiten oder Merkmale des Original-Herstellerfahrzeugs enthält, aufgrund deren sich dieses von dem im SIS II ausgeschriebenen Fahrzeug unterscheidet. In Feld 083 des Formulars M sind klar erkennbar die Worte „ORIGINAL MANUFACTURED VEHICLE“ (Original-Herstellerfahrzeug) anzugeben.

c)

Wird bei der Abfrage des SIS II die fahrzeugbezogene Anmerkung „Suspicion of clone“ gefunden, kontaktiert der Benutzer, der die Prüfung durchführt, das nationale SIRENE-Büro und holt Zusatzinformationen ein, um zu klären, ob es sich bei dem überprüften Fahrzeug um das gesuchte Fahrzeug oder das Original-Herstellerfahrzeug handelt.

d)

Wird bei der Prüfung festgestellt, dass die Angaben im Formular M nicht mehr aktuell sind, kontaktiert das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats, um zu ermitteln, wer der derzeitige rechtmäßige Eigentümer des Fahrzeugs ist. Dementsprechend übermittelt das letztgenannte SIRENE-Büro ein neues Formular M, in dessen Feld 083 klar erkennbar die Worte „ORIGINAL MANUFACTURED VEHICLE“ angegeben sind.

8.3.   Informationsaustausch im Trefferfall

Die SIRENE-Büros können weitere Informationen über Ausschreibungen nach Artikel 38 SIS-II-Beschluss übermitteln; dabei können sie im Namen von Justizbehörden handeln, falls diese Informationen im Rahmen der Rechtshilfe gemäß dem innerstaatlichen Recht weitergeleitet werden.

Wurde ein Trefferfall bei einer Ausschreibung zur Sicherstellung oder Beweissicherung eines Kraftfahrzeugs, Luftfahrzeugs, Wasserfahrzeugs, einer industriellen Ausrüstung oder eines Containers nach Artikel 38 SIS-II-Beschluss erzielt, übermitteln die SIRENE-Büros so schnell wie möglich mit einem Formular P Zusatzinformationen, wenn sie in Feld 089 des Formulars G darum ersucht werden.

Da ein solches Ersuchen dringend zu beantworten ist und nicht alle Informationen umgehend zusammengestellt werden können, müssen nicht alle Felder des Formulars P ausgefüllt werden. Folgende Felder sollten jedoch nach Möglichkeit ausgefüllt werden: 041, 042, 043, 162, 164, 165, 166, 167 und 169.

Bei Vorliegen eines Treffers in Bezug auf eine identifizierbare Komponente einer Sache informiert das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit einem Formular G über die Umstände des Treffers und vermerkt in Feld 090 (Additional information — zusätzliche Information), dass nicht die gesamte Sache, sondern eine Komponente oder Komponenten davon sichergestellt wurden. Wurden mehrere Komponenten gleichzeitig gefunden, ist — da sich diese auf eine einzige Ausschreibung beziehen — lediglich ein Formular G zu übermitteln. Spätere Treffer in Bezug auf die Ausschreibung werden dem SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit einem Formular G mitgeteilt. Die Ausschreibung darf erst gelöscht werden, wenn die in Abschnitt 8.4 genannten Bedingungen erfüllt sind.

8.4.   Löschung von Sachfahndungsausschreibungen zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren

Eine Ausschreibung wird gelöscht, wenn:

a)

eine Sache sichergestellt oder eine entsprechende Maßnahme getroffen wurde, sobald der erforderliche anschließende Austausch von Zusatzinformationen zwischen den SIRENE-Büros stattgefunden hat oder die Sache in einem anderen Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens behandelt wird (zum Beispiel Gerichtsverfahren über einen gutgläubigen Erwerb, strittiges Eigentum oder justizielle Zusammenarbeit in Bezug auf Beweismittel),

b)

die Ausschreibung abgelaufen ist oder

c)

die zuständige Behörde des ausschreibenden Mitgliedstaats die Löschung beschlossen hat.

9.   AUTOMATISCHE NUMMERNSCHILD-ERKENNUNGSSYSTEME (AUTOMATIC NUMBER PLATE RECOGNITION SYSTEMS — ANPR)

Diese Systeme sind für Ausschreibungen nach den Artikeln 36 und 38 SIS-II-Beschluss relevant. Aufgrund der weitverbreiteten Verwendung von ANPR zu Strafverfolgungszwecken ist es technisch möglich, in kurzer Zeit zahlreiche Trefferfälle zu Fahrzeugen oder Kennzeichen zu erzielen.

Da einige ANPR-Systeme manuell bedient werden, kann ein Fahrzeug ermittelt und die erbetene Maßnahme ausgeführt werden. Bevor eine Maßnahme ergriffen wird, prüfen die Benutzer des ANPR-Systems in diesem Fall, ob sich der über das ANPR-System erzielte Trefferfall auf eine Ausschreibung nach Artikel 36 oder 38 SIS-II-Beschluss bezieht.

Bei vielen fest installierten ANPR-Systemen ist jedoch nicht ständig Personal anwesend. Daher kann es sein, dass zwar anhand der technischen Vorrichtung ein vorbeifahrendes Fahrzeug erfasst und ein Trefferfall erzielt wird, aber die erbetene Maßnahme nicht ausgeführt werden kann.

Wenn die erbetene Maßnahme nicht ausgeführt werden konnte, ist sowohl bei Ausschreibungen nach Artikel 36 als auch bei Ausschreibungen nach Artikel 38 wie folgt vorzugehen:

Für den ersten Trefferfall ist ein Formular H zu übermitteln. Sind nähere Angaben zu den Fahrzeugbewegungen erforderlich, hat das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats bilateral zu kontaktieren, um den Informationsbedarf zu erörtern.

Bei Ausschreibungen nach Artikel 36 ist wie folgt vorzugehen:

a)

Das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, der den Trefferfall erzielt hat, informiert das ausschreibende SIRENE-Büro mit einem Formular G über die Umstände des Treffers und trägt in Feld 086 das Wort „ANPR“ ein. Sind nähere Angaben zu den Fahrzeugbewegungen erforderlich, kontaktiert das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats das SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats.

b)

Das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, der einen Trefferfall bei einer Ausschreibung zur gezielten Kontrolle festgestellt hat, bei dem die erbetene Maßnahme nicht ausgeführt werden konnte, informiert das ausschreibende SIRENE-Büro mit einem Formular H über die Umstände des Treffers und trägt in Feld 083 das Wort „ANPR“ ein, ergänzt durch folgenden Hinweis: „Dieser Treffer wurde durch Einsatz von ANPR erzielt. Bitte teilen Sie uns mit, ob Ihr Land von weiteren Trefferfällen in Kenntnis gesetzt werden möchte, die für dieses Fahrzeug oder Kennzeichen durch ANPR erzielt wurden und bei denen die erbetene Maßnahme nicht ausgeführt werden konnte.“

c)

Der ausschreibende Mitgliedstaat entscheidet, ob die Ausschreibung ihren Zweck erfüllt hat, ob sie gelöscht werden soll und ob der Informationsbedarf bilateral erörtert werden sollte.

Bei Ausschreibungen nach Artikel 38 ist wie folgt vorzugehen:

a)

Wenn ein Treffer vorliegt und die erbetene Maßnahme ausgeführt wurde, informiert das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, der den Trefferfall erzielt hat, das ausschreibende SIRENE-Büro mit einem Formular G über die Umstände des Treffers.

b)

Wenn ein Treffer vorliegt und die erbetene Maßnahme nicht ausgeführt wurde, informiert das SIRENE-Büro des Mitgliedstaats, der den Trefferfall erzielt hat, das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats mit einem Formular H über die Umstände des Treffers und trägt in Feld 083 das Wort „ANPR“ ein, ergänzt durch folgenden Hinweis: „Dieser Treffer wurde durch Einsatz von ANPR erzielt. Bitte teilen Sie uns mit, ob Ihr Land von weiteren Trefferfällen in Kenntnis gesetzt werden möchte, die für dieses Fahrzeug oder Kennzeichen durch ANPR erzielt wurden und bei denen die erbetene Maßnahme nicht ausgeführt werden konnte.“

c)

Bei Eingang eines solchen Formulars H konsultiert das SIRENE-Büro des ausschreibenden Mitgliedstaats die zuständigen Behörden, die darüber zu entscheiden haben, ob weitere Formulare H angefordert oder bilateral beim SIRENE-Büro des vollziehenden Mitgliedstaats Informationen eingeholt werden müssen.

10.   STATISTIKEN

Einmal im Jahr legen die SIRENE-Büros der Agentur und der Kommission Statistiken vor. Die Statistiken sind auf Anfrage auch dem Europäischen Datenschutzbeauftragten und den zuständigen nationalen Datenschutzbehörden zu übermitteln. Aus ihnen muss ersichtlich sein, wie viele Formulare jedes Typs an jeden Mitgliedstaat geschickt wurden. Insbesondere muss die Anzahl der Treffer und Kennzeichnungen verzeichnet sein. Es ist zu unterscheiden zwischen Trefferfällen zu Ausschreibungen eines anderen Mitgliedstaats und Trefferfällen, die von einem Mitgliedstaat zu eigenen Ausschreibungen erzielt wurden.

Anlage 5 erläutert die Verfahren und Formate für die Bereitstellung der Statistiken nach Maßgabe dieses Abschnitts.“


(1)  Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1).

(2)  ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19.

(3)  Beschluss des Exekutivausschusses vom 22. Dezember 1994 über das Inkraftsetzen des Schengener Durchführungsübereinkommens (SCH/Com-ex (94) 29 Rev. 2) (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 130).

(4)  Beschlüsse des Exekutivausschusses vom 7. Oktober 1997 (SCH/com-ex 97(27) Rev. 4) für Italien und (SCH/com-ex 97(28) Rev. 4) für Österreich.

(5)  Beschluss 1999/848/EG des Rates vom 13. Dezember 1999 über die vollständige Inkraftsetzung des Schengen-Besitzstands in Griechenland (ABl. L 327 vom 21.12.1999, S. 58).

(6)  Beschluss 2000/777/EG des Rates vom 1. Dezember 2000 über die Inkraftsetzung des Schengen-Besitzstands in Dänemark, Finnland und Schweden sowie in Island und Norwegen (ABl. L 309 vom 9.12.2000, S. 24).

(7)  Beschluss 2004/926/EG des Rates vom 22. Dezember 2004 über das Inkraftsetzen von Teilen des Schengen-Besitzstands durch das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (ABl. L 395 vom 31.12.2004, S. 70).

(8)  ABl. C 340 vom 10.11.1997, S. 92.

(9)  Übereinkommen mit der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung der beiden Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (ABl. L 176 vom 10.7.1999, S. 36).

(10)  ABl. L 370 vom 17.12.2004, S. 78.

(11)  ABl. L 160 vom 18.6.2011, S. 3.

(12)  Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Zugang von für die Ausstellung von Kfz-Zulassungsbescheinigungen zuständigen Dienststellen der Mitgliedstaaten zum Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) (ABl. L 381 vom 28.12.2006, S. 1).

(13)  Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 105 vom 13.4.2006, S. 1).

(14)  Die SIRENE-Büros können aufgrund anderer Bestimmungen im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit (z. B. in Anwendung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI des Rates vom 18. Dezember 2006 über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. L 386 vom 29.12.2006, S. 89)) auch mit anderen Aufgaben betraut werden.

(15)  Beschluss 2009/371/JI des Rates vom 6. April 2009 zur Errichtung des Europäischen Polizeiamts (Europol) (ABl. L 121 vom 15.5.2009, S. 37).

(16)  Siehe auch Schengen-Katalog, Empfehlungen und bewährte Praktiken.

(17)  Diese zweite Domäne existiert in der technischen „Pre-Production-Umgebung“.

(18)  die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31).

(19)  Rahmenbeschluss 2008/977/JI des Rates vom 27. November 2008 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden (ABl. L 350 vom 30.12.2008, S. 60).

(20)  Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (ABl. L 286 vom 1.11.2011, S. 1).

(21)  Einige Transportunternehmen verwenden andere Referenznummern. Das SIS II sieht vor, dass andere Seriennummern als die BIC-Nummer eingegeben werden können.

(22)  Aufgrund der unzureichenden Standardisierung der Seriennummern von Sachen können zum Beispiel zwei unterschiedliche Feuerwaffen verschiedener Marken dieselbe Seriennummer haben. Ebenso ist es möglich, dass eine Sache dieselbe Seriennummer wie eine ganz andere Sache hat, beispielsweise ein amtlich ausgestelltes Dokument und eine Maschine. Ist offensichtlich, dass die Seriennummern identisch, die Sachen aber eindeutig nicht dieselben sind, bedarf es keiner Konsultation zwischen SIRENE-Büros. Die Benutzer können darauf hingewiesen werden, dass dieser Fall eintreten kann. Außerdem kann es vorkommen, dass zum Beispiel ein Reisepass oder ein Kraftfahrzeug in einem Land gestohlen und dies dort gemeldet wurde und der Diebstahl anschließend auch im Herkunftsland zur Meldung gebracht wird. Dies könnte dazu führen, dass dieselbe Sache zweimal ausgeschrieben wird. Wird festgestellt, dass dies der Fall ist, können die betreffenden SIRENE-Büros Abhilfemaßnahmen ergreifen.

(23)  Wegen der technischen Durchführung siehe das Dokument über den Datenaustausch zwischen den SIRENE-Büros, auf das in Abschnitt 1.10.2 Bezug genommen wird.

(24)  Siehe Fußnote 23.

(25)  Siehe auch Abschnitt 1.13.1 über die Angabe der Dringlichkeit in SIRENE-Formularen.

(26)  Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77).

(27)  Nach Artikel 30 der Richtlinie 2004/38/EG sind bei der Einreiseverweigerung dem Betroffenen die Gründe, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend schriftlich mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit des Staates dieser Mitteilung entgegenstehen.

(28)  In Artikel 26 SIS-II-Verordnung wird auf Artikel 15 des Vertrags über die Europäische Union verwiesen. Allerdings wurde dieser Artikel 15 nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zu Artikel 29 der konsolidierten Fassung des Vertrags über die Europäische Union.

(29)  Zu beachten ist, dass vor Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige von EU-Bürgern das SIS II nicht systematisch nach Ausschreibungen zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung abgefragt werden darf. In Artikel 10 der Richtlinie 2004/38/EG sind die Voraussetzungen dafür aufgeführt, dass ein Familienangehöriger eines Unionsbürgers, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, eine mehr als drei Monate gültige Aufenthaltskarte in einem Mitgliedstaat erwerben kann. Die erschöpfende Liste sieht eine routinemäßige Abfrage des SIS vor Ausstellung der Aufenthaltskarte nicht vor. Nach Artikel 27 Absatz 3 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten andere Mitgliedstaaten lediglich um Auskünfte über das Vorleben des Betroffenen in strafrechtlicher Hinsicht ersuchen, wenn sie dies für unerlässlich halten (also nicht um Auskünfte über alle SIS-II-Daten). Diese Anfragen dürfen nicht systematisch erfolgen.

(30)  Gemäß der Richtlinie 2004/38/EG kann einer Person, die das Recht auf Freizügigkeit genießt, die Einreise oder der Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nur dann verweigert werden, wenn das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Kriterien des Artikels 27 Absatz 2 der genannten Richtlinie erfüllt sind. In Artikel 27 Absatz 2 heißt es: „Bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.“ Weitere Einschränkungen für die Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung bei Personen, die das Recht auf Daueraufenthalt genießen, enthält Artikel 28 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG, wonach schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dafür vorliegen müssen.

(31)  Im Einklang mit der Richtlinie 2004/38/EG darf der vollziehende Mitgliedstaat die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen, die das Recht auf Freizügigkeit genießen, nicht allein deshalb einschränken, weil der ausschreibende Mitgliedstaat die Ausschreibung beibehält, es sei denn, die Voraussetzungen in Fußnote 29 sind erfüllt.

(32)  Ein unbegleiteter Minderjähriger ist ein Kind im Sinne des Artikels 1 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989, das von beiden Elternteilen und sonstigen Verwandten getrennt ist und sich nicht in der Obhut eines gesetzlich oder nach den Gepflogenheiten für es verantwortlichen Erwachsenen befindet.

(33)  Daten betreffend das Verschwinden der Person:

a)

Ort, Tag und Uhrzeit des Verschwindens,

b)

Umstände des Verschwindens;

Angaben zur vermissten Person:

c)

Scheinbares Alter,

d)

Größe,

e)

Hautfarbe,

f)

Haarfarbe und Frisur,

g)

Augenfarbe,

h)

andere körperliche Merkmale (d. h. Piercings, Missbildungen, Amputationen, Tätowierungen, Male, Narben usw.),

i)

psychologische Besonderheiten: Suizidgefahr, psychische Krankheit, aggressives Verhalten usw.,

j)

sonstige Angaben: notwendige medizinische Behandlung usw.,

k)

Kleidung, die die Person zum Zeitpunkt des Verschwindens getragen hat,

l)

Lichtbild: vorhanden oder nicht vorhanden,

m)

Ante-mortem-Formular: vorhanden oder nicht vorhanden,

Verwandte Angaben:

n)

Personen, in deren Begleitung sich die vermisste Person möglicherweise befindet (und Schengen-ID-Nummer, falls vorhanden),

o)

Fahrzeuge im Zusammenhang mit diesem Fall (und Schengen-ID-Nummer, falls vorhanden),

p)

falls vorhanden: Mobiltelefon-Nummer/letzte Anmeldung („Log-in“), letzter Kontakt über soziale Netzwerke im Internet.

Die Bezeichnungen der verschiedenen Unterfelder sind nicht als Teil von Feld 083 einzugeben, sondern lediglich der Referenzbuchstabe. Wenn bestimmte Details bereits in den Feldern einer Ausschreibung vorhanden sind, sind die entsprechenden Informationen, einschließlich Fingerabdrücken und Lichtbildern, in die Vermisstenausschreibung aufzunehmen.

(34)  Artikel 2 Buchstabe h der Richtlinie 95/46/EG enthält nähere Angaben zur Einwilligung in Angelegenheiten des Schutzes natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr.

(35)  Diese Anmerkung betrifft Fälle, in denen beispielsweise die Zulassungsdokumente für ein Fahrzeug gestohlen und für die erneute Zulassung eines anderen ebenfalls gestohlenen Fahrzeugs derselben Marke, desselben Modells und derselben Farbe verwendet wurden.