ISSN 1977-0642

doi:10.3000/19770642.L_2012.195.deu

Amtsblatt

der Europäischen Union

L 195

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Rechtsvorschriften

55. Jahrgang
21. Juli 2012


Inhalt

 

II   Rechtsakte ohne Gesetzescharakter

Seite

 

 

BESCHLÜSSE

 

 

2012/397/EU

 

*

Beschluss der Kommission vom 24. Oktober 2011 über die Staatliche Beihilfe SA 32600 (2011/C) — Frankreich — Beihilfe zur Umstrukturierung von SeaFrance SA durch die SNCF (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(2011) 7808)  ( 1 )

1

 

 

2012/398/EU

 

*

Beschluss der Kommission vom 9. März 2012 über die Staatliche Beihilfe SA.12522 (C 37/08) — Frankreich — Anwendung der Entscheidung Sernam 2 (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2012) 1616)  ( 1 )

19

 


 

(1)   Text von Bedeutung für den EWR

DE

Bei Rechtsakten, deren Titel in magerer Schrift gedruckt sind, handelt es sich um Rechtsakte der laufenden Verwaltung im Bereich der Agrarpolitik, die normalerweise nur eine begrenzte Geltungsdauer haben.

Rechtsakte, deren Titel in fetter Schrift gedruckt sind und denen ein Sternchen vorangestellt ist, sind sonstige Rechtsakte.


II Rechtsakte ohne Gesetzescharakter

BESCHLÜSSE

21.7.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 195/1


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 24. Oktober 2011

über die Staatliche Beihilfe SA 32600 (2011/C) — Frankreich — Beihilfe zur Umstrukturierung von SeaFrance SA durch die SNCF

(Bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(2011) 7808)

(Nur der französische Text ist verbindlich.)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2012/397/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION,

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (nachstehend AEUV), insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 erster Unterabsatz,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten, ihre Bemerkungen gemäß den genannten Artikeln (1) einzureichen,

in Erwägung nachstehender Gründe —

I.   VERFAHREN

1.1.   Allgemeiner Hintergrund

(1)

Die Kommission hatte mit Beschluss vom 18. August 2010 (2) SeaFrance S.A. (nachstehend „SeaFrance“) eine Rettungsbeihilfe genehmigt, die von Frankreich seitdem umgesetzt wurde. Im Rahmen dieser Beihilfe erhielt SeaFrance von der SNCF ein Darlehen von maximal [40-70] Mio. EUR.

(2)

Am 18. Februar 2011 meldete Frankreich bei der Kommission zugunsten von SeaFrance eine Umstrukturierungsbeihilfe (nachstehend „die Umstrukturierungsbeihilfe“) in Höhe von 223 Mio. EUR, zusammen mit einem Umstrukturierungsplan, an. Am 29. März 2011 bat die Kommission um ergänzende Auskünfte, die die französischen Behörden am 4. Mai 2011 vorlegten.

(3)

Am 6. April 2011 legte ein Wettbewerber von SeaFrance, P&O Ferries (nachstehend „P&O“), bei der Kommission Beschwerde gegen die Umstrukturierungsbeihilfe ein.

(4)

Mit Schreiben vom 22. Juni 2011 teilte die Kommission den französischen Behörden mit, dass sie beabsichtige, das Verfahren gemäß Artikel 108 Absatz 2 AEUV zu eröffnen (nachstehend „der Eröffnungsbeschluss“).

(5)

Die Kommission forderte alle Interessierten auf, ihre Anmerkungen zu den in Rede stehenden Beihilfen zu übermitteln (3). Es gingen die in Abschnitt V im Einzelnen beschriebenen Anmerkungen bei der Kommission ein.

(6)

Am 14. Juli 2011 ging die Antwort der französischen Behörden auf den Eröffnungsbeschluss ein, am 22. Juli nahmen sie zur Beschwerde von P&O Stellung und am 19. August beantworteten sie die Anmerkungen der Beteiligten zum Eröffnungsbeschluss.

(7)

Am 12. September 2011 übersandten die französischen Behörden einen geänderten Umstrukturierungsplan.

(8)

Am 3. Oktober 2011 legten die französischen Behörden nochmals eine geänderte Fassung des Umstrukturierungsplans (nachstehend „der geänderte Umstrukturierungsplan“) vor.

(9)

Die Kommission und die französischen Behörden […] kamen zu Gesprächen zusammen. Im Laufe des gesamten Verfahrens kam es zu zahlreichen telefonischen Kontakten (4), E-Mails wurden ausgetauscht. Am 18. Oktober 2011 übersandten die französischen Behörden der Kommission eine schriftliche Zusammenfassung der Argumente, die im Zuge der verschiedenen Korrespondenzen vorgebracht worden waren.

1.2.   Verfahren auf nationaler Ebene

(10)

Im Rahmen des am 30. Juni 2010 eingeleiteten gerichtlichen Vergleichsverfahrens muss das Pariser Handelsgericht am 25. Oktober 2011 endgültig darüber entscheiden, ob SeaFrance abgewickelt wird oder es seine Geschäftstätigkeit fortsetzen kann (5).

(11)

Darüber hinaus konnten die Beteiligten nach Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens dem gerichtlichen Verwalter Angebote unterbreiten, um die Geschäftstätigkeit des Unternehmens durch eine gesamte oder teilweise Übernahme des Unternehmens aufrechtzuerhalten. Nach den der Kommission vorliegenden Informationen wurden drei Übernahmeangebote vorgelegt: ein — gemeinsames — der französischen Gruppe Louis Dreyfus Armateurs und der dänischen Gesellschaft DFDS A/S (nachstehend „DFDS“) (nachstehend gemeinsam bezeichnet als „DFDS-LDA“), ein Angebot der französischen Gewerkschaft Confédération Française Démocratique du Travail (nachstehend „die CFDT“) und ein Angebot der SNC Being Bang Immaterial (nachstehend „Being Bang“).

(12)

DFDS-LDA legten ein Angebot für die teilweise Übernahme der Vermögenswerte und der Belegschaft von SeaFrance zum symbolischen Preis von drei Euro (6) vor. Eine Kopie des Angebots wurde der Kommission zur Information übersandt. Entsprechend diesem Angebot würden DFDS-LDA nur 460 Beschäftigte (also 200 weniger als im geänderten Umstrukturierungsplan vorgesehen) übernehmen und das Frachtschiff Nord Pas-de-Calais (neben den im kombinierten Fährbetrieb wirtschaftenden Autofähren Berlioz und Rodin), nicht jedoch die Autofähre Molière behalten (wohingegen der geänderte Umstrukturierungsplan den Verkauf des Frachtfähre Nord Pas-de-Calais und die Beibehaltung der Autofähre Molière vorsieht, die sogar vorzeitig angekauft werden sollte).

(13)

Den Informationen der Medien zufolge hat die CFDT dem Pariser Handelsgericht am vergangenen 24. August ein Angebot zur Übernahme des Unternehmens vorgelegt. Die CFDT möchte die gesamte Belegschaft von derzeit 1 100 Beschäftigten erhalten. Hierfür beabsichtigt sie den Erwerb der SeaFrance-Flotte für einen symbolischen Euro, möchte jedoch die Negativpositionen des Unternehmens nicht übernehmen. Die CFDT beabsichtigt, einen Pfandkredit in Höhe von mindestens 50 Mio. EUR bei den Banken aufzunehmen und einen zusätzlichen Kredit in Höhe von 80 Mio. EUR bei den Gebietskörperschaften zu beantragen, um gegen einen eventuelle neue Krise gewappnet zu sein.

(14)

Weiterhin meldet die Presse, dass auch Being Bang ein Übernahmeangebot für SeaFrance vorgelegt habe, dessen Einzelheiten der Kommission jedoch nicht bekannt sind. Being Bang hat der Kommission ein Übernahmeangebot für SeaFrance zur Kenntnisnahme übermittelt. Dieses Dokument ging der Kommission außerhalb der Frist zu, innerhalb derer die Interessenten ihre Anmerkungen einreichen konnten, das heißt innerhalb von 15 Tagen ab der Bekanntgabe des Eröffnungsbeschlusses. Im Einklang mit der Rechtsprechung hat die Kommission daher das Dokument den französischen Behörden nicht zugeleitet und es auch für diesen Beschluss nicht berücksichtigt (7).

(15)

Frankreich hat der Kommission keines der in den Erwägungsgründen (11) bis (14) genannten Angebote übermittelt. Sie werden daher für den vorliegenden Beschluss nicht berücksichtigt.

1.3.   Gegenstand dieses Beschlusses

(16)

Der Beschluss betrifft ausschließlich die Kapitalaufstockung, die Frankreich in Bezug auf SeaFrance angemeldet hat, das heißt zwei Darlehen in Höhe von 99,8 Mio. EUR bzw. [40-70] Mio. EUR zugunsten von SeaFrance sowie eine Rettungsbeihilfe, die die Kommission am 18. August 2010 genehmigt hat.

(17)

Dieser Beschluss betrifft nicht die von der SNCF zugunsten von SeaFrance ergriffenen Maßnahmen, das heißt weder die Verlängerung der Liquiditätsvereinbarung (SA.31331-2011/NN) noch die dem Unternehmen SeaFrance zur Ausübung der Option auf das SeaFrance-Schiff Berlioz (SA.31252-2010/NN) gewährte Finanzierung. Wegen dieser beiden Maßnahmen hatte die Kommission auch am 22. Juni 2011 das Verfahren gemäß Artikel 108 Absatz 2 AEUV eingeleitet.

(18)

In Anbetracht der Dringlichkeit, die sich aus dem gerichtlichen Vergleichsverfahren ergibt, im Rahmen dessen das Pariser Handelsgericht am 25. Oktober 2011 seine Entscheidung treffen muss, betrifft dieser Beschluss nur die Umstrukturierungsbeihilfe, die entsprechend dem geänderten Umstrukturierungsplan eine Kapitalaufstockung und zwei Darlehen sowie die für eine beschränkte Laufzeit genehmigte Rettungsbeihilfe beinhaltet. Daher bleibt das Prüfverfahren in Bezug auf die Liquiditätsvereinbarung (SA.31331-2011/NN) und der Berlioz-Finanzierung (SA.31252-2010/NN) eröffnet.

II.   BESCHREIBUNG DES BEGÜNSTIGTEN

(19)

SeaFrance ist eine Aktiengesellschaft französischen Rechts, die zu 100 % der SNCF Participations S.A. gehört, welche ihrerseits eine Aktiengesellschaft französischen Rechts ist und die Anteile der SNCF-Gruppe verwaltet, welche wiederum zu 100 % der staatlichen Industrie- und Handelsunternehmens „Société nationale des chemins de fer français“, der französischen staatlichen Eisenbahngesellschaft, (nachstehend „SNCF“) gehört.

(20)

SeaFrance stellt Seeverkehrsdienste (Fracht und Passagiere) bereit. Das Unternehmen betreibt nur die Fährverbindung Calais-Dover. Seine Marktanteile auf dieser Verbindung sind wie folgt verteilt:

 

2007

2010

Passagiere (8)

3 720

2 920

Fracht (9)

770 550

550 884

(21)

Zum Zeitpunkt der Anmeldung des ersten Umstrukturierungsplans im Februar 2011 gehörten zur SeaFrance-Flotte folgende Schiffe:

drei Schiffe vom sogenannten Kombityp (oder „RoPax“-Fähren, abgeleitet vom Englischen „roll-on-roll-off-passenger-ship“) für den Passagier- und Frachttransport: die Rodin, die Molière und die Berlioz;

ein ausschließlich für den Frachttransport eingesetztes Schiff: die Nord Pas-de-Calais; und

zwei nicht betriebene Fährschiffe, die zum Verkauf bestimmt sind, die Cézanne und die Renoir (diese beiden Schiffe wurden im Juli 2011 verkauft).

(22)

Im Dezember 2009 umfasste die ständige Belegschaft von SeaFrance 1 550 Beschäftigte.

(23)

SeaFrance führt Frachttransport (Lkw-Transport) und Passagiertransport (Fußgängerpassagiere bis Ende 2008, Autos, Wohnwagen, Motorräder und Reisebusse) durch und bietet auch andere Dienste wie Bordverkäufe (10) und Wechseldienste.

III.   BESCHREIBUNG DER BEIHILFEMASSNAHMEN

(24)

Gemäß dem ursprünglich angemeldeten Umstrukturierungsplan vom Februar 2011 (nachstehend „der erste Umstrukturierungsplan“) sollte die Umstrukturierungsbeihilfe für das Unternehmen SeaFrance in Form einer Kapitalaufstockung um 223 Mio. EUR erfolgen, die von seinem einzigen Aktionär, der SNCF Participations SA, gezeichnet werden sollte.

(25)

Der erste Umstrukturierungsplan umfasste im Wesentlichen folgende Elemente:

Verringerung der Kapazitäten von 6 auf 4 Schiffe;

Umstellung des Leistungsangebots, wodurch die Zahl der jährlichen Überfahrten um 29,4 % im Vergleich zum ursprünglichen Angebot verringert werden sollte;

Abbau von 725 Vollzeitäquivalenten, d. h. von fast der Hälfte der im Dezember 2009 vorhandenen Arbeitsplätze, um im Jahr 2013 wieder ein Personallasten/Umsatz-Verhältnis von 26 % zu erreichen.

(26)

Der Plan sah außerdem verstärkte Bemühungen um Produktivitätssteigerung bei den Bordverkäufen in Abhängigkeit von der Anzahl der Passagiere vor, weiterhin eine Anpassung des Gastronomieangebots, eine Änderung des Kreuzfahrtangebots „Croisière Bleu marine“, eine Anpassung des Parkplatzmanagements, die Einstellung des Fußgängerpassagiertransports (wirksam seit Ende 2008) und die Abschaffung der Mono-Destination-Tours. Darüber hinaus sollte die Umstrukturierung durch Verringerung der externen Lasten ergänzt werden: Schaffung einer Einkaufsdirektion zur Rationalisierung der Beschaffungsverfahren und Verbesserung der internen Kontrolle (Start eines computergestützten Wartungsprogrammprojekts, zentrale Kontrolle der Boden- und Bordlager, systematische Eröffnung des Wettbewerbs zwischen den europäischen Reedereien zur Vergabe der Aufträge für die technische Stilllegung der Schiffe, Verringerung der Werbeausgaben).

(27)

Gemäß dem am 12. September 2011 übermittelten Umstrukturierungsplan sollte die von der SNCF gezeichnete Kapitalaufstockung nur mehr 166,3 Mio. EUR betragen.

(28)

Diese Kapitalaufstockung sollte durch zwei Darlehen über 99,8 Mio. EUR bzw. [40-70] Mio. EUR ergänzt werden, wobei das erste der Finanzierung der eigentlichen Umstrukturierung von SeaFrance dienen sollte und das zweite eine bestehende Anleihe für das Fährschiff Molière ablösen sollte, um die Ausübung der Kaufoption für dieses Schiff vorzeitig (zu Beginn des Jahres […] anstatt zum Ende des Jahres […] zu ermöglichen). Durch die vorzeitige Ausübung der Option sollte SeaFrance bereits zum Ende des Jahres […] das vollständige Eigentum eines auf […] Mio. EUR geschätzten Schiffes erwerben können.

(29)

Beide Darlehen sollten zu einem Zinssatz von 6,05 % auf 12 Jahre bei gleichbleibenden Kapitalrückzahlungsraten gewährt werden.

(30)

Die französischen Behörden begründeten den Zinssatz von 6,05 %:

1.

mit der Anwendung der Mitteilung der Kommission über die Änderung der Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze (11) (nachstehend „die Mitteilung über die Referenzsätze“) unter Berücksichtigung einer hohen Besicherung für eine Ratingstufe CCC, also eine Marge von 400 Basispunkten; und

2.

auf Wunsch der SNCF mit der Anwendung durch die SNCF einer als „klassisch“ (12) bezeichneten Methode — und somit eines Zinssatzes von [6,00-6,15] % und [6,00-6,15] % (13) —, die gestützt wurde auf:

den Basiszinssatz EURIBOR 12 Monate (der zum 1. August 2011 bei 2,18 % lag);

eine Ratingnote von BB-, die die SNCF der SeaFrance erteilte, wobei sie sich auf die Finanzprognosen für den Zeitraum 2011-2019 unter Zugrundelegung von sechs Verhältniswerten stützte, nämlich „leverage (14), „gearing (15), „equity ratio (16), „interest coverage (17), „liquidity (18) und „profitability (19), die zwischen [0-5/20] und [15-20/20] lagen; und

eine Margenberechnung (im vorliegenden Fall [0-5] %) aus der Kombination der Ratingnote BB- und einer Ausfallquote (oder „Loss Given Default“) zwischen [30-40] % und [40-50] %.

(31)

Außer den bereits im ersten Umstrukturierungsplan angekündigten Maßnahmen und den beiden vorgenannten Darlehen wurden im Umstrukturierungsplan vom 12. September 2011 weitere Maßnahmen vorgeschlagen, nämlich:

Verkauf eines zusätzlichen Schiffes, des Frachtschiffes Nord Pas-de-Calais, zu den beiden gemäß dem ersten Umstrukturierungsplan im Juli 2011 verkauften Schiffen Cézanne und Renoir;

Abbau der Belegschaft um insgesamt 922 Beschäftigte (anstatt 1 550 Beschäftigte im Dezember 2009, also einer Verringerung um – 60 %) um das Verhältnis von Mitarbeiterzahl/Umsatz auf [20-25] % im Jahr 2013 und auf [20-25] % im Jahr 2019 zu senken;

Verringerung der Anzahl der Überfahrten pro Jahr um 5 830 Überfahrten (das heißt ein zusätzlicher Abbau von 2 352 Überfahrten gegenüber dem ersten Umstrukturierungsplan), was einer Verringerung um 37,6 % gegenüber dem Angebot an Überfahrten im Jahr 2007 entspricht;

Einsparungen von [1-5] Mio. EUR (Schließung der beiden SeaFrance-Agenturen in Calais und Paris, Schließung der Call-Center in Belgien und Deutschland, Senkung der Marketingausgaben; Verlegung aller Dienste zum Ende des Jahres nach Calais, Abschaffung der Qualitätszertifizierung des Frachtschiffes Nord Pas-de-Calais und Einrichtung einer automatisierten Einschiffungskontrolle).

(32)

Der im geänderten Umstrukturierungsplan festgelegte Umstrukturierungszeitraum erstreckt sich über fünf Jahre, von 2011 bis 2015, während er im ersten Umstrukturierungsplan bis 2019 reichte.

(33)

Entsprechend dem geänderten Umstrukturierungsplan gelten für die beiden von der SNCF gewährten Darlehen nun folgende Bedingungen:

Die Darlehen werden zu einem Festzins von 8,55 % gewährt (20); Frankreich begründet diesen Zinssatz unter Bezugnahme auf die Mitteilung über die Referenzsätze unter Berücksichtung einer für eine Ratingnote CCC normalen Besicherung. Demzufolge wird die Marge auf 650 Basispunkte festgesetzt;

die Laufzeit der Darlehen beträgt zwölf Jahre; das Darlehen über 99,7 Mio. EUR kann in vier Tranchen abgerufen werden (21), und der Darlehensbetrag von [40-70] Mio. EUR wird in einer Tranche ausgezahlt; und

jede Tranche muss in gleichbleibenden Jahresraten bis zur vollständigen Tilgung im Jahr 2023 zurückgezahlt werden.

Die anderen im Umstrukturierungsplan vom 12. September 2011 (siehe Erwägungsgrund (31)) vorgeschlagenen Maßnahmen wurden in den geänderten Umstrukturierungsplan übernommen.

(34)

Der voraussichtliche Finanzierungsbedarf für die Umsetzung des geänderten Umstrukturierungsplans ist folgender:

Rückzahlung der von der SNCF dem Unternehmen SeaFrance gewährten Kreditlinie von ([40-70] Mio. EUR);

Rückzahlung der zwischen der SNCF und Seafrance geschlossenen Liquiditätsvereinbarung ([40-70] Mio. EUR);

künftige Betriebsströme bis zum Jahr 2017, außerhalb des Arbeitsplatzerhaltungsplans, vorhandene Investitionen und Anleihen ([…] Mio. EUR);

Deckung der Kosten des Arbeitsplatzerhaltungsplans ([…] Mio. EUR);

mit den Anleihen verbundene Zahlungen, wie die Darlehen für Rodin, Berlioz und Molière ([…] Mio. EUR);

mit den Investitionen verbundene Zahlungen, das heißt hauptsächlich für die sog. „scrubbers“ ([…] Mio. EUR);

während des Jahres anfallender Bedarf an Umlaufvermögen oder Bedarf in Verbindung mit Betriebszufällen ([…] Mio. EUR).

(35)

Der voraussichtliche Finanzierungsbedarf für die Umsetzung des geänderten Umstrukturierungsplans beläuft sich auf insgesamt […] Mio. EUR (außer Verkaufserlöse):

(im Mio. EUR)

 

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

insgesamt

Rückzahlung kurzfristiger Kredite

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

künftige Betriebsströme (ab Dezember 2011)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

verbleibender Arbeitsplatzerhaltungsplan

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

Zahlungen im Zusammenhang mit den Anleihen

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

Zahlungen im Zusammenhang mit den Investitionen

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

jährlicher Bedarf an Umlaufvermögen

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

Finanzierungsbedarf gesamt

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

(…)

IV.   GRÜNDE FÜR DIE ERÖFFNUNG DES FÖRMLICHEN PRÜFVERFAHRENS

(36)

Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die angemeldete Maßnahme eine Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt und eröffnete eine eingehende Untersuchung, da sie Zweifel in Bezug auf die Aussichten auf eine langfristige Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens im Rahmen des Umstrukturierungsplans und die Höhe des Eigenbeitrags hatte. Weiterhin prüfte die Kommission die Frage, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen als hinreichend gelten können, um die durch die Beihilfe bewirkten Wettbewerbsverzerrungen zu begrenzen.

V.   ANMERKUNGEN DER BETEILIGTEN

5.1.   Anmerkungen der Beteiligten, die sich gegen die Umstrukturierungsbeihilfe aussprachen

5.1.1.   Beschwerde und Anmerkungen von P&O

(37)

Am 29. Juli 2011 übersandte P&O in Ergänzung zu seiner Beschwerde Anmerkungen zum Eröffnungsbeschluss.

(38)

Die von P&O im Kontext seiner Beschwerde vorgebrachten Argumente und Anmerkungen, lauten wie folgt:

5.1.1.1   Zu den Schwierigkeiten von SeaFrance

(39)

P&O führt aus, dass der Anteil von SeaFrance an dem betreffenden Markt (22) von 21 % im Jahr 2006 auf 17 % im Jahr 2010 gesunken sei und sich die Auslastungsquote des Unternehmens von 63 % im Jahr 2008 auf 56 % bzw. 58 % im Jahr 2009 bzw. 2010 verringert hätte, und somit keine Rentabilität gegeben sei.

(40)

P&O macht geltend, dass SeaFrance schon seit vielen Jahren weitaus höhere Verluste als Gewinne verzeichne (120 Mio. EUR Nettoverluste über den Zeitraum), was bedeute, dass SeaFrance seinen Aktionären/Investoren erst sehr langfristig wieder eine Rendite in Aussicht stellen könnte.

Jahr

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

Gewinne/Verluste von SeaFrance (23)

–16,8

–1,7

–2,8

2,6

–3,5

3,4

14,8

–2,4

–3,0

–19,0

7,9

7,27

–13,6

–57,7

–36,0

Quelle: Anmerkungen von P&O

(41)

Da die Mehrzahl der SeaFrance-Autofähren RoPax-Fähren (das heißt kombinierte Fähren für den gleichzeitigen Passagier- und Frachttransport) sind und der Passagierverkehr stark saisonabhängig ist, müsse SeaFrance eine Verunsicherung der Frachtkundschaft unbedingt ausschließen und dieser einen zuverlässigen und dauerhaften Dienst während des gesamten Jahres zusichern.

(42)

Nach Angaben von P&O habe SeaFrance jedoch im Bereich Frachttransporte erheblich an Geschäftswert, Ansehen und Marktanteil eingebüßt, was insbesondere auf die häufigen Betriebsunterbrechungen (Streiks usw.), die Wahrnehmung der SeaFrance-internen Schwierigkeiten durch die Markteilnehmer und die Außerbetriebsetzung der Frachtfähre Nord Pas-de-Calais zurückzuführen sei (P&O betont zudem die hohen Kosten, die die Beibehaltung eines abgetakelten Schiffes verursache, und gibt außerdem an, dass die Außerbetriebsetzung der Fähren Cézanne und Renoir im Hafen von Dünkirchen Kosten von mindestens 1,09 Mio. EUR, bis zu 2,4 Mio. EUR verursachen würde).

5.1.1.2   Zur Vereinbarkeit der Beihilfe

(43)

Um ihr Argument der langfristigen strukturellen Überkapazitäten des betreffenden Marktes zu stützen, legt P&O zahlengestützte Daten vor. Gemäß Punkt 8 der Mitteilung der Kommission — Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (24) (nachstehend „die Leitlinien“), „wäre es hingegen (nicht gerechtfertigt), ein Unternehmen in einem Sektor mit langfristigen strukturellen Überkapazitäten künstlich am Leben zu erhalten, oder wenn es nur mit Hilfe wiederholter staatlicher Intervention überleben könnte“.

5.1.1.3   Zu den Ursachen der Schwierigkeiten von SeaFrance

(44)

Die Ursachen für die Schwierigkeiten von SeaFrance seien folgende:

Personalüberhang, überhöhte Löhne, eine den Marktanforderungen nicht angepasste Flotte;

die Geschäftsleitung sei nicht hinreichend unabhängig vom Staat und von der sozialen Macht, um das Unternehmen marktkonform zu leiten;

mangelndes Reaktionsvermögen im Hinblick auf die drei neuen Marktkomponenten: steigender Treibstoffpreis, rezessiver Markt und Konkurrenzdruck von Eurotunnel;

(45)

letztlich — so P&O — spreche die Tatsache für sich, dass SeaFrance, das seit mehr als drei Jahren zum Verkauf stünde, keinen Käufer gefunden habe.

5.1.1.4   Zur Schwierigkeit im Hinblick auf die langfristige Wiederherstellung der Rentabilität

(46)

Zur Erläuterung der Schwierigkeit, die Rentabilität von SeaFrance langfristig wiederherzustellen, wiederholt P&O im Wesentlichen die Argumente, die bereits in Bezug auf die Marktanteile von SeaFrance vorgebracht wurden, also die Auslastungsquoten des Unternehmens und sein Merkmal, das es als Unternehmen in Schwierigkeit auszeichnet.

5.1.1.5   Zur Nichteignung der unternehmensinternen Umstrukturierungsmaßnahmen

(47)

Die einzige von SeaFrance vorgeschlagene substanzielle Maßnahme im Rahmen des ersten Umstrukturierungsplans sei der Personalabbau; allerdings würden die Löhne auf einem zu hohen Niveau beibehalten (Verhältnis Lohnkosten zu Umsatz gleich 26 % gegenüber 15 % bei P&O). Selbst im Falle eines zusätzlichen Personalabbaus von 200 Beschäftigten läge das Verhältnis immer noch bei 22 %).

(48)

Die Außerbetriebsetzung der Fährschiffe Manet, Cézanne und Renoir hätte in keiner Weise das Ergebnis (Verluste) der Jahre 2008, 2009 und 2010 verbessert, und die geplante Außerbetriebsetzung des Frachtschiffs Nord Pas-de-Calais würde die Situation von SeaFrance nicht wesentlich verbessern, insbesondere angesichts der Kosten für den Unterhalt eines stillgelegten Schiffs (1,8 Mio. EUR pro Jahr).

(49)

Die vorgebliche Reduzierung der Überfahrten durch SeaFrance sei trügerisch, denn sie mache nur 10 % aus und ergebe sich aus der Veränderung der Flotte (Ersatz der Fähren Cézanne und Renoir durch die — größere — Fähre Molière). Mit der Außerbetriebsetzung des Frachtschiffs Nord Pas-de-Calais würde die Kapazität lediglich um zusätzlich 7 % verringert.

(50)

Die Vorschläge zur Verbesserung des Bordverkaufs, des Gastronomiebetriebs, der Vergabe von Zulieferverträgen und der Kontrolle der Werbungsaufwendungen seien lediglich normale Geschäftspraxis wie sie auch von allen Wettbewerbern von SeaFrance gepflegt werde.

(51)

Keine der vorgeschlagenen Maßnahmen gebe eine Antwort auf die drei neuen Marktparameter (Rezession, Treibstoffpreis, Konkurrenz von Eurotunnel) und auf die Wechselkursschwankungen.

5.1.1.6   Zu den Marktprognosen, auf die sich SeaFrance stützt

(52)

P&O hebt hervor, dass SeaFrance im Zuge seines Umstrukturierungsplans eine außergewöhnlich hohe Zunahme seiner Auslastungskapazität (von 58 % auf 80 %) prognostiziere, die auf einen raschen Anstieg der Nachfrage und/oder eine beträchtliche Vergrößerung seines Marktanteils gründe.

(53)

Die Prognosen von SeaFrance deckten sich aber in keiner Weise weder mit denen von P&O noch mit der Entwicklung des Marktanteils von SeaFrance, der von 21 % im Jahr 2006 auf 17 % im Jahr 2010 schrumpfte. Die Qualität des Angebots für die Frachtkundschaft dürfte durch die Außerbetriebsetzung des Frachtschiffes Nord Pas-de-Calais Schaden nehmen, und ein Teil der Kundschaft könnte in Zeiten starker Nachfrage auf Eurotunnel ausweichen, wenn SeaFrance nicht genügend Kapazitäten bereitstellen könnte.

(54)

Die Tatsache, dass die Beihilfemaßnahmen erst ab dem Jahr 2016 Wirkung zeigen werden, jedoch erst ab dem Jahr 2019 die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität der Gesellschaft gewährleisten können, entspreche nicht dem Punkt 35 der Leitlinien, wonach die Laufzeit des Umstrukturierungsplans „so kurz wie möglich zu bemessen“ ist und „die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des Unternehmens (…) innerhalb einer angemessenen Frist erlauben“ muss. Die Stilllegung der Frachtfähre Nord Pas-de-Calais und die Streichungen zusätzlicher Arbeitsstellen würden die Situation von SeaFrance nicht wesentlich verbessern: das Unternehmen würde 6 Mio. EUR Lohnkosten und 7 Mio. EUR Kosten im Zusammenhang mit den Schiffen (demnach insgesamt 13 Mio. EUR) einsparen. Den Einschätzungen von P&O nach würde SeaFrance dennoch 50 000 Frachteinheiten, d. h. 5-6 Mio. EUR Frachteinkünfte, verlieren und die Außerbetriebsetzung des Frachtschiffes Nord Pas-de-Calais würde jährliche Kosten von 1,8 Mio. EUR verursachen, wenn sich kein Käufer fände.

5.1.1.7   Zu den Ausgleichsmaßnahmen

(55)

Die Ausgleichsmaßnahmen sind den Maßnahmen zur Wiederherstellung der Rentabilität hinzuzufügen und folglich davon zu unterscheiden. Sämtliche angeblichen Ausgleichsmaßnahmen sind aber entsprechend der Erklärung der französischen Behörden und dem Eröffnungsbeschluss Voraussetzung für die Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens. Demzufolge sei — so P&O — keine Ausgleichsmaßnahme vorhanden.

5.1.1.8   Zum Eigenbeitrag

(56)

P&O erklärt, dass die Außerbetriebsetzungen der Schiffe Manet im Jahr 2008 sowie Cézanne und Renoir nicht als Eigenbeitrag gerechnet werden könnten, da diese Außerbetriebsetzungen bereits weit vor der Anmeldung der Umstrukturierung vorgenommen wurden und der Wert der Schiffe im Vergleich zum Gesamtbetrag der staatlichen Beihilfen, nämlich — laut P&O — 400 Mio. EUR, gering sei. Die französischen Behörden hätten auch nicht vorgeschlagen, den Verkauf des Frachtschiffes Nord Pas-de-Calais als Eigenbeitrag zu berücksichtigen, und sein Wert, schätzungsweise 12 Mio. EUR, sei gegenüber dem Gesamtbetrag der staatlichen Beihilfen vernachlässigbar.

(57)

Als Eigenbeitrag könnten — so P&O — Verkauf und Rückleasing („sale and lease-back“) der SeaFrance-Schiffe gelten.

5.1.1.9   Zu den Bedingungen für die Gewährung der Beihilfe

(58)

P&O schlägt vor, die Umstrukturierung von SeaFrance, abgesehen von Änderungen zum Ausgleich der erwähnten Unzulänglichkeiten und Probleme, von folgenden Bedingungen abhängig zu machen:

Verkauf und Rückleasing der kombinierten Frachtschiffe, die ganz im Eigentum von SeaFrance stehen;

Transparenz der Kosten im Zusammenhang mit den Hauptvermögenswerten von SeaFrance (insbesondere Leasing der Schiffe);

während des Umstrukturierungszeitraums:

Verpflichtung, keinen Verlustverkauf zu tätigen;

Verzicht auf Ausweitung der Flotte (über die vorhandenen drei kombinierten Schiffe hinaus);

Zusicherung, die Kapazitäten und die Häufigkeit der Überfahrten der kombinierten Fähren zu begrenzen;

Zusicherung Frankreichs/der SNCF, keine weitere Beihilfe zu gewähren;

Zusicherung Frankreichs/der SNCF, einen Bericht auszuarbeiten, der nachprüfbar belegt, dass SeaFrance den Umstrukturierungsplan einhält.

(59)

Abschließend ersuchte P&O die Kommission, die Umstrukturierungsbeihilfe nicht zu gewähren.

5.1.2.   Anmerkungen von Eurotunnel

(60)

Am 29. Juli 2011 übermittelte die Gruppe Eurotunnel S.A. (nachfolgend „Eurotunnel“) der Kommission ihre Stellungnahme zum Eröffnungsbeschluss.

(61)

Eurotunnel äußert sich skeptisch hinsichtlich der Realisierbarkeit der von SeaFrance prognostizierten Steigerung der Kapazitätsauslastung. Eurotunnel ist der Ansicht, dass der Verkehrsweg über die Meeresenge seit vielen Jahren an einem Kapazitätsüberhang leide. Die Kapazität des Tunnels unter dem Ärmelkanal werde nur zu 57 % genutzt, und die Fährbetriebe haben in großräumige Frachtschiffe investiert und damit ein bereits überkapazitäres Angebot noch weiter vergrößert. Zudem ist Eurotunnel der Meinung, dass die Verkleinerung der SeaFrance-Flotte von sechs auf vier Schiffe noch immer nicht ausreiche, um Angebot und Nachfrage im Verkehr über den Ärmelkanal wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Darüber hinaus habe SeaFrance von Januar bis Februar 2011 mit nur zwei Schiffen den Fährbetrieb bestritten, ohne dass sich sein Gesamtverkehrsaufkommen verringert habe. Die Auslastungsquote von 80 % für den Zeitraum 2011-2019 sei daher unrealistisch. Nach Einschätzungen von Eurotunnel müsste SeaFrance sein Verkehrsaufkommen um 25 % steigern. Und unter Bezugnahme auf Zitate aus Presseartikeln (25) wirft Eurotunnel demzufolge Seafrance vor, seit geraumer Zeit einen Preiskrieg zu betreiben.

(62)

Schließlich ist Eurotunnel der Auffassung, dass es nicht sacherheblich sei, die Auslastungsquoten der RoPax-Fähren mit den Pendelzügen unter dem Ärmelkanal zu vergleichen, denn letztere werden nicht im kombinierten Verkehr betrieben und können in Echtzeit an das Verkehrsaufkommen angepasst werden.

(63)

In Bezug auf den Treibstoffaufschlag behauptet Eurotunnel, SeaFrance berechne seinen Kunden nur einen Teil dieses Aufschlags, nämlich 8,11 EUR pro Überfahrt gegenüber 11,62 EUR bei P&O und 14,73 EUR bei DFDS. Der entgangene Gewinn belaufe sich für SeaFrance seit Beginn des Jahres 2011 auf 1,2 Mio. EUR.

(64)

Hinsichtlich der Streichung von nahezu 50 % der Arbeitsplätze müsse, so Eurotunnel, die Reduzierung der Belegschaft relativiert werden, denn ein Teil der Beschäftigten könnte in die SNCF-Gruppe übernommen werden, was sich nur geringfügig auf die Nettobilanz für das Einzugsgebiet der Region auswirke.

(65)

Schließlich, so folgert Eurotunnel abschließend, sei der Umstrukturierungsplan nicht nur unzureichend, sondern entspreche nicht umsichtigen Investitionen.

5.1.3.   Anmerkungen von DFDS

(66)

DFDS übersandte der Kommission seine Anmerkungen mit Schreiben vom 29. Juli 2011.

(67)

DFDS bleibt skeptisch hinsichtlich der Frage, ob SeaFrance langfristig seine Rentabilität wieder herstellen könne, da die Umstrukturierungsmaßnahmen angesichts der aktuellen finanziellen Lage des Unternehmens nicht ausreichend seien. DFDS äußert sich besorgt über die Auswirkungen, die diese neuen Beihilfemaßnahmen auf den Wettbewerb in dem betreffenden Markt haben können.

(68)

Mit E-Mail vom 23. September 2011 übersandte DFDS der Kommission Anmerkungen zum Umstrukturierungsplan von SeaFrance.

(69)

Dieses Dokument ging der Kommission außerhalb der Frist zu, während der die Beteiligten Stellung nehmen konnten, das heißt innerhalb von 15 Tagen ab der Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses. Außerdem wurde kein neuer sachlicher Gesichtspunkt vorgetragen. Entsprechend der Rechtsprechung hat die Kommission daher das Dokument nicht an die französischen Behörden weitergeleitet und wird es auch nicht im Hinblick auf diesen Beschluss berücksichtigen. (26)

5.1.4.   Anmerkungen von CLdN

(70)

Am 29. Juli 2011 übermittelte die Gruppe CLdN (nachfolgend „CLdN“) der Kommission ihre Anmerkungen.

(71)

CLdN ist eine in Luxemburg ansässige Transportgesellschaft, die vor allem Frachttransport im RoRo- („Roll-on/Roll-off“) oder RoPax-Verfahren im Ärmelkanal und in der Nordsee zwischen Belgien und den Niederlanden einerseits und dem Vereinigten Königreich, Irland, Schweden und Dänemark andererseits betreibt.

(72)

CLdN betrachtet sich als Wettbewerber von SeaFrance und würde wegen der geografischen Nähe der von CLdN bedienten Linien, Ipswich — Rotterdam und Purfleet — Zeebrugge, durch die Auswirkungen der von der SNCF zugunsten ihrer Tochter SeaFrance umgesetzten Maßnahmen beeinträchtigt werden.

(73)

CLdN ist nämlich der Auffassung, dass die Umsetzung der Maßnahmen sich höchstwahrscheinlich wettbewerbsschädigend auf den Frachtverkehr, nicht nur auf der Linie Calais-Dover, sondern auch auf die benachbarten Linien zwischen dem Vereinigten Königreich und Belgien auswirken werde. Seiner Meinung nach werden die negativen Auswirkungen dieser Maßnahmen nicht ausreichend durch im Umstrukturierungsplan vorgeschlagenen die Ausgleichsmaßnahmen und den Eigenbeitrag aufgefangen. Diese Maßnahmen führten im Gegenteil lediglich dazu, ein sich in Schwierigkeiten befindliches Unternehmen auf dem Markt zu halten, das seine Grundkosten nicht senken könne und dem es so ermöglicht würde, seine Kapazitäten auf einem an Kapazitätsüberhang leidenden Markt weiter zu erhöhen.

(74)

Nach Ansicht von CLdN werden die in Frage stehenden Maßnahmen die Rentabilität der Wettbewerber auf dem Markt beschneiden, indem sie Transportkapazitäten auf dem Markt halten, die normalerweise hätten abgebaut werden müssen. Die Annahme, SeaFrance könne eine Auslastungsquote von 80 % erreichen, sei nicht realistisch, es sei denn die Beihilfen würden genutzt, um die Preise drastisch zu senken und den Wettbewerbern Marktanteile zu entreißen. Diese Strategie wäre aber mittel- oder langfristig für SeaFrance nicht haltbar und würde seinen direkten Wettbewerbern, das heißt P&O und Eurotunnel, die dieselbe Linie Calais-Dover bedienten, schaden, und in absehbarer Zeit aber auch CLdN beeinträchtigen.

(75)

Schließlich hebt CLdN die nicht ausreichende Zahl der im Umstrukturierungsplans vorgesehenen Stellenstreichungen hervor (die es SeaFrance bei weitem nicht ermöglichen würde, sich dem Verhältnis Personallasten/Umsatz ihrer Wettbewerber anzunähern) und die Tatsache, dass die Entlassungskosten gegenüber einer klassischen Umstrukturierung geringer sein werden, denn viele SeaFrance-Beschäftigte werden von der SNCF übernommen.

(76)

CLdN befürwortet daher einen ablehnenden Beschluss durch die Europäische Kommission.

5.2.   Anmerkungen der Beteiligten zugunsten der Umstrukturierungshilfe

5.2.1.   Anmerkungen der SNCF

(77)

Am 29. Juli 2011 übermittelte die SNCF der Kommission ihre Anmerkungen, die den Anmerkungen der französischen Behörden entsprechen (siehe Abschnitt VI).

5.2.2.   Anmerkungen eines Wirtschaftsteilnehmers, der anonym bleiben wollte

(78)

Am 30. Juli 2011 übermittelte ein Wirtschaftsteilnehmer, der anonym bleiben wollte, der Kommission seine Anmerkungen.

(79)

Zunächst weist er auf die Hauptmerkmale des Marktes in der Ärmelkanalschifffahrt hin und kommt dann zu dem Schluss, dass der verschärfte Wettbewerb zwischen den Reedern und Eurotunnel, die inflationäre Entwicklung des Treibstoffpreises und die Volatilität der Kurse des britischen Pfunds Schuld an den Problemen von SeaFrance sind, aber langfristig auch die Rentabilität von P&O und DFDS gefährden werden.

(80)

Der betreffende Wirtschaftsteilnehmer ist der Ansicht, dass die Probleme von SeaFrance vor allem struktureller Art sind (zu hoher Auslastungskoeffizient und zu starre Organisation), dass aber eine mit der Umstrukturierung von SeaFrance kombinierte Kapitalaufstockung und eine Flotte mit vier Schiffen die langfristige Rentabilität der Gesellschaft gewährleisten können.

(81)

Seiner Meinung nach würde das Verschwinden von SeaFrance de facto zu einer Bipolarität Eurotunnel-P&O führen. Viele Unternehmen des straßengebundenen Gütertransports arbeiten aber mit mindestens zwei Reedereien, um ein flexibles Zeitmanagement und die Rentabilität ihrer Lastkraftwagen zu gewährleisten.

(82)

Nach Auffassung des betreffenden Wirtschaftsbeteiligten wäre im Falle des Verschwindens von SeaFrance die Kapazität der beiden anderen Reedereien nicht ausreichend, um das Verkehrsaufkommen über die Meeresenge zu bewältigen. Nach Ansicht des Wirtschaftsbeteiligten, der anonym bleiben möchte, habe Eurotunnel nahezu seine maximale Kapazität erreicht und könnte nur einen geringen Teil des Seafrance Verkehrsaufkommens übernehmen. Der heute zu beobachtende Kapazitätsüberhang auf der Meeresenge sei „ausgesprochen relativ und dürfte kein ernsthaftes Problem darstellen“ denn sobald ein Problem bei einem Reeder oder in den Häfen auftritt, wirkt sich dies in einer Überlastung der Häfen von Calais, Dover und Dünkirchen aus.

(83)

Zudem würde ein einziges von P&O im Verkehr über den Ärmelkanal betriebenes Frachtschiff nicht die notwendige Transportkapazität gewährleisten und eine Marktverzerrung zugunsten von P&O bewirken, das damit das Monopol für den Transport von Gefahrgut hielte.

(84)

Nach Auffassung des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers trage P&O die Schuld am Preisverfall und sei von der Rentabilität von SeaFrance überzeugt, das sich durch die Qualität des Unternehmensmanagements (Qualität der Kooperation mit seinen Vertretern), seine moderne Flotte, die eine Betriebsfähigkeit von mindestens 10 Jahren gewährleiste, und seine hoch motivierte Belegschaft auszeichne.

5.2.3.   Anmerkungen der Straßengüterverkehrsunternehmen

(85)

Mit Schreiben vom 26., 27. und 28. Juli 2011 übermittelten fünf Straßengüterverkehrsunternehmen und Vertreterverbände (LKW Walter Internationale Transportorganisation AG, Youngs Transportation & Logistics Ltd, Laser Transport International Limited, Carna Transport Ltd und Road Haulage Association International Group) der Kommission ihre Anmerkungen.

(86)

Die fünf Gesellschaften und Verbände äußern sich besorgt angesichts eines eventuellen Verschwindens von SeaFrance. Sie befürchten, dass das Verschwinden von SeaFrance einerseits zur Entstehung einer Oligopolsituation auf dem Markt des Transportverkehrs über den Ärmelkanal führen werde, was einen Qualitätsverfall bei den Dienstleistungen und einen Preisanstieg zur Folge hätte, und andererseits ein Risiko für die am Markt verbleibenden Verkehrsunternehmen bedeuten würde, die mit ihren Kapazitäten das Frachtverkehrsaufkommen bewältigen müssten, insbesondere dann, wenn eines zeitweilig nicht zur Verfügung stehe.

(87)

Sollte sich SeaFrance von seinem Frachtschiff Nord Pas-de-Calais trennen müssen, befürchten sie außerdem, dass dies de facto zu einer Monopolstellung von P&O im Bereich des Gefahrguttransports führen könnte, der nicht durch den Tunnel oder mit einer kombinierten Fähre erfolgen kann.

5.2.4.   Anmerkungen von Reiseveranstaltern und -agenturen

(88)

Viele Reiseagenturen und -veranstalter äußerten sich besorgt im Hinblick auf ein mögliches Verschwinden von SeaFrance (siehe Auflistung in der Tabelle in diesem Erwägungsgrund):

Datum der Stellungnahmen

Name der Beteiligten

26.07.2011

4 Einzelstellungnahmen: 1) R&T Tours; 2) Sports Tours Ltd; 3) TM Ski&Travel Ltd; 4) International Sport & Leisure

27.07.2011

5 Einzelstellungnahmen: 1) Broadway Tours; 2) Gemini Travel; 3)DE Vere Travel Group; 4) Adaptable Travel; 5) Gower Tours Ltd

28.07.2011

2 Einzelstellungnahmen: Angling Lines Ltd; Acorn Ventures Ltd

29.07.2011

Bartletts Battlefield Journeys Ltd

(89)

Sie befürchten, dass ein Verschwinden von SeaFrance einerseits zur Entstehung einer Oligopolsituation auf dem Markt des Transportverkehrs durch den Ärmelkanal führen würde, was einen Qualitätsverfall bei den Dienstleistungen und einen Preisanstieg zur Folge hätte, und andererseits ein Risiko für die am Markt verbleibenden Verkehrsunternehmen bedeuten würde, die mit ihren Kapazitäten das Passagierverkehrsaufkommen bewältigen müssten, insbesondere dann, wenn eines zeitweilig nicht zur Verfügung stehe.

5.2.5.   Anmerkungen der Industrie- und Handelskammer Côte d’Opale

(90)

Mit Schreiben vom 29. Juli 2011 übermittelte die Industrie- und Handelskammer Côte d’Opale (nachstehend „IHK“) der Kommission ihre Anmerkungen. Die IHK weist darauf hin, dass sie eine staatliche Einrichtung ist, zu deren Aufgaben die wirtschaftliche Entwicklung, die Förderung der Attraktivität und die Unterstützung der Unternehmen in der Region Nord Pas-de-Calais gehören. Die IHK ist außerdem Konzessionär des Hafens von Calais und insoweit auch Hafenbetreiber.

(91)

Zunächst erinnert die IHK an die zentrale Rolle, die SeaFrance in der Entwicklung des Hafens von Calais zukomme. Ende 2008 beschäftigte SeaFrance 1 600 Personen, deren überwiegende Mehrheit in der Region Nord-Pas-de-Calais ansässig war. Das Unternehmen trage außerdem zu den Einnahmen des Hafens von Calais für die schiffs- und warenbezogenen Dienstleistungen bei. SeaFrance war im Jahr 2008 auch der wichtigste Annehmer vom nicht Hafen basierten Produkten/Dienstleistungen, die jährlich 130 Mio. EUR an Lieferungen, Dienstleistungen, Verbrauchsgüter, Reparatur- und Wartungsleistungen ausmachten, wovon ca. 36 % auf die Region Nord-Pas-de-Calais fallen. Die IHK fügt hinzu, dass der Hafen von Calais eine herausragende Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung von Pas-de-Calais spiele.

(92)

Die IHK ist der Auffassung, dass das Verschwinden von SeaFrance die Entwicklung des Hafens von Calais erheblich beeinträchtigen werde, wenn Arbeitsplätze sowie direkte und indirekte von dem Unternehmen generierte Einkünfte wegfielen. Die Region Nord Pas-de-Calais habe auch die Umsetzung des Projekts „Port 2015“ bestätigt, im Rahmen dessen der Hafen erweitert, ein neues Becken gebaut und die vorhandenen Strukturen verbessert werden sollen. Dieses Projekt gründet auf Geschäftsprognosen, die ernsthaft gefährdet sind, sollte SeaFrance vom Markt verschwinden.

(93)

Darüber hinaus befürchtet die IHK die Entstehung einer von Eurotunnel-P&O besetzten bipolaren Stellung, die sich nachteilig auf die Preise und Dienstleistungen auswirken würde, wenn SeaFrance vom Markt verschwinden sollte.

(94)

Die IHK kommt zu dem Schluss, dass die Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit von SeaFrance im gegenwärtigen Wettbewerbskontext erforderlich ist, umso mehr als die Verkehrsprognosen von einer positiven Entwicklung insbesondere für den Frachttransport ausgehen.

5.2.6.   Anmerkungen der Gewerkschaft CFDT

(95)

Mit Schreiben vom 29. Juli 2011 übermittelte die Gewerkschaft Maritime Nord (nachfolgend „die SMN“), die zur DFDT gehört, der Kommission ihre Anmerkungen.

(96)

Die SMN betont zunächst, dass SeaFrance seit seiner Gründung im Jahr 1996 niemals von seinem alleinigen Aktionär, der SNCF, eine Kapitalaufstockung erhalten habe. SeaFrance musste demnach die Erneuerung seiner Flotte aus Eigenmitteln bestreiten, was die Liquiditätsmittel des Unternehmens beträchtlich geschmälert habe.

(97)

Die SMN weist auch auf die gegebenen Unterschiede zwischen der britischen Arbeitsgesetzgebung und der französischen Gesetzgebung hin (längere Arbeitszeit als im Vereinigten Königreich, die nicht vollständig durch die geringere Besatzungsstärke in Frankreich kompensiert werde). Aufgrund des Verhältnisses Personallasten/Umsatz betont die SMN ausdrücklich, dass SeaFrance nicht zu einer Niedrigpreis-Politik tendiere und diesen Umstand durch die Qualität ihrer Dienstleistungen ausgleiche. Sie weist auch darauf hin, dass angesichts der Marktanteile von SeaFrance, die bei weitem geringer sind als die der Marktführer sowohl im Bereich des Fracht- als auch des Passagiertransports, SeaFrance kaum Einfluss auf die Preise habe.

(98)

Die SMN ist der Auffassung, dass sich die negativen Auswirkungen des Wertverlusts des britischen Pfunds weiter abschwächen werden, denn die Ausgaben, insbesondere die technischen Aufwendungen, werden so oft wie möglich in britischen Pfund beziffert.

(99)

Nach Auffassung der SMN habe SeaFrance die Zahl der Überfahrten und die Transportkapazitäten seit 2009 bereits beträchtlich reduziert (-30 % frequenzbezogen und -25 % volumenbezogen), und das Unternehmen habe mit den vier derzeit laufenden Schiffen die Mindestgröße erreicht, mit der es weiterhin glaubhaft eine ausreichende Rotationsfrequenz gewährleisten könne.

(100)

Die SMN weist schließlich darauf hin, dass es für die Beschäftigten von SeaFrance nicht verständlich wäre, wenn die Kommission die Folgen der Umstrukturierungsschritte außer Acht ließe, die sowohl im Rahmen der Arbeitsbedingungen und im Rahmen der Beschäftigungspolitik bei SeaFrance als auch im Einzugsgebiet von Calais, das zu den prekärsten Frankreichs gehört, umgesetzt wurden.

VI.   ANMERKUNGEN FRANKREICHS

6.1   Anmerkungen zu den Gründen der Schwierigkeiten von SeaFrance im Allgemeinen

(101)

In Bezug auf die Schwierigkeiten, in denen sich SeaFrance befindet, geben die französischen Behörden an, dass die von P&O übermittelten Beweiselemente weitgehend unrichtig seien und dass — anders als das von P&O dargestellte Ergebnis, welches für die Jahre 2002, 2004, 2005 und 2006 fehlerhafte Zahlen enthalte (siehe Erwägungsgrund (40)), — sich die kumulierten Verlustzahlen von SeaFrance im Zeitraum 1996 bis 2010 auf – 151,4 Mio. EUR und nicht auf – 169 Mio. EUR beliefen. Die französischen Behörden übermittelten die nachfolgende Tabelle, in der die Zahlen der Tabelle, die P&O in seiner Beschwerde vorgelegt hatte, berichtigt wurden:

Jahr

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

Gewinne/Verluste von SeaFrance (27)

–16,8

–1,7

–2,8

2,6

–3,5

3,4

26,2

–2,4

4,9

–9,3

–7,9

15,4

–20,9

–57,7

–36,2

(102)

Die französischen Behörden bestreiten die Gründe, die P&O für die Schwierigkeiten, in denen sich SeaFrance befindet, vorträgt, nämlich dass der Geschäftswert, das Ansehen und der Marktanteil von SeaFrance hinsichtlich des Frachtverkehrs insbesondere wegen der häufigen Betriebsunterbrechungen und der Wahrnehmung der SeaFrance-internen Schwierigkeiten durch die Markteilnehmer, erheblich zurückgegangen seien (siehe Erwägungsgrund (42)). Sie halten ihnen die Anmerkungen der SeaFrance-Kunden entgegen, die die Qualität der von dem Unternehmen erbrachten Dienstleistungen und die Fortschritte betonen, die in den vergangenen Jahren hinsichtlich der Qualitätsverbesserung der bereitgestellten Dienstleistungen erzielt worden seien (siehe Erwägungsgründe (85) bis (89)).

(103)

Dem Argument der Wettbewerber von SeaFrance, wonach die Belegschaft des Unternehmens zu groß sei, entgegnen die französischen Behörden, dass SeaFrance einen drastischen Abbau seiner Belegschaft eingeleitet habe, am Ende dessen insgesamt 725 Arbeitsplätze weniger vorhanden sein werden; diese einschneidende Maßnahme dürfte den Quotienten Personallasten/Umsatz bis zum Jahr 2013 wieder auf 26 % senken. Dieser Quotient sei geringfügig höher als der von Eurotunnel und Irish Ferries erzielte Quotient. Allerdings werden sich die Aktivitäten von SeaFrance in ihrer Umsetzung deutlich von denen des Betreibers des Ärmelkanaltunnels unterscheiden, dessen Quotient im Jahr 2010 bei 22,5 % lag, und es sei im Kontext der französischen Flagge nicht absehbar, dass SeaFrance einen so geringen Quotienten wie Irish Ferries erzielen könnte, dessen Schiffe unter zypriotischer Flagge segelten. Die französischen Behörden sind der Auffassung, dass in Anbetracht der beträchtlichen Anstrengungen, die SeaFrance unternommen habe, um Arbeitsplätze abzubauen, der Quotient Personallasten/Umsatz von 26 % ausreiche, um die Wettbewerbsfähigkeit von SeaFrance zu erhalten. Sie betonen, dass die Höhe der von SeaFrance gezahlten Löhne in der französischen Sozialgesetzgebung begründet sei, die einen stärkeren Schutz — insbesondere in Bezug auf den Mindestlohn — gewährleiste — als es in den entsprechenden Rechtsvorschriften der Staaten, in denen seine Wettbewerber ansässig sind, vor allem im Vereinigten Königreich, der Fall sei.

(104)

Die SeaFrance-Flotte, wie sie der Umstrukturierungsplan vorsieht, sei nicht ungeeignet. Ganz im Gegenteil sei sie speziell für die Route Calais/Dover ausgelegt worden, mit Ausnahme des Schiffes Molière, das für den Einsatz im Seeverkehr im Nordmeer umgebaut werden musste. In Bezug auf das Argument von P&O, wonach keine ausreichende Unabhängigkeit der SeaFrance-Geschäftsleitung vom Staat und von der sozialen Macht gegeben sei, um das Unternehmen effizient zu leiten, meinen die französischen Behörden, dass es für diese Behauptung auch nicht ansatzweise einen Beweis gebe.

6.2   Anmerkungen zur Wettbewerbssituation am Markt Dover/Calais

(105)

Die französischen Behörden bestreiten die Behauptungen von P&O, Eurotunnel und CLdN, der Markt leide an struktureller Überkapazität. Ihrer Auffassung nach sei die festgestellte Überkapazität größtenteils konjunkturbedingt (insbesondere durch die Wirtschaftskrise, die einen Rückgang des Frachtverkehrs und einen Anstieg des Wechselkurses des britischen Pfunds zur Folge habe). Auf der Grundlage der vor der Krise erstellten Prognosen hätten einige Betreiber ihre Kapazitäten ausgebaut, wobei das erhoffte Wachstum im Kontext der Rezession ausgeblieben war. Die französischen Behörden berufen sich auf Marktanalysen, die der „Dover Harbour Board“ in den Jahren 2005 (28) und 2008 (29) erstellt hatte und in denen langfristig ein Zuwachs der Frachtvolumina prognostiziert wurde.

(106)

Frankreich ist der Auffassung, dass die Besorgnis, die einige SeaFrance-Kunden in Bezug auf die Entstehung einer Monopolsituation zugunsten von P&O im Bereich des Gefahrguttransportes auf der Strecke Calais/Dover (siehe Erwägungsgründe (83) und (87)) hegen, nicht begründet ist. Denn da es weder eine nationale noch eine internationale Vorschrift gibt, die den Gefahrguttransport auf den Autofähren verbietet, könnte SeaFrance die Durchführung eines solchen Transports bei Überfahrten mit geringen Passagierzahlen, wie beispielsweise bei einigen Nachtüberfahrten, ins Auge fassen.

6.3   Anmerkungen zur Vereinbarkeit der Umstrukturierungsbeihilfe

(107)

In Bezug auf die Vereinbarkeit der im Rahmen des Umstrukturierungsplans angemeldeten Maßnahmen nahmen die französischen Behörden zu den Bedenken, die die Kommission hinsichtlich der erwarteten Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des Umstrukturierungsplans, in Bezug auf die Vermeidung von übermäßiger Wettbewerbsverzerrung und den Eigenbeitrag von SeaFrance am Umstrukturierungsplan äußerte, wie folgt Stellung:

6.3.1   Zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität und zum Umstrukturierungsplan

(108)

Die französischen Behörden argumentieren, dass die in den kommenden Jahren erwarteten Auslastungsquoten höher seien als die in der Vergangenheit verzeichneten, da es mit der Einführung eines neuen Informationssystems ab dem Jahr 2006 möglich wurde, die Auslastung dieser Schiffe zu optimieren und zu rationalisieren. Dieses System habe es insbesondere ermöglicht, die Überfahrten mit geringer Rentabilität zu identifizieren und sie aus dem Angebot von SeaFrance herauszunehmen. Darüber hinaus betonen die französischen Behörden nachdrücklich, dass in dem von der Kommission berücksichtigten Zeitraum 2000 bis 2007 das operationelle Geschäft von SeaFrance als Shuttle-Betrieb organisiert war, und zwar unabhängig von der Stärke der Nachfrage.

(109)

Die französischen Behörden begründen außerdem die geringeren Auslastungsquoten bei den Wettbewerbern von SeaFrance mit den von diesen praktizierten Betriebsmodi. So verfüge — nach ihren Angaben — P&O über eine große Zahl von Schiffen und ein Angebot vom Typ „Shuttleverkehr“, was die Auslastungsquote nach unten drücke. Was DFDS betrifft, so würde die Spezialisierung seiner Schiffe die Optimierung ihrer Auslastung nach Einzelrentabilität ausschließen. Darüber hinaus würde DFDS wegen der Länge seiner Überfahrten gezwungen, über lange Zeiträume ein Pendelverkehrsangebot zu gewährleisten. Und schließlich schlage sich die große Kapazität seiner Schiffe automatisch in einer Verschlechterung der durchschnittlichen Auslastungsquoten von DFDS durch die Überfahrten mit geringer Nachfrage nieder.

(110)

Außerdem äußerten sich die französischen Behörden zu den Zweifeln der Kommission und zu den Anmerkungen der Beteiligten hinsichtlich der bei der Würdigung der Glaubwürdigkeit des Umstrukturierungsplans zu berücksichtigenden Risiken (Kraftstoffkosten, Wertverlust des britischen Pfunds). Sie betonen zunächst, dass SeaFrance die Politik der finanziellen Absicherung in Form von Zinsswaps fortsetzen werde, sobald es aus dem gerichtlichen Vergleichsverfahren herausgekommen sei. Sie erklären weiter, dass das Unternehmen einen „Bunker Ajustement Factor“ (nachfolgend „BAF“) anwenden werde, der etwa 40 % der Mehrkosten in Verbindung mit dem Anstieg des Kraftstoffpreises auf über 285 EUR/Tonne abdecke und dass ab dem Jahr 2015 der BAF an eine neue Zulage gekoppelt werde, die der Pflicht Rechnung trägt, Schiffskraftstoff mit einem Schwefelgehalt von 0,1 % zu verwenden.

(111)

Zum Wertverlust des britischen Pfunds führen die französischen Behörden zunächst aus, dass nach Ende des gerichtlichen Vergleichsverfahrens die während des Verfahrens ausgesetzte Absicherungspolitik, wieder aufgenommen werde, und somit ein Teil der monatlichen Salden in britischen Pfund durch Termingeschäfte auf der Grundlage des für den Haushalt geltenden Kurses abgesichert werde. […]

(112)

In Bezug auf die anderen in Erwägungsgrund (96) des Eröffnungsbeschlusses genannten Maßnahmen erklären die französischen Behörden, dass ihre Wirkungen im Geschäftsplan nicht berücksichtigt wurden, da es sei schwierig, sie zu beziffern. Diese Maßnahmen könnten jedoch einsparungsfördernd wirken.

(113)

Schließlich weisen die französischen Behörden darauf hin, dass sich der Quotient Personallasten/Umsatz von [20-25] % im Jahr 2012 auf [20-25] % im Jahr 2019 ändern dürfte. Es würde sich den Quotienten der Wettbewerber von SeaFrance annähern.

6.3.2   Zur Vermeidung übermäßiger Wettbewerbsverzerrung

(114)

In Bezug auf die Vermeidung übermäßiger Wettbewerbsverzerrung möchten die französischen Behörden bestätigen, dass der Verkauf der beiden Schiffe Renoir und Cézanne am 7. Juli 2011 zum Preis von [0-10] Mio. USD ([0-10] Mio. EUR) erfolgte.

6.3.3   Zum Beitrag von SeaFrance zum Umstrukturierungsplan

(115)

Die französischen Behörden erklären, dass ein erster Teil des von SeaFrance zum Umstrukturierungsplan geleisteten Beitrags in dem Erlös aus dem Verkauf der Schiffe Renoir und Cézanne bestehe sowie in dem voraussichtlichen Erlös aus dem Verkauf des Schiffes Nord Pas de Calais.

(116)

Die französischen Behörden sind außerdem der Auffassung, dass die beiden in den Erwägungsgründen (28) bis (33) beschriebenen Darlehen keine staatliche Beihilfe enthalten und das Darlehen in Höhe von 99,8 Mio. EUR als Eigenbeitrag anzusehen ist. Die Kommission müsse sich — so die französischen Behörden — bei der Würdigung einer gegebenenfalls vorhandenen Beihilfe — ausschließlich auf die Mitteilung über die Referenzsätze stützen. Sie betonen, dass die Kommission diese Mitteilung in ihrem Eröffnungsbeschluss über die der ČSA — Czech Airlines — von der staatlichen Einrichtung Osinek (30) gewährten Darlehen und in ihrem Beschluss über die von der ungarischen Entwicklungsbank zugunsten des ungarischen Düngemittelherstellers (31) gewährten Darlehen angewandt habe. Ihrer Auffassung nach stellen die beiden Darlehen aus den in den Erwägungsgründen (28) bis (33) genannten Gründen keine Beihilfe dar.

VII.   WÜRDIGUNG DER BEIHILFEMASSNAHMEN

7.1.   Vorliegen einer staatlichen Beihilfe

(117)

Gemäß Artikel 107 Absatz 1 AEUV sind „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“.

(118)

Eine Maßnahme stellt eine staatliche Beihilfe dar, wenn sie die folgenden kumulativen Voraussetzungen erfüllt: 1. Die Maßnahme verschafft einen Vorteil; 2. dieser Vorteil wird durch staatliche Mittel gewährt; 3. dieser Vorteil ist selektiv und 4) die Maßnahme verfälscht den Wettbewerb oder droht ihn zu verfälschen und beeinträchtigt den Handel zwischen Mitgliedstaaten (32).

(119)

Dieser Beschluss betrifft drei Beihilfemaßnahmen: die Kapitalaufstockung und die beiden in den Erwägungsgründen (28) bis (33) beschriebenen Darlehen.

7.1.1.   Kapitalaufstockung von SeaFrance

(120)

In ihrer Mitteilung äußern die französischen Behörden selbst, dass die Kapitalaufstockung, die SeaFrance zugute kommt, eine staatliche Beihilfe darstellt. Durch ihre Anmeldung räumen die französischen Behörden ein, dass die Kapitalaufstockungsmaßnahme dem Staat zuzuschreiben ist und dass sie ausschließlich der Gesellschaft SeaFrance einen selektiven Vorteil gewährt.

(121)

Hinsichtlich des Vorliegens eines Vorteils ist die Kommission der Meinung, dass aus den in Abschnitt 7.2.1 erläuterten Gründen SeaFrance ein Unternehmen in Schwierigkeiten ist. In Anbetracht der äußerst prekären Situation von SeaFrance und der Einleitung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens gegen das Unternehmen wäre das Unternehmen nicht in der Lage seinen Umstrukturierungsplan umzusetzen und seinem Liquiditätsbedarf zu genügen. Unter solchen Umständen hätte ein privater Kapitalanleger kein Kapital bereitgestellt. Außerdem haben die französischen Behörden nicht einmal den Versuch unternommen, nachzuweisen, dass die erwartete Rendite der entspricht, die ein privater Anleger verlangt hätte. Die Maßnahme ist demzufolge ein selektiver Vorteil, der ausschließlich SeaFrance zugute kommt. Er wird aus staatlichen Mitteln gewährt, da die SNCF ein staatliches Unternehmen ist. Er ist dem Staat zurechenbar.

(122)

Hinsichtlich der Auswirkung auf den Wettbewerb und der Beeinträchtigung des Handels in der Union ist darauf hinzuweisen, dass — entsprechend ständiger Rechtsprechung — sofern ein Unternehmen in einem Sektor tätig ist, in dem ein tatsächlicher Wettbewerb zwischen Herstellern aus verschiedenen Mitgliedstaaten stattfindet, jede Beihilfe, die diesem Unternehmen von der öffentlichen Hand gewährt wird, geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen, da das Aufrechterhalten dieses Unternehmens auf dem Markt die Mitbewerber aus den anderen Mitgliedstaaten daran hindert, ihren Marktanteil zu vergrößern (33),

(123)

Diesbezüglich stellt die Tatsache, dass der Wettbewerb in einem Wirtschaftssektor in der Union liberalisiert wurde, einen Beweis dafür dar, dass die Beihilfe eine tatsächliche oder potenzielle Auswirkung auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben kann (34).

(124)

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern (35) den Seeverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ab dem 1. Januar 1993 völlig liberalisiert hat.

(125)

Im vorliegenden Fall besteht, wie vorstehend festgestellt wurde, ein modaler Wettbewerb mit den anderen Seeverkehrsunternehmen in einem liberalisierten Sektor sowie ein intermodaler Wettbewerb mit dem Schienentransport (36).

(126)

Die Kommission schließt daraus, dass die Kapitalaufstockungsmaßnahme die Position des Unternehmens gegenüber seinen Wettbewerbern im Handel zwischen den EU-Mitgliedstaaten stärkt. Die Maßnahme beeinträchtigt folglich den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und könnte zu Wettbewerbsverzerrungen führen.

(127)

Unter Berücksichtigung vorstehender Gesichtspunkte ist die Kommission der Auffassung, dass die in Rede stehende Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV ist.

7.1.2.   Die in den Erwägungsgründen (28) bis (33) beschriebenen Darlehen

(128)

Frankreich ist der Auffassung, dass die beiden in den Erwägungsgründen (28) bis (33) beschriebenen Darlehen zu Marktbedingungen gewährt werden und daher dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers entsprechen (siehe Erwägungsgrund (116)).

(129)

Die Kommission teilt diese Sichtweise nicht. Denn im vorliegenden Fall hat die SNCF der SeaFrance bereits Beihilfen gewährt, insbesondere die Rettungsbeihilfe, und beabsichtigt, ihr eine weitere Beihilfe, in Form der Kapitalaufstockung, zu gewähren. Die Darlehen verfolgen dasselbe Ziel wie die anderen Beihilfen, nämlich die Rettung und Umstrukturierung von SeaFrance. Sie werden zu einem Zeitpunkt gewährt, wo SeaFrance ein Unternehmen in Schwierigkeiten ist, und zur gleichen Zeit wie die Umstrukturierungsbeihilfen. Dies versteht sich von selbst für das Darlehen in Höhe von 99,7 Mio. EUR, das — ebenso wie die Kapitalaufstockung — zum Ziel hat, dem Liquiditätsbedarf von SeaFrance zu genügen. Allerdings gilt dies auch für das Darlehen über [40-70] Mio. EUR, das der Refinanzierung dient ebenso wie dem vorzeitigen Kauf des Leasingvertrags für das Schiff Molière. Tatsächlich steht die Finanzierung der Produktionsmittel, in diesem Fall des Schiffes, in enger Verbindung zum Tagesgeschäft von SeaFrance. Durch die Refinanzierung und den vorzeitigen Kauf des Leasingvertrags beabsichtigt SeaFrance, seine operationellen Kosten zu senken, was in den Rahmen der Umstrukturierung des Unternehmens fällt. Folglich ist das Darlehen in Höhe von [40-70] Mio. EUR ebenfalls der Umstrukturierung von SeaFrance zuzurechnen.

(130)

In seinem Urteil BP Chemicals, hat das Gericht klar gestellt, dass unter solchen Umständen die Darlehen hinsichtlich der staatlichen Beihilfen nicht getrennt sondern in der Gesamtschau mit den anderen Maßnahmen zu prüfen sind (37).

(131)

Entsprechend dem Urteil des Gerichts ist es richtig, dass allein die Tatsache, dass ein öffentliches Unternehmen seinem Tochterunternehmen bereits als „Beihilfen“ zu betrachtende Kapitaleinlagen erbracht hat, zunächst nicht die Möglichkeit ausschließt, dass auch eine spätere Maßnahme als eine Transaktion betrachtet werden kann, die dem Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalanlegers entspricht. Allerdings ist das Gericht der Auffassung, dass — in einem Fall von drei Kapitaleinlagen des gleichen Kapitalgebers in einem Zeitraum von zwei Jahren und von denen die ersten beiden keine Rendite erwirtschaftet hatten — die Kommission prüfen musste, ob die dritte Einlage vernünftigerweise von den beiden anderen getrennt und im Hinblick auf das Kriterium des privaten Kapitalgebers als eigenständige Investition gesehen werden kann.

(132)

Zu den insoweit maßgeblichen Gesichtspunkten für die Würdigung, ob die spätere Maßnahme vernünftigerweise von den beiden ersten getrennt und im Hinblick auf das Kriterium des privaten Kapitalgebers als eigenständige Investition gesehen werden kann, gehören nach Auffassung des Gerichts die zeitliche Abfolge der Kapitaleinlagen, ihr Zweck und die Lage der Tochtergesellschaft zu der Zeit, als die Entscheidungen für die Vornahme jeder dieser Kapitaleinlagen getroffen wurden.

(133)

Frankreich bestreitet nicht die Tatsache, dass die Kapitalaufstockung eine Beihilfe darstellt, denn es hat keine Aussicht auf eine Rendite, die der entspricht, die ein privater Kapitalgeber verlangen würde. Dies geht auch aus der in Erwägungsgrund (35) enthaltenen Tabelle hervor, die den Finanzierungsbedarf für den Zeitraum 2011-2017 angibt. Das Unternehmen wäre nicht imstande, während dieses Zeitraums Dividende auszuschütten. In Anbetracht der erheblichen Kosten, die die Zahlung der in den Erwägungsgründen (28) bis (33) genannten Darlehen in Zins und Summe darstellt, der geringen Gewinnmarge, die der Umstrukturierungsplan vorsieht, würde diese Situation sehr wahrscheinlich noch über das Jahr 2017 hinaus bis zur vollständigen Darlehenstilgung im Jahr 2023 andauern. Ein privater Anleger in einem klassischen Industriesektor wie dem Seeverkehr wäre jedoch nicht bereit, das Fehlen jeglicher Rendite für eine Kapitalanlage von 166,3 Mio. EUR über einen Zeitraum von 12 Jahren zu akzeptieren. Da beide Darlehen dasselbe Ziel wie die Kapitalaufstockung verfolgen, nämlich die Umstrukturierungskosten zu finanzieren, die wirtschaftliche Situation des Unternehmens unverändert (also das Unternehmen in Schwierigkeiten) ist und die Darlehen zur selben Zeit wie die Kapitalaufstockung gewährt werden, können diese Darlehen nicht vernünftigerweise von der Rettungsbeihilfe und der Kapitalaufstockung getrennt gesehen werden.

(134)

Insgesamt genommen ist die Rendite der Rettungsbeihilfe und der Kapitalaufstockung sowie der beiden Darlehen geringer als die Rendite, die ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalanleger verlangen würde. Denn die SNCF kann — wie dargelegt — keine Rendite aus der Kapitalaufstockung vor dem Jahr 2023 erwarten. Selbst wenn jede der beiden Darlehensrenditen für sich genommen den Marktbedingungen entspräche — was hier nicht der Fall ist —, würde dies nicht ausreichen, um die Maßnahmen insgesamt mit der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalanlegers in Übereinstimmung zu bringen. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen daher nur vorsorglich.

(135)

Die französischen Behörden berufen sich auf die Mitteilung über die Referenzsätze, um das Nichtvorliegen einer Beihilfe in Bezug auf die beiden Darlehen zu begründen. Sie sind der Meinung, dass in Anbetracht der Ratingstufe (CCC) des Unternehmens und der angebotenen (normalen) Besicherung der Zinssatz 8,55 %, d. h. entsprechend dem EURIBOR für ein Jahr und um 650 Basispunkte erhöht, betragen muss. Die französischen Behörden sind der Auffassung, dass es sich um eine konservative Anwendung der Mitteilung über die Referenzsätze handelt.

(136)

Selbst wenn die beiden Darlehen unabhängig gewürdigt werden müssten — was nicht der Fall ist —, hätten die französischen Behörden nicht den Nachweis erbracht, dass sie zu einem marktüblichen Zins gewährt wurden.

(137)

In dieser Hinsicht möchte die Kommission zunächst hervorheben, dass, wie es im ersten Abschnitt der Mitteilung über die Referenzsätze heißt: „die Referenz- und Abzinsungssätze anstelle des Marktzinses verwendet (werden) und zur Berechnung des Subventionsäquivalents von Beihilfen (dienen), v. a. wenn sie in mehreren Tranchen gezahlt werden, sowie zur Berechnung der Beihilfeelemente von Zinszuschussregelungen. Ebenfalls zum Einsatz kommen sie bei der Prüfung der Vereinbarkeit mit der De-minimis-Regel und den Gruppenfreistellungsverordnungen.“ (38). Die Mitteilung über die Referenzsätze kann daher die Kommission bei der Anwendung des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden Anlegers nicht binden, insbesondere in den Fällen, wo reelle Marktdaten vorliegen, die sich ganz offensichtlich von denen unterscheiden, die aus der in dieser Mitteilung genannten Methodik resultieren.

(138)

Im vorliegenden Fall muss sich die Kommission in Anbetracht der Tatsache, dass die Beihilfe und die Darlehen vom selben Kapitalgeber gewährt wurden, auf Akteure stützen, die nicht der SNCF zuzurechnen sind, um sich zu vergewissern, dass die angebotene Verzinsung tatsächlich eine marktübliche Verzinsung ist. Die Kommission hat die französischen Behörden mehrfach aufgefordert, ein Angebotsbeispiel eines unabhängigen Finanzinstituts vorzulegen. Ein solches Angebot wurde jedoch nie erbracht.

(139)

Darüber hinaus hat die Kommission auch eine Marktstudie durchgeführt. Nach Einschätzungen der Kommission müsste der Zinssatz für Darlehen, bei einer normalen Besicherung und um marktüblich zu sein, bei 14 % liegen (Swap-Satz 5 Jahre 2,825 % (39) + durchschnittlicher CDS (40) unter B- (d. h. CCC) von 11,18 % + Agio 0,2 %). Dies entspricht den in den Monaten April, Mai und Juni 2011 beobachteten Daten. Außerdem haben die französischen Behörden, trotz wiederholter Aufforderungen seitens der Kommission (41), weder eine Bewertung noch ein Zinsangebot einer privaten Bank vorgelegt.

(140)

Die Kommission hat außerdem die französischen Behörden mehrfach (42) aufgefordert, eine externe Finanzierung in Betracht zu ziehen oder eine Bewertung oder ein Zinsangebot einer Geschäftsbank vorzulegen. Diesen Vorschlägen wurde nicht entsprochen.

(141)

Schließlich kann den von den französischen Behörden unter Erwägungsgrund (116) vorgebrachten Argumenten nicht gefolgt werden, wonach die Kommission die Mitteilung über die Referenzsätze in zwei Verfahren der jüngeren Vergangenheit angewendet habe. Denn bei diesen beiden Verfahren, wovon eines noch nicht abgeschlossen ist, liegt eine andere Problemstellung vor. Im Falle von Péti Nitrogénmüvek waren sämtliche geprüften Maßnahmen staatliche Beihilfen. Im Falle von Osinek hat die Kommission noch keinen endgültigen Beschluss erlassen und zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung war keine Beihilfemaßnahme angemeldet worden.

(142)

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass die Darlehen zur Finanzierung des Eigenbeitrags und der vorzeitigen Ausübung der Kaufoption für das Schiff Molière dem Unternehmen SeaFrance ebenfalls einen Vorteil verschaffen. Aus den in den Erwägungsgründen (121) bis (126) dargelegten Gründen sind die anderen drei Voraussetzungen (durch staatliche Mittel gewährter selektiver Vorteil, Auswirkung auf den Wettbewerb und Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels) für das Vorliegen einer Beihilfe ebenfalls erfüllt. Die Darlehen stellen daher staatliche Beihilfen dar.

7.1.3.   Rettungsbeihilfe

(143)

Aus den in den Erwägungsgründen (30) bis (47) des Beschlusses der Kommission vom 18. August 2010 dargelegten Gründen stellt das von der SNCF dem Unternehmen SeaFrance als Rettungsbeihilfe gewährte Darlehen eine Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV dar.

7.2.   Vereinbarkeit der drei Beihilfemaßnahmen

(144)

In Anbetracht des Zweckes der drei strittigen Umstrukturierungsbeihilfemaßnahmen sowie der Behauptungen der französischen Behörden im Rahmen ihrer Anmeldungen ist die Kommission der Ansicht, dass die Vereinbarkeit der drei Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt auf der Grundlage von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV sowie unter Berücksichtigung der Leitlinien zu prüfen sind.

7.2.1.   Förderungskriterium: Unternehmen in Schwierigkeiten

(145)

Um Anspruch auf eine Umstrukturierungsbeihilfe zu haben, muss ein Unternehmen als ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne von Abschnitt 2.1 der Leitlinien angesehen werden können.

(146)

Diesbezüglich ist die Kommission der Ansicht, dass SeaFrance im Sinne von Punkt 10 Buchstabe a der Leitlinien ein Unternehmen in Schwierigkeiten ist, da mehr als die Hälfte seines Kapitals verschwunden ist, insofern dieses von 81,7 Mio. EUR im Jahr 2007 auf 57,7 Mio. EUR im Jahr 2008 bzw. auf – 0,69 Mio. EUR im Jahr 2009 schrumpfte (dies bedeutet eine Verringerung um mehr als 100 %, um 82,4 Mio. EUR im Zeitraum von 2007 bis 2009), und da mehr als ein Viertel seines Kapitals im Laufe der letzten zwölf Monate verloren gegangen ist, insofern dieses von 57,7 Mio. EUR im Jahr 2008 auf -0,69 Mio. EUR im Jahr 2009 zurückging.

(147)

Darüber hinaus kann SeaFrance auch im Sinne von Ziffer 10 Buchstabe c der Leitlinien als ein Unternehmen in Schwierigkeiten angesehen werden, insofern es die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfüllt. Wie im Erwägungsgrund (10) ausgeführt, wurde am 30. Juni 2010 das gerichtliche Vergleichsverfahren gegen SeaFrance durch das Pariser Handelsgericht eröffnet.

(148)

Außerdem sind die unter Punkt 13 der Leitlinien genannten Voraussetzungen ebenfalls erfüllt, da obgleich SeaFrance der SNCF-Gruppe angehört, die Schwierigkeiten, in denen sich das Unternehmen befindet, Schwierigkeiten sind, die das Unternehmen selbst betreffen und nicht auf eine willkürliche Kostenverteilung innerhalb der Gruppe zurückzuführen sind.

7.2.2.   Eigenbeitrag

(149)

Im Beschluss der Eröffnung des formellen Prüfverfahrens war die Kommission davon ausgegangen, dass der Eigenbeitrag von SeaFrance an der Umstrukturierungsmaßnahme ungewiss und unzureichend in Bezug auf die Bestimmungen der Leitlinien ist.

(150)

Im geänderten Umstrukturierungsplan schlagen die französischen Behörden einen Eigenbeitrag von SeaFrance in Höhe von [80-130] Mio. EUR vor, der die folgenden Maßnahmen umfasst:

ein Darlehen über 99,7 Mio. EUR zu 8,55 % zur Finanzierung der Umstrukturierung von SeaFrance;

den geplanten Verkauf des Frachtschiffes Nord-Pas-de-Calais (Handelswert [0-10] Mio. EUR nach Schätzung zweier unabhängiger Gutachter); und

den Verkauf der Schiffe Renoir und Cézanne im Juli 2011 zu einem Betrag von [0-10] Mio. USD, d. h. ungefähr [0-10] Mio. EUR.

(151)

In Punkt 43 der Leitlinien heißt es: „Höhe und Intensität der Beihilfe müssen sich auf die für die Umstrukturierung unbedingt notwendigen Mindestkosten nach Maßgabe der verfügbaren Finanzmittel des Unternehmens, seiner Anteilseigner oder der Unternehmensgruppe, der es angehört, beschränken. Zuvor gewährte Rettungsbeihilfen werden berücksichtigt. Daher müssen die Beihilfeempfänger aus eigenen Mitteln, auch durch den Verkauf von Vermögenswerten, wenn diese für den Fortbestand des Unternehmens nicht unerlässlich sind, oder durch Fremdfinanzierung zu Marktbedingungen, einen erheblichen Beitrag zum Umstrukturierungsplan leisten. An diesem Beitrag wird sichtbar, dass die Märkte davon überzeugt sind, dass sich die Rentabilität des Unternehmens wiederherstellen lässt. Es muss sich um einen konkreten, d. h. tatsächlichen Beitrag handeln ohne für die Zukunft erwartete Gewinne wie Cashflow. Er muss so hoch wie möglich sein“ (43).

(152)

In Punkt 7 der Leitlinien heißt es außerdem: Es ist „noch deutlicher als bisher herauszustellen, dass [der substanzielle Beitrag des Beihilfeempfängers zur Umstrukturierung] konkret sein muss und kein Beihilfeelement enthalten darf. Die Eigenleistung des Beihilfeempfängers dient einem doppelten Zweck: zum einen wird daran sichtbar, dass die Märkte (Gesellschafter, Gläubiger) davon überzeugt sind, dass sich die Rentabilität des Unternehmens innerhalb einer angemessenen Frist wiederherstellen lässt; zum anderen wird auf diese Weise sichergestellt, dass sich die Umstrukturierungsbeihilfe auf das zur Wiederherstellung der Rentabilität erforderliche Minimum beschränkt, und Wettbewerbsverzerrungen in Grenzen gehalten werden. […]“ (44).

(153)

Die Rechtsprechung in der Union hat außerdem hervorgehoben, dass die Eigenleistung auch sichtbar machen muss, dass die Märkte von der Wiederherstellbarkeit der Rentabilität überzeugt sind (45).

(154)

Die französischen Behörden haben die Kommission darüber informiert, dass der Verkauf der beiden Schiffe Renoir und Cézanne am 7. Juli 2011 für 3,1 Mio. EUR erfolgte.

(155)

Mit dem geplanten Verkauf des Frachtschiffes Nord-Pas-de-Calais sollte der Eigenbeitrag von SeaFrance aus den Schiffsverkäufen auf [10-20] Mio. EUR angehoben werden. Bei der Anmeldung des ersten Umstrukturierungsplans hatten die französischen Behörden zugesagt, dass sich SeaFrance von den Schiffen Renoir und Cézanne trennen werde. Diese beiden Verkäufe waren im Juli 2011 erfolgt. Entsprechend der Entscheidungspraxis der Kommission gilt, dass zukünftige Verkäufe von Vermögenswerten als Eigenbeitrag gelten können, vorausgesetzt der Mitgliedstaat hat eine realistische Bewertungen ihrer Handelswerte vorgelegt (46). Im vorliegenden Fall haben die französischen Behörden zwei Bewertungen des Frachtschiffes Nord-Pas-de-Calais vorgelegt, die von zwei unabhängigen Gutachtern erstellt worden waren und von einem Marktwert des Schiffes von ca. [0-10] Mio. EUR ausgingen. Die Kommission bemerkt, dass einer der beiden Gutachter den Marktwert der Schiffe Renoir und Cézanne im April 2011 auf [0-10 000 000] USD geschätzt hat. Die beiden wurden im Juli 2011 zum Preis von [0-10 000 000] USD verkauft. Infolgedessen geht die Kommission zunächst davon aus, dass die Schätzung des Marktwertes als realistisch angesehen werden kann und der geplante Verkauf des Frachtschiffes Nord-Pas-de-Calais als Eigenbeitrag akzeptiert werden kann.

(156)

Die französischen Behörden haben zunächst darauf hingewiesen, dass das Darlehen über [40-70] Mio. EUR zur Finanzierung der Ausübung der Kaufoption für das Schiff Molière keinen zusätzlichen Eigenbeitrag darstellt. Es tritt nämlich in Anwendung des Leasingvertrages für das Schiff Molière an Stelle einer bereits gegebenen bilanzunwirksamen Kapitalzufuhr. Es wurde daher bei der Berechnung des Gesamteigenbeitrages nicht berücksichtigt. Allerdings muss die Kommission, insofern als diese Finanzierung an Stelle einer vorhandenen Finanzierung tritt, prüfen, ob sie ebenfalls die Kriterien der Vereinbarkeit des Eigenbeitrags, insbesondere in Bezug auf das Nichtvorhandenseins eines Beihilfeelements, erfüllt.

(157)

Insofern als die Darlehen von der SNCF entsprechend Punkt 43 der Leitlinien gewährt werden, muss sich die Kommission vergewissern, dass diese Finanzierungen kein Beihilfeelement enthalten und sichtbar machen, „dass die Märkte von der Wiederherstellbarkeit der Rentabilität des Unternehmens überzeugt sind.“ Dies ist nicht der Fall, und zwar aus den folgenden drei Gründen, die jeder für sich diese Schlussfolgerung stützen.

(158)

Erstens entsprechen, wie es die Kommission in Abschnitt 7.1.2, vorstehende Erwägungsgründe (129) bis (142), ausführt, die Voraussetzungen, unter denen die Darlehen gewährt wurden, nicht Marktbedingungen.

(159)

Nach den Schätzungen der Kommission müsste für eine normale Besicherung der Zinssatz der Darlehen, um dem Markt zu entsprechen, bei 14 % liegen (Swap-Satz 5 Jahre 2,825 % (47) + durchschnittlicher CDS (48) unter Ratingstufe B- (das heißt CCC) von 11,18 % + Agio 0,2 %). Dies entspricht den in den Monaten April, Mai und Juni 2011 beobachteten Daten. Außerdem haben die französischen Behörden trotz wiederholter Aufforderungen der Kommission (49) weder eine Bewertung noch ein Zinsangebot einer privaten Bank vorgelegt.

(160)

Zweitens stellen, wie in Abschnitt 7.1.2., Erwägungsgründe (129) bis (142), aufgezeigt, die fraglichen Darlehen an sich staatliche Beihilfen dar. Sie können daher nicht als ein Eigenbeitrag ohne Beihilfeelement im Sinne der Überschrift zu Punkt 43 der Leitlinien berücksichtigt werden.

(161)

Drittens und in jedem Fall gemäß den Punkten 7 und 43 der Leitlinien soll die reelle Eigenleistung sichtbar machen, dass die Märkte von der Wiederherstellung der Rentabilität überzeugt sind. (50) Im vorliegenden Fall gibt es aber ein Zusammenfallen der Beihilfe gewährenden Behörde und der Muttergesellschaft in einer einzigen juristischen Person, nämlich der SNCF, und Gleichzeitigkeit der betreffenden Maßnahmen. Unter diesen Umständen kann dieses Ziel nicht gewahrt werden, da keine tatsächliche Eigenleistung seitens eines Anlegers oder eines Gläubigers außerhalb der SNCF gegeben ist. Denn das Verhalten der die Beihilfe gewährenden Behörde beweist in keiner Weise, dass die Märkte von der Wiederherstellung der Rentabilität überzeugt sind.

(162)

Wie im Erwägungsgrund (141) ausgeführt, ist die Kommission der Auffassung, dass der Verweis Frankreichs in seinen Bemerkungen auf die Beschlüsse betreffend die Beihilfe der öffentlichen Einrichtung Osinek zugunsten von ČSA — Czech Airlines bzw. die von der ungarischen Entwicklungsbank zugunsten des ungarischen Düngemittelherstellers Péti Nitrogénmüvek (siehe Erwägungsgrund (116)) gewährten Darlehens nicht erheblich ist, denn im ersten Fall hat die Kommission noch keinen endgültigen Beschluss erlassen und im zweiten Fall handelt es sich um keine Umstrukturierungsmaßnahme.

(163)

Außerdem muss, wie vorstehend ausgeführt und unabhängig von der Frage eines möglichen Beihilfeelements in den Darlehen, die Eigenleistung sichtbar machen, dass die Märkte von der Wiederherstellung der Rentabilität überzeugt sind.

(164)

Im vorliegenden Fall konnte die SNCF dies nicht nachweisen. Die SNCF ist nämlich gleichzeitig Beihilfegewährer und Eigenleistungserbringer. Die französischen Behörden haben keine Angaben zum Nachweis dafür vorgelegt, dass ein interessierter und unabhängiger Kapitalanleger bereit wäre, sich verbindlich für die Bereitstellung einer Eigenleistung und eines Darlehens für die Ausübung der Option unter denselben Bedingungen wie die von der SNCF angebotenen zu verpflichten.

(165)

Der Eigenbeitrag von SeaFrance, der den Bestimmungen unter Punkt 43 der Leitlinien entspricht, das heißt kein Beihilfeelement enthält und die Überzeugung der Märkte von der Wiederherstellbarkeit der Rentabilität sichtbar macht, beläuft sich demnach nur auf [10-20] Mio. EUR, also auf weniger als [10] % der Umstrukturierungskosten. Der in Punkt 44 der Richtlinien vorgesehene Anteil von 50 % ist folglich nicht erreicht. Die Kommission ist daher der Auffassung, dass der Eigenbeitrag von SeaFrance zur Umstrukturierungsmaßnahme weit hinter den Bestimmungen der Leitlinien zurückbleibt.

(166)

Die Kommission bemerkt außerdem, dass Frankreich weder die in Punkt 44 der Leitlinien vorgesehenen außergewöhnlichen Umstände geltend gemacht, noch auch nur ansatzweise nachgewiesen hat, das ein solcher außergewöhnlicher Umstand vorliegt.

(167)

Die Kommission kommt daher zu dem Schluss, dass die Anforderung einer „realistischen Eigenleistung ohne Beihilfeelement“ im Sinne der Leitlinien nicht erfüllt ist.

7.2.3   Langfristige Wiederherstellung der Rentabilität

(168)

Insofern als der Eigenbeitrag von SeaFrance zur Umstrukturierungsmaßnahme weit hinter den Bestimmungen der Leitlinien zurückbleibt, ist die Kommission der Auffassung, dass die Voraussetzung der langfristigen Wiederherstellung der Rentabilität nicht gewürdigt werden muss.

7.2.4.   Vermeidung übermäßiger Wettbewerbsverzerrung (Ausgleichsmaßnahmen)

(169)

Im Eröffnungsbeschluss hat die Kommission ausgeführt, dass die von den französischen Behörden vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen unzureichend sind. In ihren Bemerkungen zum Eröffnungsbeschluss haben die französischen Behörden eingeräumt (51), dass praktisch keine Ausgleichsmaßnahmen vorhanden sind (52). Sie haben ausgeführt, dass diesem Problem im Rahmen eines geänderten Umstrukturierungsplans abgeholfen werden würde.

(170)

Es wurden sehr wohl zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen des Umstrukturierungsplans vom 12. September 2011, insbesondere die bevorstehende Veräußerung des Frachtschiffes Nord Pas-de-Calais vorgeschlagen. Die französischen Behörden erwähnen auch den bereits vollzogenen Verkauf der Schiffe Renoir und Cézanne, die Verringerung der Anzahl der Überfahrten (Verringerung um 5 830 Überfahrten, also um -37,6 % gegenüber dem Angebot an Überfahrten im Jahr 2007) sowie die Verringerung der Marktanteile von SeaFrance ([10-15] % am Autotransportmarkt für die Jahre 2012-2019 gegenüber [15-20] % im Jahr 2008).

(171)

Insofern als der Eigenbeitrag von SeaFrance an der Umstrukturierungsmaßnahme weit hinter den Bestimmungen der Leitlinien zurückbleibt, ist die Kommission der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen keiner Prüfung bedürfen.

7.2.5.   Konsequenz der Nichtvereinbarkeit der Umstrukturierungsbeihilfe für die Rettungsbeihilfe

(172)

Nachdem Frankreich den Umstrukturierungsplan am 18. Februar 2011 gemäß Punkt 26 der Leitlinien angemeldet hatte, wurde die sechsmonatige Frist für die Rückzahlung des Darlehens bis zur Entscheidung der Kommission über den Umstrukturierungsplan verlängert. Da die Kommission der Auffassung ist, dass die als Umstrukturierungsbeihilfe angemeldeten Maßnahmen die Vereinbarkeitsvoraussetzungen im Sinne der Leitlinien nicht erfüllen, sind die Konsequenzen aus dieser Unvereinbarkeit zu ziehen. Das Darlehen kann folglich nicht mehr über das Datum des vorliegenden Beschlusses hinaus verlängert werden und ist daher unverzüglich zurückzuzahlen.

(173)

Der zurückzufordernde Betrag umfasst die Hauptdarlehenssumme für die Rettung sowie die bis zum Tag der Bekanntgabe dieses Beschlusses noch nicht entrichteten fälligen vertraglichen Zinsen, zuzüglich der Zinsen ab dem Tag der Bekanntgabe dieses Beschlusses; die Berechnung dieser Zinsen erfolgt gemäß Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 über die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (53).

VIII.   SCHLUSSFOLGERUNG

(174)

Die Kapitalaufstockung in Höhe von 166,3 Mio. EUR, das Darlehen mit 99,7 Mio. EUR und das Darlehen mit [40-70] Mio. EUR, das die SNCF dem Unternehmen SeaFrance zu gewähren beabsichtigt, stellen Beihilfen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV dar. Diese Beihilfen sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar und dürfen daher nicht gewährt werden.

(175)

Das von Frankreich über die SNCF als Rettungsbeihilfe zugunsten von SeaFrance gewährte Darlehen, das mit Beschluss der Kommission vom 18. August 2010 genehmigt wurde, ist unverzüglich zurückzuzahlen, zuzüglich der fälligen und bis zum Tag der Bekanntgabe dieses Beschlusses noch nicht entrichteten vertraglichen Zinsen —

HAT DEN FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die Kapitalaufstockung in Höhe von 166,3 Mio. EUR, das Darlehen mit 99,7 Mio. EUR und das Darlehen mit [40-70] Mio. EUR, die die französische Republik über die SNCF als Umstrukturierungsbeihilfe dem Unternehmen SeaFrance zu gewähren beabsichtigt, stellen Beihilfen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1AEUV dar und sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

Aus diesem Grund können diese Beihilfen nicht gewährt werden.

Artikel 2

Das von Frankreich über die SNCF dem Unternehmen SeaFrance als Rettungsbeihilfe gewährte Darlehen, das Gegenstand des Beschlusses der Kommission vom 18. August 2010 ist, stellt eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe dar.

Artikel 3

1.   Frankreich — bzw. die staatliche Eisenbahngesellschaft SNCF — ist verpflichtet, die unter Artikel 2 genannte Beihilfe, einschließlich der bis zum Tag der Bekanntgabe dieses Beschlusses noch nicht entrichteten fälligen vertraglichen Zinsen, vom Begünstigen zurückzufordern.

2.   Der Rückforderungsbetrag umfasst Zinsen, die von dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Beschlusses bis zu seiner tatsächlichen Rückzahlung berechnet werden.

3.   Die Zinsen werden gemäß Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 nach der Zinseszinsformel berechnet.

Artikel 4

1.   Die in Artikel 2 genannte Beihilfe wird sofort und tatsächlich zurückgefordert.

2.   Frankreich stellt sicher, dass dieser Beschluss innerhalb von vier Monaten nach seiner Bekanntgabe umgesetzt wird.

Artikel 5

1.   Frankreich übermittelt der Kommission binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses die folgenden Informationen:

a)

Gesamtbetrag der Beihilfe, der vom Begünstigten zurückzufordern ist, und der den Hauptbetrag des Darlehens und die noch nicht entrichteten fälligen Zinsen des Darlehens umfasst;

b)

Betrag der vom Begünstigten zurückzufordernden Zinsen, die gemäß den Grundsätzen in Artikel 3 Absatz 3 berechnet werden müssen;

c)

ausführliche Beschreibung der Maßnahmen, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen; und

d)

Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass an die Begünstigten Rückzahlungsanordnungen ergangen sind.

2.   Frankreich unterrichtet die Kommission über den Fortgang seiner Maßnahmen zur Umsetzung dieses Beschlusses, bis die Rückzahlung der Beihilfen, die aufgrund der in Artikel 2 genannten Regelung gewährt wurden, abgeschlossen ist. Auf Anfrage der Kommission legt Frankreich unverzüglich Informationen über die Maßnahmen vor, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen. Ferner übermittelt Frankreich ausführliche Angaben über die Beihilfebeträge und die Zinsen, die von den Begünstigten bereits zurückgezahlt wurden.

Artikel 6

Dieser Beschluss ist an die französische Republik gerichtet.

Brüssel, den 24. Oktober 2011

Für die Kommission

Joaquín ALMUNIA

Vizepräsident


(1)  ABl. C 208 vom 14.7.2011, S. 8.

(2)  ABl. C 102 vom 2.4.2011, S. 2.

(3)  Siehe Fußnote 1.

(4)  […].

(5)  Artikel L. 622-1 Absatz 1 des französischen Handelgesetzbuches

(6)  Ein Euro für die Sachwerte (Geschäftsbereich, Schiffe, „Slots“ …), ein Euro für die immateriellen Vermögenswerte (EDV-Systeme…) und ein Euro für die Lagerbestände.

(7)  Urteil des Gerichts erster Instanz vom 9. September 2009, Diputación Foral de Álava und Gobierno Vasco/Kommission, T-227/01 bis T-229/01, T-265/01, T-266/01 und T-270/01, Slg. II-3029, Rdnrn. 259 bis 272.

(8)  in tausend Passagieren

(9)  in tausend Einheiten

(10)  Gastronomiedienste, Mitnahmeverkäufe von insbesondere Spirituosen, Tabak und Parfüme.

(11)  ABl. C 14 vom 19.1.2008, S. 6.

(12)  Die Anwendung dieser Methode ist in Anhang 5 der Anmerkungen der französischen Behörden vom 12. September 2011 beschrieben, die auch die Änderung des ersten Umstrukturierungsplans enthalten.

(13)  EURIBOR 12 Monate + Marge + Bearbeitungskosten = 2,18 % + [0-5] % + (von [0,00 -0,20] % bis [0,10-0,20] %)

(14)  Entspricht dem Verhältnis „Bruttofinanzverbindlichkeiten/EBITDA“. Der Begriff EBITDA („Earning Before Interest, Tax, Depreciation and Amortisation“) entspricht in annähernd dem Begriff des Bruttobetriebsüberschusses.

(15)  Verhältnis „Bruttofinanzverbindlichkeiten/Eigenmittel“.

(16)  Verhältnis „Eigenmittel/Gesamtvermögen“.

(17)  Verhältnis „EBITDA/Nettofinanzaufwendungen“.

(18)  Verhältnis „NET cash x360/Umsatz“.

(19)  Verhältnis „EBITDA/Umsatz“.

(20)  Für das Darlehen über 99,7 Mio. EUR werden Sicherheiten in Form einer erstrangigen Hypothek auf die Rodin bereitgestellt (nach Angaben der französischen Behörden beläuft sich der Marktwert auf […] Mio. EUR, pfandfrei) und einer zweitrangigen Hypothek auf die Berlioz (nach Angaben der französischen Behörden beläuft sich der Marktwert auf […] Mio. EUR, […] und für das Darlehen über [40-70] Mio. EUR, in Form einer Hypothek auf das Schiff Molière (nach Angaben der französischen Behörden wird der Marktwert auf […] Mio. EUR geschätzt).

(21)  […]

(22)  Nach Angaben von P&O handele es sich bei dem betreffenden Markt um die kurzstreckigen Überfahrten (das heißt zwischen Dover und Frankreich) im Passagier- und Frachtverkehr („Short French Sea tourist and freight market“).

(23)  Im Mio. EUR.

Quelle: Anmerkungen von P&O

(24)  ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2.

(25)  Nord Littoral vom 9. April 2010 (S. 10): „[…] pour récupérer ces trafics nous avons dû baisser nos prix“.

(26)  Urteil vom 9. September 2009, Rechtssache Diputación Foral de Álava und Gobierno Vasco/Kommission, T-227/01 bis T-229/01, T-265/01, T-266/01 und T-270/01, Slg. S. II-3029, Randnrn. 259 bis 272.

(27)  In Mio. EUR

(28)  http://www.doverport.co.uk/_assets/client/images/collateral/30%20year%20master%20plan%20zoning%20report.pdf

(29)  http://www.doverport.co.uk/_assets/client/images/collateral/dover_consultation_web.pdf

(30)  Beschluss vom 24. Februar 2010 in der Sache NN 1/2010 (ex CP 371/2009) — Tschechische Republik ČSA — Tschechische Luftfahrtgesellschaft — mögliche Beteiligung staatlicher Beihilfe an einem von Osinek gewährten Darlehen.

(31)  Beschluss vom 27. Oktober 2010 über die staatliche Beihilfe C 14/09 (ex NN 17/09) Ungarns zugunsten der Péti Nitrogénművek Zrt (ABl. L 118, 6.5.2011, S. 9).

(32)  Siehe z. B. EUGh 10. Januar 2006, Ministero dell’Economia e delleFinanze/Cassa di RisparMio. di Firenze, C-222/04, Slg. 2006, S. I-289, Rdnr. 129.

(33)  Siehe insbesondere EUGh, 21. März 1991, Italien/Kommission, C-305/89, Slg. S. I-1603.

(34)  EuGh 13. Februar 2003, Spanien/Kommission, C-409/00, Slg. 2003, S. I- 1487.

(35)  ABl. L 378 vom 31.12.1986, S. 1.

(36)  Insbesondere mit dem Schienenpersonen- und Frachtverkehr über Eurotunnel.

(37)  Urteil des Gerichts erster Instanz vom 15. September 1998, BP Chemicals/Commission, T-11/95, Slg. 1998, II-3235, Rdnrn. 170 und 171.

(38)  ABl. C 14/6 vom 19.1.2008.

(39)  Am 1. Juli 2011, Bloomberg EUSA5.

(40)  Alle Sektoren zusammengenommen.

(41)  […]

(42)  Siehe vorausgehenden Erwägungsgrund 9.

(43)  Unterstreichung hinzugefügt.

(44)  Unterstreichung hinzugefügt.

(45)  Urteil des Gerichts erster Instanz vom 7. Dezember 2010, Frucona Košica/Kommission, T-11/07, noch nicht in der Sammlung veröffentlicht, Rdnrn. 244 und 245.

(46)  Entscheidung N488/2009 Umstrukturierungsbeilhilfe für POLFA „Tarchominskie Zakłady Farmaceutyczne“ S.A, Erwägungsgrund 47

(47)  Am 1. Juli 2011, Bloomberg EUSA5.

(48)  Durchschnittlicher CDS aller Sektoren zusammengenommen.

(49)  […]

(50)  Urteil des Gerichts erster Instanz vom 7. Dezember 2010 in der Rechtssache T-11/07, Frucona Kosice/Kommission, noch nicht in der Sammlung veröffentlicht, Rdnr. 245.

(51)  Siehe Abschnitt 2.2 (Seite 19 Ende und 20) der Bemerkungen der französischen Behörden

(52)  Gemäß den Leitlinien 2004 über die Umstrukturierungsbeihilfen müssen die Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden, um nachteilige Auswirkungen der Beihilfe auf die Handelsbedingungen so weit wie möglich abzuschwächen; hierfür kommen Veräußerung von Vermögenswerten ein Kapazitätsabbau, eine Beschränkung der Marktpräsenz oder eine Senkung der Zutrittsschranken auf den betreffenden Märkten in Betracht.

(53)  ABl. L 140 vom 30.4.2004, S. 1.


21.7.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 195/19


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 9. März 2012

über die Staatliche Beihilfe SA.12522 (C 37/08) — Frankreich — Anwendung der Entscheidung „Sernam 2“

(Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2012) 1616)

(Nur der französische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2012/398/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 Unterabsatz 1 (1),

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Äußerung gemäß den genannten Artikeln (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   VERFAHREN

1.1.   ALLGEMEINER VERFAHRENSRECHTLICHER RAHMEN

(1)

Am 23. Mai 2001 genehmigte die Kommission eine Umstrukturierungsbeihilfe zugunsten der Kommanditgesellschaft „SCS Sernam“, die dann im Dezember 2001 zur Aktiengesellschaft „Sernam SA“ umgewandelt wurde (Entscheidung „Sernam 1“) (3).

(2)

Am 20. Oktober 2004 erließ die Kommission eine abschließende Entscheidung, mit der sie bestätigte, dass die mit der „Entscheidung Sernam 1“ genehmigte Umstrukturierungsbeihilfe in Höhe von 503 Mio. EUR unter bestimmten Bedingungen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist (Entscheidung „Sernam 2“) (4). Diese Entscheidung betrifft auch eine zusätzlich gezahlte staatliche Beihilfe in Höhe von 41 Mio. EUR, die nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und daher von Frankreich zurückzufordern ist.

(3)

Mit Schreiben vom 24. Juni 2005 reichte erstmals ein Dritter („erster Beschwerdeführer“) Beschwerde gegen die nicht ordnungsgemäße Anwendung der Entscheidung „Sernam 2“ ein (5).

(4)

Am 22. Februar 2006 reichte dieser erste Beschwerdeführer auch noch eine Untätigkeitsklage gegen die Kommission ein, weil diese auf seine Beschwerde hin seinerzeit nicht gehandelt habe.

(5)

Mit Schreiben vom 10. April 2006 reichte eine zweite betroffene Partei, die Gesellschaft „Mory Group“ („zweiter Beschwerdeführer“), ebenfalls Beschwerde bei der Kommission ein (6).

(6)

Die beiden Beschwerdeführer waren im Wesentlichen der Auffassung, dass die „Entscheidung Sernam 2“ missbräuchlich angewendet werde und verlangten, dass die Kommission ein neues förmliches Prüfverfahren in Bezug auf die Anwendung der Entscheidung „Sernam 2“ durch Frankreich einleitet.

(7)

Mit Schreiben vom 16. Juli 2008 unterrichtete die Kommission Frankreich über ihre Entscheidung, das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV in Bezug auf die Anwendung der „Entscheidung Sernam 2“ durch Frankreich zu eröffnen („Eröffnungsentscheidung“). Dabei brachte die Kommission insbesondere zum Ausdruck, dass sie Zweifel daran habe, ob die Modalitäten mit der „Entscheidung Sernam 2“ vereinbar sind, die Frankreich nach eigenem Bekunden zur Anwendung dieser Entscheidung gewählt hat, und dass diese Modalitäten möglicherweise als neue staatliche Beihilfen zu werten sind.

(8)

Die Eröffnungsentscheidung der Kommission wurde im Amtsblatt der Europäischen Union  (7) veröffentlicht. Die Argumente der beiden Beschwerdeführer dazu sind unter Erwägungsgrund 16 zusammengefasst. Mit dieser Entscheidung forderte die Kommission die Beteiligten zur Stellungnahme zu der Anwendung der Entscheidung „Sernam 2“ durch Frankreich auf.

(9)

Am 8. Oktober 2008 legten die französischen Behörden eine Stellungnahme zur Eröffnungsentscheidung vor.

(10)

Die Kommission hat entsprechende Stellungnahmen von Beteiligten erhalten. Der erste Beschwerdeführer legte seine Stellungnahme am 13. November 2008 vor. Die französische Eisenbahngesellschaft „Société nationale des chemins de fer (SNCF)“ teilte ihre Stellungnahme am 6. Februar 2009 mit. Der Investmentfonds „Butler Capital Partners (BCP)“ legte seine Stellungnahme am 9. Februar 2009 vor. Die Kommission übermittelte Frankreich die eingegangenen Stellungnahmen am 25. März 2009 mit der Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen, und erhielt die Anmerkungen der französischen Behörden zur Stellungnahme des ersten Beschwerdeführers am 7. Mai 2009.

(11)

Am 15. März 2011 forderte der zweite Beschwerdeführer die Kommission auf, „Untersuchungsmaßnahmen“ zur Nachprüfung der für die Anwendung der Entscheidung „Sernam 2“ geltenden Bedingungen durchzuführen. Die Kommission antwortete darauf mit Schreiben vom 18. Mai 2011, in dem sie alle seit der Eröffnungsentscheidung ergriffenen Untersuchungsmaßnahmen aufgeführt hat.

(12)

Am 25. November 2009 und am 29. November 2011 richtete die Kommission Auskunftsersuchen an die französischen Behörden. Die Antworten darauf gingen am 15. Januar 2010 bzw. am 25. Januar 2012 ein.

1.2.   INNERSTAATLICHER VERFAHRENSRECHTLICHER RAHMEN

(13)

Am 3. Januar 2007 beantragte die Gesellschaft „Mory Group“ bei den französischen Behörden, zwei Haftungsbescheide auszustellen: 1.) einen gegen die „Sernam SA“ betreffend die Beihilfe in Höhe von 41 Mio. EUR, die kraft der Entscheidung „Sernam 2“ als nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gilt und der Gesellschaft zufolge noch nicht Gegenstand einer tatsächlichen Rückzahlungsanordnung durch Frankreich war, und 2.) den anderen gegen den (nicht näher bezeichneten) Begünstigten der mutmaßlich im Hinblick auf die Übertragung der Aktiva der „Sernam SA“ von Frankreich gewährten Beihilfe zur Umstrukturierung der „Sernam SA“ (zu den Einzelheiten dieser Maßnahme siehe Abschnitt 2.4 dieses Beschlusses).

(14)

Der Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie lehnte die Anträge des zweiten Beschwerdeführers schriftlich ab. Gegen diesen Ablehnungsbescheid erhob die Gesellschaft „Mory Group“ Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht Paris. Nach Kenntnis der Kommission ist dieser Rechtsstreit immer noch anhängig.

(15)

Außerdem wurde am 31. Januar 2012 gegen die Gesellschaft „Sernam Xpress“ ein Insolvenz-/Sanierungsverfahren (‚procédure de redressement judiciaire‘) eingeleitet. Bei der „Sernam Xpress“ handelt es sich um die Gesellschaft, auf die bei der Übertragung der Aktiva der „Sernam SA“ die nichtfinanziellen Aktiva und Passiva der „Sernam SA“ übergegangen sind (zu den Einzelheiten dieser Maßnahme siehe Abschnitt 2.4 dieses Beschlusses). Das Handelsgericht Nanterre hat eine Beobachtungsdauer (‚période d’observation‘) von sechs Monaten angeordnet und eine neue Verhandlung für den 27. März 2012 anberaumt.

2.   BESCHREIBUNG DER MASSNAHME

2.1.   DAS UNTERNEHMEN „SERNAM“

(16)

Seit der Gründung des Unternehmens als interner Dienst 1970 durch die SNCF ist „Sernam“ vor allem auf dem Gebiet der herkömmlichen Paket- und Palettenbeförderung (Stückgut) und nämlicher Expresskurierdienste tätig (8).

(17)

Am 1. Februar 2000 wurde die Geschäftstätigkeit der „Sernam“ voll und ganz auf die eigens dafür gegründete Kommanditgesellschaft „SCS Sernam“, eine Tochtergesellschaft der SNCF, übertragen. Am 21. Dezember 2001 wurde die „SCS Sernam“ dann in eine Aktiengesellschaft (die „Sernam SA“) umgewandelt. 2005 zählte die „Sernam SA“ 10 Betriebsgesellschaften sowie mit „Sernam Transport Route“ eine Gesellschaft für Straßentransportdienstleistungen.

(18)

Aus Anlass der Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ übernahm die „Sernam Xpress“ am 17. Oktober 2005 die nichtfinanziellen Aktiva und Passiva der „Sernam SA“ (zu den Einzelheiten dieser Maßnahme siehe Abschnitt 2.4 dieses Beschlusses). Die „Financière Sernam“ besaß damals 100 % der Anteile der „Sernam Xpress“.

(19)

Im Laufe des Jahres 2006 trat der Investmentfonds „BCP“ mit einer Kapitalbeteiligung von 51,8 % in die Gesellschaft „Sernam Xpress“ ein. Gleichzeitig erwarb die „Sernam Xpress“ die Gesellschaft „Coulonge“, ein Transportunternehmen mit Sitz in Limoges.

(20)

Im Laufe des Jahres 2011 sahen sich die Gesellschaften „Financière Sernam“ und „Sernam Xpress“ gezwungen, ihr Eigenkapital vor Ablauf des Geschäftsjahres aufzustocken. Da der „BCP“ das nötige Kapital nicht aufbrachte, wurden zwei Maßnahmen ergriffen:

(21)

Als Erstes gab die „Sernam Xpress“ im Mai 2011 eine Kapitalspritze für die Marke Sernam zugunsten ihrer Betriebsgesellschaft, der „Sernam Services“ (diese Kapitalspritze wird mit einem Wert von 15 Mio. EUR angesetzt).

(22)

Als Zweites wurde die Gesellschaft „Sernam Xpress“ am 30. Juni 2011 aufgelöst, wobei die Gesellschaft „Financière Sernam“ als einziger Teilhaber deren Vermögenslage übernahm („Gesamtrechtsnachfolge“).

(23)

Demzufolge besteht die „Sernam-Gruppe“ heute aus der „Financière Sernam“ und den Betriebsgesellschaften der ehemaligen „Sernam Xpress“, also der bereits erwähnten „Sernam Services“ und der Gesellschaft „Aster“. Bei der „Aster“ handelt es sich um die alte Gesellschaft „Sernam Transport Route“. „Sernam Xpress“ hatte diese Betriebsgesellschaft im Dezember 2005 verkauft und dem Erwerber eine Umsatzgarantie gegeben. Im März 2008 kaufte die „Sernam Xpress“ diese Gesellschaft zurück, die ihren Firmennamen inzwischen in „Aster“ geändert hatte. Zum Zeitpunkt des Rückkaufs brachte die „Sernam Xpress“ 5 Mio. EUR in die Gesellschaft „Aster“ in Kontokorrentguthaben ein. Diese Summe in Kontokorrentguthaben wurde der „Aster“ auf der Vorstandssitzung vom Juli endgültig überlassen. Im Dezember 2011 nahm die „Financière Sernam“, die inzwischen die „Sernam Xpress“ übernommen hatte (siehe Erwägungsgrund 22), bei der Gesellschaft „Aster“ eine Kapitalaufstockung vor, indem sie ihr 5 599 998 EUR in Kontokorrentguthaben endgültig überließ.

(24)

Da sich die Finanzlage der „Sernam-Gruppe“ ständig verschlechterte, wurde am 31. Januar 2011 gegen die Gesellschaften „Financière Sernam“ und „Sernam Services“ ein Insolvenz-/Sanierungsverfahren (‚procédure de redressement judiciaire‘) eingeleitet. Am 3. Februar 2011 wurde gegen die Betriebsgesellschaft „Aster“ ein Liquidationsverfahren bei vorübergehender Fortsetzung der Tätigkeit eingeleitet. Das Handelsgericht Nanterre hat eine Beobachtungsdauer (‚période d’observation‘) von sechs Monaten angeordnet und eine neue Verhandlung für den 27. März 2012 anberaumt.

2.2.   DIE ENTSCHEIDUNG „SERNAM 1“ VOM 23. MAI 2001

(25)

Mit ihrer Entscheidung „Sernam 1“ genehmigte die Kommission Beihilfen in Höhe von insgesamt 503 Mio. EUR zur Umstrukturierung der Kommanditgesellschaft „SCS Sernam“. Die Beihilfe wurde vor allem auf der Grundlage der Verpflichtungserklärung Frankreichs genehmigt, dass dieses Unternehmen privatisiert wird. Die „SCS Sernam“ sollte zu einem Kapitalanteil von 60 % von dem Transport- und Logistikunternehmen „Géodis SA“ (9) übernommen werden, einer privatrechtlichen Gesellschaft, die auf dem geregelten Markt der Pariser Börse notiert ist. Die „Géodis SA“ hätte die volle und unbegrenzte Haftung für die Schulden der „SCS Sernam“ übernehmen (10) und die zusätzlichen Kosten der Umstrukturierung der „SCS Sernam“ in Höhe von 67 Mio. EUR tragen sollen. Die „SCS Sernam“ verpflichtete sich ihrerseits, im Zeitraum 1999 bis 2004 die Anzahl der Betriebsstandorte von 107 auf 72 zu verringern, ihren Umsatz um 18 % zu reduzieren, Personal abzubauen und in der vorgegebenen Zeit — d. h. bis zum Beginn des Jahres 2004 — mit den genannten Finanzmitteln die Umstrukturierung vorzunehmen.

2.3.   DIE ENTSCHEIDUNG „SERNAM 2“ VOM 20. OKTOBER 2004

(26)

In ihrer Entscheidung „Sernam 2“ stellte die Kommission fest, dass Frankreich die im Rahmen der Entscheidung „Sernam 1“ genehmigten Beihilfen in Höhe von 503 Mio. EUR unter anderen Voraussetzungen gezahlt hat als denen, die in der Entscheidung „Sernam 1“ vorgesehen waren, so insbesondere, weil die „Géodis SA“ nicht wie vorgesehen 60 %, sondern nur 15 % der Kapitalanteile der „SCS Sernam“ übernommen hat. Außerdem hat die „Géodis“ ihren eigenen Beitrag zu den Kosten der Umstrukturierung des Unternehmens in Höhe von 67 Mio. EUR nicht geleistet.

(27)

Im Hinblick auf diese Faktoren hat die Kommission die Genehmigung für die Umstrukturierungsbeihilfen in Höhe von 503 Mio. EUR, die an die „Sernam SA“ gezahlt wurden, in ihrer Entscheidung an Bedingungen geknüpft. Artikel 3 der Entscheidung „Sernam 2“, in dem diese Bedingungen aufgeführt sind, lautet wie folgt:

„Artikel 3

1.   Vorbehaltlich des Absatzes 2 sind folgende Bedingungen einzuhalten:

a)

Sernam darf nur die Beförderung von Paketen mit der Bahn entsprechend dem Konzept des TBE („Train bloc express“) weiter ausbauen. In diesem Zusammenhang garantiert die SNCF allen anderen Unternehmen, die dies beantragen, beim Ausbau von Frachtdiensten mit der Bahn (TBE) die gleichen Bedingungen, die Sernam erhalten hat.

b)

Sernam seinerseits muss in den nächsten zwei Jahren (ab dem Datum der Notifizierung dieser Entscheidung) ihre eigenen Straßentransportmittel und -dienste vollständig durch Straßentransportmittel und -dienste eines oder mehrerer Unternehmen ersetzen, die rechtlich und wirtschaftlich von der SNCF unabhängig sind und in einem offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahren ausgewählt wurden.

Mit eigenen Straßentransportmitteln und -diensten der Sernam sind sämtliche Straßenfahrzeuge gemeint, die Eigentum des Unternehmens Sernam sind bzw. über die dieses einen Leasing- oder Mietvertrag abgeschlossen hat.

Die Unternehmen, die die Straßentransporttätigkeiten der Sernam übernehmen, müssen die gesamte Beförderungsleistung mit eigenen Mitteln erbringen.

2.   Sollte Sernam bis zum 30. Juni 2005 seine Aktiva „en bloc“ im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens zum Marktpreis an ein Unternehmen verkaufen, das keine rechtliche Verbindung mit der SNCF hat, gilt Absatz 1 nicht.“

(28)

In ihrer Entscheidung „Sernam 2“ stellte die Kommission ebenfalls fest, dass die französischen Behörden zusätzlich noch eine staatliche Beihilfe in Höhe von 41 Mio. EUR an das Unternehmen „Sernam“ gezahlt haben, die ihrer Auffassung nach nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, und ordnete daher an, dass Frankreich diese Beihilfe wieder einzuziehen hat.

2.4.   DIE ÜBERTRAGUNG DER GESCHÄFTSTÄTIGKEITEN DER „SERNAM SA“ AUF DIE „FINANCIÈRE SERNAM“

(29)

Frankreich macht geltend, dass es sich bei der Umsetzung der Entscheidung „Sernam 2“ an die Bedingung nach Artikel 3 Absatz 2 gehalten hat. Es führt aus, dass die SNCF in einer Pressemitteilung (11) alle Berechtigten dazu aufgefordert hat, Kontakt mit der ABN-AMRO-Bank aufzunehmen. 34 Industrie- und Finanzgruppen bzw. Konsortien seien angesprochen worden, die Ausschreibungsunterlagen für sich zu prüfen. Die Einladungsschreiben zur ersten Runde, die von der ABN-AMRO-Bank an alle Berechtigten verschickt wurden, die die Ausschreibungsunterlagen angefordert hatten, enthielten eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten für die komplette Übernahme der Aktiva der „Sernam SA“ (in dem auf Englisch verfassten Schreiben wurde der Begriff ’Assets‘ verwendet).

(30)

Den französischen Behörden zufolge war es wegen der wirtschaftlichen Lage der „Sernam“ nicht möglich, Vorschläge mit positiver Bewertung der Aktiva zu erhalten. Alle im Rahmen dieses Verfahrens eingereichten Angebote hätten äußerst negative Werte ausgewiesen:

[Bewerber 1] (vorläufiges Angebot): -120 Mio. EUR;

[Bewerber 2] (vorläufiges Angebot): -90,4 Mio. EUR;

[Bewerber 3] (vorläufiges Angebot): -90,4 Mio. EUR;

[Bewerber 4] (Angebot zweite Runde): -65,2 Mio. EUR;

[Bewerber 5] (Angebot zweite Runde): -56,4 Mio. EUR.

(31)

Mangels eines festen Angebots machte dann die Führungsmannschaft der „Sernam SA“ im Rahmen einer noch zu gründenden Gesellschaft, die zunächst „Bidco“ und dann „Financière Sernam“ hieß, ein Übernahmeangebot.

2.4.1.   Tatsächliches Datum der Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam“ auf die „Financière Sernam“

(32)

Dieses Angebot wurde der SNCF am 30. Juni 2005 übermittelt und am selben Tag von der Generaldirektion der SNCF grundsätzlich angenommen. Jedoch waren für einen formgültigen Abschluss der Vereinbarung zwischen allen betroffenen Parteien noch gewisse Formvorschriften einzuhalten. Die Vereinbarung zwischen der SNCF, der „Sernam SA“, der „Sernam Xpress“ (einer der 10 100 %igen Tochtergesellschaften der „Sernam S.A.“, die 2002 gegründet wurde) und den Führungskräften der künftigen Gesellschaft „Financière Sernam“ wurde am 21. Juli 2005 unterzeichnet (im Folgenden als „Vereinbarung vom 21. Juli 2005“ bezeichnet). Die „Financière Sernam“ wurde am 14. Oktober 2005 ins Handelsregister eingetragen. Die verschiedenen Maßnahmen zur Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam“ auf die „Financière Sernam“, die in den folgenden Erwägungsgründen im Einzelnen beschrieben sind, wurden am 17. Oktober 2005 durchgeführt.

2.4.2.   Die verschiedenen Maßnahmen zur Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam“ auf die „Financière Sernam“

(33)

Die französischen Behörden gaben an, dass sich die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam“ auf die „Financière Sernam“ in vier Schritten vollzog:

a)

Die SNCF nahm bei ihrer 100 %igen Tochtergesellschaft „Sernam SA“ eine Kapitalaufstockung in Höhe von 57 Mio. EUR vor.

b)

Die „Sernam SA“ gab ihrer 100 %igen Tochtergesellschaft „Sernam Xpress“ eine Kapitalspritze, die sich wie die unter a) beschriebene Kapitalaufstockung in Höhe von 57 Mio. EUR auf alle Aktivposten der „Sernam“ sowie auf alle Passivposten der „Sernam“ erstreckte, mit alleiniger Ausnahme des als „finanzielle“ Passiva bezeichneten Postens (Beteiligungsdarlehen, das von der Gesellschaft „Sernam SA“ bei der SNCF-Gruppe aufgenommen wurde, Passivposten infolge der Vertragsauflösung „IBM — GPS“) in Höhe von 38,5 Mio. EUR. (12) Als Gegenleistung für diese Kapitalspritze erhielt die „Sernam SA“ einen Anteil an der „Sernam Xpress“ im Nennwert von 100 EUR.

c)

Die „Sernam Xpress“ nahm dann eine Kapitalerhöhung um 2 Mio. EUR vor, die voll und ganz von der SNCF getragen wurde; im Anschluss an diese Maßnahme besaß die SNCF die Mehrheit der Anteile der „Sernam Xpress“.

d)

Die „Sernam SA“ und die SNCF traten an die „Financière Sernam“ die Gesamtheit ihrer Anteile an der „Sernam Xpress“, die auch deren Gesamtkapital ausmacht, zum Preis von 2 Mio. EUR ab.

(34)

Die „Sernam SA“ wurde am 15. Dezember 2005 durch gerichtliche Liquidation aufgelöst. Die 41 Mio. EUR, die kraft der Entscheidung „Sernam 2“ an die SNCF zurückzuzahlen waren, wurden auf der Passivseite dieser Liquidation ausgewiesen (13).

(35)

Die einzelnen Maßnahmen sind in folgendem Schaubild dargestellt:

Image

(36)

Die Vereinbarung vom 21. Juli 2005 sah außer der Kapitalaufstockung für die „Sernam SA“ in Höhe von 57 Mio. EUR und für die „Sernam Xpress“ in Höhe von 2 Mio. EUR durch die SNCF noch Bürgschaften vor, die von der SNCF für die „Financière Sernam“ übernommen wurden (im Einzelnen in den Erwägungsgründen 72 bis 85 der Eröffnungsentscheidung beschrieben), sowie eine Vertragsauflösungsklausel für den Fall einer negativen Entscheidung der Kommission innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss der Vereinbarung (im Einzelnen im Erwägungsgrund 117 der Eröffnungsentscheidung beschrieben).

2.5.   GRÜNDE FÜR DIE ERÖFFNUNG DES VERFAHRENS

(37)

Mit ihrer Eröffnungsentscheidung vom 16.Dezember 2008 wollte die Kommission überprüfen, ob Frankreich, wie es behauptet, Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ ordnungsgemäß beachtet hat, und ob das von Frankreich gewählte Verfahren zur Beitreibung der mit dem Binnenmarkt nicht vereinbaren Beihilfe von 41 Mio. EUR, nämlich diese dem Staat zustehende Forderung bei der Abwicklung der „Sernam SA“ auf der Passivseite zu verbuchen, wirklich geeignet ist, die durch diese Beihilfe hervorgerufene Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen. Außerdem wollte die Kommission überprüfen, ob etwaige finanzielle Vorteile im Rahmen der Übertragung der Aktiva der „Sernam SA“ nicht als neue, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen zu werten sind.

2.6.   STELLUNGNAHMEN DER BETEILIGTEN

2.6.1.   Stellungnahmen der Beschwerdeführer

(38)

In erster Linie ist der erste Beschwerdeführer der Auffassung, dass die in der Entscheidung „Sernam 2“ für den Verkauf der Aktiva der „Sernam SA“ festgelegten Bedingungen nicht eingehalten wurden.

(39)

Zunächst habe man den letztmöglichen Termin, der durch die Entscheidung „Sernam 2“ für die Veräußerung vorgegeben war, also den 30. Juni 2005, nicht eingehalten, denn die verschiedenen Maßnahmen zur Übertragung der Aktiva seien erst am 17. Oktober 2005 angenommen worden, und die Übertragung der Anteile hätte schon noch am selben Tag erfolgen müssen.

(40)

Was dann den Preis der Übertragung anbelangt, ist er der Auffassung, dass dieser einzig und allein anhand des Angebots der „Financière Sernam“ festgelegt wurde. Dieses Angebot sei in sich selbst unlauter gewesen, da es an sich die Gewährung von neuen Beihilfen voraussetzte, vor allem aber die Kapitalaufstockung der „Sernam SA“. Schließlich stellt er noch heraus, dass die „Sernam Xpress“ keine von der „Sernam SA“ unabhängige Gesellschaft war, wie dies auch die Kommission in ihrer Eröffnungsentscheidung veranschauliche.

(41)

Außerdem handele es sich bei der Übertragung in Wirklichkeit um einen ‚share deal‘ (eine Übernahme durch Kauf der Geschäftsanteile), d. h. also um die Beibehaltung des Empfängerunternehmens auf dem Markt während nur der Unternehmenseigentümer wechselt.

(42)

Auch rügt er den Verstoß gegen die Bedingung, dass der Verkauf im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens zu erfolgen habe. Ihm zufolge hätte der Verkauf der „Sernam Xpress“ im Rahmen einer öffentlichen Konsultation und Ausschreibung erfolgen müssen, und zwar nach einer beiderseitigen Kapitalaufstockung für die „Sernam SA“ und die „Sernam Xpress“ anstatt nur der für die „Sernam SA“.

(43)

In zweiter Linie rügt der erste Beschwerdeführer die bei der Bewertung der übertragenen Aktiva und Passiva vorgenommenen Manipulationen sowie die Unterbewertung des verkauften Unternehmens.

(44)

In dritter Linie zählt der erste Beschwerdeführer eine Reihe von Maßnahmen auf, die ihm zufolge wieder neue Beihilfen begründen: die Kapitalaufstockung um 57 Mio. EUR, die nicht erfolgte Rückforderung der 41 Mio. EUR an widerrechtlich gezahlter Beihilfe, der Forderungsverzicht der SNCF gegenüber der „Sernam SA“. Alle diese Maßnahmen stellten Beihilfen dar, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind.

(45)

In vierter Linie stellt der erste Beschwerdeführer heraus, dass anstatt der Übertragung die „Sernam SA“ vielmehr aufzulösen und abzuwickeln war. Er teilt die Zweifel der Kommission in Bezug auf die Berücksichtigung bestimmter Kosten in der Abwicklungsberechnung und gibt zu bedenken, dass es zu keinem Zeitpunkt offensichtlich war, dass die Umstrukturierung der „Sernam“ geringere Realkosten verursachen würde als ihre etwaige Abwicklung.

(46)

Der erste Beschwerdeführer kommt daher zum Schluss, dass die französischen Behörden sich nicht nur ihrer Verpflichtung entzogen haben, die als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärte Beihilfe in Höhe von 41 Mio. EUR wiedereinzuziehen, sondern auch neue Beihilfen in Höhe von wenigstens 95 Mio. EUR gewährt haben, zu denen eigentlich noch verschiedene Beihilfen hinzuzurechnen sind, die in Form von Bürgschaften geleistet wurden.

(47)

Der zweite Beschwerdeführer hat seinerseits keine Stellungnahme zur Eröffnungsentscheidung abgegeben.

2.6.2.   Stellungnahmen der Beteiligten, die der Auffassung sind, dass die Entscheidung „Sernam 2“ ordnungsgemäße Beachtung fand

2.6.2.1.   Stellungnahme der SNCF

(48)

Die SNCF ist der Auffassung, dass sie die Bedingung gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ erfüllt hat. Sie behauptet, dass sie alle Aktiva der „Sernam“ im Ganzen („en bloc“) vor dem 30. Juni 2005 im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens zum Marktpreis an ein Unternehmen ohne rechtliche Verbindung mit ihr verkauft hat.

(49)

Der SNCF zufolge erfolgten die Übertragungsmaßnahmen simultan und nicht voneinander abtrennbar. Die Kommission könne sie daher nicht künstlich in ihre Einzelbestandteile zerlegen.

(50)

Nach ihrer Auffassung ist im Fall des negativen Marktpreises der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Investors eingehalten, wenn die vom staatlichen Aktionär getragenen Veräußerungskosten geringer ausfallen als die Kosten einer etwaigen Abwicklung; zur Beweisführung dafür hat sie eingehende Stellungnahmen vorgelegt.

(51)

Schließlich hebt sie noch hervor, dass die Verpflichtung zur Rückerstattung der Beihilfe von 41 Mio. EUR auf der Passivseite der Liquidation der „Sernam SA“ ausgewiesen wurde.

2.6.2.2.   Stellungnahme des Investmentfonds „Butler Capital Partners (BCP)“

(52)

In erster Linie sorgt der „BCP“ für Klarheit hinsichtlich seiner Kapitalbeteiligung bei der „Sernam Xpress“.

(53)

In zweiter Linie präzisiert der „BCP“ die Zielsetzung hinsichtlich des Ankaufs der Gesellschaft „Coulonge“.

(54)

In dritter Linie bestreitet der „BCP“, dass die „Sernam Xpress“ nach der Kapitalaufstockung von 57 Mio. EUR und der Kapitalspritze von 2 Mio. EUR über einen Kassenüberschuss verfügt habe. „BCP“ habe erneut 6 Mio. EUR an Kassenmitteln zuschießen müssen, um den Kassenbestand wegen der zu finanzierenden Verluste auf ein akzeptables Niedrigniveau zu bringen.

(55)

In vierter Linie bestreitet der „BCP“, dass die Beihilfe von 41 Mio. EUR der „Sernam Xpress“ zugutekam. Nach Auffassung des „BCP“ wäre eine derartige Situation nur denkbar, wenn die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ nachweislich nicht zum Marktpreis erfolgte. Doch erfolgte die Übertragung dem „BCP“ zufolge in einem offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahren. Der „BCP“ ruft auch in Erinnerung, dass das Übertragungsverfahren von einer Begutachtung durch Sachverständige begleitet war.

(56)

Was schließlich die Folgen seiner Beherrschungsbeteiligung an der „Sernam“ anbelangt, so beurteilt der „BCP“ die Kapitalerhöhung als Verkauf und gibt zu bedenken, dass nach der Rechtsprechung in den Rechtssachen Banks  (14) und SMI  (15) die Rückforderung einer hypothetischen Beihilfe nicht die „Financière Sernam“ oder ihre Tochtergesellschaft „Sernam Xpress“ belasten dürfe.

2.7.   STELLUNGNAHME FRANKREICHS

2.7.1.   … in Bezug auf die Beachtung der Entscheidung „Sernam 2“

2.7.1.1.   … in Bezug auf die Einhaltung des für den Verkauf letztmöglichen Termins

(57)

Nach der Auffassung der französischen Behörden wurde das feste und für den Käufer rechtsverbindliche Übernahmeangebot am 30. Juni 2005 abgegeben und am selben Tag von der SNCF angenommen, wodurch nach französischem Vertragsrecht eine unwiderrufliche Vereinbarung zustande kommt.

2.7.1.2.   … in Bezug auf den Verkaufspreis

(58)

Nach der Auffassung der französischen Behörden ist der Verkauf zu einem negativen Preis nach der Entscheidung „Sernam 2“ nicht untersagt und von der Rechtsprechung anerkannt, dass auch ein negativer Preis den Marktpreis darstellen kann.

(59)

Die Aktiva seien entsprechend dem Betrag der Kapitalaufstockung bei der „Sernam SA“ durch die SNCF zum negativen Preis von 57 Mio. EUR verkauft worden. Dieser Preis sei besser als die anfangs vorgelegten vorläufigen Angebote und stellte das einzige feste Angebot dar, das der SNCF auf dem Markt gemacht wurde. Es sei im Rahmen mehrerer unabhängiger Gutachten bewertet worden („ABN Amro“, „Oddo Corporate Finance/Paul Hastings“ und „Commission des Participations et Transferts“ (Ausschuss für Beteiligungen und Übertragungen)).

(60)

Den französischen Behörden zufolge handelt es sich bei der von der SNCF vorher vorgenommenen Kapitalaufstockung nur um eine Durchführungsmodalität. Die Kommission könne sich daher nicht auf diese Kapitalaufstockung beziehen, um den Marktwert der Aktiva der „Sernam“ zu bestreiten, denn selbst bei einem vorhandenen Marktpreis wäre für den negativen Preis insgesamt jegliche Einstufung als Beihilfe ausgeschlossen.

2.7.1.3.   … in Bezug auf den Verkauf der Aktiva

(61)

In ihrer Antwort auf die Untersuchung der Kommission, der zufolge die Übertragung der Geschäftstätigkeit der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ aus zwei aufeinanderfolgenden Maßnahmen besteht, nämlich 1.) aus der Übertragung der Aktiva im Ganzen („en bloc“) innerhalb verbundener Unternehmen von der „Sernam SA“ auf die „Sernam Xpress“ (die in diesem Stadium noch eine 100 %ige Tochtergesellschaft der „Sernam SA“ ist), und dann 2.) aus dem Verkauf der „Sernam Xpress“ an die „Financière Sernam“, der einem „Share deal“ (einer Übernahme durch Kauf der Geschäftsanteile) und nicht einem Verkauf der Aktiva entspricht, bringen die französischen Behörden ihre Auffassung zum Ausdruck, dass es sich dabei um eine künstliche und ungerechtfertigte Zerlegung in Einzelbestandteile handle.

(62)

In erster Linie entsprächen die Übertragungsmaßnahmen einer Kapitaleinlage mit anschließender Übertragung der Geschäftsanteile nach französischem Recht („opération d’apport-cession“), die im Wege der Kapitalaufstockung durchgeführt wird, d. h. einer nicht abtrennbaren Maßnahme, die aus zweierlei Gründen durchgeführt werde: 1.) das französische Recht gestatte keinen Aktivaverkauf mit negativem Preis und 2.) es sollte sichergestellt werden, dass der Übernehmer keine rechtliche Verbindung mit der SNCF hat.

(63)

Angesichts ihrer beständig defizitären Wirtschaftssituation (die kumulierten Verluste der letzten vier Geschäftsjahre vor der Veräußerung beliefen sich auf 309,2 Mio. EUR) hätten die Aktiva der „Sernam SA“ einen negativen Gesamtwert aufgewiesen.

(64)

Um sich an das im französischen Recht bestehende Verbot des Verkaufs mit negativem Preis zu halten und die wirtschaftliche Neutralität der Veräußerung sicherzustellen, ist es im Fall des negativen Werts der zu veräußernden Aktiva in der Praxis durchaus üblich, 1.) dafür zu sorgen, dass es sich bei dem vom Käufer gezahlten Preis um einen symbolischen Preis handelt, und 2.) eine Regelung zur Schadloshaltung des Käufers zu treffen (entweder im Wege einer Beteiligung des Verkäufers an einer Kapitalerhöhung vor der Veräußerung oder eines Forderungsverzichts des Verkäufers auf Forderungen, die er gegen die veräußerte Gesellschaft hätte).

(65)

Um darüber hinaus jeglicher Infragestellung der Rechtsgültigkeit der Maßnahme bzw. jeglicher Ausübung eines Einspruchsrechts durch die Gläubiger der „Sernam SA“ aus dem Weg zu gehen, war es zweckmäßig, den Aktiva „en bloc“ noch die Passiva beizugeben, die für die ordnungsgemäße Geschäftstätigkeit der „Sernam“ erforderlich sind. Bei einem Verkauf nur der Aktiva wäre die Beigabe dieser Passiva nicht möglich gewesen.

(66)

Es war also zweckmäßig, eine Teileinlage in die Aktiva einzubringen, die dem Spaltungsverfahren nach den Artikeln L.236-16 bis L.236-21 des französischen Handelsgesetzbuchs unterliegen. Die französischen Behörden stellen diesbezüglich klar, dass die Einlage einem Verkauf gleichkäme, da sie ebenfalls eine Eigentumsübertragung zur Folge habe, indem sie mittels der von der Empfängergesellschaft begebenen Beteiligungen vergütet werde.

(67)

Da der Erwerber nach Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ keine rechtliche Verbindung mit der SNCF haben durfte, sei es nicht möglich gewesen, die Einlage direkt in die Aktiva im Ganzen („en bloc“) der „Financière Sernam“ einzubringen, da in diesem Fall die „Sernam SA“ allein infolge der bewirkten Einlage automatisch Aktionär der „Financière Sernam“ geworden wäre. Daraus erkläre sich auch, dass die Teileinlage in die Aktiva („apport partiel d’actifs“) bei der „Sernam Xpress“ eingebracht wurde und erst dann die Veräußerung der „Sernam Xpress“ an die „Financière Sernam“ erfolgte.

(68)

Den französischen Behörden zufolge stellt die Teileinlage in die Aktiva der „Sernam Xpress“ keinesfalls eine Übertragung innerhalb verbundener Unternehmen dar, da die „Sernam Xpress“ eine „Mantelgesellschaft“ ist und dazu dient, die Aktiva „en bloc“ der „Sernam SA“ aufzunehmen, und zwar einzig und allein zu dem Zweck, ihre Veräußerung an den Erwerber — die Gesellschaft „Financière Sernam“ — Zug um Zug möglich zu machen und nicht etwa die Geschäftstätigkeit der Muttergesellschaft fortzuführen. Diese Aktiva würden zu ihrem Marktwert aufgenommen und in die „Sernam Xpress“ zum Zweck der Durchführung des Veräußerungsgeschäfts eingebracht. Auf jeden Fall habe die Einlage in die Aktiva sehr wohl eine Eigentumsübertragung zur Folge, für die die „Sernam Xpress“ auch einen Anteil von 100 EUR an Nominalwert begeben habe. Den französischen Behörden zufolge stellt diese Aktie mit der Kapitalaufstockung um 57 Mio. EUR den Preis für den Realwert der eingebrachten Aktiva und Passiva dar.

(69)

Die französischen Behörden haben ihrer auf die Eröffnungsentscheidung Bezug nehmenden Stellungnahme ein Gutachten des Rechtsprofessors Nicolas Molfessis beigelegt, demzufolge „das französische Recht […] es der SNCF nicht gestattet, die Aktiva der „Sernam“„en bloc“ und auf direktem Wege an die „Financière Sernam“ zu veräußern. Um die von der Kommission auferlegten Bedingungen einhalten zu können, verpflichteten die einschlägigen Rechtsvorschriften die SNCF zu einer Kapitaleinlage mit anschließender Übertragung der Geschäftsanteile („opération d’apport-cession’):

Da das französische Recht das Prinzip des Verkaufs mit negativem Preis schon nicht kennt, konnte auch das von der Kommission vorgeschriebene Veräußerungsgeschäft zum Marktpreis ohne vorhergehende Kapitalaufstockung nicht vonstattengehen.

Da das französische Recht die juristische Figur der Schuldübernahme auch nicht kennt und bei der Figur der Vertragsübernahme (‚cession de contrat‘) alles vom vorherigen Einverständnis aller zu übernehmenden Vertragspartner (das in der Praxis quasi gar nicht zu erreichen ist) abhängig macht, kam es darauf an, dieses Hindernis zu überwinden. Wegen der für die Weiterführung der Geschäftstätigkeit notwendigen Veräußerung der Betriebspassiva war es also geboten, auf das technische Gestaltungsprinzip der Teileinlage in die Aktiva („apport partiel d’actifs“) zurückzugreifen. Der Rückgriff auf diese Technik der Teileinlage in die Aktiva gebot es dann auch, eine weitere Gesellschaft, nämlich die „Sernam Xpress“, dazwischenzuschalten, um die Bedingung der von der Kommission untersagten rechtlichen Verbindung zwischen Veräußerer und Erwerber erfüllen zu können.

Das von der „Sernam“ angewendete Schema ist einer Veräußerung „en bloc“ der Aktiva gleichzustellen:

Die in der Praxis wohl bekannte Kapitaleinlage mit anschließender Übertragung der Geschäftsanteile („opération d’apport-cession“) wurde vom Kassationshof („Cour de cassation“) immer dann einer Veräußerung der Aktiva gleichgestellt, wenn Anhaltspunkte für eine Unteilbarkeit zwischen beiden Maßnahmen vorlagen, da beide letztlich nur auf die Übertragung der Aktiva abzielen.

Eine solche Unteilbarkeit ist ganz sicher im vorliegenden Fall gegeben, da die verschiedenen Vereinbarungen, die zwischen den Parteien unterzeichnet wurden, ganz klar den Willen dieser Parteien zum Ausdruck bringen, die verschiedenen Maßnahmen als miteinander verflochten und voneinander abhängig zu betrachten, und keinem anderen Sinn und Zweck als der Veräußerung der Aktiva der „Sernam“ an die „Financière Sernam“ dienen.“

(70)

Den französischen Behörden zufolge wurden die Aktiva der „Sernam SA“„en bloc“ an eine Gesellschaft ohne rechtliche Verbindung mit der SNCF gemäß den Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ verkauft, und zwar zu einem negativen Preis, der dem Marktpreis entspricht, und infolge von Veräußerungsverhandlungen, die im Rahmen eines offenen, transparenten, unbedingten und nicht diskriminierenden Aufrufs zum Wettbewerb geführt wurden.

2.7.1.4.   … in Bezug auf das offene und transparente Auswahlverfahren

(71)

Für die französischen Behörden ist die Behauptung, der zufolge die Ausschreibungsunterlagen, die den potenziellen Erwerbern der Aktiva der „Sernam SA“ übermittelt wurden, sich nicht auf den Verkauf der „Sernam Xpress“, sondern auf den Verkauf der Aktiva der „Sernam SA“ bezogen, sachlich falsch. Außerdem umfasse die Anforderung der offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Ausschreibung nicht zugleich das Erfordernis, nach der Kapitalaufstockung erneut auszuschreiben, da diese nur das direkte Ergebnis der Ausschreibung und des daraus hervorgegangenen negativen Preises.

2.7.1.5.   … zum Prinzip des Vertrauensschutzes

(72)

Nach Auffassung der französischen Behörden sei damit, dass die Entscheidung „Sernam 2“ die Möglichkeit der Veräußerung der Aktiva „en bloc“ der „Sernam“ ausdrücklich vorsieht, im Verantwortungsbereich der SNCF wie auch der französischen Behörden die berechtigte Erwartung geweckt worden, zu einem derartigen Vorgehen berechtigt zu sein. Die Einleitung des Prüfverfahrens für staatliche Beihilfen verkenne also das berechtigte Vertrauen, das die französischen Behörden in die Entscheidung „Sernam 2“ gesetzt hatten, und dies umso mehr, als sie gegenüber der Kommission in vollkommener Transparenz gehandelt hätten, indem sie dieser alle zweckdienlichen Erläuterungen zu den Modalitäten dieser Veräußerung vorgelegt haben.

2.7.2.   … in Bezug auf angebliche Manipulationen bei der Bewertung der von der „Sernam SA“ auf die „Sernam Xpress“ übertragenen Aktiva und Passiva

(73)

Was die angeblichen Manipulationen bei der Bewertung anbelangt, so weisen die französischen Behörden zu allererst jegliche Verdächtigung von sich, bei der Bewertung der Aktiva einen Wertabschlag in Höhe von 22 Mio. EUR vorgenommen zu haben. Denn da es sich um eine Teileinlage in die Aktiva handelte, auf die eine Veräußerung folgte, habe die einschlägige Rechnungslegung eine Bewertung nicht zum Nettobuchwert, wie dies der erste Beschwerdeführer behauptet, sondern auf der Grundlage der Realwerte der eingebrachten Aktiva und Passiva erfordert. Diese Werte beurteilten sich nach dem Marktpreis oder unabhängiger Sachverständigengutachten. Die geltenden Buchungsregeln seien auch auf die Bewertung der zurückgestellten Steuergutschriften angewendet worden. Was die Bewertung des Bestands an Marken anbelangt, so stütze sich diese auf die Schätzung, die die Europäische Kommission am 23. Mai 2001 anlässlich der Kapitalspritze der SNCF für die „SCS Sernam“ vorgenommen hatte.

(74)

Was die Bewertung der Passiva anbelangt, so sind die französischen Behörden der Auffassung, dass nur die Passiva übertragen wurden, die für die Fortführung der Geschäftstätigkeit der durch die Einlage begünstigten Gesellschaft erforderlich sind. Außerdem sei die Bewertung des „Badwill“ nichts anderes als die buchungstechnische Umschreibung des negativen Marktwertes von 57 Mio. EUR.

2.7.3.   … in Bezug auf die fehlende Verpflichtung zur Rückforderung der Beihilfe von 41 Mio. EUR von der „Sernam Xpress“

(75)

Die französischen Behörden machen geltend, dass die Unterscheidung zwischen „Share deal“ und „Asset deal“, auf der das Argumentationspapier beruht, das die Kommission im Rahmen der Rechtssachen SMI  (16) und CDA  (17) ausgearbeitet hat, im vorliegenden Fall nicht rechtserheblich sei.

2.7.3.1.   … zur Zerlegung der Veräußerung in eine gruppeninterne Übertragung (innerhalb verbundener Unternehmen) sowie einen„Share deal“

(76)

Aus den in den Erwägungsgründen 61 bis 70 beschriebenen Gründen sind die französischen Behörden der Auffassung, dass die Maßnahmen zur Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ keine Übertragung innerhalb verbundener Unternehmen mit einem sich anschließenden „Share deal“ darstellen, sondern eine Veräußerung der Aktiva an einen Dritten.

(77)

Sie machen hilfsweise geltend, dass beim Marktpreis der „Sernam Xpress“ notwendigerweise auch die vorhandenen Schulden von 41 Mio. EUR berücksichtigt worden wären, wenn die Beihilfe mit übertragen worden wäre. Bei dieser Annahme hätte der negative Preis auf 98 (57 + 41) Mio. EUR gelautet. Doch der von der „Financière Sernam“„bezahlte“– in Wirklichkeit zur Zahlung gelangte — negative Preis hätte nur 57 Mio. EUR betragen. Infolgedessen hätte der Verkäufer 41 Mio. EUR gespart, aber somit hätte er den wirtschaftlichen Vorteil der Beihilfe erhalten. Sie beziehen sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil in der Rechtssache „CDA“  (18).

2.7.3.2.   … zur Einhaltung der Bedingungen aus den Urteilen in den Rechtssachen„CDA“und„SMI“

(78)

Die französischen Behörden machen geltend, das Gericht sei in seinem Urteil in der Rechtssache „CDA“ zu der Auffassung gelangt, dass der Umstand, dass die „CDA“ tatsächlich die Tätigkeit der Empfängerunternehmen der Beihilfen fortführt, als solcher jedoch noch nicht beweist, dass im vorliegenden Fall die Absicht bestand, die Wirkungen der Rückforderungsanordnung zu umgehen (19).

(79)

Wie das Gericht präzisierte, habe insofern keine Absicht bestanden, die Wirkungen der Rückforderungsanordnung zu umgehen, als die „CDA“ für die Übernahme von Vermögenswerten der Gesellschaft „LCA“ einen marktgerechten Kaufpreis gezahlt hat (20).

(80)

Den französischen Behörden zufolge hat der Geschäftsvorgang, bei dem die „Sernam Xpress“ das Eigentum an den Aktiva und an einem Teil der Passiva der „Sernam SA“ zu deren Marktwert erworben hat, nicht dazu geführt, dass der „Sernam Xpress“ der tatsächliche Nutzen des Wettbewerbsvorteils verschafft wurde, der mit der Gewährung der Beihilfe von 41 Mio. EUR entstanden ist. Außerdem könne die Kommission aus diesem Umstand nicht schlussfolgern, dass die „Sernam SA“ infolge des Erwerbs ihrer Vermögenswerte durch die „Sernam Xpress“ als unternehmenssubstanzlose Hülle verbleibt, gegenüber der die Rückforderung der als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärten Beihilfe nicht wirksam durchgesetzt werden könnte. Ein solches bereits in der Rechtssache „CDA“ entwickeltes Argument habe das Gericht in seinem diesbezüglichen Urteil zurückgewiesen (21).

(81)

Die französischen Behörden heben hervor, dass die Veräußerung der Aktiva „en bloc“ der „Sernam SA“ eine Möglichkeit war, die von der Kommission ausdrücklich ins Auge gefasst wurde. Der Umstand für die SNCF, die Aktiva der „de Sernam“„en bloc“ zum Marktpreis an eine Gesellschaft im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens veräußern zu können, kann also in keinem Fall als eine Umgehung angesehen werden.

(82)

Dies gelte umso mehr, als die Kommission selbst der Auffassung war, dass eine solche Umgehung dann ausgeschlossen werden könne, „wenn die En-bloc-Übertragung der Vermögenswerte der begünstigten Gesellschaft nicht nur zum Marktpreis erfolge, sondern im Rahmen eines bedingungsfreien und allen Konkurrenten dieser Gesellschaft offen stehenden Verfahren“ (22).

(83)

Was das Argument der Kommission (23) anbelangt, demzufolge die Übertragung der Vermögenswerte es nicht nur ermögliche, die Aktiva in Sicherheit zu bringen, was nach dem Urteil in der Rechtssache „CDA“ gestattet ist, sondern auch, eine Struktur zu schaffen, mit der sich neue Investitionen finanzieren lassen, wie z. B. der Ankauf der Gesellschaft „Coulonge“, genüge es festzustellen, dass der Erwerb der Gesellschaft „Coulonge Services“ durch die „Sernam Xpress“ zeitgleich mit der Beherrschungsbeteiligung des „BCP“ an der „Sernam Xpress“ erfolgte, und dass diese erst infolge der Übernahme durch den „BCP“ mithilfe einer frischen Kapitalspritze die Unterstützung für diesen Erwerb bekommen konnte.

(84)

Infolgedessen wäre entgegen den von der Kommission zum Ausdruck gebrachten Zweifeln auch dieser Belang beachtet, den die französischen Behörden als „das dritte Kriterium“ des Urteils in der Rechtssache „CDA“ bezeichnen.

2.7.4.   … in Bezug auf neue Beihilfen für die „Sernam Xpress“ und/oder die „Financière Sernam“

(85)

Was etwaige neue Beihilfen in der Vereinbarung vom 21. Juli 2005 (Kapitalaufstockung der „Sernam SA“ in Höhe von 57 Mio. EUR durch die SNCF; Kapitalaufstockung der „Sernam Xpress“ in Höhe von 2 Mio. EUR durch die SNCF; Bürgschaften die von der SNCF für die „Financière Sernam“ geleistet wurden; Vertragsauflösungsklausel) anbelangt, vertreten die französischen Behörden die Auffassung, dass keine Beihilfeelemente vorliegen, wenn der Verkauf im Rahmen einer offenen und transparenten Ausschreibung zum Marktpreis erfolgt und die dafür anfallenden Kosten geringer als die Liquidationskosten sind.

(86)

Außerdem entspreche der negative Preis, der von der „Financière Sernam“ geboten wurde, auch den Schätzungen unabhängiger Sachverständiger.

(87)

Die französischen Behörden stellen überdies klar, dass die Vertragsauflösungsklausel auf Verlangen der „Financière Sernam“ und einzig und allein zum Schutz vor dem Risiko einer negativen Entscheidung der Kommission in die Vereinbarung vom 21. Juli 2005 aufgenommen wurde. Sie vertreten die Auffassung, dass ohne diese Art von Klausel keinerlei Veräußerung möglich gewesen wäre, und behaupten, dass die Kommission diese Klausel in einer früheren Beihilfeentscheidung nicht infrage gestellt habe (24).

3.   BEIHILFERECHTLICHE WÜRDIGUNG DURCH DIE KOMMISSION

3.1.   RÜCKBLICK AUF DIE BEGRÜNDUNG FÜR ARTIKEL 3 DER ENTSCHEIDUNG „SERNAM 2“

(88)

Einleitend möchte die Kommission in Erinnerung rufen, dass das vorliegende Verfahren nach Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (25) eröffnet wurde, weil die Kommission Anhaltspunkte dafür hatte, dass Frankreich die unter den Bedingungen der Entscheidung „Sernam 2“ genehmigte Beihilfe missbräuchlich verwendet hat, und zwar nach missbräuchlicher Anwendung der unter den Bedingungen der Entscheidung „Sernam 1“ genehmigten Beihilfe.

(89)

Daher macht es für die Kommission Sinn, sich die Gründe in Erinnerung zu rufen, die sie damals zur Aufstellung der Bedingungen nach Artikel 3 der Entscheidung Sernam 2 veranlasst haben: (26)

„[…] Angesichts der weiter oben festgestellten missbräuchlichen Anwendung einer Beihilfe und der Verlängerung des Umstrukturierungsplans ist die Kommission der Ansicht, dass Sernam eine Gegenleistung in Form eines dauerhaften Rückzugs aus Marktsegmenten erbringen muss, die insgesamt überkapazitär sind, um so die Genehmigung eines Teils der hier behandelten Beihilfe zu rechtfertigen.

Die Gewährung staatlicher Beihilfen in Märkten mit strukturellen Überkapazitäten oder schrumpfenden Märkten hätte unmittelbar zur Folge, dass ein Unternehmen, das normalerweise seine Tätigkeit infolge zugegebener Schwierigkeiten hätte einstellen müssen, stark umkämpfte Marktanteile anstelle von wirtschaftlich gesunden Konkurrenzunternehmen unter künstlichen Bedingungen übernehmen kann. Daher ist zu vermeiden, dass die Beihilfe unerwünschterweise dazu führt, wirtschaftlich gesunde Unternehmen von einem umkämpften Markt zu verdrängen, zugunsten von Unternehmen, die aus eigener Kraft nicht bestehen können.

Daher ist die Kommission der Ansicht, dass Sernam sich auf Dauer von ihren Aktivitäten in Marktsegmenten mit Überkapazität zurückziehen muss, in diesem Fall aus dem Segment Sammelgutverkehr/herkömmliche Paketdienste per Straßentransport.

Sernam hat zwar bereits Schritte in diese Richtung unternommen, die Kommission ist jedoch der Ansicht, dass diese nicht ausreichen und dauerhaft fortgesetzt werden müssen. Daher hält die Kommission Auflagen für erforderlich, die i) Sernam die weitere Entwicklung in Richtung einer innovativen Diversifizierung in einem neuen Marktsegment ermöglichen, das ausbaufähig ist (d. h. keine Überkapazitäten aufweist), und ii) es in den Marktsegmenten, die Überkapazitäten aufweisen, stagnieren oder schrumpfen, möglich machen, dass die bisher von Sernam geleisteten Dienste von anderen Unternehmen erbracht werden (womit die Marktanteile frei werden, die Sernam bisher in diesen Segmenten innehatte).

(…)

Die Kommission weist ferner darauf hin, dass bei einem Verkauf von Sernam im Ganzen (Aktiva und Passiva), wie er von den französischen Behörden geplant ist, in jedem Fall die Bedingungen dieser Entscheidung einzuhalten sind (Übernahme der Straßentransporttätigkeit der Sernam durch andere Unternehmen, Diversifizierung der Aktivitäten hin zum Frachtdienst mit der Bahn). Sollte Sernam jedoch seine Aktiva im Ganzen verkaufen, weist die Kommission darauf hin, dass die beiden genannten Bedingungen im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des Unternehmens nicht gelten, da Sernam nicht mehr in ihrer derzeitigen Rechtsform aktiv wäre und ihre Marktanteile an den unabhängigen Käufer abgegeben hätte, der de facto seine Tätigkeiten mit den Aktiva von Sernam fortsetzen könnte.“

(90)

Die Entscheidung „Sernam 2“ zieht somit für die „Sernam SA“ zwei verschiedene Verkaufsszenarien in Betracht: den Verkauf der „Sernam SA“ als Ganzes (Aktiva und Passiva) sowie nur den Verkauf der Aktiva. Bei der ersten Variante ist die Gesellschaft, die die Aktiva und die Passiva erwirbt, den Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 1 der Entscheidung „Sernam 2“ unterworfen; bei der zweiten Variante finden diese Bedingungen keine Anwendung.

(91)

Es macht außerdem Sinn, auf den größeren Zusammenhang hinzuweisen, in den die Entscheidungen „Sernam 1“ und „Sernam 2“ der Kommission eingebettet sind. Die „Sernam SA“, eine Gesellschaft, die sich beständig im Defizit befand, profitierte von staatlichen Betriebsbeihilfen, die von ihrer Muttergesellschaft, der SNCF, an sie verteilt und zum Überleben des Unternehmens auch benötigt wurden.

(92)

Es war daher notwendig, dem künstlichen Überleben einer Gesellschaft ein Ende zu setzen, die ungerechtfertigterweise Marktanteile besetzte und doch nicht wettbewerbsfähig war. Einerseits endete hiermit der Prozess des regelmäßigen Wiederflottmachens der „Sernam“ durch den Staat und andererseits mussten die durch diesen finanziellen Beistand hervorgerufenen Wettbewerbsverzerrungen entweder beseitigt werden oder zu Ausgleichsmaßnahmen führen. Somit war es geboten, die 41 Mio. EUR an widerrechtlicher und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbarer Beihilfe zurückzufordern, die der „Sernam“ von 2001 bis 2004 gewährt wurden, und die Ausgleichsmaßnahmen zu stoppen, die bestimmte Marktbereiche als Gegenposten zu den 503 Mio. EUR an Umstrukturierungsbeihilfen entlasteten.

(93)

Doch stellt die Kommission schon beim ersten Anlauf fest, dass die Art und Weise, wie Frankreich die Entscheidung von 2004 umzusetzen gedenkt, den damit angestrebten Zielen unmittelbar zuwiderläuft. Denn unter dem Deckmantel der Durchführung dieser Entscheidung haben die französischen Behörden auch weiterhin Betriebsbeihilfen gewährt und sich bemüht, die wirtschaftliche Kontinuität dieses Unternehmens aufrechtzuerhalten ohne andere Marktbereiche zu entlasten; vielmehr haben sie noch versucht, die Wettbewerbsposition dieses Unternehmens weiter zu stärken.

(94)

In diesem Stadium ist es geboten, die Mittel, die die französischen Behörden zum Erreichen ihrer Ziele eingesetzt haben, einer methodischen Überprüfung zu unterziehen.

3.2.   MISSBRÄUCHLICHE ANWENDUNG DER DURCH DIE ENTSCHEIDUNG „SERNAM 2“ GENEHMIGTEN BEIHILFEN

(95)

Die französischen Behörden bestätigen, dass die Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 1 der Entscheidung „Sernam 2“ nicht eingehalten wurden. Infolgedessen kann sich die Kommission auf die Nachprüfung beschränken, ob Frankreich die Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ eingehalten hat. Bekanntlich lautet dieser Absatz wie folgt:

„Sollte Sernam bis zum 30. Juni 2005 ihre Aktiva „en bloc“ im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens zum Marktpreis an ein Unternehmen verkaufen, das keine rechtliche Verbindung mit der SNCF hat, gilt Absatz 1 nicht.“

(96)

Wie im Folgenden noch nachgewiesen wird, hat Frankreich diese Bedingungen nicht eingehalten.

3.2.1.   Die Übertragung der Geschäftstätigkeiten ist nicht bis zum 30. Juni 2005 erfolgt.

(97)

Aus den Stellungnahmen der französischen Behörden und des ersten Beschwerdeführers geht hervor, dass die Generaldirektion der SNCF am 30. Juni 2005 das feste Angebot der „Financière Sernam“ lediglich grundsätzlich angenommen hat. Die schriftliche Vereinbarung, durch die alle Parteien rechtlich an die Übertragung gebunden sind, wurde hingegen erst am 21. Juli 2005 unterzeichnet, wobei die verschiedenen Übertragungsmaßnahmen erst am 17. Oktober 2005 erfolgten.

(98)

Die Kommission kommt somit zu dem Schluss, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ nicht bis spätestens zum 30. Juni 2005 erfolgt ist, wie dies aufgrund der einschlägigen Bedingung in der Entscheidung „Sernam 2“ erforderlich gewesen wäre. Dieser einzige Grund würde bereits ausreichen, um daraus den Schluss zu ziehen, dass Frankreich die unter gewissen Bedingungen nach der Entscheidung „Sernam 2“ genehmigte Beihilfe missbräuchlich verwendet hat.

3.2.2.   Die Übertragung der Geschäftstätigkeiten stellt keinen Verkauf dar  (27).

(99)

In den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beruht der Kaufvertrag auf Grundsätzen, die aus dem römischen Recht entwickelt wurden (emptio venditio). Der Verkauf besteht aus der Übertragung des Eigentums an einer Sache gegen Bezahlung des vereinbarten Kaufpreises. Bei diesem Preis muss es sich, wie die französische Regierung in Bezug auf das französische Recht unterstreicht, um einen positiven Preis handeln.

(100)

Eine Transaktion, bei der die Person, die das Eigentum an einer oder an mehreren Sachen übertragen will, der Person, die die Sache(n) annimmt, Geld bietet, stellt keinen Verkauf, sondern einen Vertrag anderer Art dar.

(101)

Im vorliegenden Fall hat die SNCF 59 Mio. EUR gezahlt, indem sie die Kapitalaufstockungen bei der „Sernam SA“ in Höhe von 57 Mio. EUR und bei der „Sernam Xpress“ in Höhe von 2 Mio. EUR vornahm, und überdies noch verschiedene Bürgschaften für die „Financière Sernam“ übernommen. Die Zahlung der „Financière Sernam“ von 2 Mio. EUR an die SNCF und die „Sernam SA“ neutralisiert die Kapitalaufstockung bei der „Sernam Xpress“, aber nicht die anderen Bestandteile der Transaktion. Infolgedessen kann der zwischen der SNCF und der „Financière Sernam“ geschlossene Vertrag nicht als Kaufvertrag gewertet werden. Dies wird übrigens von den französischen Behörden nicht bestritten, die erklären, dass die verschiedenen Maßnahmen zur Übertragung der Geschäftstätigkeiten von der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ keinen Verkauf darstellen, da das französische Recht keinen Verkauf gestattet, der zu vorliegendem Ergebnis führt.

(102)

Die Kommission kommt somit zu dem Schluss, dass der zwischen der SNCF und der „Financière Sernam“ abgeschlossene Vertrag keinen Verkauf darstellt. Auch aus diesem Grund wurde Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ nicht eingehalten, da kein Verkauf vorliegt. Demzufolge hat Frankreich die unter gewissen Bedingungen nach der Entscheidung „Sernam 2“ genehmigte Beihilfe missbräuchlich verwendet.

3.2.3.   Die Übertragung der Geschäftstätigkeiten stellt keinen Verkauf der Aktiva, sondern eine Übertragung der „Sernam SA“ als Ganzes (Aktiva und Passiva) dar.

(103)

Selbst wenn man der Ansicht ist, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ einen Verkauf darstellt, setzt eine Einhaltung von Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ voraus, dass sich dieser Verkauf ausschließlich auf die Aktiva bezieht, und nicht auf die „Sernam SA“ als Ganzes (Aktiva und Passiva). Dies ergibt sich aus dem Erwägungsgrund 217 der Entscheidung „Sernam 2“, der unter dem Erwägungsgrund 89 der vorliegenden Entscheidung zitiert ist.

(104)

Wie in Abschnitt 2.4. dargelegt wurde, beruht die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ durch die SNCF auf die „Financière Sernam“ darauf, dass die „Sernam SA“ ihre 100 %ige Tochter „Sernam Xpress“, der alle Aktiva der „Sernam SA“ wie auch ihre Passiva mit Ausnahme bestimmter Schulden gegenüber der Muttergesellschaft SNCF übertragen wurden, dazu benutzt. Vor dieser Übertragung hatte die SNCF bei der „Sernam SA“ eine Kapitalaufstockung in Höhe von 57 Mio. EUR vorgenommen, wobei dieses frische Geld in den übertragenen Aktiva ausgewiesen wurde. Sobald die Übertragung ausgeführt war, wurde bei der „Sernam Xpress“ selbst eine Kapitalaufstockung in Höhe von 2 Mio. EUR durch die SNCF vorgenommen. Dann wurden die Anteile der „Sernam Xpress“ zum selben Preis (2 Mio. EUR) an die „Financière Sernam“ verkauft.

(105)

Wie in Abschnitt 2.7.1.3. angegeben, rechtfertigen die französischen Behörden dieses Vorgehen mit dem doppelten Zwang, dem man durch das französische Recht und durch die Entscheidung „Sernam 2“ unterworfen war.

(106)

Sie machen geltend, dass das Gesamtergebnis dieses Vorgangs mit dem eines Verkaufs der Aktiva identisch ist. Dieser Vorgang müsste daher einem Verkauf der Aktiva „en bloc“ der „Sernam SA“ im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ gleichgestellt werden.

(107)

Die Kommission kommt zu einem anderen Schluss, und zwar aus zweierlei Gründen.

3.2.3.1.   Die Übertragung der Geschäftstätigkeit besteht aus einer Übertragung im Ganzen (en bloc) der Aktiva und Passiva innerhalb verbundener Unternehmen, und anschließend erfolgt der Verkauf der Geschäftsanteile („Share deal“) der Tochtergesellschaft, die die Aktiva und Passiva erhalten hat.

(108)

Infolge des von der SNCF gesteuerten Vorgehens konnte die „Financière Sernam“ die Aktien der „Sernam Xpress“ erwerben, es konnte also ein Verkauf der Anteile („Share deal“) vorgenommen werden.

(109)

Gewiss ist die SNCF zunächst nach einem nach französischem Recht qualifizierten Verfahren vorgegangen, denn den französischen Behörden zufolge handelt es sich um eine Teileinlage in die Aktiva („apport partiel d’actifs“), (die in Wirklichkeit aber eine Teileinlage in die Aktiva und Passiva ist). Selbst bei getrennter Analyse kann dieses Vorgehen jedoch nicht als „Verkauf der Aktiva an einen Dritten“ gewertet werden. Es erfolgte zu einem negativen Preis von 57 Mio. EUR und stellt daher keinen Verkauf dar (siehe Abschnitt 3.2.2.). Außerdem bezieht es sich nicht nur auf die Aktiva, sondern auch auf die gesamten Passiva, mit Ausnahme bestimmter Schulden der „Sernam SA“ bei ihrer Muttergesellschaft, der SNCF. Bei dem Vorgehen handelte es sich also um eine Übertragung der „Sernam SA“ als Ganzes (Aktiva und Passiva) und nicht nur um den Verkauf der Aktiva (siehe auch Abschnitt 3.2.3.2.).

(110)

Schließlich erfolgte diese Übertragung bei einem 100 %igen Tochterunternehmen, nämlich der „Sernam Xpress“, die eine Zweckgesellschaft ist und dazu dient, die Aktiva und Passiva der „Sernam SA“ aufzunehmen, und zwar zu dem alleinigen Zweck, selbst wieder an die „Financière Sernam“ weiterverkauft zu werden. Die betreffende Einlage wurde also nicht etwa bei einem dritten und von der SNCF unabhängigen Unternehmen eingebracht.

(111)

In einem zweiten Schritt wurden die Anteile an der „Sernam Xpress“ an die „Financière Sernam“ verkauft, was auch keinen Verkauf von Aktiva an einen Dritten, sondern eine Übertragung von Anteilen bzw. einen „Share deal“ (und damit eine Übertragung des gesamten Unternehmens) darstellt.

(112)

Infolgedessen stellt keine der Maßnahmen der SNCF einen Verkauf der Aktiva im Ganzen („en bloc“) der „Sernam SA“ an eine Gesellschaft ohne rechtliche Verbindung mit der SNCF dar, und somit wurden die Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ nicht eingehalten.

3.2.3.2.   Die Übertragung beschränkt sich nicht auf die Aktiva, sondern umfasst die Gesamtheit (Aktiva und Passiva) der „Sernam SA“.

(113)

Der Erwägungsgrund 217 der Entscheidung „Sernam 2“, der unter dem Erwägungsgrund 89 dieser Entscheidung zitiert ist, unterscheidet klar und deutlich zwischen dem Verkauf der Aktiva einerseits und dem Verkauf der „Sernam SA“ als Ganzes (Aktiva und Passiva) andererseits. Aus diesem Erwägungsgrund ergibt sich eindeutig, dass die französischen Behörden, wenn sie einen Verkauf der „Sernam SA“ als Ganzes (Aktiva und Passiva) vornehmen müssten, wie sie dies zum Zeitpunkt der Annahme der Entscheidung „Sernam 2“ auch wollten, dazu verpflichtet wären, die Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 1 der Entscheidung „Sernam 2“ einzuhalten.

(114)

Im Ergebnis führen die verschiedenen Übertragungsmaßnahmen dazu, dass zum Zeitpunkt der Annahme der Entscheidung „Sernam 2“ die „Financière Sernam“ mit dem Erwerb der „Sernam Xpress“ auch alle Aktiva und Passiva der „Sernam SA“ erwirbt, bis auf folgende Ausnahmen: zum einen wurden die Aktiva durch die Kapitalspritzen von 57 Mio. EUR für die „Sernam SA“ und von 2 Mio. EUR für die „Sernam Xpress“ vergrößert (siehe auch Abschnitt 3.2.4. dieser Entscheidung) und zum anderen wurden die Passiva in Höhe des von der Gesellschaft „Sernam SA“ bei der SNCF-Gruppe aufgenommenen Beteiligungsdarlehens, Passivposten infolge der Vertragsauflösung „IBM — GPS“, und in Höhe der Rückzahlungsverpflichtung der mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfe von 41 Mio. EUR verkleinert.

(115)

Doch diese Korrekturen an der Bandbreite können nicht die Tatsache verschleiern, dass die wesentlichen Teile der Aktiva und Passiva der „Sernam SA“ unzweifelhaft zunächst auf die „Sernam Xpress“ und dann auf die „Financière Sernam“ übertragen wurden.

(116)

Die Übertragung der Geschäftstätigkeiten stellt also keinen Verkauf der Aktiva, sondern eine Übertragung der „Sernam SA“ als Ganzes (Aktiva und Passiva) bis auf einige Ausnahmen dar. Infolgedessen und auch aus diesem Grund wurden die Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ nicht eingehalten.

3.2.4.   Die Übertragung ist nicht auf die Aktiva begrenzt, die die „Sernam SA“ zum Zeitpunkt der Annahme der Entscheidung „Sernam 2“ besaß, sondern sie wurde um 59 Mio. EUR erhöht.

(117)

Die Kommission weist auch darauf hin, dass auf der Seite der Aktiva durch die Kapitalaufstockungen bei der „Sernam SA“ und der „Sernam Xpress“ die Summe von 59 Mio. zugeflossen ist und sich dieser Zufluss auf dem Wirtschaftsplan unter Berücksichtigung der Zahlung von 2 Mio. EUR durch die „Financière Sernam“ auf 57 Mio. EUR beläuft. Ein solcher Zufluss zu den Aktiva ist nach Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ nicht gestattet.

3.2.5.   Die Übertragung der Geschäftstätigkeiten erfolgte nicht im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens.

(118)

Die französischen Behörden sorgten zunächst für ein transparentes und offenes Verfahren. Dennoch hat die SNCF bis zum Ende dieses Verfahrens kein verbindliches Angebot erhalten.

(119)

Nach dem Misserfolg des transparenten und offenen Verfahrens wurde der Vertrag über die verschiedenen Maßnahmen zur Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ mit der „Financière Sernam“ abgeschlossen. Da Letztere nicht als solche und in autonomer Eigenschaft am transparenten und offenen Verfahren teilgenommen hat, ist die Übertragung der Geschäftstätigkeiten letztlich nicht im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens erfolgt.

(120)

Auch aus diesem Grund wurden die Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ nicht eingehalten.

3.2.6.   Der Zweck des Verkaufs der Aktiva wurde nicht erfüllt.

(121)

Die Entscheidung „Sernam 2“ erläutert in ihrem Erwägungsgrund 217 den Zweck des Verkaufs der Aktiva wie folgt:

Sernam […] [[hat] ihre Marktanteile an den unabhängigen Käufer abgegeben […] der de facto seine Tätigkeiten mit den Aktiva von Sernam fortsetzen könnte.

(122)

Sinn und Zweck des Verkaufs der Aktiva war es also, die Marktanteile und die Aktiva der „Sernam SA“ abzugeben sowie einen Dritten in die Lage zu versetzen, diese Aktiva für sich zu nutzen. Der Verkauf der Aktiva zielte somit darauf ab, die wirtschaftliche Tätigkeit der „Sernam SA“ abzubrechen.

(123)

Doch im vorliegenden Fall wurde die „Sernam SA“ als Ganzes von ihren Führungskräften erworben und in die künftige „Financière Sernam“ umgruppiert. Die wirtschaftliche Kontinuität ist total gewährleistet, und darüber hinaus ist das Unternehmen von einem bedeutenden Teil seiner Schulden befreit und hat frisches Kapital in Höhe von 59 Mio. EUR erhalten, von denen 57 Mio. EUR wirtschaftlich weiter zulasten der SNCF gehen. Abgesehen von der Tatsache, dass besagtes Vorgehen die Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ nicht erfüllt, sorgt es auch nicht dafür, dass die mit dieser Entscheidung verfolgten Ziele erreicht werden können. Ganz im Gegenteil, es führt zu einer Stärkung der wirtschaftlichen Einheit, was wiederum die Wettbewerbsverzerrungen noch verstärken dürfte, die gerade mit den Maßnahmen, die die Entscheidung auferlegt hat, abgeschwächt werden sollten.

3.2.7.   Mit den von Frankreich dargelegten Argumenten lässt sich nicht nachweisen, dass Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ beachtet wurde.

(124)

Das Argument Frankreichs, die ergriffenen Maßnahmen seien in ihrer Gesamtheit einem Verkauf der Aktiva „en bloc“ gleichgestellt, kann nicht akzeptiert werden. Denn das erste Wesensmerkmal des Verkaufs der Aktiva im Ganzen („en bloc“) besteht von seiner Natur her darin, dass er gerade nicht auf dem Verkauf der Anteilscheine beruht. Infolgedessen kann die Kommission das Argument nicht akzeptieren, demzufolge mehrere in sich unterschiedliche Rechtshandlungen (Teileinlage in die Aktiva und Passiva, anschließend „Share deal“) einer bestimmten Rechtshandlung (Verkauf der Aktiva) gleichkommen, da ja die eine der tatsächlich vorgenommenen Rechtshandlungen die Umkehr der angestrebten Rechtshandlung darstellt.

(125)

Ebenso wenig kann das Argument akzeptiert werden, demzufolge ein direkter Verkauf der Aktiva der „Sernam SA“ an die „Financière Sernam“ nach französischem Recht nicht möglich ist. Erstens ließ die Entscheidung „Sernam 2“ Frankreich bekanntlich zwei alternative Wege zu ihrer Umsetzung. Selbst wenn man unterstellt, dass sich der Verkauf der Aktiva als undurchführbar erwies, so konnten die französischen Behörden der Entscheidung immer noch nachkommen, indem sie der in Artikel 3 Absatz 1 der Entscheidung „Sernam 2“ vorgesehenen Möglichkeit Folge leisteten (Beschränkung der eigenen Tätigkeiten der Sernam SA allein auf die Beförderung von Paketen mit der Bahn, Unterauftragsvergabe der Straßentransportmittel und -dienste). Wenn zweitens die Drittgläubiger sich wirklich einem Verkauf mit negativem Preis widersetzt hätten, hätte die „Sernam SA“ immer noch ein Kollektivverfahren einleiten können, in dessen Rahmen der Verkauf der Aktiva hätte stattfinden können.

(126)

Wenn schließlich die französischen Behörden auf Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Entscheidung „Sernam 2“ gestoßen sind, hätten sie wieder auf die Kommission zukommen müssen, um im Einvernehmen mit ihr eine Lösung zu finden, die nach dem in Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) vorgesehenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit ein neues, anderes Konzept zum Tragen bringt. Zwar haben die französischen Behörden der Kommission am 24. November 2004 einen Besuch abgestattet und ihr am 21. Dezember 2004 ein förmliches Schreiben zugeleitet, mit dem sie sie über ihre Wahl unterrichten, die Aktiva „en bloc“ zu verkaufen, ohne allerdings auf die wesentlichen Elemente einzugehen, aber es ist doch darauf hinzuweisen, dass Frankreich der Kommission zu keinem Zeitpunkt eine Modifizierung des genehmigten Umstrukturierungsplans mitgeteilt hat, wie dies den Bedingungen der Entscheidung „Sernam 2“ entsprochen hätte. Denn in Abschnitt 3.2.3. der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (28) wird bekräftigt, dass ein Mitgliedstaat von einem genehmigten Umstrukturierungsplan nicht ohne vorherige Mitteilung und Genehmigung von Änderungen an bzw. durch die Kommission abweichen darf.

(127)

Die Kommission hat aber nie ihre Zustimmung dazu gegeben, wie Frankreich die Durchführung der Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ gegeben.

3.2.8.   Schlussfolgerung: Frankreich hat Artikel 3 der Entscheidung „Sernam 2“ nicht eingehalten und die Beihilfe in Höhe von 503 Mio. EUR missbräuchlich verwendet.

(128)

Demzufolge ist die Kommission der Auffassung, dass Artikel 3 der Entscheidung „Sernam 2“ nicht beachtet wurde. Folglich wurde die unter den Bedingungen der Entscheidung „Sernam 2“ genehmigte Umstrukturierungsbeihilfe in Höhe von 503 Mio. EUR missbräuchlich verwendet.

3.2.9.   Die Beihilfe in Höhe von 503 Mio.: EUR ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

(129)

Da die Beihilfe von 503 Mio. EUR vom Begünstigten unter Verletzung der Entscheidung „Sernam 2“ verwendet wurde, ist sie auf der Grundlage dieser Entscheidung nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

(130)

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es Sache des Mitgliedstaats, die Gründe geltend zu machen, die für die Vereinbarkeit einer Beihilfe sprechen. Da Frankreich keinerlei Grund für die Vereinbarkeit geltend gemacht hat, kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Beihilfe von 503 Mio. EUR mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist und samt Zinsen zurückgefordert werden muss, die ab dem Zeitpunkt der Bereitstellung der Beihilfe berechnet werden.

(131)

Diese Rückforderung muss bei der „Financière Sernam“ und ihren Betriebsgesellschaften, namentlich der „Sernam Services“ und der „Aster“ erfolgen, die heute die mit der Beihilfe geförderte wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, welche ehemals von der „Sernam SA“ (heute aufgelöst) und danach von der „Sernam Xpress“ wahrgenommen worden war (deren Gesellschaftsvermögen infolge einer Gesamtrechtsnachfolge von der „Financière Sernam“ übernommen wurde). Denn zunächst ist zu bedenken, dass die „Sernam Xpress“ infolge einer Übertragung innerhalb der Unternehmensgruppe sämtliche Aktivaposten und einen Teil der Passiva von der „Sernam SA“ übernommen hat. Die „Sernam Xpress“ führte somit die wirtschaftliche Tätigkeit der „Sernam SA“ fort (siehe auch die eingehende Darstellung in Abschnitt 3.3.). Danach wurde aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge die „Financière Sernam“ Rechtsnachfolger der „Sernam Xpress“. Die „Financière Sernam“ und ihre Betriebsgesellschaften, namentlich die „Sernam Services“ und die „Aster“ führen die Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ und der „Sernam Xpress“ fort und profitieren daher weiterhin von der ursprünglich der „Sernam SA“ gewährten Beihilfe in Höhe von 503 Mio. EUR.

3.3.   RÜCKFORDERUNG DER BEIHILFE IN HÖHE VON 41 MIO. EUR

(132)

Die Beihilfe von 41 Mio. EUR, die aufgrund der Entscheidung „Sernam 2“ von Frankreich von ihrem Begünstigten zurückgefordert werden müsste, wurde auf der Passivseite der Liquidation der „Sernam SA“ ausgewiesen.

(133)

Die französischen Behörden sind der Auffassung, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ im Rahmen eines Verfahrens, das sie als transparent und offen bewerten, nach Artikel 4 der Entscheidung „Sernam 2“ zur Folge hätte, dass sich ihre Verpflichtung zur Rückforderung allein auf die „Sernam SA“ beschränkt.

(134)

Artikel 4 der Entscheidung „Sernam 2“ lautet:

„Jeder Verkauf von Sernam (zum Teil oder im Ganzen) muss zum Marktpreis und im Rahmen eines transparenten und für alle Konkurrenten offenen Verfahrens stattfinden. In diesem Fall hat Sernam — sofern das Unternehmen weiter besteht — die Beihilfe in Höhe von 41 Mio. EUR zurückzuerstatten.“

(135)

Artikel 4 trifft eine Unterscheidung danach, ob ein Abbruch der wirtschaftlichen Tätigkeit der „Sernam“ erfolgte oder nicht. Nimmt man einen Wegfall dieser Tätigkeit an, besteht keinerlei Möglichkeit zur Rückforderung der Beihilfe bei denjenigen, die die Aktiva zum Marktpreis im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens erworben haben.

(136)

Die Kommission weist überdies darauf hin, dass der Gerichtshof und das Gericht in ihrer Rechtsprechung gerade diesen Faktoren entscheidende Bedeutung beimessen.

(137)

Das Urteil SMI  (29) unterscheidet im Fall des Verkaufs der Geschäftstätigkeiten, für die eine Beihilfe bereitgestellt wurde, zwei Möglichkeiten, nämlich den Verkauf der Gesellschaftsanteile des Unternehmens, nach dem das Unternehmen, das die Beihilfe erhalten hat, seine Rechtspersönlichkeit behält („Share deal“), und den Verkauf der Aktiva des Unternehmens (zum Teil oder im Ganzen) an ein anderes Unternehmen, nach dem die mit Beihilfen geförderte wirtschaftliche Tätigkeit nicht weiterhin von derselben Rechtspersönlichkeit ausgeübt wird („Asset deal“).

(138)

In Bezug auf den „Share deal“ hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass (30)

„[…] wenn ein Unternehmen, das eine rechtswidrige staatliche Beihilfe erhalten hat, zum Marktpreis erworben wird, d. h. zum höchsten Preis, den ein privater Investor unter normalen Wettbewerbsbedingungen für diese Gesellschaft in der Situation, in der sie sich — insbesondere nach dem Erhalt staatlicher Beihilfen — befand, zu zahlen bereit war, das Beihilfeelement zum Marktpreis bewertet und in den Kaufpreis einbezogen [wurde]. Unter diesen Umständen kann der Erwerber nicht als Nutznießer eines Vorteils gegenüber den übrigen Marktteilnehmern angesehen werden (in diesem Sinn auch Urteil vom 20. September 2001 in der Rechtssache C-390/98, Banks, Slg. 2001, I-6117, Randnr. 77).

Im vorliegenden Fall behält das Unternehmen, dem rechtswidrige staatliche Beihilfen gewährt wurden, seine Rechtspersönlichkeit und übt weiterhin für eigene Rechnung die mit den staatlichen Beihilfen subventionierten Tätigkeiten aus. Normalerweise verbleibt daher der mit den fraglichen Beihilfen verbundene Wettbewerbsvorteil bei diesem Unternehmen, so dass ihm die Verpflichtung obliegt, einen Betrag in Höhe dieser Beihilfen zurückzuzahlen. […]“

(139)

In Bezug auf den „Asset deal“ fährt der Gerichtshof wie folgt fort: (31)

„Werden Auffanggesellschaften gegründet, um einen Teil der Tätigkeiten des Unternehmens, das die Beihilfen erhalten hat, nach seinem Konkurs fortzuführen, so kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass gegebenenfalls auch diese Gesellschaften zur Rückerstattung der fraglichen Beihilfen verpflichtet sein können, falls erwiesen wäre, dass ihnen der tatsächliche Nutzen des mit dem Erhalt dieser Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteils verblieben ist. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Auffanggesellschaften die Aktiva der in Konkurs befindlichen Gesellschaft erwerben, ohne dafür einen den Marktbedingungen entsprechenden Preis zu zahlen, oder wenn feststeht, dass mit der Gründung dieser Gesellschaften die Pflicht zur Rückerstattung der Beihilfen umgangen wurde.“

(140)

Dieselbe Unterscheidung findet sich im Urteil Seleco  (32). In diesem Urteil bestätigt der Gerichtshof, dass die Kommission verlangen kann, dass die Rückforderung sich nicht auf das ursprüngliche Unternehmen beschränkt, sondern auf das Unternehmen ausgedehnt wird, das die Tätigkeit des ursprünglichen Unternehmens unter Einsatz der übertragenen Produktionsmittel fortsetzt, wenn bestimmte Elemente der Übertragung die Feststellung erlauben, dass die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den beiden Unternehmen anhalten. Zur Feststellung der wirtschaftlichen Kontinuität hat der Gerichtshof auch folgende Indikatoren als relevant angesehen: den Gegenstand der Übertragung (Aktiva und Passiva, Fortbestand der Belegschaft, gebündelte Aktiva), den Übertragungspreis, die Identität der Aktionäre und Eigentümer des erwerbenden und des ursprünglichen Unternehmens, den Zeitpunkt der Übertragung (nach Beginn der Untersuchung, der Verfahrenseinleitung und der abschließenden Entscheidung) und schließlich die ökonomische Folgerichtigkeit der Transaktion (33).

(141)

Hier ist der Hinweis angebracht, dass die Verkäufe der Aktiva in den Rechtssachen SMI und Seleco im Rahmen eines Kollektivverfahrens unter der Aufsicht eines Richters erfolgten. Sie bezogen sich nur auf einen Teil der Aktiva der dem Kollektivverfahren unterliegenden Unternehmen. Ferner wurde dem Gerichtshof zufolge nicht festgestellt, dass sie nicht den Marktbedingungen entsprochen hätten.

(142)

Das Gericht hat in seinem Urteil CDA  (34) einen „Asset deal“ untersucht und dabei insbesondere überprüft, ob im vorliegenden Fall Hinweise vorlagen, aus denen sich auf eine Umgehung der Wirkungen der Rückzahlungsanordnung schließen ließ, da nur ein Teil der Aktiva verkauft worden war. Das Gericht war der Auffassung, dass die Kommission eine derartige Absicht im vorliegenden Fall nicht dargetan hat und der CDA nicht der tatsächliche Nutzen des mit dem Erhalt der Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteils verblieben ist. Diese Feststellung hat das Gericht auf zwei Tatsachen gestützt: Der Verkauf war auf einen Teil der Aktiva begrenzt, die „en bloc“ verkauft wurden, und durch diese Vorgehensweise (d. h. den Verkauf „en bloc“) ließ sich ein höherer Verkaufserlös erzielen als bei einer Einzelveräußerung der betreffenden Vermögenswerte.

(143)

Es ist daher angebracht, die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ anhand der vom Gerichtshof und vom Gericht entwickelten Kriterien zwecks Feststellung zu untersuchen, ob die Rückforderung auf die „Financière Sernam“ und ihre Betriebsgesellschaften „Sernam Services“ und „Aster“ auszudehnen ist.

(144)

Was zunächst die Übertragung der gesamten Aktiva und Passiva der „Sernam SA“ auf die „Sernam Xpress“ mit Ausnahme von drei finanziellen Passiva (Beteiligungsdarlehen, das von der Gesellschaft „Sernam SA“ bei der SNCF-Gruppe aufgenommen wurde, Passivposten infolge der Vertragsauflösung „IBM — GPS“; Verpflichtung zur Rückzahlung der mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfe von 41 Mio. EUR) anbelangt, stellt die Kommission fest, dass diese Übertragung das Unternehmen als Ganzes umfasste (siehe Abschnitt 3.2.3.). Zwischen der „Sernam SA“ und der „Sernam Xpress“ besteht daher wirtschaftliche Kontinuität. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von den Sachverhalten, die den Urteilen SMI, Seleco und CDA zugrunde lagen und nur den Verkauf von einem Teil der Aktiva betrafen. Ferner fand die Übertragung innerhalb verbundener Unternehmen statt. Sie erfolgt nach einer endgültigen Entscheidung der Kommission, die die Rückforderung der Beihilfe anordnet. Ihre einzige ökonomische Logik besteht darin, die Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ fortführen zu können, ohne die Bedingungen nach Artikel 3 der Entscheidung „Sernam 2“ einhalten zu müssen. Damit sind sämtliche Kriterien für die Darlegung der wirtschaftlichen Kontinuität im Sinne der Entscheidung und des Urteils Seleco gegeben.

(145)

Die Kommission stellt im Übrigen fest, dass die Übertragung auf „Sernam Xpress“ nicht den Marktbedingungen entspricht. Die Übertragung auf „Sernam Xpress“ erfolgte zu einem negativen Preis und ist nicht das Ergebnis eines transparenten und offenen Verfahrens (siehe Abschnitt 3.2.5.). Zu dem negativen Preis von 57 Mio. EUR, der wie eine Betriebsbeihilfe gestaltet ist, mit der sich die Verluste der „Sernam Xpress“ für den Zeitraum 2005-2008 decken lassen, (35) gesellt sich der Forderungsverzicht der SNCF gegenüber der „Sernam SA“ in Höhe von 38,5 Mio. EUR (siehe Erwägungsgrund 27). Schließlich stellt die Kommission auch noch fest, dass es sich bei den in der „Sernam SA“ verbleibenden Passiva um Schulden gegenüber Dritten und nicht um Schulden gegenüber der SNCF handelt. Mit ihrer Kapitalspritze von 57 Mio. EUR hat die SNCF dafür gesorgt, dass die „Sernam Xpress“ ihre Gläubiger zumindest für den Zeitraum 2005-2008 komplett befriedigen kann. Hätte die SNCF als Gegenleistung nur die Aktiva zu einem positiven Preis verkauft, wären die Schulden der „Sernam SA“ gegenüber Dritten nur in Höhe des Verkaufserlöses beglichen worden. Dies ist ein zusätzliches Anzeichen dafür, dass das vertragliche Gleichgewicht zwischen der SNCF und der „Financière Sernam“ nicht den Marktbedingungen entspricht.

(146)

Auch ist zu bemerken, dass der negative Preis von 57 Mio. EUR höher ausfällt als das beste Angebot, das bei der erfolglosen Ausschreibung einging und sich auf einen negativen Preis in Höhe von 56,4 Mio. EUR belief (Angebot zweite Runde [Bewerber 5]).

(147)

Die Übertragung hat dafür gesorgt, dass die „Sernam Xpress“ der auf der „Sernam SA“ lastenden Rückzahlungsanordnung in Höhe von 41 Mio. EUR entkommen konnte und sie in die Lage brachte, die Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ fortführen zu können ohne die Beihilfe zurückzahlen und ohne die Bedingungen nach Artikel 3 der Entscheidung „Sernam 2“ erfüllen zu müssen.

(148)

Aus diesen Gründen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Sernam Xpress“ zur Folge hat, dass der „Sernam Xpress“ der tatsächliche Nutzen des mit dem Erhalt der Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteils verblieben ist. Denn zwischen diesen beiden Gesellschaften hat es immer wirtschaftliche Kontinuität gegeben, und die Übertragung entspricht der Umgehung der Rückzahlungsanordnung, die auf der „Sernam SA“ lastete.

(149)

Wie in den Urteilen SMI und Seleco erläutert wurde, hat der Verkauf von Anteilen an einer Gesellschaft, die Empfängerin einer rechtswidrigen Beihilfe ist, durch den Anteilseigner an einen Dritten keinerlei Einfluss auf die Verpflichtung zur Rückforderung von der begünstigten Gesellschaft. Folglich hatte der Verkauf der Gesellschaftsanteile der „Sernam Xpress“ an die „Financière Sernam“ nicht die Befreiung der „Sernam Xpress“ von der Verpflichtung zur Rückzahlung der Beihilfe von 41 Mio. EUR zur Folge.

(150)

Nach der Fusion von „Sernam Xpress“ und „Financière Sernam“ ist die Rückforderungsverpflichtung auf die „Financière Sernam“ übergegangen. Darüber hinaus führen die „Financière Sernam“ und ihre Betriebsgesellschaften, namentlich die „Sernam Services“ und die „Aster“ die Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ und der „Sernam Xpress“ fort und profitieren weiterhin von der ursprünglich der „Sernam SA“ gewährten Beihilfe in Höhe von 41 Mio. EUR.

(151)

Aus den unter Ziffer 3.4 dargelegten Gründen müssen die Argumente, die die französischen Behörden aus der Anwendung des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden privaten Investors ziehen, zurückgewiesen werden.

3.4.   DIE NEUEN BEIHILFEN FÜR DIE „SERNAM XPRESS“

(152)

Die Vereinbarung vom 21. Juli 2005 sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, die durchaus neue Beihilfen darstellen können (vgl. Erwägungsgrund 36). Die Kommission muss überprüfen, ob diese Maßnahmen tatsächlich neue Beihilfen darstellen, und ob diese Beihilfen gegebenenfalls als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden können.

(153)

Den französischen Behörden zufolge gehen alle diese Maßnahmen mit dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Investors konform. Denn die SNCF hätte die Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die Gesellschaft übertragen, die bei der transparenten und offenen Ausschreibung das beste Angebot abgegeben. Dieses Angebot sei, auch wenn es einen negativen Preis ausweist, für den staatlichen Aktionär weniger teuer als die Liquidation der „Sernam“.

(154)

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass in einer Rechtslage, in der es um die Rückforderung einer Beihilfe geht, der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Investors keine Anwendung findet. Der Staat handelt bei der Rückforderung einer Beihilfe aufgrund von Verpflichtungen, die ihm kraft des Rechts der Europäischen Union obliegen, und eben nicht als staatlicher Aktionär.

(155)

Die Kommission stellt darüber hinaus fest, dass Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung „Sernam 2“ den Verkauf von Aktiva als gleichwertig mit den Ausgleichsmaßnahmen nach Artikel 3 Absatz 1 betrachtet. Nach Ziffer 40 der Leitlinien der Gemeinschaft für Staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (36) kann die Veräußerung einer defizitären Geschäftstätigkeit nicht als Ausgleichsmaßnahme betrachtet werden. Der zwischen der SNCF und der „Financière Sernam“ vereinbarte negative Preis führt vor Augen, dass es sich um die Veräußerung einer defizitären Geschäftstätigkeit handelt, die einer Ausgleichsmaßnahme nicht gleichwertig sein kann. Im vorliegenden Fall entspricht der negative Preis einer Betriebsbeihilfe für das Unternehmen, das sich somit von Natur aus nicht dafür eignet, Wettbewerbsverzerrungen zu verringern.

(156)

Sollte man den von Frankreich verteidigten Standpunkt akzeptieren, dann könnte sich Frankreich seiner Verpflichtung entziehen, die kraft der Entscheidung „Sernam 2“ als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärte Beihilfe von 41 Mio. EUR wie auch die missbräuchlich verwendete Beihilfe von 503 Mio. EUR von der „Sernam SA“ und allen Gesellschaften, die deren wirtschaftliche Tätigkeit fortführen, zurückzufordern. Ein derartiges Ergebnis stünde in krassem Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs, demzufolge der Mitgliedstaat aufgefordert ist, die Beihilfe unverzüglich zurückzufordern und sich dabei sämtlicher verfügbarer Rechtmittel und -wege zu bedienen, einschließlich der Pfändung der Aktiva des Unternehmens und notfalls auch ihrer Liquidation, wenn sie nicht zur betreffenden Rückzahlung in der Lage ist (37).

(157)

Wenn man den von Frankreich verteidigten Standpunkt akzeptiert, so führt dies auch zu einer Diskriminierung zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen. Während nämlich der Staat die Rückforderung beim Privatunternehmen betreibt, notfalls bis zu dessen Liquidation, könnte sich das öffentliche Unternehmen diesem Schicksal aus dem einzigen Grund entziehen, dass es dem Staat weniger teuer kommt, es zu einem negativen Preis zu verkaufen, als die rechtwidrigen und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen, die es bekommen hat, von ihm zurückzufordern.

(158)

Aus diesen Gründen kommt die Kommission zu der Auffassung, dass sich Frankreich nicht auf den Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Investors berufen kann, um sich den in der Vereinbarung vom 21.Juli 2005 unter dem Begriff staatliche Beihilfen vorgesehenen Maßnahmen zu entziehen.

(159)

Es ist also festzustellen, ob die fraglichen Maßnahmen der „Sernam Xpress“ oder der „Financière Sernam“ einen Vorteil verschafft haben. Da diese beiden Unternehmen später fusioniert haben, ist es nicht notwendig, zwischen den Vorteilen, die dem einen oder dem anderen Unternehmen gewährt wurden, zu unterscheiden. Die anderen drei Kriterien für das Vorliegen einer Beihilfe sind erfüllt: die Maßnahme wird aus Mitteln eines öffentlichen Unternehmens, der SNCF, gewährt; die SNCF ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (EPIC) und unterliegt einer sehr engen staatlichen Aufsicht; die Gewährung des Vorteils ist somit auch dem Staat zurechenbar. Da die „Sernam Xpress“/„Financière Sernam“ auf dem Straßentransportsektor tätig sind, der in der Europäischen Union dem Wettbewerb offensteht, droht der Vorteil den Wettbewerb zu verfälschen und beeinträchtigt den Handel zwischen den Mitgliedstaaten.

3.4.1.   Die von der SNCF bei der „Serrnam SA“ vorgenommene Kapitalaufstockung in Höhe von 57 Mio. EUR

(160)

Durch die Kapitalaufstockung in Höhe von 57 Mio. EUR, die die SNCF bei der „Sernam SA“ vorgenommen hat, erhielt die „Sernam SA“ einen erheblichen finanziellen Vorteil, über den ihre Mitbewerber nicht verfügen. Dieser Vorteil wurde dann zusammen mit den anderen Aktiva und Passiva auf die „Sernam Xpress“ übertragen.

3.4.2.   Die von der SNCF bei der „Sernam Xpress“ vorgenommene Kapitalaufstockung in Höhe von 2 Mio. EUR

(161)

Durch die Kapitalaufstockung in Höhe von 2 Mio. EUR, die die SNCF bei der „Sernam Xpress“ vorgenommen hat, erhielt die „Sernam Xpress“ einen erheblichen finanziellen Vorteil, über den ihre Mitbewerber nicht verfügen. Die Kommission stellt jedoch fest, dass die SNCF von der „Financière Sernam“ eine Zahlung in Höhe von 2 Mio. EUR erhielt, die die Kapitalaufstockung um 2 Mio. EUR neutralisiert, die somit keinen Vorteil verschafft hat.

3.4.3.   Der Forderungsverzicht der SNCF gegenüber der „Sernam SA“

(162)

Wie bereits unter Erwägungsgrund 33 dargelegt wurde, umfasst die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ nicht zwei Forderungen der SNCF gegen die „Sernam SA“ in Höhe von 38,5 Mio. EUR. Indem sie auf diese Forderungen verzichtet hat, gewährte die SNCF der „Sernam Xpress“/„Financière Sernam“ einen Vorteil ihn Höhe des entsprechenden Betrags.

3.4.4.   Die von der SNCF gewährten Bürgschaften

(163)

Bei der Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ hat die SNCF folgende Bürgschaften übernommen:

Sie verpflichtete sich, dass die Raumordnung an einer speziellen Örtlichkeit (Valenton), die für eine Betriebsstätte des TBE benötigt wird, innerhalb einer bestimmten Frist abgeschlossen ist; bei Fristüberschreitung wird eine Vertragsstrafe von 1 Mio. EUR fällig;

sie verpflichtete sich zur Übernahme etwaiger Mieterhöhungen an neuen Betriebsstätten; der Preisausgleich ist auf maximal 3 Mio. EUR begrenzt;

sie verlängerte um drei Jahre das Rückkehrrecht von […] Eisenbahnbediensteten, die zur „Sernam“ abgestellt waren;

sie verlängerte um drei Jahre ein Sozialprotokoll, das […] Beschäftigten von „Sernam“ im Fall ihrer Entlassung (durch die „Sernam“) eine Eingliederung bei der SNCF garantiert;

die SNCF garantierte die „Lebensdauer des Zug-Block-Express (TBE)“ (38) und den Zugang zum TBE (39). Dafür zahlte die SNCF 3 Mio. EUR an die „Sernam Xpress“.

(164)

Was die ersten beiden Bürgschaften anbelangt, so ist offensichtlich, dass sie der „Sernam Xpress“/„Financière Sernam“ einen Vorteil verschaffen. Denn ohne die beiden Sicherheiten hätten die „Sernam Xpress“/„Financière Sernam“ die betreffenden Kosten selbst tragen müssen.

(165)

Was die Sicherheiten für den TBE anbelangt, ist die Kommission der Ansicht, dass sie in erheblichem Umfang das Risiko der „Sernam Xpress“/„Financière Sernam“ verringern. Sie verschaffen diesen somit einen Vorteil.

(166)

Nach den Angaben Frankreichs profitierte von der den Bahnbediensteten gewährten Sicherheit in Wirklichkeit die SNCF. Denn die SNCF hatte eine bestimmte Anzahl von Bahnbediensteten zur „Sernam SA“ abgestellt. Diese Eisenbahnbediensteten, deren Kosten von der „Sernam SA“ getragen wurden, hatten auf einfachen Antrag hin das Recht auf Wiedereingliederung bei der SNCF. Angesichts der Befürchtungen einer etwaigen Privatisierung verlängerte die SNCF dann den Zeitraum, innerhalb dessen die Eisenbahner von ihrem Recht Gebrauch machen konnten, um so eine massive Rückkehrwelle zu verhindern, die für die SNCF noch kostspieliger geworden wäre.

(167)

Die Kommission ist der Ansicht, dass die Eisenbahnbediensteten ohne diese Sicherheit sehr wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Übertragung der Geschäftstätigkeiten ihre Wiedereingliederung bei der SNCF verlangt hätten. Die „Sernam Xpress“ hätte sie dann durch neue Beschäftigte nach privatem Arbeitsrecht ersetzen müssen. Die Kommission denkt, dass im vorliegenden Fall das Gehalt dieser neuen Beschäftigten wahrscheinlich etwas niedriger ausgefallen wäre als das der Eisenbahnbediensteten, was die Zusatzkosten der „Sernam Xpress“ ausgeglichen hätte, die ihr wegen deren geringerer Berufserfahrung oder auch von Schwierigkeiten, eine große Anzahl von neuen Beschäftigten innerhalb von sehr kurzer Zeit einzustellen, entstanden wären.

(168)

Was das die Verlängerung des garantierten Eingliederungsrechts um drei Jahre anbelangt, ist Frankreich der Ansicht, dass darin ein individuelles Recht zu sehen ist, das bestimmten Beschäftigten von der SNCF gewährt wurde. Weder die „Financière Sernam noch die “Sernam Xpress seien Vertragsparteien dieser Vereinbarung.

(169)

Die Kommission kann sich dieser Bewertung nicht anschließen. Denn diese Garantie macht es attraktiver, während des betreffenden Zeitraums noch Beschäftigter der „Sernam Xpress“ zu bleiben, ohne dass der „Sernam Xpress“ die geringsten Kosten dafür entstehen.

(170)

Die Kommission kommt daher zu dem Schluss, dass die von der SNCF in der Vereinbarung vom 21. Juli 2005 gewährten Bürgschaften und Sicherheiten, mit Ausnahme des garantierten Rückkehrrechts der Eisenbahnbediensteten, der „Sernam Xpress“/„Financière Sernam“ einen Vorteil verschaffen.

(171)

Während der Wert der ersten drei Garantien einfach zu beziffern ist (1 Mio. EUR, 3 Mio. EUR und 3 Mio. EUR), ist dies bei der Eingliederungsgarantie nicht der Fall. Frankreich müsste die Gehaltserhöhung ermitteln, die die „Sernam Xpress“/„Financière Sernam“ ohne diese Garantie den Beschäftigten zur Erreichung desselben Ziels gewähren hätten müssen.

3.4.5.   Der Verkaufspreis

(172)

Im Erwägungsgrund 164 der Eröffnungsentscheidung hatte sich die Kommission auch selbst die Frage gestellt, ob der von der „Financière Sernam“„gezahlte“ negative Preis auch wirklich dem Marktwert entsprach. In dieser Hinsicht stellt die Kommission fest, dass inzwischen eine Fusion zwischen der „Sernam Xpress“ und der „Financière Sernam“ erfolgte, und dass die mögliche Beihilfe für die „Financière Sernam“, die etwa in einem zu hohen negativen Preis bestand, ohnehin nicht die 57 Mio. EUR an Beihilfe überstieg, die die „Sernam Xpress“ als neue Beihilfe erhielt. Infolgedessen kann dahingestellt bleiben, ob darin eine mögliche Beihilfe für den Käufer zu sehen ist.

3.4.6.   Schlussfolgerung zum Bestehen neuer Beihilfen

(173)

Die Maßnahmen der Vereinbarung vom 21. Juli 2005, die im vorliegenden Abschnitt 3.4 beschrieben sind, stellen neue Beihilfen für die „Sernam Xpress“/„Financière Sernam“ dar.

3.4.7.   Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt und Rückforderung

(174)

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es Aufgabe des Mitgliedstaats, die Gründe für die Vereinbarkeit einer Beihilfe vorzubringen. Da Frankreich keinerlei Gründe für die Vereinbarkeit genannt hat, schließt die Kommission daraus, dass die Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und samt Zinsen zurückzufordern sind.

(175)

Diese Rückforderung muss bei der „Financière Sernam“ und ihren Betriebsgesellschaften, namentlich der „Sernam Service“ und der „Aster“ erfolgen, die heute die ehemals von der „Sernam Xpress“ (fusioniert mit der „Financière Sernam“) ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit fortführen, die mit der Beihilfe gefördert wurde.

3.5.   VERTRAGSAUFLÖSUNGSKLAUSEL

(176)

Die Vereinbarung vom 21. Juli 2005 enthält eine Vertragsauflösungsklausel für den Fall einer negativen Entscheidung der Europäischen Kommission in den fünf auf den Abschluss der Vereinbarung folgenden Jahren. Auch diese Klausel könnte eine neue Beihilfe darstellen. Die Hilfe bestünde indessen in ihrer Nichtanwendbarkeit. Da die Klausel in der Tat nicht angewendet wurde, hat sie ihr Ziel erreicht. Es ist daher nicht nötig, diese Klausel weiter zu analysieren.

3.6.   BERECHTIGTER VERTRAUENSSCHUTZ

(177)

Dem Argument der französischen Behörden, ihre Bemühungen (wie ihr Besuch bei der Kommission am 24. November 2004 und ihr Schreiben vom 21. Dezember 2004), die sie in Treu und Glauben und gemäß ihrer Pflicht zur guten Zusammenarbeit bei der Kommission unternommen haben, hätten das berechtigte Vertrauen aufkommen lassen, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ mit der Entscheidung „Sernam 2“ und dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist, kann nicht gefolgt werden.

(178)

Denn die von Frankreich übermittelten Informationen beschränkten sich darauf, die Kommission von der Entscheidung über den Verkauf der Aktiva „en bloc“ in Kenntnis zu setzen, ohne jedoch die wesentlichen Elemente der Maßnahme zur Übertragung der Aktiva der „Sernam SA“ darzulegen. So beschränkt sich insbesondere das Informationsschreiben vom 21. Dezember 2004 an die Kommission auf die Angabe bestimmter Komponenten in Bezug auf die Organisation des Verfahrens zur Übertragung der Aktiva und auf seinen offenen und transparenten Charakter im Hinblick auf den Verkauf zum Marktpreis noch vor dem 30. Juni 2005.

(179)

Somit wurde der Kommission keine der folgenden Komponenten zur Kenntnis gebracht:

1.

Die Tatsache, dass die beabsichtigte Veräußerung auf einer gruppeninternen Übertragung der Aktiva und Passiva auf eine andere juristische Person („Sernam Xpress“) beruhen und anschließend die Veräußerung dieser anderen juristischen Person betrieben würde („Share deal“);

2.

die Tatsache, dass ein Teil der Passiva zusammen mit den Aktiva übertagen würde und dann nur die Rückzahlungsanordnung bezüglich der Beihilfe von 41 Mio. EUR und die Forderungen der SNCF in Höhe von 38,5 Mio. EUR in den Passiva der „Sernam SA“ verbleiben;

3.

die Tatsache, dass Frankreich für eine Kapitalaufstockung der „Sernam SA“ und der „Sernam Xpress“ im Falle des Rückübernahmeangebots zu einem negativen Preis zur Verfügung stand.

(180)

Mangels Informationen über diese Komponenten konnte die Kommission nicht voraussehen, wie Frankreich die Entscheidung „Sernam 2“ schließlich umsetzen würde. Das Schreiben vom 21. Dezember 2004 lässt im Gegenteil erkennen, dass die Veräußerung ohne Unterscheidung zwischen den verschiedenen Passivaposten und zu einem positiven Preis erfolgen werde, da es angibt, dass „nach abgeschlossener Veräußerung die daraus hervorgegangenen Güter zur Rückzahlung der Passiva der juristischen Person „Sernam“, darunter die unvereinbare Beihilfe, im Rahmen der üblichen innerstaatlichen Verfahren eingesetzt werden“.

(181)

Wenn in Anbetracht des negativen Charakters der für die Aktiva der „Sernam SA“ gebotenen Preise die Möglichkeit einer etwaigen Kapitalaufstockung (Komponente 3) erst bei Eingang dieser Angebote ins Blickfeld kam, so musste doch wenigstens das Prinzip des Verkaufs der Aktiva zusammen mit einem Teil der Passiva (Komponente 2) vom Grundsatz her Frankreich bereits bewusst sein, da ihr betreffendes Schreiben am 21. Dezember 2004 verfasst wurde. Wie dem auch sei, die französischen Behörden können jedenfalls erst dann behaupten, berechtigtes Vertrauen zu genießen, wenn sie die Kommission aus eigenem Antrieb und von sich aus am 21. Dezember 2004 oder später über diese substanziellen Komponenten unterrichtet hätten.

(182)

Schließlich und vor allem, selbst wenn die französischen Behörden bei der Umsetzung der Entscheidung „Sernam 2“ auf Schwierigkeiten gestoßen sind, so hätten sie wieder auf die Kommission zukommen müssen, um im Einvernehmen mit ihr eine Lösung zu finden, die nach dem in Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) vorgesehenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit ein neues, anderes Konzept zum Tragen bringt. In Abschnitt 3.2.3 der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (40) wird bekräftigt, dass ein Mitgliedstaat in Anwendung dieses allgemeinen Grundsatzes von einem genehmigten Umstrukturierungsplan nicht ohne vorherige Mitteilung und Genehmigung von Änderungen an bzw. durch die Kommission abweichen darf.

(183)

Außerdem hat die Kommission niemals eine Zustimmung welcher Art auch immer dazu gegeben, wie Frankreich die Durchführung der Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ gehandhabt hat.

(184)

Die Kommission kommt damit zu dem Schluss, dass weder Frankreich noch die Begünstigten der Beihilfe sich in welchem Zusammenhang auch immer auf berechtigtes Vertrauen berufen können.

4.   RÜCKFORDERUNG

(185)

Die Kommission ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bedingungen der Entscheidung „Sernam 2“ nicht eingehalten wurden. Folglich wurden die mit der Entscheidung „Sernam 2“ genehmigten Beihilfemaßnahmen missbräuchlich im Sinne des Artikels 16 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999. Mangels Geltendmachung von für die Vereinbarkeit dieser Beihilfe sprechenden Gründen durch Frankreich sind sie mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Frankreich muss alle zur Rückforderung dieser Beihilfen nebst Zinsen geeigneten Maßnahmen ergreifen.

(186)

Der Betrag dieser Beihilfemaßnahmen beläuft sich auf 503 Mio. EUR. Er setzt sich zum einen aus verschiedenen Umstrukturierungsbeihilfen in Höhe von 2 938 Mio. Französischen Francs bzw. 448 Mio. EUR zusammen. Diese Beihilfen sind in der Tabelle 3 der Entscheidung vom 30. April 2003 aufgeführt, deren wichtigste Elemente in nachstehender Tabelle wiedergegeben werden:

(Mio: Französischer Francs)

Anfangskapital

44

Finanzierung der Verluste 2000

698

Finanzierung der Verluste 2001

252

Finanzierung der Umstrukturierung: Einlage SNCF

1 300

Finanzierung der Umstrukt.: Beteiligungsdarlehen SNCF

250

Zusatzkosten Eisenbahnbedienstete

394

Gesamtbetrag der Umstrukturierungsbeihilfe

2 938

(187)

Um auf den Betrag von 503 Mio. EUR zu kommen, muss man zum anderen den Betrag der Beihilfen hinzufügen, die im Rahmen von Gepäck- und Pressebeförderungsverträgen in Höhe von 34 Mio. EUR und im Rahmen von Lieferverträgen in Höhe von 21 Mio. EUR ausgezahlt wurden.

(188)

Für weitere Einzelheiten wird auf die Entscheidung „Sernam 1“ vom 23. Mai 2001 verwiesen.

(189)

Um zu einer effektiven und unverzüglichen Rückforderung der Beihilfe schreiten zu können, müssen die französischen Behörden das jeweilige Datum übermitteln, zu dem die einzelnen Beihilfen den Begünstigten zur Verfügung gestellt wurden (41). Ab diesem Zeitpunkt sind dann für jede einzelne Beihilfemaßnahme die Rückforderungszinsen auf der zusammengesetzten Bemessungsgrundlage gemäß Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zu berechnen (42).

(190)

Auch die bereits in der Entscheidung „Sernam 2“ als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärte Beihilfe von 41 Mio. EUR muss nebst den nach derselben Methode berechneten Zinsen zurückgefordert werden.

(191)

Schließlich stellen auch die Kapitalerhöhung um 57 Mio. EUR, der Forderungsverzicht der SNCF gegenüber der „Sernam SA“ in Höhe von 38,5 Mio. EUR und die von der SNCF bei der Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ übernommen Bürgschaften — mit Ausnahme des den Eisenbahnbediensteten garantierten Rückkehrrechts — mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfen dar. Diese neuen Beihilfen müssen nebst den nach derselben Methode berechneten Zinsen zurückgefordert werden. Für die Methode zur Berechnung der zurückzufordernden Beträge verweist die Kommission auf die Erwägungsgründe 171 und 189 dieses Beschlusses.

(192)

Zur Feststellung der zurückzufordernden Beihilfebeträge kann Frankreich etwaige Beträge anrechnen, die es von der SNCF im Rahmen der Liquidation der Gesellschaft „Sernam SA“ als Rückzahlung der Beihilfe in Höhe von 41 Mio. EUR samt Zinsen und/oder des Beteiligungsdarlehens samt Zinsen erhalten hatte.

(193)

Für den Fall, dass die SNCF eine Globalrückzahlung für ihre gesamten Forderungen erhalten hat, kann Frankreich etwaige Beträge, die von der SNCF infolge der Liquidation der „Sernam SA“ zurückgefordert wurden, nur anteilig im Verhältnis zwischen dem Betrag der beiden verbuchten Beihilfemaßnahmen und dem Gesamtbetrag der in den Passiva der Sernam SA ausgewiesenen Forderungen anrechnen.

(194)

Diese Rückforderungen, einschließlich der Rückforderung der ursprünglich der „Sernam SA“ und der „Sernam Xpress“ gewährten Beihilfen, müssen bei der „Financière Sernam“ wie auch bei ihren Betriebsgesellschaften „Sernam Services“ und „Aster“ erfolgen, die heute die mit den Beihilfen geförderte wirtschaftliche Tätigkeit fortführen, die ehemals von der „Sernam Xpress“ (die mit der „Financière Sernam“ fusionierte) und davor von der „Sernam SA“ ausgeübt wurde.

(195)

Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass die „Sernam Xpress“ und ihre Betriebsgesellschaften „Sernam Services“ und „Aster“ die wirtschaftliche Tätigkeit der „Sernam SA“ fortgeführt haben, da die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“, deren Durchführung von Frankreich gehandhabt wurde, genau dieses Ziel verfolgte. Außerdem geht aus den einzelnen Teilen der Beihilfeakten hervor, dass die „Sernam Xpress“, die „Sernam Services“ und die „Aster“ sehr wohl die die mit den Beihilfen geförderten Geschäftstätigkeiten fortgeführt haben, und zwar nach Maßgabe des laufenden Geschäftsplans der „Sernam SA“ und mithilfe desselben Personals. Am 30. Juni 2011 hat dann die „Financière Sernam“ als alleinige Teilhaberin die Gesellschaft „Sernam Xpress“ aufgelöst und ihr Gesellschaftsvermögen übernommen. Die „Financière Sernam“ ist somit die Rechtsnachfolgerin der „Sernam Xpress“ sowie ihre wirtschaftliche Nachfolgerin, da sie („Financière Sernam“) es ist, die heute die Betriebsgesellschaften, nämlich die „Sernam Services“ und die „Aster“, unmittelbar innehat und beherrscht. Überdies führen die „Financière Sernam“ und ihre Betriebsgesellschaften, namentlich die „Sernam Services“ und die „Aster“, die Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ und der „Sernam Xpress“ fort und profitieren somit auch weiterhin von den Beihilfen. Außerdem erhielt die „Sernam Services“ im Mai 2011 eine Einlage in die Aktiva zusammen mit dem Rechtsübergang an der Marke „Sernam“, die mit 15 Mio. EUR bewertet wird, und zwar ohne ein angemessenes Entgelt zu bezahlen. Die „Aster“ erhielt zum einen im März 2008 eine Kontokorrenteinlage in Höhe von 5 Mio. EUR, wobei ihr dieser Betrag durch Forderungsverzicht zu ihren Gunsten im Juli 2008 überlassen wurde; zum anderen erhielt sie im Dezember 2011 eine Kapitalaufstockung als Kontokorrenteinlage durch Forderungsverzicht in Höhe von 5 599 998 EUR. Diese beiden Betriebsgesellschaften sind somit in den Genuss der ursprünglich der„Sernam SA“ und der „Sernam Xpress“ gewährten Beihilfen gekommen, und zwar nicht nur in ihrer Eigenschaft als zu der Gruppe gehörende und deren Geschäftstätigkeiten tatsächlich fortführende Gesellschaften, sondern auch wegen der Übertragung bestimmter Aktiva oder der Durchführung von Kapitalaufstockungsmaßnahmen zu ihren Gunsten.

(196)

Dabei ist noch darauf hinzuweisen, dass die „Sernam SA“ Ende 2001 selbst aus der Umwandlung der „SCS Sernam“ in eine Aktiengesellschaft hervorgegangen ist (siehe dazu die Entscheidung „Sernam 2“, Erwägungsgrund 11). Somit ist der „SCS Sernam“ als ursprünglicher Begünstigter auch ein Teil der betreffenden Beihilfen zugutegekommen.

(197)

Da gegen die Gesellschaft „Financière Sernam“ und auch ihre Betriebsgesellschaft „Sernam Services“ am 31. Januar 2012 das Insolvenz-/Sanierungsverfahren eingeleitet wurde, und da gegen die „Aster“ als der anderen Betriebsgesellschaft der „Financière Sernam“ am 3. Februar 2012 das Liquidationsverfahren eingeleitet wurde, werden die französischen Behörden ersucht, den Betrag der binnen kürzester Frist zurückzufordernden Beihilfen nebst Zinsen zu ermitteln, damit diese Beträge in den Passiva dieser Unternehmen ausgewiesen werden können —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Die staatlichen Beihilfen in Höhe von 503 Mio. EUR, die Frankreich der Kommanditgesellschaft „SCS Sernam“ (umgewandelt in die Aktiengesellschaft „Sernam SA“) gewährt und die Kommission mit ihrer Entscheidung 2006/367/EG (43) genehmigt hat, wurden missbräuchlich verwendet. Sie sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Diese Beihilfen sind auch der „Sernam Xpress“ wie auch der „Financière Sernam“ und ihren Betriebsgesellschaften „Sernam Services“ und „Aster“ zugutegekommen.

(2)   Die staatliche Beihilfe in Höhe von 41 Mio. EUR, die Frankreich der „SCS Sernam“ gewährt hat, und die durch die „Entscheidung Sernam 2“ als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wurde, ist auch der „Sernam Xpress“ wie auch der „Financière Sernam“ und ihren Betriebsgesellschaften, namentlich der „Sernam Services“ und der „Aster“, zugutegekommen.

(3)   Die Kapitalaufstockung bei der „Sernam SA“ in Höhe von 57 Mio. EUR durch die SNCF, der Forderungsverzicht der SNCF gegenüber der „Sernam SA“ in Höhe von 38,5 Mio. EUR und die Bürgschaften, die bei der Übertragung der Geschäftstätigkeiten der „Sernam SA“ auf die „Financière Sernam“ von der SNCF übernommen wurden, stellen — mit Ausnahme des den Eisenbahnbediensteten garantierten Rückkehrrechts — staatliche Beihilfen dar, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.

Artikel 2

(1)   Frankreich fordert die in Artikel 1 genannten staatlichen Beihilfen von „Financière Sernam“ und von deren Betriebsgesellschaften „Sernam Services“ und „Aster“ zurück.

(2)   Der Rückforderungsbetrag umfasst Zinsen, die ab dem Zeitpunkt, an dem die Beihilfen dem Begünstigten zur Verfügung gestellt wurden, bis zu deren tatsächlichen Rückzahlung berechnet werden.

(3)   Die Zinsen werden nach Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 berechnet.

Artikel 3

(1)   Die in Artikel 1 genannten Beihilfen werden sofort und tatsächlich zurückgefordert.

(2)   Frankreich stellt sicher, dass dieser Beschluss binnen vier Monaten nach seiner Bekanntgabe umgesetzt wird.

(3)   Im Rahmen dieser Umsetzung kann Frankreich etwaige Beträge anrechnen, die die SNCF in der Folge der Liquidation der „Sernam SA“ unter vorstehenden Bedingungen zurückgefordert hat.

Artikel 4

(1)   Frankreich übermittelt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses die folgenden Informationen:

a)

das Datum, zu dem jede einzelne Beihilfemaßnahme dem jeweils Begünstigten bereitgestellt wurde, und den Gesamtbetrag (Beihilfe und Zinsen), der von dem Begünstigten für jede einzelne Beihilfemaßnahme zurückzufordern ist;

b)

eine ausführliche Beschreibung der Maßnahmen, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen;

c)

die Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass an den Begünstigten eine Rückzahlungsanordnung ergangen ist.

(2)   Frankreich unterrichtet die Kommission über den Fortgang seiner Maßnahmen zur Umsetzung dieses Beschlusses, bis die Rückzahlung der in Artikel 1 genannten Beihilfen abgeschlossen ist. Auf Anfrage der Kommission legt Frankreich unverzüglich alle Informationen über die Maßnahmen vor, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen. Ferner übermittelt Frankreich ausführliche Angaben über die Beihilfebeträge und die Zinsen, die vom Begünstigten zurückgezahlt wurden.

Artikel 5

Dieser Beschluss ist an die Französische Republik gerichtet.

Brüssel, den 9. März 2012

Für die Kommission

Joaquín ALMUNIA

Vizepräsident


(1)  Mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 sind an die Stelle der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag die Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) getreten. Die Artikel 87 und 88 EG-Vertrag und die Artikel 107 und 108 AEUV sind im Wesentlichen identisch. Im Rahmen dieses Beschlusses sind etwaige Bezugnahmen auf die Artikel 107 und 108 AEUV als Bezugnahmen auf die Artikel 87 und 88 EG-Vertrag zu verstehen, wo dies angebracht ist.

(2)  ABl. C 208 vom 14.7.2011, S. 8-21.

(3)  Entscheidung der Kommission vom 23. Mai 2001 über die staatliche Beihilfe NN 122/00 (ex NJ 140/00), ABl. C 268 vom 22.9.2001, S. 15.

(4)  Entscheidung der Kommission vom 20. Oktober 2004, ABl. L 140 vom 29.5.2006, S. 1.

(5)  Diese Beschwerde wurde insbesondere mit Schreiben vom 13. Juli, 25. August, 6. September, 5. Oktober, 25. Oktober und 16. Dezember 2005 konkretisiert.

(6)  Diese Beschwerde wurde insbesondere mit Scheiben vom 23. April 2007 konkretisiert.

(7)  ABl. C 4 vom 9.1.2009, S. 5.

(8)  Für eine ausführlichere Beschreibung der Tätigkeiten des Unternehmens vgl. die Erwägungsgründe 12 bis 31 der Entscheidung „Sernam 2“ und die Erwägungsgründe 8 und 9 der Eröffnungsentscheidung.

(9)  „Géodis“ sollte den Anteil von 60 % an „Sernam“ zum symbolischen Preis von einem Euro erwerben (siehe Erwägungsgrund 51 der Entscheidung „Sernam 1“).

(10)  Keine beschränkte Haftung bei Kommanditgesellschaften.

(11)  Pressemitteilung vom 24. November 2004.

(12)  Die Kapitalspritze der „Sernam SA“ für die „Sernam Xpress“ wurde in Form einer „Teileinlage in die Aktiva“ nach französischem Recht (‚apport partiel d’actifs‘) gegeben.

(13)  Schreiben der französischen Behörden vom 7. Mai 2008, Ziffer 77.

(14)  EuGH 20. September 2001, Banks, Rechtssache C-390/98, Slg. 2001, I-6117.

(15)  EuGH 29. April 2004, Deutschland/Kommission, Rechtssache C-277/00, Slg. 2004, I-3925).

(16)  EuGH 29. April 2004, Deutschland/Kommission, siehe Fußnote auf S. 15.

(17)  EuGeI 19. Oktober 2005, CDA Datenträger Albrechts/Kommission, Rechtssache T-324/00, Slg. 2005, II-4309).

(18)  EuGeI 19. Oktober 2005, CDA Datenträger Albrechts/Kommission, siehe Fußnote auf S. 18, Randnr. 78.

(19)  EuGeI 19. Oktober 2005, CDA Datenträger Albrechts/Kommission, siehe Fußnote auf S. 18, Randnr. 98.

(20)  EuGeI 19. Oktober 2005, CDA Datenträger Albrechts/Kommission, siehe Fußnote auf S. 18, Randnr. 99.

(21)  EuGeI 19. Oktober 2005, CDA Datenträger Albrechts/Kommission, siehe Fußnote auf S. 18, Rdnr. 100.

(22)  EuGH 29. April 2004, Deutschland/Kommission, siehe Fußnote auf S. 15, Rdnr. 70; EuGeI 19. Oktober 2005, CDA Datenträger Albrechts/Kommission, siehe Fußnote auf S. 18, Rdnr. 73.

(23)  Erwägungsgrund 128 der Eröffnungsentscheidung.

(24)  Entscheidung der Kommission vom 8. Juli 2008 über die Maßnahme Frankreichs zugunsten der Société Nationale Maritime Corse-Méditerranée (SNCM), ABl. L 225 vom 27.8.2009, S. 180.

(25)  ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1.

(26)  Erwägungsgründe 208 bis 217 der Entscheidung „Sernam 2“.

(27)  Die Kommission unterstreicht, dass die Frage, ob ein Vertrag als Kaufvertrag einzustufen ist, unabhängig von der Frage zu beantworten ist, ob der abgeschlossene Vertrag und das Verhalten eines privaten Unternehmens inhaltlich übereinstimmen.

(28)  ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2.

(29)  EuGH 29. April 2004, Deutschland/Kommission, siehe Fußnote auf S. 15.

(30)  EuGH 29. April 2004, Deutschland/Kommission, siehe Fußnote auf S. 15, Randnrn. 80 und 81.

(31)  EuGH 29. April 2004, Deutschland/Kommission, siehe Fußnote auf S. 15, Randnr. 86.

(32)  Für den Share deal, siehe EuGH 8. Mai 2003, Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission, Rechtssachen C-328/99 und C-399/00, Slg. 2003, I-4035, Randnr. 83: „[..] es sich […] auf die Rückforderungspflicht nicht auswirkt, wenn ein Anteilseigner einem Dritten Anteile an einer Gesellschaft verkauft, die durch eine rechtswidrige Beihilfe begünstigt wurde, […]“; für den Asset deal, siehe Rdnrn. 66 bis 85 dieses Urteils.

(33)  Urteil Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission, siehe Fußnote auf S. 32, Randnrn. 77 und 78.

(34)  Urteil CDA Datenträger Albrechts/Kommission, siehe Fußnote auf S. 18.

(35)  Vgl. Bericht der ABN Amro, der von den französischen Behörden übermittelt wurde und in Abschnitt 2.5.8.2 der Eröffnungsentscheidung beschrieben wird, S. 47.

(36)  ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2.

(37)  Urteil Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission, siehe Fußnote auf S. 32, Randnr. 69.

(38)  Erwägungsgründe 72 bis74 der Eröffnungsentscheidung.

(39)  Erwägungsgründe 75 bis 77 der Eröffnungsentscheidung.

(40)  ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2.

(41)  Die in diesem Beschluss angegebenen Zahlen sind auf Millionenbeträge gerundet. Die Berechnung der Zinsen muss hingegen auf dem exakten Betrag jeder einzelnen Beihilfe beruhen.

(42)  OJ L 140, 30.4.2004, p. 1.

(43)  OJ L 140, 29.5.2006, p. 1.