ISSN 1725-2539

doi:10.3000/17252539.L_2010.274.deu

Amtsblatt

der Europäischen Union

L 274

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Rechtsvorschriften

53. Jahrgang
19. Oktober 2010


Inhalt

 

II   Rechtsakte ohne Gesetzescharakter

Seite

 

 

BESCHLÜSSE

 

 

2010/605/EU

 

*

Beschluss der Kommission vom 26. Januar 2010 über die staatliche Beihilfe C 56/07 (ex E 15/05) Frankreichs zugunsten von La Poste (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 133)  ( 1 )

1

 

 

2010/606/EU

 

*

Beschluss der Kommission vom 26. Februar 2010 über die staatliche Beihilfe C 9/09 (ex NN 45/08, NN 49/08 und NN 50/08) des Königreichs Belgien, der Französischen Republik und des Großherzogtums Luxemburg zugunsten von Dexia SA (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 1180)  ( 1 )

54

 

 

2010/607/EU

 

*

Beschluss der Kommission vom 27. April 2010 über die von Belgien zugunsten der Umstrukturierung der Fischauktion Ostende gewährte staatliche Beihilfe C 30/08 (ex NN 21/08) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 2520)  ( 1 )

103

 

 

IV   Vor dem 1. Dezember 2009 in Anwendung des EG-Vertrags, des EU-Vertrags und des Euratom-Vertrags angenommene Rechtsakte

 

 

2010/608/EG

 

*

Entscheidung der Kommission vom 18. November 2009 über die staatliche Beihilfe C 10/09 (ex N 138/09) der Niederlande — Stützungsfazilität für illiquide Vermögenswerte zugunsten von ING und Umstrukturierungsplan (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2009) 9000)  ( 1 )

139

 


 

(1)   Text von Bedeutung für den EWR

DE

Bei Rechtsakten, deren Titel in magerer Schrift gedruckt sind, handelt es sich um Rechtsakte der laufenden Verwaltung im Bereich der Agrarpolitik, die normalerweise nur eine begrenzte Geltungsdauer haben.

Rechtsakte, deren Titel in fetter Schrift gedruckt sind und denen ein Sternchen vorangestellt ist, sind sonstige Rechtsakte.


II Rechtsakte ohne Gesetzescharakter

BESCHLÜSSE

19.10.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 274/1


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 26. Januar 2010

über die staatliche Beihilfe C 56/07 (ex E 15/05) Frankreichs zugunsten von La Poste

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 133)

(Nur der französische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2010/605/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (1), insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 erster Unterabsatz,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Äußerung gemäß den genannten Artikeln (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   VERFAHREN

(1)

Am 21. Dezember 2005 billigte die Kommission die Ausgliederung der Bank- und Finanzdienstleistungen von La Poste in ihre Tochtergesellschaft La Banque Postale (3). In ihrer Entscheidung wies die Kommission darauf hin, dass hinsichtlich der unbeschränkten staatlichen Bürgschaft für La Poste ein gesondertes Verfahren eingeleitet wird.

(2)

Am 21. Februar 2006 unterrichtete die Kommission die französischen Behörden gemäß Artikel 17 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 (4) des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (nachstehend „Verfahrensverordnung“ genannt) über ihre vorläufige Auffassung zum Vorliegen einer unbeschränkten staatlichen Bürgschaft, die sich aus dem Status von La Poste ergebe und eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstelle, und forderte sie auf, eine Stellungnahme abzugeben. Aufgrund der Tatsache, dass diese mutmaßliche unbeschränkte staatliche Bürgschaft bereits vor dem 1. Januar 1958 gewährt wurde, wandte die Kommission die Verfahrensvorschriften für bestehende Beihilfen gemäß Artikel 1 Buchstabe b der Verfahrensverordnung an (5).

(3)

Die Antwort der französischen Behörden ging am 24. April 2006 bei der Kommission ein.

(4)

Am 4. Oktober 2006 forderte die Kommission Frankreich gemäß Artikel 18 der Verfahrensverordnung auf, die Bürgschaft, die La Poste aufgrund ihres Status für die Gesamtheit ihrer Verpflichtungen gewährt wird, bis zum 31. Dezember 2008 aufzuheben.

(5)

Am 6. Dezember 2006 ging bei der Kommission ein Schreiben der französischen Behörden ein, mit dem die Schlussfolgerungen der Kommission in deren Schreiben vom 4. Oktober 2006 angefochten wurden.

(6)

Nach einer Besprechung mit den für Wettbewerb zuständigen Kommissionsdienststellen (nachstehend „GD Wettbewerb“ genannt) unterbreiteten die französischen Behörden der Kommission mit Schreiben vom 16. Januar 2007 einen Entwurf zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz Nr. 80-539 vom 16. Juli 1980 über die von Behörden verhängten Zwangsgelder und über die Erfüllung von Urteilen durch juristische Personen des öffentlichen Rechts (Loi no 80-539 du 16 juillet 1980 relative aux astreintes prononcées en matière administrative et à l’exécution des jugements par les personnes morales de droit public (6), nachstehend „Gesetz vom 16. Juli 1980“ genannt), d. h. des Dekrets Nr. 81-501 vom 12. Mai 1981 zur Durchführung des Gesetzes vom 16. Juli 1980 über die von Behörden verhängten Zwangsgelder und über die Erfüllung von Urteilen durch juristische Personen des öffentlichen Rechts (Décret no 81-501 du 12 mai 1981 pris pour l’application de la loi du 16 juillet 1980 relative aux astreintes prononcées en matière administrative et à l’exécution des jugements par les personnes morales de droit public (7), nachstehend „Dekret vom 12. Mai 1981“ genannt).

(7)

Nachdem die Kommission um Klärung ersucht hatte, übermittelten die französischen Behörden das am 1. Februar 2007 eingegangene Schreiben, in dem sie die Situation der Gläubiger von La Poste für den Fall, dass diese in finanzielle Schwierigkeiten geraten sollte, erläuterten.

(8)

Mit Schreiben vom 19. März 2007 schlugen die französischen Behörden ergänzend vor, sich gemeinsam mit La Poste zu verpflichten, in allen Finanzierungsverträgen und Emissionsprospekten darauf hinzuweisen, dass keine Deckung durch eine Bürgschaft gegeben sei.

(9)

Mit Schreiben vom 29. November 2007 unterrichtete die Kommission Frankreich über ihren Beschluss, wegen dieser Maßnahme das Verfahren gemäß Artikel 108 Absatz 2 AEUV einzuleiten (nachstehend „Einleitungsbeschluss“ genannt).

(10)

Der Einleitungsbeschluss wurde im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (8). Die Kommission forderte die Beteiligten auf, sich zu der betreffenden Maßnahme zu äußern.

(11)

Bei der Kommission gingen keine Äußerungen von Beteiligten zu dieser Maßnahme ein.

(12)

Die Stellungnahme Frankreichs ging mit Schreiben vom 23. Januar 2008 bei der Kommission ein.

(13)

Die Kommission veröffentlichte auf der Website der GD Wettbewerb eine Ausschreibung über die Durchführung einer Studie zur unbeschränkten Bürgschaft der Französischen Republik für La Poste. Bis zum Ablauf der am 21. April 2008 endenden Angebotsfrist gingen vier Angebote ein. Mit der Studie wurde Frau Sophie NICINSKI beauftragt, ordentliche Universitätsprofessorin für öffentliches Recht, Doktorin der Rechte und Verfasserin von Veröffentlichungen auf dem Gebiet von Staatsbürgschaften für öffentliche Industrie- und Handelsunternehmen. Die Sachverständige (nachstehend „Sachverständige der Kommission“ genannt) legte ihren Bericht am 17. November 2008 vor.

(14)

Nachdem in der Presse verlautete, dass die französische Regierung einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Status von La Poste verabschiedet hatte, stellte die Kommission Frankreich am 20. Juli 2009 die Frage, ob Frankreich einwilligen würde, sich zur Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft, die den gerichtlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren nach allgemeinem Recht unterliegen würde, zu verpflichten. Mit gleichem Schreiben leitete die Kommission den französischen Behörden den Bericht ihrer Sachverständigen zu.

(15)

Mit Schreiben vom 31. Juli 2009 unterrichtete Frankreich die Kommission, dass der Ministerrat auf seiner Sitzung vom 29. Juli 2009 einen Gesetzesentwurf über La Poste und die Postdienste verabschiedet habe, der die Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft zum 1. Januar 2010 vorsehe. Ferner teilten die französischen Behörden mit, dass sie der Kommission Stellungnahmen zum Bericht von deren Sachverständigen zukommen lassen würden.

(16)

Nach zwei Aufforderungen der Kommission vom 9. September und 6. Oktober 2009 übermittelte Frankreich mit Schreiben vom 27. Oktober 2009 seine Stellungnahme zum Bericht der Sachverständigen der Kommission und ein Gutachten von Guy CARCASSONNE, ordentlicher Universitätsprofessor an den Rechtsfakultäten (nachstehend „Sachverständiger der französischen Behörden“ genannt).

(17)

Mit einem am 11. Dezember 2009 eingereichten Änderungsantrag zum Gesetzesentwurf über La Poste und die Postdienste wurde die Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft auf März 2010 verschoben.

2.   BESCHREIBUNG DER MASSNAHME

(18)

Durch das Gesetz Nr. 90-568 vom 2. Juli 1990 über die Organisation des öffentlichen Post- und Telekommunikationsdienstes (9) (Loi no90-568 du 2 juillet 1990 relative à l’organisation du service public de la poste et des télécommunications, im Folgenden „Gesetz vom 2. Juli 1990“ genannt) wurde die ehemalige Generaldirektion für Post und Telekommunikation (Direction générale des postes et télécommunications) in zwei juristische Personen des öffentlichen Rechts umgewandelt: La Poste und France Télécom.

(19)

Einige juristische Personen des öffentlichen Rechts wurden im Gesetz nicht als öffentliche Verwaltungsunternehmen (établissements publics à caractère administratif, EPA) oder öffentliche Industrie- und Handelsunternehmen (établissements publics à caractère industriel et commercial, EPIC) eingestuft (10). Dies ist bei La Poste der Fall. In seinem Urteil vom 18. Januar 2001 (2. Zivilkammer) (11) hat der Cour de Cassation jedoch darauf erkannt, dass La Poste einem EPIC gleichgestellt ist. (12) Mit dem Status von La Poste sind folgende rechtliche Konsequenzen verbunden:

2.1.   NICHTANWENDBARKEIT DER ZAHLUNGSUNFÄHIGKEITS- UND KONKURSVERFAHREN AUF LA POSTE

(20)

Nach Artikel 1 des französischen Gesetzes vom 2. Juli 1990 ist La Poste eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Juristische Personen des öffentlichen Rechts unterliegen in Frankreich jedoch nicht den Vorschriften des allgemeinen Rechts über die gerichtliche Sanierung und Abwicklung von Unternehmen in Schwierigkeiten.

(21)

Die Nichtanwendbarkeit der Zahlungsunfähigkeits- und Konkursverfahren auf juristische Personen des öffentlichen Rechts ergibt sich aus dem Grundsatz der Unpfändbarkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, der von der französischen Rechtsprechung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und insbesondere vom Cour de Cassation anerkannt wird (13).

(22)

Zudem sieht Artikel 2 des Gesetzes Nr. 85-98 vom 25. Januar 1985 über die gerichtliche Sanierung und Abwicklung von Unternehmen (Loi no85-98 du 25 janvier 1985 relative au redressement et à la liquidation judiciaires des entreprises) (14) (nachstehend „Gesetz vom 25. Januar 1985“ genannt) zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der gerichtlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren nach allgemeinen Recht in Frankreich bestimmt wird, heute Artikel L620-2 Code de commerce (französisches Handelsgesetzbuch) Folgendes vor: „Die gerichtliche Sanierung und die gerichtliche Abwicklung finden auf Kaufleute, in das Berufsregister eingetragene Personen, Landwirte und juristische Personen des Privatrechts Anwendung“. Aus dem Wortlaut dieses Artikels sowie aus seiner Auslegung durch die französische Rechtsprechung (15) ergibt sich, dass Insolvenzverfahren nach allgemeinem Recht nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten.

2.2.   ANWENDBARKEIT DES GESETZES VOM 16. JULI 1980 UND DES GRUNDSATZES DER LETZTINSTANZLICHEN HAFTUNG DES STAATES FÜR SCHULDEN VON JURISTISCHEN PERSONEN DES ÖFFENTLICHEN RECHTS AUF LA POSTE

(23)

Das Gesetz vom 16. Juli 1980 findet auf La Poste, die mit dem Gesetz vom 2. Juli 1990 als juristische Person des öffentlichen Rechts eingestuft wurde, Anwendung.

(24)

Artikel 1 Absatz 2 des Gesetzes vom 16. Juli 1980 sieht Folgendes vor: „Wird eine Gebietskörperschaft oder ein öffentliches Unternehmen mit einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zur Zahlung einer Geldsumme verurteilt, deren Höhe in der Entscheidung selbst festgesetzt wird, muss diese Summe innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung zur Zahlung angeordnet oder angewiesen werden. Bei nicht fristgerechter Zahlungsanordnung oder Zahlungsanweisung nimmt der Vertreter des Staates im Département oder die Aufsichtsbehörde die Zahlungsanweisung von Amts wegen vor. Bei unzureichenden Mitteln fordert der Vertreter des Staates im Département oder die Aufsichtsbehörde die Gebietskörperschaft oder das Unternehmen auf, die erforderlichen Mittel zu erschließen; wenn das Beschlussfassungsorgan der Körperschaft oder des Unternehmens diese Mittel nicht bereitgestellt oder erschlossen hat, trägt der Vertreter des Staates im Département oder die Aufsichtsbehörde dafür Sorge und nimmt gegebenenfalls die Zahlungsanweisung von Amts wegen vor.“

(25)

Artikel 3-1 Unterabsatz 4 des Dekrets vom 12. Mai 1981 sieht vor: „Ist die Inverzugsetzung bei Verstreichen dieser Fristen (16) ergebnislos geblieben, stellt der Vertreter des Staates bzw. die Aufsichtsbehörde die Ausgabe in den Haushalt der betreffenden Körperschaft bzw. des betreffenden öffentlichen Unternehmens ein. Er stellt gegebenenfalls die erforderlichen Mittel bereit, indem er die noch freien, für andere Ausgaben vorgesehenen Mittel senkt oder die Ressourcen erhöht.“ Artikel 3-1 Unterabsatz 5 des Dekrets sieht schließlich Folgendes vor: „Hat die Gebietskörperschaft oder das öffentliche Unternehmen den fälligen Betrag nicht innerhalb von acht Tagen nach Mitteilung über die Einstellung der Mittel zur Zahlung angewiesen, trägt der Vertreter des Staates oder die Aufsichtsbehörde innerhalb einer Frist von einem Monat von Amts wegen dafür Sorge.“

(26)

Das genannte Dekret vom 12. Mai 1981 wurde aufgehoben und durch das Dekret Nr. 2008-479 vom 20. Mai 2008 über den Vollzug von Geldstrafen, die gegen Gebietskörperschaften verhängt werden (Décret no2008-479 du 20 mai 2008 relatif à l’exécution des condamnations pécuniaires prononcées à l’encontre des collectivités publiques), ersetzt. Die Unterabsätze 4 und 5 von Artikel 3-1 des Dekrets vom 12. Mai 1981 wurden in Artikel 10 des neuen Dekrets übernommen (17). Die Maßnahme wird somit nicht wesentlich geändert.

(27)

Im Übrigen ist im Rundschreiben vom 16. Oktober 1989 (18) Folgendes vorgesehen: „Bei unzureichenden oder fehlenden Mitteln gemäß Artikel 1 Absatz 2 zweiter Unterabsatz des Gesetzes vom 16. Juli 1980 ist der Anweisungsbefugte weiterhin verpflichtet, den Gläubiger innerhalb einer Frist von vier Monaten per Einschreiben mit Rückschein zu unterrichten und dabei die Höhe der erst später zur Zahlung angewiesenen Summe zu nennen. Diese Zahlungsanweisung bezieht sich entweder im Fall des vollständigen Fehlens von Mitteln auf die gesamte Summe oder im Fall unzureichender Mittel auf den Restbetrag.“

(28)

Aus allen diesen Bestimmungen geht hervor, dass mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen nur der Zweck verfolgt wird, rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen, mit denen der Staat, eine Gebietskörperschaft oder ein öffentliches Unternehmen zur Zahlung einer Geldsumme verurteilt wurden, erfüllen zu lassen. Sanierungs- oder Abwicklungsverfahren werden nicht festgelegt.

(29)

Im Übrigen wird im Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen als zuständige Behörde für die Beitreibung der Verbindlichkeiten öffentlicher Unternehmen ausdrücklich der Staat genannt. Der Staat verfügt über wichtige Befugnisse; dabei handelt es sich zum einen um die Zahlungsanweisung von Amts wegen und zum anderen um die Erschließung ausreichender Mittel. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, inwieweit die Entschädigungsmöglichkeiten, die den Gläubigern durch die Haftung des Staates bei einem Ausfall von La Poste offenstehen, einer Sicherheit in Form einer Bürgschaft gleichzusetzen sind.

(30)

In ihrem Einleitungsbeschluss wies die Kommission darauf hin, dass neben diesen beiden Sachverhaltsmerkmalen (Nichtanwendbarkeit der Zahlungsunfähigkeitsverfahren und Anwendbarkeit des Gesetzes vom 16. Juli 1980) Maßnahmen, die für einige EPIC gelten, auch für La Poste gelten könnten:

2.3.   ÜBERTRAGUNG DER VERPFLICHTUNGEN EINES AUFGELÖSTEN EPIC AUF EIN ANDERES ÖFFENTLICHES UNTERNEHMEN ODER DEN STAAT

(31)

Die kodifizierende Anweisung Nr. 02-060-M95 vom 18. Juli 2002 über die Finanz- und Rechnungslegungsvorschriften für französische öffentliche Industrie- und Handelsunternehmen (Instruction codificatrice no 02-060-M95 du 18 juillet 2002 sur la réglementation financière et comptable des établissements publics nationaux à caractère industriel et commercial  (19), nachstehend „kodifizierende Anweisung“ genannt) sieht für den Fall der Schließung eines EPIC, für das ein staatlicher Rechnungsführer bestellt ist, zwei Fälle vor:

entweder tritt ein neues öffentliches Unternehmen an die Stelle des ehemaligen EPIC und übernimmt dessen Vermögenswerte, Rechte und Verpflichtungen;

oder das öffentliche Unternehmen wird mit einem Text aufgelöst. In diesem Fall kann „in dem Text über die Auflösung des Unternehmens bereits angegeben werden, wem der Liquidationserlös zufällt, im Allgemeinen dem Staat“ (20).

(32)

Der Leitfaden für die finanzielle Organisation bei der Gründung, Umwandlung und Schließung von französischen öffentlichen Unternehmen und öffentlichen Interessengruppen vom 14. November 2006 (Guide sur l’organisation financière des créations, transformations et suppressions des établissements publics nationaux et des groupements d’intérêt public du 14 novembre 2006, nachstehend „Leitfaden für die finanzielle Organisation“ genannt), der über die Website des französischen Finanzministeriums abrufbar ist, führt Folgendes aus (21): „In dem Text über die Schließung des öffentlichen Unternehmens muss der Übergang der Vermögenswerte, Rechte und Verpflichtungen des aufgelösten öffentlichen Unternehmens auf die Einrichtung, die seine Tätigkeit oder sein Vermögen übernimmt (d. h. ein öffentliches Unternehmen oder der Staat), ausdrücklich geregelt werden.“ […]„Ganz allgemein muss vorgesehen werden, dass das neue öffentliche Unternehmen in die Rechte und Pflichten der juristischen Personen, deren Tätigkeit es übernimmt, die auf den zur Erfüllung seiner Aufgaben geschlossenen Verträgen beruhen, eintritt“.

(33)

Obwohl die Bestimmungen der kodifizierenden Anweisung und des Leitfadens für die finanzielle Organisation nur für EPIC gelten, für die ein staatlicher Rechungsführer bestellt ist, deutet Einiges darauf hin, dass auch die Schulden von EPIC ohne staatlichen Rechnungsführer im Fall der Schließung auf den Staat oder ein anderes öffentliches Unternehmen übertragen würden.

(34)

So hat Charbonnages de France im Anhang zu seiner Bilanz vom 31. Dezember 2000 mitgeteilt, dass im Fall der Schließung alle Rechte und Verpflichtungen eines EPIC entweder auf eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts oder auf die französische Regierung selbst übertragen werden müssen und dass die Bestimmungen und Bedingungen für eine solche Übertragung in dem zur Schließung des betreffenden EPIC verabschiedeten Gesetz genannt werden müssen. Diese Aussage ist nicht auf EPIC mit einem staatlichen Rechnungsführer beschränkt; im Übrigen wurde für das EPIC Charbonnages de France kein staatlicher Rechnungsführer bestellt.

(35)

Einigen Ratingagenturen zufolge würde im Fall der Auflösung der ERAP (22), obwohl auch die ERAP ein EPIC ohne staatlichen Rechnungsführer ist, der Saldo aus seinen Schulden und Vermögenswerten ebenfalls auf den Staat übertragen. Nach Aussage von Fitch (23)„unterliegt die ERAP als EPIC den Abwicklungsverfahren nicht. Sie kann nur durch ein Legislativverfahren aufgelöst werden, und in diesem Fall fällt der Saldo aus ihren Schulden und Vermögenswerten dem Staat zu“. Moody’s (24) zufolge „können für ERAP von dem für Abwicklungsverfahren zuständigen Gericht keine Umstrukturierungsmaßnahmen angeordnet werden. Im Fall der Auflösung des Unternehmens würden seine Aktiva und Passiva auf die für seine Gründung verantwortliche Behörde, d. h. den Staat selbst, übertragen“.

(36)

Obwohl für La Poste kein staatlicher Rechnungsführer bestellt wurde (25), muss angesichts dieser Fakten geprüft werden, ob in Anbetracht der Gleichstellung von La Poste mit einem EPIC im Fall ihrer Abwicklung der Grundsatz der Übertragung der Verbindlichkeiten auf den Staat oder eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts auch für La Poste gilt. Denn dann hätte der Gläubiger die Sicherheit, seine Forderung nicht zu verlieren, und könnte sich mit einem geringeren Zinssatz zufriedengeben oder günstigere Bedingungen und Zahlungsziele als bei Nichtvorliegen einer solchen Sicherheit gewähren. Eine solche Übertragung hätte somit die gleiche Wirkung wie eine Bürgschaft.

2.4.   DIREKTER ZUGANG ZU DEN KONTEN DER STAATSKASSE

(37)

Fitch (26) gibt weiter an: „Die Liquidität der ERAP wird durch ihren direkten Zugang zu den Vorschusskonten der Staatskasse garantiert“. Da die ERAP ein EPIC ist, muss geprüft werden, inwieweit auch La Poste Zugang zu den Konten der Staatskasse hätte.

3.   STELLUNGNAHMEN UND VORSCHLÄGE DER FRANZÖSISCHEN BEHÖRDEN

(38)

Nach dem Einleitungsbeschluss übermittelten die französischen Behörden der Kommission mit Schreiben vom 23. Januar 2008 ihre Stellungnahmen und Vorschläge. Mit diesem Schreiben werden die Stellungnahmen und Vorschläge ergänzt, die in den früheren Schreiben der französischen Behörden (27) ausgeführt wurden und im Beschluss über die Einleitung des Verfahrens zusammengefasst sind.

3.1.   STELLUNGNAHMEN DER FRANZÖSISCHEN BEHÖRDEN

(39)

Die französischen Behörden bestreiten zum einen das Vorliegen einer Bürgschaft und zum anderen das Bestehen eines Vorteils für La Poste.

3.1.1.   NICHTVORLIEGEN EINER BÜRGSCHAFT

(40)

Den französischen Behörden zufolge verfügen öffentliche Unternehmen nicht automatisch aufgrund ihres Status über eine Bürgschaft (A) und ist die Argumentation der Kommission in ihrem Einleitungsbeschluss falsch (B).

A.    Öffentliche Unternehmen würden nicht automatisch aufgrund ihres Status über eine Bürgschaft verfügen  (28)

(41)

Zum Ersten werde weder mit einem Text noch mit einer Entscheidung der Grundsatz aufgestellt, dass der Staat grundsätzlich unbegrenzt für die Schulden der EPIC hafte.

(42)

Zum Zweiten habe sich die Rechtsprechung zum Nichtvorliegen von Bürgschaften geäußert. So habe der Conseil d’Etat in seinem Urteil in der Rechtssache Société de l’hôtel d’Albe  (29) wie folgt entschieden: „Das mit Rechtspersönlichkeit und Finanzautonomie ausgestattete Office national du tourisme […] war ein öffentliches Unternehmen; infolgedessen kann der Staat nicht verpflichtet sein, für die von diesem Unternehmen eingegangenen Verbindlichkeiten aufzukommen; der Minister für öffentliche Arbeiten hat sich daher zu Recht geweigert, dem Antrag [des Gläubigers] stattzugeben.“ In gleicher Weise sei im Hinblick auf Gebietskörperschaften in den beiden Entscheidungen des Conseil d’Etat in der Rechtssache Campoloro argumentiert worden (30).

(43)

Zum Dritten sehe das Organgesetz vom 1. August 2001 betreffend die Haushaltsgesetze (Loi organique du 1er août 2001 relative aux lois de finances  (31), nachstehend „LOLF“ genannt) vor, dass eine Bürgschaft nur mit einer entsprechenden Bestimmung im Haushaltsgesetz bestellt werden könne (32). Infolgedessen habe nach Angaben des Sachverständigen der französischen Behörden (33) seit dem vollständigen Inkrafttreten des LOLF am 1. Januar 2005 keine implizite Bürgschaft rechtmäßig gewährt werden können. Die von La Poste nach dem 1. Januar 2005 eingegangen Verbindlichkeiten seien daher nicht durch eine implizite Bürgschaft gedeckt. Hinsichtlich der vor dem 1. Januar 2005 eingegangenen Verbindlichkeiten vertritt der Sachverständige der französischen Behörden die Auffassung, dass mangels einer streitigen Entscheidung nicht bestimmt werden könne, ob die Nichtigkeit von vor dem 1. Januar 2005 gewährten impliziten Bürgschaften, deren Gewährung nicht ausdrücklich im Haushaltsgesetz genehmigt wurde, auf der Grundlage der Achtung der verfassungsrechtlich geschützten Rechte der Gläubiger ausgeschlossen werden könne oder nicht.

(44)

Zum Vierten müssten, falls die EPIC über eine Staatsbürgschaft verfügen würden, bei einer Änderung ihres Status Maßnahmen zur Wahrung der Gläubigeransprüche ergriffen werden. Solche Maßnahmen seien jedoch nie eingeführt worden. Der Staat habe im Gegenteil bei der Umwandlung der Administration des Postes et Télécommunications in eine eigenständige juristische Person (La Poste) mit Erlass vom 31. Dezember 1990 eine explizite Bürgschaft für die vor dem 31. Dezember 1990 eingegangenen und auf La Post übertragenen Verbindlichkeiten gewährt. Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn La Poste als ein einem EPIC gleichgestelltes Unternehmen aufgrund ihres Status über eine Staatsbürgschaft verfügt hätte. Zudem seien Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen worden, mit denen Staatsbürgschaften für bestimmte Tätigkeiten der ERAP und der Agence française du Développement, bei denen es sich ebenfalls um EPIC handle, gewährt worden seien.

(45)

Schließlich zitieren die französischen Behörden aus einem Artikel (34) von Daniel Labetoulle, dem ehemaligen Präsidenten der Section du contentieux des Conseil d’Etat. Labetoulle zufolge „existiert im Recht kein Automatismus bei der Gewährung oder Ausweitung dieser Bürgschaft [einer Bürgschaft des Staates, die von Rechts wegen für öffentliche Unternehmen des Staates gelten würde]“.

B.    Die Argumentation der Kommission zum Vorliegen einer Bürgschaft sei falsch  (35)

a)   Die Begleichung der einzelnen Forderungen sei nicht abgesichert

1.   Mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 könne keine Bürgschaft begründet werden

(46)

Den französischen Behörden zufolge (36) verleiht das Gesetz vom 16. Juli 1980 der Aufsichtsbehörde ein Eintrittsrecht, kraft dessen sie an die Stelle des Exekutivorgans einer Person treten könne. Dabei könne die Aufsichtsbehörde nur die Zuständigkeiten dieses Exekutivorgans wahrnehmen; die Möglichkeit, über den Staatshaushalt zu verfügen, gehöre nicht dazu. Im Gesetz vom 16. Juli 1980 werde somit keine Verpflichtung des Staates vorgesehen, seine eigenen Mittel einzusetzen.

(47)

Zur Stützung dieser Auslegung führen die französischen Behörden die vorbereitenden Arbeiten des Gesetzes vom 16. Juli 1980 an. Bei diesen Debatten sei die Regierung gegen die Änderungsanträge gewesen, mit denen eine außerordentliche staatliche Subvention für Gebietskörperschaften, deren Mittel zur Erfüllung von Gerichtsurteilen nicht ausreichen sollten, zwingend eingeführt werden sollte.

(48)

Die französischen Behörden beziehen sich auch auf rechtswissenschaftliche Aufsätze (37). In diesen Aufsätzen wird darauf hingewiesen, dass der Ausdruck „trägt dafür Sorge“ in Artikel 1 des Gesetzes vom 16. Juli 1980 auf ein „Eintrittsrecht“ verweist, bei dem „grundsätzlich der Eintretende über die gleichen Zuständigkeiten wie derjenige, an dessen Stelle er tritt, verfügt“, wobei die Gewährung einer außerordentlichen Subvention im Übrigen „den Rahmen der Ausübung eines Eintrittsrechts überschreitet“ und somit im Gesetz vom 16. Juli 1980 nicht vorgesehen sei.

(49)

Schließlich führen die französischen Behörden die Entscheidungen des Conseil d’Etat vom 10. November 1999 (38) und vom 18. November 2005 (39) in der Rechtssache Campoloro an. Der Conseil d’Etat habe die Auffassung vertreten, dass das Eintreten des Staates für die säumige Gemeinde in Finanzangelegenheiten nicht zu den Verpflichtungen gemäß dem Gesetz vom 16. Juli 1980 gehöre. Bei der Untersuchung, ob die Haftung des Staates im Bereich des — obendrein groben — Verschuldens in Anspruch genommen werden könne, habe der Conseil d’Etat grundsätzlich jede Form der Haftung „von Rechts wegen“ und somit jede Form der Bürgschaft ausgeschlossen.

2.   Die verschuldensunabhängige Haftung des Staates könne nicht allein durch unzureichende Mittel ausgelöst werden

(50)

Zudem behaupten die französischen Behörden, dass die Entschädigungsmöglichkeiten, die den Gläubigern öffentlicher Unternehmen unter restriktiven Bedingungen offen stehen, keiner Sicherheit in Form einer Garantie oder Bürgschaft gleichgesetzt werden könnten. Die Bürgschaft setze voraus, dass der Bürge das Schuldverhältnis des Bürgschaftsnehmers übernehme. Wenn es darum gehe, ein Verschulden bzw. — im Fall einer verschuldensunabhängigen Haftung — die Folgen eines Handelns zu übernehmen, könne von einer Bürgschaft keine Rede sein.

(51)

Die französischen Behörden behaupten weiter, dass die Haftung des Staates in jedem Fall nicht allein dadurch ausgelöst werden könne, dass der Präfekt oder die Aufsichtsbehörde wegen der Finanz- und Vermögenslage der Körperschaft oder des öffentlichen Unternehmens keine Maßnahmen zur Begleichung der Forderung habe ergreifen können.

(52)

Im Bereich des — obendrein schweren — Verschuldens könne die Unterlassung des Präfekt oder der Aufsichtsbehörde, seine bzw. ihre Zuständigkeiten wahrzunehmen, wenn es keine geeigneten Maßnahmen gebe, die eine Begleichung der Forderung durch die Körperschaft oder das öffentliche Unternehmen ermöglichen würden, nicht schuldhaft sein.

(53)

Die verschuldensunabhängige Haftung sei aus mindestens zwei Gründen auszuschließen:

Erstens könne die Haftung der Person, von der Ersatz verlangt werde, nur ausgelöst werden, wenn die ihr zugerechnete Handlung (bzw. Unterlassung) die unmittelbare Ursache des Schadens gewesen sei. Bei unzureichenden Mitteln sei jedoch nicht die Handlung oder Unterlassung der Verwaltungsbehörde ursächlich für den Schaden des Gläubigers, sondern die Zahlungsunfähigkeit der Körperschaft oder des öffentlichen Unternehmens.

Zweitens beruhe die verschuldensunabhängige Haftung auf dem Grundsatz der Gleichheit vor den öffentlichen Lasten. Im vorliegenden Fall sei für die französischen Behörden unverständlich, inwieweit der Schaden des Gläubigers zu einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor den öffentlichen Lasten führen könne. Denn im Gegensatz zu der Rechtssache, die zum Urteil Couitéas  (40) geführt habe, habe im vorliegenden Fall keine staatliche Behörde entschieden, das Urteil aus Gründen des allgemeinen Interesses nicht zu erfüllen. Im genannten Fall sei es der Behörde praktisch unmöglich gewesen, Maßnahmen zur Erfüllung der gerichtlichen Entscheidung zu ergreifen und die Forderungen der Gläubiger zu begleichen, und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses. Die Haftung wegen Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor den öffentlichen Lasten könne den französischen Behörden zufolge nicht bloß aufgrund der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit geltend gemacht werden. Im Hinblick auf das Vorbringen der Kommission unter Randnummer 59 des Einleitungsbeschlusses, dem zufolge „wenn der Vertreter des Staates die Kontinuität der Daseinsvorsorge über den Anspruch des Gläubigers auf Begleichung seiner Forderung stellen würde, ein Auslösen der verschuldensunabhängigen Staatshaftung nicht ausgeschlossen wäre“, erkennen die französischen Behörden an, dass der Vertreter des Staates bei der Durchführung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Verfahrens an das Erfordernis der Kontinuität der Daseinsvorsorge gebunden ist. Allerdings hätte eine solche Entschädigung nach Auffassung der französischen Behörden selbst im Fall einer gerichtlichen Anordnung der Entschädigung des Gläubigers zur Folge, dass der Gläubiger wieder in der Situation wäre, in der er auch nach allgemeinem Recht gewesen wäre, da der betreffende Vermögenswert veräußert worden wäre und die Gläubigergemeinschaft den entsprechenden Betrag erhalten hätte. Dem Gläubiger würde somit daraus kein Vorteil erwachsen.

b)   […]  (41)

1.   Die Nichtanwendbarkeit der Sanierungs- und Abwicklungsverfahren nach allgemeinem Recht auf öffentliche Unternehmen schließe die Möglichkeit des Konkurses eines EPIC oder die Einleitung eines Konkursverfahrens über sein Vermögen nicht aus

(54)

Den französischen Behörden zufolge gründe die Kommission ihre Analyse auf die Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (42) und insbesondere auf deren Ziffer 2.1.3: „Als Beihilfe in Form einer Garantie betrachtet die Kommission auch die günstigeren Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, deren Rechtsform einen Konkurs oder andere Zahlungsunfähigkeitsverfahren ausschließt oder dem Unternehmen eine ausdrückliche staatliche Garantie oder Verlustübernahme durch den Staat verschafft“.

(55)

Ungeachtet der Feststellung, dass die Vorschriften des Vertrags der Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften vorgehen, führen die französischen Behörden zwei Aspekte an, die ihrer Ansicht nach der Anwendbarkeit dieser Mitteilung auf den vorliegenden Fall zuwiderlaufen:

in der Mitteilung von 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften gehe es darum, dass sich die Beihilfe aus „günstigeren Finanzierungsbedingungen“ aufgrund eines ausgeschlossenen Konkursverfahrens ergebe; nun habe die Kommission aber das Vorliegen von solchen „günstigeren Finanzierungsbedingungen“ nicht nachgewiesen;

die Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften betreffe den Fall, in dem die Rechtsform jedes Konkurs- oder Zahlungsunfähigkeitsverfahren und nicht ein Verfahren im Besonderen ausschließe; nun habe die Kommission aber nicht nachgewiesen, dass La Poste nicht Konkurs gehen könne und dass kein Zahlungsunfähigkeitsverfahren möglich sei.

(56)

Den französischen Behörden zufolge ist das Gesetz vom 25. Januar 1985 nur eine Verfahrensvorschrift. Die Tatsache, dass die EPIC nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen, bedeute nicht, dass es bei einem EPIC nicht zu einer Zahlungseinstellung kommen könne und dass ein Sanierungs-, Abwicklungs- oder Konkursverfahren nicht möglich sei.

2.   Durch die Anwendung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingerichteten „Verfahrens“ anstelle des Insolvenzverfahrens nach allgemeinem Recht werde dem Gläubiger kein Vorteil verschafft

(57)

Nach Prüfung von Randnummer 68 des Einleitungsbeschlusses gelangen die französischen Behörden zu dem Schluss, dass die Kommission die Frage, ob ein besonderes Zahlungsunfähigkeitsverfahren einem Unternehmen, das diesem Verfahren unterliegt, gegenüber Unternehmen, die den handelsrechtlichen Bestimmungen unterliegen, einen Vorteil verschafft, anhand von zwei Kriterien bewerte:

einem Kriterium der Öffentlichkeit: Das Verfahren, das im Fall der Zahlungsfähigkeit von La Poste angestrengt würde, müsste klar definiert und öffentlich sein;

einem Kriterium der Gleichwertigkeit: Bei diesem Verfahren müsste es sich entweder um das privatrechtliche Verfahren handeln oder um ein Verfahren, das den Gläubigern von La Poste nicht mehr Ansprüche verschaffe, als sie nach dem Handelsrecht hätten.

(58)

Obwohl die französischen Behörden bestreiten, dass die Erfüllung dieser beiden Kriterien notwendig ist (43), berücksichtigen sie diese Kriterien angesichts der Tatsache, dass die Kommission sie als notwendig und hinreichend betrachtet, bei der Prüfung der Frage, ob den Gläubigern von juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch die Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes vom 16. Juli 1980 im Vergleich zu den Gläubigern von Unternehmen, die Insolvenzverfahren nach allgemeinem Recht unterliegen, ein Vorteil verschafft wird.

(59)

Hinsichtlich des Kriteriums der Öffentlichkeit vertreten die französischen Behörden die Auffassung, dass das mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführte Verfahren von den Ratingagenturen ganz richtig als Verfahren eingeordnet werde, das im Fall der Zahlungsunfähigkeit eines EPIC greife, wie die von der Kommission im Zusammenhang mit der Fall ERAP angeführten Agenturmeldungen beweisen würden.

(60)

Beim Kriterium der Gleichwertigkeit unterscheiden die französischen Behörden zwischen dem Fall, in dem das Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge zum Tragen kommt, und dem Fall, in dem dieses Erfordernis nicht gegeben ist.

i)   Untersuchung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten „Verfahrens“ unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit — ohne das Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge

(61)

Nach Ansicht der französischen Behörden käme in dem Fall, dass La Poste ihre Schulden nicht zurückzahlen können sollte und kein Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge gegeben wäre, das folgende Verfahren zur Anwendung: Im unwahrscheinlichen Fall erwiesener finanzieller Schwierigkeiten würde das Unternehmen zunächst, bevor es zu einer Überschuldung käme, Verhandlungen mit seinen Gläubigern zur Aufstellung eines Schuldensanierungsplans aufnehmen. Sollte dieser Plan als unzureichend betrachtet werden oder keine Überwindung der finanziellen Schwierigkeiten ermöglichen und keine neue Einigung mit den Gläubigern — oder einigen von ihnen — zustande kommen, könnten die Gläubiger dann das zuständige Gericht anrufen, um den Schuldner verurteilen und somit ihre Forderung anerkennen zu lassen. Dabei käme das mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführte Verfahren zur Anwendung. Es könnte gegebenenfalls dazu führen, dass die Aufsichtsbehörde an die Stelle des Exekutivorgans von La Poste tritt, um die zur Begleichung der Schulden aus den Mitteln des Unternehmens erforderlichen Entscheidungen zu treffen. Sollte bei dem mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Verfahren festgestellt werden, dass die Vermögenswerte von La Poste nicht ausreichen, es der Aufsichtsbehörde somit faktisch nicht möglich sein, mangels veräußerbarer Vermögenswerte die zur Begleichung der Schulden erforderlichen Mittel zu erschließen, wäre das im Gesetz vom 16. Juli 1980 vorgesehene Verfahren beendet.

(62)

Nach Ansicht der französischen Behörden könnte die Anwendung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Verfahrens für den Fall, dass kein Erfordernis der Daseinsvorsorge besteht, zur Veräußerung aller Vermögenswerte von La Poste führen; im Fall unzureichender Vermögenswerte würden bei diesem Verfahren jedoch nicht alle Gläubiger von La Poste befriedigt werden können. Am Ende des Verfahrens hätten die Gläubiger eines Unternehmens, das dem Gesetz vom 16. Juli 1980 unterliegt, unter dem Strich den gleichen Betrag erhalten wie die Gläubiger eines dem Handelsrecht unterliegenden Unternehmens, nämlich den Erlös aus der Veräußerung der Vermögenswerte.

(63)

Dieses Verfahren würde sich nur in zwei Punkten von dem nach dem Handelsrecht anwendbaren Verfahren unterscheiden:

es gebe keine Unterscheidung nach Gläubigergruppen: Im Unterschied zum privatrechtlichen Verfahren, bei dem die Gläubiger nach Gruppen unterschieden und in der Rangfolge ihrer Vorrechte und im Verhältnis zu den verfügbaren Summen befriedigt würden, zeichne sich das mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführte Verfahren dadurch aus, dass der Gläubiger nur mit einer Klage seine Ansprüche wahren könne. Das System des Gesetzes vom 16. Juli 1980 entspreche dem Windhundverfahren;

der Vertreter des Staates übernehme unter der Aufsicht des Verwaltungsgerichts (Kontrolle des groben Verschuldens gemäß dem Urteil des Conseil d’Etat von November 2005 in der Sache Campoloro) eine Funktion, die zu der des Konkursverwalters und des gerichtlich bestellten Sachwalters gleichwertig sei.

(64)

Nach Auffassung der französischen Behörden können die Gläubiger nach Abschluss des Verfahrens keine Rechtsmittel mehr einlegen. Den französischen Behörden zufolge kann die Staatshaftung nicht allein wegen unzureichender Vermögenswerte ausgelöst werden. Wie im privatrechtlichen Verfahren würde nach Abschluss der gerichtlichen Abwicklung bis auf wenige Ausnahmen „das Recht der Gläubiger auf Einzelvollstreckung nicht wiederaufleben“ (44).

ii)   Untersuchung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten „Verfahrens“ unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit unter Berücksichtigung des Erfordernisses des Fortbestands der Daseinsvorsorge

(65)

Für den Fall, dass der Fortbestand der Daseinsvorsorge gewährleistet werden müsste, räumen die französischen Behörden ein, dass der Vertreter des Staates in Ausübung der mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 übertragenen Befugnisse beschließen könnte, bestimmte Vermögenswerte, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben erforderlich seien, nicht zu veräußern. Die Nichtveräußerung bestimmter Vermögensgegenstände aus Gründen, die mit dem Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge zusammenhängen, würde — mangels Ersatzleistung des Staates — zu einem geringeren Veräußerungserlös und entsprechend zu einer weniger umfassenden Befriedigung der Gläubiger führen. Bei diesem Verfahren hätten die Gläubiger von La Poste nicht mehr Rechte als dem Handelsrecht. Den französischen Behörden zufolge ist damit das von der Kommission aufgestellte Kriterium der Gleichwertigkeit erst recht erfüllt.

(66)

Die französischen Behörden räumen jedoch ein, dass in diesem Fall die verschuldensunabhängige Haftung des Staates geltend gemacht werden und zu einer Entschädigung der Gläubiger in Höhe des erlittenen Schadens führen könnte, d. h. maximal in Höhe des Marktwerts der Vermögensgegenstände, die infolge des rechtmäßigen Beschlusses des Vertreters des Staates nicht veräußert worden seien. Nach Ansicht der französischen Behörden hätte diese mögliche Entschädigung jedoch nur zur Folge, dass der Gläubiger wieder in die Lage versetzt würde, in der er nach allgemeinen Recht wäre, und dass ihm mit Blick auf das Kriterium der Gleichwertigkeit nicht mehr Rechte verschafft würden als er nach allgemeinem Recht hätte.

(67)

Die französischen Behörden kommen zu dem Schluss, dass das mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführte Verfahren die von der Kommission aufgestellten Kriterien der Gleichwertigkeit und Öffentlichkeit erfüllt, die hinreichend seien, um das Vorliegen eines Vorteils auszuschließen. Ihrer Ansicht nach ist es daher nicht gerechtfertigt, La Poste unmittelbar dem aufwändigen und komplexen Verfahren nach allgemeinem Recht zu unterwerfen.

3.   Die von der Kommission angeführten Texte zum Schicksal der Verbindlichkeiten nach dem Versiegen der Mittel des Unternehmens träfen auf La Poste nicht zu

(68)

Nach Ansicht der französischen Behörden sind die von der Kommission im Einleitungsbeschluss und insbesondere unter Randnummer 69 angeführten Texte im Fall von La Poste weder anwendbar noch umsetzbar.

3.1.2.   NICHTVORLIEGEN EINES VORTEILS

(69)

Den französischen Behörden zufolge untersucht die Kommission das Vorliegen eines selektiven Vorteils unter zwei Aspekten:

Argumentation, in der sich ein Zirkelschluss verberge, anhand der Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften;

Untersuchung des mutmaßlichen Einflusses der angeblichen Beihilfe auf die Ratingagenturen.

A.    Anhand der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften könne im vorliegenden Fall nicht auf das Vorliegen eines Vorteils geschlossen werden

(70)

Nach Auffassung der französischen Behörden hat die Kommission Ziffer 2.1.3 der Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften unter Randnummer 77 des Einleitungsbeschlusses falsch ausgelegt. Den französischen Behörden zufolge beinhaltet Ziffer 2.1.3, dass eine Beihilfe in Form von Haftungsverpflichtungen oder Bürgschaften vorliegt, wenn ein Unternehmen günstigere Finanzierungsbedingungen erhalte, weil seine Rechtsform einen Konkurs oder andere Zahlungsunfähigkeitsverfahren ausschließe. Ziffer 2.1.3 der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften besage den französischen Behörden zufolge nicht, dass die Kommission die Auffassung vertritt, dass die Tatsache, dass die Rechtsform eines Unternehmens einen Konkurs oder andere Zahlungsunfähigkeitsverfahren ausschließe, zwangsläufig dazu führe, dass dieses Unternehmen günstigere Finanzierungsbedingungen erhalte.

(71)

Im Übrigen sind die französischen Behörden der Ansicht, dass La Poste nicht in den Anwendungsbereich von Ziffer 2.1.3 der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften fällt, da diese den Fall betreffe, in dem die Rechtsform alle Konkurs- oder Zahlungsunfähigkeitsverfahren und nicht ein bestimmtes Verfahren ausschließe. Nach Auffassung der französischen Behörden hat die Kommission weder bewiesen, dass La Poste nicht Konkurs gehen könne, noch, dass kein anderes Zahlungsunfähigkeitsverfahren zur Anwendung kommen könne.

B.    Nichtzurechenbarkeit und Nichtvorliegen staatlicher Mittel

(72)

Unter Randnummer 79 des Einleitungsbeschlusses weist die Kommission auf den Einfluss hin, den Ratingagenturen auf die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen ausüben.

(73)

Nach einem Hinweis auf die Schwächen der Ratingagenturen behaupten die französischen Behörden, dass der Standpunkt einer Ratingagentur keinen dem Staat zurechenbaren Vorteil begründen könne, der eine staatliche Beihilfe darstellen könne, wenn er nicht durch eine genaue Analyse des geltenden Rechtsrahmens gestützt werde. Selbst wenn ein EPIC aufgrund dieser Bewertung in der Praxis einen vorteilhaften Zugang zu Finanzierungen hätte, hätte es dadurch weder rechtlich noch praktisch Zugang zu staatlichen Mitteln, was erforderlich wäre, um sie als Beihilfe einstufen zu können.

(74)

Zudem seien die Analysen der Ratingagenturen nicht objektiv, sondern beruhten auf einer subjektiven Einschätzung einer möglichen Unterstützung des Staates bei Schwierigkeiten des betreffenden Unternehmens.

C.    Zirkularität der Argumentation

(75)

Nach Ansicht der französischen Behörden verbirgt sich in der Argumentation der Kommission ein Zirkelschluss:

die Kommission stütze sich im Wesentlichen auf Aussagen der Ratingagenturen, um einen wirtschaftlichen Vorteil aufzuzeigen;

der Markt und die Ratingagenturen hätten das Nichtvorliegen einer Staatsbürgschaft für La Poste berücksichtigt, hätten jedoch noch immer Bedenken, die nur auf dem Standpunkt der Kommission beruhen würden.

D.    Keine Auswirkungen auf das Rating von La Poste

(76)

Den französischen Behörden zufolge wird im Einleitungsbeschluss in jedem Fall nicht bewiesen, dass das Rating von La Poste dank einer angeblichen unbeschränkten Staatsbürgschaft besser ausgefallen ist.

a)   Die Dokumente der Ratingagenturen seien nicht ausreichend, um Auswirkungen irgendeiner Art aufzuzeigen

(77)

Die französischen Behörden äußern sich zu der Studie von Standard and Poor’s mit dem Titel „Influence of Government Support on Ratings“, die von der Kommission unter Randnummer 80 des Einleitungsbeschlusses angeführt wird. In dieser Studie unterscheidet Standard and Poor’s mehrere Kategorien von „government supported postal companies“; die Einstufung ist dabei maßgeblich für die Methode, die Standard and Poor’s bei der Ermittlung des Ratings des Unternehmens anwendet.

(78)

Die französischen Behörden betonen, dass bei der Einstufung in die Kategorie 1 (45) eine Vielzahl von Kriterien wie die Art der Geschäftstätigkeit oder das wirtschaftliche und soziale Umfeld berücksichtigt würden, aber nicht auf den Status des bewerteten Unternehmens verwiesen werde.

(79)

Die französischen Behörden weisen darauf hin, dass die französische Post und die italienische Post am 22. November 2004 in die Kategorie 2 (46) eingestuft wurden. Die französischen Behörden folgern aus der Studie von Standard and Poor’s, dass das Rating der italienischen Post nicht auf der finanziellen Leistungsfähigkeit von Poste Italiane beruht hat. Den französischen Behörden zufolge wurde das Rating der italienischen Post vom Rating ihres Eigentümers beeinflusst, obwohl Poste Italiane die Rechtsform einer SpA (Aktiengesellschaft) nach allgemeinem Recht habe.

(80)

Sie stellen fest, dass Standard and Poor’s La Poste letztendlich in die Kategorie 3 (47) eingestuft hat. Den französischen Behörden zufolge haben die seit Ende 2004 durchgeführten umfassenden Reformen Standard and Poor’s veranlasst, La Poste in diese dritte Kategorie einzustufen. Die französischen Behörden folgern daraus, dass nicht bewiesen werden könne, dass das Rating von La Poste allein deren Status oder irgendeinem Garantiemechanismus des Staates zuzurechen sei und dass dieses Rating eine staatliche Beihilfe darstellen könne.

(81)

Allerdings räumen sie ein, dass die Frage des Status von La Poste in der Studie von Standard and Poor’s aus dem Jahr 2004 angesprochen wurde. Die französischen Behörden versichern jedoch, dass dieser Punkt in den Gesprächen mit Standard and Poor’s geklärt worden sei. Zudem hätten die französischen Behörden Fitch auf das Nichtvorliegen von Staatsbürgschaften für La Poste hingewiesen, woraufhin die Agentur sich erneut mit der Frage befasst habe.

b)   In der Privatwirtschaft sei das Rating zahlreicher Tochtergesellschaft an das der Muttergesellschaft gekoppelt

(82)

Nach Angaben der französischen Behörden ist der Einfluss eines stabilen Mehrheitsaktionärs, der von den Ratingagenturen im Fall von Poste Italiane unabhängig von einem besonderen Status hervorgehoben worden sei, bei privatwirtschaftlichen Gruppen häufig festzustellen. Als Beispiel nennen die französischen Behörden eine Mitteilung von Standard and Poor’s vom 3. Dezember 2003 über AGF (48), eine Mitteilung über die Volkswagen Bank GmbH (49) und eine Mitteilung über VWFS (50). Nach Auffassung der französischen Behörden stellt dieser Ansatz auf keinen Fall eine Besonderheit des öffentlichen Sektors dar.

c)   Das Rating von La Poste würde bei einer Änderung ihres Status nicht geändert

(83)

Die französischen Behörden bemühen sich, anhand der Analyse des Ratings von La Poste durch Standard and Poor’s zu beweisen, dass sich der Status von La Poste nicht auf dieses Rating auswirkt.

(84)

Zum Ersten stellen die französischen Behörden fest, dass Standard and Poor’s La Poste zum Zeitpunkt der Stellungnahme der französischen Behörden mit AA- mit stabilem Ausblick bewertet hat. Die Herabstufung wurde von Standard and Poor’s mit der bevorstehenden Verschlechterung der Finanzstruktur der Gruppe im Zusammenhang mit der Zahlung von 2 Mrd. EUR durch La Poste für die Reform der Finanzierung der Ruhegehälter der Beamten sowie mit der „stärkeren Unabhängigkeit von La Poste von ihrem Anteilseigner“ begründet. Nach Ansicht der französischen Behörden würde sich eine solche Herabstufung, die nicht aus Anlass einer Änderung des Status von La Poste erfolgt sei, nicht erklären lassen, wenn das Rating von La Poste nur eine Folge ihres Status wäre.

(85)

Zum Zweiten sei für die französischen Behörden trotz der Ausführungen (51) von Standard and Poor’s in dem unter Randnummer 84 des Einleitungsbeschlusses genannten Schreiben vom 3. April 2007 nicht nachvollziehbar, warum La Poste, wenn sie über eine Staatsbürgschaft verfügt hätte, um 3 Notches niedriger als der Staat bewertet worden sei. In ähnlicher Weise sei für die französischen Behörden unverständlich, warum, wenn die Bestimmungen des Gesetzes vom 16. Juli 1980 von den Agenturen dahingehend ausgelegt worden wären, dass zugunsten der Gläubiger der betreffenden juristischen Personen ein einer Staatsbürgschaft gleichgestellter Mechanismus eingerichtet worden sei, die Gebietskörperschaften mit der Note BBB + bewertet worden seien, der Staat dagegen als AAA.

(86)

Zum Dritten betonen die französischen Behörden, dass das Schreiben von Standard and Poor’s vom 3. April 2007 auf einer Aufzählung der Stärken und Schwächen des Unternehmens beruhe und dass der Status darin nicht erwähnt werde. Die beiden von Standard and Poor’s zur Stützung des Ratings genannten Faktoren, d. h. die wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Aufgaben von La Poste und das „strong shareholder backing“ hätten nichts mit dem Status von La Poste zu tun. Denn den französischen Behörden zufolge ist unter „strong shareholder backing“ nicht eine dem Recht der Union zuwiderlaufende finanzielle Unterstützung zu verstehen, sondern das Interesse, das der Staat unter „At arm’s length“-Bedingungen (52) an der Entwicklung von La Poste hat. Die französischen Behörden folgern daraus, dass der Status kein wesentlicher Faktor des Ratings ist.

(87)

Zum Vierten weisen die französischen Behörden darauf hin, dass die Ratingagentur in diesem Schreiben vom 3. April 2007 angibt, weiterhin den Top-Down- Ansatz anzuwenden, der es ermöglicht, ein Unternehmen um bis zu zwei Punkte niedriger als den Staat zu bewerten. Der Ratingagentur zufolge ist dieser Ansatz dadurch gerechtfertigt, dass der Staat mittelfristig alleiniger Aktionär von La Poste bleiben dürfte. Die französischen Behörden folgern daraus, dass dieser Ansatz in keiner Weise mit dem Status von La Poste begründet werde. Schließlich behaupten die französischen Behörden auf der Grundlage eines Zitats von Standard and Poor’s (53), dass nicht die Änderung des Status, sondern eine Öffnung des Kapitals Standard and Poor’s veranlassen würde, bei La Poste nach dem Bottom-Up-Ansatz vorzugehen. Sie fügen hinzu, dass eine solche Änderung des Ansatzes angesichts der erwarteten Besserung der grundlegenden Faktoren von La Poste nicht zwangsläufig zu einer Änderung des Ratings führen würde.

(88)

Zum Fünften weisen die französischen Behörden darauf hin, dass die Ratingagentur den Ausblick trotz des von der Kommission eingeleiteten Verfahrens wegen der unbeschränkten Bürgschaft, die La Poste aufgrund ihres Status gewährt worden sein soll, als „stabil“ festgelegt habe. Wenn der Status nun aber einen Einfluss auf die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens hätte, müsste die bevorstehende Änderung zu einem negativen und nicht zu einem stabilen Ausblick führen. Im Übrigen begründe Standard and Poor’s den stabilen Ausblick damit, dass der Staat in den nächsten beiden Jahren trotz einer möglichen Änderung des Status alleiniger Aktionär des Unternehmens bleiben dürfte. Aus einem weiteren Zitat von Standard and Poor’s (54) folgern die französischen Behörden, dass Standard and Poor’s bei der Entscheidung über die Änderung des Ratings die Leistungsfähigkeit des Unternehmens und eine mögliche Änderung der Aktionärsstruktur berücksichtige und nicht eine mögliche Änderung des Status.

(89)

Zum Sechsten betonen die französischen Behörden, wobei sie erneut aus dem Schreiben von Standard and Poor’s von 2007 zitieren (55), dass die Ratingagentur der Behauptung der Kommission, der Status habe eine Verbesserung der La Poste gewährten Finanzierungsbedingungen zur Folge, nicht gefolgt sei. Unter Heranziehung des Zitats von Standard and Poor’s, dem zufolge „die Ratings von La Poste von dieser Empfehlung nicht berührt wurden, da wir die Auffassung vertreten, dass eine Änderung des Status von La Poste nicht zwangsläufig zu einer geringeren Unterstützung des Staates führt, die den Ratings von La Poste zugrunde liegt und die unlängst durch Regierungsbeschlüsse erneut bekräftigt wurde“ (56), schließen die französischen Behörden, das der Status von La Poste deren Rating nicht beeinflusst hat.

E.    Keine Auswirkungen auf die Finanzierungsbedingungen von La Poste

(90)

Schließlich untersuchen die französischen Behörden die tatsächlichen Finanzierungsbedingungen von La Poste, um zu bestimmen, ob eine angebliche Staatsbürgschaft sich darauf ausgewirkt hat.

(91)

Den französischen Behörden zufolge haben weder die Ankündigung des Vorliegens einer angeblichen Bürgschaft und ihrer angeblichen Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht und demzufolge ihrer baldigen Aufhebung durch die Kommission noch das Bestreiten dieser Behauptungen durch die französischen Behörden gegenüber den Ratingagenturen und in der Presse einen Einfluss auf die Finanzierungsbedingungen von La Poste gehabt. So habe La Poste im Oktober 2006, unmittelbar nach der Ankündigung der Kommission, geeignete Maßnahmen zu empfehlen, eine Obligationsanleihe in Höhe von 1,8 Mrd. EUR mit zwei Laufzeiten von 7 und 15 Jahren begeben. La Poste habe diese Empfehlung im Prospekt erwähnt und bei Besprechungen mit den Anlegern klargestellt, dass sie über keine Staatsbürgschaft verfüge. Nun hätten sich aber nach der Emission die Finanzierungskosten von La Poste nicht wesentlich geändert (57). Die beiden Emissionen seien von europäischen Anlegern mit einem für La Poste üblichen Profil, d. h. von Anlegern, die ihre Obligationen bis Fälligkeit behalten, in hohem Maße gezeichnet worden. Die französischen Behörden ziehen daraus den Schluss, dass die Ankündigung der Kommission, in der die Aufhebung der angeblichen Bürgschaft verlangt wurde, und die öffentliche Bekanntgabe des Standpunkts des französischen Staates keinen Einfluss auf die Finanzierungsbedingungen von La Poste auf dem Anleihemarkt gehabt hätten. Denn auf den Märkten werde die Auffassung vertreten, dass die Finanzierungsbedingungen von La Poste nicht auf dem rechtlichen oder tatsächlichen Bestehen irgendeiner Sicherheit beruhen.

(92)

Die französischen Behörden kommen zu folgendem Schluss:

die Analyse der Kommission in ihrem Beschluss über die Einleitung des Verfahrens sei falsch: La Poste verfüge über keine Staatsbürgschaft;

die Kommission habe das Vorliegen eines Vorteils für La Poste aufgrund von deren Status nicht bewiesen;

die Kommission habe infolgedessen das Vorliegen einer Beihilfe zugunsten von La Poste nicht bewiesen.

3.2.   VORSCHLÄGE DER FRANZÖSISCHEN BEHÖRDEN

(93)

Um dennoch die Bedenken der Kommission auszuräumen, teilten die französischen Behörden mit, dass sie bereit wären, die folgenden Maßnahmen umzusetzen, falls die Kommission einwilligen würde, das Verfahren mit einem Beschluss gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verfahrensverordnung abzuschließen, mit dem festgestellt wird, dass keine Beihilfe vorliegt:

Klärung der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz vom 16. Juli 1980;

Aufnahme eines Hinweises, dass keine Deckung durch eine Bürgschaft gegeben ist, in alle eine Forderung beinhaltenden Verträge von La Poste;

Maßnahme zur Rückabtretung möglicher negativer Auswirkungen auf den Spread im Zusammenhang damit, dass La Poste nicht den Insolvenzverfahren nach allgemeinem Recht unterliegt, durch La Poste an den Staat.

3.2.1.   KLÄRUNG DER DURCHFÜHRUNGSBESTIMMUNGEN ZUM GESETZ VOM 16. JULI 1980

(94)

Nach Auffassung der französischen Behörden geht es nicht darum, die in Rede stehenden Bestimmungen wesentlich zu ändern, sondern nur darum, ihre Auslegung zu klären. Daher schlagen sie vor, die Durchführungsbestimmungen des Gesetzes zu ändern (58). Die Änderung sollte den vierten Unterabsatz von Artikel 3-1 des Dekrets zur Regelung der dem Präfekten oder der Aufsichtsbehörde übertragenen Aufsichtsfunktion betreffen. Mit der Änderung sollten alle Bedenken der Kommission im Hinblick auf den Ausdruck „trägt dafür Sorge“ (im Französischen „y pourvoit“) ausgeräumt werden können. Daher wird vorgeschlagen zu präzisieren, dass der Vertreter des Staates bzw. die Aufsichtsbehörde die Mittel im Haushalt der Körperschaft oder des Unternehmens bereitstellt.

(95)

Die geänderte Bestimmung des Dekret würde wie folgt lauten:

„Ist die Inverzugsetzung bei Verstreichen dieser Fristen ergebnislos geblieben, stellt der Vertreter des Staates bzw. die Aufsichtsbehörde die Ausgabe in den Haushalt der betreffenden Körperschaft bzw. des betreffenden öffentlichen Unternehmens ein. Er stellt gegebenenfalls die erforderlichen Mittel im Haushalt der Körperschaft oder des Unternehmens bereit, indem er die noch freien, für andere Ausgaben vorgesehenen Mittel senkt oder die Ressourcen erhöht“ (Änderungen in kursiver Schrift).

(96)

Nach Angaben der französischen Behörden wird durch diesen Vorschlag in Verbindung mit den Äußerungen und rechtswissenschaftlichen Aufsätzen, die bei den Beratungen vor Zusendung des Einleitungsbeschlusses übermittelt wurden, ausgeschlossen, dass der Präfekt bzw. der Vertreter des Staates die Ressourcen der betreffenden Körperschaft oder des betreffenden Unternehmens im Rahmen des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Verfahren durch staatliche Subventionen oder eine Kapitalspritze aus öffentlichen Mitteln erhöhen kann.

3.2.2.   AUFNAHME EINES HINWEISES, DASS KEINE DECKUNG DURCH EINE BÜRGSCHAFT GEGEBEN IST, IN ALLE EINE FORDERUNG BEINHALTENDEN VERTRÄGE VON LA POSTE

A.    Ursprünglicher Vorschlag der französischen Behörden

(97)

Unter Randnummer 59 des Einleitungsbeschlusses vertritt die Kommission die Auffassung, dass durch den Vorschlag der französischen Behörden, die Durchführungsbestimmungen zum Gesetz vom 16. Juli 1980 zu ändern, „nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Versiegen der Mittel von La Poste ein Gläubiger, dessen Forderung im Rahmen der Anwendung des Gesetzes von 1980 nicht befriedigt worden sein sollte, den Rechtsweg beschreitet, um auf der Grundlage der Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor den öffentlichen Lasten den Staat zur Haftung heranzuziehen“.

(98)

Obwohl sie bestreiten, dass die Staatshaftung allein wegen der Zahlungsunfähigkeit von La Poste ausgelöst werden kann, machen die französischen Behörden, um alle Bedenken der Kommission auszuräumen, einen Vorschlag auf der Grundlage der Einwendung der freiwilligen Risikoübernahme (exception de risque accepté). Diese Einwendung, die sowohl bei der Verschuldenshaftung als auch bei der verschuldensunabhängigen Haftung des Staates greift, beruht auf dem Grundsatz, dass ein Schaden, der infolge eines Umstands entsteht, dem sich das Opfer bewusst ausgesetzt hat, keinen Schadenersatzanspruch begründet (siehe Urteile des Conseil d’Etat Sille  (59) und Meunier  (60).

(99)

Um die Anwendung dieser Einwendung sicherzustellen, schlagen die französischen Behörden daher vor, den Gläubigern von La Poste offiziell zu bestätigen, dass La Poste nicht über eine Staatsbürgschaft verfügt und dass der Staat im Fall der Zahlungsunfähigkeit nicht verpflichtet wäre, an ihrer Stelle finanzielle Forderungen zu bedienen. Mit einer solchen Information werde nicht gegen das Gesetz verstoßen, da dieses an keiner Stelle vorsehe, dass der Staat im Fall der Zahlungsfähigkeit für La Poste eintreten müsse, um deren Schulden zu begleichen.

(100)

Über die Klärung der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz vom 16. Juli 1980 hinaus verpflichten sich die französischen Behörden somit gemeinsam mit La Poste, in den Finanzierungsvertrag (für alle vertraglich begründeten Instrumente) den folgenden Hinweis aufzunehmen:

„Die Emission/das Programm/das Darlehen ist durch keinerlei direkte oder indirekte staatliche Bürgschaft gedeckt. Bei Zahlungsunfähigkeit ist der Staat nicht gehalten, anstelle von La Poste finanzielle Forderungen zu bedienen“.

B.    Bedenken der Kommission in ihrem Einleitungsbeschluss

(101)

Unter Randnummer 61 des Einleitungsbeschlusses äußert die Kommission zum Vorschlag der französischen Behörden die folgenden Bedenken:

die Einwendung der freiwilligen Risikoübernahme sei durch die Rechtsprechung aufgestellt worden und könne sich ändern;

„dieser Vorschlag, der auf den Grundsätzen des öffentlichen Rechts beruht, ist unzulänglich, denn diese Instrumente könnten im Konfliktfall relativ einfach aufgehoben werden“;

schließlich hat La Poste nicht nur finanzielle, sondern auch kommerzielle oder andere Verbindlichkeiten; diese Fälle werden im ergänzenden Vorschlag der französischen Behörden aber nicht behandelt.

C.    Angaben der französischen Behörden zur Erwiderung auf diese Bedenken

(102)

Wie bereits erwähnt, kann nach Angaben der französischen Behörden die verschuldensunabhängige Staatshaftung nicht allein infolge unzureichender Mittel von la Poste ausgelöst werden, da das Auslösen der Haftung des Staates eine Entscheidung des Staates über eine Handlung oder Unterlassung voraussetze und man hier auf die praktische Unmöglichkeit des Handelns stoße. Der Vorschlag der französischen Behörden hat daher nur als ergänzende Maßnahme zur Klarstellung gegenüber Gläubigern einen Wert, wobei er es im Übrigen aufgrund der Einwendung der freiwilligen Risikoübernahme ermöglicht, jegliche Gefahr der Inanspruchnahme der verschuldensunabhängigen Staatshaftung auszuschließen.

(103)

Den französischen Behörden zufolge wäre der erste Einwand der Kommission gleichbedeutend damit, dass selbst dann, wenn im innerstaatlichen Recht eines Mitgliedstaats eine Bestimmung nicht vorgesehen sei, allein die Gefahr einer Abkehr von der Rechtsprechung, d. h. einer Änderung des einzelstaatlichen Rechts, ausreichen würde, um eine staatliche Beihilfe zu begründen. Die französischen Behörden fechten diese Argumentation an. Ihrer Auffassung nach stellt die Einwendung der freiwilligen Risikoübernahme einen Grundsatz des öffentlichen Rechts dar, der durch die Rechtsprechung immer wieder bestätigt, nie widerlegt und umfassend kommentiert worden sei. Die Kommission könne eine potenzielle Beihilfe nicht auf eine mögliche Änderung des Rechts gründen, die im vorliegenden Fall mehr als unwahrscheinlich sei.

(104)

Der zweite Einwand der Kommission betreffe die Tatsache, dass es sich um sekundärrechtliche Instrumente handle, die im Konfliktfall einfach aufgehoben werden könnten. Das Gesetz und die Verordnung würden dem Vertrag zwar vorgehen, aber der Einwand der Kommission wäre nur dann wirklich stichhaltig, wenn er sich auf einen übergeordneten Text berufen würde. Den französischen Behörden zufolge wird der Einwand der Kommission zu diesem Punkt durch nichts untermauert.

(105)

Dagegen räumen die französischen Behörden ein, dass der dritte Einwand, die Anleiheemissionen seien nicht die einzigen forderungsbegründenden Instrumente, stichhaltig ist, obgleich er im Fall von La Poste von begrenzter Tragweite sei, da die Hauptschulden von La Poste in finanziellen Verbindlichkeiten und im Wesentlichen Anleiheschulden bestünden.

D.    Ausweitung des Vorschlags

(106)

Die französischen Behörden teilten daraufhin mit, dass sie, falls die Kommission das förmliche Prüfverfahren mit einem Beschluss gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verfahrensverordnung abschließen würde, mit dem festgestellt wird, dass keine Beihilfe vorliegt, bereit wären, ihren Vorschlag zur Aufnahme eines Hinweises auf die nicht gegebene Deckung durch eine staatliche Bürgschaft auf alle eine Forderung beinhaltenden Verträge auszuweiten. Den französischen Behörden zufolge könnte dadurch jede Gefahr einer Inanspruchnahme der verschuldensunabhängigen Staatshaftung wegen der bloßen Zahlungsunfähigkeit von La Poste ausgeschlossen werden. Im Übrigen hätte die Inanspruchnahme der verschuldensunabhängigen Haftung des Staates aufgrund einer Entscheidung der Aufsichtsbehörde, Vermögenswerte, die für den Fortbestand der Daseinsvorsorge erforderlich seien, nicht zu veräußern, nur zur Folge, dass die Gläubiger von La Poste in der gleichen Situation wie die Gläubiger einer Aktiengesellschaft wären.

E.    Einschätzung der französischen Behörden im Hinblick auf die Einstufung der Maßnahme als Beihilfe nach ihren Vorschlägen

(107)

Nach Auffassung der französischen Behörden würden die beiden klärenden Maßnahmen es ermöglichen, die Gläubiger von La Poste über ihre Rechte aufzuklären. Den französischen Behörden dürfe daher nicht, wie unter Randnummer 74 des Einleitungsbeschlusses geschehen, vorgehalten werden, dass sie „verantwortlich für die Erwartungen der Gläubiger von La Poste hinsichtlich des Vorliegens einer Bürgschaft“ seien und dass sie absichtlich eine „unklare Rechtslage“ beibehalten würden, die dazu führen könnte, dass der Staat „verpflichtet ist, für die Schulden von La Poste aufzukommen, falls diese nicht mehr in der Lage sein sollte, ihren Verpflichtungen nachzukommen“.

(108)

Denn nach Auffassung der französischen Behörden könne zum einen daraus, dass La Poste nicht den Insolvenzverfahren nach allgemeinem Recht unterliegt und den Bestimmungen des Gesetzes vom 16. Juli 1980 unterworfen ist, nicht auf das Vorliegen einer Staatsbürgschaft geschlossen werden und würden zum anderen die vorgeschlagen klärenden Maßnahmen jegliche Haftung des Staates, an die man den Markt angeblich glauben lasse, ausschließen.

(109)

Unter diesen Umständen könnten dem Staat keine etwaigen Folgen zurechnet werden. Das Kriterium der Zurechenbarkeit sei somit entgegen den Behauptungen der Kommission unter Randnummer 76 des Einleitungsbeschlusses nicht erfüllt.

(110)

Auch würde Randnummer 75 des Einleitungsbeschlusses, unter der die Kommission das Vorliegen staatlicher Mitteln unter Verweis auf die Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften begründe, nicht mehr standhalten, da das Vorliegen einer Staatsbürgschaft durch nichts untermauert werde.

3.2.3.   MASSNAHME ZUR RÜCKABTRETUNG

(111)

Zur Ergänzung ihrer Vorschläge seien die französischen Behörden bereit, mit der Kommission den folgenden Ansatz zu untersuchen.

(112)

Der vorgeschlagene Ansatz beruht auf der Analyse des Standpunkts der Kommission unter Ziffer 2.1.3 ihrer Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften: „Als Beihilfe in Form einer Garantie betrachtet die Kommission auch die günstigeren Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, deren Rechtsform einen Konkurs oder andere Zahlungsunfähigkeitsverfahren ausschließt oder dem Unternehmen eine ausdrückliche staatliche Garantie oder Verlustübernahme durch den Staat verschafft.“ In ihrem Einleitungsbeschluss führt die Kommission unter Randnummer 114 aus, dass sie es als problematisch erachtet, dass „Frankreich nicht alle geeigneten Maßnahmen ergreift, um zu vermeiden, dass dieser Status wirtschaftliche Auswirkungen zugunsten eines Unternehmens hat, das auf wettbewerbsbestimmten Märkten tätig ist“.

(113)

Die französischen Behörden bestreiten, dass Abschnitt 2.1.3 der Mitteilung aus dem Jahr 2000 über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften auf La Poste zutrifft, und behaupten, die Kommission sei nicht in der Lage gewesen nachzuweisen, dass La Poste dadurch, dass sie nicht den privatrechtlichen Insolvenzverfahren unterliege, günstigere Finanzierungsbedingungen erhalte.

(114)

Sie schlugen der Kommission dennoch vor, mit ihr die Einführung einer Maßnahme zur Rückabtretung zu untersuchen, bei der La Poste für den Fall, dass sich die Tatsache, dass La Poste nicht den Insolvenzverfahren nach allgemeinem Recht unterliegt, nachteilig auf den Spread auswirken würde, jeden einzelnen Euro an den Staat rückabtreten würde. Dabei würde ein Berechnungsmechanismus angewandt, der von der Kommission bestätigt würde und geprüft werden könnte. Nach Ansicht der französischen Behörden könnten mit einem solchen Ansatz die genannten klärenden Vorschläge vervollständigt werden, um dem Mythos von der Staatsbürgschaft ein Ende zu setzen und ein mögliches Vorliegen einer Beihilfe endgültig auszuschließen.

4.   WÜRDIGUNG DER BEIHILFE

4.1.   BEGRIFF DER BEIHILFE

(115)

Nach Artikel 107 Absatz 1 AEUV sind, soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

4.1.1.   BESTEHEN EINER UNBESCHRÄNKTEN STAATLICHEN BÜRGSCHAFT: VORLIEGEN STAATLICHER MITTEL

(116)

Wie unter Randnummer 56 des Einleitungsbeschlusses ausgeführt, ist La Poste aufgrund ihres Statuts als eine einem EPIC gleichgestellte juristische Person des öffentlichen Rechts sowohl hinsichtlich der Bedienung ihrer Gläubiger als auch bezüglich ihres Fortbestandes im Fall der Zahlungsunfähigkeit in einer besonderen rechtlichen Situation.

(117)

Die Kommission erinnert zunächst daran, dass La Poste nicht den Vorschriften des gemeinen Rechts über die Sanierung und Abwicklung von Unternehmen in Schwierigkeiten unterliegt (61). Die französischen Behörden streiten dies nicht ab, leugnen aber, dass es einen Mechanismus gibt, der einer Staatsbürgschaft zugunsten von La Poste gleichkommt. Nach Ziffer 1.2 Unterabsatz 2 vierter Gedankenstrich der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2008 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (nachstehend „Bürgschaftsmitteilung von 2008“ genannt) (62) werden auch die günstigeren Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, deren Rechtsform einen Konkurs oder andere Insolvenzverfahren ausschließt oder dem Unternehmen eine ausdrückliche staatliche Garantie oder Verlustübernahme durch den Staat verschafft, als Beihilfe in Form einer Garantie gewertet. Infolgedessen ist das Vorbringen der französischen Behörden zu prüfen, mit dem bewiesen werden soll, dass keine staatliche Bürgschaft vorliegt.

A.    Bürgschaft für die Begleichung einzelner Forderungen

(118)

Um festzustellen, ob eine Bürgschaft für die einzelnen Forderungen vorliegt, muss zunächst geprüft werden, ob eine solche Bürgschaft — wie die französischen Behörden behaupten — durch die Rechtsvorschriften oder die Rechtsprechung ausgeschlossen wird (a).

(119)

Anschließend prüft die Kommission das Vorgehen eines Gläubigers von La Poste im Hinblick auf die Bedienung seiner Forderung für den Fall, dass La Poste in finanzielle Schwierigkeiten geraten sein und ihre Schulden nicht begleichen können sollte (b). Die Kommission wird untersuchen, ob ein Gläubiger von La Poste bei dem Verfahren in einer vergleichbaren Situation wie ein Gläubiger eines privatrechtlichen Unternehmens wäre.

a)   Entgegen den Behauptungen der französischen Behörden lässt das französische Recht das Bestehen impliziter Bürgschaften und im Besonderen das Bestehen einer Staatsbürgschaft aufgrund des Status des öffentlichen Unternehmens zu

1.   Prüfung des Vorbringens der französischen Behörden  (63)

(120)

Zum Ersten versichern die französischen Behörden, dass weder mit einer Rechtsvorschrift noch durch eine gerichtliche Entscheidung der Grundsatz aufgestellt werde, dass der Staat für die Schulden der EPIC haftet.

(121)

Die Kommission stellt fest, dass selbst dann, wenn eine Staatsbürgschaft zugunsten der EPIC in keiner Rechtsvorschrift und keiner Entscheidung ausdrücklich vorgesehen wird — und übrigens auch dann, wenn eine Staatsbürgschaft zugunsten der EPIC in keiner Rechtsvorschrift und keiner Entscheidung ausdrücklich ausgeschlossen wird —, nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine implizite Bürgschaft vorliegt.

(122)

Zum Zweiten habe sich die Rechtsprechung nach Angaben der französischen Behörden insbesondere im Urteil Société de l’hôtel d’Albe  (64) und in der Rechtssache Campoloro  (65) zum Nichtvorliegen von Bürgschaften geäußert.

(123)

Entsprechend den Hinweisen ihrer Sachverständigen stellt die Kommission fest, dass der Conseil d’Etat im Urteil Société de l’hôtel d’Albe nur ablehnt, dem direkt an das Ministerium für öffentliche Arbeiten gerichteten Antrag des Gläubigers stattzugeben. Die Inanspruchnahme einer Bürgschaft setzt die Zahlungsunfähigkeit voraus. Das angeführte Urteil betrifft nicht genau die Situation, in der die Bürgschaft zum Tragen kommen kann. Ein solcher Bürgschaftsmechanismus beinhaltet nicht, dass der Staat auf einfaches Anfordern des Gläubigers verpflichtet ist, die Schulden eines öffentlichen Unternehmens zu begleichen.

(124)

Die Analyse der Kommission zur Rechtssache Campoloro wird in Abschnitt 4.1.1.A.b.3 dieses Beschlusses dargelegt. Darin wird aufgezeigt, dass die Rechtssache Campoloro ganz im Gegenteil zeigt, dass das System der Staatshaftung bei der Durchführung von Verfahren zur Beitreibung von Schulden öffentlicher Unternehmen alle Merkmale eines Bürgschaftsmechanismus aufweist.

(125)

Zum Dritten behauptet der Sachverständige der französischen Behörden, dass für die von La Poste seit Inkrafttreten des LOLF am 1. Januar 2005 eingegangenen Verbindlichkeiten keine impliziten Bürgschaften erhalten werden können. Hinsichtlich der vor dem 1. Januar 2005 eingegangenen Verbindlichkeiten, die über diesen Zeitpunkt hinaus bestehen, räumt der Sachverständige der französischen Behörden ein, dass sich zwei Rechtsauffassungen gegenüberstehen:

nach der ersten Rechtsauffassung würden die auf der Verfassung fußenden Entscheidungsgründe (insbesondere die Gleichheit vor den öffentlichen Lasten und das Eigentumsrecht), die den Conseil constitutionnel (66) veranlasst hätten, die Nichtigkeit von Bürgschaften auszuschließen, deren Gewährung in einem Haushaltsgesetz nicht ausdrücklich genehmigt wurde, für implizite ebenso wie für explizite Bürgschaften gelten. Sollte eine implizite Bürgschaft für die Schulden von La Poste bestehen, würde somit die unterbliebene Genehmigung im Haushaltsgesetz keine Nichtigkeit dieser Bürgschaft für die von La Poste vor dem 1. Januar 2005 eingegangenen Verbindlichkeiten nach sich ziehen;

nach der zweiten Rechtsauffassung könnten Begünstigte einer angeblichen impliziten Bürgschaft nicht die gleichen unumstößlichen und entscheidenden Rechte geltend machen; sollte eine implizite Bürgschaft für die Schulden von La Poste bestehen, würde somit die unterbliebene Genehmigung im Haushaltsgesetz auch für die vor dem 1. Januar 2005 eingegangenen Verbindlichkeiten zur Nichtigkeit dieser Bürgschaft führen.

(126)

Die Kommission stellt fest, dass der Sachverständige der französischen Behörden einräumt, dass ungewiss ist, ob die unterbliebene Genehmigung einer impliziten Bürgschaft im Haushaltsgesetz die Nichtigkeit der Bürgschaft für die vor dem 1. Januar 2005 eingegangenen Verbindlichkeiten zur Folge hat. Um festzustellen, ob die La Poste vom Staat gewährte implizite Bürgschaft durch das LOLF nichtig geworden ist, muss nach Auffassung der Kommission geprüft werden, seit wann La Poste über diese implizite Bürgschaft verfügt, und nicht, wann La Poste diese Verbindlichkeiten eingegangen ist. Denn bei der hier untersuchten Bürgschaft handelt es sich um eine Staatsbürgschaft, die den Staat und La Poste bindet (die Gläubiger von La Poste sind nur indirekt begünstigt). Im Übrigen bezieht sich die Bürgschaft nicht nur auf die Begleichung einzelner Forderungen (siehe Abschnitt 4.1.1.A dieses Beschlusses), sondern auch auf den Fortbestand des Unternehmens La Poste und/oder seiner Verpflichtungen (siehe Abschnitt 4.1.1.B dieses Beschlusses). Da die implizite staatliche Bürgschaft zugunsten von La Poste schon vor dem 1. Januar 2005 bestand, ist nach Auffassung der Kommission das Vorbringen, es könne seit dem 1. Januar 2005 keine impliziten Bürgschaften mehr geben, nicht stichhaltig.

(127)

In Erwägung 110 seines Urteils vom 25. Juli 2001 zum LOLF (67) führte der Conseil constitutionnel aus, dass die vor Inkrafttreten des LOLF gewährten Bürgschaften, die nicht erfasst wurden, nicht unwirksam sind. Der Sachverständigen der Kommission zufolge trifft diese Argumentation in vollem Umfang auf implizite Bürgschaften zu, die aufgrund des Status der öffentlichen Unternehmen gewährt wurden und noch nicht erfasst worden sein sollten und deshalb gültig bleiben.

(128)

Der Sachverständige der französischen Behörden äußert dennoch Zweifel daran, dass die Entscheidungsgründe, die den Conseil constitutionnel veranlasst haben, die Nichtigkeit der nicht im Haushaltsgesetz genehmigten Bürgschaften auszuschließen, sowohl für implizite als auch für explizite Forderungen gelten. Seiner Ansicht nach können Begünstigte einer impliziten Bürgschaft nicht die gleichen unumstößlichen und entscheidenden Rechte wie Begünstigte einer expliziten Bürgschaft geltend machen.

(129)

Abgesehen davon, dass sich das Vorbringen des Sachverständigen der französischen Behörden darauf beschränkt, Zweifel zu äußern, und daher nicht entscheidend ist, stellt die Kommission fest, dass nichts in Erwägung 100 nahe legt, dass nur explizite Bürgschaften nicht nichtig sind. Artikel 61 des LOLF, auf den sich die Erwägung bezieht, beschränkt sich ebenfalls nicht auf explizite Bürgschaften. Die Kommission ist daher der Ansicht, dass die Auffassung des Conseil constitutionnel, dass die Strafe für eine unterbliebene Genehmigung im Haushaltsgesetz nicht in der Nichtigkeit einer Bürgschaft bestehen könne, für implizite ebenso wie für explizite Brgschaften gilt. Sie vertritt daher die Auffassung, dass eine implizite, La Poste vom Staat gewährte Bürgschaft bei unterbliebener Genehmigung im Haushaltsgesetz nicht unwirksam wird.

(130)

Im Übrigen beschränkt sich der Geltungsbereich der Verpflichtung, staatliche Bürgschaften im Haushaltsgesetz zu erfassen, nach Angaben der Sachverständigen der Kommission auf die „Gewährung“ solcher Bürgschaften. Die Gewährung einer Bürgschaft umfasst die Fälle, in denen der Staat mit ausdrücklicher Willensbekundung beschließt, für eine Einrichtung oder ein Geschäft zu bürgen. Bürgschaften dagegen, die mit einem Status oder einer Verpflichtung durch die Rechtsprechung verbunden sind und sich dadurch auszeichnen, dass sie implizit und automatisch verfügbar sind, fallen nicht unter die Verpflichtung, sie im Haushaltsgesetz zu erwähnen. Diese zweite Kategorie beruht nicht auf einer Entscheidung des Staates, sondern ist die Folge eines bereits bestehenden Rechtsrahmens. Das Bestehen dieser zweiten Kategorie, die nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 34 des LOLF fällt, erklärt, dass die Rechtsprechung zur Bürgschaft für Konzessionsinhaber über das Jahr 2001 hinaus fortgilt. Sie erklärt auch, dass der Staat, wenn er Aktionär oder Gesellschafter eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe ist, dessen bzw. deren Haftung für Verbindlichkeiten nicht durch das Handelsrecht beschränkt wird, nicht verpflichtet ist, dies im Haushaltsgesetz anzugeben.

(131)

Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass das auf dem LOLF fußende Vorbringen der französischen Behörde nicht überzeugend ist und dass die Tatsache, dass in keinem Haushaltsgesetz erwähnt wird, dass der Staat für La Poste aufgrund von deren Status bürgt, das Bestehen einer solchen Bürgschaft nicht ausschließt. Die Kommission betont, dass sie weder an die Einstufung der Maßnahme als Bürgschaft nach dem französischen Recht gebunden ist noch daran, ob es sich um eine Bürgschaft handelt, die unter das LOLF fällt. Relevant ist aus Sicht der Kommission einzig die Einstufung dieser Maßnahme vor dem Hintergrund des Unionsrechts und insbesondere angesichts der Bürgschaftsmitteilung. Die Kommission unterstreicht, dass nach dem Unionsrecht das Vorliegen einer impliziten Bürgschaft anzunehmen ist, wenn sich ein Mitgliedstaat rechtlich verpflichtet hat, die Forderung einer anderen Person bei deren Nichterfüllung zurückzuzahlen (68).

(132)

Zum Vierten hätten nach Auffassung der französischen Behörden, falls die EPIC über eine Staatsbürgschaft verfügt hätten, bei einer Änderung ihres Status Sicherungsmaßnahmen eingeführt werden müssen, um Ansprüche von Gläubigern aus der Zeit vor der Umwandlung des betreffenden öffentlichen Unternehmens zu wahren. Dass ein solcher Mechanismus nie eingeführt worden sei (siehe insbesondere die Umwandlung von France Télécom, Gaz de France, EDF und ADP) (69), sei ein Beweis dafür, dass keine Bürgschaft vorliege.

(133)

Wie die Sachverständige der Kommission erklärt, beruht eine solche Behauptung auf einer sehr großzügigen Auslegung des verfassungsrechtlichen Schutzes des Eigentumsrechts. Gemäß dem Vorbringen der französischen Behörden würde der Schutz des Eigentumsrechts es gebieten, dass alle Forderungen erhalten bleiben. Da der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentumsrechts nicht nur öffentliche Unternehmen betrifft, wäre eine solche Auslegung gleichbedeutend damit, dass bei Ereignissen während des Bestehens irgendeines Unternehmens die Forderungen geschützt werden müssen, wenn sie wegen der Entwicklungen vom Ausfall bedroht sind. Nach derzeitigem Stand des positiven französischen Rechts bleiben die Forderungen nun aber nicht erhalten. Eine Beschränkung des Vorbringens auf staatlich verbürgte Forderungen würde bedeuten, dass ein ursprünglich vom Staat garantiertes Eigentumsrecht einen höheren verfassungsmäßigen Schutz als andere Eigentumsrechte genießt. Dem ist nicht so. Schließlich ist eine Forderung ein persönliches Recht, das nicht mit dem Eigentumsrecht verwechselt werden darf, welches seinem Wesen nach ein dingliches Recht ist. Es kann nicht darum gehen, den höheren Schutz, den dingliche Rechte genießen, auf persönliche Rechte auszuweiten.

(134)

Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass das Eigentumsrecht nicht gebietet, dass besondere Maßnahmen vorgesehen werden, um die Rechte der Gläubiger bei der Umwandlung eines EPIC in eine Gesellschaft, die den gerichtlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren unterliegt, zu sichern. Das Nichtbestehen solcher Maßnahmen ist daher kein Beweis für das Nichtvorliegen einer impliziten Bürgschaft.

(135)

Nach Ansicht der französischen Behörden wäre es nicht erforderlich gewesen, eine explizite Bürgschaft für die von der Administration des Postes et Télécommunications eingegangenen Verpflichtungen zu gewähren, die auf La Poste übertragen wurden, wenn Letztere aufgrund ihres Status über eine Staatsbürgschaft verfügt hätte. Dies sei jedoch mit einem Erlass vom 31. Dezember 1990 geschehen.

(136)

Die Kommission betont, dass die Tatsache, dass die französischen Behörden die Gewährung einer expliziten Bürgschaft beschlossen haben, kein Beweis dafür ist, dass keine implizite Bürgschaft vorgelegen hat. Die gleiche Argumentation gilt für das Vorbringen der französischen Behörden hinsichtlich der Bürgschaft, die der Staat für bestimmte Tätigkeiten der ERAP und der Agence Française du Développement gewährte. Dass der Staat in bestimmten Fällen beschlossen hat, eine explizite Bürgschaft zu gewähren, obwohl bereits eine implizite Bürgschaft bestand, könnte sich mit dem Bestreben um Transparenz und dem Wunsch der Gläubiger nach mehr Rechtssicherheit erklären lassen. Denn nach Ansicht des Sachverständigen der französischen Behörden „könnten Begünstigte einer impliziten Bürgschaft nicht die gleichen unumstößlichen und entscheidenden Rechte wie Begünstigte einer expliziten Bürgschaft geltend machen“.

(137)

Schließlich zitieren die französischen Behörden aus einem Artikel (70) von Daniel Labetoulle, dem ehemaligen Präsidenten der Section du contentieux des Conseil d’Etat. Dieser Artikel wird wie auch die Rechtssache Campoloro in dem Abschnitt dieses Beschlusses untersucht, der sich mit dem Auslösen der Staatshaftung befasst (71).

(138)

Die Kommission gelangt zu dem folgenden Schluss:

zum einen wird entgegen den Behauptungen der französischen Behörden mit keiner Rechtsvorschrift und keiner Entscheidung das Bestehen einer Staatsbürgschaft zugunsten von La Poste ausgeschlossen;

zum anderen wird dadurch, dass diese Bürgschaft in keiner Rechtsvorschrift ausdrücklich vorgesehen wird, das Bestehen einer impliziten Bürgschaft nicht ausgeschlossen.

2.   Das Bestehen impliziter Bürgschaften aufgrund des Status öffentlicher Unternehmen wird in einem Schreiben des Conseil d’Etat bestätigt

(139)

Das Bestehen einer impliziten Bürgschaft aufgrund des Status öffentlicher Unternehmen wird in einem Schreiben des Conseil d’Etat, das 1995 in der Rechtssache Crédit Lyonnais vorgelegt und bereits im Einleitungsbeschluss genannt wurde, bestätigt (72). In diesem Schreiben gründete der Conseil d’Etat eine implizite Bürgschaft allein auf dem Wesen der Einrichtung als öffentliches Unternehmen: „Der Conseil d’Etat vertritt […] die Auffassung, dass die Staatsbürgschaft für den Crédit Lyonnais und das Comptoir des Entrepreneurs anlässlich des Gesetzesentwurfs zum Eingreifen des Staates bei den Sanierungsplänen für diese Unternehmen mangels expliziter gesetzlicher Bestimmungen auf dem Status der Einrichtung als öffentliches Unternehmen beruhen wird“ (73).

(140)

Die Kommission ersuchte die französischen Behörden mehrfach, ihr dieses Schreiben im vollen Wortlaut zu übermitteln.

(141)

Die französischen Behörden antworteten (74), das betreffende Schreiben, das nicht auf Antrag der Regierung erstellt worden sei, sei unter den amtlichen Dokumenten nicht erfasst worden. Nach Angaben der französischen Behörden bestand das von der Kommission angeführte Schreiben nur in dem einen Satz aus dem Jahresbericht.

(142)

Im Übrigen sei diese Stellungnahme nicht auf La Poste übertragbar, da sie sich auf ein öffentliches Unternehmen mit einem staatlichen Rechnungsführer beziehe, der eigens bestellt worden sei, um die Verwaltung der staatlichen Unterstützung bei der Sanierung des Crédit Lyonnais zu gewährleisten; sie stamme aus der Zeit vor dem Organgesetz vom 1. August 2001 betreffend die Haushaltsgesetze (LOLF), und ihre Anwendung stehe im Widerspruch zur späteren Rechtsprechung des Conseil d’Etat.

(143)

Die Kommission stellt fest, dass die Auslegung der französischen Behörden, die Stellungnahme des Conseil d’Etat sei nicht auf La Poste übertragbar, im Widerspruch zum Inhalt dieser Stellungnahme steht. Denn darin nimmt der Conseil d’Etat überhaupt keinen Bezug auf die Aufgaben des Unternehmens. Im Übrigen bezieht er sich auf den Status als öffentliches Unternehmen und nicht auf den Status als öffentliches Unternehmen mit staatlichem Rechnungsführer. Zudem legen die französischen Behörden nicht dar, warum diese Stellungnahme nur für öffentliche Unternehmen mit staatlichem Rechnungsführer gelten soll.

(144)

Was das Vorbringen der französischen Behörden betrifft, die Stellungnahme sei nicht auf La Poste übertragbar, weil sie aus der Zeit vor dem LOLF stamme und im Widerspruch zur späteren Rechtsprechung des Conseil d’Etat stehe, so hat die Kommission oben aufgezeigt, dass das Vorliegen einer impliziten Staatsbürgschaft für La Poste durch das LOLF nicht verhindert wird.

(145)

Die Kommission vertritt daher die Auffassung, dass die Stellungnahme des Conseil d’Etat auf La Poste übertragbar ist und dass der Conseil d’Etat das Vorliegen einer Staatsbürgschaft aufgrund des Status als öffentliches Unternehmen einräumt.

(146)

Im Übrigen wird das Bestehen impliziter Bürgschaften aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsakten, die „finanzielle Folgen für den Staat bewirken und mit sich bringen“, in einem Schreiben des französischen Ministers für Wirtschaft, Finanzen und Industrie vom 22. Juli 2003 bestätigt, das sich mit der „Erfassung impliziter oder expliziter Bürgschaftsmaßnahmen, die vom Staat gewährt wurden“ befasst. Dieses Schreiben beweist, dass eine Staatsbürgschaft auf ganz unterschiedlichen Rechtsakten beruhen kann (75).

(147)

Die Kommission stellt auch fest, dass die französischen Behörden in einer Erläuterung im Anhang des Schreibens, und zwar in Teil 3 mit der Überschrift „Die Erfahrungen mit dem Abruf von Garantiebeträgen und die Rechtsprechung des Conseil haben es ermöglicht, einige Musterbeispiele für implizite Bürgschaften herauszuarbeiten“ angeben, dass „bestimmte Rechtsformen von ihrem Aufbau her die Haftung ihrer Aktionäre beinhalten, insbesondere die Société en nom collectif (SNC, offene Handelsgesellschaft) und die Groupements d’intérêt économique (GIE, Wirtschaftliche Interessengemeinschaften). Im Fall der beiden letzten Rechtsformen werden sich Dritte systematisch an den Staat als Aktionär wenden. Gleiches gilt für die Gründung öffentlicher Unternehmen und bestimmte Übernahmen von Beteiligungen an Sociétés anonymes (Aktiengesellschaften)“. Die französischen Behörden weisen somit selbst darauf hin, dass die Gründung eines öffentlichen Unternehmens eine implizite Bürgschaft des Staates zugunsten der Gläubiger dieses Unternehmens beinhaltet.

b)   Der Gläubiger von La Poste hat die Sicherheit, dass seine Forderung beglichen wird

(148)

Die Kommission untersucht nun das Vorgehen eines Gläubigers von La Poste im Hinblick auf die Bedienung seiner Forderung für den Fall, dass La Poste in finanzielle Schwierigkeiten geraten sein und ihre Schulden nicht begleichen können sollte. Die Kommission wird ermitteln, ob ein Gläubiger von La Poste nach Abschluss eines im Voraus festgelegten und veröffentlichten Verfahrens in einer Situation ist, die mit der eines Gläubigers eines privatrechtlichen Unternehmens vergleichbar ist.

(149)

Bei dieser Prüfung wird Folgendes aufgezeigt:

die klassischen Hindernisse, die der Begleichung der Schulden privatrechtlicher Unternehmen im Wege stehen, sind bei öffentlichen Unternehmen nicht gegeben (1);

das mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführte Verfahren zur Beitreibung der Schulden öffentlicher Unternehmen, die mit einer gerichtlichen Entscheidung verurteilt wurden, führt in keinem Fall zum Ausfall der Forderung (2);

die Regelung der Staatshaftung bei der Durchführung des Verfahrens zur Beitreibung von Schulden öffentlicher Unternehmen weist alle Merkmale eines Bürgschaftsmechanismus auf (3);

selbst wenn der Gläubiger nicht befriedigt werden sollte, kann er den begründeten Irrtum beim Zustandekommen der Forderung hinsichtlich der Tatsache, dass sie in jedem Fall beglichen würde, Rechtswirkung entfalten lassen (4).

1.   Die klassischen Hindernisse, die der Begleichung der Schulden privatrechtlicher Unternehmen im Wege stehen, sind bei öffentlichen Unternehmen nicht gegeben

(150)

Wie in der Beschreibung der Maßnahme ausgeführt, unterliegt La Poste nicht den handelsrechtlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren für Unternehmen in Schwierigkeiten. Ein Gläubiger von La Poste läuft somit nicht Gefahr, dass seine Forderung infolge der Einleitung eines gerichtlichen Abwicklungsverfahrens ausfällt (76) oder dass seine ursprüngliche Forderung nach Abschluss des handelsrechtlichen Sanierungs- oder Abwicklungsverfahrens nur teilweise befriedigt wird.

(151)

Wie die Sachverständige der Kommission betont, steht die Rechtspersönlichkeit von La Poste dem Vorliegen einer Bürgschaft des französischen Staates nicht im Wege. Denn während die Gesellschafter bei Handelsgesellschaften wie beispielsweise den Sociétés anonymes (SA, Aktiengesellschaften) und Sociétés à responsabilité limitée (SARL, Gesellschaften mit beschränkter Haftung) nicht verpflichtet sind, die Schulden des Unternehmens, an dem sie beteiligt sind, zurückzuzahlen, gibt es zahlreiche Formen von Gesellschaften oder juristischen Personen, die eine Handelstätigkeit ausüben, bei der die privaten Gesellschafter für die Schulden des gegründeten Unternehmens haften. Dies gilt für Sociétés en nom collectif (offene Handelsgesellschaften), Groupements d’intérêt économique (wirtschaftliche Interessengemeinschaften) und Sociétés civiles (Gesellschaften des bürgerlichen Rechts). Es gibt somit im allgemeinen Recht keinen expliziten Grundsatz im Bereich der Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten. Man kann somit nicht behaupten, dass mangels eines Rechtstextes der Grundsatz gilt, dass für Verbindlichkeiten und Verluste nicht gehaftet wird. Die Unabhängigkeit, die durch die Rechtspersönlichkeit verliehen wird, und das Bestehen von Eigenkapital sind nach französischem Recht kein Kriterium, aus dem auf die Haftungsregelung für die von einer juristischen Person eingegangenen Verbindlichkeiten geschlossen werden kann. Auch lässt sich aus den bisherigen Ausführungen ableiten, dass nichts den Gesetzgeber daran hindern würde vorzusehen, dass ein öffentliches Unternehmen von einer öffentlichen Person gegründet werden kann, die nur bis zur Höhe ihrer Einlage oder ihrer anfänglichen Kapitalzuführung für Verluste aufkommen würde.

(152)

Die Sachverständige der Kommission hat diese Argumentation weitergeführt und untersucht, ob es im allgemeinen Recht einen (impliziten) Grundsatz im Bereich der Haftung für Schulden gibt, wenn die Gesellschafter oder Mitglieder eines Unternehmens keinem vom Gesetzgeber vorgesehenen Rahmen unterliegen, und die Antwort in den Artikeln 1871 ff. Code civil (französisches Zivilgesetzbuch) gefunden. Diese Artikel befassen sich mit Gesellschaftern, die ihre Gesellschaft nicht eingetragen haben. Artikel 1871-1 Code civil sieht den folgenden Mechanismus vor: „Sofern keine andere Organisation vorgesehen wurde, gelten für das Innenverhältnis die Bestimmungen für die Société civile, wenn die Gesellschaft bürgerlich-rechtlichen Charakter hat, bzw. die Bestimmungen für die Sociétés en nom collectif, wenn ein Handelsgewerbe betrieben wird“. Nun wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Sociétés civiles und die Sociétés en nom collectif zu den juristischen Personen zählen, deren Gesellschafter für Verbindlichkeiten unbeschränkt haften. Die Sachverständige folgert daraus, dass, falls ein Grundsatz nach allgemeinem Recht zutage treten sollte, dies ein Grundsatz der Haftung für die Schulden der juristischen Personen, die man gründet, wäre.

(153)

In ihrem Schreiben vom 27. Oktober 2009 bestreiten die französischen Behörden diese Schlussfolgerung. Sie fuße auf keinem Rechtstext, da Artikel 1871-1 Code civil, auf den verwiesen werde, das Innen- und nicht das Außenverhältnis betreffe. Daraus, dass Rechtstexte nichts dazu enthalten, könne kein Haftungsgrundsatz abgeleitet werden, es sei denn, man verletzte die Verfahrensrechte nach französischem Recht wie nach Unionsrecht.

(154)

Die Kommission stellt dennoch fest, dass nach Artikel 1872-1 Code civil jeder Gesellschafter einer nicht eingetragenen Gesellschaft in eigenem Namen Geschäfte abschließt und gegenüber Dritten allein verpflichtet ist. Jeder Gesellschafter haftet somit unbeschränkt für die Verbindlichkeiten, die er eingegangen ist. Natürlich leitet die Kommission aus dieser Erwägung allein nicht ab, dass der Staat für die Schulden von La Poste haftet, vertritt jedoch die Auffassung, dass das Argument ihrer Sachverständigen, dass, falls ein Grundsatz nach allgemeinem Recht zutage treten sollte, dies ein Haftungsgrundsatz wäre, durch das Vorbringen der französischen Behörden nicht entkräftet wird. Im Übrigen weist die Kommission darauf hin, dass die französischen Behörden in den Erläuterungen im Anhang des Schreibens des Ministers für Wirtschaft, Finanzen und Industrie vom 22. Juli 2003 (77) selbst Parallelen zwischen der Haftung des Aktionärs bei der SNC und der Haftung des Staates bei öffentlichen Unternehmen ziehen.

(155)

Auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen gelangt die Kommission zu dem folgenden Schluss:

Im Gegensatz zu den Gläubigern der dem Handelsrecht unterliegenden Unternehmen laufen die Gläubiger von La Poste (da diese nicht den handelsrechtlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren für Unternehmen in Schwierigkeiten unterliegt) nicht Gefahr, dass ihre Forderungen nach einem gerichtlichen Abwicklungsverfahren vollständig oder teilweise ausfallen.

Die Rechtspersönlichkeit von La Poste steht einer staatlichen Bürgschaft zugunsten von La Poste nicht im Wege.

Da die Haftung des Staates für La Poste nicht explizit beschränkt wird, können sich die Gläubiger von La Poste zu Recht auf den Grundsatz stützen, dass der Staat für die Schulden von La Poste aufkommt, obwohl La Poste Rechtspersönlichkeit besitzt.

2.   Das mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführte Verfahren zur Beitreibung der Schulden öffentlicher Unternehmen, die mit einer gerichtlichen Entscheidung verurteilt wurden, führt in keinem Fall zum Ausfall der Forderung

(156)

Im Folgenden untersucht die Kommission das Verfahren zur Beitreibung der Schulden öffentlicher Unternehmen, die von einem Gericht verurteilt wurden, um zu ermitteln, ob dieses Verfahren, wie die französischen Behörden behaupten, zu einem Ausfall der Forderung gegenüber La Poste und somit für den Gläubiger zu dem gleichen Ergebnis wie die gerichtlichen Verfahren nach allgemeinem Recht führen kann. Dieses Verfahren wurde mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 und mit verschiedenen Durchführungsbestimmungen (78) eingeführt, die in diesem Beschluss im Zusammenhang mit der Beschreibung der Maßnahme aufgeführt sind.

i)   Das Gesetz vom 16. Juli 1980 verleiht dem Staat wichtige Befugnisse: die Zahlungsanweisung von Amts wegen und das Erschließen ausreichender Mittel

(157)

Wie in der Beschreibung der Maßnahme angegeben, sieht das Gesetz vom 16. Juli 1980 Folgendes vor: „wenn das Beschlussfassungsorgan der Körperschaft oder des Unternehmens diese Mittel nicht bereitgestellt oder erschlossen hat, trägt […] die Aufsichtsbehörde dafür Sorge und nimmt gegebenenfalls die Zahlungsanweisung von Amts wegen vor“. Zudem wird im Dekret vom 12. Mai 1981, das in diesem Punkt durch das Dekret von 2008 nicht geändert wird, präzisiert, dass der Vertreter des Staates oder die zuständige Aufsichtsbehörde die Mittel gegebenenfalls bereitstellt, indem er bzw. sie „die noch freien, für andere Ausgaben vorgesehenen Mittel senkt oder die Ressourcen erhöht“.

(158)

Im Gesetz vom 16. Juli 1980 und in seinen Durchführungsbestimmungen wird als zuständige Behörde für die Einziehung der Schulden öffentlicher Unternehmen ausdrücklich der Staat genannt. Zudem werden ihm wichtige Befugnisse übertragen: die Zahlungsanweisung von Amts wegen und das Erschließen ausreichender Mittel.

(159)

Die französischen Behörden weisen den Gedanken, diese Mittel könnten staatliche Mittel sein, zurück. Wie im Abschnitt zu den Stellungnahmen des Mitgliedstaats ausgeführt (79), behaupten die französischen Behörden, dass der Aufsichtsbehörde mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 nur ein Eintrittsrecht eingeräumt werde. Daher könne die Aufsichtsbehörde nur die Zuständigkeiten dieses Exekutivorgans wahrnehmen; die Möglichkeit, über den Staatshaushalt zu verfügen, gehöre nicht dazu. Zur Stützung dieser Auslegung werden die vorbereitenden Arbeiten des Gesetzes vom 16. Juli 1980, rechtswissenschaftliche Aufsätze und die Entscheidungen des Conseil d’Etat in der Rechtssache Campoloro angeführt. Die französischen Behörden erkennen dennoch an, dass das Gesetz von 1980 eine finanzielle Intervention des Staates zur Unterstützung des betreffenden öffentlichen Unternehmens nicht verbietet.

(160)

Die Kommission erkennt an, dass die Texte keine ausdrückliche Verpflichtung für den Staat enthalten, bei finanziellen Schwierigkeiten außerordentliche Subventionen an ein öffentliches Unternehmen zu zahlen. Die Beweisführung für das Vorliegen einer impliziten Bürgschaft entkräftet dies jedoch nicht.

(161)

Die Kommission erkennt auch an, dass die Mittel zunächst aus den eigenen Mitteln des Unternehmens bereitzustellen sind. Dennoch ist festzustellen, dass die Schulden des öffentlichen Unternehmens nach dem Versiegen der Eigenmittel nur aus staatlichen Mitteln beglichen werden können (80). Diese Feststellung steht im Einklang mit der Tatsache, dass ein Bürgschaftsmechanismus subsidiär ist, d. h. dass vor den Ressourcen des Bürgen die Ressourcen des Schuldners mobilisiert werden müssen.

ii)   Im Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen ist kein Abwicklungs-/Auflösungsverfahren mit Ausfall der Verbindlichkeiten vorgesehen; die Unzulänglichkeit der Mittel ist gedeckt oder besteht nur vorübergehend

(162)

Im Folgenden untersucht die Kommission die Auslegung der französischen Behörden, der zufolge die Forderungen bestimmter Gläubiger nach dem im Gesetz vom 16. Juli 1980 vorgesehenen Verfahren ohne Rechtsbehelf ausfallen könnten (81) und die Gläubiger in einer Situation wären, die mit der Situation der Gläubiger eines den gerichtlichen Verfahren unterliegenden Unternehmens vergleichbar sei.

(163)

Die Sachverständige der Kommission (82) betont, dass das Gesetz vom 16. Juli 1980 und seine Durchführungsbestimmungen dafür sprechen, dass bei Unzulänglichkeit der Mittel nur zwei Fälle in Betracht kommen: entweder die Aufsichtsbehörde stellt die erforderlichen Mittel bereit oder die Zahlung wird aufgeschoben. Zu keinem Zeitpunkt ist die Rede davon, dass das Verfahren bei anhaltender Unzulänglichkeit der Mittel beendet würde.

(164)

Denn die Situation der Unzulänglichkeit der Mittel ist zwar im Gesetz vom 16. Juli 1980 und seine Durchführungsbestimmungen vorgesehen, wird aber nur als vorübergehend betrachtet, bis zusätzliche Mittel erschlossen sind, was in den Texten als einzig möglicher Ausgang in Betracht gezogen wird. Zu keiner Zeit wird in Betracht gezogen, dass zusätzliche Mittel nicht oder nicht in ausreichende Maße erschlossen werden können. Den Texten zufolge nimmt die zuständige Behörde nach Erschließung der Mittel die Zahlungsanweisung von Amts wegen vor. In dem genannten Rundschreiben aus dem Jahr 1989 wird noch näher auf die Unzulänglichkeit der Mittel eingegangen und darauf hingewiesen, dass diese nur vorübergehend sein darf, da dem Gläubiger in diesem Fall der Restbetrag, der erst zu einem späteren Zeitpunkt angewiesen wird, genannt werden muss. Nach Auffassung der Sachverständigen der Kommission können „die Gläubiger bei Auswertung der Texte sicher sein, dass ihre Forderung, wenn nicht sofort, dann zu einem späteren Zeitpunkt beglichen wird“.

(165)

Weiterhin stellt die Sachverständige der Kommission zu Recht fest, dass das im französischen Recht vorgesehene Verfahren nur ein Forderungsbeitreibungsverfahren ist und dass ein Abwicklungsverfahren ausgeschlossen ist. Bei privatwirtschaftlichen Unternehmen ist die Zahlungseinstellung kraft rechtlicher Bestimmungen mit der Abwicklung verbunden. Eine drohende Zahlungseinstellung kann somit ein Erhaltungsverfahren (procédure de sauvegarde) (83) auslösen, und die gerichtliche Abwicklung wird ausdrücklich als Folge der Zahlungseinstellung dargestellt (84). Bei öffentlichen Personen im Allgemeinen und öffentlichen Unternehmen im Besonderen geben dagegen Gesetzgeber und Rechtsetzer dadurch, dass sie die Zahlungseinstellung verschleiern und in keiner Weise mit der Abwicklung verbinden, den Gläubigern zu verstehen, dass ihre Forderungen in voller Höhe beglichen werden, gegebenenfalls von einem Dritten wie dem Staat.

(166)

Schließlich stellt die Sachverständige der Kommission fest, dass die französischen Behörden im Zuge der nach dem Erlass des Einleitungsbeschlusses erfolgten Reform von 2008 nicht präzisiert haben, dass es sich bei den bereitzustellenden Mitteln um Eigenmittel des öffentlichen Unternehmens handeln muss und dass sie keine staatlichen Mittel beinhalten dürfen. Eine solche Präzisierung hätte jedoch zu einer Zeit, als die Kommission in den eingeleiteten Verfahren mit der lückenhaften Formulierung der Texte ausdrücklich eine staatliche Bürgschaft in Verbindung brachte, ein deutliches Signal gegenüber den Gläubigern setzen können. Dass die gebotene Klärung nicht erfolgt ist, ist eine weitere Bestätigung dafür, dass der Staat die Tatsache, dass er selbst die erforderlichen Mittel bereitstellen könnte, nicht dementieren möchte.

(167)

In ihrem Schreiben vom 27. Oktober 2009 vertreten die französischen Behörden, dass die Behauptung der Sachverständigen der Kommission, dass „die Gläubiger bei Auswertung der Texte sicher sein [können], dass ihre Forderung, wenn nicht sofort, dann zu einem späteren Zeitpunkt beglichen wird“, auf einer voreingenommenen Auswertung der Texte beruhe, welche — abgesehen von der Tatsache, dass es sich um untergeordnete Texte (Rundschreiben) handle — in keiner Weise beweisen würden, dass Mittel des Unternehmens durch staatliche Mittel ersetzt würden. Es sei nicht verboten, öffentliche Unternehmen, deren Gläubiger keine Begleichung ihrer Forderungen erwirken könnten stillzulegen. Im Übrigen vertreten die französischen Behörden die Auffassung, dass nicht automatisch eine Zahlungseinstellung vorliege, wenn öffentliche Unternehmen Forderungen nicht begleichen könnten.

(168)

Die Kommission wird nun prüfen, ob es rechtlich möglich ist, dass ein mit einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zur Zahlung einer Geldsumme verurteiltes öffentliches Unternehmen stillgelegt und die Forderung nie beglichen wird, wie die französischen Behörden behaupten. Der Staat ist an die Bestimmungen des Gesetzes vom 16. Juli 1980 und seiner Durchführungsbestimmungen gebunden. In dem für den Gläubiger ungünstigsten Fall führen diese Texte dazu, dass der Staat dem Gläubiger den erst zu einem späteren Zeitpunkt angewiesenen Restbetrag nennt. Gesetzt den Fall, dass darauf keine Rückzahlung folgt, hat der Gläubiger noch immer die Möglichkeit (dieser Punkt wird in Abschnitt 3 dieses Beschlusses ausgeführt), den Staat in Haftung zu nehmen. Unter diesen Umständen würde der theoretische Fall einer Stilllegung in jedem Fall nicht zum Ausfall der Schulden führen. Im Übrigen haben die französischen Behörden kein konkretes Beispiel für einen solchen Fall angeführt.

(169)

Auf der Grundlage dieser Fakten gelangt die Kommission zu dem folgenden Schluss:

Das besondere Verfahren gemäß dem Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen ist nur ein Forderungsbeitreibungsverfahren und schließt ein Abwicklungsverfahren aus; nach Abschluss des Verfahrens ist die Forderung nicht ausgefallen, während es den Gläubigern beim Abwicklungsverfahren nach allgemeinem Recht nicht möglich ist, nach dem Urteil über die straffreie Einstellung des Verfahrens mangels Masse wieder gegen die Schuldner vorzugehen.

Dadurch, dass im Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen der Aufschub der Zahlungsanweisung vorgesehen und eine Zahlungseinstellung nicht in Betracht gezogen wird, geben diese Texte den Gläubigern Anlass zu der Vermutung, dass die notwendigen Mittel zur Bedienung der Forderung, die sie gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts haben, immer bestehen oder bestehen werden.

Daraus folgt, dass die Unzulänglichkeit der Mittel — gegebenenfalls durch den Staat — gedeckt wird oder nur vorübergehend besteht. Kein Abwicklungsverfahren sieht dagegen die Möglichkeit vor, dass ein Dritter für die Schulden der zahlungsunfähigen Person haftpflichtig wird, außer natürlich, wenn es sich um einen Bürgen oder um eine Société à responsabilité illimitée handelt.

iii)   Die außerordentliche Subvention des Staates, die es dem öffentlichen Unternehmen ermöglichen soll, seinen Verpflichtungen nachzukommen, ist in Betracht zu ziehen und wird in einigen Texten tatsächlich in Betracht gezogen

(170)

Hierzu stellt die Sachverständige der Kommission Folgendes fest:

α)   […] (41)

(171)

Ohne dass diese Beweisführung notwendig ist, um zu beweisen, dass es sich bei der Bürgschaft aufgrund des Status von La Poste um eine staatliche Beihilfe handelt, stellt die Kommission fest, dass die Eigenmittel, die diese im Fall unzureichender Mittel mobilisieren könnte, beschränkt sind. Denn sowohl für die Veräußerung von Vermögensgegenständen (85) als auch für die Erhöhung der Preise für den postalischen Universaldienst (86) setzt der französische Gesetzgeber enge Grenzen. Die Schwierigkeiten, zusätzliche Eigenmittel zu mobilisieren, um Verbindlichkeiten nachzukommen, verstärkt die Notwendigkeit staatlicher Interventionen im Fall der Unzulänglichkeit der Mittel. Zum einen nimmt gemäß dem Prinzip der kommunizierenden Gefäße mit der Unmöglichkeit, Mittel durch Veräußerung von Vermögensgegenständen zu mobilisieren, auch die Häufigkeit der Inanspruchnahme anderer Garantiemechanismen (Vorauszahlungen, Staatshaftung usw.) zu. Zum anderen könnte die Anordnung einer Regelung zum Schutz der Vermögensgegenstände durch den Gesetzgeber dem Streit über die verschuldensunabhängige Haftung des Staates bei einem etwaigen Ausfall von La Poste Nahrung geben (87).

(172)

In ihrem Schreiben vom 27. Oktober 2009 bestreiten die französischen Behörden die „Unmöglichkeit“ für La Poste, Eigenmittel zu mobilisieren:

was die Veräußerung von Vermögensgegenständen betreffe, liege es im Ermessen des Staates, einen Vermögensgegenstand als für die Leistung der Daseinsvorsorge „unverzichtbar“ oder nicht zu erachten; selbst wenn er sich einer solchen Veräußerung widersetzen sollte, würde dies zudem in keiner Weise beinhalten, dass er dies durch Garantiemechanismen ausgleichen müsse. Schließlich habe sich der Staat in der Praxis nie einer Veräußerung von Vermögensgegenständen auf der Grundlage von Artikel 23 des Gesetzes vom 2. Juli 1990 widersetzt, das im Übrigen dadurch, dass La Poste im Jahr 2005 nahezu ihr gesamtes Immobilienvermögens (einschließlich der Postfilialen) in eine Tochtergesellschaft eingebracht habe, die nicht unter diese Regelung der vorherigen Genehmigung falle, ungebräuchlich geworden sei;

zur Erhöhung der Preise für die Leistungen des postalischen Universaldienstes teilen die französischen Behörden mit, dass ARCEP die Preise nicht festsetze, sondern lediglich für die regulierten Tätigkeiten von La Poste ein Price cap vorgebe, unter dem sich die Preise von La Poste frei entwickeln könnten (mit Ausnahme des Preises für Briefmarken, der per Erlass des Postministers unter Beachtung des Price cap per Erlass festgesetzt werde); im Übrigen könne man sich denken, dass ARCEP kaum eine Preiserhöhung verweigern würde, die für den Fortbestand des Unternehmens und seiner öffentlichen Aufgaben unverzichtbar wäre. Schließlich betreffe dieses Price cap nur den regulierten Bereich, auf den weniger als die Hälfte des Betriebsergebnisses der Gruppe La Poste entfalle.

(173)

Die Kommission nimmt die Ausführungen der französischen Behörden zur Kenntnis und merkt hierzu Folgendes an:

die französischen Behörden behaupten, dass selbst dann, wenn sich der Staat einer Veräußerung widersetzen würde, dies keine Bürgschaft beinhalten würde. Dennoch räumten sie ein (auch wenn sie bestreiten, dass La Poste daraus ein Vorteil entsteht), dass der Vertreter des Staates bei der Durchführung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Verfahrens an das Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge gebunden ist (88), was die verschuldensunabhängige Haftung des Staates wegen Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor den öffentliche Lasten auslösen könnte, wie im Folgenden bewiesen wird (89);

da sich ein Gläubiger von La Poste zur Beitreibung seiner Forderung nicht an ein anderes Unternehmen der Gruppe La Poste wenden könnte, muss der Anteil des regulierten Bereichs und des reservierten Bereichs am Umsatz von La Poste und nicht am Umsatz der Gruppe La Poste gemessen werden. Angesichts des Bereichs der Regulierung in Frankreich (90) ist klar, dass die regulierten Leistungen den überwiegenden Teil der Tätigkeiten des öffentlichen Unternehmens La Poste ausmachen. Die Preisgestaltung für einen Großteil der Tätigkeiten von La Poste unterliegt somit einem Price cap; zudem werden die Preise für den reservierten Bereich per Ministerialerlass festgesetzt.

β)   Bestimmte Aufgaben und Programme des Staatshaushalts könnten genutzt werden, um einem öffentlichen Unternehmen zu helfen, seine Schulden zurückzuzahlen

(174)

Die Sachverständige der Kommission hat die folgenden Programme ermittelt:

Programm Nr. 823, Vorschüsse für vom Staat unabhängige Einrichtungen, die öffentliche Dienstleistungen übernehmen: Ziel ist es, „dem Staat zu ermöglichen, einigen vom Staat unabhängigen Einrichtungen, die öffentliche Dienstleistungen übernehmen, Vorschüsse zu gewähren“ (91). „Mit diesen Vorschüssen soll auf Notlagen reagiert werden, gleich ob es darum geht, den Fortbestand der Daseinsvorsorge zu gewährleisten, oder darum, die eine oder andere Maßnahme schneller umzusetzen. Sie ermöglichen auch die vorläufige Deckung eines unvorhergesehenen Kapitalbedarfs, die später aus dauerhaften Mitteln nachhaltig sichergestellt werden muss. Sie ermöglichen es somit, eine Finanzierung durch Banken oder den Markt zu vermeiden, und gleichzeitig, einer weiteren Zerstückelung der Schulden der öffentlichen Verwaltungen oder einem Anstieg ihrer Zinslast vorzubeugen“.

zur Aufgabe „Finanzielle Beteiligungen des Staates“ gehören die beiden Programme „Kapitaltransaktionen betreffend die finanziellen Beteiligungen des Staates“ (Programm Nr. 731) und „Entschuldung des Staates und der öffentlichen Unternehmen des Staats“ (Programm Nr. 732). Die Maßnahme Nr. 01 dieses Programms umfasst „Kapitalerhöhungen, Ausstattung mit Eigenmitteln, Aktionärsvorschüsse und ähnliche Ausleihungen“.

(175)

Für diese Vorschüsse sind umfassende Mittel vorgesehen. Im Rahmen des Programms Nr. 731 ist ausdrücklich eine Reserve von 85 Mio. EUR vorgesehen. Die Zahlungsermächtigungen der Maßnahme Nr. 01 des Programms Nr. 732 belaufen sich auf 660 Mio. EUR. Die Zahlungsermächtigungen des Programms Nr. 823 belaufen sich dagegen auf 50 Mio. EUR.

(176)

Bei finanziellen Schwierigkeiten von La Poste könnte der Staat diese Programme in Anspruch nehmen, um La Poste zu helfen. Denn kein Text schränkt die Möglichkeiten der Gewährung von Vorschüssen an EPIC ein, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und auf einem wettbewerbsbestimmten Markt tätig sind.

(177)

In ihrem Schreiben vom 27. Oktober 2009 gaben die französischen Behörden an, nie bestritten zu haben, dass öffentliche Unternehmen Vorschüsse des Staates erhalten könnten, die im Übrigen explizit seien, dass dies jedoch kein Ziehungsrecht der öffentlichen Unternehmen beinhalte; wie von der Sachverständigen der Kommission angegeben worden sei, könnten alle finanziellen Beteiligungen des Staates, gleich welche Rechtsform sie hätten, Aktionärsvorschüsse erhalten, so dass man daraus nicht den Schluss ziehen dürfe, dass dies nur für EPIC gelte. Zudem und entgegen den Behauptungen der Sachverständigen der Kommission würden bei diesen Vorschüssen die unionsrechtlichen Verpflichtungen umfassend berücksichtigt, da nach dem Prinzip des umsichtigen Kapitalgebers verfahren werde.

(178)

Die Kommission gelangt zu dem folgenden Schluss:

Nach den französischen Rechtsvorschriften wird der Staat berechtigt bzw. sogar darin bestärkt, bei unzureichenden Mitteln Mittelzuführungen an öffentliche Unternehmen zu gestatten, bevor diese klassische Bankdarlehen in Anspruch nehmen müssen. Der Zugang zu diesen Mitteln wird nicht durch die vorherige Einhaltung der Vorschriften für staatliche Beihilfen bedingt; diese Mittelzuführungen können die im Gesetz vom 16. Juli 1980 genannten „zusätzlichen Mittel“ darstellen.

Diese Texte sind den Gläubigern bekannt, die somit berechtigterweise annehmen können, dass die Aufsichtsbehörde in der Lage ist, die zur Bedienung ihrer Forderung notwendigen Mittel zu beschaffen.

La Poste verfügt jedoch über kein Ziehungsrecht für diese Mittel.

(179)

In der Erwägung, dass:

im Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen kein Abwicklungs-/Auflösungsverfahren mit einem Wegfall der Rechte und Verpflichtungen vorgesehen wird;

im Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen nicht in Betracht gezogen wird, dass die Mittel nicht bereitgestellt werden können;

die Haushaltsunterlagen zeigen, dass den EPIC bei dringendem Kapitalbedarf außerordentliche Vorschüsse gewährt werden können,

ist es nach Auffassung der Kommission recht unwahrscheinlich, dass bei der Anwendung der Verfahren des Gesetzes vom 16. Juli 1980 eine Forderung eines Gläubigers ausfällt.

(180)

Die Kommission hat jedoch keinen direkten Zugang der öffentlichen Unternehmen zu den Konten der Staatskasse festgestellt, wobei unter „direktem Zugang“ die Möglichkeit zu verstehen ist, dass ein EPIC selbst entscheidet, staatliche und ihm zur Verfügung gestellte Mittel in Anspruch zu nehmen, ohne dass ein Mitwirken des Staates erforderlich wäre.

iv)   Der Vorschlag der französischen Behörden zur Klärung der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz vom 16. Juli 1980 ist unzureichend

(181)

Die Kommission betont zunächst, dass die französischen Behörden das Gesetz vom 16. Juli 1980, das in diesem Abschnitt analysiert wird, nicht geändert haben. Bei der Prüfung, ob eine Bürgschaft für La Poste vorliegt, muss unbedingt das positive Recht zugrunde gelegt werden und nicht, ob die Vorschläge der französischen Behörden, die nie bestätigt wurden, geeignet sind oder nicht, Bürgschaften auszuschließen. Mit der in diesem Abschnitt geführten Analyse der Kommission soll daher das Verfahren, das vor der Kommission abgelaufen ist, umfassend beschrieben werden.

(182)

Um festzulegen, dass die von der Aufsichtsbehörde bereitgestellten Mittel nur aus den Mitteln der Körperschaft oder des Unternehmens kommen können, schlugen die französischen Behörden vor, die Durchführungsbestimmungen zum Gesetz vom 16. Juli 1980 wie folgt zu fassen: „Ist die Inverzugsetzung bei Verstreichen dieser Fristen ergebnislos geblieben, stellt der Vertreter des Staates bzw. die Aufsichtsbehörde die Ausgabe in den Haushalt der betreffenden Körperschaft bzw. des betreffenden öffentlichen Unternehmens ein. Er stellt gegebenenfalls die erforderlichen Mittel im Haushalt der Körperschaft oder des Unternehmens bereit, indem er die noch freien, für andere Ausgaben vorgesehenen Mittel senkt oder die Ressourcen erhöht“ (Änderungen in kursiver Schrift).

(183)

Die Kommission betont jedoch wie unter Randnummer 58 des Einleitungsbeschlusses, dass die Texte weder in ihrer jetzigen noch in der gemäß dem Vorschlag der französischen Behörden geänderten Fassung ausschließen, dass die Mittel durch eine Erhöhung der Ressourcen bereitgestellt werden, die zuvor durch eine Subvention oder Kapitalspritze aus öffentlichen Mitteln ermöglicht wurde.

(184)

Die Kommission wird nun die Rechtsbehelfe prüfen, die dem Gläubiger für den unwahrscheinlichen Fall, dass das im Gesetz vom 16. Juli 1980 vorgesehene Verfahren keine Bedienung seiner Forderung ermöglichen würde, verbleiben würden. Die Kommission wird insbesondere die Regelung der Staatshaftung untersuchen, um zu ermitteln, ob sie die Merkmale eines Bürgschaftsmechanismus aufweist.

3.   Die Regelung der Staatshaftung bei der Durchführung des Verfahrens zur Beitreibung von Schulden öffentlicher Unternehmen weist die Merkmale eines Bürgschaftsmechanismus auf

(185)

Den französischen Behörden zufolge kann die Haftung des Staates grundsätzlich nicht ausgelöst werden, sei es wegen eines Verschuldens, sei es verschuldensunabhängig (92). Die französischen Behörden erkennen jedoch an, dass ein Richter, wenn ein Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge gegeben sein sollte und der Vertreter des Staates bei der Durchführung des im Gesetz vom 16. Juli 1980 vorgesehenen Verfahrens an dieses Erfordernis gebunden sein sollte, die Entschädigung des Gläubigers anordnen könnte. In diesem Fall hätte die Entschädigung jedoch nur zur Folge, dass der Gläubiger wieder in die Lage versetzt würde, in der er nach allgemeinem Recht gewesen wäre; dem Gläubiger entstünde somit kein Vorteil.

(186)

Die Kommission stellt dennoch fest, dass die Gläubiger, zumindest die nicht bevorrechtigten Gläubiger, nach allgemeinem Recht in der Regel nicht ihre gesamte Forderung zurückerhalten. Zudem werden die Schulden des abgewickelten Unternehmens nicht von einem Dritten bezahlt, was hier der Fall ist.

(187)

Die französischen Behörden behaupten weiter, dass die Entschädigungsmöglichkeiten, die den Gläubigern durch die Inanspruchnahme der Haftung offenstehen, einer Bürgschaftsform nicht gleichgestellt werden können.

(188)

Die Kommission vertritt dennoch die Auffassung, was sie im Folgenden beweisen wird, dass das Auslösen der Haftung des Staates (verschuldensabhängig oder -unabhängig) bei der Durchführung des im Gesetz vom 16. Juli 1980 vorgesehenen Verfahrens zur Beitreibung der Schulden öffentlicher Personen einem Bürgschaftsmechanismus im Sinne des Unionsrechts gleichkommt, da diese Haftung den Gläubigern die Begleichung ihrer Forderung zusichert, indem sie den Staat verpflichtet, die Forderung bei einem Ausfall von La Poste zu bedienen. Zudem ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der Rechtssache Campoloro auf eine automatische Bürgschaft gerichtet. Obwohl es ihnen freistand, haben die französischen Behörden diese Haftungs- oder Bürgschaftsmechanismen nicht eingeschränkt.

i)   Frühere Rechtsprechung: Eine Demonstration der Spezifizität der mit der Rechtssache Campoloro eingeführten Regelung

(189)

Wie die Sachverständige betont, unterschied das Verwaltungsgericht, wenn ein Gläubiger eines dem Gesetz vom 16. Juli 1980 unterliegenden Unternehmens den Staat aufgrund der in diesem Gesetz vorgesehenen Befugnisse in Haftung nahm, vor der Rechtssache Campoloro (die weiter unten untersucht wird) zwei Schadensarten. Zum einen entstand dem Gläubiger ein Schaden wegen der unterbliebenen Begleichung seiner Forderung, für den allein die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ursächlich war. Zum anderen konnte dem Gläubiger infolge der Nichterfüllungen bei der Wahrnehmung der Befugnisse des Staates (Verzug, böser Wille, Weigerung, die Verfahren einzuleiten, teilweise Einleitung der Verfahren usw.) ein weiterer Schaden entstehen. Dieser zweite Schaden ließ sich nicht anhand der Höhe der Schuld bemessen, sondern eher anhand der Kosten des Verzugs oder der Weigerung, von den im Gesetz vorgesehenen Befugnissen Gebrauch zu machen. Diese Haltung nahm der Cour administrative d’appel von Lyon in der Rechtssache Campoloro an (93).

ii)   Das Urteil des Conseil d’Etat aus dem Jahr 2005 in der Rechtssache Campoloro

(190)

Der Sachverständigen der Kommission zufolge stellt das Urteil des Conseil d’Etat in der Rechtssache Campoloro insofern einen ersten Wendepunkt dar, als eine der vorgesehenen Hypothesen streng genommen kein Haftungsfall mehr ist, sondern wie ein Bürgschaftsmechanismus wirkt.

(191)

Hinzuweisen ist zunächst auf den prinzipiellen Erwägungsgrund des Urteils des Conseil d’Etat de Section Nr. 271898 vom 18. November 2005 in der Sache Société fermière de Campoloro:

„In der Erwägung, dass der Gesetzgeber mit diesen Bestimmungen dem Vertreter des Staates bei Nichterfüllung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung seitens einer Gebietskörperschaft und nach Inverzugsetzung die Befugnis geben wollte, an die Stelle der Organe dieser Körperschaft zu treten, um die zur umfassenden Erfüllung dieser gerichtlichen Entscheidung erforderlichen Mittel bereitzustellen oder zu erschließen; dass es ihm dazu, unter der Aufsicht des Gerichts, obliegt, unter Berücksichtigung der Situation der Gebietskörperschaft und der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen; dass zu diesen Maßnahmen die Möglichkeit gehört, Vermögensgegenstände der Gebietskörperschaft zu veräußern, wenn diese für das reibungslose Funktionieren der öffentlichen Aufgaben, für die sie zuständig ist, nicht unverzichtbar sind; dass der Gläubiger der Gebietskörperschaft, wenn der Präfekt es unterlässt oder versäumt, die ihm vom Gesetz gegebenen Befugnisse wahrzunehmen, berechtigt ist, sich bei grobem Verschulden bei der Ausübung der staatlichen Aufsicht an den Staat zu wenden; dass zudem in dem Fall, in dem der Präfekt angesichts der Situation der Gebietskörperschaft, insbesondere angesichts des Nichtausreichens ihrer Mittel oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, das Ergreifen bestimmter Maßnahmen zur Erfüllung der Gerichtsentscheidung rechtmäßig hat verweigern können, der sich daraus für den Gläubiger der Gebietskörperschaft ergebende Schaden die Haftung des Staates auslösen kann, wenn es sich um einen außergewöhnlichen und besonderen Schaden handelt“.

(192)

Damit führt der Conseil d’Etat einen zweistufigen Mechanismus ein.

(193)

Zunächst führt er eine Regelung für die Staatshaftung ein, die allein auf einer unterbliebenen Wahrnehmung der mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 und seinen Durchführungsbestimmungen eingeführten Befugnisse gründet. Es handelt sich um eine Haftung wegen groben Verschuldens. Die Wahl des groben Verschuldens liegt darin begründet, dass die Schulden der Schuldnergebietskörperschaft nicht automatisch auf den Staat übertragen werden sollen. Ein sachkundiger Kommentar hierzu (94): „Wenn der Präfekt Maßnahmen ergreift, um zu versuchen, zusätzliche Mittel bereitzustellen, diese Maßnahmen sich jedoch angesichts des Ausmaßes der Schulden der Gemeinde als unzureichend erweisen, wird das Gericht wahrscheinlich darauf erkennen, dass kein grobes Verschulden vorliegt“. Hier liegt die „klassische“ Haftung wegen groben Verschuldens vor, die nicht wie ein Bürgschaftsmechanismus im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnereinrichtung wirkt, weil die Zahlungsunfähigkeit dadurch nicht abgewendet werden kann.

(194)

Darüber hinaus wird im Urteil das Auslösen einer verschuldensunabhängigen Haftung in zwei Fällen vorgesehen.

(195)

Im ersten Fall hat der Präfekt „aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses das Ergreifen bestimmter Maßnahmen zur Erfüllung der Gerichtsentscheidung rechtmäßig […] verweigern können“. Hier liegt der klassische Fall der Unterlassung der Verwaltung aus Gründen des Allgemeininteresses vor, der die Haftung wegen Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor den öffentlichen Lasten auslöst. Der Schuldner ist theoretisch nicht zahlungsunfähig, aber der Staat beschließt, sein Mittelpotenzial aus Gründen des Allgemeininteresses nicht auszuschöpfen. Diese Situation lässt keinen Bürgschaftsmechanismus erkennen, denn der Schaden für den Gläubiger beruht auf einer Entscheidung des Staates und nicht auf der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Die Folgen gleichen jedoch denen eines Bürgschaftsmechanismus.

(196)

Der zweite Fall der verschuldensunabhängigen Haftung kommt dem Bürgschaftsmechanismus dagegen näher. Der Conseil d’Etat entscheidet, dass „[…] in dem Fall, in dem der Präfekt angesichts der Situation der Gebietskörperschaft, insbesondere angesichts des Nichtausreichens ihrer Mittel […], das Ergreifen bestimmter Maßnahmen zur Erfüllung der Gerichtsentscheidung rechtmäßig hat verweigern können, der sich daraus für den Gläubiger der Gebietskörperschaft ergebende Schaden die Haftung des Staates auslösen kann, wenn es sich um einen außergewöhnlichen und besonderen Schaden handelt“. Das haftungsbegründende Ereignis ist allein die finanzielle Situation der Körperschaft als Schuldner. Die Wahl einer verschuldensunabhängigen Haftungsregelung verringert die auf dem Gläubiger ruhende Beweislast, da dieser einfach die Ursache, die Kausalität und den Schaden beweisen muss.

(197)

Der Sachverständigen der Kommission zufolge treten zwei Ähnlichkeiten zwischen dieser Haftungsregelung und einer Bürgschaftsregelung zutage. Zunächst ist das haftungsbegründende Ereignis nicht objektiv dem Staat zurechenbar, weil es sich um die Situation der Schuldnereinrichtung handelt. Diese Haftungsregelung beruht auf dem gleichen Ereignis wie der Bürgschaftsmechanismus, d. h. der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Weiterhin scheint der Schaden, auf den der Conseil d’Etat Bezug nimmt, mangels weiterer Angaben in der Nichtbegleichung der Schuld selbst zu bestehen, ein Ereignis, das auch die Bürgschaft auslöst.

(198)

Der Conseil d’Etat schränkt allerdings das Auslösen der Staatshaftung auf außergewöhnliche und besondere Schäden ein. Nach Auffassung der Sachverständigen der Kommission kann man im Hinblick auf die Außergewöhnlichkeit des Schadens im Ausschlussverfahren vorgehen. Die Forderung ist entweder gering, was zu der Annahme berechtigt, dass sie ein staatliches Unternehmen (insbesondere La Poste) nicht in die Zahlungsfähigkeit stürzen wird. Oder die Forderung ist sehr hoch, woraus sich die Außergewöhnlichkeit des Schadens ergibt. Im Hinblick auf die Besonderheit des Schadens ist anzunehmen, dass nicht viele Gläubiger hohe Forderungen gegenüber öffentlichen Unternehmen haben. Die mit dem Urteil des Conseil d’Etat eingeführte Beschränkung ist insofern nicht wirklich eine, als anzunehmen ist, dass nur die Situation hoher Forderungen wirklich betroffen ist, in der immer ein außergewöhnlich schwerer Schaden vorliegen wird.

(199)

Diese Auslegung wurde im Übrigen auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur berücksichtigt. So der (bereits genannte) Kommentar von P. Bon: „Unter dieser Annahme, die wahrscheinlich in Anbetracht des eklatanten Missverhältnisses zwischen der Höhe der Strafe, die das Gericht gegen die Gemeinde verhängt hat, und deren begrenzten Mitteln dem vorliegenden Fall entspricht, ist der Präfekt in gewisser Weise in einer Sackgasse, da zweifelhaft ist, dass er ausreichende Mittel bereitstellen kann, die es der Gemeinde ermöglichen, ihre Schuld in voller Höhe zu begleichen. Die Gerechtigkeit gebietet allerdings, dass die beiden klagenden Gesellschaften nach so vielen Jahren entschädigt werden.“ […]„Er macht den Staat zu einem Versicherer, der verpflichtet ist, für die nachteiligen Folgen dieses Unvermögens [das der Gemeinde] aufzukommen“. Nach Ansicht der Sachverständigen der Kommission wäre anstelle des Begriffs „Versicherer“ (assureur) der Begriff „Gewährsmann“ (garant obligé) treffender gewesen.

(200)

In ihrer Chronik zum Urteil Société fermière de Campoloro  (95) betonen C. Landais und F. Lenica, die bei Verkündung des Urteils für die Dokumentationsstelle des Conseil d’Etat zuständig waren, die Einzigartigkeit dieser zweiten Annahme und lehnen es ab, sie als Übertragung der Schuldenlast der Gebietskörperschaften auf den Staat auszulegen. Die Sachverständige der Kommission betont jedoch, dass die Auslegung, auch wenn sie strittig ist, bei Durchsicht des Urteils doch in Betracht gezogen werden muss. Das Ende des Kommentars ist im Übrigen aufschlussreich: Die Kommentatoren ziehen eine Anleihe oder eine außerordentliche Subvention in Betracht. Festzustellen ist, dass diejenigen, die es ablehnen, die Haftungsregelung einem Bürgschaftsmechanismus gleichzustellen, sich letzten Endes auf andere Elemente des Bürgschaftsmechanismus (Subvention) berufen.

(201)

Die Sachverständige verwirft auch die Einschätzung von D. Labetoulle in dessen Artikel über die verschuldensunabhängige Haftung im Verwaltungsrecht (96), den die französische Regierung in ihrer Stellungnahme anführte. Dieser Verfasser merkt an, dass der Conseil d’Etat in der Rechtssache Campoloro entscheidet, dass die rechtmäßige Entscheidung des Präfekten lediglich „die Haftung des Staates auslösen kann“. Er folgert daraus, dass kein Automatismus vorliegt. Nach Auffassung der Sachverständigen der Kommission kann man sich dieser Auslegung nicht anschließen. Denn der Conseil d’Etat entscheidet darüber, dass die Entscheidung des Präfekten die Haftung des Staates auslösen kann, „wenn es sich um einen außergewöhnlichen und besonderen Schaden handelt“. Denn ungewiss ist nicht der Grundsatz des Bestehens einer Haftung und des Auslösens dieser Haftung, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, sondern das Vorliegen eines Schadens, der gewisse Besonderheiten aufweisen muss. Wie gezeigt wurde, steht allerdings bei einem außergewöhnlichen und besonderen Schaden einer Inanspruchnahme der Haftung nichts im Wege. Somit liegt auf Ebene des Grundsatzes der Inanspruchnahme einer Haftung sehr wohl ein Automatismus vor, der alle Merkmale einer Bürgschaft aufweist.

(202)

Schließlich stellt die Sachverständige der Kommission fest, dass in keinem Kommentar zum Urteil Campoloro in Betracht gezogen wird, dass die Forderung unbeglichen bleiben könnte.

(203)

Die Sachverständige der Kommission gelangt zu dem Schluss, dass mit dem Urteil des Conseil d’Etat in der Rechtssache Campoloro eine Haftungsregelung eingeführt wurde, die die Merkmale eines Bürgschaftsmechanismus aufweist.

iii)   Beilegung der Rechtssache Campoloro durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

(204)

Der EGMR hat in seinem Urteil vom 6. Dezember 2006 in der Sache Société de gestion du port de Campoloro und Société fermière de Campoloro/Frankreich  (97) den Fall Campoloro beigelegt und alle Verbindlichkeiten, die die Gemeinde Santa-Maria-Poggio gegenüber den beiden klagenden Gesellschaften hatte, dem Staat auferlegt. Die Rechtssache beweist, dass die Haftung des französischen Staates in diesem Fall wie eine implizite Bürgschaft für die Schulden der Behörden wirkt und an keine Schadensbedingung geknüpft ist.

(205)

Vor dem Gerichtshof versuchten die französischen Behörden, sich zum einen auf das Nichtvorliegen eines dem Staat zuzurechnenden Ereignisses und zum anderen auf das Nichtvorliegen einer Staatsbürgschaft für Behörden, die Rechtspersönlichkeit besitzen, zu stützen. Zu lesen ist: „[Die französische Regierung] vertritt die Auffassung, dass nur objektive Gründe, die ausschließlich mit der materiellen Unmöglichkeit für die Gemeinde zusammenhängen, ausreichende Mittel bereitzustellen, die vollständige Erfüllung der Urteile verzögert haben.“ […]„Die Regierung bleibt daher dabei, dass die Nichterfüllung der Urteile nicht auf einer vorsätzlichen Unterlassung der Behörden, des Staates oder der Gemeinde, beruht. Das Fehlen von Mitteln ist kein Vorwand, sondern Realität infolge der Zahlungsunfähigkeit der juristischen Person als Schuldner.“ […]„Die Nichtbegleichung der Schuld beruht ausschließlich auf den finanziellen Schwierigkeiten der Gemeinde, und diese Umstände sind weder geeignet, die Körperschaft aus ihren Verpflichtungen zu entlassen, noch, ihre Schuldenlast auf den Staat zu übertragen (CE, Batz sur Mer, 25. September 1970). Nach den nationalen Rechtsvorschriften gibt es keine Rechtsgrundlage für ein Eintreten des Staates an die Stelle der Gemeinde zur Zahlung der Entschädigungen. Diese Substitution kann genauso wenig auf Artikel 6 Absatz 1 der Konvention beruhen, da eine solche Lösung im Widerspruch zum Begriff der Rechtspersönlichkeit stehen würde, der eine Unabhängigkeit und ein Sondervermögen voraussetzt“. Obwohl die französische Regierung präzise versuchte, die oben aufgezeigten Unterschiede zwischen der Haftungsregelung und dem Bürgschaftsmechanismus geltend zu machen, wurden diese Argumente letzten Endes vom Gerichtshof nicht berücksichtigt.

(206)

Zur Vervollständigung der Beweisführung soll auch das Vorbringen der Kläger wiedergegeben werden, das im Gegenteil vom Gerichtshof berücksichtigt wurde:

„So ist im nationalen Recht keine Maßnahme vorgesehen, die im Fall der Zahlungseinstellung der Gemeinde Abhilfe schafft.“ […]„Der Staat kann sich nicht seiner Verpflichtung, die gerichtlichen Entscheidungen zu erfüllen, entledigen, indem er sich auf fehlende Mittel oder die Autonomie der Gebietskörperschaften beruft, die er bis heute nicht hat garantieren können, da die Gemeinde nicht in der Lage ist, ihre Schulden zu begleichen. Die Kläger prangern infolgedessen das Unvermögen des Staates an, positive Maßnahmen zu ergreifen, die es der Gemeinde ermöglicht hätten, den ihr obliegenden Zahlungspflichten nachzukommen.“ […]„Die Kläger stellen fest, dass der Conseil d’Etat in seinem Urteil vom 18. November 2005 entschieden hat, dass der Gesetzgeber dem Vertreter des Staates bei Nichterfüllung eines Gerichtsurteils seitens einer Gebietskörperschaft die Befugnis geben wollte, an die Stelle der Organe dieser Körperschaft zu treten, um die zur umfassenden Erfüllung dieser Gerichtentscheidung erforderlichen Mittel bereitzustellen oder zu erschließen. Auf der Grundlage dieser Versäumnisse des französischen Staates beantragen die Kläger die Feststellung der Verletzung von Artikel 6 Absatz 1 und die damit verbundene Entschädigung, wobei dies keinen Widerspruch zum Begriff der Rechtspersönlichkeit oder zur Unabhängigkeit und zum Sondervermögen darstellt“.

(207)

Letztendlich hat der Gerichtshof eine Verletzung von Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgestellt und diese insbesondere wie folgt begründet: „Diese Urteile müssen somit erfüllt werden, wobei der Gerichtshof daran erinnert, dass eine Behörde des Staates fehlende Mittel nicht zum Vorwand nehmen kann, um eine auf einer Gerichtsentscheidung beruhende Schuld nicht zu begleichen (Bourdov, Ziffer 30)“.

(208)

Der Gerichtshof stellte ferner eine Verletzung von Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention fest: „Dass es den Beteiligten unmöglich ist, eine Erfüllung dieser Urteile zu erhalten, stellt eine Einmischung in ihr Eigentumsrecht dar, das unter den ersten Satz des ersten Unterabsatzes von Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls fällt. Die Regierung hat diese Einmischung nicht gerechtfertigt, und der Gerichtshof vertritt die Auffassung, dass Mittelknappheit eine solche Unterlassung nicht legitimieren kann (ibid).“ […]„Alles in allem vertritt der Gerichtshof die Auffassung, dass die Kläger wegen der unterbliebenen Zahlung der Summen, auf sie in Erfüllung der genannten Urteile vom 10. Juli 1992 Anspruch hatten, eine besondere und übermäßig hohe Belastung erlitten haben und noch immer erleiden. Demnach liegt eine Verletzung von Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls vor.“ Schließlich erlegte der Gerichtshof dem Staat die gesamten Schulden der Schuldnergemeinden auf: „Angesichts der bisherigen Ausführungen vertritt der Gerichtshof die Auffassung, dass es dem beklagten Staat obliegt, die Zahlung der Forderungen, auf die die Kläger bzw. deren Anspruchsberechtigte seit den Urteilen des Verwaltungsgerichts von Bastia vom 10. Juli 1992 Anspruch haben (ibidem), einschließlich der Zinsen bis zum Tag der Verkündung dieses Urteils, sicherzustellen.“

(209)

Die Sachverständige der Kommission leitet aus dieser Rechtsprechung ab, dass der Staat die Schulden der staatlichen Stellen begleichen muss.

(210)

Nach Auffassung der Kommission gehen daraus drei wichtige Sachverhaltsmerkmale hervor:

die Haftung wirkt wie eine implizite Bürgschaft. Zum einen wird der französische Staat zur Zahlung der gesamten Schulden verurteilt, wobei keine Aufteilung zwischen dem, was durch die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerkörperschaft und etwaigen dem Staat zuzurechnenden Versäumnissen vorgenommen wird. Besonders hinzuweisen ist auf die Ausdrucksweise, da der Gerichtshof nicht von einer möglichen Haftung des Staates spricht, sondern die Auffassung vertritt, dass es dem Staat obliegt, die Zahlung „sicherzustellen“. Diese Ausdrucksweise deutet eher von auf eine Bürgschaft als auf eine Haftung hin. Mehr noch untersucht der Gerichtshof zu keiner Zeit ein dem Staat zuzurechnendes haftungsbegründendes Ereignis, sondern lässt es bei der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bewenden. Schließlich überträgt der Gerichtshof die Schulden der verurteilten Gemeinden in voller Höhe auf den Staat. Diese Sachverhaltsmerkmale sprechen dafür, dass diese Haftungsregelung in Wirklichkeit wie ein Bürgschaftsmechanismus funktioniert. Festzustellen ist allerdings, dass die Kläger ihre Forderung erst gerichtlich anerkennen lassen müssen. Im Übrigen ist diese Bürgschaft implizit, da sie in keinem Rechtstext erwähnt wird. Dies beweist, dass ein innerstaatlicher rechtlicher Mechanismus als implizite Bürgschaft ausgelegt werden kann;

diese Haftung deckt die Schulden staatlicher Stellen, die dennoch Rechtspersönlichkeit besitzen. Die französische Regierung hat ausdrücklich geltend gemacht, dass das Vorliegen einer Rechtspersönlichkeit und von eigenem Vermögens dem Auslösen der Haftung des französischen Staates entgegenstehen. Dieses Vorbringen wurde vom Gerichtshof zurückgewiesen;

der Anwendungsbereich der Haftung des Staates erstreckt sich auf die staatlichen Stellen, die aus ihm hervorgehen. Die Bürgschaft ist daher eng mit dem öffentlich-rechtlichen Status des Schuldners verflochten.

(211)

Im Übrigen ist die vom EGMR in der Rechtssache Campoloro gewählte Lösung kein Einzelfall, sondern entspricht gängiger Rechtsprechung. So hat der EGMR in seinem Urteil vom 13. Mai 1980Artico/Italien  (98) entschieden, dass, wenn eine Nichterfüllung einer anderen Person als dem Staat zuzurechnen ist, es dem Staat als Schuldner der in Artikel 6 Absatz 1 vorgesehenen Zusicherung obliegt, so zu handeln, dass dem Kläger das mit diesem Artikel zuerkannte Recht tatsächlich zukommt. In seinem Urteil Nr. 59498/00 vom 19. März 1997 in der Rechtssache Bourdov/Russland entschied der Gerichtshof ebenfalls, dass „eine Behörde des Staates fehlende Mittel nicht zum Vorwand nehmen kann, um ihre Schuld nicht zu begleichen“.

iv)   Prüfung der Äußerungen der französischen Behörden

α)   Äußerungen zum Unterschied zwischen Gebietskörperschaften und öffentlichen Unternehmen

(212)

Nach Auffassung der französischen Behörden (99) ist die Beweisführung der Sachverständigen der Kommission nicht schlüssig; sie beschränke sich darauf, verschiedene Auslegungen des Urteils Campoloro nebeneinander zu stellen und unterscheide vor allem nicht zwischen öffentlichen Unternehmen und Gebietskörperschaften, obwohl diese Unterscheidung für die Frage, ob eine Forderung unbezahlt bleiben könne, von zentraler Bedeutung sei. Die französischen Behörden greifen hier das Gutachten ihres Sachverständigen auf. Dieser stellt die Prämisse der Argumentation der Kommission auf der Grundlage des Urteils Campoloro infrage. Die Argumentation der Kommission beruhe auf der Gleichsetzung von Gebietskörperschaften und öffentlichen Unternehmen, deren gemeinsames Merkmal sei, dass sie vom Staat verschiedene juristische Personen des öffentlichen Rechts seien. Diese beiden Arten von Einrichtungen hätten nun aber nicht den gleichen verfassungsmäßigen Status. Das Bestehen der Gebietskörperschaften sei ein verfassungsmäßiges Erfordernis, und der Staat habe die Pflicht, ihren Fortbestand zu gewährleisten. Die EPIC hätten diesen verfassungsmäßigen Status nicht und könnten aufgelöst werden. Die Rechtsprechung im Fall Campoloro, die Versäumnisse der Gebietskörperschaften betreffe, könne nicht auf öffentliche Unternehmen übertragen werden.

(213)

Die Kommission wird nun untersuchen, ob die Schlussfolgerungen, die ihre Sachverständige aus den Urteilen des EGMR und des Conseil d’Etat im Fall Campoloro gezogen hat, durch einen unterschiedlichen verfassungsmäßigen Status von Gebietskörperschaften und öffentlichen Einrichtungen infrage gestellt werden können.

(214)

Die Kommission stellt fest, dass die Entscheidung des EGMR nicht auf der Notwendigkeit gründet, die betreffende Gebietskörperschaft zu erhalten, sondern darauf, die Rechte des Gläubigers zu erhalten, d. h. sein Recht auf ein faires Verfahren (Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention) und auf den Schutz seines Eigentums (Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls); unabhängig davon, ob der Schuldner ein öffentliches Unternehmen oder eine Gebietskörperschaft ist, werden die Rechte des Gläubigers auf die gleiche Weise verletzt.

(215)

Hinsichtlich des Urteils des Conseil d’Etat sind verschiedene Haftungsregelungen zu unterscheiden:

die Regelung der Haftung wegen groben Verschuldens beruht auf einer mangelhaften Wahrnehmung der mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Befugnisse durch den Staat; sie ist daher unabhängig von der Art des Schuldners, d. h. unabhängig davon, ob es sich um eine Gebietskörperschaft oder um ein öffentliches Unternehmen handelt.

die Regelung der verschuldensunabhängigen Haftung gründet dagegen auf zwei Prämissen:

a)

Bei der ersten Annahme weigert sich der Präfekt aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Zwingende Gründe könnten das Erhalten der Gebietskörperschaft oder das Bewahren der Leistungen der Daseinsvorsorge sein. Der Sachverständige der französischen Behörden betont, dass das Erfordernis des Fortbestands nur für die Leistungen gelte und nicht für die Stelle, die sie erbringe. Bis zu einer möglichen Übertragung der Aufgaben der Daseinsvorsorge auf eine Einrichtung, die in der Lage sei, sie zu übernehmen, könne die Wahrung des Fortbestands der Daseinsvorsorge aber dennoch für den Präfekten kurzfristig beinhalten, dass er bestimmte Maßnahmen ergreife wie beispielsweise die Erhaltung der für die Aufgaben der Daseinsvorsorge erforderlichen Vermögenswerte oder die Erhöhung der Mittel zur Bezahlung der Forderung. Im Übrigen erkennen die französischen Behörden an, dass der Vertreter des Staates bei der Durchführung des mit dem Gesetz vom 16. Juli 1980 eingeführten Verfahrens an das Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge gebunden ist.

b)

Bei der zweiten Annahme kann die Regelung der verschuldensunabhängigen Haftung geltend gemacht werden, wenn „in einem Fall, in dem der Präfekt angesichts der Situation der Gebietskörperschaft, insbesondere angesichts des Nichtausreichens ihrer Mittel […], das Ergreifen bestimmter Maßnahmen zur Erfüllung der Gerichtsentscheidung rechtmäßig hat verweigern können, der sich daraus für den Gläubiger der Gebietskörperschaft ergebende Schaden“ ein „außergewöhnlicher und besonderer Schaden“ ist. Wie oben angegeben, ist allein die Finanzlage des Schuldners das haftungsbegründende Ereignis. Daher kann dieser Schuldner sowohl ein öffentliches Unternehmen als auch eine Gebietskörperschaft sein.

(216)

Abschließend kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass der unterschiedliche verfassungsmäßige Status von Gebietskörperschaften und öffentlichen Einrichtungen die Schlussfolgerungen, die die Sachverständige der Kommission aus dem Urteil Campoloro gezogen hat, nicht entkräftet. Zudem stellt die Kommission fest, dass das Vorbringen der französischen Behörden darauf abzielt, die Relevanz des Falls Campoloro für den vorliegenden Fall zu bestreiten, der keine Gebietskörperschaft betrifft, wohingegen er von den französischen Behörden in erster Linie angeführt wurde, um ihren Standpunkt zu untermauern.

β)   Äußerungen zur fehlenden Grundlage für das Auslösen der Staatshaftung

(217)

Für die französischen Behörden ist im Übrigen unverständlich, auf welcher Grundlage die verschuldensunabhängige Haftung des Staates bei einer Nichterfüllung eines öffentlichen Unternehmens ausgelöst werden könnte, da die Staatshaftung in diesem Rahmen nur ausgelöst werden könne, wenn die dem Staat zugerechnete Handlung (bzw. Unterlassung) die unmittelbare Ursache des Schadens gewesen sei, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe.

(218)

Die Kommission stellt dennoch fest, dass mit den Urteilen des Conseil d’Etat und des EGMR eindeutig festgestellt wird, dass die verschuldensunabhängige Haftung des Staates ausgelöst werden kann.

γ)   Äußerungen zum Nichtvorliegen eines außergewöhnlichen und besonderen Schadens

(219)

Schließlich können die französischen Behörden schwer nachvollziehen, warum das Gericht den Schaden als „besonders“ betrachten sollte, da er alle Gläubiger des Unternehmens betreffe, oder als „außergewöhnlich“, wenn Gläubiger eingewilligt hätten, einer Einrichtung in einer ungewissen finanziellen Lage Kredit zu gewähren.

(220)

Die Kommission stellt fest, dass das Vorliegen eines außergewöhnlichen und besonderen Schadens nach der Rechtsprechung des Conseil d’Etat tatsächlich eine Voraussetzung für das Auslösen der Staatshaftung ist. Die französischen Behörden bezweifeln, dass ein außergewöhnlicher Schaden vorliegt, wenn Gläubiger eingewilligt hätten, einer Einrichtung in einer ungewissen finanziellen Lage Kredit zu gewähren. Die Kommission stellt hierzu fest, dass dieses Argument voraussetzt, dass keine Bürgschaft vorliegt (und dass die Gläubiger glauben, dass keine vorliegt), während die bisherige Analyse das Gegenteil beweist. Denn wenn die Gläubiger auf die Bürgschaft vertrauen, ist die finanzielle Lage des Unternehmens für einen Gläubiger bei seiner Entscheidung, dem Unternehmen Kredit zu gewähren, sowie bei Verhandlungen über die Bedingungen dieses Kredits weit weniger ausschlaggebend. Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Schulden zu einer Zeit begründet worden sein können, als das öffentliche Unternehmen nicht in Gefahr war oder die finanziellen Schwierigkeiten vom Gläubiger nicht erkannt werden konnten. In jedem Fall muss der Begriff des außergewöhnlichen Schadens unabhängig davon, ob das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten war oder nicht, und auch unabhängig davon, ob der Schaden allen Gläubigern oder nur einem entstanden ist, gesehen werden. Nach der Rechtsprechung zur verschuldensunabhängigen Amtshaftung (100) bemisst sich der außergewöhnliche und besondere Schaden in Bezug auf das Allgemeininteresse. Um als außergewöhnlich und besonders angesehen zu werden, muss der Schaden für den Geschädigten in Bezug auf das angestrebte Allgemeininteresse unverhältnismäßig hoch sein. Die Kommission folgert daraus, dass der außergewöhnliche und besondere Charakter des Schadens zweifelsohne ein Filterkriterium darstellt, das bei einer gewissen Zahl von Forderungen zum Ausschluss einer Entschädigung führen kann, dass dieses Filterkriterium jedoch um so stärker zum Tragen kommt, je höher die Schuld ist. Schließlich weist die Kommission darauf hin, dass das Vorliegen eines außergewöhnlichen und besonderen Schadens nach der Rechtsprechung des EGMR keine Voraussetzung ist. Somit kann jeder Gläubiger grundsätzlich im Wege eines Gerichtsverfahrens eine Entschädigung des Staates zur Begleichung seiner Forderung erhalten.

v)   Unbeschränktheit der Haftung und/oder Bürgschaft des Staates

(221)

Die Kommission betont, dass der Gesetzgeber nicht daran gehindert wird vorzusehen — wie er dies bei einigen Unternehmen getan hat —, dass der Staat für die Schulden der EPIC nur bis zur Höhe seiner ursprünglichen Einlage (oder Kapitalzuführung) haftet. Insbesondere wird der Gesetzgeber nicht daran gehindert, eine Haftungsbeschränkung vorzusehen oder einfach darauf hinzuweisen, dass der Staat als Aktionär für die Schulden des EPIC nur bei Verschulden oder in anderen Fällen als der bloßen Zahlungsunfähigkeit des EPIC, die dem Staat selbst zuzurechen sind und für einen besonderen Schaden ursächlich sein sollten, haftbar gemacht werden kann. Es steht dem Gesetzgeber demnach frei, die Bürgschaft des Staates für die EPIC zu verhindern und das Auslösen der Staatshaftung bei Schäden, die Gläubigern entstanden sind, zu begrenzen. Solche Hinweise haben die französischen Behörden jedoch nicht gegeben.

vi)   Schlussfolgerung der Kommission

(222)

Die Kommission gelangt anhand der Ausführungen unter den Buchstaben i bis v zu dem Schluss, dass ein Gläubiger, dessen Forderung nicht nach den Verfahren des Gesetzes vom 16. Juli 1980 beglichen worden sein sollte, nach derzeitigem Stand des französischen Rechts im Gegensatz zum Abwicklungsverfahren nach dem allgemeinen Recht, bei dem die Befriedigung des Gläubigers durch den Wert der verfügbaren Aktiva begrenzt wird, den offenen Betrag seiner Forderung in voller Höhe erhalten kann, indem er die letztinstanzliche Haftung des Staates in Anspruch nimmt. Die Haftung des Staates wird wie eine Bürgschaft behandelt. Sie wird durch keinen französischen Rechtstext eingeschränkt. Sie ist untrennbar mit dem öffentlich-rechtlichen Status der Schuldnereinrichtung verbunden.

vii)   Analyse des französischen Vorschlags zur Aufnahme einer Klausel in die Verträge

(223)

Sollte die Kommission einen Beschluss erlassen, mit dem festgestellt wird, dass die Maßnahme keine Beihilfe darstellt, wären die französischen Behörden bereit, ihren Vorschlag zur Aufnahme des Hinweises auf die nicht gegebene Deckung durch eine staatliche Bürgschaft auf alle eine Forderung beinhaltenden Verträge auszuweiten. Den französischen Behörden zufolge könnte dadurch jedes Risiko einer Inanspruchnahme der verschuldensunabhängigen Haftung des Staates infolge der bloßen Zahlungsunfähigkeit von La Poste ausgeschlossen werden.

(224)

Die Kommission möchte zunächst darauf hinweisen, dass die Bemerkung in Randnummer 181 natürlich auch für diesen Abschnitt dieses Beschlusses gilt. Im Übrigen erkennt die Kommission — wie im Einleitungsbeschluss ausgeführt — an, dass eine solche Maßnahme die Möglichkeiten von Gläubigern, die einen solchen Vertrag geschlossen haben, auf gerichtlichem Wege die Begleichung ihrer Forderung zu erwirken, einschränken kann. Sie hat jedoch weiterhin Bedenken hinsichtlich der Dauerhaftigkeit dieser Lösung, da die Regel der Einwendung der freiwilligen Risikoübernahme durch die Rechtsprechung aufgestellt wurde und die Rechtsprechung sich jederzeit ändern könnte (eine Abkehr von der Rechtsprechung ist um so weniger auszuschließen, als sie sich hin zu einer Ausweitung der verschuldensunabhängigen Haftung des Staates entwickelt). In Erwiderung auf die Äußerungen der französischen Behörden betont die Kommission, dass sie dem Vorschlag der französischen Behörden damit nicht jede Wirkung absprechen möchte, aber darauf hinweisen möchte, dass der darauf beruhende Rechtsrahmen auf tönernen Füßen stehen würde.

(225)

Im Übrigen hält die Kommission den Vorschlag der französischen Behörden für unzureichend, da die Bürgschaft des Staates bei jeder Art von Haftung wirken könnte, insbesondere auch bei der außervertraglichen und strafrechtlichen Haftung, die unter einem Gesichtspunkt die gleichen Merkmale aufweisen, nämlich, dass es nicht möglich ist, gegenüber den Schuldnern im Vorfeld vertraglich vorzusehen, dass der Staat für die Schulden von La Poste nicht haftet. La Poste kann aufgrund verschiedener rechtlicher Mechanismen Schuldner eines Dritten sein, was die Bürgschaft des Staates bei Nichterfüllung beinhalten würde. Sollte La Poste beispielsweise eine andere Einrichtung (ein anderes öffentliches Unternehmen) übernehmen, würden damit die Rechte und Verpflichtungen dieser Einrichtung auf sie übergehen. Sollte sie daraufhin die Schulden dieser Einrichtung gegenüber einem Dritten begleichen müssen, wäre in keinem Vertrag und keinem rechtlich verbindlichen Dokument vorgesehen, dass der Staat nicht zur Rückzahlung der Verbindlichkeiten von La Poste gegenüber den Gläubigern der übernommenen Einrichtung verpflichtet ist, weil dies für niemanden absehbar war. Durch einen Mechanismus zur Umwandlung (Verschmelzung, Übernahme) bestimmter Einrichtungen innerhalb des öffentlichen Sektors kann La Poste zum Schuldner für bestimmte Verbindlichkeiten gegenüber Dritten werden, ohne dass eine Beschränkung der Haftung des Staates vertraglich vorgesehen werden kann. Die Aufnahme einer solchen Klausel in „Verträge“ mit „Gläubigern“ ist daher unzureichend, da nicht alle möglichen Fälle erfasst werden. Bei einer solchen Formulierung könnten Forderungen Dritter, die zunächst nicht erkennbar sind, übersehen werden. Ausreichend ist nur ein allgemein gültiger Hinweis, der besagt, dass der Staat nicht für La Poste bürgt, und der für alle Fälle und gegenüber allen Dritten gilt.

(226)

Schließlich wird selbst unter der Annahme, dass durch die Vorschläge Frankreichs jede Möglichkeit ausgeschlossen wird, dass ein Gläubiger von La Poste den Staat in Haftung nimmt, um seine Forderung begleichen zu lassen (eine Annahme, die nach Auffassung der Kommission nicht verifiziert wurde), damit nicht eindeutig festgelegt, was im Fall der Zahlungsunfähigkeit von La Poste geschehen würde. Denn ein Gläubiger von La Poste, dessen Forderung im Wege eines Antrags auf Erfüllung seiner Einzelforderung nicht bedient wurde, hätte noch immer die Hoffnung, dass sie im Rahmen einer vom Staat finanzierten globalen Sanierung von La Poste beglichen wird, wie im weiteren Verlauf dieses Beschlusses aufgezeigt wird.

4.   Selbst wenn der Gläubiger nicht befriedigt werden sollte, kann er den begründeten Irrtum beim Zustandekommen der Forderung hinsichtlich der Tatsache, dass sie in jedem Fall beglichen würde, Rechtswirkung entfalten lassen

(227)

Die Beweisführung lässt sich mit der Rechtsscheintheorie (101) bestätigen. Denn selbst wenn man der Argumentation der französischen Behörden folgen würde, der zufolge keine unbeschränkte Bürgschaft für La Poste aufgrund von deren Status vorliegt, die die Kommission widerlegt, lassen die oben ausgeführten Sachverhalte die Gläubiger in begründeter Weise glauben, dass eine solche Bürgschaft dennoch vorliegt. Die Rechtsscheintheorie verstärkt die durch das Zusammentreffen einer Reihe von Indizien entfaltete Wirkung.

(228)

Die wichtigsten im Hinblick auf die Rechtsscheintheorie relevanten Indizien werden im Folgenden genannt:

mit Blick auf die Bürgschaft des Staates für EPIC lassen verschiedene Texte (das Gesetz vom 16. Juli 1980 und seine Durchführungsbestimmungen) oder amtliche Dokumente (Haushaltsdokumente) die Gläubiger berechtigterweise glauben, dass der Staat bei unzureichenden Mitteln die Schulden der EPIC übernehmen würde oder dass die Haftung des Staates ausgelöst würde;

die Tatsache, dass die Rechtslage nach der Rechtssache Campoloro und den ersten von der Kommission einleiteten Verfahren zum Status der EPIC nicht geklärt wurde, nährt ebenfalls das Vertrauen der Gläubiger in das Vorliegen einer solchen Bürgschaft;

das Fehlen eines eindeutigen Hinweises auf die Folgen einer Zahlungseinstellung durch ein EPIC spricht ebenfalls dafür;

auch die Reaktion der Ratingagenturen fällt insofern hierunter, als Dritte — zu Recht oder zu Unrecht — dem Status des Schuldners bei einem Rating, das bei Finanzierungen eine maßgebliche Rolle spielt (wie in Abschnitt 4.1.2.a dieses Beschlusses bewiesen wird), eine Bedeutung beimessen.

(229)

Die Kommission schließt sich den Schlussfolgerungen ihrer Sachverständigen an und gelangt zu dem Ergebnis, dass selbst dann, wenn ein Gläubiger wie in dem von den französischen Behörden vorgetragenen Fall irrtümlicherweise zu der Auffassung gelangen sollte, dass der Staat gehalten ist, für die Schulden von öffentlichen Unternehmen und insbesondere von La Poste zu bürgen, sein Irrtum angesichts der genannten Punkte begründet wäre und Rechtswirkung entfalten könnte. Sollte die Forderung des Gläubigers im Ausnahmefall nicht beglichen werden, hätte er dennoch die Sicherheit, dass sie nicht ausfallen wird.

B.    Garantie für den Fortbestand von La Poste und/oder von deren Verpflichtungen

(230)

Selbst wenn eine Forderung nicht innerhalb einer angemessen Frist und nach Inanspruchnahme der im vorangehenden Abschnitt beschriebenen Verfahren beglichen worden sein sollte, hätte der Gläubiger weiterhin die Sicherheit, dass sie nicht ausfallen wird. Dies wird im Folgenden dargelegt. Wenn eine privatrechtliche Gesellschaft aufgelöst wird, können ihre Rechte und Verpflichtungen mit ihrer Auflösung wegfallen. Das handelsrechtliche Abwicklungsverfahren bietet keine Sicherheit, dass Forderungen bezahlt werden. Bei öffentlichen Unternehmen ist die Lage anders. Wie weiter oben ausgeführt, gibt es kein Abwicklungs-/Auflösungsverfahren für zahlungsunfähige öffentliche Unternehmen, bei dem ihre Schulden erlöschen. Im Fall der Auflösung aufgrund einer behördlichen Entscheidung sprechen, obwohl dies in keinem Text ausdrücklich vorgesehen wird, die Praxis und bestimmte verwaltungsrechtliche Grundsätze dafür, dass die Rechte und Verpflichtungen des aufgelösten öffentlichen Unternehmens stets von einer anderen Einrichtung und andernfalls vom Staat übernommen werden. Es gibt keine willentliche behördliche Abwicklung/Auflösung eines öffentlichen Unternehmens, bei dem dessen Rechte und Verpflichtungen aufgehoben werden. Jeder Gläubiger hat daher die Gewissheit, dass er seine Ansprüche aus der Forderung gegenüber einer anderen Einrichtung geltend machen kann und dass seine Forderung somit nicht ausfällt.

(231)

Diese Beweisführung fußt auf einer praktischen Untersuchung der strukturellen Veränderungen bei öffentlichen Unternehmen. Diese von der Sachverständigen der Kommission durchgeführte Untersuchung zeigt, dass die Schuldenlast öffentlicher Unternehmen stets auf eine andere juristische Person übertragen wird, welche sie nicht zurückweisen kann.

(232)

Die Sachverständige der Kommission unterschied drei Gründe für die Auflösung öffentlicher Unternehmen (102): Zeitablauf (1), Wegfall des Auftrags (2) und der häufigste Fall, die Übertragung des Auftrags (3) mit zwangsläufigem Übergang der Rechte und Verpflichtungen.

a)   Zeitablauf bei öffentlichen Unternehmen

(233)

Der Fall des Zeitablaufs kommt bei öffentlichen Unternehmen recht selten vor. Das einzige Beispiel (103), das die Sachverständige der Kommission gefunden hat, zeigt, dass die Rechte und Verpflichtungen des öffentlichen Unternehmens und insbesondere seine Schuldenlast (die ausdrücklich genannt wird) auf andere juristische Personen des öffentlichen Rechts übertragen wurden.

b)   Auflösung öffentlicher Unternehmen wegen Wegfalls ihres Auftrags

(234)

Das Wegfallen des Auftrags des öffentlichen Unternehmens beinhaltet fast immer das vorherige Entfallen einer öffentlichen Aufgabe. Dies bedeutet, dass die Behörden die eine oder andere Tätigkeit nicht mehr als Aufgabe von allgemeinem Interesse ansehen, die sie übernehmen oder sicherstellen müssen. Tendenziell werden allerdings zunehmend mehr Tätigkeiten als Leistungen der Daseinsvorsorge angesehen. Aus diesem Grund kommt dieser Fall nur sehr selten vor.

(235)

Davon auszunehmen sind allerdings öffentliche Unternehmen, die keine öffentlichen Aufgaben wahrnehmen und bei denen die Auflösung wegen Wegfalls des Auftrags kein vorheriges Entfallen einer öffentlichen Aufgabe beinhaltet. Hierunter fällt La Poste fällt nicht. Selbst in diesem Fall zeigt die Praxis jedoch, dass die Rechte und Verpflichtungen dieser Unternehmen durchweg von einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts und meistens vom Staat selbst übernommen werden, wie die zahlreichen Texte und Beispiele zeigen, die die Sachverständige der Kommission (104) anhand der Arbeit von S. Carpi-Petit (105) gefunden hat.

c)   Übertragung des Auftrags mit Übergang der Rechte und Verpflichtungen

(236)

Am häufigsten kommt die Übertragung des Auftrags eines öffentlichen Unternehmens auf eine andere Einrichtung mit einem Übergang der Rechte und Verpflichtungen vor. Das Prinzip des Fortbestands der Daseinsvorsorge beinhaltet eine Übertragung der für diesen Auftrag bestimmten Vermögensgegenstände und infolgedessen einen Übergang der Rechte und Verpflichtungen.

(237)

Ein Grundsatz zeichnet sich ab: Wenn der Auftrag fortbesteht, werden die Schulden des ehemaligen öffentlichen Unternehmens auf die übernehmende Einrichtung übertragen.

(238)

Am häufigsten (106) kommt es zur Übertragung der Aufgabe auf eine einzige Einrichtung, was zur Folge hat, dass das Vermögen vollständig und ungeteilt übertragen wird. Dieser Grundsatz gilt auch im Fall der Übertragung des Vermögens auf ein privatwirtschaftliches Unternehmen (107).

(239)

Zudem gibt es Fälle der Vermögensteilung, die ebenfalls den Fortbestand der Rechte und Verpflichtungen der öffentlichen Unternehmen aufzeigen.

(240)

Das Dekret Nr. 74-947 vom 14. November 1974 über die Übertragung der Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des ORTF auf das Institut de l’audiovisuel zeigt den Grundsatz der Benennung einer „Standard-Nachfolgeeinrichtung“ auf. Art. 1 lautet: „Diejenigen Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des Office de radiodiffusion-télévision française, die nicht auf das […] Etablissement public de diffusion oder auf eine der mit diesem Gesetz gegründeten Gesellschaften übertragen wurden, können vom 1. Januar 1975 an per Erlass des Premierministers auf das Institut de l’audiovisuel übertragen werden“.

(241)

Die Fälle, in denen das Vermögen in mehreren Schritten übertragen wird, bestätigen die zuvor aufgezeigte Tendenz (108).

(242)

Wenn ein öffentliches Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird, sind mehrere „Umwandlungsverfahren“ möglich:

die Auflösung mit Schließung: Der einfachste Fall ist die Auflösung mit Schließung, woraufhin das öffentliche Unternehmen aufgelöst ist;

die Auflösung mit Substitution: die Auflösung mit Substitution ist laut B. Plessix (109) die „Schließung des öffentlichen Unternehmens, die mit der Gründung einer neuen juristischen Person einhergeht, welche mit der bisherigen satzungsgemäßen Aufgabe des aufgelösten Unternehmens betraut wird. Mit anderen Worten tritt eine neue juristische Person in die Rechte und Verpflichtungen des aufgelösten öffentlichen Unternehmens ein; eine neue juristische Person folgt den Aufgaben des geschlossenen Unternehmens nach.“

die Umwandlung ohne Schließung: Die Umwandlung ohne Schließung oder Auflösung beruht auf der Organisation des Fortbestands der umgewandelten Rechtspersönlichkeit.

(243)

Der Gesetzgeber hat sich in den letzten Jahren für die Umwandlung ohne Auflösung eingesetzt. Bei den ersten Umwandlungen und insbesondere bei France Télécom hat der Gesetzgeber das EPIC geschlossen und dann die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen in eine neue juristische Person mit der Rechtsform eines privatrechtlichen Unternehmens eingelegt (110). Bei den folgenden Vorgängen ändert der Gesetzgeber nur die Rechtsform, ohne eine neue juristische Person zu gründen. Somit liegt weder eine Einlage der Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des EPIC, noch eine Einstellung der Geschäftstätigkeit vor, sondern die Organisation des rechtlichen Fortbestands durch den Gesetzgeber, wie beispielsweise die Bestimmungen von Artikel 25 des Gesetzes Nr. 2004-803 vom 9. August 2004 über die öffentliche Elektrizitäts- und Gasversorgung und die Elektrizitäts- und Gasunternehmen (Loi no 2004-803 du 9 août 2004, relative au service public de l’électricité et du gaz et aux entreprises électriques et gazières) zeigen: „Die Umwandlung in die Gesellschaften Electricité de France und Gaz de France bringt weder die Gründung neuer juristischer Personen noch eine Einstellung der Geschäftstätigkeit mit sich. Die Vermögensgegenstände, Rechte, Verpflichtungen, Verträge und Genehmigungen aller Art der Gesellschaften Electricité de France und Gaz de France in Frankreich und im Ausland sind diejenigen, die jedes der öffentlichen Unternehmen zum Zeitpunkt der Änderung seiner Rechtsform hatte. Diese Umwandlung ermöglicht keine Infragestellung dieser Vermögensgegenstände, Rechte, Verpflichtungen, Verträge und Genehmigungen und hat insbesondere keine Auswirkungen auf die von Electricité de France, Gaz de France […] geschlossenen Verträge mit Dritten. Mit den mit dieser Umwandlung verbundenen Vorgängen sind keine Gebühren, Steuern oder Abgaben irgendeiner Art verbunden“ (111).

(244)

Die Kommission schließt sich ihrer Sachverständigen an und kommt zu dem Ergebnis, dass aus der Analyse der verschiedenen Verfahren zur Auflösung öffentlicher Unternehmen folgende Schlüsse gezogen werden können:

obwohl es keine allgemeine rechtliche Regelung für die Gestaltung der Auflösung öffentlicher Unternehmen gibt, zeigt die Praxis, dass mit dem Rechtstext immer eine Übertragung der Rechte und Verpflichtungen des aufgelösten öffentlichen Unternehmens entweder auf den Staat oder auf die Einrichtung, die seine Aufgaben übernimmt, geregelt wird. Nach Kenntnis der Kommission wird in keinem Rechtstext ein Wegfall der Schulden festgestellt;

übertragen werden die „Rechte und Verpflichtungen“ (droits et obligations) wobei zu den Verpflichtungen auch die Schulden zählen. In einigen Texten wird der unschärfere Begriff „Vermögen“ (patrimoine) verwendet. Nach dem Rechtswörterbuch von Cornu (112) ist das Vermögen die „Gesamtheit der Vermögensgegenstände und Verpflichtungen einer Person (d. h. ihrer in Geld schätzbaren Rechte und Lasten)“, was auch die Schulden beinhalten würde. Selbst in dem einzigen gefundenen Beispiel für eine schlichte und einfache Auflösung eines öffentlichen Unternehmens ist von einer Übertragung der „Schulden“ die Rede;

auch bei einem Wegfall des Auftrags werden die Rechte und Verpflichtungen des Unternehmens in der Praxis von einer anderen Einrichtung übernommen;

die beschriebene Praxis steht im Einklang mit der kodifizierenden Anweisung Nr. 02-060-M95 vom 18. Juli 2002 und dem Leitfaden für die finanzielle Organisation bei Gründungen, Umwandlungen und Schließungen öffentlicher Unternehmen. Auch wenn diese Texte nur Einrichtungen mit staatlichem Rechnungsführer betreffen, was bei La Poste nicht der Fall ist, bestätigen sie dennoch die Lehre der Praxis, nämlich, dass die Rechte und Verpflichtungen eines abgewickelten EPIC entweder dem Staat zufallen oder der juristischen Person, die die Aufgaben des EPIC übernimmt.

(245)

Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass diese Analyse beweist, dass der Gläubiger eines solchen öffentlichen Unternehmens die Gewissheit hat, dass seine Forderung mit der Auflösung des Unternehmens nicht ausfallen wird.

(246)

Die Beweisführung wäre unvollständig, wenn nicht auch untersucht würde, ob der Nachfolger wie der Erbe im Privatrecht die Erbschaft ausschlagen kann, insbesondere bei zu hoher Schuldenlast. Dabei zeigt sich, dass die Möglichkeiten, ein „Erbe“ im Verwaltungsrecht auszuschlagen, sehr begrenzt sind.

(247)

S. Carpi-Petit (113) hierzu: „Im Gegensatz zum bürgerlichen Recht, das allen Erbberechtigten die Wahlmöglichkeit bietet, ist diese Wahlmöglichkeit bei der Nachfolge nach dem Verwaltungsrecht nicht grundsätzlich gegeben. Sie steht nur einigen Nachfolgeberechtigten in Abhängigkeit von der Art des Vorgangs offen. Übertragungen, die durch schlichte und einfache Schließungen bedingt werden, sind somit nicht fakultativ. Bei Übertragungen aufgrund einer Ersetzung ist der fakultative Charakter der Übertragung dagegen von der Präexistenz des ‚Erblassers‘ abhängig“. Im Hinblick auf schlichte und einfache Schließungen leitet S. Carpi-Petit aus ihrer umfassenden Studie Folgendes her: „Das Nichtbestehen einer Wahlmöglichkeit zugunsten des Staates gilt auch im Verwaltungsrecht. Dies beinhaltet, dass hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens des Wahlrechts die einfachste Annahme sicherlich die der Schließung eines öffentlichen Unternehmens ohne Übernahme der Aufgaben besteht. In diesem Fall ist der Nachfolger immer der Staat. Wenn er die vom geschlossenen öffentlichen Unternehmen hinterlassenen Vermögensgegenstände ausschlägt, sind diese zwangsläufig herrenlos, was ausgeschlossen ist. Im Übrigen ist es nicht möglich, die Lasten des ‚Erbes‘ gegen ein anderes Vermögen aufzurechnen. Bei einer schlichten und einfachen Schließung eines öffentlichen Unternehmens besteht somit keine Wahlmöglichkeit“.

(248)

Hinsichtlich einer Ersetzung des öffentlichen Unternehmens, das den Auftrag wahrnimmt „gibt es bei der Nachfolge nach dem Verwaltungsrecht zwei Arten der Ersetzung. Im ersten Fall wird die juristische Person, die die natürliche Person — den Erblasser — ersetzt, zu diesem Zweck gegründet. Sie ist somit der Gesamtrechtsnachfolger für die Hinterlassenschaft. Es scheint daher folgerichtig zu sein, ihr das Wahlrecht zu verweigern“.

(249)

Die Sachverständige der Kommission merkt an, dass man gegen diese Argumentation, da es sich um schlichte und einfache Schließungen öffentlicher Unternehmen wegen Wegfalls des Auftrags handelt, einwenden könnte, dass die Tatsache, dass es dem Staat nicht möglich ist, die Vermögensgegenstände auszuschlagen, nicht zwangsläufig bedeutet, dass es ihm nicht möglich ist, die Schulden auszuschlagen. Dass es nicht möglich ist, ein „Erbe“ auszuschlagen, scheint jedoch bei öffentlichen Unternehmen hauptsächlich auf dem öffentlich-rechtlichen Status zu beruhen und nicht auf dem Umstand, dass es nicht möglich ist, herrenlose Vermögensgegenstände zu hinterlassen.

(250)

Die Kommission schließt sich ihrer Sachverständigen an und gelangt zu dem Schluss, dass die Schulden öffentlicher Unternehmen bei einer Auflösung eines öffentlichen Unternehmens, das den Auftrag zuvor wahrnahm, in der Praxis fast immer auf eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts übertragen werden. Ein Gläubiger dieser öffentlichen Unternehmen, zu denen auch La Poste gehört, hat dadurch die Gewissheit, dass seine offenen Forderungen nicht erlöschen werden.

C.    Schlussfolgerungen zum Vorliegen einer Staatsbürgschaft für La Poste

(251)

Auf der Grundlage der beigebrachten Nachweise für das Vorliegen einer Bürgschaft für die Rückzahlung einzelner Forderungen und für den Fortbestand der Verpflichtungen von La Poste gelangt die Kommission zu dem folgenden Schluss:

die Gläubiger von La Poste stoßen nicht auf die üblichen Hindernisse, die im Privatrecht und im öffentlichen Recht einer Begleichung der Forderung entgegenstehen können;

zur Beitreibung ihrer Forderungen können die Gläubiger von La Poste besondere Verfahren in Anspruch nehmen, die den Staat berechtigen, die Schuldnereinrichtung zu zwingen, die Forderung zu bezahlen, und die es dem Staat ermöglichen, bei Bedarf zur Bezahlung der Forderung die Ressourcen von La Poste zu erhöhen;

das französische Recht gibt den Gläubigern von La Poste zu keiner Zeit zu verstehen, dass diese endgültig in eine Situation der Überschuldung geraten könnte;

die Haushaltsdokumente lassen erkennen, dass der Staat den Einrichtungen des öffentlichen Sektors, zu denen La Poste gehört, im Fall unzureichender Mittel einen außerordentlichen Zuschuss gewähren könnte;

wenn die beschriebenen Verfahren keine Befriedigung des Gläubigers ermöglichen, kann er den Staat in Haftung nehmen, um die vollständige Begleichung seiner Forderung zu erhalten;

auch wenn sich die in Betracht gezogenen Verfahren über längere Zeit hinziehen sollten, hat der Gläubiger die Gewissheit, dass seine Forderung selbst bei strukturellen Veränderungen bei La Poste nicht ausfallen wird.

(252)

Diese Besonderheiten sind untrennbar mit dem Status von La Poste als öffentliches Unternehmen verbunden.

(253)

Die beschriebenen Verfahren beinhalten, dass der Staat letztinstanzlich bürgt. Dies lässt den begründeten Schluss zu, dass La Poste aufgrund ihres Status als öffentliches Unternehmen über eine unbeschränkte Bürgschaft des französischen Staates verfügt.

(254)

Die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste beinhaltet eine Übertragung staatlicher Mittel im Sinne von Ziffer 2.1 der Bürgschaftsmitteilung von 2008 (114). La Poste zahlt für diese Bürgschaft keine Prämie, so dass der Staat auf die normalerweise mit Bürgschaften verbundenen Einnahmen verzichtet. Darüber hinaus erwächst aus der Bürgschaft eine potenzielle und zukünftige Gefahr der Inanspruchnahme staatlicher Mittel, da der Staat verpflichtet werden könnte, die Schulden von La Poste zu begleichen (115).

(255)

Schließlich ist die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste dem Staat zuzurechnen, weil sie auf einer Kombination aus dem öffentlich-rechtlichen Status von La Poste, aus den Grundsätzen des einzelstaatlichen Rechts und aus zwei Rechtakten, dem Gesetz vom 25. Januar 1985 (dem heutigen Code de commerce) und dem Gesetz vom 16. Juli 1980 sowie dessen Durchführungsbestimmungen beruht.

4.1.2.   VORLIEGEN EINES SELEKTIVEN VORTEILS

(256)

Die Bürgschaft ist ein Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung, durch das La Poste günstigere Finanzierungsbedingungen als bei einer Beurteilung anhand ihrer eigenen Leistungen erhält (a). Infolge der Unbeschränktheit der Bürgschaft kann die Höhe der marktüblichen Prämie, die La Poste an den Staat zahlen müsste, nicht berechnet werden, so dass die von den französischen Behörden vorgeschlagene Rückabtretungsmaßnahme nicht umsetzbar ist (b). Die günstigeren Finanzierungsbedingungen, die La Poste aufgrund der unbeschränkten Staatsbürgschaft erhält, stellen einen selektiven Vorteil dar (c).

a)   Die Bürgschaft ist ein Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung, durch das La Poste günstigere Finanzierungsbedingungen als bei einer Beurteilung anhand ihrer eigenen Leistungen erhält

1.   Finanzierungsbedingungen werden vor allem auf der Grundlage des Ratings festgelegt

(257)

Die Finanzierungsbedingungen werden vor allem auf der Grundlage des Ratings (116) festgelegt: Je mehr sich das Rating eines Unternehmens aufgrund eines gestiegenen Zahlungsunfähigkeitsrisikos verschlechtert, desto höhere Zinsen verlangt der Kapitalgeber. Umgekehrt erhält ein Unternehmen mit sehr geringem Zahlungsunfähigkeitsrisiko Kredite zu sehr günstigen Konditionen.

2.   Entgegen den Behauptungen der französischen Behörden sind die Ratingagenturen die Auffassung, dass die Bürgschaft ein Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung für La Poste ist, durch das diese ein besseres Rating als bei einer Bewertung anhand ihrer eigenen Leistungen erhält

i)   Als Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung für La Poste beeinflusst die Bürgschaft deren Rating

α)   Analysen der Ratingagenturen (117) zum Vorliegen einer staatlichen Bürgschaft für La Poste

(258)

In einer Studie vom 22. November 2004 über den Einfluss der Unterstützung des Staates auf die Ratings von Postunternehmen teilt Standard and Poor’s mit, dass der rechtliche Status von La Poste dieser eine letztinstanzliche staatliche Bürgschaft zusichere, so dass auch die Verpflichtungen von La Poste durch eine letztinstanzliche statutarische Bürgschaft der Französischen Republik abgesichert seien (118).

(259)

Am 3. April 2007 bestätigte die Ratingagentur Standard and Poor’s ihre Schlussfolgerung, der zufolge La Poste aufgrund ihres Status als öffentliches Unternehmen über eine letztinstanzliche Bürgschaft des französischen Staates verfügt, auch wenn diese Bürgschaft nicht sofort greife und nicht explizit sei, was sich im unterschiedlichen Rating der Französischen Republik und von La Poste widerspiegle (119).

(260)

Fitch, eine andere große Ratingagentur, wies am 31. März 2006 im Zusammenhang mit der Bestätigung des Ratings AAA von La Poste darauf hin, dass La Poste ein öffentliches Unternehmen sei, das über eine Bürgschaft des französischen Staats verfüge.

(261)

Fitch senkte das Rating von La Poste dennoch am 17. April 2008 auf AA ab und begründete diese Entscheidung damit, dass „der Status von La Poste als öffentliches Unternehmen es nicht mehr rechtfertigt, dass ihr Rating automatisch an das des Staates angeglichen wird“. Obwohl die Ratingagentur Fitch darauf hinweist, dass sie „das Bestehen einer impliziten Bürgschaft des Staates nicht voraussetzt“, behauptet sie dennoch, dass „die statutarische Verpflichtung des Staates, für die Verpflichtungen von La Poste aufzukommen, fortbesteht“. Hierzu erinnert die Kommission daran, dass es nach dem Unionsrecht unerheblich ist, ob die Verpflichtung des Staates, für die Verbindlichkeiten von La Poste aufzukommen, aus dem herrührt, was im innerstaatlichen Recht „Garantie“ oder „Bürgschaft“ (garantie) genannt wird, oder auf einer statutarischen Verpflichtung. Denn in beiden Fällen liegt eine Bürgschaft des Staates im Sinne des Unionsrechts vor (siehe Bürgschaftsmitteilung von 2008, in der erklärt wird, dass staatliche Garantien an die Rechtsform des Unternehmens geknüpft sein und eine Verlustübernahme durch den Staat beinhalten können (120)).

(262)

Am 4. September 2009 teilte Fitch Folgendes mit (121): „Wie jedoch bei der Herabsetzung des Ratings von LP von ‚AAA‘ auf ‚AA‘ im Jahr 2008 mitgeteilt hatte, erkennt Fitch das Bestehen einer impliziten Bürgschaft des Staates für LP im Hinblick auf deren Liquidität nicht an. Denn seit 2006 können Beihilfemechanismen des Staates nur in Anspruch genommen werden, wenn der Kapitalbedarf den europäischen Wettbewerbsvorschriften entspricht; der öffentlich-rechtliche Status von LP rechtfertigt daher nicht mehr, dass ihr Rating automatisch an das des Staates angeglichen wird. Der Zugang zu Vorschüssen der Staatskasse im Fall einer Liquiditätskrise ist somit nicht mehr sichergestellt, was bei Bedarf die staatliche Unterstützung erheblich verzögern kann“. Fitch vertritt somit die Auffassung, dass die Bürgschaft im Bereich der Liquidität seit 2006 nicht mehr in Anspruch genommen kann, weil sie gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstößt. Dies bestätigt, dass diese Agentur der Auffassung ist, dass vor diesem Datum eine solche Bürgschaft bestand und in Anspruch genommen werden konnte. Fitch misst dem Schreiben der Kommission vom 26. Februar 2006, mit dem diese Frankreich über ihre vorläufige Auffassung zum Vorliegen einer unbeschränkten staatlichen Bürgschaft informierte (122), maßgebliche Bedeutung bei. Allerdings berücksichtigt Fitch nicht, dass die Kommission die Bürgschaft in ihrem Schreiben als bestehende Beihilfe einstufte und dass das Schreiben vom 26. Februar 2006 nur eine vorläufige und nicht bindende Würdigung zum Vorliegen dieser Bürgschaft enthielt und eine Inanspruchnahme gegebenenfalls nicht verhindert hätte. Wenn es vor 2006 eine Bürgschaft gegeben hat, wurde somit mit dem Schreiben vom 26. Februar 2006 weder die Bürgschaft selbst noch die Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme hinfällig. Dies wäre nur durch eine Aufhebung der Bürgschaft durch Frankreich selbst oder durch die Kommission auf der Grundlage eines rechtsverbindlichen Akts möglich. Auch wenn Fitch irrtümlicherweise davon ausging, dass die Bürgschaft durch das Schreiben der Kommission hinfällig geworden sei, anerkennt diese Agentur dennoch weiterhin „das außergewöhnliche Maß an Unterstützung, auf das LP zugreifen kann, sowie die hohe Wahrscheinlichkeit, dass ihr diese Unterstützung bei Bedarf zuteil wird“.

β)   Als Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung für La Poste beeinflusst die Bürgschaft deren Rating

(263)

Die Untersuchung der Analysen und Methoden von Standard and Poor’s und Fitch ergibt, dass die Bürgschaft als Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung das Rating beeinflusst.

—   Standard and Poor’s (S & P) Ratingansätze

(264)

In der genannten Studie über den Einfluss der Unterstützung des Staats auf die Ratings der Postunternehmen führt die Agentur S & P aus, dass sie den Ratingansatz bei Postunternehmen anhand des geschätzten Maßes der staatlichen Unterstützung für dieses Unternehmen bestimme. S & P unterscheidet zwischen Postunternehmen, die staatliche Unterstützung erhalten (zum Beispiel die französische Post und die italienische Post), und solchen, die keinerlei Unterstützung vom Staat erhalten (zum Beispiel die Deutsche Post und TNT). Die Kategorie der Postunternehmen, die staatliche Unterstützung erhalten, gliedert S & P in drei Unterkategorien:

Unternehmen, deren Rating gleich dem des Staates als Aktionär ist: Zu dieser Kategorie gehören Unternehmen, die stark in die Regierungsmechanismen integriert sind und wahrscheinlich nicht privatisiert werden. In diese Kategorie wurde kein Postunternehmen eingestuft;

Unternehmen, deren Rating durch Herabstufung (um bis zu zwei Kategorien, d. h. 6 Notches) aus dem des Staates als Aktionär abgeleitet wird: Hierzu gehören Unternehmen, die zwar ihre Geschäfte selbständig führen, aber auf staatlicher Politik beruhende Einrichtungen sind und in erheblichem Maße direkte oder indirekte finanzielle Unterstützung erhalten, auch wenn im Hinblick darauf, wie schnell diese Unterstützung zuteil wird, ein hohes Maß an Ungewissheit besteht (123). La Poste wurde zumindest bis zur Veröffentlichung der Studie in diese Kategorie eingestuft;

Unternehmen, deren Rating auf den eigenen Leistungen des Unternehmens beruht und in Abhängigkeit von der Unterstützung des Staates heraufgestuft wird. Die Einstufung in diese dritte Kategorie setzt voraus, dass das Postunternehmen staatliche Unterstützung erhält, allerdings eher in Form von politischen Maßnahmen oder Regulierung oder einer möglichen Intervention in Notlagen als in Form einer regelmäßigen direkten finanziellen Subvention.

(265)

In dieser Studie führt die Agentur S & P aus, dass sie die Unterstützung des Staates für ein Postunternehmen (und somit den Ratingansatz für dieses Unternehmen und somit letzten Endes das Rating) anhand von vier Faktoren bewertet, die in der folgenden Reihenfolge angeführt werden: der Status des Unternehmens, die Wahrscheinlichkeit seiner Privatisierung, seine Führung und das Regulierungssystem. Im Hinblick auf den Status nennt S & P eben den Fall der französischen Post und betont dabei die „extrem starke“ Unterstützung des Staates und fügt direkt im Anschluss hinzu, dass La Poste über eine letztinstanzliche statutarische Bürgschaft der Französischen Republik verfüge (124).

(266)

S & P erklärt somit die „extrem starke“ Unterstützung des französischen Staates für La Poste mit dem Bestehen einer letztinstanzlichen statutarischen Bürgschaft. Aus dieser extrem starken Unterstützung folgert S & P, dass das Rating von La Poste anhand des Ratings der Französischen Republik bestimmt werden kann, wobei es um höchstens drei Kategorien, d. h. 6 Notches, herabgestuft werden kann. Das Rating von La Poste durch S & P lag tatsächlich trotz zunehmender Herabstufung nie um mehr als 4 Notches unter dem der Französischen Republik (die mit AAA bewertet ist) (125).

(267)

Die Kommission folgert aus den bisherigen Ausführungen, dass die staatliche Bürgschaft für La Poste ein grundlegendes Element bei der Bewertung durch S & P darstellt, der zufolge La Poste eine „extrem starke Unterstützung“ des Staates genießt. Eben aufgrund dieser „extrem starken“ Unterstützung wendet S & P nun aber bei La Poste den Top-Down- Ansatz an. Hätte S & P den Bottom-Up- Ansatz angewandt oder — schlimmer noch — das Rating aufgrund der staatlichen Unterstützung gar nicht heraufgesetzt, wie dies bei der Deutschen Post und TNT der Fall war, wäre La Poste schlechter bewertet worden als sie es derzeit ist. Denn in der Studie über den Einfluss der Unterstützung des Staates auf das Rating der Postunternehmen vertritt S & P die Auffassung dass die geschäftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Deutschen Post und von TNT besser als die von La Poste ist. Dennoch liegen die Ratings der Deutschen Post und von TNT, die in der Studie von S & P genannt werden, unter dem von La Poste. Wäre La Poste anhand ihrer eigenen Leistungen bewertet worden, wäre das Rating somit schlechter als es derzeit aufgrund der „extrem starken“ Unterstützung des Staates, welche S & P mit dem Bestehen der letztinstanzlichen statutarischen Bürgschaft erklärt, ist.

—   Letzte Ratings

(268)

In der Bewertung von La Poste vom 3. April 2007 erwähnt S & P unter den Faktoren, die beim Rating berücksichtigt worden seien, die Änderung der Kapitalstruktur, die eine Änderung des Status und den Verlust der Bürgschaft beinhaltet habe (126). S & P gibt an, die wahrscheinliche langfristige Änderung dieser drei Faktoren (Kapitalstruktur, rechtlicher Status und Bürgschaft) bereits zu berücksichtigen. Bis zu dieser Änderung wende S & P weiterhin den Top-Down- Ansatz an. Nun wurde aber im vorangehenden Abschnitt aufgezeigt, dass La Poste aufgrund dieses Ansatzes ein besseres Rating erhalten kann und erhält als bei einer Bewertung anhand ihrer eigenen Leistungen.

(269)

Die Kommission räumt dennoch ein, dass S & P in dieser Analyse vom 3. April 2007 betont, dass sich die Empfehlung der Kommission nicht auf das Rating von La Poste ausgewirkt habe, da nach Auffassung von S & P eine Änderung des Status von La Poste nicht zwangsläufig eine geringere Unterstützung des Staates widerspiegle, die ein Faktor beim Rating von La Poste sei, was auch in den jüngsten Regierungsbeschlüssen zum Ausdruck gekommen sei (127). Die Kommission stellt fest, dass von S & P neben der Bürgschaft weitere Faktoren berücksichtigt werden, wenn diese zu dem Ergebnis kommt, dass La Poste starke staatliche Unterstützung genießt, die einen Top-Down- Ansatz rechtfertigt. Diese Faktoren können den Druck, der auf dem Status von La Poste lastet und der dazu führt, dass S & P bereits im Vorfeld eine Änderung des Status und ein langfristiges Entfallen der Bürgschaft berücksichtigt, aufwiegen. Dennoch betrachtet S & P die Bürgschaft als Schlüsselelement der staatlichen Unterstützung, was das Rating beeinflusst.

(270)

In ihrer Bewertung vom 21. Januar 2009, nach der Ankündigung eines Gesetzesentwurfs zur Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft durch den französischen Staatspräsidenten vom 18. Dezember 2008, stufte die Ratingagentur S & P La Poste auf A + mit negativem Ausblick herab. Der negative Ausblick wurde mit der wahrscheinlichen Änderung des rechtlichen Status und der Eigentumsstruktur des Unternehmens in den nächsten beiden Jahren begründet (128). Nach Auffassung von S & P könnten diese Maßnahmen die Möglichkeiten des Staates, dem Unternehmen bei Bedarf außerordentliche Unterstützung bereitzustellen, einschränken. Auch hier wurde der Status, mit dem die Bürgschaft verknüpft ist, als Zeichen der starken Unterstützung des Staates für La Poste angeführt.

—   Ratings der Agentur Fitch

(271)

Fitch begründete das Rating AAA, das La Poste bis zum 17. April 2008 hatte, damit, dass La Poste eine öffentliche Gruppe sei, die über eine Bürgschaft des französischen Staates verfüge.

(272)

Am 4. Oktober 2006, als die Kommission Frankreich empfahl, die unbeschränkte Bürgschaft, über die La Poste als juristische Person des öffentliche Rechts verfügt, aufzuheben, stufte Fitch das Rating (von AAA stabil auf AAA negativ) mit der Begründung herab, dass „die Empfehlung der Europäischen Kommission als erstes Anzeichen für Druck auf den rechtlichen Status von La Poste und somit auf ihr Rating“auszulegen sei. Diese Herabstufung des Ratings sowie die Begründung dafür von Fitch veranschaulichen den Zusammenhang zwischen dem Status von La Poste und der ihr gewährten Bürgschaft einerseits und dem Rating durch Fitch andererseits.

(273)

Am 17. April 2008 stufte Fitch das Rating auf AA herab. Fitch folgt jedoch weiterhin dem Top-Down- Ansatz und begründet dies mit der Zugehörigkeit von La Poste zum öffentlichen Sektor. Wie bereits angegeben, gründet die Agentur Fitch ihre Entscheidung darauf, dass „der Status von La Poste als öffentliches Unternehmen nicht mehr rechtfertigt, dass ihr Rating automatisch an das des Staates angeglichen wird.“ Fitch legt dar, dass das Rating von La Poste künftig auf den Beziehungen zwischen der Muttergesellschaft, in diesem Fall dem Staat, und der Tochtergesellschaft La Poste beruhen werde. Fitch folgt nun ebenfalls dem Top-Down- Ansatz, d. h. das Rating von La Poste entspricht nicht mehr dem des Staates, sondern wird unter Berücksichtigung der starken Unterstützung des Staates für La Poste, deren Schlüsselelement die statutarische Verpflichtung ist, die Verbindlichkeiten von La Poste zu übernehmen, aus dem Rating des Staates und nicht nur aus der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens abgeleitet. Dieser Ansatz sowie das Rating wurden am 4. September 2009 bestätigt.

—   Schlussfolgerung

(274)

Ausgehend von den bisherigen Ausführungen gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die letztinstanzliche statutarische Bürgschaft des Staates für La Poste von Fitch — zumindest bis 2008 — und von S & P als Schlüsselelement der Unterstützung des Staates für La Poste betrachtet wird. Nun haben diese Ratingagenturen aber eben aufgrund dieser Unterstützung einen Top-Down- Ansatz gewählt, der dazu geführt hat, dass La Poste höher bewertet wurde, als wenn sie anhand ihrer eigenen Leistungen bewertet worden wäre. Die Kommission vertritt daher die Auffassung, dass die Bürgschaft, wenn auch nicht das einzige, so doch ein maßgebliches Element des Ratings von La Poste darstellt. Da nun aber Fitch und S & P zwei wichtige Ratingagenturen sind und ihr Rating vom Markt bei der Entscheidung über die Finanzierung für ein bestimmtes Unternehmen nachweislich berücksichtigt wird, kann ein Rating dieser Agenturen (durch eine oder beide), das besser ist, als es ohne die Bürgschaft gewesen wäre, La Poste einen Vorteil verschaffen, den sie unter marktüblichen Bedingungen nicht erhalten hätte.

ii)   Widerlegung des Vorbringens der französischen Behörden

α)   Dass das Vorliegen einer impliziten Bürgschaft beim Rating der den Bestimmungen des Gesetzes von 1980 unterliegenden Unternehmen wesentlich ist, wird durch die Feststellung, dass diese Unternehmen schlechter als der Staat bewertet sind, nicht widerlegt

(275)

Die französischen Behörden bestreiten die wirtschaftlichen Auswirkungen der Bestimmungen des 16. Juli 1980 und begründen dies damit, dass, wenn diese Bestimmungen von den Ratingagenturen dahingehend ausgelegt worden wären, dass damit zugunsten der Gläubiger der betreffenden juristischen Personen ein einer Staatsbürgschaft gleichzustellender Mechanismus eingerichtet würde, nicht nachvollziehbar sei, dass Gebietskörperschaften mit BBB + oder AA- bewertet werden könnten. Zudem könnten die französischen Behörden nicht nachvollziehen, warum das Rating von La Poste, wenn diese über eine Staatsbürgschaft verfügt haben soll, schlechter als das des Staates gewesen sei (129).

(276)

Hierzu verweist die Kommission auf die Studie von S & P vom 22. November 2004 über den Einfluss der Unterstützung des Staates auf das Rating von Postunternehmen, auf die Studie vom 14. Juni 2006 über das Rating von regierungszugehörigen Einrichtungen (130) und auf die Studie von 2007 über La Poste. Nach diesen Studien wird das Rating eines Unternehmens, das vom Staat stark unterstützt wird, aus dem Rating des Staates abgeleitet; es kann jedoch um zwei Kategorien (oder 6 Notches) herabgestuft werden, da sich die finanziellen Beziehungen zwischen diesem Unternehmen und dem Staat mittel- oder langfristig ändern können (131). Das schlechtere Rating von La Poste im Vergleich zum Staat lässt sich somit damit erklären, dass S & P frühzeitig einen Rückgang der staatlichen Unterstützung berücksichtigt, was zeigt, dass die Unterstützung des Staates, deren Schlüsselelement die Bürgschaft ist, es la Poste ermöglicht, ein besseres Rating zu erhalten als sie sonst erhalten hätte.

(277)

S & P ergänzt, dass La Poste im Jahr 1991 ein unabhängiges Unternehmen des öffentlichen Rechts mit dem Status des „Etablissement public“ geworden sei, der La Poste eine letztinstanzliche Bürgschaft des Staates für ihre Verpflichtungen zusichere, aber keine sofortige und explizite Bürgschaft, was sich im unterschiedlichen Rating von La Poste und der Französischen Republik widerspiegle (132). Obwohl die Ratingagentur S & P das Rating von La Poste im Vergleich zu dem Staats herabstuft, ist sie somit sehr wohl der Ansicht, dass La Poste aufgrund ihres Status als öffentliches Unternehmen über eine implizite Bürgschaft des Staats verfügt, und dies hat einen direkten Einfluss auf den verwendeten Ratingansatz.

(278)

Diese Gründe erklären, warum S & P beschlossen hat, La Poste und den Staat unterschiedlich zu bewerten. Die Kommission ist jedoch nicht verpflichtet, zur Analyse der Gründe für das unterschiedliche Rating von Staat und Gebietskörperschaften Stellung zu beziehen, da diese Frage im Rahmen dieses Beschlusses nicht zu untersuchen ist.

β)   Die französischen Behörden ziehen falsche Schlüsse, weil sie nicht auf „sonst gleiche Bedingungen“ abstellen

(279)

Nach Auffassung der französischen Behörden beruhen die Analysen der Ratingagenturen nicht auf einer rechtlichen Analyse, sondern auf einer subjektiven Einschätzung einer möglichen Unterstützung des Staates bei Schwierigkeiten von La Poste. Zur Stützung dieser Behauptung verweist Frankreich auf die Analyse von S & P vom 3. April 2007. Wie bereits erwähnt, teilt S & P darin mit, dass das Rating von La Poste nach der Ankündigung der Kommission, eine Empfehlung zur Aufhebung der Bürgschaft abzugeben, nicht geändert worden sei, weil nach Auffassung von S & P eine Änderung des Status von La Poste nicht zwangsläufig eine geringere Unterstützung des Staates, die dem Rating von La Poste zugrunde liege, widerspiegle, was durch die jüngsten Regierungsbeschlüsse bestätigt worden sei (133).

(280)

Die Kommission anerkennt, dass S & P neben der Bürgschaft weitere Faktoren berücksichtigt, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt, dass La Poste eine starke staatliche Unterstützung gewährt wird, die einen Top-Down- Ansatz rechtfertigt. Im vorliegenden Fall haben die jüngsten Regierungsbeschlüsse, d. h. insbesondere die Entschließung zur Finanzierung der Ruhegehälter, die Beibehaltung der reservierten Postdienste, die Unterstützung beim Vertrieb des Sparbuchs A (livret A) und die Anhebung der Posttarife (die im Übrigen ebenfalls hoheitliche Akte, wenn nicht sogar staatliche Beihilfen sind), die Auswirkungen der Empfehlung der Kommission aufwiegen können. Dies bedeutet nicht, dass die Empfehlung der Kommission und ganz allgemein das Drängen auf eine Änderung des Status von La Poste und somit der Druck auf die Bürgschaft von den Ratingagenturen nicht berücksichtigt wurden. Dieser Druck wird natürlich berücksichtigt und als Nachlassen einer möglichen staatlichen Unterstützung für La Poste gewertet und beeinflusst somit das Rating. Das ist im Übrigen der Grund dafür, dass Fitch am 4. Oktober 2006, als die Kommission Frankreich aufforderte, die unbeschränkte Bürgschaft, über die La Poste als juristische Person des öffentliche Rechts verfügt, aufzuheben, das Rating (von AAA stabil auf AAA negativ) mit der Begründung herabstufte, dass „die Empfehlung der Europäischen Kommission als erstes Anzeichen für Druck auf den rechtlichen Status von La Poste und somit auf ihr Rating“ auszulegen sei, was bestätigt, dass der rechtliche Status ein Schlüsselelement ist.

(281)

Als Beispiel dafür, dass auf „sonst gleiche Bedingungen“ abgestellt werden muss, erinnert die Kommission daran, dass S & P in der Meldung von 2007 auch darauf hingewiesen hat, dass eine Änderung der Eigentumsstruktur von La Poste (und somit ein Verlust der Bürgschaft) zu einer Änderung des Ratingansatzes führen würde, dass sich das Rating von La Poste dadurch aber angesichts der erwarteten Besserung der Situation von La Poste in den kommenden Jahren nicht zwangsläufig ändern würde (134). Dies scheint zu bestätigen, dass La Poste ohne diesen Status ihre eigene Situation verbessern muss, um das Rating zu halten. Sollte die eigene Situation von La Poste dagegen konstant bleiben, dürfte die nachlassende Unterstützung des Staates für La Poste zur Herabstufung führen (135).

γ)   Das Vorbringen der französischen Behörde, mit dem bewiesen werden soll, dass der Status von La Poste und die damit verbundene Bürgschaft nicht die einzigen Faktoren sind, die von Ratingagenturen berücksichtigt werden, entkräftet die Beweisführung der Kommission nicht

(282)

Die meisten Äußerungen der französischen Behörden, mit denen aufgezeigt werden soll, dass die Bürgschaft „keine Auswirkungen auf das Rating von La Poste“ hat (136), beweisen lediglich, dass die Bürgschaft nicht der einzige Faktor ist, der von den Ratingagenturen berücksichtigt wird. Dies erkennt die Kommission an; allerdings wird dadurch nicht widerlegt, dass die Bürgschaft von den Ratingagenturen bei der Bewertung der Postunternehmen berücksichtigt wird. Im Übrigen stellen die französischen Behörden nicht auf sonst gleiche Bedingungen ab.

—   Vorbringen der französischen Behörden im Zusammenhang mit den Unterlagen der Agenturen über das Rating der Postunternehmen

(283)

Die französischen Behörden untersuchen die Methoden der Ratingagenturen anhand der Studie von S & P über den Einfluss der Unterstützung des Staates auf das Rating der Postunternehmen (137). Sie betonen, dass nach der von S & P beschriebenen Klassifikation bei der Einstufung in die Kategorie 1 eine Vielzahl von Kriterien berücksichtigt werde, dass aber nicht auf den Status des bewerteten Unternehmens verwiesen werde. Die französischen Behörden folgern daraus, dass der Status für die Ratingagenturen kein wichtiger Bewertungsfaktor ist.

(284)

Die Kommission bestreitet dies und weist darauf hin, dass S & P den Status der Unternehmen ganz eindeutig als eines der Schlüsselelemente bei der Bewertung des Maßes an staatlicher Unterstützung bezeichnet (siehe Erwägungen 264 bis 267 zur Methode von S & P).

(285)

Im Übrigen betonen die französischen Behörden, dass die italienische Post von S & P in die gleiche Kategorie wie La Poste eingestuft worden sei, obwohl Poste Italiane privatrechtlichen Status habe und die finanzielle Leistungsfähigkeit eine Einstufung in diese Kategorie nicht rechtfertigen würde (138).

(286)

Die Feststellung, dass ein privatrechtliches Postunternehmen, in diesem Fall Poste Italiane, von einer Ratingagentur als Unternehmen angesehen wird, dem starke staatliche Unterstützung zuteil wird, und in die gleiche Kategorie wie La Poste eingestuft wird, entkräftet die Beweisführung der Kommission im Hinblick darauf, dass das Vorliegen einer auf dem Status von La Poste beruhenden Bürgschaft von den Ratingagenturen berücksichtigt wird, nicht. Postunternehmen wie Poste Italiane können durchaus in die gleiche Kategorie wie La Poste eingestuft werden können, ohne über eine Bürgschaft zu verfügen, wenn andere Faktoren bestätigen, dass sie ebenfalls in hohem Maße staatliche Unterstützung erhalten. Um aufzuzeigen, dass die Bürgschaft keinen Einfluss auf das Rating hat, hätte nachgewiesen werden müssen, dass Poste Italiane und La Poste hinsichtlich der verschiedenen Faktoren, die von Ratingagenturen bei der Einschätzung der staatlichen Unterstützung berücksichtigt werden, in einer vergleichbaren Lage sind und dass der einzige Unterschied zwischen den beiden Unternehmen in dem Vorliegen einer Bürgschaft für La Poste besteht. Denn damit der Vergleich einen Sinn hat, muss bewiesen werden, dass „sonst alle Bedingungen gleich sind“, was die französischen Behörden nicht getan haben.

(287)

Selbst wenn die französischen Behörden nachgewiesen hätten, dass Poste Italiane und La Poste — bis auf die bestehende Bürgschaft für die französische Post — in einer absolut vergleichbaren Situation sind (was nicht nachgewiesen wurde), ist zudem festzustellen, dass S & P das Maß an Unterstützung des italienischen bzw. des französischen Staats für ihre jeweiligen Postunternehmen unterschiedlich bewertet. So vertritt die Agentur S & P die Auffassung, dass die potenzielle Unterstützung des italienischen Staates für Poste Italiane „stark“ ist, während sie die Unterstützung des französischen Staats für La Poste als „extrem stark“ ansieht (139). Die Kommission schließt nicht aus, dass bei dieser unterschiedlichen Einschätzung auch der Einfluss der Bürgschaft eine Rolle spielt, auf die S & P in derselben Studie direkt im Anschluss an die Aussage, La Poste genieße eine extrem starke Unterstützung, hinweist (140). In jedem Fall kann nicht auf die Gründe geschlossen werden, aus denen Poste Italiane zu einem bestimmten Zeitpunkt in die gleiche Kategorie wie La Poste eingestuft wurde. Denn zum einen bezieht sich dieses Verfahren nicht auf diese Gründe. Und zum anderen lässt die Vielzahl der Faktoren, die von Ratingagenturen bei der Bewertung berücksichtigt werden müssen, keinen Schluss auf die spezifischen Auswirkungen des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens einer letztinstanzlichen statutarischen Bürgschaft auf das Rating zu.

—   Vorbringen der französischen Behörden im Zusammenhang mit den Ratings privatwirtschaftlicher Unternehmen

(288)

Den französischen Behörden gibt es in der „Privatwirtschaft zuhauf Fälle, in denen das Rating einer Tochtergesellschaft an das der Muttergesellschaft gekoppelt ist“. Sie folgern daraus, dass dieser Ansatz keine Besonderheit des öffentlichen-rechtlichen Status darstelle.

(289)

Die Kommission bestreitet nicht, dass das Rating einer Tochtergesellschaft auch in der Privatwirtschaft an das der Muttergesellschaft und insbesondere an das geschätzte Maß an Unterstützung, das die Muttergesellschaft ihrer Tochter zu gewähren bereit ist und das sich eventuell in Bürgschaftsverpflichtungen äußern kann, gekoppelt ist. Durch dieses Vorbringen wird die Analyse der Kommission nur bestätigt. Denn es zeigt, dass der Status des öffentlichen Unternehmens und die darauf beruhende Bürgschaft ein Hinweis auf die staatliche Unterstützung sind, der von den Agenturen beim Rating von La Poste berücksichtigt wurde.

—   Vorbringen der französischen Behörden im Zusammenhang mit dem Rating von La Poste

(290)

Die französischen Behörden betonen weiter, dass das Rating von La Poste von S & P im Jahr 2005 auf AA- mit stabilem Ausblick herabgestuft worden sei, obwohl sich der Status nicht geändert habe. Die französischen Behörden folgern daraus, dass das Rating von La Poste keine Folge ihres Status sei (141). Die französischen Behörden weisen weiter darauf hin, dass S & P das Rating in ihrer Meldung vom 3. April 2007 über La Poste mit der wirtschaftlichen Bedeutung der öffentlichen Aufgaben und dem „strong shareholding backing“ und nicht mit dem Status begründet habe (142).

(291)

Die Kommission weist nochmals darauf hin, dass sie anerkennt, dass das Vorliegen einer Bürgschaft nicht der einzige Faktor ist, den Ratingagenturen berücksichtigen, wenn sie das Maß an Unterstützung einschätzen, das die öffentliche Hand einem Unternehmen in Schwierigkeiten zu gewähren bereit ist. Anhand der Studie von S & P über den Einfluss der Unterstützung des Staates auf die Ratings der Postunternehmen (143) hat die Kommission jedoch aufgezeigt, dass eine bestehende Bürgschaft von Ratingagenturen als Schlüsselelement der Unterstützung des Staates für La Poste berücksichtigt wird.

(292)

Im Hinblick hierauf bestreitet die Kommission die Auffassung der französischen Behörden, der von S & P in der Meldung vom 3. April 2007 angeführte „strong shareholder backing“ habe nichts mit dem öffentlich-rechtlichen Status und der Bürgschaft zu tun. Denn aus der Studie über den Einfluss der Unterstützung des Staates auf das Rating der Postunternehmen geht hervor, dass der Status und die Bürgschaft bei der Einschätzung der Unterstützung des Staates für La Poste Schlüsselelemente sind.

(293)

Die Kommission bestreitet auch die Auslegung der Meldung von April 2007 durch die französischen Behörden, der zufolge S & P den Top-Down- Ansatz einzig aufgrund der Annahme gewählt habe, dass der Staat mittelfristig Alleinaktionär von La Poste bleiben dürfte, und nicht aufgrund des öffentlich-rechtlichen Status von La Poste und der mit diesem Status verbundenen Bürgschaft. Die Kommission erinnert daran, dass eine „wahrscheinliche künftige Änderung der Kapitalstruktur“, die S & P zufolge zu einem Verlust des Status als öffentliches Unternehmen und der mit diesem Status verbundenen Bürgschaft führen würde, von S & P bei ihrem Rating ausdrücklich berücksichtigt wurde (144). Somit ist klar, dass für S & P nicht nur die Änderung der Kapitalstruktur erheblich ist, sondern auch die damit verbundenen Konsequenzen (Verlust des öffentlich-rechtlichen Status und der Bürgschaft), wobei die Änderung der Kapitalstruktur den größten Schritt in Richtung der Unabhängigkeit von La Poste vom Staat darstellt.

3.   Von La Poste tatsächlich erhaltene Finanzierungsbedingungen

(294)

Die französischen Behörden bringen vor, dass die Ankündigung des Vorliegens der Bürgschaft und ihrer baldigen Aufhebung durch die Kommission keine Auswirkungen auf die Finanzierungsbedingungen von La Poste gehabt hätten. Tatsächlich habe diese bei der Emission einer Obligationsanleihe im Oktober 2006, unmittelbar nach der Ankündigung der Kommission, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, einen Spread von 12 Basispunkten über Mid Swap  (145) bei der 15-jährigen Anleihe und von 4 Basispunkten über Mid Swap bei der 7-jährigen Anleihe erhalten. Die vorangehende Emission einer 15-jährigen Anleihe im Jahr 2004 habe nun aber einen Spread von 8 Basispunkten über Mid Swap ergeben. Die französischen Behörden folgern daraus, dass die Finanzierungsbedingungen von La Poste nicht auf dem rechtlichen oder tatsächlichen Bestehen einer Bürgschaft beruhen.

(295)

Nach Auffassung der Kommission ist die Schlussfolgerung der französischen Behörden, die Ankündigung der Kommission habe sich nicht auf die Finanzierungsbedingungen ausgewirkt, unrichtig, da im Gegenteil eine Verschlechterung des Spread von 8 auf 12 Punkte festzustellen ist.

(296)

Und selbst wenn sich der Spread verringert hätte, was nicht der Fall ist, zweifelt die Kommission an den Schlussfolgerungen, die man daraus auf den Einfluss der Ankündigung der Kommission auf die Finanzierungskosten von La Poste ziehen könnte, da Anleger noch andere Faktoren berücksichtigen wie beispielsweise die finanzielle Struktur von La Poste, die sich in der Zeit von 2004 bis 2006 geändert haben kann.

(297)

Selbst bei gleichen oder unwesentlich geänderten Finanzierungsbedingungen vor und nach der Ankündigung der Kommission würde dies im Übrigen nicht beweisen, dass die Bürgschaft die Finanzierungsbedingungen nicht beeinflusst hat. Denn zum Zeitpunkt der von den französischen Behörden genannten Emission war die Bürgschaft für La Poste bereits als bestehende Beihilfe eingestuft. Sie blieb somit gültig und galt auch für die Emissionen. Erst von dem vorliegenden Beschluss zur Aufhebung festgelegten Zeitpunkt an wird die Bürgschaft gegebenenfalls eine rechtswidrige Beihilfe.

(298)

Da die Kommission bewiesen hat, dass die auf dem Status von La Poste beruhende Bürgschaft dieser infolge des positiven Einflusses auf ihr Rating einen Vorteil verschaffen kann, vertritt sie schließlich die Auffassung, dass sie die konkreten Auswirkungen dieser Bürgschaft in der Vergangenheit nicht zu beweisen braucht. Denn nach der ständigen Rechtsprechung zu Beihilferegelungen muss die Kommission die tatsächlichen Auswirkungen der Beihilfen nicht darlegen, da sonst diejenigen Mitgliedstaaten, die Beihilfen nicht anmelden, zulasten derjenigen, die Beihilfen anmelden, begünstigt werden (146). Ansonsten würde einem Mitgliedstaat, der eine unbeschränkte Bürgschaft anmeldet, die Maßnahme nur wegen deren möglichen Auswirkungen verboten, während ein Mitgliedstaat, der sie nicht angemeldet hat, sich verteidigen könnte und dabei darlegen könnte, dass die Bürgschaft dem Begünstigten keine konkreten Vorteile verschafft hat. Weiterhin muss die Kommission wie bei neuen Maßnahmen die Vereinbarkeit der bestehenden Maßnahmen mit dem Vertrag für die Zukunft prüfen und nicht unbedingt darlegen, dass die Maßnahme in der Vergangenheit mit dem Vertrag unvereinbare Auswirkungen hatte (147). Im Übrigen ist es der Kommission nicht möglich, die Rückforderung der eventuell aufgrund bestehender Beihilfen gewährten Vorteile anzuordnen. Infolgedessen ist auch eine Darlegung der konkreten Auswirkungen der Bürgschaft auf die Finanzierungsbedingungen nicht erforderlich.

b)   Angesichts der Unbeschränktheit der Bürgschaft kann die Höhe der marktüblichen Prämie, die La Poste an den Staat zahlen müsste, nicht berechnet werden, so dass die von den französischen Behörden vorgeschlagene Rückabtretungsmaßnahme nicht umsetzbar ist

(299)

Auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die Bürgschaft für La Poste in Bezug auf Dauer, Höhe und Umfang unbeschränkt ist und unentgeltlich gewährt wird. Zudem deckt sie über den Postuniversaldienst hinaus auch wettbewerbsbestimmte Tätigkeiten ab. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass es aufgrund der Unbeschränktheit der Staatsbürgschaft für La Poste und gemäß der Entscheidungspraxis der Kommission (148) nicht möglich ist, die Höhe der marktüblichen Prämie zu berechnen, die La Poste für die Gewährung dieser unbeschränkten Bürgschaft an den Staat zahlen müsste. Denn bei jeder Bürgschaft wird die Beihilfe bei Übernahme der Bürgschaft gewährt. Im Fall einer unbeschränkten Bürgschaft, die potenziell die gesamte Schuldenlast des Unternehmens auf unbestimmte Zeit decken kann, kann jedoch die Höhe der Beihilfe zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme nicht bestimmt und somit keine angemessene marktübliche Prämie berechnet werden (149). Die von den französischen Behörden vorgeschlagene Rückabtretungsmaßnahme ist daher nicht umsetzbar.

c)   Die günstigeren Finanzierungsbedingungen, die La Poste aufgrund der unbeschränkten Staatsbürgschaft erhält, stellen einen selektiven Vorteil dar

(300)

Der Vorteil ist selektiv, weil er den Wettbewerbern von La Poste nicht gewährt wird, denn die Wettbewerber von La Poste unterliegen den gerichtlichen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren und verfügen über keine mit dem Status als öffentliches Unternehmen verbundene unbeschränkte Staatsbürgschaft.

4.1.3.   VERZERRUNG DES WETTBEWERBS UND BEEINTRÄCHTIGUNG DES HANDELS

(301)

Die geprüfte Maßnahme kann zu einer Senkung der Betriebskosten von La Poste führen und somit durch die Begünstigung von La Poste den Wettbewerb im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV verfälschen. Da zudem die Bereiche, in denen La Poste tätig ist, insbesondere die Zustellung von Paketen, Postwurfsendungen und Briefen, deren Zustellung nicht La Poste vorbehalten ist, in hohem Maße für den innergemeinschaftlichen Handel geöffnet sind, könnten sich solche Maßnahmen nachteilig auf Unternehmen auswirken, die eine ähnliche Tätigkeit in Frankreich aufgenommen haben oder aufnehmen wollen. In Anwendung der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität, geändert durch die Richtlinien 2002/39/EG und 2008/6/EG (150) (nachstehend „Postrichtlinie“ genannt), müssen in Frankreich alle Postdienste spätestens am 1. Januar 2011 liberalisiert sein. Unter diesen Umständen kann eine unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste im Sinne von Artikel 107 Artikel 1 AEUV den Wettbewerb verfälschen und den Handel beeinträchtigen.

4.1.4.   SCHLUSSFOLGERUNGEN ZUM BEIHILFECHARAKTER DER MASSNAHME

(302)

Die staatliche Bürgschaft, über die La Poste aufgrund ihres Status als öffentliches Unternehmen verfügt, wird aus staatlichen Mitteln gewährt und ist somit eine Maßnahme, die durch die Begünstigung von La Poste den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt. Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass diese Bürgschaft eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt.

4.2.   VEREINBARKEIT

(303)

Da die Maßnahme in den Anwendungsbereich von Artikel 107 Absatz 1 AEUV fällt, muss geprüft werden, ob diese Maßnahme von der Kommission aufgrund der in Artikel 107 Absätze 2 und 3 und Artikel 106 Absatz 2 AEUV vorgesehenen Ausnahmen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden kann.

(304)

Die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste erfüllt keine der Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmen gemäß Artikel 107 Absatz 2 AEUV, da mit der geprüften Maßnahme keiner der darin genannten Zwecke verfolgt wird.

(305)

Nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe a AEUV können Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht, als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Da die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste eine nach freiem Ermessen gewährte Einzelbeihilfe ist, keine regionalen Zielsetzungen verfolgt, unbefristet ist, an keine Investition geknüpft ist und nicht degressiv ist, fällt sie nicht unter die in Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe a AEUV vorgesehene Ausnahmeregelung.

(306)

Was die in Artikel 107 Absatz 3 Buchstaben b und d AEUV vorgesehene Ausnahmeregelungen anbelangt, dient die in Rede stehende Beihilfe nicht der Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse oder der Behebung einer beträchtlichen Störung des Wirtschaftslebens Frankreichs. Auch dient die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste nicht der Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes.

(307)

Nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV können Beihilfen zur Förderung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, sofern sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste betrifft weder eine Investition noch die Schaffung von Arbeitsplätzen und stellt infolgedessen eine nicht an Bedingungen geknüpfte Betriebsbeihilfe dar. Gemäß ihrer Entscheidungspraxis kann die Kommission eine solche Beihilfe nicht als Beihilfe zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete ansehen.

(308)

Schließlich kann die unbeschränkte Staatsbürgschaft für La Poste nicht auf der Grundlage von Artikel 106 Absatz 2 AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Diese Ausnahmeregelung sieht vor, dass für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, die Vorschriften des Vertrags und insbesondere die Wettbewerbsregeln gelten, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Union zuwiderläuft.

(309)

Gemäß den französischen Rechtsvorschriften ist La Poste mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betraut. In diesem Rahmen könnte das Postunternehmen einen finanziellen Ausgleich erhalten oder bestimmte Befugnisse genießen, mit denen von bestimmten allgemein geltenden Rechtsvorschriften abgewichen wird. Diese finanziellen Maßnahmen oder Befugnisse müssen jedoch auf das zum Ausgleich der zusätzlichen Kosten von La Poste im Rahmen der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen notwendige Maß begrenzt sein.

(310)

Der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden, legt fest, unter welchen Bedingungen die Kommission einen solchen Ausgleich als mit Artikel 106 Absatz 2 AEUV vereinbar ansieht. Unter anderem darf der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu decken.

(311)

Im vorliegenden Fall würde eine solche Analyse eine Bewertung der unbeschränkten staatlichen Bürgschaft für La Poste voraussetzen, mit der nachgeprüft werden müsste, dass der Wert der Bürgschaft die reinen Kosten für die Erbringung des Postuniversaldienstes nicht überschreitet. Da diese Bürgschaft jedoch unbeschränkt ist, ist eine solche Analyse nicht möglich, so dass die Anwendung der in Artikel 106 Absatz 2 AEUV vorgesehenen Ausnahmeregelung ausgeschlossen ist.

(312)

Selbst wenn eine solche Bewertung möglich wäre, dürfte der Ausgleich zudem nur für die unter den Postuniversaldienst fallenden Tätigkeiten gewährt werden. In ihrer derzeitigen Form gilt die unbeschränkte Staatsbürgschaft jedoch für alle Tätigkeiten von La Poste und somit auch für diejenigen, die nicht zum Auftrag des Postuniversaldienstes gehören.

(313)

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Entwicklung des Handelsverkehrs dadurch in einem dem Interesse der Union zuwiderlaufenden Ausmaß beeinträchtigt wird.

(314)

Zudem hat Frankreich keine Fakten geltend gemacht, die die Vereinbarkeit der Beihilfe mit Artikel 107 Absatz 2 oder 3 oder mit Artikel 106 Absatz 2 AEUV beweisen, sondern es dabei bewenden lassen, das Bestehen der Bürgschaft zu bestreiten. Frankreich hat die Vereinbarkeit der Beihilfe somit nicht nachgewiesen, obwohl die Beweislast gemäß der Rechtsprechung Frankreich obliegt.

(315)

Abschließend ist die in Rede stehende Beihilfe selbst mit den Änderungen durch die Vorschläge der französischen Behörden zur Klärung der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz von 1980 und selbst bei Aufnahme einer haftungsbeschränkenden Klausel in die eine Forderung beinhaltenden Verträge von La Poste eine bestehende staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 659/1999, und gemäß der Entscheidungspraxis der Kommission im Bereich unbeschränkter Staatsbürgschaften für Unternehmen, die wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben (151), erfüllt diese Beihilfe keine der Voraussetzungen für die Anwendung der im AEUV vorgesehenen Ausnahmeregelungen. Infolgedessen ist die unbeschränkte Staatsbürgschaft nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

4.3.   NEUTRALITÄT HINSICHTLICH DER EIGENTUMSORDNUNG

(316)

Mit dieser Schlussfolgerung stellt die Kommission weder die Zugehörigkeit von La Poste zum Staat noch den Status als juristische Person des öffentlichen Rechts als solchen infrage. Die Kommission hält ganz einfach die Bürgschaft für La Poste, die sich nach derzeitigem Stand des französischen Rechts aus diesem Status ergibt, für problematisch.

(317)

Nach Artikel 345 AEUV lässt die Union die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten unberührt. Zudem hindert der Vertrag den Staat nicht daran, Unternehmen (ganz oder teilweise) zu besitzen. Andererseits müssen die Wettbewerbsregeln in gleicher Weise auf öffentliche wie auf private Unternehmen angewandt werden. Keine dieser Unternehmensgruppen darf durch die Anwendung der Regeln des Vertrags bevorzugt oder benachteiligt werden. Im vorliegenden Fall beruht die Bürgschaft nicht auf dem Eigentum, sondern auf dem rechtlichen Status des Unternehmens. Es steht den Mitgliedstaaten frei, die Rechtsform der Unternehmen zu wählen, doch müssen sie dabei die Wettbewerbsvorschriften des Vertrags beachten. Im Besonderen verhindert die bloße Tatsache, dass die Staatsbürgschaft automatisch mit einem bestimmten rechtlichen Status verbunden ist, nicht, dass sie eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind (152). Diese Schlussfolgerung wird durch Artikel 345 AEUV nicht berührt. In einem wettbewerbsbestimmten Umfeld würde der Neutralitätsgrundsatz im Gegenteil die Abschaffung aller ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteile für öffentliche Unternehmen zulasten ihrer privaten Wettbewerber bedingen. Diesem Ansatz folgte die Kommission beispielsweise in dem Fall, der zwei öffentlich-rechtliche Kreditinstitute in Deutschland betraf (153), sowie im Fall von EDF (154).

4.4.   GESETZESENTWURF ÜBER LA POSTE UND POSTDIENSTE

(318)

In ihrem Schreiben vom 31. Juli 2009 übermittelten die französischen Behörden der Kommission einen vom Ministerrat am 29. Juli 2009 verabschiedeten Gesetzesentwurf über La Poste und Postdienste, mit dem La Poste zum 1. Januar 2010 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird.

(319)

Mit einer Änderung dieses Gesetzesentwurfs wurde der Termin für die Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft später auf März 2010 verschoben.

(320)

Artikel 1 Absatz 2 des geänderten Gesetzesentwurfs zur Änderung des Gesetzes Nr. 90-568 vom 2. Juli 1990 über die Organisation des öffentlichen Post- und Telekommunikationsdienstes lautet: „Die juristische Person des öffentlichen Rechts La Poste wird mit Wirkung zum 1. März 2010 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die unter La Poste firmiert […]“.

(321)

Die französischen Behörden führten aus, dass La Poste infolge der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft den gerichtlichen Abwicklungs- und Sanierungsverfahren des Handelsrechts unterliegen werde.

(322)

Die Kommission ist der Auffassung, dass die in dem von den französischen Behörden übermittelten Gesetzesentwurf vorgesehene Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft de facto zur Aufhebung der unbeschränkten Staatsbürgschaft führen wird. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass diese Umwandlung gemäß dem Unionsrecht eine geeignete Maßnahme zur Beseitigung der derzeitigen staatlichen Beihilfe für La Poste ist.

(323)

Der Gesetzesentwurf soll im Januar 2010 vom französischen Parlament verabschiedet werden. Am 4. Oktober 2006 hatte die Kommission gemäß Artikel 18 der Verfahrensverordnung verlangt, die unbeschränkte Bürgschaft bis zum 31. Dezember 2008 aufzuheben. In Anbetracht der Umstände und der Tatsache, dass die Beratungen mit den französischen Behörden erst im Oktober 2009 zum Abschluss gebracht werden konnten und die Verabschiedung der Rechtsakte zur Aufhebung der Bürgschaft eine gewisse Zeit erfordert, vertritt die Kommission die Auffassung, dass es angemessen ist, von den französischen Behörden zu verlangen, dass sie die unbeschränkte Bürgschaft bis zum 31. März 2010 tatsächlich aufheben —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die unbeschränkte staatliche Bürgschaft, die Frankreich La Poste gewährt hat, stellt eine staatliche Beihilfe dar, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist. Frankreich hebt diese Beihilfe bis zum 31. März 2010 auf.

Artikel 2

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Umwandlung von La Poste in eine Aktiengesellschaft de facto zur Aufhebung der ihr gewährten unbeschränkten Staatsbürgschaft führt. Die tatsächliche Aufhebung dieser unbeschränkten Bürgschaft bis zum 31. März 2010 ist eine geeignete Maßnahme zur Beseitigung der in Artikel 1 festgestellten Beihilfe gemäß dem Recht der Union.

Artikel 3

Frankreich teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses mit, welche Maßnahmen ergriffen wurden und werden, um diesem Beschluss nachzukommen.

Artikel 4

Dieser Beschluss ist an die Französische Republik gerichtet.

Brüssel, den 26. Januar 2010

Für die Kommission

Neelie KROES

Mitglied der Kommission


(1)  Mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 sind an die Stelle der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag die Artikel 107 bzw. 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) getreten. Die Artikel 87 und 88 EG-Vertrag und die Artikel 107 bzw. 108 AEUV sind im Wesentlichen identisch. Im Rahmen dieses Beschlusses sind Bezugnahmen auf die Artikel 107 und Artikel 108 AEUV als Bezugnahmen auf die Artikel 87 bzw. Artikel 88 EG-Vertrag zu verstehen, wo dies angebracht ist.

(2)  ABl. C 135 vom 3.6.2008, S. 7.

(3)  Fall N 531/05, Maßnahmen im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb der „Banque Postale“ (ABl. C 21 vom 28.1.2006, S. 2).

(4)  ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1.

(5)  Da die Einstufung als bestehende Beihilfe bereits in den Randnummern 93 bis 97 des Beschlusses über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens (siehe Fußnote 2) begründet wurde und bei der Kommission keine Stellungnahmen dazu eingegangen sind, kommt die Kommission auf diesen Punkt nicht mehr zurück und beschränkt sich darauf, die vorläufige Würdigung des Einleitungsbeschlusses zu bestätigen.

(6)  JORF (Amtsblatt der Französischen Republik) vom 17. Juli 1980, S. 1799.

(7)  JORF vom 14. Mai 1981.

(8)  Siehe Fußnote 2.

(9)  JORF vom 8. Juli 1990.

(10)  In Frankreich gibt es neben Verwaltungsträgern wie dem Staat und den Gebietskörperschaften im Wesentlichen zwei Kategorien von juristischen Personen des öffentlichen Rechts: die öffentlichen Unternehmen (Etablissements Publics) und die öffentlichen Interessensgruppen (Groupes d’Intérêt Public), die mit dem Gesetz Nr. 82-610 vom 15. Juli 1982 eingerichtet wurden. Innerhalb der Etablissements publics kann zwischen öffentlichen Verwaltungsunternehmen (établissements publics à caractère administratif, EPA), die traditionelle Aufgaben der Verwaltung wahrnehmen, und öffentlichen Industrie- und Handelsunternehmen (établissements publics à caractère industriel et commercial, EPIC), die wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, unterschieden werden.

(11)  In einem Bericht an den französischen Senat von 2003 betont die Commission des affaires économiques: „Jeder weiß, dass der Status der Muttergesellschaft La Poste seit der Reform von 1990 dem eines öffentlichen Industrie- und Handelsunternehmens gleichzusetzen ist.“

(12)  Der Cour de Cassation berücksichtigte den mit einem Urteil des Cour d’Appel von Douai vom 22. Oktober 1998 aufgestellten Grundsatz, nach dem La Poste einem öffentlichen Industrie- und Handelsunternehmen gleichgestellt ist.

(13)  Siehe insbesondere Urteil des Cour de Cassation vom 21. Dezember 1987 (1. Zivilkammer).

(14)  JORF (Amtsblatt der Französischen Republik) vom 26. Januar 1985, S. 1097.

(15)  Cour administrative d’appel, Paris 15. Februar 1991, JCP E1991, pan. 742; Cour de Cassation, Soc. 6. November 1991, JCP E 1992, pan. 85, Bull. V Nr. 476.

(16)  Es handelt sich um die in Unterabsatz 3 von Artikel 3-1 dieses Dekrets genannten Fristen.

(17)  Artikel 10 des Dekrets Nr. 2008-479 sieht vor: „Ist die Inverzugsetzung bei Verstreichen dieser Fristen ergebnislos geblieben, stellt der Vertreter des Staates oder die Aufsichtsbehörde die Ausgabe in den Haushalt der betreffenden Körperschaft bzw. des betreffenden öffentlichen Unternehmens ein. Er stellt gegebenenfalls die erforderlichen Mittel bereit, indem er die noch freien, für andere Ausgaben vorgesehenen Mittel senkt oder indem er die Ressourcen erhöht. Hat die Gebietskörperschaft oder das öffentliche Unternehmen den fälligen Betrag nicht innerhalb von acht Tagen nach Mitteilung über die Einstellung der Mittel zur Zahlung angewiesen, trägt der Vertreter des Staates oder die Aufsichtsbehörde innerhalb einer Frist von einem Monat von Amts wegen dafür Sorge“.

(18)  JORF vom 20. Februar 1990.

(19)  Bulletin officiel de la comptabilité publique. NOR: BUD R 02 00060 J.

(20)  Siehe Kapitel 3 der kodifizierenden Anweisung Nr. 02-060-M95 vom 18. Juli 2002 über die Finanz- und Rechnungslegungsvorschriften für französische öffentliche Industrie- und Handelsunternehmen, Bulletin officiel de la comptabilité publique.

(21)  Siehe Teil IV, B: „Quelles dispositions juridiques prévoir?“ (Bestimmung des geeigneten Rechtsakts), S. 21.

(22)  Die 1965 gegründete ERAP ist ein EPIC, dessen Unternehmensgegenstand darin besteht, auf Anfordern des Staates Beteiligungen an Unternehmen der Energie-, Pharma- und Telekommunikationswirtschaft zu übernehmen.

(23)  Siehe Artikel „Fitch attribue la note préliminaire AAA au programme EMTN garanti de EU-10 MD de ERAP“ (Fitch vergibt für das mit 10 Mrd. EUR abgesicherte EMTN-Programm der ERAP das AAA-Rating). Abrufbar auf der Website der ERAP: www.erap.fr/pdf/CP_Fitch_Ratings_fr.pdf

(24)  Siehe Artikel „Moody’s attribue la notation Aaa au programme d’EMTN de l’ERAP portant sur 10 milliards d’euros“ (Moody’s vergibt für das 10-Milliarden-Euro-Programm EMTN der ERAP das Aaa-Rating). Abrufbar auf der Website der ERAP: www.erap.fr/pdf/CP_Fitch_Ratings_fr.pdf

(25)  In Anwendung von Artikel 15 des Gesetzes Nr. 90-568 vom 2. Juli 1990 unterliegt die Rechnungslegung von La Poste den Vorschriften für Handelsunternehmen.

(26)  Siehe Artikel „Fitch attribue la note préliminaire AAA au programme EMTN garanti de EU-10 MD de ERAP“.

(27)  Siehe insbesondere die Schreiben der französischen Behörden vom 24. April 2006, 6. Dezember 2006, 16. Januar 2007, 1. Februar 2007 und 19. März 2007.

(28)  Siehe Teil III des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Januar 2008.

(29)  Conseil d’Etat, 1. April 1938, Société de l’hôtel d’Albe, Sammlung des Conseil d’Etat, S. 341. Siehe Randnummer 33 des Einleitungsbeschlusses.

(30)  Conseil d’Etat, 10. November 1999, Société de gestion du port de Campoloro, Sammlung des Conseil d’Etat, S. 348; Conseil d’Etat, 18. November 2005, Société de gestion du port de Campoloro, Sammlung des Conseil d’Etat, S. 515. Siehe Randnummer 34 des Einleitungsbeschlusses.

(31)  JORF Nr. 177 vom 2. August 2001, S. 12480.

(32)  Siehe Teil IIIB des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Februar 2008 und die Stellungnahmen der französischen Behörden vom 27. Oktober 2009.

(33)  Siehe Schreiben der französischen Behörden vom 27. Oktober 2009.

(34)  D. Labetoulle, „La responsabilité des AAI dotées de la personnalité juridique: coup d’arrêt à l’idée de ‚garantie de l’Etat‘“ (Haftung unabhängiger Verwaltungsbehörden mit Rechtspersönlichkeit: Schluss mit der Idee von der ‚Staatsbürgschaft‘), RJEP/CJEG Nr. 635, Oktober 2006.

(35)  Siehe Teil IV des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Januar 2008.

(36)  Siehe Absatz 78 des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Januar 2008.

(37)  P. Bon, „Le Préfet face à l’inexécution par une collectivité territoriale d’un jugement la condamnant pécuniairement“ (Der Präfekt angesichts der Nichterfüllung eines Urteils, mit dem eine Geldstrafe verhängt wurde, durch eine Gebietskörperschaft), RFDA — März/April 2006, S. 341. C. Landais und F. Lenica, „Le pouvoir de substitution du préfet en cas d’inexécution de la chose jugée par les collectivités territoriales“ (Das Eintrittsrecht des Präfekten im Fall der Nichterfüllung rechtskräftiger Urteile durch Gebietskörperschaften), AJDA, 23. Januar 2006, S. 137.

(38)  Conseil d’Etat, 10. November 1999, Société de gestion du port de Campoloro, siehe oben.

(39)  Conseil d’Etat, 18. November 2005, Société de gestion du port de Campoloro, siehe oben.

(40)  Conseil d’Etat, 30. November 1923, Sammlung S. 789.

(41)  Zur Gewährleistung der Vertraulichkeit wurden bestimmte Textpassagen ausgelassen. Diese Passagen werden durch Punkte in eckigen Klammern, gefolgt von einem Sternchen, gekennzeichnet.

(42)  Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (ABl. C 71 vom 11.3.2000, S. 14).

(43)  Den französischen Behörden zufolge ist die Erfüllung dieser Kriterien hinreichend, um das Vorliegen eines Vorteils auszuschließen, aber nicht notwendig. Im Besonderen wäre es kontraintuitiv, davon auszugehen, dass sich angebliche Vermutungen zu dem im Insolvenzfall zur Anwendung kommenden Verfahren in günstigeren Finanzierungsbedingungen niederschlagen könnten.

(44)  Artikel L 643-11 Code de commerce.

(45)  „Category 1: equalization of ratings with those of the state owner. This first category includes those entities […], generally loss making or with poor financial profiles, and extremely unlikely to be privatized […] given the nature of their activity, as well as their home country’s economic, social and political environment. None of the postal companies currently rated by Standard & Poor’s falls into this category […].“

(46)  „Category 2: notching down with respect to the state owner’s rating. […] La Poste and Poste Italiane currently fall within this category.“

(47)  „Category 3: notching up from the postal entity’s stand-alone rating. […] The entity’s postal activities are still a key public service, but the clear aim of the entity is to achieve a high level of operational and financial independence, either through privatization or commercial autonomy (state ownership, but independent management) […].“

(48)  „Standard & Poor’s Ratings Services lowered its counterparty credit […] ratings on French issuer AGF […] to ‚A‘ from ‚A+‘ […], following a review of AGF’s parent, the Munich-based Allianz group (AA-/Negative/A-1+). […] The downgrade of AGF, the holding company, is not specific to any issues within the French franchise and generally reflects the Allianz group’s financial leverage and fixed-charge coverage, which are increasingly aggressive relative to the group’s ratings and are a result of the group’s weakened consolidated capital base and reduced earnings.“

(49)  „The ratings also take into account the unchallenged status of both it and its parent, Germany-based Volkswagen Financial Services AG (VWFS), as core and captive finance entities to VW“ und „the ratings on VW Bank could moderately diverge (generally not more than one notch) from the ratings on VW or VWFS; currently only its outlook differs.“

(50)  „The ratings on Germany-based Volkswagen Financial Services AG (VWFS) are based on its unchallenged status as a core subsidiary of German automaker Volkswagen AG (VW; A-/Negative/A-2) and reflect its strategic importance for and close operational integration into its parent.“

(51)  „Das Rating eines Unternehmens, das vom Staat in hohem Maße unterstützt wird […], kann um zwei Kategorien herabgestuft werden, da sich die finanziellen Beziehungen zwischen diesem Unternehmen und dem Staat mittel- oder langfristig ändern können.“

(52)  Den französischen Behörden zufolge steht die „starke Unterstützung des Staates“, die von der Kommission unter Randnummer 84 des Einleitungsbeschlusses angeführt wird, nicht in Zusammenhang mit dem Status des Unternehmens oder einem Bürgschaftsmechanismus, sondern mit Entscheidungen wie der Gründung von La Banque Postale oder der Reform der Finanzierung der Ruhegehälter, mit denen La Poste die Mittel gegeben werden sollen, um sich unter gleichen Bedingungen wie ihre Wettbewerber und „At arm’s length“ mit dem Staat zu entwickeln. Einige dieser Maßnahmen stellen allerdings selbst staatliche Beihilfen in beträchtlicher Höhe dar (siehe insbesondere die Entscheidung der Kommission vom 10. Dezember 2007 über die Finanzierungsreform für die Ruhegehälter der bei La Poste beschäftigten Beamten). Infolgedessen können Sie keinen Beweis für das Interesse des Staates an der Entwicklung von La Poste unter „At arm’s length“-Bedingungen darstellen.

(53)  „A change in the group’s ownership structure would lead Standard & Poor’s to shift to a bottom-up rating approach, focusing more on LP’s stand-alone business and financial profiles. This rating approach may not necessarily translate into rating changes given the expected improvement in LP’s stand-alone situation in the coming years.“

(54)  „The ratings could come under pressure if the group significantly underperforms its operational and financial trajectory at the dawn of full postal deregulation, or if an ownership changes occur sooner than we expect.“

(55)  „The EC recently recommended that the French government end this guarantee by year-end 2008, which they believe provides LP with more favorable financing conditions than its competitors in a market in the process of being liberalized.“

(56)  „The ratings on La Poste were unaffected by this recommendation since we consider that a change in La Poste’s status would not necessarily reflect a decrease in the strong state support that underpins La Poste’s ratings and that has been reaffirmed by recent government decisions.“

(57)  Den französischen Behörden zufolge betrug der Spread bei der 15-jährigen Anleihe 12 Basispunkte über Mid Swap (entsprechend 33 Basispunkte über OAT (Staatsanleihen)) und bei der 7-jährigen Anleihe 4 Basispunkte über Mid Swap. Zum Vergleich führen die französischen Behörden an, dass die vorangehende Emission einer 15-jährigen Anleihe mit einem Volumen von 580 Mio. EUR zu einem Spread von 8 Basispunkten über Mid Swap geführt habe. Der Mid Swap ist der Mittelwert aus den angebotenen und vorgeschlagenen Sätzen je Laufzeit im Interbankenhandel, d. h. der feste Satz, bei dem eine Bank im Allgemeinen bereit ist, gegen einen 6-Monats-Euribor zu tauschen. Dieser Satz stellt insbesondere bei Obligationsanleihen den Referenzwert des Marktes dar.

(58)  Dekret Nr. 81-501. Zum Zeitpunkt des Vorschlags der französischen Behörden handelte es sich bei den Durchführungsbestimmungen um das Dekret Nr. 81-501 vom 12. Mai 1981 zur Durchführung des Gesetzes vom 16. Juli 1980 über die von Behörden verhängten Zwangsgelder und über die Erfüllung von Urteilen durch juristische Personen des öffentlichen Rechts und zur Section du rapport et des études des Conseil d’Etat.

(59)  Conseil d’Etat, 16. November 1998, Sille: „Auch wenn — wie die Richter im ersten Rechtszug erkannt haben — die Haftung des Staates, selbst die verschuldensunabhängige, wegen Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Bürger vor den öffentlichen Lasten ausgelöst werden kann, wenn eine rechtmäßig ergriffene Maßnahme zur Folge hat, dass einer natürlichen oder juristischen Person ein besonderer Schaden von gewisser Schwere entsteht, so ist dies im vorliegenden Fall nicht gegeben, da Herr Sille als Fachmann der Immobilienbranche um die Unwägbarkeiten wissen musste, die zwangsläufig auf der Durchführung eines Bauvorhabens wie dem in diesem Fall geplanten lasten, für dessen Durchführung insbesondere die Bestimmungen des Flächennutzungsplans geändert und die Zustimmung des Gemeinderats erhalten werden mussten, so dass Herr Sille mit der Möglichkeit rechnen musste, dass dieses Vorhaben angesichts der Ergebnisse der öffentlichen Auflegung des Plans und der feindseligen Einstellung gegenüber dem Projekt von der Gemeinde aufgegeben werden könnte. Da er dieses Risiko in Kenntnis der Sachlage einging, kann er nicht geltend machen, dass er einen ungewöhnlich hohen Schaden erlitten habe und die Gemeinde für die finanziellen Folgen, die sich aus dem Verzicht auf das Projekt für ihn ergeben hätten, aufkommen müsse“.

(60)  Conseil d’Etat, 10. Juli 1996, Meunier: „Mit der Auffassung, dass sich aus der Entscheidung, das Geschäft an einem solchen Ort einzurichten, und aus einem Schreiben der Stadtverwaltung über die Möglichkeit von Erdbewegungen ergibt, dass der Beteiligte die Instabilitätsrisiken, denen sein Betrieb ausgesetzt war, in Kenntnis der Sachlage akzeptiert hat, hat der Cour administrative d’appel den Sachverhalt frei gewürdigt. Mit der Auffassung, dass einem Beteiligten aufgrund eines Schadens, der auf einem Umstand beruht, dem sich der Beteiligte bewusst ausgesetzt hat, kein Schadenersatzanspruch erwächst, hat das Gericht die für die Amtshaftung geltenden Regeln nicht missachtet“.

(61)  Nähere Einzelheiten hierzu siehe Randnummern 11 bis 13 des Einleitungsbeschlusses.

(62)  ABl. C 155 vom 20.6.2008, S. 10.

(63)  Siehe Abschnitt 3.1.1.A dieses Beschlusses.

(64)  Siehe Fußnote 29.

(65)  Siehe Fußnote 30.

(66)  Siehe Erwägung 110 des Urteils des Conseil constitutionnel Nr. 2001-448 vom 25. Juli 2001: „Wenn in Artikel 61 auf der Grundlage von Artikel 34 der französischen Verfassung die Verpflichtung vorsehen wurde, jede vom Staat gewährte Bürgschaft innerhalb von drei Jahren im Haushaltsgesetz zu genehmigen, dann kann die Strafe für eine etwaige Nichtgenehmigung nicht in der Nichtigkeit der betreffenden Bürgschaften bestehen. Durch eine solche Strafe würde die Gleichheit vor den öffentlichen Lasten und in Fällen von besonderer Schwere auch das Eigentumsrecht angetastet. Im Übrigen geht aus den parlamentarischen Arbeiten hervor, dass mit Artikel 61 die Unterrichtung des Parlaments über staatliche Bürgschaften und nicht die Nichtigkeit derjenigen Bürgschaften, die in der Vergangenheit gewährt und nicht innerhalb der gesetzten Frist genehmigt worden sein sollten, gewährleistet werden soll. Unter diesen Umständen ist Artikel 61 nicht verfassungswidrig.“

(67)  Siehe vorangehende Fußnote.

(68)  EuGeI 26. Juni 2008, SIC/Kommission, Rechtssache T-442/95, Slg. 2008, S. II-1161, Randnummern 124 bis 127. Siehe auch die Bürgschaftsmitteilung.

(69)  Siehe Absätze 62 bis 68 des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Januar 2008.

(70)  Siehe Fußnote 34.

(71)  Abschnitt 4.1.1.A.b.3 dieses Beschlusses.

(72)  Siehe Fußnote 39 des Einleitungsbeschlusses. Das Schreiben ist nicht veröffentlicht, wurde aber im Bericht für 1995 erwähnt.

(73)  Dieser Teil des Schreibens wurde von den Verfassern des Berichts für 1995 veröffentlicht (S. 219).

(74)  Schreiben der französischen Behörden an die Kommission vom 9. September 2008.

(75)  Siehe Ziffer 5 des Anhangs zu diesem Schreiben, in dem verschiedene Akte genannt werden, darunter beispielsweise das „Ministerialschreiben oder eine andere Grundlage“.

(76)  Das Urteil über die straffreie Einstellung des Verfahrens mangels Masse nach einem gerichtlichen Abwicklungsverfahren ermöglicht es den Gläubigern nicht, wieder gegen den Schuldner vorzugehen; seine Forderung ist somit endgültig verloren.

(77)  Siehe Randnummer 147 dieses Beschlusses.

(78)  Auf die geltenden Bestimmungen, d. h. das Gesetz vom 16. Juli 1980, das Dekret vom 20. Mai 2008 zur Ersetzung des Dekrets vom 12. Mai 1981 und das Rundschreiben vom 16. Oktober 1989 wurde in diesem Beschluss im Kapitel über die Beschreibung der Maßnahme hingewiesen.

(79)  Siehe Abschnitt 3.1.1.B.a.1 dieses Beschlusses, der wiederum auf Abschnitt IV.A.1, S. 19-20 des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Januar 2008 verweist.

(80)  Wie die Sachverständige der Kommission betont, sind die Möglichkeiten der Aufsichtsbehörde für den Fall, dass die Mittel des öffentlichen Unternehmens nicht ausreichen, in der Tat begrenzt. Die erforderlichen Mittel können zunächst aus vorhandenen Mitteln kommen, die für andere Ausgaben vorgesehen sind und zweckentfremdet werden, um die Schulden zu begleichen. Weiterhin können sie durch Veräußerung von Vermögensgegenständen oder Preiserhöhungen beschafft werden, falls diese Verfahren in Betracht kommen. Zudem kann das öffentliche Unternehmen ein Darlehen aufnehmen. Wenn allerdings diese wenigen Möglichkeiten nicht in Betracht kommen, bleibt als Lösung nur eine Kapitalzuführung durch den Staat als Aktionär.

(81)  Unter der Annahme, dass kein Erfordernis des Fortbestands der Daseinsvorsorge gegeben ist.

(82)  Bericht der Sachverständigen, Abschnitt I.2.A.2, S. 18.

(83)  Art. L 620-1 Code de commerce.

(84)  Artikel L. 640-1 Code de commerce lautet: „Im Fall der Zahlungseinstellung wird, wenn eine Sanierung offensichtlich unmöglich ist, über das Vermögen jedes in Artikel L. 640-2 genannten Schuldners ein gerichtliches Abwicklungsverfahren eingeleitet“.

(85)  Die Vermögensgegenstände von La Poste wurden mit dem Gesetz vom 11. Dezember 2001, dem so genannten „Gesetz MURCEF“, als frei veräußerlich heruntergestuft. Dieses Gesetz sieht allerdings vor: „Wenn die Bedingungen für die Veräußerung oder Einbringung eines Vermögensgegenstandes die einwandfreie Erfüllung der rechtlichen Pflichten von La Poste oder der im Rahmen ihres Planvertrags übernommenen Verpflichtungen gefährden […], widersetzt sich der Staat der Veräußerung oder Einbringung und unterwirft die Durchführung dieser Vorgänge der Bedingung, dass sie der einwandfreien Erfüllung dieser Pflichten nicht schaden“.

(86)  Die Preise für die reservierten Postdienste werden von ARCEP, dem Regulierer für die Postdienste, genehmigt. Für die Preise für die Universaldienste gibt ARCEP einen Rahmen vor.

(87)  Siehe Abschnitt 4.1.1.A.b.3 dieses Beschlusses.

(88)  Siehe Ziffern 112 und 113 des Schreibens der französischen Behörden vom 23. Januar 2008.

(89)  Siehe Abschnitt 4.1.1.A.b.3 dieses Beschlusses.

(90)  Der französischen Regulierungsbehörde ARCEP zufolge reicht der Regulierungsbereich bis hin zu den Postdiensten, die die Abholung, das Sortieren, den Transport und die Verteilung von Postsendungen im Rahmen regelmäßiger Zustellungen umfassen. Ausgeschlossen sind: die Verteilung von Postwurfsendungen, innerstädtische Kurierdienste und die Eilzustellung.

(91)  Siehe strategische Darstellung des jährlichen Leistungsplans.

(92)  Weitere Ausführungen zum Standpunkt der französischen Behörden siehe insbesondere Abschnitt 3.1.1.B.a.2 dieses Beschlusses.

(93)  Cour administrative d’appel, Lyon, 6. Juni 1996, Société fermière de Campoloro, Nr. 95LY00935.

(94)  P. Bon, siehe Fußnote 37.

(95)  Siehe Fußnote 37.

(96)  Siehe Fußnote 34.

(97)  Nr. 57516/00.

(98)  Serie A Nr. 37.

(99)  Siehe Schreiben vom 27. Oktober 2009.

(100)  Conseil d’Etat, 29. Dezember 2004, Sté d’aménagement des coteaux de Saint-Blaine, Nr. 257804: Eine Entschädigung für gemeinnützige Grunddienstbarkeiten ist möglich, wenn der Eigentümer eine besondere und übermäßig hohe Last trägt, die angesichts des angestrebten Zwecks des Allgemeininteresses unverhältnismäßig ist.

Cour administrative d’appel, Bordeaux, 14. Oktober 2003, Herr und Frau Claude X., Nr. 99BX01530: Durch die Unterbrechung des Kraftfahrzeugverkehrs auf kommunalen Straßen, die aufgrund eines Erdrutsches beschädigt wurden, kann dem eingeschlossenen Eigentümer ein außergewöhnlicher und besonderer Schaden entstehen. Das Verwaltungsgericht vertritt insbesondere die Auffassung, dass es sich aufgrund der Dauer (der Kraftfahrzeugverkehr war zur Durchführung der Arbeiten 7 Monate lang unterbrochen) um einen außergewöhnlichen und besonderen Schaden handelt, der über die Lasten hinausgeht, die die beiden Benutzer der öffentlichen Straße normalerweise tragen müssen, und dass er infolgedessen ersetzt werden muss.

Tribunal administratif, Montpellier, 23. Juni 1999, Herr Van der Velden, Nr. 97-03716: Durch die endgültige Schließung eines Campingplatzes aufgrund der größeren Überschwemmungsgefahr entstand dem Eigentümer ein außergewöhnlicher und besonderer Schaden, der insofern einen Ersatzanspruch begründet, als diese Schließung zur Einstellung der einzigen gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen und zum vollständigen Verlust seines Geschäftsvermögens geführt hat.

(101)  Der Begriff des „begründeten Irrtums“ (erreur légitime), der Rechtswirkung entfalten kann, ist mit der Rechtsscheintheorie verknüpft. Nach dem französischen Rechtswörterbuch „Vocabulaire juridique“ von Cornu, ist der Rechtsschein der „Eindruck, der — absichtlich oder unabsichtlich — durch die Vereinigung äußerlicher Merkmale entsteht, in denen sich üblicherweise ein Zustand oder eine Funktion (Bevollmächtigter, Erbe, Eigentümer usw.) ausdrückt und die den Anschein erwecken, dass die Person, die mit diesen Merkmalen ausgestattet ist, tatsächlich diesen Zustand oder diese Funktion hat“. Die Rechtsscheintheorie ist eine „prätorische Theorie, gemäß der allein der Rechtsschein genügt, um Wirkung gegenüber Dritten zu entfalten, die infolge eines begründeten Irrtums die tatsächliche Rechtslage nicht erkennen konnten“. Die Rechtsscheintheorie kommt in der Rechtsprechung zur Anwendung und hat sogar zu sehr berühmten Lösungen geführt (EGMR, 7. Juni 2001, Kress). Im Privatrecht wird sie herangezogen, um einen Vertrag Rechtswirkung entfalten zu lassen, dessen eine Vertragspartie in begründeter Weise auf einen einfachen Rechtsschein vertraut hat. Zu nennen sind hier auch der Rechtsschein des Sitzes oder Wohnsitzes (domicile apparent) oder im öffentlichen Recht der Rechtsschein des faktischen Beamten (fonctionnaires de fait), deren Entscheidungen als ordnungsgemäß gelten. Diese Theorie erleichtert die Beweisführung zum Vorliegen eines rechtlichen Merkmals oder einer Rechtswirkung, wenn diese in keinem Rechtstext ausdrücklich erwähnt werden.

(102)  Unterscheidung anhand der Ausführungen in der Dissertation von S. Carpi-Petit „Les successions en droit administratif“ (Die Nachfolge im Verwaltungsrecht) PUR, 2006.

(103)  Dies geht aus dem Erlass vom 15. Juli 2002 (JORF vom 23. Juli 2002) zur Festlegung der Modalitäten zur Abwicklung der Université thématique d’Agen hervor; Artikel 1 dieses Erlasses besagt, dass der Liquidator dafür zuständig ist, „dem für das Hochschulwesen zuständigen Minister die Verteilung der nach Ablauf des Abwicklungszeitraums bestehenden Vermögensgegenstände, Forderungen und Verbindlichkeiten und des Saldos der Abwicklungsbilanz auf die Universitäten Bordeaux I und Bordeaux IV vorzuschlagen“.

(104)  

Dekret Nr. 53-404 vom 11. Mai 1953 über die Abwicklung der Caisse de compensation pour la décentralisation de l’industrie aéronautique, JORF vom 12. Mai 1953, Art. 3: „Gemäß Artikel 7 des Dekrets vom 24. Mai 1938 gehen die der Kasse gehörenden Anlagen und Einrichtungen sowie die nach Schuldentilgung verfügbaren Mittel in das Eigentum des Staates über“ (hier ist offensichtlich, dass der Saldo positiv ist).

Dekret Nr. 75-926 vom 6. Oktober 1975 über die Schließung der Bourse d’échanges de logements, Art. 2: „die Vorgänge zur Begleichung der Schulden, zur Beitreibung der Forderungen und zur Abwicklung der Vermögensgegenstände der staatlichen Wohnungstauschstelle sowie gegebenenfalls die Gerichtsverfahren als Klägerin oder Beklagte fallen in die Zuständigkeit des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen. Die Buchungen erfolgen auf das Sonderkonto der Staatskasse 904.14 ‚Abwicklung von öffentlichen Unternehmen des Staates, behördenähnlichen oder gewerblichen Einrichtungen und sonstige Abwicklungen‘.“

Dekret Nr. 81-1009 vom 12. November 1981 über die Schließung des Institut Auguste Comte pour l’étude des sciences et de l’action: Der etwaige Liquidationsüberschuss fließt an den Staat.

Dekret Nr. 83-1185 vom 27. Dezember 1983 zur Auflösung des Etablissement public chargé de l’aménagement de la ville nouvelle de Lille-Est: „Die Aktiva und Passiva des öffentlichen Unternehmens für die Raumordnung für die Satellitenstadt Lille-Est werden zu diesem Zeitpunkt zu den im Vertrag vom 5. Dezember 1983 festgelegten Bedingungen auf den Gemeindeverbund Lille übertragen; eine Ausnahme bilden die im Anhang dieses Dekrets aufgeführten Vermögensgegenstände, die auf das Institut de recherche des transports übertragen werden“.

Dekret Nr. 83-1263 vom 30. Dezember 1983 über die Auflösung des Service national d’examen des permis de conduire: Die Buchungen erfolgen auf das Sonderkonto der Staatskasse „Abwicklung öffentlicher Unternehmen“.

Dekret Nr. 87-590 vom 30. Juni 1987 zur Festlegung der Abwicklungsbedingungen für das Centre mondial informatique et ressources humaines, Art. 1: „Mit Wirkung zum 1. Juli 1987, dem Zeitpunkt der Auflösung des Centre mondial informatique et ressources humaines (CMIRH), fallen die beweglichen Vermögensgegenstände sowie die Rechte und Verpflichtungen dieser Einrichtung dem Staat zu“.

Dekret vom 17. November 1987 über die Auflösung des Centre d’étude des systèmes et des technologies avancées (JORF vom 18. November 1987) und Dekret Nr. 87-1167 vom 31. Dezember 1987 zur Festlegung der Abwicklungsbedingungen, Art. 1: „Die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des Centre d’études des systèmes et technologies avancées (CESTA) fallen mit Wirkung vom 1. Januar 1998, dem Zeitpunkt der Auflösung dieser Einrichtung, dem Staat zu“.

Erlass vom 28. September 1988 zur Festlegung der Bedingungen für den Abschluss der Abwicklung der Agence de l’informatique (JORF vom 23. Dezember 1988): Die Abwicklungsvorgänge werden vom Minister für Industrie und Raumordnung wahrgenommen.

Dekret Nr. 93-775 vom 26. März 1993 über die Schließung des öffentlichen Unternehmens Musée de la Poste (JORF vom 30. März 1993): Übertragung der Rechte und Verpflichtungen auf La Poste.

Dekret vom 26. Dezember 1996 zur Auflösung des öffentlichen Unternehmens Caisse française des matières premières (JORF vom 29. Dezember 2006): „Die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen dieser Einrichtung werden auf den Staat übertragen“.

Dekret Nr. 97-882 vom 26. September 1997 zur Abwicklung des öffentlichen Unternehmens Centre de conférences international de Paris: Der Saldo der Liquidationsbilanz fließt an den Staat.

Dekret Nr. 99-1151 vom 29. Dezember 1999 zur Auflösung des öffentlichen Unternehmens Musée national de la Légion d’honneur, Art. 2: „Die Aufgaben sowie die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen dieses öffentlichen Unternehmens werden vom selben Tag an auf den Ordre national de la légion d’honneur übertragen“.

Dekret Nr. 2000-1126 vom 22. November 2000 über den Übergang des Saldos der Liquidationsbilanz des Etablissement public d’aménagement de la ville nouvelle du Vaudreuil: Der Saldo wird auf den Staatshaushalt übertragen. Artikel 2 besagt: „Die während der Tätigkeit oder Abwicklung der Einrichtungen entstandenen und bis zum Ende des Abwicklungszeitraums nicht bekannten Rechte und Verpflichtungen werden auf den Staat übertragen“.

Dekret Nr. 2001-1383 vom 31. Dezember 2001 zur Auflösung des Etablissement public chargé de l’aménagement des rives de l’Etang de Berre: Artikel 6 sieht vor, dass die Übertragung der bei Abschluss der Liquidationsbilanz noch bestehenden Aktiva und Passiva sowie der während der Tätigkeit oder des Abwicklungszeitraums entstandenen und bis zum Ende der Abwicklung nicht bekannten Rechte und Verpflichtungen per Dekret auf den Staat übertragen werden. Mit dem Dekret Nr. 2004-234 vom 17. März 2004 mit verschiedenen Bestimmungen für die Abwicklung der öffentlichen Einrichtung für die Raumordnung für die Ufer des Etang de Berre werden die „während der Tätigkeit entstandenen Rechtsstreitigkeiten“ auf den Staat übertragen.

Dekret vom 29. April 2004 zur Auflösung des Syndicat mixte pour le développement de la zone industrielle et portuaire Eure-Calvados (JORF vom 6. Mai 2004), Art. 4: „Die am Tag der Abwicklung des Gemeindeverbunds bestehenden Lasten werden satzungsgemäß unter seinen Mitgliedern aufgeteilt“.

(105)  S. Carpi-Petit, „Les successions en droit administratif“, PUR, 2006.

(106)  

Erlass vom 24. Februar 2004 zur Auflösung von Les Houillères de bassin du centre et du Midi (JORF vom 28. Februar 2004): Übertragung der Tätigkeiten, Rechte und Verpflichtungen auf Charbonnage de France.

Gesetzesvertretende Verordnung Nr. 59-80 vom 7. Januar 1959 zur Reorganisation der Tabak- und Zigarettensteuermonopole: Gründung des öffentlichen Unternehmens SEITA mit Kapitalzuführung.

Dekret Nr. 65-116 vom 17. Dezember 1965 zur Zusammenlegung der Régie autonome des pétroles und des Bureau de recherches du pétrole: „Alle Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen der Régie autonome des pétroles und des Bureau de recherches de pétrole werden von Rechts wegen auf das Entreprise de recherches et d’activités pétrolières übertragen“.

Dekret Nr. 67-796 über die Zusammenlegung der Mines domaniales de potasse d’Alsace und des Office national industriel de l’Azote, Art. 2: „Alle Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen der Mines domaniales de potasse d’Alsace und des Office national industriel de l’azote werden von Rechts wegen auf das Entreprise minière et chimique übertragen“.

Dekret Nr. 68-369 vom 16. April 1968 über die Verschmelzung der Houillères du bassin du centre et du midi: „Alle Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen der somit geschlossenen Houillères du bassin werden von Rechts wegen auf die Houillères du bassin du centre et du midi übertragen“.

Dekret Nr. 69-69 vom 24. Januar 1969 über die Übertragung des ORTF: „Vom 1. Januar 1969 an werden die beweglichen und unbeweglichen Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des Office de coopération radiophonique auf den ORTF übertragen“.

Dekret Nr. 93-1176 vom 13. Oktober 1993 zur Auflösung des öffentlichen Unternehmens Opéra de Bastille, Art. 2: „Die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des Etablissement public de l’Opéra de la Bastille werden auf das Etablissement public du parc de La Villette übertragen.“

Dekret Nr. 2000-1294 vom 26. Dezember 2000 zur Auflösung des Etablissement public chargé de l’aménagement de la ville nouvelle d’Evry und zur Übertragung seiner Rechte und Verpflichtungen auf die Agence foncière et technique de la région parisienne, Art. 2: „Die Aktiva und Passiva des Etablissement public chargé de l’aménagement de la ville nouvelle d’Evry werden von diesem Tag an die Agence foncière et technique de la région parisienne übertragen.“ […] „Sie übernimmt alle Rechte und Verpflichtungen in Verbindung mit der vom öffentlichen Unternehmen ausgeübten Tätigkeit“.

Dekret Nr. 2004-103 vom 30. Januar 2004 über Ubifrance, die französische Agentur für die internationale Entwicklung von Unternehmen: „Übertragung der Rechte, Verpflichtungen, unbeweglichen und beweglichen Vermögensgegenstände des Centre français du commerce extérieur […] auf Ubifrance“.

Gesetz Nr. 2004-105 vom 3. Februar 2004 zur Gründung der Agence nationale pour la garantie des droits des mineurs, Art. 6: „Vorbehaltlich der Auflösung des Verbandes ‚Association nationale de gestion des retraités des Charbonnages de France et des Houillères de bassin ainsi que de leurs ayants droit‘ kraft eines Beschlusses seiner Hauptversammlung werden die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen dieses Verbandes auf die Agence nationale pour la garantie des droits des mineurs übertragen“.

Dekret Nr. 2004-186 vom 26. Februar 2004 zur Gründung der Université en sciences des organisations et de la décision de Paris-Dauphine: „Die Vermögensgegentände, Rechte und Verpflichtungen der Universität Paris IX werden auf die Universität Paris-Dauphine übertragen“.

(107)  

Gesetz Nr. 80-495 vom 2. Juli 1980 zur Änderung des Status des Service d’exploitation industrielle des tabacs et allumettes: Art. 2: „Das Vermögen des öffentlichen Industrie- und Handelsunternehmens ‚Service d’exploitation industriel des tabacs et allumettes‘ wird nach den von der zuständigen Behörde festgelegten Modalitäten in die mit diesem Gesetz gegründete Gesellschaft eingelegt“.

Siehe auch das Dekret Nr. 80-1025 vom 19. Dezember 1980 über die Einbringung der Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen der Caisse nationale des marchés de l’Etat, des collectivités et établissements publics in die Gesellschaft CEPME.

Gesetz Nr. 88-50 vom 18. Januar 1988 über die Umänderung der Caisse nationale de crédit agricole, Artikel 1: „Das Vermögen der Caisse nationale de crédit agricole und des Fonds commun de garantie werden auf die im ersten Absatz vorgesehene Gesellschaft übertragen, die alle Rechte und Verpflichtungen der Caisse nationale und des Fonds commun de garanti mit den damit verbundenen Bürgschaften und Sicherheiten innehat“.

Dekret vom 19. April 1989 zur Ermächtigung des Centre d’études des systèmes d’information des administrations, alle Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen in die Aktiengesellschaft Cesia einzulegen, und zur Auflösung dieser Einrichtung.

Gesetz Nr. 92-665 vom 16. Juli 1992 zur Anpassung der Gesetzgebung im Bereich des Versicherungs- und Kreditwesens an den europäischen Binnenmarkt: Einlage der Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des EPIC Caisse nationale de prévoyance in eine Aktiengesellschaft.

Dekret Nr. 2001-1213 vom 19. Dezember 2001 zur Ermächtigung des öffentlichen Unternehmens Agence pour la diffusion de l’information technologique, sein Vermögen in eine gleichnamige Aktiengesellschaft einzulegen, zur Auflösung dieses öffentlichen Unternehmens und zur Ermächtigung der Übertragung dieser Gesellschaft auf den privaten Sektor.

(108)  Siehe beispielsweise den Vorgang zur Schließung der Caisse nationale des marchés de l’Etat, des collectivités et établissements publics: Das Dekret Nr. 80-1025 vom 19. Dezember 1980 verfügt, dass die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen des öffentlichen Unternehmens in eine Aktiengesellschaft (CEPME) eingelegt werden und dass das öffentliche Unternehmen im Gegenzug Aktien erhält. Mit Dekret Nr. 80-1076 vom 23. Dezember 1980 wird das öffentliche Unternehmen dann geschlossen und sein Vermögen auf den Staat übertragen. Der gleiche Mechanismus wird bei der Schließung der Agence pour la diffusion de l’information technologique angewandt (Dekret Nr. 2001-1213 vom 19. Dezember 2001).

(109)  „Etablissements publics“, J. Cl. Administratif Fasc. 135, 2007.

(110)  Beispielsweise das Gesetz Nr. 80-495 vom 2. Juli 1980 über die Umwandlung des Service d’exploitation des tabacs et allumettes in eine Société nationale; Gesetz Nr. 96-660 vom 26. Juli 1996 über das staatliche Unternehmen France Télécom, Art. 1: „Die in Art. 1 genannte juristische Person des öffentlichen Rechts France Télécom wird vom 31. Dezember 1996 an in ein staatliche Unternehmen mit der Firma France Télécom umgewandelt, an dem der Staat direkt mehr als die Hälfte des Grundkapitals hält.“ […]„Die Vermögensgegenstände, Rechte und Verpflichtungen der juristischen Person des öffentlichen Rechts France Télécom werden von Rechts wegen zum 31. Dezember 1996 auf das staatliche Unternehmen France Télécom übertragen“. Wenn eine Behörde des Staates mit einem Zusatzhaushalt in eine privatrechtliche Gesellschaft „umgewandelt“ wird, kommt selbstverständlich nur dieses Verfahren in Betracht. Gesetz Nr. 93-1419 vom 31. Dezember 1993 über die Imprimerie nationale, Art. 1: „Alle Rechte, Vermögensgegenstände und Verpflichtungen des Staates im Zusammenhang mit den Aufgaben der Dienststelle, die unter den Zusatzhaushalt der Imprimerie nationale fallen, werden in eine staatliche Gesellschaft eingelegt, die unter ‚Imprimerie nationale‘ firmiert“. Unlängst auch Art. 78 des Haushaltsberichtigungsgesetzes für 2001, Nr. 2001-1276 vom 28. Dezember 2001, zur Umwandlung der staatlichen Stelle DCN in eine Aktiengesellschaft und zur Einlegung der damit verbundenen Rechte, Vermögensgegenstände und Verpflichtungen des Staates.

(111)  Auf die gleiche Weise wurde mit dem Gesetz Nr. 2005-357 vom 20. April 2005 über die Flughäfen bei ADP verfahren. Art. 1 lautet: „Das öffentliche Unternehmen Aéroports de Paris wird in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Diese Umwandlung bringt weder die Gründung einer neuen juristischen Person noch Folgen für das maßgebliche Recht für die Beschäftigen mit sich“.

(112)  G. Cornu, „Vocabulaire juridique“, PUF.

(113)  Siehe S. Carpi-Petit, „Les successions en droit administratif“, siehe oben, S. 207.

(114)  Siehe Fußnote 61.

(115)  EuGeI, EPAC/Kommission, verbundene Rechtssachen T-204/97 und T-270/97, Slg. 2000, S. II-2267, Randnummern 80 und 81.

(116)  Das Rating ist ein obligatorischer Schritt bei der Finanzierung von Unternehmen auf den Kapitalmärkten; darüber hinaus wird es bei Bankanleihen zunehmend als Referenz herangezogen. Siehe hierzu Fußnote 46 des Beschlusses über die Einleitung des Verfahrens.

(117)  Es handelt sich um Standard & Poor’s und Fitch, zwei der weltweit größten Ratingagenturen.

(118)  Auszug aus „International Postal Entities: Influence of government support on ratings“ Standard and Poor’s, 22. November 2004: „La Poste’s legal status, which ensures a last-recourse sovereign guarantee, confers the ultimate statutory guarantee of the Republic of France on its obligations“.

(119)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „In 1991, LP — previously part of the government bureaucracy — became an independent publicly owned entity with EP status, which ensures LP an ultimate state guarantee on its obligations, but not a timely and explicit guarantee as reflected by the rating differentiation between LP and the Republic of France“.

(120)  Siehe Ziffer 1.2 zweiter und vierter Gedankenstrich der Bürgschaftsmitteilung.

(121)  Siehe Artikel „Fitch confirme la note ‚AA‘ attribuée à La Poste“, Fitch Ratings, Paris/London, 4. September 2009.

(122)  Siehe Randnummer 2 dieses Beschlusses.

(123)  Auszug aus „International Postal Entities: Influence of government support on ratings“. Standard and Poor’s, 22. November 2004: „- Category 2: notching down with respect to the state owner’s rating. The second category includes those entities that, while autonomous in their operations, are largely public-policy-based institutions, still in receipt of substantial direct or indirect financial backing from the State. There is, however, a high level of uncertainty surrounding the level and/or timeliness of this state support. A top-down approach that assumes notching down from the sovereign rating by up to two categories (six notches) applies to such postal entities. La Poste and Poste Italiane currently fall within this category.“

(124)  Auszug aus „International Postal Entities: Influence of government support on ratings“. Standard and Poor’s, 22. November 2004: „Unlike the credit quality of companies that operate in a commercial manner at arm’s length from the government, like SingPost, Deutsche Post or TPG, a major factor underpinning La Poste’s robust credit quality is its extremely strong State support. La Poste’s legal status confers the ultimate statutory guarantee of the Republic of France (AAAA/Stable/A-1+) on its obligations“.

(125)  Die letzte Herabstufung des Ratings von La Poste erfolgte am 21. Januar 2009, kurz nachdem der französischen Staatspräsident ihre Umwandlung in eine Aktiengesellschaft angekündigt hatte; das Rating von La Poste wurde auf A + herabgestuft, was erneut eine Bestätigung dafür ist, dass bei sonst gleichen Bedingungen der öffentlich-rechtliche Status von La Poste sehr wohl einen erheblichen Einfluss auf das Rating hat.

(126)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „S & P continues to follow a top-down rating methodology for La Poste — which allows for a governement supported entity to be rated by up to two categories below the sovereign- as we expect the French state to remain La Poste’s 100 % shareholder in the medium term. The ratings nevertheless already factor in the long-term likelihood of a change in the group’s capital structure, which would require a change in its current ‚établissement public‘ legal status and result in the loss of the state’s ultimate guarantee on LP’s financial obligations, the elimination of which was recently recommended by the European Commission“.

(127)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „The EC recently recommended that the French government end this guarantee by year-end 2008, which they believe provides LP with more favorable financing conditions than its competitors in a market in the process of being liberalized. The ratings on La Poste were unaffected by this recommendation since we consider that a change in La Poste’s status would not necessarily reflect a decrease in the strong state support that underpins La Poste’s ratings and that has been reaffirmed by recent government decisions“.

(128)  Auszug aus „ADP news“ vom 21. Januar 2009: „S & P lowers ratings on La Poste with negative outlook“ […]„The announced legal status and ownership change will give the company a greater autonomy from the government, which is why its rating has a four-notch differential with the rating on the Republic of France, rated AAA/A-1 + with a ‚stable‘ outlook. S & P’s ‚negative‘ outlook reflects concerns that the changes in the company’s legal status and ownership, likely to take place in the next two years as part of a capital hike, could pressure the ratings. These initiatives could limit the government’s ability to provide the postal operator with exceptional support without improving its standalone profile in the short term, as the capital hike should not decrease La Poste’s debt relative to its cash generation“.

(129)  Siehe Ziffer 197 der Stellungnahmen Frankreichs vom 23. Januar 2008.

(130)  „Rating Government-Related Entities: A Primer“. Standard and Poor’s, 14. Juni 2006.

(131)  Siehe auch „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „The entities’ credit standing is linked to that of the government, but ratings can be notched down from those on the State by up to two categories as the financial links between these companies and the state may be increasingly subject to change in the medium or long term‘ (Die Kreditwürdigkeit der Einrichtungen ist mit der der Regierung verknüpft, aber die Ratings können um zwei Kategorien herabgestuft werden, da sich die finanziellen Beziehungen zwischen diesem Unternehmen und dem Staat mittel- oder langfristig ändern können).

(132)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „In 1991, LP — previously part of the government bureaucracy — became an independent publicly owned entity with EP status, which ensures LP an ultimate state guarantee on its obligations, but not a timely and explicit guarantee as reflected by the rating differentiation between LP and the Republic of France.“

(133)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „The EC recently recommended that the French government end this guarantee by year-end 2008, which they believe provides LP with more favorable financing conditions than its competitors in a market in the process of being liberalized. The ratings on La Poste were unaffected by this recommendation since we consider that a change in La Poste’s status would not necessarily reflect a decrease in the strong state support that underpins La Poste’s ratings and that has been reaffirmed by recent government decisions“.

(134)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „A change in the group’s ownership structure would lead Standard & Poor’s to shift to a bottom-up rating approach, focusing more onLP’s stand-alone business and financial profiles. This rating approach may not necessarily translate into rating changes given the expected improvement in La Poste’s stand-alone situation in the coming years.“ (Eine Änderung der Eigentumsstruktur der Gruppe würde Standard and Poor’s veranlassen, zu einem Bottom-Up-Ansatz überzugehen und sich zunehmend auf das geschäftliche und finanzielle Profil von La Poste selbst zu konzentrieren. Dieser Ratingansatz würde angesichts der erwarteten Besserung der Situation von La Poste in den kommenden Jahren nicht unbedingt zu einer Änderung des Ratings führen).

(135)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „The ratings on La Poste could be downgraded, however, if state backing for the company were to weaken“ (Das Rating von La Poste könnte jedoch herabgestuft werden, wenn die Unterstützung des Staates für dieses Unternehmen nachlässt).

(136)  Siehe Abschnitt 3.2.1.D dieses Beschlusses und Teil V.4 der Äußerungen der französischen Behörden vom 23. Januar 2008.

(137)  Siehe Teil V 4 a der Stellungnahmen Frankreichs vom 23. Januar 2008.

(138)  Siehe Ziffer 186 der Stellungnahmen Frankreichs vom 23. Januar 2008.

(139)  Siehe Tabelle 1 in „Ratings direct“ zu La Poste, S & P, 3. April 2007.

(140)  Auszug aus „International Postal Entities: Influence of government support on ratings“, Standard and Poor’s, 22 novembre 2004: „Unlike the credit quality of companies that operate in a commercial manner at arm’s length from the government, like SingPost, Deutsche Post or TPG, a major factor underpinning La Poste’s robust credit quality is its extremely strong State support. La Poste’s legal status confers the ultimate statutory guarantee of the Republic of France (AAAA/Stable/A-1+) on its obligations“.

(141)  Siehe Ziffer 196 der Stellungnahmen Frankreichs vom 23. Januar 2008.

(142)  Siehe Ziffern 198-200 der Stellungnahmen Frankreichs vom 23. Januar 2008.

(143)  „International Postal Entities: Influence of government support on ratings“, Standard and Poor’s, 22. November 2004.

(144)  Auszug aus „Ratings direct“ über La Poste, S & P, 3. April 2007: „The ratings nevertheless already factor in the long-term likelihood of a change in the group’s capital structure, which would require a change in its current ‚établissement public‘ legal status and result in the loss of the state’s ultimate guarantee on LP’s financial obligations, the elimination of which was recently recommended by the European Commission“. Unter den ermittelten Schwachstellen von La Poste werden im Übrigen genannt: „Likely capital structure change at company or bank level in the long term“.

(145)  Der Mid Swap ist der Mittelwert aus den zu einem bestimmten Zeitpunkt angebotenen und vorgeschlagenen Sätzen je Laufzeit im Interbankenhandel, d. h. der feste Satz, bei dem eine Bank im Allgemeinen bereit ist, gegen einen 6-Monats-Euribor zu tauschen. Dieser Satz stellt insbesondere bei Obligationsanleihen den Referenzwert des Marktes dar.

(146)  EuGH 14. Februar 1990„Boussac“, Frankreich/Kommission, Rechtssache C-301/87, Slg. S.I-307, Randnummer 33.

(147)  EuGeI 11. März 2009, TF1/Kommission, Rechtssache T-354/05, Slg. S. II-113, Randnummern 166 und 167.

(148)  In ihrer Entscheidung EDF (Randnummer 57 der Entscheidung 2005/145/EG der Kommission vom 16. Dezember 2003 über staatliche Beihilfen, die Frankreich EDF und der Strom- und Gaswirtschaft gewährt hat (ABl. L 49 vom 22.2.2005, S. 9), vertrat die Kommission die Auffassung, „dass die Tatsache, dass EDF unmöglich einem gerichtlichen Sanierungs- oder Vergleichsverfahren unterliegen kann und folglich nicht Konkurs machen kann, einer allgemeinen Garantie für sämtliche Verbindlichkeiten des Unternehmens gleichkommt. Eine solche Garantie kann nicht Gegenstand irgendeiner Vergütung nach den Vorschriften des Marktes sein. Diese Garantie, die in ihrer Abdeckung, ihrer Dauer und ihrer Höhe unbegrenzt ist, stellt eine staatliche Beihilfe dar“.

(149)  Siehe Mitteilung über Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften, Ziffer 2.1 dritter Absatz.

(150)  ABl. L 15 vom 21.1.1998, S. 14.

(151)  Siehe beispielsweise die Entscheidung 2005/145/EG.

(152)  Siehe insbesondere Ziffer 1.5 der Bürgschaftsmitteilung, mit der der Neutralitätsgrundsatz bekräftigt wird, und Ziffer 2.1, unter der ausgeführt wird, dass eine staatliche Garantie auf der bloßen Tatsache der Rechtsform beruhen kann (zweiter und vierter Gedankenstrich).

(153)  Fall E 10/2000 „Anstaltslast und Gewährträgerhaftung“, Ziffer 5 des Vorschlags geeigneter Maßnahmen vom 8. Mai 2001. Abrufbar über die Website der Kommission: http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2000/e010-00-1.pdf

(154)  Siehe Entscheidung 2005/145/EG.


19.10.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 274/54


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 26. Februar 2010

über die staatliche Beihilfe C 9/09 (ex NN 45/08, NN 49/08 und NN 50/08) des Königreichs Belgien, der Französischen Republik und des Großherzogtums Luxemburg zugunsten von Dexia SA

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 1180)

(Nur der französische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2010/606/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme gemäß den genannten Artikeln (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.   VERFAHREN

1.1.   SOFORTMASSNAHMEN ZUGUNSTEN VON DEXIA

(1)

Am 30. September 2008 kündigten die Behörden Belgiens, Frankreichs und Luxemburgs (nachstehend „beteiligte Mitgliedstaaten“ genannt) öffentlich die Durchführung der in Abschnitt 3.1 dieses Beschlusses beschriebenen Kapitalerhöhung (nachstehend „Kapitalerhöhung“ genannt) an. Am 9. Oktober 2008 kündigten die beteiligten Mitgliedstaaten die Durchführung der in Abschnitt 3.2 beschriebenen Garantie (nachstehend „Garantie“ genannt) an.

(2)

Mit Schreiben vom 1. und 2. Oktober 2008, eingegangen bei der Kommission am gleichen Tag, unterrichteten die beteiligten Mitgliedstaaten die Kommission über die im Rahmen der Kapitalerhöhung ergriffenen Maßnahmen. Anschließend gingen der Kommission Schreiben zur Begründung der Dringlichkeit der von den beteiligten Mitgliedstaaten im Rahmen der Kapitalerhöhung ergriffenen Maßnahmen zu:

Schreiben der Banque nationale de Belgique (nachstehend „BNB“ genannt), eingegangen am 1. Oktober 2008;

Schreiben der Banque de France, eingegangen am 2. Oktober 2008;

Schreiben der Commission luxembourgeoise de surveillance des services financiers (nachstehend „CSSF“ genannt), eingegangen am 10. Oktober 2008.

(3)

Mit Schreiben vom 9., 13. und 17. Oktober 2008 unterrichteten die beteiligten Mitgliedstaaten die Kommission über die Durchführung der Garantie.

(4)

Mit Schreiben vom 2., 13. und 14. Oktober 2008 verpflichteten sich die beteiligten Mitgliedstaaten, der Kommission unter Berücksichtigung der Maßnahmen vom 3. und 9. Oktober innerhalb von sechs Monaten ab dem 3. Oktober 2008 einen Umstrukturierungsplan für Dexia vorzulegen.

(5)

Mit Schreiben vom 8. und 13. Oktober informierte die BNB die Kommission im Bestreben um Transparenz über eine Liquiditätshilfe (Liquidity Assistance, nachstehend „LA“ genannt), die von der BNB in Zusammenarbeit mit der Banque de France aufgrund vorübergehender Liquiditätsprobleme von Dexia bereitgestellt worden war. Sie hielt die Kommission über die in Anspruch genommenen Beträge auf dem Laufenden.

(6)

Am 14. November 2008 kündigten Belgien und Frankreich öffentlich die Einrichtung einer Garantie für die Finanzprodukte der Tochtergesellschaft Financial Security Assurance (nachstehend „FSA“ genannt) von Dexia an (nachstehend „FSA-Maßnahme“ genannt).

1.2.   ERSTE ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION: KEINE EINWÄNDE GEGEN DIE SOFORTMASSNAHMEN

(7)

Am 19. November 2008 (2) entschied die Kommission, keine Einwände gegen die Liquiditätshilfe und die Garantie der beteiligten Mitgliedstaaten für bestimmte Verbindlichkeiten von Dexia zu erheben. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass diese Maßnahmen auf der Grundlage von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (3) als Rettungsbeihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten mit dem Gemeinamen Markt vereinbar waren, und genehmigte diese Maßnahmen für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem 3. Oktober 2008 unter dem Hinweis darauf, dass sie die Beihilfe nach Ablauf dieses Zeitraums als strukturelle Maßnahme neubewerten müsse.

(8)

Zudem wurde in der Entscheidung vom 19. November 2008 ausdrücklich vorgesehen, dass die anderen Beihilfemaßnahmen im Rahmen eines weiteren Verfahrens separat geprüft würden.

1.3.   BESCHWERDE EINES DRITTEN GEGEN DIE VON DEXIA ERHALTENEN MUTMASSLICHEN STAATLICHEN BEIHILFEN

(9)

Am 6. November 2008 ging bei der Kommission eine Beschwerde gegen mutmaßlich rechtswidrige staatliche Beihilfen zugunsten von Dexia ein. Diese Beschwerde wurde von einem Wettbewerber von Dexia Banque Belgique (nachstehend „DBB“ genannt) eingelegt und betrifft insbesondere die von den Behörden und den belgischen Aktionären von Dexia gezeichnete Kapitalerhöhung von 3 Mrd. EUR sowie die Garantie des belgischen Staats für Interbanken- und ähnliche Kredite zugunsten von Dexia.

(10)

Eine nicht vertrauliche Fassung des Beschwerdeformulars und der zugehörigen Anlagen übermittelte die Kommission mit Schreiben vom 13. November 2008 an die belgischen Behörden. Die belgischen Behörden äußerten sich gegenüber der Kommission mit Schreiben vom 19. November 2008 zu der Beschwerde.

1.4.   VERLÄNGERUNG DER MASSNAHMEN UND UMSTRUKTURIERUNGSPLAN FÜR DEXIA

(11)

Entsprechend ihren Verpflichtungen meldeten die Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten am 16., 17. und 18. Februar 2009 einen Umstrukturierungsplan für Dexia (nachstehend „ursprünglicher Umstrukturierungsplan“ genannt) bei der Kommission an. Am 27. Februar sowie am 3., 5., 6., 7., 8. und 9. März 2009 wurden ergänzende Informationen zum ursprünglichen Umstrukturierungsplan vorgelegt.

(12)

Im Übrigen ersuchten die Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten die Kommission im Rahmen dieses ursprünglichen Umstrukturierungsplans um die Genehmigung, den Garantiemechanismus bis zu dem im Garantievertrag vorgesehenen Ablauftermin, d. h. bis zum 31. Oktober 2009, zu verlängern und die Vergütung für diese Garantie für Obligationen mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat bei 25 Basispunkten zu lassen. Darüber hinaus ersuchten sie die Kommission zu bestätigen, dass im Fall der Verlängerung der Garantie über Oktober 2009 hinaus (bis Oktober 2010) diese Erweiterung mit dem Binnenmarkt vereinbar wäre.

(13)

Zudem beantragte die belgische Regierung vorsorglich die Verlängerung der Liquiditätshilfe der BNB zugunsten von Dexia bis zum 31. Oktober 2009.

(14)

Schließlich meldeten die belgische und die französische Regierung bei der Kommission die Einführung der am 14. November 2007 öffentlich angekündigten FSA-Maßnahme an.

1.5.   ZWEITE ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION: ERÖFFNUNG DES FÖRMLICHEN PRÜFVERFAHRENS

(15)

Mit Schreiben vom 13. März 2009 unterrichtete die Kommission die belgischen, französischen und luxemburgischen Behörden über ihre Entscheidung, wegen der Beihilfen zugunsten von Dexia das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV zu eröffnen (4). Um eine schnelle Veräußerung der FSA zu ermöglichen, erhob die Kommission jedoch in diesem Schreiben gegen bestimmte Aspekte der FSA-Maßnahme keine Einwände; sie wurden als nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass die bis zum 30. Oktober 2009 geltende Garantie der beteiligten Mitgliedstaaten zugunsten von Dexia bis zur endgültigen Entscheidung der Kommission zum Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens als nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden könne.

(16)

Die Entscheidung der Kommission über die Eröffnung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die Kommission forderte die Beteiligten auf, sich zu den fraglichen Beihilfen zu äußern (5).

(17)

Bei der Kommission gingen keine Äußerungen von Beteiligten hierzu ein.

(18)

Bei den Aspekten im Zusammenhang mit der FSA-Maßnahme (Bewertung der unter die Maßnahme fallenden Vermögenswerte und Vergütung der Maßnahme) stützte sich die Kommission auf die fachliche Prüfung von externen, im Auftrag der Kommission tätigen Sachverständigen (Oliver Wyman).

1.6.   DRITTE ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION: VERLÄNGERUNG DER GARANTIE

(19)

Da der Garantievertrag zwischen Dexia und den beteiligten Mitgliedstaaten am 31. Oktober 2009 auslief, meldeten diese bei der Kommission am 27. Oktober 2009 die Verlängerung der Garantievereinbarung bis zum 28. Februar 2010 mit bestimmten Anpassungen an. Informationen über die am Garantievertrag vorgenommenen Änderungen wurden der Kommission am 10. September, 8. Oktober und 27. Oktober 2009 zugeleitet.

(20)

Die Kommission genehmigte die Verlängerung der Garantie mit ihrer Entscheidung vom 30. Oktober 2009 (6) bis zum 28. Februar 2010 bzw. bis zum Datum einer Entscheidung oder eines Beschlusses der Kommission über die Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahmen und des Umstrukturierungsplans für Dexia, falls diese bzw. dieser vor dem 28. Februar 2010 erlassen werden sollte. In ihrer Entscheidung wies die Kommission darauf hin, dass anhand der Maßnahmen des ursprünglichen Umstrukturierungsplans nach damaligem Stand nicht über die Vereinbarkeit der Beihilfen entschieden werden konnte.

1.7.   ZUSÄTZLICHE MASSNAHMEN DES UMSTRUKTURIERUNGSPLANS FÜR DEXIA

(21)

Mit Schreiben vom 9. Februar 2010 übermittelten die beteiligten Mitgliedstaaten der Kommission Informationen über die geplanten zusätzlichen Maßnahmen zur Ergänzung des im Februar 2009 angemeldeten ursprünglichen Umstrukturierungsplans. Alle Umstrukturierungsmaßnahmen, die von Februar 2009 bis Februar 2010 angemeldet wurden, bilden gemeinsam den Umstrukturierungsplan für Dexia (nachstehend „Umstrukturierungsplan“ genannt).

(22)

Mit Schreiben vom 10. Februar 2010 teilten die belgischen Behörden der Kommission mit, dass sie im Interesse eines umgehend erlassenen Beschlusses auch einen Beschluss in französischer Sprache akzeptieren würden.

II.   BESCHREIBUNG DES BEIHILFEEMPFÄNGERS

(23)

Dexia ist eine im Banken- und Versicherungssektor tätige Finanzgruppe. Die Muttergesellschaft Dexia SA ist eine Aktiengesellschaft belgischen Rechts, die an den Börsen Euronext Paris und Euronext Brüssel notiert ist. Am 31. Dezember 2008 betrug die Börsenkapitalisierung 5,64 Mrd. EUR. Die 1996 aus dem Zusammenschluss von Crédit Local de France und Crédit communal de Belgique hervorgegangene Finanzgruppe Dexia ist auf die Vergabe von Darlehen an Kommunen spezialisiert, hat jedoch auch 5,5 Mio. Privatkunden, vor allem in Belgien und — über ihre türkische Tochtergesellschaft DenizBank — in der Türkei.

(24)

Nach der Kapitalerhöhung vom 3. Oktober 2008 stellten sich die Anteilsverhältnisse der Hauptaktionäre von Dexia SA wie folgt dar:

Name des Zeichnenden

% vor der Kapitalerhöhung

Gezeichneter Betrag (in Mio. EUR)

% am 31. Dezember 2008

Regierung Belgiens

1 000

5,73

Region Flandern

500

2,87

Region Wallonien

350

2,01

Region Brüssel-Hauptstadt

150

0,86

Holding Communal SA

17

500

14,34

Arcofin SCRL

18,08

350

13,92

Ethias

6,37

150

5,04

Regierung Frankreichs

1 000

5,73

CDC

11,89

1 710

17,61

CNP Assurances

2

288

2,97

Beschäftigte

3,92

 

2,57

Free float

40,74

26,86

(25)

Die Organisationsstruktur von Dexia umfasst die Muttergesellschaft (Dexia SA) und drei operative Kernunternehmen in Frankreich (Dexia Crédit Local, nachstehend „DCL“ genannt), Belgien (nachstehend „DBB“ genannt) und Luxemburg (Dexia Banque Internationale à Luxembourg, nachstehend „Dexia BIL“ genannt). Die Bilanzsumme der Gruppe belief sich am 31. Dezember 2008 auf 651 Mrd. EUR; die der einzelnen operativen Unternehmen auf:

414 Mrd. EUR für DCL;

263 Mrd. EUR für DBB;

67 Mrd. EUR für Dexia BIL.

(26)

Seit ihrer Gründung ist die Finanzgruppe Dexia in den folgenden vier Geschäftsfeldern tätig:

Finanzdienstleistungen für Kunden der öffentlichen Hand (nachstehend „Public and Wholesale Banking“ oder „PWB“ genannt): Dieses Geschäftsfeld umfasst Kredite für Kommunen, Projektfinanzierung, Credit Enhancement (Bonitätsverbesserung) über die Tochtergesellschaft FAS von DCL, die im Juli 2009 an Assured Guaranty verkauft wurde, und den Besitz und die aktive Verwaltung eines Portfolios aus Obligationen und forderungsbesicherten Wertpapieren (nachstehend „Asset Backed Securities“ oder „ABS“ genannt). Einen erheblichen Teil dieser Aktivitäten leiten DCL und deren internationale Tochtergesellschaften, mit Ausnahme des PWB-Geschäfts in Belgien, für das DBB zuständig ist;

Finanzdienstleistungen für Privatkunden (nachstehend „Retail and Commercial Banking“ oder „RCB“ genannt): Dieses Geschäftsfeld umfasst Einlagen und Kredite von bzw. für Privatkunden und Unternehmen in Belgien, der Türkei, der Slowakei und Luxemburg sowie die Privatbank in Luxemburg und Belgien; diese Aktivitäten werden von DBB und Dexia BIL sowie — was die Geschäfte in der Türkei betrifft — von der Tochtergesellschaft DenizBank der Dexia SA geleitet;

Liquiditäts- und Finanzmarktaktivitäten (nachstehend „Treasury and Financial Markets“ oder „TFM“ genannt): Dieses Geschäftsfeld umfasst alle Tätigkeiten des Liquiditätsmanagements und der Aktiv-Passiv-Steuerung (nachstehend „Asset Liability Management“ oder „ALM“ genannt) und des Eigenhandels von Dexia;

die sonstigen Tätigkeiten, die die Vermögensverwaltung (zusammengefasst in Dexia Asset Management, nachstehend „Dexia AM“ genannt), Dienstleistungen für Investoren (die über die gemeinsame Tochtergesellschaft von Dexia und der Banque Royale du Canada, RBC Dexia Investor Services, nachstehend „RBC Dexia IS“ genannt, angeboten werden) und das Versicherungsgeschäft der Gruppe, das in Belgien, Frankreich (Dexia Epargne Pension, nachstehend „DEP“ genannt), der Türkei und Irland betrieben wird, umfassen.

(27)

In der Zeit von ihrer Gründung bis zur Krise im Herbst 2008 unterschied sich die Geschäftstätigkeit von Dexia in den folgenden Punkten von der Tätigkeit anderer europäischer Geschäftsbanken:

eine Stammkundschaft, die Kommunen, die durch niedrige Margen bei Krediten und relativ lange Laufzeiten gekennzeichnet ist;

überwiegend kurzfristige, auf dem Interbanken- und Geldmarkt erhaltene Finanzierungsmittel im Vergleich zu langfristigen Aktiva (Kredite an Kommunen, Projektfinanzierungen, Obligationen-Portfolio);

starke Abhängigkeit der Finanzierung von weniger stabilen Quellen wie dem Interbankenmarkt oder der Mittelaufnahme bei institutionellen Anlegern;

Margenstreben außerhalb der traditionellen Geschäftstätigkeit der Gruppe (Finanzierung von Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen), vor allem durch:

i)

Credit-Enhancement-Aktivitäten über ihre Tochtergesellschaft FSA;

ii)

Eigenhandel;

iii)

Eigeninvestitionen in ein im Wesentlichen aus Obligationen bestehendes Portfolio, das zum 31. Dezember 2008 auf 233 Mrd. EUR geschätzt wurde (d. h. 36 % der Bilanzsumme von Dexia zum damaligen Zeitpunkt);

iv)

Verkauf von Derivaten und strukturierten Finanzprodukten.

(28)

Aufgrund dieser Besonderheiten weist auch das Refinanzierungsprofil besondere Merkmale auf, wobei ein wesentlicher Teil der Gruppe (hautsächlich DCL) strukturellen Finanzierungsbedarf hat und diesen vor allem mit Finanzierungen aus anderen Teilen der Gruppe (im Wesentlichen DBB und Dexia BIL) und über die Geld-, Anleihe- und Pfandbriefmärkte deckt.

(29)

Als der Interbanken- und Pfandbriefmarkt im September 2008 nach dem Konkurs von Lehman Brothers zum Erliegen kam, musste Dexia eine akute kurzfristige Finanzierungslücke von [200-300] (7) Mrd. EUR schließen ([31-46] % der Bilanzsumme der Gruppe am 31. Dezember 2008). Die Lage der Bank verschärfte sich im September und Oktober 2008 aufgrund von hohen ausstehenden Forderungen gegenüber Banken und Staaten (amerikanische, irische und isländische Banken), Wertminderungen der von Dexia direkt gehaltenen oder von ihrer Tochtergesellschaft FSA besicherten Aktiva und des Kurseinbruchs bei den von der Gruppe gehaltenen Aktien. Der Gesamtbetrag der Verluste und Wertminderungen der Gruppe belief sich zum 30. September 2009 auf 6,5 Mrd. EUR (davon 5,9 Mrd. EUR zum 31. Dezember 2008).

(30)

Im Hinblick auf weitere Einzelheiten zu den Ereignissen, die Auslöser für die Schwierigkeiten von Dexia waren, verweist die Kommission auf ihre Entscheidungen vom 19. November 2008, 13. März 2009 und 30. Oktober 2009.

(31)

Als Reaktion auf diese Schwierigkeiten richtete die am 7. Oktober 2008 ernannte neue Führungsspitze der Gruppe einen Restrukturierungsplan ein. Dieser sah vor, dass sich die Gruppe wieder auf ihr Kerngeschäft (d. h. die Geschäftsfelder PWB und RCB) konzentrieren sollte. Darüber hinaus sollten das Risikoprofil verbessert und der Bedarf an kurzfristigen Finanzierungsmitteln gesenkt werden. Dieser Restrukturierungsplan sah im Wesentlichen folgende Maßnahmen vor:

Veräußerung des Credit-Enhancement-Geschäfts von FSA an Assured Guaranty, wobei das Investment-Portfolio von FSA („Financial Products“) bei Dexia bleiben sollte (8);

Reduzierung der internationalen Aktivitäten im Bereich PWB (d. h. die PWB-Aktivitäten von DCL außerhalb Frankreichs, Italiens und Spaniens);

Abbau eines erheblichen Teils des Obligationen-Portfolios (158 Mrd. EUR zum 31. Dezember 2008);

Einstellung des gesamten Eigenhandels von TFM und Zusammenführung der Aktivitäten ALM und Liquiditätsmanagement in einem neuen Geschäftsfeld namens „Group Center“;

Kostensenkungsprogramm.

(32)

Nach der Einführung des Restrukturierungsplans Anfang 2009 besserte sich die Lage von Dexia. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2009 konnte die Gruppe ein positives Nettoergebnis von 808 Mio. EUR erwirtschaften.

III.   BESCHREIBUNG DER MASSNAHMEN

3.1.   DIE KAPITALERHÖHUNG

(33)

Die Kommission verweist auf ihre Entscheidung vom 19. November 2008. Die Kapitalerhöhung von 6 Mrd. EUR durch die belgischen und französischen Aktionäre im Wege der Zeichnung von Stammaktien der Dexia SA wurde am 3. Oktober 2008 vollzogen. Die Aktionäre, denen diese Kapitalerhöhung vorbehalten war, zeichneten wie folgt:

a)

Belgien:

der belgische Staat investierte 1 Mrd. EUR in Dexia SA;

die Region Flandern investierte 500 Mio. EUR in Dexia SA;

die Region Wallonien investierte 350 Mio. EUR in Dexia SA;

die Region Brüssel-Hauptstadt investierte 150 Mio. EUR in Dexia SA;

die Holding Communal SA investierte 500 Mio. EUR in Dexia SA;

Arcofin SCRL investierte 350 Mio. EUR in Dexia SA;

Ethias investierte 150 Mio. EUR in Dexia SA;

b)

Frankreich:

der französische Staat investierte 1 Mrd. EUR in Dexia SA; Diese Beteiligung wird von der Agence des participations de l’État verwaltet;

die Gruppe Caisse des Dépôts et Consignations (CDC) investierte 1,71 Mrd. EUR in Dexia SA;

CNP Assurances investierte 288 Mio. EUR in Dexia SA.

(34)

Der luxemburgische Staat verpflichtete sich im September 2008, 376 Mio. EUR in Form von Wandelanleihen mit dreijähriger Laufzeit mit einem Zinssatz von 10 % pro Jahr und einer Umwandlung in Stammaktionen nach zu vereinbarenden Bedingungen in Dexia BIL zu investieren. In dem im Februar 2010 angemeldeten Umstrukturierungsplan teilte Dexia mit, mit Wirkung vom Tag dieses Beschlusses an endgültig auf die Inanspruchnahme der Wandelanleihe von Dexia BIL zu verzichten.

3.2.   DIE GARANTIE FÜR VERBINDLICHKEITEN

(35)

Die von den beteiligten Mitgliedstaaten am 9. Oktober 2008 übernommene Garantie für Verbindlichkeiten von Dexia war bereits Gegenstand der Entscheidung vom 19. Oktober 2008. Mit dem Garantievertrag verpflichteten sich die drei beteiligten Mitgliedstaaten gemeinsam, vom 9. Oktober 2008 bis zum 31. Oktober 2009 neue institutionelle und Interbankenkredite sowie für die von Dexia SA, Dexia BIL, DCL und DBB aufgenommenen neuen Anleihen mit Laufzeiten von bis zu drei Jahren zu besichern. Die Garantie mit einem anfänglichen Höchstbetrag von 150 Mrd. EUR wurde zu 60,5 % von Belgien, zu 36,5 % von Frankreich und zu 3 % von Luxemburg gestellt.

(36)

In ihrer Entscheidung vom 19. November 2008 genehmigte die Kommission die Garantie als dringende Rettungsmaßnahme für einen Zeitraum von sechs Monaten ab ihrer Einführung. Gemäß dieser Entscheidung verlängerte sich dieser Zeitraum bei Vorlage eines Umstrukturierungsplans für den Beihilfeempfänger gemäß den Verpflichtungen der drei beteiligten Mitgliedstaaten automatisch bis zum Erlass einer Entscheidung bzw. eines Beschlusses der Kommission über diesen Umstrukturierungsplan.

(37)

Da der Garantievertrag zwischen Dexia und den beteiligten Mitgliedstaaten am 31. Oktober 2009 auslief, meldeten diese bei der Kommission am 27. Oktober 2009 die Verlängerung des Garantievertrags bis zum 28. Februar 2010 mit bestimmten Anpassungen an.

(38)

Die Bedingungen der Garantie wurden gegenüber der ursprünglichen Garantie zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten und Dexia vom 9. Oktober 2008 folgendermaßen geändert:

a)

Der Höchstbetrag der Garantie der beteiligten Mitgliedstaaten für die Obligationen von Dexia wurde von 150 Mrd. EUR auf 100 Mrd. EUR gesenkt; in einem Zusatzvertrag verpflichtete sich Dexia, alles daran zu setzen, dass die Unterstützung der beteiligten Mitgliedstaaten vom 1. November 2009 an nicht mehr als 80 Mrd. EUR beträgt;

b)

die letztmögliche Fälligkeit der unter die Garantie fallenden Obligationen wurde vom 31. Oktober 2011 auf den 31. Oktober 2014 verschoben (9);

c)

am 16. Oktober 2009 läuft die Garantie für alle Verträge mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Monat sowie für Sichteinlagen, die im Garantiemechanismus Verträgen mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat gleichgestellt sind, aus.

(39)

Alle anderen Bedingungen des ursprünglichen Garantievertrags vom 9. Oktober 2008 und insbesondere die folgenden Vergütungsbedingungen gelten fort:

a)

Die Vergütung für die Garantie besteht in einer Provision in Höhe von 50 Basispunkten per anno für alle garantierten Obligationen mit einer Laufzeit von bis zu zwölf Monaten oder mit unbefristeter Laufzeit; diese Provision ist von Dexia monatlich anteilig für den jeweils abgesicherten Kreditbetrag zu zahlen;

b)

für alle garantierten Obligationen mit mehr als einjähriger Laufzeit beträgt die Garantievergütung 50 Basispunkte per anno zuzüglich des kleineren der beiden folgenden Werte für jede garantierte Obligation: entweder der Mittelwert der 5-jährigen Senior CDS Spreads von Dexia, berechnet für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. August 2008 (sofern diese Spreads repräsentativ sind), oder der Mittelwert der 5-jährigen CDS Spreads aller Kreditinstitute, deren Langfrist-Rating gleichwertig zu dem von Dexia ist, berechnet für den gleichen Zeitraum.

(40)

Die Provision berechnet sich in jedem Fall anhand des Mittelwerts der besicherten Obligationen mit der jeweiligen Fälligkeit, für die die Garantie währen des letzten Monatszeitraums in Anspruch genommen wurde.

(41)

Der Höchstbetrag der durch die Garantie besicherten Verbindlichkeiten von Dexia belief sich am 27. Mai 2009 auf 95,9 Mrd. EUR (10). Abbildung 1 zeigt, wie sich der Betrag der durch die Garantie abgesicherten Verbindlichkeiten von Dexia vom 9. Oktober 2008 bis zum 11. Februar 2010 entwickelte.

Abbildung 1

Entwicklung der durch die Garantie abgesicherten Verbindlichkeiten von Dexia

Image

(42)

In ihrer Entscheidung vom 30. Oktober 2009 erhob die Kommission keine Einwände gegen die Verlängerung der Garantie der beteiligten Mitgliedstaaten zugunsten von Dexia bis zum 28. Februar 2010 und sah die Garantie als nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbare dringende Rettungsmaßnahme an.

3.3.   DIE LIQUIDITÄTSHILFE (LA)

(43)

Die von der BNB in Zusammenarbeit mit der Banque de France bereitgestellte Liquiditätshilfe war bereits Gegenstand der Kommissionsentscheidung vom 19. November 2008. […]

(44)

Gemäß dem Gesetz vom 15. Oktober 2008 (11) mit Maßnahmen zur Förderung der finanziellen Stabilität und zur Einrichtung einer Staatsgarantie für Kredite und sonstige Transaktionen im Rahmen der finanziellen Stabilität (Loi du 15 octobre 2008 portant des mesures visant à promouvoir la stabilité financière et instituant en particulier une garantie d’Etat aux crédits octroyés et autres opérations effectuées dans le cadre de la stabilité financière) sind die Kredite, die Dexia von der BNB gewährt werden, automatisch und rückwirkend durch die Garantie des belgischen Staates abgesichert. Diese Garantie betrifft nicht den für Rechnung der Banque de France gewährten Anteil der Liquiditätshilfe.

(45)

Den der Kommission von der BNB übermittelten Angaben zufolge wurde die LA vom Rat der Europäischen Zentralbank (nachstehend „EZB“ genannt) in Höhe von bis zu […] Mrd. EUR genehmigt. Diese Fazilität wurde von Dexia hauptsächlich von Oktober bis November 2008 in Anspruch genommen.

(46)

In ihrer Entscheidung vom 19. November 2008 genehmigte die Kommission die LA als dringende Rettungsmaßnahme für einen Zeitraum von sechs Monaten ab ihrer Einführung. Bei der Anmeldung des Umstrukturierungsplans für Dexia am 17. Februar 2009 beantragte die belgische Regierung jedoch vorsorglich auch die Verlängerung der LA der BNB für Dexia bis zum 31. Oktober 2009 für den Fall, dass die Kommission die Auffassung vertreten sollte, dass diese Maßnahme Beihilfeelemente enthält.

3.4.   DIE FSA-MASSNAHME

(47)

Die FSA-Maßnahme war Gegenstand der Kommissionsentscheidung vom 13. März 2009. Im Rahmen dieser Maßnahme leisten die belgische und die französische Regierung eine Garantie, um Dexia zu ermöglichen, einem Optionsvertrag (nachstehend „Put-Option“ genannt) nachzukommen, mit dem FSA Asset Management (nachstehend „FSAM“ genannt), die frühere, nicht an Assured Guaranty veräußerte Tochtergesellschaft von FSA, die Option hat, bei Eintreten bestimmter auslösender Ereignisse bestimmte Aktiva des FSAM-Portfolios an Dexia SA und/oder DCL zu verkaufen (siehe Erwägungsgründe 50 bis 59).

3.4.1.   HINTERGRUND

(48)

Das Geschäftsfeld Financial Products (nachstehend „FP“ genannt) wurde bei der Veräußerung von FSA an Assured Guaranty ausgeklammert. Das Geschäftsfeld FP besteht im Wesentlichen i) in der Annahme von Einlagen Dritter, denen gegenüber sich FSA verpflichtet, die Einlagen im Rahmen von Guaranteed Investment Contracts (kapitalgarantierte Investmentverträge, nachstehend „GIC“ genannt) zu verzinsen, und ii) in der Reinvestition dieser Einlagen in Wertpapiere mit einer über den Zinsen der GIC-Einlagen liegenden Rendite, so dass im Prinzip eine positive Nettozinsmarge erwirtschaftet wird. Technisch gesehen werden die GIC von Tochtergesellschaften von FSA (nachstehend „GIC Companies“ genannt) geschlossen, die den Ertrag aus diesen Einlagen wiederum einem anderen Unternehmen der Gruppe, FSAM, leihen, die das Aktiva-Portfolio zusammenstellt und verwaltet, das zur Rückzahlung der Verbindlichkeiten und Verpflichtungen im Zusammenhang mit den GIC an die Gegenparteien dient. FSAM und die GIC Companies, die am Geschäftsfeld FP beteiligt sind, wurden somit von den an Assured Guaranty veräußerten Aktiva ausgeklammert und verblieben bei Dexia.

(49)

Das Aktiva-Portfolio von FSAM umfasst im Wesentlichen Wertpapiere des amerikanischen Immobilienmarktes, deren Marktwert und/oder Rating stark unter der Subprime- und Finanzkrise gelitten haben. Da FSA für die Aktiva und Passiva des Geschäftsfelds FP bürgt, hat ihre Ausklammerung bei der Veräußerung zwangsläufig zur Folge, dass Dexia für die FP-Aktivitäten garantiert, so dass die von FSA geleisteten Sicherheiten nicht in Anspruch genommen werden müssen. Angesichts der schwierigen Finanzlage von Dexia und der Höhe der theoretisch im Rahmen der GIC eingeforderten Beträge war aus Sicht des Käufers von FSA, Assured Guaranty, eine Rückdeckung von Dexia durch den belgischen und den französischen Staat unverzichtbar.

3.4.2.   WICHTIGSTE MODALITÄTEN

(50)

Die Put-Option ist ein Vertrag, aufgrund dessen FSAM berechtigt ist, an Dexia SA und/oder DCL bestimmte Aktiva, die sich am 30. September 2008 im FSAM-Portfolio befinden (insgesamt 16,98 Mrd. USD Restnennwert), bei Eintreten bestimmter auslösender Ereignisse wie der im Folgenden aufgeführten zu verkaufen:

bei einem Ausfall der Aktiva, d. h. wenn die Hauptsumme oder die fälligen Zinsen auf einen Vermögenswert des Portofolios nicht bei Fälligkeit gezahlt werden. In diesem Fall bezieht sich die Verkaufsoption auf die betroffenen Aktiva, die zu ihrem Restnennwert zuzüglich der fälligen Zinsen an Dexia verkauft werden;

bei Zahlungsunfähigkeit von Dexia; in diesem Fall bezieht sich die Verkaufsoption auf alle unter die Verkaufsoption fallenden Aktiva des FSAM-Portfolios oder auf eine Anzahl von Aktiva, deren Restnennwert gleich dem Gesamtwert der Verbindlichkeiten im Rahmen der GIC ist, falls dieser zweite Betrag geringer als der erste ist. Die betroffenen Aktiva werden zu ihrem Restnennwert zuzüglich der fälligen Zinsen veräußert;

bei Liquiditätsausfall, d. h. wenn Dexia ihren Verpflichtungen im Rahmen der zugunsten von FSAM geschlossenen oder zu schließenden Liquiditätsvereinbarungen nicht nachkommt. In diesem Fall bezieht sich die Verkaufsoption auf eine Anzahl von Aktiva, deren Restnennwert gleich dem Betrag des Liquiditätsausfalls ist und die zu ihrem Restnennwert zuzüglich der fälligen Zinsen an Dexia verkauft werden;

bei einem Ausfall der Sicherheiten (Collateral), d. h. wenn Dexia FSMA keine Sicherheiten in Höhe der Differenz zwischen dem Wert der Verbindlichkeiten im Rahmen der GIC und dem Marktwert der Aktiva von FSM nach Abzug eines Abschlags (Haircut) beibringt. In diesem Fall bezieht sich die Verkaufsoption auf eine Zahl von Aktiva, deren Restnennwert gleich dem Betrag der ausgefallenen Sicherheiten ist und die an Dexia zu ihrem Restnennwert zuzüglich der fälligen Zinsen verkauft werden.

(51)

Im Rahmen des Garantievertrags verpflichten sich der belgische Staat (zu 62,4 %) und der französische Staat (zu 37,6 %) zur — nicht gesamtschuldnerischen — Übernahme einer Garantie für die Verbindlichkeiten von Dexia im Rahmen dieser Put-Option, jedoch unter Abzug ausgenommener Aktiva (nachstehend „ausgenommene Aktiva“ genannt) in Höhe von 4,5 Mrd. USD, so dass sich der Nennwert der Aktiva des unter die garantierte Put-Option fallenden Portfolios (nachstehend „gedeckte Aktiva“) auf 12,48 Mrd. USD beläuft. Die Garantie der Staaten ist unabhängig, auf erstes Anfordern zahlbar, unwiderruflich und an keine Bedingungen geknüpft. Sie ist auf einen Gesamtbetrag von 16,98 Mrd. USD begrenzt (bis zu 12,48 Mrd. USD Rückzahlung zum Restnennwert und 4,5 Mrd. USD an Zinsen), der sich im Zuge der Abschreibung des Portfolios verringert.

(52)

Bei Eintreten eines der auslösenden Ereignisse wird FSAM zunächst Dexia über ihren Makler auffordern, ihren Verpflichtungen im Rahmen der Put-Option nachzukommen, und anschließend bei Ablauf bestimmter Fristen bei Ausfall oder Konkurs von Dexia die Staatsgarantie in Anspruch nehmen.

(53)

Die Staaten erhalten von Dexia für die Inanspruchnahme der Garantie i) eine Vergütung in bar, sofern die Gesamtzahlungen eine erste Tranche von 4,5 Mrd. USD nicht übersteigen, und ii) bei Überschreitung dieser Summe eine Vergütung in Aktien und ggf. in Genussscheinen. Obwohl die oben angeführten ausgenommenen Aktiva nicht durch die Staatsgarantie gedeckt sind, werden Inanspruchnahmen für die ausgenommenen Aktiva auf den Betrag der ersten Tranche von 4,5 Mrd. USD angerechnet, den die Staaten von Dexia direkt in bar zurückfordern können.

(54)

Für die Garantie zahlt Dexia an den belgischen und den französischen Staat jährlich eine Vergütung von 113 Basispunkten für die Deckung des Ausfallrisikos beim garantierten Put zuzüglich von 32 Basispunkten für die Deckung des Risikos, dass Dexia ihren Liquiditätsverpflichtungen gegenüber FSAM nicht nachkommen kann.

(55)

Der Verkauf von FSA (bis auf FP) fand am 1. Juli 2009 statt, und zum gleichen Zeitpunkt wurde die FSA-Maßnahme wirksam. Die letzte Bewertung des FSAM-Portfolios wurde der Kommission am 18. März 2009 übermittelt und von der Société Générale (nachstehend „Berater“ genannt), dem vom belgischen Staat beauftragten unabhängigen Sachverständigen, anhand der am 31. Januar 2009 festgestellten Zahlen erstellt.

(56)

Die wichtigsten Daten des FSAM-Portfolios sind in Tabelle 1 unten aufgeführt.

Tabelle 1

Wichtigste Daten des FSAM-Portfolios (insgesamt)

Kategorien der Aktiva

Nennwert

Marktwert

Erwartete Verluste (Basis)

Erwartete Verluste (Stress)

in Mio. USD

in % der Summe

in Mio. USD

in % der Summe

in Mio. USD

in % der Summe

in Mio. USD

in % der Summe

RMBS standard

(ohne „wrap“)

10 582

63,8

[4 000-5 000]

[…]

[1 500-2 500]

[…]

[…]

[…]

Subprime

7 317

44,1

[3 000-4 000]

[…]

[1 000-1 500]

[…]

[…]

[…]

Alt-A

2 424

14,6

[500-1 000]

[…]

[0-1 000]

[…]

[…]

[…]

Option ARMs

694

4,2

[0-500]

[…]

[0-500]

[…]

[…]

[…]

Prime

147

0,9

[0-100]

[…]

[0-10]

[…]

[…]

[…]

CES/HELOCs/Wrapped RMBS (12)

817

4,9

[0-500]

[…]

[0-500]

[…]

[…]

[…]

NIMs

277

1,7

[0-200]

[…]

[0-30]

[…]

[…]

[…]

ABS CDO

36

0,2

[0-20]

[…]

[0-40]

[…]

[…]

[…]

CLOs

413

2,5

[0-400]

[…]

[0-100]

[…]

[…]

[…]

US Agency RMBS

1 338

8,1

[1 000-1 500]

[…]

[0-100]

[…]

[…]

[…]

Sonstige

3 119

18,8

[1 000-2 000]

[…]

[0-400]

[…]

[…]

[…]

Summe

16 582

100,0

[7 000-9 000]

[…]

[2 000-3 000]

[…]

[3 500-4 500]

[…]

(57)

Das Portfolio besteht hauptsächlich, zu fast 64 %, aus „US RMBS Standards“, darunter insbesondere „Subprime“ (44 % des Portfolios) und „Alt-A“ (15 % des Portfolios). Zu einem geringeren Anteil besteht es zudem aus „US Agency RMBS“ (8 % des Portfolios) und Wertpapieren, die von Monoline-Versicherern besichert werden. Der Nennwert des Portfolios belief sich am 31. Januar 2009 auf 16,6 Mrd. USD, und der durchschnittliche Marktwert betrug zum gleichen Zeitpunkt [42,2-54,3] % des Nennwerts, entsprechend [7-9] Mrd. USD. Die erwarteten Verluste betrugen bei einem Basis-Szenario [2-3] Mrd. USD, während sie für ein Stress-Szenario auf [3,5-4,5] Mrd. USD geschätzt wurden. Der tatsächliche wirtschaftliche Wert (nachstehend „TWW“ genannt) belief sich am31. Januar 2009 auf [13,6-14,6] Mrd. USD für das Basis-Szenario und [12-13] Mrd. USD für das Stress-Szenario.

(58)

Die wichtigsten Daten des FSAM-Portfolios nach Abzug der ausgenommenen Aktiva sind in Tabelle 2 unten aufgeführt:

Tabelle 2

Wichtigste Daten des FSAM-Portfolios (nach Abzug der ausgenommenen Aktiva)

Kategorien der Aktiva

Nennwert

Marktwert

Erwartete Verluste (Basis)

Erwartete Verluste (Stress)

in Mio. USD

in % der Summe

in Mio. USD

in % der Summe

in Mio. USD

in % der Summe

in Mio. USD

in % der Summe

RMBS standard

(ohne „wrap“)

9 755

79,9

[3 500-4 000]

[…]

[1 500-2 500]

[…]

[…]

[…]

Subprime

6 544

53,6

[2 500-3 000]

[…]

[1 000-1 500]

[…]

[…]

[…]

Alt-A

2 371

19,4

[500-1 000]

[…]

[0-1 000]

[…]

[…]

[…]

Option ARMs

693

5,7

[0-500]

[…]

[0-500]

[…]

[…]

[…]

Prime

147

1,2

[0-100]

[…]

[0-10]

[…]

[…]

[…]

CES/HELOCs/Wrapped RMBS (13)

817

6,7

[0-500]

[…]

[0-500]

[…]

[…]

[…]

NIMs

276

2,3

[0-200]

[…]

[0-30]

[…]

[…]

[…]

ABS CDO

36

0,3

[0-20]

[…]

[0-40]

[…]

[…]

[…]

CLOs

413

3,4

[0-400]

[…]

[0-100]

[…]

[…]

[…]

Sonstige

909

7,4

[200-600]

[…]

[0-400]

[…]

[…]

[…]

Summe

12 205

100,0

[4 500-5 500]

[…]

[2 000-3 000]

[…]

[3 500-4 500]

[…]

(59)

Ohne die ausgenommenen Aktiva belief sich der Nennwert des Portfolios am 31. Januar 2009 auf 12,2 Mrd. USD, während der durchschnittliche Marktwert zum gleichen Zeitpunkt [36,9-45,1] % des Nennwerts, entsprechend [4,5-5,5] Mrd. USD, betrug. Die erwarteten Verluste betrugen bei einem Basis-Szenario [2-3] Mrd. USD, während sie für ein Stress-Szenario auf [3,5-4,5] Mrd. USD geschätzt wurden. Der TWW belief sich am 31. Januar 2009 auf [9,2-10,2] Mrd. USD für das Basis-Szenario und [7,7-8,7] Mrd. USD für das Stress-Szenario.

IV.   DER UMSTRUKTURIERUNGSPLAN

(60)

Der Umstrukturierungsplan sah vor, dass sich Dexia wieder auf ihr Kerngeschäft und ihre wichtigsten Märkte (d. h. die Geschäftsfelder PWB und RCB in Frankreich, Belgien und Luxemburg) konzentrieren, ihr Risikoprofil verbessern, den Fremdkapitaleinsatz und damit die Hebelwirkung verringern und ihr Liquiditätsprofil ausgleichen sollte. Dies umfasst insbesondere die Aufgabe, Verkleinerung und Veräußerung bestimmter Geschäftsfelder und die Einrichtung von zwei gesonderten internen Reportinglinien, einer für das traditionelle Bankgeschäft (nachstehend „Core Division“ genannt), die im Wesentlichen die Aktivitäten PWB und RCB umfasst und auf die Ende 2009 72 % der Bilanzsumme von Dexia entfallen, und einer für die abzubauenden Vermögenswerte, die als „Legacy Portfolio Management Division“ (nachstehend „LPMD“ genannt) bezeichnet wird und hauptsächlich aus dem Anleihe-Portfolio und zu einem geringeren Anteil aus internationalen PWB-Aktivitäten besteht, die Ende 2009 28 % der Bilanzsumme von Dexia ausmachen. Das Risikoprofil soll durch Reduzierung der Marktfinanzierungen und der kurzfristigen Finanzmittel sowie durch durchschnittlich längere Laufzeiten des Fremdkapitals und den Rückgriff auf stabilere Finanzierungsquellen (Privat- und Geschäftskundeneinlagen, Pfandbriefe) verbessert werden.

(61)

Der Umstrukturierungsplan besteht aus einer Reihe von Maßnahmen, die von Dexia bereits eingeführt wurden, sowie aus strukturellen und Verhaltensmaßnahmen, die Dexia während der Umstrukturierung unter der Aufsicht der beteiligten Mitgliedstaaten umsetzen muss; diese haben sich verpflichtet, für ihre Einhaltung zu sorgen.

(62)

Diese Maßnahmen ermöglichen eine Verringerung der Bilanzsumme von Dexia bis zum 31. Dezember 2014 um 35 % im Vergleich zum 31. Dezember 2008 und unter Berücksichtigung der neuen Kreditvergaben.

4.1.   WIEDERHERSTELLUNG DER LANGFRISTIGEN RENTABILITÄT UNTER NORMAL- UND STRESSBEDINGUNGEN

(63)

Die beteiligten Mitgliedstaaten übermittelten der Kommission ausführliche Informationen zum Geschäftsmodell der Bank. Diese Informationen umfassen unter anderem:

den Businessplan der Gruppe für den Zeitraum 2009-2011 und Prognosen für bestimmte Daten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung bis 2014 und 2017;

Volumen und Margen der ausstehenden Forderungen und der Vergabe neuer Kredite nach Geschäftsfeldern (PWB, RCB u. a.) und geografischen Bereichen von 2009 bis 2011;

Volumen und durchschnittliche Kosten der Finanzierung der Gruppe nach Finanzierungsquellen (Repos, besicherte und unbesicherte Anleihen, Pfandbriefe, Einlagen u. a.).

(64)

Auf der Grundlage dieser Informationen prognostiziert Dexia für den gesamten Umstrukturierungszeitraum von 2009 und 2014 positive Ergebnisse und eine Kerneigenkapitalquote (nachstehend „Core Tier 1“ genannt) zwischen 11 % und 15 %. Tabelle 3 unten enthält für jedes Jahr des Zeitraums 2009-2014 die Prognosen für die Ergebnisse und die Core-Tier-1-Quote von Dexia.

Tabelle 3

Prognosen für die Ergebnisse und die Core-Tier-1-Quote von Dexia während des Umstrukturierungszeitraums

In Mio. EUR und %

 

2009

2010

2011

2012

2013

2014

Core Division

Nettoergebnisse vor Steuern

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

LPD

Nettoergebnisse vor Steuern

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Summe Dexia Group

Nettoergebnisse vor Steuern

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Core-Tier-1-Quote

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

(65)

Die beteiligten Mitgliedstaaten legten weiterhin drei Stresstests vor, mit denen die Widerstandsfähigkeit der Gruppe bei Marktturbulenzen nachgewiesen werden soll.

(66)

Mit dem ersten, von Dexia durchgeführten Stresstest sollte die Widerstandsfähigkeit der Gruppe bis zum Jahr 2011 für die folgenden Variablen untersucht werden: i) PIB-Wachstum in verschiedenen Ländern, ii) Höhe des Interbankensatzes für 3 Monate und 5 Monate und iii) Wechselkurse bestimmter ausländischer Währungen. Im Hinblick auf die Wachstumsraten wurden Annahmen für ein Basis-Szenario und ein Stress-Szenario entsprechend den kürzlich in Europa durchgeführten ähnlichen Tests aufgestellt. Die Ergebnisse des von Dexia durchgeführten Stresstests lassen darauf schließen, dass die Gruppe 2010 und 2011 selbst bei einem Stress-Szenario schwarze Zahlen schreiben würde. Der Gewinn vor Steuern würde […] Mio. EUR im Jahr 2010 und […] Mio. EUR im Jahr 2011 betragen.

(67)

Mit dem zweiten, von Dexia durchgeführten Stresstest sollte die Widerstandsfähigkeit der Gruppe bei einem Anstieg ihrer Finanzierungskosten auf dem Markt während eines Jahres um i) 100 Basispunkte und ii) 200 Basispunkte getestet werden. Die Ergebnisse des von Dexia durchgeführten Stresstests deuten darauf hin, dass die Auswirkungen auf die Ergebnisse der Gruppe bei einem Anstieg der Finanzierungskosten um 100 Basispunkte auf […] Mio. EUR und bei einem Anstieg um 200 Basispunkte auf […] Mio. EUR geschätzt werden können.

(68)

Mit dem dritten von Dexia durchgeführten Stresstest sollte die Liquidität der Gruppe und insbesondere die Liquiditätsposition der Gruppe unter außerordentlichen Umständen durch Vergleichen der potenziell erforderlichen Liquidität mit der unter solchen Umständen potenziell verfügbaren Liquidität getestet werden. Der Stresstest-Horizont beträgt einen Monat. Bei dem angewandten Szenario werden die Auswirkungen eines idiosynkratischen Schocks mit den Folgen einer allgemeinen Liquiditätskrise kombiniert. Dieser Liquiditäts-Stresstest wurde sowohl von Dexia als auch von der zuständigen Aufsichtsbehörde (die Commission bancaire, financière et des assurances, nachstehend „CBFA“ genannt) durchgeführt. […] (14) […].

4.2.   VERHALTENSBEZOGENE VERPFLICHTUNGEN

(69)

Der am 9. Februar 2010 angemeldete Umstrukturierungsplan sieht zunächst eine Reduzierung der kurzfristigen Finanzierungen, eine Erhöhung der durchschnittlichen Laufzeit der langfristigen Finanzierungen und die zunehmende Inanspruchnahme stabiler Finanzierungsquellen vor. Im Hinblick hierauf verpflichten sich die beteiligten Mitgliedstaaten dazu, dass Dexia drei Kennzahlen einhält:

Dexia senkt die Kennzahl „kurzfristiges Fremdkapital (15) /Gesamtkapital“ von 30 % am 31. Dezember 2009 auf höchstens 23 % am 31. Dezember 2010, höchstens 20 % am 31. Dezember 2011, höchstens 14 % am 31. Dezember 2012, höchstens 13 % am 31. Dezember 2013 und höchstens 11 % am 31. Dezember 2014.

Dexia erhöht die Laufzeit ihrer Finanzierungen, so dass die durchschnittliche Laufzeit der Verschuldung der Gruppe (16) mindestens den in Tabelle 4 unten angegebenen Werten entspricht:

Tabelle 4

Entwicklung der durchschnittlichen Laufzeit der Verschuldung von Dexia (in Jahren)

31.12.09

31.12.10

31.12.11

31.12.12

31.12.13

31.12.14

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Dexia greift zunehmend auf stabile Finanzierungsquellen zurück. Dabei wird eine Kennzahl berechnet, in deren Zähler die Summe aus Finanzierungsmitteln in Form von Pfandbriefen und RCB- und PWB-Einlagen und in deren Nenner die Summe aller Aktiva von Dexia steht. Diese Kennzahl von 36 % zum 31. Dezember 2009 soll am 31. Dezember 2010 mindestens 40 %, am 31. Dezember 2011 mindestens 45 %, am 31. Dezember 2012 mindestens 53 %, am 31. Dezember 2013 mindestens 55 % und am 31. Dezember 2014 mindestens 58 % betragen.

ein unabhängiger Sachverständiger überprüft alle sechs Monate die Einhaltung dieser drei Kennzahlen.

(70)

Dexia unterlässt es, an ihre PWB-Kunden Kredite mit einem „Risk-adjusted return on capital“ (nachstehend „RAROC“ genannt) von weniger als 10 % zu vergeben. Bei der Berechnung des RAROC wird der Nettoertrag nach Steuern ins Verhältnis zum ökonomischen Kapital gesetzt (17).

die Bruttomarge ist die Differenz zwischen der dem Kunden berechneten Marge (ausgedrückt in Basispunkten über dem Referenzsatz IBOR) und den Finanzierungskosten von Dexia (ausgedrückt in Basispunkten über dem Referenzsatz IBOR), der durch den internen Verrechnungspreis dargestellt wird;

der interne Verrechnungspreis spiegelt die geschätzten Kosten einer neuen Finanzierung von Dexia unter Berücksichtigung der Eigenschaften der Kredite (Laufzeit, Refinanzierbarkeit durch Pfandbriefe usw.) an PWB-Kunden wider;

die Nettomarge ist gleich der Bruttomarge, vermindert um i) die Kosten aller Art (Gemeinkosten, Gehaltskosten, Betriebskosten, Abschreibungen usw.), die auf der Grundlage der Beobachtung der Kosten des Geschäftsfelds PWB geschätzt werden, ii) die durchschnittlichen Risikokosten, die für jede Transaktion unter Beachtung von Basel II berechnet werden (langfristige durchschnittliche Risikokosten) und iii) eine Steuerlast;

ein unabhängiger Sachverständiger überprüft alle sechs Monate, dass der RAROC die Kosten des Geschäftsbereichs PWB widerspiegelt, dass die genannte Verpflichtung zur Einhaltung eines RAROC von mindestens 10 % im Geschäftsfeld PWB erfüllt wird, und dass der RAROC und seine Bestandteile nach der richtigen Methode ordnungsgemäß berechnet werden.

(71)

Dexia wird den Betrag der Finanzierungen, die ihrer türkischen Tochtergesellschaft DenizBank derzeit bereitgestellt werden, spätestens am 30. Juni 2011 auf null zurückfahren und ihr bis zum 31. Dezember 2014 keine neuen konzerninternen Finanzierungen gewähren.

(72)

Bis zum 30. Juni 2010 führt Dexia die Reportinglinie „LPMD“ ein. Die dieser Linie zugewiesenen Aktiva werden abgebaut oder veräußert. Bei diesen Aktiva handelt es sich um:

das „Credit Spread Portfolio“ (CSP) und das „Public Sector Portfolio“ (PSP) (in Höhe von schätzungsweise rund 134 Mrd. EUR zum 31. Dezember 2009);

das Portfolio „Financial Products“ mit den Aktiva von FSAM, die bei Dexia verblieben sind (in Höhe von schätzungsweise rund 10,7 Mrd. EUR zum 31. Dezember 2009);

das Portfolio „Non-core PWB loans“ (in Höhe von schätzungsweise rund 17 Mrd. EUR zum 31. Dezember 2009).

Das von Dexia aufgenommene und durch die Garantie abgesicherte Fremdkapital ist in vollem Umfang dieser Linie zugewiesen.

(73)

Dexia begrenzt die Vergabe neuer Kredite im Geschäftsfeld PWB auf 12 Mrd. EUR im Jahr 2009, 15 Mrd. EUR im Jahr 2010 und 18 Mrd. EUR von 2011 bis 2014.

(74)

Dexia senkt ihre Betriebskosten bis zum 31. Dezember 2012 um 15 %.

(75)

Dexia reduziert ihre Trading-Aktivitäten (um 44 %, gemessen am Wert des durchschnittlichen jährlichen Risikos, der sich 2008 auf 126 Mrd. EUR belief) und stellt den Eigenhandel vom Tag dieses Beschlusses der Kommission an ein.

(76)

Dexia verzichtet vom Tag des Beschlusse der Kommission an mit sofortiger Wirkung und endgültig auf die Inanspruchnahme der Wandelanleihe von Dexia BIL in Höhe von 376 Mio. EUR, zu deren Zeichnung sich Luxemburg im September 2008 verpflichtete.

(77)

Die Inanspruchnahme der Garantie der beteiligten Mitgliedstaaten durch Dexia wird wie folgt eingeschränkt:

Verzicht auf die Garantie für alle abgeschlossenen Einlageverträge ab 31. März 2010;

Verzicht auf die Garantie für alle kurzfristigen (weniger als einjährigen) Emissionen ab 31. Mai 2010;

Verzicht auf die Garantie für alle (auch langfristige) Emissionen oder Verträge ab 30. Juni 2010;

der Gesamtbetrag der besicherten Verpflichtungen darf zu keiner Zeit mehr als 100 Mrd. EUR betragen;

während der Gültigkeitsdauer der Garantie zahlt Dexia den beteiligten Mitgliedstaaten bei Überschreitung der folgenden Schwellenwerte für die garantierten Verbindlichkeiten eine zusätzliche Vergütung für den darüber hinausgehenden Betrag:

Tabelle 5

Zusätzliche Vergütung bei Überschreitung der Höhe der garantierten Verbindlichkeiten

Schwellenwert/Tranche (garantierte Verbindlichkeiten in Mrd. EUR)

60-70

70-80

80-100

Zusätzliche Vergütung für den Mehrbetrag (in Basispunkten)

+ 50

+ 65

+ 80

(78)

Bis zum 31. Oktober 2014 wird Dexia ihren Status als Bank, der eine Garantie der beteiligten Mitgliedstaaten gewährt wird, nicht zu Werbezwecken nutzen und die Garantie nicht für reine Arbitragegeschäfte verwenden.

(79)

Bis zum 31. Dezember 2011 werden Dexia SA und die von ihr allein oder gemeinsam kontrollierten Tochtergesellschaften ohne Genehmigung der Kommission keinen Anteil von mehr als 5 % am Gesellschaftskapital anderer Kreditinstitute oder Investment- oder Versicherungsgesellschaften erwerben. Diese Verpflichtung steht — vorbehaltlich der vorherigen Genehmigung der Kommission — der Übernahme einer Beteiligung durch Dexia als Gegenleistung für die Einbringung von Beteiligungen oder Geschäftsfeldern im Rahmen einer Veräußerung oder Zusammenlegung von Aktiva oder Geschäftsfeldern (durch Verschmelzung oder Einbringung) nicht im Weg, sofern Dexia durch diese Beteiligung nicht die alleinige oder gemeinsame Kontrolle über das Unternehmen erhält, in das die Einlage eingebracht wird oder das aus der Verschmelzung hervorgeht. Dexia unterrichtet die Kommission vorab über jeden geplanten Erwerb und jedes Vorhaben der Unternehmen, die Dexia gemeinsam kontrolliert.

(80)

Bis zum 31. Dezember 2014 begrenzt Dexia die Höhe:

aller Formen von Dividenden, die von Dexia SA auf ihre Stammaktien ausgeschüttet werden;

aller diskretionären Rückzahlungen vor Fälligkeit sowie aller Couponzahlungen auf Tier-1-Hybridinstrumente oder Tier-2-Instrumente, die i) von Unternehmen emittiert werden, die von Dexia allein kontrolliert werden, ii) von anderen Personen oder Unternehmen als Dexia und ihren Tochtergesellschaften gehalten werden und iii) deren Zahlung oder Ausübung in Anwendung der entsprechenden Vertragsbestimmungen diskretionär ist, so dass der Core-Tier-1 von Dexia (berechnet unter Bezugnahme auf den letzten, nach den IFRS-Normen aufgestellten konsolidierten Jahresabschluss) nach der geplanten Ausschüttung oder Zahlung (und unter Berücksichtigung etwaiger obligatorischer Zahlungen aufgrund von Dividendenzahlungen auf Stammaktien),

mindestens dem im Folgenden genannten Wert entspricht:

31.12.09

31.12.10

31.12.11

31.12.12

31.12.13

31.12.14

10,7 %

10,6 %

[…]

[…]

[…]

[…]

mindestens der Summe aus i) 12,5 % der risikogewichteten Aktiva (risk weighted assets) der Legacy Portfolio Management Division und ii) 9,5 % der risikogewichteten Aktiva der übrigen Geschäftfelder der Gruppe (die „Core Division“) entspricht.

(81)

Die unter Erwägungsgrund 80 genannte Verpflichtung:

gilt für Dexia unbeschadet der Anforderungen im Hinblick auf ausschüttungsfähige Gewinne (gemäß Artikel 617 Code des sociétés belge (Belgisches Gesellschaftsgesetzbuch));

gilt unbeschadet der Transaktionen, zu denen Dexia bei Tier-1- oder Tier-2-Hybridinstrumenten gesetzlich verpflichtet ist, oder für Transaktionen, die Dexia aufgrund von vor dem 1. Februar 2010 geschlossenen Verträgen bei solchen Instrumenten vornehmen muss;

kann bei wesentlichen Änderungen der Definition der bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalausstattung und der für Dexia geltenden Rechnungslegungsvorschriften geändert werden.

(82)

Im Übrigen unterlässt Dexia es, vorbehaltlich der Transaktionen, zu denen sie gesetzlich oder aufgrund von vor dem 1. Februar 2010 geschlossenen Verträgen bei Tier-1- oder Tier-2-Hybridinstrumenten verpflichtet ist, bis zum 31. Dezember 2011:

Couponzahlungen auf Tier-1-Hybridinstrumente oder Tier-2-Instrumente vorzunehmen, die von anderen Personen oder Unternehmen als Dexia SA und ihren Tochtergesellschaften gehalten werden, wenn die Zahlung in Anwendung der für diese Instrumente geltenden Vertragsbestimmungen diskretionär ist;

die Ausschüttung von Dividenden durch Unternehmen, die von Dexia SA mittelbar oder unmittelbar allein kontrolliert werden (einschließlich der 100%igen Tochtergesellschaften), zu genehmigen oder dafür zu stimmen, wenn eine solche Zahlung eine Couponzahlungsverpflichtung für Tier-1-Hybridinstrumente oder Tier-2-Instrumente, die von anderen Personen als Dexia SA und ihren Tochtergesellschaften gehalten werden, nach sich ziehen würde;

eine diskretionäre Option zur Rückzahlung vor Fälligkeit auf die unter dem ersten Gedankenstrich oben genannten Tier-1-Hybridinstrumente oder Tier-2-Instrumente auszuüben.

(83)

Dexia SA wird es bis zum 31. Dezember 2011 unterlassen, Dividenden auf ihre Stammaktien auszuschütten. Dieses Verbot gilt nicht für Dividendenausschüttungen im Wege der Zuteilung junger Aktien, sofern der Betrag dieser Ausschüttungen i) den Bestimmungen des Erwägungsgrundes 80 entspricht und ii) bei den im Jahr 2010 ausgeschütteten Dividenden höchstens 40 % des von Dexia SA im Geschäftsjahr 2009 erwirtschafteten Nettoergebnisses bzw. bei den 2011 ausgeschütteten Dividenden höchstens 40 % des von Dexia SA im Geschäftsjahr 2010 erwirtschafteten Nettoergebnisses beträgt (18).

(84)

Aufgrund der Verpflichtungen, die die beteiligten Mitgliedstaaten im Rahmen der Entscheidung der Kommission vom 30. Oktober 2009 zur Verlängerung der Garantie eingegangen sind, ist Dexia im Übrigen gehalten, es vom Tag jener Entscheidung bis zum Tag des vorliegenden Beschlusses zu unterlassen:

i)

Zwischendividenden anzukündigen oder der Aktionärshauptversammlung von Dexia SA eine Dividendenzahlung in irgendeiner Form an die Aktionäre von Dexia SA vorzuschlagen;

ii)

eine Dividendenzahlung in irgendeiner Form durch Unternehmen, die von Dexia SA mittelbar oder unmittelbar allein kontrolliert werden, aber nicht zu 100 % (mittelbar oder unmittelbar) von ihr gehalten werden, zu genehmigen oder dafür zu stimmen;

iii)

die Ausschüttung von Dividenden in irgendeiner Form durch Unternehmen, die von Dexia SA mittelbar oder unmittelbar allein kontrolliert werden (einschließlich der 100%igen Tochtergesellschaften), zu genehmigen oder dafür zu stimmen, wenn eine solche Zahlung eine Couponzahlungsverpflichtung für Tier-1-Hybridinstrumente oder ewige Upper-Tier-2-Instrumente, die von anderen Personen als Dexia SA und ihren Tochtergesellschaften gehalten werden, nach sich ziehen würde;

iv)

Couponzahlungen auf Tier-1-Hybridinstrumente oder ewige Upper-Tier-2-Instrumente vorzunehmen, die von anderen Personen oder Unternehmen als Dexia SA und ihren Tochtergesellschaften gehalten werden und deren Auszahlung in Anwendung der für sie diese Instrumente geltenden Vertragsbestimmungen diskretionär ist. Falls diese unterlassene Zahlung jedoch zur Aussetzung der Dividendenzahlung durch Dexia SA im Rahmen der Ergebnisse für 2009 führen sollte, könnte dieses Verbot entfallen, sofern Dexia die Kommission vorab informiert und die Kommission diese Couponzahlung auf Ad-hoc-basis genehmigt hat;

v)

eine diskretionäre Option zur Rückzahlung vor Fälligkeit der unter Ziffer iii) und iv) dieser Erwägung genannten Hybridinstrumente auszuüben.

(85)

In dem Bestreben um mehr Wettbewerb und Transparenz bei der Kreditvergabe an Kommunen verpflichtet sich Frankreich, dafür Sorge zu tragen, dass die Kommunen Vergabevorschriften für die Geld- oder Kapitalbeschaffung ausarbeiten. Empfehlungen in diesem Sinne werden vom Staat spätestens Ende 2010 sowohl für Bankkredite als auch für den Bereich des Einsatzes komplexer Finanzprodukte ausdrücklich an die Kommunen gerichtet. In diesen Empfehlungen wird nachdrücklich auf das wirtschaftliche Interesse von Ausschreibungsmaßnahmen in diesem Bereich hingewiesen; zudem werden praktische Modalitäten zur Umsetzung dieser Maßnahmen genannt. Die empfohlenen bewährten Verfahren sehen für die höchsten Kredite öffentliche Ausschreibungen vor. Die für Unterstützung und Beratung in diesem Bereich zuständigen Dienststellen der Kommunen werden für diese Empfehlungen sensibilisiert. Für den Fall, dass Empfehlungen zur Gewährleistung systematischer transparenter und nichtdiskriminierender Ausschreibungen durch die Kommunen bis 2013 im Bereich der Bankfinanzierung nicht ausreichen sollten, verpflichtet sich Frankreich zur Ausarbeitung von Rechtsvorschriften.

(86)

In dem Bestreben um mehr Wettbewerb und Transparenz bei der Kreditvergabe an Kommunen verpflichtet sich die belgische Regierung gemeinsam mit den Regionen, die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen im Bereich der Kreditvergabe an Kommunen durch die öffentlichen Auftraggeber zu überwachen.

4.3.   VERÄUSSERUNG UND ABBAU VON AKTIVA

(87)

Dexia veräußert die in diesem Erwägungsgrund aufgeführten Aktiva:

a)

Veräußerung oder Börsengang der 70%igen Beteiligung der Gruppe an ihrer italienischen Tochtergesellschaft Crediop bis zum 31. Oktober 2012 (19);

b)

Veräußerung von DEP, der französischen Tochtergesellschaft von Dexia Insurance Belgium (nachstehend „DIB“ genannt), die im Bereich Lebensversicherung und Social Engineering tätig ist, bis zum 30. Juni 2010. Der Kaufvertrag wurde am 9. Dezember 2009 unterzeichnet, und der Verkauf dürfte im ersten Halbjahr 2010 vollzogen werden;

c)

Veräußerung oder Börsengang der 51%igen Beteiligung von Dexia an AdInfo, einer Tochtergesellschaft, die IT-Dienstleistungen für Kommunen in Belgien anbietet;

d)

Veräußerung der Beteiligung von Dexia an SPE, einem belgischen Energieerzeugungsunternehmen, bis zum 31. Dezember 2010;

e)

Veräußerung der 20%igen Beteiligung von Dexia am Crédit du Nord (diese Veräußerung erfolgte am 11. Dezember 2009);

f)

Schließung von 80 Filialen in Belgien im Rahmen des neuen Vertriebsmodells der Gruppe bis 2010;

g)

Einstellung der folgenden Tätigkeiten von RCB International:

i)

die Veräußerung von Experta Jersey, der Run-off von Dexia „Private Bank“ (PB) Jersey, die Einstellung der PB-Tätigkeiten in Montevideo, der Stopp eines PB-Entwicklungsprojekts in Singapur, der Stopp des Consumer-Finance-Projekts in Russland und die Einstellung der Aktivitäten von Dexia Asset Management (nachstehend „DAM“ genannt) in den mittel- und osteuropäischen Ländern sowie die Veräußerung der Trust-Aktivitäten von Experta in der Schweiz wurden im Laufe des Jahres 2009 und Anfang 2010 vollzogen;

ii)

Veräußerung der Trust-Aktivitäten von Experta auf den Bahamas sowie Veräußerung der dänischen Tochtergesellschaft von Dexia BIL bis zum 31. Dezember 2011;

h)

Veräußerung oder Börsengang der Beteiligung von Dexia an der slowakischen Tochtergesellschaft Dexia Banka Slovensko (nachstehend „DBS“ genannt) bis zum 31. Oktober 2012 (20);

i)

Einstellung und Abbau der folgenden Aktivitäten von PWB International:

i)

Indien: die Veräußerung des Unternehmens ist 2009 erfolgt;

ii)

Schweiz (Dexia Public Finance Switzerland) und Schweden (Dexia Norden): Schließung und Abwicklung bis zum 31. Dezember 2010;

iii)

Mexiko, Australien und Japan: Abbau der Bilanz;

j)

Veräußerung von FSA (am 1. Juli 2009 abgeschlossen) und anschließende Veräußerung der Anteile von Dexia an Assured Guaranty bis zum 31. Dezember 2011;

k)

Veräußerung der 49%igen Beteiligung der Gruppe an Kommunalkredit Austria (KA), im 4. Quartal 2008 vollzogen;

l)

Veräußerung oder Börsengang von Deniz Emeklilik, der Versicherungstochter von DenizBank, bis zum 31. Oktober 2012;

m)

Veräußerung der 60%igen Beteiligung der Gruppe an Dexia Sabadell bis zum 31. Dezember 2013;

n)

beschleunigte Veräußerung des Anleiheportfolios von Dexia in Höhe von [10-20] Mrd. EUR jährlich in den Jahren 2010 und 2011, [5-15] Mrd. EUR bis [10-20] Mrd. EUR im Jahr 2012 und [0-10] bis [5-15] Mrd. EUR jährlich in den Jahren 2013 und 2014;

o)

Abbau der Standby Bond Purchase Agreements (nachstehend „SBPA“ genannt) und Tender Option Bonds (nachstehend „TOB“ genannt) (USA/Kanada).

(88)

Der Umstrukturierungsplan führt zu einer Verringerung der Bilanzsumme von Dexia bis zum 31. Dezember 2014 um 35 % im Vergleich zum 31. Dezember 2008. Die beteiligten Mitgliedstaaten verpflichten sich dazu, das Dexia die Bilanzsumme nach den Angaben in Tabelle 6 unten senkt.

Tabelle 6

Verringerung der Bilanzsumme der Gruppe, der „Core Division“ und der LPMD

In Mrd. EUR

 

31.12.2008

31.12.2009

31.12.2010

31.12.2011

31.12.2012

31.12.2013

31.12.2014

Bilanzsumme Gruppe

651

580

[510-550]

[485-545]

[425-490]

[405-465]

427

Summe LPMD

 

162

[120-140]

[100-120]

[80-110]

[70-100]

79

Summe Core Division

 

419

[390-410]

[385-415]

[345-380]

[335-365]

353

4.4.   UMSETZUNG DER VERPFLICHTUNGEN

(89)

Ein unabhängiger Sachverständiger übergibt der Kommission alle sechs Monate einen Bericht über die Umsetzung der Verpflichtungen des Umstrukturierungsplans. In diesem Bericht wird insbesondere ausführlich geprüft, dass i) die unter Erwägungsgrund 88 genannte Verpflichtung zur Verringerung der Bilanzsumme, ii) die unter Erwägungsgrund 69 genannten Kennzahlen und iii) die unter Erwägungsgrund 70 genannte Verpflichtung zur Einhaltung des RAROC (21) erfüllt wurden. Darüber hinaus gilt Folgendes:

Dieser Bericht wird spätestens einen Monat nach Vorlage des Halbjahresabschlusses und nach Genehmigung des Jahresabschlusses und in jedem Fall spätestens am 1. Oktober und 30. April jedes Jahres übermittelt.

Wenn der unabhängige Sachverständige in seinem spätestens am 1. Oktober jedes Jahres vorgelegten Bericht feststellt, dass das Erreichen der im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Jahresziele bis zum Ende des laufenden Jahres gefährdet ist, teilen die Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten der Kommission binnen eines Monats nach Übergabe des Berichts mit, welche Maßnahmen gemeinsam mit Dexia in Betracht gezogen wurden, um zu ermöglichen, dass diese Zielvorgaben mit geeigneten Mitteln bis zum Jahresende erreicht werden.

Wenn der unabhängige Sachverständige in seinem spätestens am 30. April jedes Jahres vorgelegten Bericht feststellt, dass die im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Jahresziele nicht erreicht wurden, teilen die Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten der Kommission binnen eines Monats nach Übergabe des Berichts mit, welche Maßnahmen gemeinsam mit Dexia in Betracht gezogen wurden, um zu ermöglichen, dass diese Zielvorgaben mit geeigneten Mitteln bis zum 30. Juni des laufenden Jahres erreicht werden.

Wenn die in Betracht gezogenen Maßnahmen nicht fristgerecht vorgelegt oder die Zielvorgaben nicht bis zum 30. Juni (bei den ggf. nach dem spätestens am 30. April vorzulegenden Bericht mitgeteilten Maßnahmen) erreicht werden, kann die Kommission in Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 (22) ein neues förmliches Prüfverfahren eröffnen […].

(90)

Die belgischen, französischen und luxemburgischen Behörden legen der Kommission spätestens einen Monat nach diesem Beschluss eine Liste mit ein bis drei im Einvernehmen mit Dexia gewählten Personen vor, die als unabhängige Sachverständige infrage kommen. Der unabhängige Sachverständige muss die notwendige Kompetenz besitzen und darf sich während der Ausübung seines Auftrags in keinem Interessenkonflikt befinden. Die Kommission kann den(die) vorgeschlagenen unabhängigen Sachverständigen billigen oder ablehnen. Lehnt die Kommission den(die) vorgeschlagenen unabhängigen Sachverständigen ab, schlagen die belgischen, französischen und luxemburgischen Behörden innerhalb eines Monats nach der Ablehnungsmitteilung einen bis drei neue Kandidaten vor, die ebenfalls von der Kommission gebilligt oder abgelehnt werden müssen. Wurden letzten Endes alle vorgeschlagenen Kandidaten von der Kommission abgelehnt, benennt die Kommission einen unabhängigen Sachverständigen. Die Kosten für die Arbeit des unabhängigen Sachverständigen übernimmt Dexia.

(91)

Falls eine der unter den Buchstaben a, c, d, h, l oder m von Erwägungsgrund 87 genannten Verpflichtungen nicht fristgerecht erfüllt und von der Kommission keine alternative Verpflichtung genehmigt worden sein sollte, legen die französischen, belgischen und luxemburgischen Behörden der Kommission innerhalb eines Monats nach Ablauf der für die Veräußerung vorgegebenen Frist eine Liste mit ein bis drei im Einvernehmen mit Dexia gewählten Personen, die als Veräußerungstreuhänder infrage kommen, zur Genehmigung vor. Der Veräußerungstreuhänder muss die notwendige Kompetenz besitzen und darf sich während der Ausübung seines Auftrags in keinem Interessenkonflikt befinden. Die Kommission kann den/die vorgeschlagenen Treuhänder billigen oder ablehnen. Lehnt die Kommission den/die vorgeschlagenen Veräußerungstreuhänder ab, schlagen die belgischen, französischen und luxemburgischen Behörden innerhalb eines Monats nach der Ablehnungsmitteilung einen bis drei neue Kandidaten vor, die ebenfalls von der Kommission gebilligt oder abgelehnt werden müssen. Wurden letzten Endes alle vorgeschlagenen Kandidaten von der Kommission abgelehnt, benennt diese einen Treuhänder, den Dexia auf der Grundlage eines von der Kommission gebilligten Mandats bestellt.

(92)

Die französischen, belgischen und luxemburgischen Behörden verpflichten sich dazu, dass Dexia dem Veräußerungstreuhänder die notwendigen und angemessenen Vertretungsbefugnisse erteilt i) zur Durchführung der Veräußerung der unter Erwägungsgrund 91 genannten Aktiva (einschließlich der Befugnisse, die erforderlich sind, um die zur Durchführung der Veräußerung erforderlichen Dokumente zu erstellen und ii) zur Vornahme bzw. Abgabe aller zur Durchführung der Veräußerung notwendigen oder angemessenen Handlungen oder Erklärungen, einschließlich der Bestellung von Beratern, die den Veräußerungsvorgang begleiten. Der Veräußerungstreuhänder nimmt in den Kaufvertrag bzw. die Kaufverträge die üblichen und zweckmäßigen Klauseln und Bedingungen auf, die er als angemessen erachtet, um den Verkauf innerhalb eines Jahres nach Bestellung des Treuhänders abzuschließen. Der Veräußerungstreuhänder organisiert den Veräußerungsvorgang so, dass gewährleistet ist, dass die Veräußerung […]. Die Kosten für die Arbeit des Veräußerungstreuhänders übernimmt Dexia.

V.   GRÜNDE FÜR DIE ERÖFFNUNG DES FÖRMLICHEN PRÜFVERFAHRENS

(93)

Die Kommission weist darauf hin, dass das mit ihrer Entscheidung vom 13. März 2009 eröffnete förmliche Prüfverfahren sowohl den ursprünglichen Umstrukturierungsplan, den die beteiligten Mitgliedstaaten im Februar 2009 bei der Kommission anmeldeten, als auch die FSA-Maßnahme betrifft.

(94)

Angesichts der Schwierigkeiten, die Dexia während der Finanzkrise hatte, und der enormen Höhe der erhaltenen Beihilfen äußerte die Kommission zunächst Bedenken:

im Hinblick auf die Eignung des ursprünglichen Umstrukturierungsplans, die langfristige Rentabilität der Gruppe ohne staatliche Beihilfe umgehend wiederherzustellen;

hinsichtlich der Art der vorgeschlagenen Umstrukturierungsmaßnahmen, die hinter den Forderungen der Mitteilung der Kommission über die Wiederherstellung der Rentabilität und die Bewertung von Umstrukturierungsmaßnahmen im Finanzsektor im Rahmen der derzeitigen Krise gemäß den Beihilfevorschriften (23) (nachstehend „Umstrukturierungsmitteilung“ genannt) zurückbleiben würden;

im Hinblick auf die Eignung der vorgeschlagenen Maßnahmen, Verzerrungen des Wettbewerbs zu begrenzen und einem sorglosen Verhalten durch Begrenzung der Beihilfe auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß und eine geeignete Verteilung der Lasten auf die Beihilfeempfänger und die beteiligten Mitgliedstaaten entgegenzuwirken.

(95)

Was die FSA-Maßnahme anbelangt, vertrat die Kommission in ihrer Entscheidung vom 13. März 2009 die Auffassung, die Garantie selbst und die Deckung des Vermögensportfolios sowie die Verteilung der Kosten auf Dexia und die beteiligten Mitgliedstaaten seien mit dem Binnenmarkt vereinbar. Die Bewertung der Aktiva und die Garantievergütung sowie die Vergütung für die Titel, die von Dexia über die erste Tranche von 4,5 Mrd. im Rahmen der Put-Option hinaus begeben werden, müssten allerdings noch geprüft werden. Deshalb beschloss die Kommission, diese Aspekte der FSA-Maßnahmen in das förmliche Verfahren zur Prüfung des Umstrukturierungsplans für Dexia einzubeziehen. In ihrer Entscheidung wies die Kommission ferner darauf hin, dass die Garantie als solche, das durch die Garantie abgedeckte Vermögensportfolio und die von Dexia übernommen Erstverluste im Rahmen des mit dieser Entscheidung eröffneten Verfahrens nicht untersucht würden.

VI.   ÄUSSERUNGEN DER BETEILIGTEN

(96)

Die Kommission stellt fest, dass im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens keine Äußerungen von Beteiligten zu den Beihilfemaßnahmen zugunsten von Dexia eingegangen sind.

(97)

Allerdings wurde vor der Eröffnung des Verfahrens von einem Mitbewerber von DBB bei den Dienststellen der Kommission eine Beschwerde gegen die Kapitalerhöhung von 3 Mrd. EUR, die von den belgischen Behörden und Aktionären von Dexia gezeichnet worden war, sowie gegen die Garantie des belgischen Staats für Interbankenkredite und ähnliche Maßnahmen zugunsten von Dexia eingelegt. Die Beschwerde wird folgendermaßen begründet:

Die Beihilfe könne insbesondere deshalb nicht als verhältnismäßig betrachtet werden, weil der Preis von 9,9 EUR für die Zeichnung der von Dexia im Rahmen der Kapitalaufstockung begebenen Stammaktien, der auf dem durchschnittlichen Kurs der letzten dreißig Tage vor Beginn der Ausgabe beruhe, über dem Preis gelegen habe, den ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber angesichts der extrem schlechten Bedingungen für Finanzwerte zum Zeitpunkt der Emission gezahlt hätte.

Die Beihilfe könne nicht als auf das unbedingt notwendige Mindestmaß begrenzt angesehen werden, da die Tier-1-Eigenkapitalquote von Dexia aufgrund des Zeitpunkts für die Kapitalaufstockung von 11 % auf 14 % erhöht werden konnte, wodurch Dexia eine der bestausgestatteten europäischen Banken geworden sei.

Die Beihilfe habe zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen geführt, da Dexia für Kundeneinlagen Zinsen über dem Durchschnitt der auf dem belgischen Markt tätigen Traditionsbanken habe zahlen können.

VII.   STELLUNGNAHMEN DER MITGLIEDSTAATEN

7.1.   STELLUNGNAHME DER BELGISCHEN REGIERUNG ZU DER BEI DER KOMMISSION EINGEGANGENEN BESCHWERDE

(98)

Die belgischen Behörden gaben anhand der nicht vertraulichen Fassung des bei den Kommissionsdienststellen eingereichten Beschwerdeformulars eine Stellungnahme zu den einzelnen Begründungspunkten ab.

(99)

Im Hinblick auf den Zeichnungspreis der von Dexia im Rahmen der Kapitalaufstockung begebenen Aktien betonen die belgischen Behörden, dass der Preis von 9,9 EUR je Aktie, der dem durchschnittlichen Kurs der letzten dreißig Tage vor Beginn der Ausgabe entspreche, im Einklang mit den Bestimmungen von Artikel 598 Code belge des sociétés festgelegt worden sei. Dieser sieht vor, dass im Fall einer Kapitalerhöhung durch Geldeinlage, die auf eine oder mehrere bestimmte Personen beschränkt ist, der Ausgabepreis nicht niedriger als der durchschnittliche Kurs der letzten dreißig Tage vor dem Tag des Beginns der Ausgabe sein darf. Der Preis der im Rahmen der Kapitalerhöhung von Dexia emittierten Aktien sei somit gemäß den für die Parteien geltenden Rechtsvorschriften festgelegt worden.

(100)

Darüber hinaus betonen die belgischen Behörden, dass der Beschwerdeführer die Notwendigkeit der Kapitalerhöhung mit der Begründung infrage stelle, Dexia stecke in einer Liquiditätskrise und nicht in einer Solvabilitätskrise, und dass die Kapitalerhöhung nicht dazu geführt habe, die Tier-1-Eigenkapitalquote von Dexia auf ein gegenüber vergleichbaren europäischen Banken überdurchschnittliches Maß anzuheben. Nach Auffassung der belgischen Behörden wird bei diesen Behauptungen der Solvabilitätsbedarf von Dexia Ende September 2008 außer Acht gelassen, der auf der Zunahme der Risiken und der absehbaren Verluste im 3. und 4. Quartal 2008 infolge der Exponierung der Gruppe gegenüber verschiedenen in Konkurs gegangenen oder in Schwierigkeiten geratenen Banken (Lehman Brothers, Depfa, Bradford & Bingley, irische und isländische Banken), auf den erwarteten Verlusten bei den ausstehenden Forderungen von FSA sowie auf umfangreichen Wertminderungen von Aktiva infolge des schlechteren Ratings mehrerer Credit-Enhancement-Institute, die Titel von Dexia besichert haben, beruht habe.

(101)

Im Hinblick auf die aus den Beihilfemaßnahmen zugunsten von Dexia resultierenden Wettbewerbsverzerrungen betonen die belgischen Behörden, dass die Ad-hoc-Maßnahmen des belgischen Staats zugunsten von Dexia gerechtfertigt gewesen seien, um eine Systemkrise zu verhindern, und sich damit nicht von Maßnahmen anderer Mitgliedstaaten unterscheiden würden, die von der Kommission auf der Grundlage von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV genehmigt worden seien. Zu den von Dexia angebotenen Zinsen für Kundeneinlagen legten die belgischen Behörden eine Mitteilung von Dexia vor, in der die von Dexia angebotenen Zinsen mit denen ihrer Wettbewerber für die gleichen Dienste auf dem belgischen Markt verglichen werden (ING, Deutsche Bank, Fortis, Axa, Citibank, Rabobank und KBC). Danach scheinen die von Dexia angebotenen Zinsen denen ihrer Wettbewerber zu entsprechen. In dieser Mitteilung weist Dexia weiter nachdrücklich darauf hin, dass die in der Beschwerde genannten Zinssätze nur für Einlagen über das Internet-Banking gelten würden und dass diese Einlagen einen geringen Anteil ([10-15] %) aller Kundeneinlagen ausmachen würden.

(102)

Die belgischen Behörden vertreten daher entgegen den in der Beschwerde dargelegten Begründungen die Auffassung, dass die Beihilfemaßnahmen zugunsten von Dexia nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sind.

7.2.   STELLUNGNAHMEN DER MITGLIEDSTAATEN ZUR ERÖFFNUNG DES VERFAHRENS

(103)

Die beteiligten Mitgliedstaaten übermittelten der Kommission eine gemeinsame Stellungnahme zu dem mit der Entscheidung vom 13. März eröffneten förmlichen Prüfverfahren. Diese Stellungnahme bezieht sich sowohl auf die Einstufung der angemeldeten Maßnahmen als Beihilfe als auch auf die Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Binnenmarkt.

7.2.1.   EINSTUFUNG DER ANGEMELDETEN MASSNAHMEN ALS BEIHILFE

7.2.1.1.    Die Kapitalerhöhung

(104)

In ihrer Stellungnahme vertreten die beteiligten Mitgliedstaaten zunächst die Auffassung, dass die von den Altaktionären von Dexia (Caisse des Dépôts et Consignations, nachstehend „CDC“ genannt, CNP Assurances, Holding Communal, Ethias und Arcofin) im Rahmen der Kapitalerhöhung gezeichneten Aktien keine Beihilfeelemente enthalten. Die beteiligten Mitgliedstaaten weisen darauf hin, dass diese Anteilseigner von Dexia an eine privatrechtliche, am 28. August 2007 geschlossene Aktionärsvereinbarung gebunden seien. Zur Wahrung der Interessen dieser Aktionärsgruppe sei eine Beteiligung jedes dieser Aktionäre bei der Kapitalerhöhung unverzichtbar. Im Übrigen sei es angesichts der Dringlichkeit der Kapitalaufstockung folgerichtig, dass sich Dexia vorrangig an ihre Hauptaktionäre gewandt habe. Die beteiligten Mitgliedstaaten betonten, dass die Entscheidung von CDC, CNP Assurances, Holding Communal, Ethias und Arcofin, sich an der Kapitalerhöhung zu beteiligen, nicht ihnen zuzurechnen sei und dass darüber hinaus Arcofin und Ethias nicht aus staatlichen Mitteln finanziert worden seien.

7.2.1.2.    Die Liquiditätshilfe

(105)

Im Übrigen vertreten die belgischen Behörden die Auffassung, dass die Liquiditätshilfe (LA), die Dexia von der BNB in Zusammenarbeit mit der Banque de France bereitgestellt wurde, keine Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstelle, da Liquiditätshilfen zu den normalen Aufgaben der nationalen Zentralbanken gehören und im Besonderen unter deren Auftrag fallen würden, als letztistanzlicher Kapitalgeber bei vorübergehenden Liquiditätsproblemen einer ansonsten solventen Bank zur Stabilität des Finanzsystems beizutragen. Festzustellen sei Folgendes:

zum Zeitpunkt der Einrichtung der Liquiditätshilfe hätten die Finanzbehörden bestätigt, dass nichts darauf hindeute, dass Dexia zahlungsunfähig sei;

die gewährte LA sei durch ausreichende Sicherheiten Dexias besichert worden, und die BNB und die Banque de France hätten hohe und von der Beschaffenheit dieser Sicherheiten abhängige Sicherheitsabschläge („Haircut“) angesetzt;

die LA sei zu ungünstigen, ja sogar exorbitanten Zinsen gewährt worden;

die BNB und die Banque de France hätten jederzeit völlig unabhängig und diskretionär über die Gewährung der LA, ihre Verlängerung und die in diesem Rahmen bereitgestellten Summen entscheiden;

die LA sei eine zeitlich begrenzte Maßnahme: Die im Rahmen der LA gewährten Kredite seien auf einen Tag befristet („overnight“) und könnten mit einer Entscheidung der leihenden Zentralbank verlängert werden.

(106)

Zudem weisen die belgischen Behörden darauf hin, dass die LA zugunsten von Dexia vom Rat der Europäischen Zentralbank (nachstehend „EZB“) genehmigt worden sei (in Höhe von bis zu […] Mrd. EUR). Durch die Einstufung der LA als Beihilfe würde sie mit dem Grundsatz des Verbots der monetären Finanzierung nach Artikel 124 AEUV unvereinbar. Denn nach diesem Grundsatz sei es rechtlich unmöglich, einem Mitgliedstaat Handlungen zuzurechnen, die eine nationale Zentralbank im Rahmen ihres Auftrags vollzieht, wenn diese Zentralbank die von der EZB vorgegebenen Bedingungen für die Erfüllung dieses Auftrags erfüllt. Die Dexia gewährte LA habe nun aber alle von der EZB gestellten Bedingungen erfüllt. Sie erfülle insbesondere die Anforderung, dass die LA unabhängig und diskretionär von der oder den betroffenen nationalen Zentralbanken bereitgestellt werden müsse.

(107)

Nach Ansicht der belgischen Behörden kann diese Schlussfolgerung durch die bloße Tatsache, dass der belgische Staat für eine von der BNB gewährte Liquiditätshilfe automatisch die Garantie übernehme, nicht umgestoßen werden. Zum einen habe es zu dem Zeitpunkt, zu dem der Vorstand der BNB völlig unabhängig entschieden habe, Dexia die Liquiditätshilfe zu gewähren, keine Staatsgarantie gegeben. Diese habe daher nicht in den Entscheidungsprozess einfließen können. Die Tatsache, dass der belgische Gesetzgeber eine ausdrückliche Garantie des belgischen Staats für diese Maßnahmen — unabhängig vom Fall Dexia — vorgesehen habe, was in anderen Mitgliedstaaten nicht immer so sei, beruhe auf der besonderen Aktionärsstruktur der BNB, die ein börsennotiertes Unternehmen mit privaten Aktionären sei, während an den anderen nationalen Zentralbanken im Allgemeinen keine privaten Aktionäre beteiligt seien. Diese Garantie sei daher fester Bestandteil der Satzung der BNB und solle es der BNB ermöglichen, ihre Aufgabe als letztinstanzlicher Kapitalgeber wahrzunehmen. Eine solche explizite Garantie sei bei den anderen Zentralbanken, die zu 100 % im Besitz des jeweiligen Staats seien, nicht erforderlich. Die automatische Verfügbarkeit der Staatsgarantie sei ausdrücklich vorgesehen worden, um sicherzustellen, dass Liquiditätshilfen der BNB mit den Grundsätzen des Verbots der monetären Finanzierung in Einklang stehen und die Kriterien der Entscheidungspraxis der Kommission erfüllen würden, insbesondere die der Entscheidung im Fall Northern Rock  (24).

(108)

Schließlich betonen die belgischen Behörden, dass, falls die Kommission dennoch die Auffassung vertreten sollte, dass die Liquiditätshilfe als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV anzusehen sei, der Beihilfebetrag auf der Grundlage der Differenz zwischen dem angewandten Satz und dem in der Mitteilung der Kommission über die Änderung der Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze (25) (nachstehend „Mitteilung über die Referenzsätze“ genannt) genannten Referenzsatz berechnet werden müsse. Zudem müsse der Beihilfebetrag in jedem Fall auf die Hälfte der Liquiditätshilfe begrenzt werden, der dem Dexia tatsächlich von der BNB gewährten Betrag entspreche, da die andere Hälfte für Rechnung und auf Gefahr der Banque de France gewährt worden sei. Diese verfüge nun aber über keine ausdrückliche Garantie des französischen Staates, und eine Garantie des belgischen Staates könne natürlich nicht für Maßnahmen einer ausländischen Zentralbank gelten.

7.2.1.3.    Die FSA-Maßnahme

(109)

Nach Auffassung der beteiligten Mitgliedstaaten ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Garantie des belgischen und des französischen Staats für die Aktiva von FSAM tatsächlich in Anspruch genommen wird, gering, denn die Obergrenze von 4,5 Mrd. USD für die von Dexia selbst zu übernehmenden Erstverluste liege selbst über den pessimistischsten Szenarien für die wirtschaftlichen Verluste des Portfolios. Infolgedessen müsse der Betrag der etwaigen staatlichen Beihilfe selbst bei einem pessimistischen Szenario als null betrachtet werden.

7.2.2.   VEREINBARKEIT DER ANGEMELDETEN MASSNAHMEN

7.2.2.1.    Die FSA-Maßnahme

(110)

Die Mitgliedstaaten machen gegenüber der Kommission zunächst geltend, dass die FSA-Maßnahme ihrer Ansicht nach nicht in den Anwendungsbereich der Mitteilung der Kommission über die Behandlung wertgeminderter Aktiva im Bankensektor der Gemeinschaft (26) (nachstehend „Mitteilung über wertgeminderte Aktiva“) fällt, und begründen dies wie folgt:

Die FSA-Maßnahme sei eigentlich keine Garantie für Aktiva, sondern eine Garantie für die Verbindlichkeiten Dexias gegenüber FSAM im Rahmen ihrer eigenen Garantie (über die Put-Option). Nur wenn Dexia ihren Verpflichtungen zum Kauf der betroffenen Aktiva von FSAM im Fall einer Ausübung der Put-Option nicht nachkomme, werde die Garantie des belgischen und des französischen Staates in Anspruch genommen. Die FSA-Maßnahme bewirke daher weder eine Übertragung noch eine automatische Veräußerung von Aktiva;

mit der Maßnahme solle nicht das FSAM-Portfolio zugunsten von Dexia abgesichert werden, sondern eine dringende und für die Umstrukturierung von Dexia erforderliche Veräußerung ermöglicht werden;

diese Veräußerung sei nach einem offenen und transparenten Verfahren durchgeführt worden, was — wie bei Privatisierungen — zu dem Schluss führen müsse, dass sie keine Beihilfeelemente enthalte;

da die Maßnahme, die vor der Annahme der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva (25. Februar 2009) angemeldet worden sei, bereits als mit Artikel 16 der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (27) vereinbar erklärt worden sei, müsse sie nicht auch als mit der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva vereinbar erklärt werden.

(111)

Zudem betonen die beteiligten Mitgliedstaaten, dass die Kommission selbst für den Fall, dass die FSA-Maßnahme vor dem Hintergrund der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva gewürdigt werden müsse, anhand der ihr vorliegenden Informationen feststellen könne, dass diese Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, und zwar insbesondere aus den folgenden Gründen:

Die Kostenverteilung stehe im Einklang mit der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva, insbesondere die Höhe der von Dexia getragenen Erstverluste, die mehr als 36 % des Nennwerts des besicherten Portfolios betrage und damit deutlich über dem in der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva festgelegten Mindestwert von 10 % liege. Zudem hätte Dexia im Fall der Inanspruchnahme der Garantie des belgischen und des französischen Staates Rückzahlungen in Aktien des Eigenkapitals leisten müssen, deren Ausgabe für die anderen Aktionäre der Gruppe einen Verwässerungseffekt gehabt hätte;

die Maßnahme werde marktüblich in Höhe der 5-jährigen CDS von Dexia (für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. August 2008) zuzüglich von 70 Basispunkten, entsprechend 113 Basispunkten, vergütet. Die beteiligten Mitgliedstaaten betonen hierzu, dass die Vergütung gegenüber dem der Kommission ursprünglich angemeldeten Betrag um 21 Basispunkte erhöht worden sei;

der wirtschaftliche Verlust bei den durch die Maßnahme abgesicherten Aktiva, der von unabhängigen Stellen nach einem von den nationalen Aufsichtsbehörden bestätigten Verfahren bewertet worden sei, werde in voller Höhe von Dexia übernommen, der der maximale Verlust unter den von Dexia zu tragenden Erstverlusten liege.

(112)

Die beteiligten Mitgliedstaaten vertreten daher die Auffassung, dass die FSA-Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar ist und die Höhe der in der Maßnahme enthaltenen Beihilfe gleich null ist.

7.2.2.2.    Der ursprüngliche Umstrukturierungsplan

(113)

Den Bedenken der Kommission, ob mit dem bei der Kommission im Februar 2009 angemeldeten ursprünglichen Umstrukturierungsplan die langfristige Rentabilität der Bank wiederhergestellt, übermäßige Wettbewerbsverzerrungen verhindert und eine angemessene Verteilung der Umstrukturierungskosten gewährleistet werden kann, schließen sich die beteiligten Mitgliedstaaten nicht an.

(114)

In ihrer Stellungnahme vertreten sie die Ansicht, dass die langfristige Rentabilität von Dexia mit den der Kommission notifizierten Maßnahmen aus den folgenden Gründen wiederhergestellt werden könne:

Für 2010 sowie für 2011 sei eine Reduzierung des Anleiheportfolios von Dexia um [15-30] Mrd. EUR (davon […] Mrd. EUR aus Veräußerungen), geplant was vor dem Hintergrund der jüngsten Erfahrungen von Dexia glaubwürdig und sogar eher vorsichtig sei;

das Szenario der Wiederherstellung der Liquidität, bei dem der kurzfristige Finanziermittelbedarf von Dexia bis Ende 2010 um 100 Mrd. EUR gesenkt werden soll, sei realistisch, insbesondere aufgrund der Erholung der Bedingungen für die Kapitalbeschaffung auf dem Anleihe- und Pfandbriefmarkt;

dem Umstrukturierungsplan für Dexia würden sehr vorsichtige makroökonomische Annahmen zugrunde liegen;

die von der Kommission erwähnten Ungewissheiten hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung des Marktes für die Kreditvergabe an Kommunen hätten nur geringe Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit von Dexia, da dieser Markt kaum anfällig für Änderungen der makroökonomischen Bedingungen sei und sich im Übrigen eine weniger umfangreiche Vergabe neuer Kredite für Kommunen unwesentlich auf die Einnahmen von Dexia auswirke.

(115)

Die beteiligten Mitgliedstaaten betonen weiterhin, dass alle im Februar 2009 angemeldeten Umstrukturierungsmaßnahmen rentable Geschäftsfelder betreffen, gleich ob es sich um das Geschäftsfeld PWB oder um die Verringerung der RCB-Aktivitäten handle. Infolgedessen müssten bei der Bewertung der Maßnahmen zur Verringerung übermäßiger Wettbewerbsverzerrungen alle vorgeschlagenen Maßnahmen berücksichtigt werden.

(116)

Schließlich vertreten die beteiligten Mitgliedstaaten die Ansicht, dass die Kommission die Höhe der Beihilfe in ihrer Entscheidung vom 13. März 2009 nicht richtig berechnet hat, da sie falsche Beträge und unterschiedliche Beträge addiert und dadurch auf einen Gesamtbeihilfebetrag von [170-210] Mrd. EUR gekommen sei. Dieser Betrag, anhand dessen die Verteilung der Umstrukturierungskosten auf Dexia und die beteiligten Mitgliedstaaten bewertet werden müsse, sei daher zu hoch angesetzt. Die Beteiligung von Dexia an den Umstrukturierungskosten sei dagegen nach Auffassung der beteiligten Mitgliedstaaten zu niedrig angesetzt, da die Verringerung der Vergabe neuer Kredite, die von Dexia und den beteiligten Mitgliedstaaten vorgesehen worden sei und als eigener Beitrag Dexias zu den Umstrukturierungskosten betrachtet werden müsse, nicht berücksichtigt worden sei.

(117)

Zusammenfassend unterstützen die beteiligten Mitgliedstaaten den Beschluss der Kommission, die FSA-Maßnahme endgültig zu genehmigen, um die Veräußerung von FSA an Assured Guaranty zu ermöglichen, die einen wesentlichen Faktor zur Wiederherstellung der Rentabilität und zur Verbesserung des Risikoprofils der Gruppe darstelle. Die Bedenken der Kommission hinsichtlich der anderen Maßnahmen halten sie dagegen für unbegründet.

7.3.   STELLUNGNAHMEN DER MITGLIEDSTAATEN ZUM UMSTRUKTURIERUNGSPLAN

(118)

Ergänzend zu den vorstehenden Äußerungen zu dem im Februar 2009 bei der Kommission angemeldeten ursprünglichen Umstrukturierungsplan übermittelten die beteiligten Mitgliedstaaten eine Stellungnahme zu den am 9. Februar 2010 bei der Kommission angemeldeten ergänzenden Umstrukturierungsmaßnahmen.

(119)

Nach Ansicht der beteiligten Mitgliedstaaten ermöglicht der Umstrukturierungsplan eine Stärkung der langfristigen Rentabilität der Gruppe und einen früheren Ausstieg von Dexia aus dem Garantiemechanismus für die Refinanzierung, womit den Bedenken der Kommission in ihren Entscheidungen vom 13. März 2009 und 30. Oktober 2009 Rechnung getragen werde. Alle von Februar 2009 bis Februar 2010 angemeldeten Umstrukturierungsmaßnahmen würden zusammen einen Plan zur Umstrukturierung und zum Ausgleich möglicher Wettbewerbsverzerrungen bilden, der den Anforderungen, die die Kommission in ihren Entscheidungen und auf ihren Sitzungen mit Vertretern der beteiligten Mitgliedstaaten und Vertreten von Dexia geäußert habe, entspreche.

(120)

Die Mitgliedstaaten betonen zudem, dass die Kommission bei der Würdigung des Umstrukturierungsplans berücksichtigten müsse, dass Dexia im Vergleich zu anderen Banken, deren Umstrukturierungsplan die Kommission in den letzten Monaten genehmigt habe, objektiv betrachtet in einer anderen Situation sei. Sie weisen insbesondere auf folgende Unterschiede gegenüber anderen Banken hin:

Dexia sei bereits wieder rentabel und habe schon im ersten Quartal 2009 und in den darauf folgenden Quartalen ein positives Nettoergebnis erwirtschaftet;

ein Großteil des Plans zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität von Dexia sei bereits auf dem Weg, insbesondere die Veräußerung von FSA und die Verringerung des kurzfristigen Finanzierungsbedarfs um 100 Mrd. EUR, die im dritten Quartal 2009 bereits zu 75 % erreicht sei;

die Kerngeschäftsfelder von Dexia (PWB und RCB) würden systembedingt ein geringes Risikoprofil aufweisen; mit der Vergütung, die ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber erwarte, werde diesem Faktor Rechnung getragen und ein geringerer „Return on Equity“ (ROE) als bei anderen riskanteren Banken ermöglicht;

Dexia zahle den beteiligten Mitgliedstaaten für die gewährten Beihilfen eine Vergütung, die in einigen Fällen (insbesondere bei der Garantie für das FP-Portfolio von FSA) über dem in den Leitlinien der Kommission vorgeschriebenen Wert liege.

VIII.   WÜRDIGUNG DER BEIHILFE

8.1.   VORLIEGEN EINER BEIHILFE

(121)

Die Kommission muss beurteilen, ob die fraglichen Maßnahmen staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellen. Danach sind, soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Die Kommission muss somit für jede Maßnahme prüfen, ob die kumulativen Kriterien von Artikel 107 Absatz 1 AEUV erfüllt sind.

8.1.1   DIE KAPITALERHÖHUNG

(122)

Im Hinblick auf das Vorliegen der Beihilfe im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung verweist die Kommission auf ihre Entscheidung vom 13. März 2009, in der sie nachwies, dass es sich bei den Maßnahmen Belgiens, Frankreichs und Luxemburgs um staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV handelt. Die Kommission vertritt im Übrigen die Auffassung, dass das Verhalten der CDC und der Holding Communal unter den gegebenen Umständen ebenfalls dem Staat zuzurechnen ist.

(123)

Gemäß der Rechtsprechung genügt die bloße Tatsache, dass ein Unternehmen unter staatlicher Kontrolle steht, nicht, um Maßnahmen dieses Unternehmens dem Staat zuzurechnen (28). Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht allerdings auch hervor, dass die Zurechenbarkeit dieser Maßnahmen zum Staat in Anbetracht dessen, dass es für die Kommission aufgrund der bevorzugten Beziehungen zwischen der CDC und der Holding Communal zum einen und ihrem jeweiligen Staat zum anderen sehr schwierig ist, nachzuweisen, dass die Entscheidungen über die Kapitalzuführung für Dexia tatsächlich auf Anweisung staatlicher Behörden getroffen wurden, aus einem Komplex von Indizien abgeleitet werden kann, die sich aus den Umständen, unter denen die Maßnahmen ergangen sind, ergeben. (29)

(124)

So können beispielsweise Indizien wie die „Eingliederung in die Strukturen der öffentlichen Verwaltung, die Art seiner Tätigkeit und deren Ausübung auf dem Markt unter normalen Bedingungen des Wettbewerbs mit privaten Wirtschaftsteilnehmern, der Rechtsstatus des Unternehmens, ob es also dem öffentlichen Recht oder dem allgemeinen Gesellschaftsrecht unterliegt, die Intensität der behördlichen Aufsicht über die Unternehmensführung oder jedes andere Indiz, das im konkreten Fall auf eine Beteiligung der Behörden oder auf die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung am Erlass einer Maßnahme hinweist, wobei auch deren Umfang, ihr Inhalt oder ihre Bedingungen zu berücksichtigen sind“, relevant sein, um auf die Zurechenbarkeit einer von einem öffentlichen Unternehmen getroffenen Beihilfemaßnahme zum Staat zu schließen (30).

(125)

Im vorliegenden Fall ist zum einen Folgendes festzustellen:

CDC ist ein öffentliches Unternehmen, das mit dem französischen Haushaltsgesetz vom 28. April 1816 der Aufsicht und Garantie der gesetzgebenden Gewalt unterstellt wurde, Gemeinwohlaufgaben wahrnimmt (insbesondere Finanzierung von öffentlichen Einrichtungen) und durch Rechtsvorschriften geregelt wird; der Generaldirektor und die wichtigsten Führungskräfte werden vom Präsidenten der Französischen Republik und von der französischen Regierung ernannt (31). CDC unterlag im beschlusserheblichen Zeitraum in Abweichung vom allgemeinen Recht nicht der Aufsicht der Commission bancaire oder der Agence des participations de l’État, war nicht körperschaftsteuerpflichtig und leistete keinen „freiwilligen Beitrag“ an die Staatskasse.

Die Holding Communal zählt 599 belgische Kommunen und Provinzen zu ihren Aktionären und stellt das wichtigste Vehikel für die Kapitalbeschaffung der Kommunen dar; alle Mitglieder des Verwaltungsrats sind Gemeinderäte, Bürgermeister oder Beigeordnete. Satzungsgemäß untersteht die Holding Communal der Aufsicht des Finanz- und Innenministeriums nach gesetzlich festgelegten Modalitäten. Im Hinblick hierauf ist zu betonen, dass die beiden Regierungskommissare (als Vertreter des Finanzministeriums und des Innenministeriums) die Befugnis haben, sich über einen Beschluss des Verwaltungsrats der Holding Communal hinwegzusetzen; nach der Rechtsprechung (32) deutet jedoch das Bestehen eines Vetorechts oder einer Genehmigungsbefugnis des Staates auf die Zurechenbarkeit des Verhaltens einer Person des öffentlichen Rates zum Staat hin, was im vorliegenden Fall für die Holding Communal zutrifft.

Zum anderen ist festzustellen, dass die Kapitalzuführung von CDC und Holding Communal in diesem Fall gleichzeitig mit anderen, von den Staaten ergriffenen Maßnahmen erfolgt ist (direkte Kapitalzuführung durch die Staaten und Regionen, Staatsgarantie, FSA-Maßnahme, vom belgischen Staat garantierte Liquiditätshilfe). Diese Kapitalzuführungen sind mit den anderen Maßnahmen als Gesamtpaket kohärenter Maßnahmen zur Rettung von Dexia Ende September 2009 zu sehen.

Aufgrund der Zeitgleichheit dieser Maßnahmen in Kombination mit den genannten Sachverhalten ist allerdings unwahrscheinlich, dass die staatlichen Behörden in die Entscheidungen von CDC und Holding Communal über eine Beteiligung an der Kapitalerhöhung von Dexia nicht einbezogen waren. Daher ist festzustellen, dass die von CDC und Holding Communal gewährten Kapitalzuführungen den jeweiligen Mitgliedstaaten zuzurechnen sind.

(126)

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Kapitalaufstockung durch die so genannten „Altaktionäre“ das Rechtsprechungskriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers nicht erfüllt. Denn die Beteiligung der Aktionäre, deren Verhalten nicht dem Staat zuzurechen ist, an der Kapitalaufstockung von Dexia beträgt nur 12,4 % und ist damit nicht ausreichend, um darauf zu schließen, dass die Altaktionäre wie marktwirtschaftlich handelnde private Kapitalgeber aufgetreten sind. Der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers gilt nur für Umstände, die marktüblichen Bedingungen entsprechen (33). Nun haben aber die Altaktionäre auf dem Höhepunkt der Finanzkrise eingegriffen, um Dexia zu retten, und somit unter Umständen, die keineswegs marktüblich sind. Zudem erfolgte dieses Eingreifen der Altaktionäre im Rahmen eines Maßnahmenpakets zur Rettung von Dexia, einem Unternehmen in ernsten Schwierigkeiten, das für die Volkswirtschaften der drei beteiligten Mitgliedstaaten von systemischer Bedeutung ist. Nun ist jedoch festzustellen, dass bei der Würdigung des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers allgemein-, wirtschafts- und sozialpolitische Erwägungen auszuklammern sind (34). Um das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers zu erfüllen, muss die Glaubwürdigkeit der Anlage durch einen Ex-ante-Businessplan untermauert werden und vorzugsweise durch einen Ex-ante-Businessplan, der von unabhängigen Prüfern und anhand von Stresstests bestätigt wurde (35).

(127)

Schließlich muss selbst dann, wenn der öffentliche Kapitalgeber Eigentümer ist (was bei den Altaktionären, deren Verhalten dem Staat zuzurechnen ist, d. h. CDC und Holding Communal, der Fall ist), beim Vergleich mit einem marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgeber überprüft werden, dass sich der Kapitalgeber umsichtig verhält und nicht mehr Risiken als ein marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitelgeber eingeht (36). Der Status des Altaktionärs kann somit keine „flexiblere“ Anwendung des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers rechtfertigen.

(128)

Im Übrigen vertritt die Kommission die Auffassung, dass die den beteiligten Mitgliedstaaten zuzurechnende Kapitalerhöhung selektiv ist, weil sie nur ein einziges Unternehmen, die Gruppe Dexia, betrifft. Angesichts der Größe von Dexia und ihrer Stellung auf dem belgischen, französischen und luxemburgischen Markt sowie der Tatsache, dass die Gruppe ohne die Maßnahmen möglicherweise zahlungsunfähig gewesen wäre, was das gesamte Gefüge des Bankenmarkts in den drei Ländern erheblich verändert hätte, ist die Kommission der Auffassung, dass die Maßnahmen den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

(129)

Abschließend vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Kapitalzuführung durch CDC und Holding Communal ein Beihilfeelement zugunsten von Dexia im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt.

(130)

Dagegen ist die Kommission der Ansicht, dass es sich bei den Mitteln, die Dexia von Ethias (die zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung nicht verstaatlicht war), Arcofin (deren Kapital mehrheitlich von privaten Aktionären gehalten wird) und CNP Assurance (deren Kapital mehrheitlich privaten Aktionären gehört, und zwar der Gruppe Banque Populaire Caisses d’Épargne und Inhabern von „Free-Float-Kapital“) bereitgestellt wurden, nicht um staatliche Mittel handelt.

8.1.2.   DIE GARANTIE DER MITGLIEDSTAATEN

(131)

In ihren Entscheidungen vom 19. November 2008 (Erwägungsgründe 24 bis 27) und 30. Oktober 2009 (Erwägungsgrund 13) wies die Kommission den Beihilfecharakter der Garantie nach. Nach Auffassung der Kommission ist die Beweisführung dieser Entscheidungen weiterhin zutreffend und stellt die Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV dar.

8.1.3.   DIE LIQUIDITÄTSHILFE

(132)

Hinsichtlich des Vorliegens einer Beihilfe im Zusammenhang mit der Liquiditätshilfe nimmt die Kommission die Stellungnahme der belgischen Behörden zu der Dexia von der BNB bereitgestellten Liquiditätshilfe zur Kenntnis. Die Kommission ist jedoch der Ansicht, dass ihre in der Entscheidung vom 19. November 2008 dargelegten Schlussfolgerungen zum Beihilfeelement der Liquiditätshilfe durch diese Äußerungen nicht infrage gestellt werden.

(133)

Denn unter Ziffer 51 ihrer Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise (37) (nachstehend „Bankenmitteilung“ genannt) führte die Kommission aus, dass die Bereitstellung von Zentralbankmitteln für ein Finanzinstitut möglicherweise nicht als staatliche Beihilfe zu betrachten ist, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind (38).

(134)

Eine der in der Bankenmitteilung genannten Bedingungen, die erfüllt sein müssen, ist, dass „die Maßnahme […] nicht durch eine Rückbürgschaft des Staates gedeckt“ ist. In diesem Fall stellte die Kommission fest, dass die von der BNB gewährten Kredite durch eine (rückwirkende) Garantie des Staates im Rahmen der Loi du 15 Octobre 2008 portant des mesures visant à promouvoir la stabilité financière et instituant en particulier une garantie d’Etat relative aux crédits octroyés et autres opérations effectuées dans le cadre de la stabilité financière besichert wird. Da die von der BNB gewährte Liquiditätshilfe durch eine Garantie des belgischen Staates gedeckt ist, ist die in der Mitteilung vorgesehene Bedingung somit nicht erfüllt.

(135)

Die Bedingungen, die in der Bankenmitteilung aufgestellt werden, um das Vorliegen einer Beihilfe auszuschließen, sind somit insgesamt nicht erfüllt. Daher ist zu prüfen, ob die Bedingungen für das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe tatsächlich erfüllt sind. Da die BNB eine Einrichtung des belgischen Staates ist, handelt es sich bei ihren Mitteln um öffentliche Mittel. Dies trifft im vorliegenden Fall umso mehr zu, als die Rückbürgschaft zur Folge hat, dass Verluste direkt vom belgischen Staat übernommen werden. Zudem ist die Liquiditätshilfe eine selektive Maßnahme zugunsten von Dexia. Schließlich verschafft die Maßnahme Dexia im Wege der Bereitstellung von Finanzmitteln, die die Bank am Markt nicht mehr beschaffen konnte, einen selektiven Vorteil. Da Dexia in mehreren Mitgliedstaaten tätig ist und im überwiegenden Teil ihrer Geschäftsfelder im Wettbewerb zu anderen Kreditinstituten steht, von denen die meisten keine vergleichbaren Beihilfen erhalten haben, wird durch diesen Vorteil der Wettbewerb verfälscht und der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt.

(136)

Die Kommission gelangt daher zu dem Schluss, dass die von der BNB für eigene Rechnung eingeführte Liquiditätshilfe eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt.

8.1.4.   DIE FSA-MASSNAHME

(137)

Die Kommission hat den Beihilfecharakter der FSA-Maßnahme in ihrer Entscheidung vom 13. März 2009 (Erwägungsgründe 53 bis 56) nachgewiesen und vertritt die Auffassung, dass ihre Schlussfolgerungen durch die Äußerungen der Mitgliedstaaten nicht infrage gestellt werden.

(138)

Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass es sich bei der FSA-Maßnahme um eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV handelt.

8.2.   HÖHE DER BEIHILFE

(139)

In ihren Entscheidungen vom 19. November 2008 und 13. März 2008 hat die Kommission den Beihilfebetrag der fraglichen Maßnahmen bereits vorläufig geschätzt. Anhand dieser ersten Schätzung und der von den beteiligten Mitgliedstaaten seit dem 13. März 2009 übermittelten ergänzenden Angaben kommt die Kommission auf einen Beihilfebetrag, der sich wie folgt zusammensetzt:

8.2.1.   DIE KAPITALERHÖHUNG

(140)

Die am 30. September 2008 angekündigte Kapitalzuführung beläuft sich auf insgesamt 6,4 Mrd. EUR, von denen aus den genannten Gründen die Kapitalzuführungen von Ethias, Arcofin und CNP Assurance in Höhe von 150 Mio. EUR, 350 Mio. EUR bzw. 288 Mio. EUR abzuziehen sind.

(141)

Zudem stellt die Kommission fest, dass Dexia im Rahmen ihres Umstrukturierungsplans darauf verzichtet hat, 376 Mio. EUR an Wandelanleihen von Dexia BIL, die vom luxemburgischen Staat gezeichnet werden sollten, aber nie gezeichnet wurden, in Anspruch zu nehmen. Infolgedessen ist auch dieser Betrag von dem Betrag, der als Beihilfeelement im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung zu berücksichtigen ist, abzuziehen.

(142)

Folglich beläuft sich der Gesamtbetrag der Beihilfe im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung auf 5,2 Mrd. EUR (39).

8.2.2.   DIE GARANTIE DER MITGLIEDSTAATEN

(143)

Gemäß dem Garantievertrag zwischen Dexia und den beteiligten Mitgliedstaaten vom 9. Oktober 2008 hat die Garantie der Mitgliedstaaten einen Umfang von bis zu 150 Mrd. EUR. Dieser Betrag wurde mit dem am 1. November 2009 in Kraft getretenen Garantievertrag auf 100 Mrd. EUR gesenkt.

(144)

In ihrer Stellungnahme zur Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens machten die beteiligten Mitgliedstaaten geltend, dass der Beihilfebetrag der Garantie anhand der Mitteilung der Kommission über die Änderung der Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze (nachstehend „Mitteilung über die Referenzsätze“ genannt) (40) berechnet werden müsse. Nach den Bestimmungen dieser Mitteilung entsprächen die Beihilfeelemente der Garantie der Differenz zwischen der Vergütung der Garantie und einem als Referenzsatz für den Geldmarkt (IBOR) definierten Referenzsatz zuzüglich von 75 Basispunkten.

(145)

Hierzu stellt die Kommission fest, dass die Anwendung eines auf marktüblichen Sätzen beruhenden Referenzsatzes bei Unternehmen in Schwierigkeiten unangebracht ist, da Dexia ohne die Garantie kein Kapital am Markt hätte beschaffen können. Deshalb vertritt die Kommission gemäß ihrer ständigen Praxis in den ihr vorgelegten Umstrukturierungsfällen die Auffassung, dass das zu berücksichtigende Beihilfeelement der Garantie dem Maximalbetrag entspricht, der über die Garantie abgesichert werden kann, d. h. 100 Mrd. EUR, und somit dem Höchstbetrag der Verbindlichkeiten von Dexia, die seit dem 1. November 2009 tatsächlich durch die Garantie gedeckt werden können (41).

8.2.3.   DIE LIQUIDITÄTSHILFE

(146)

Entsprechend ihrem Ansatz bei der Garantie vertritt die Kommission die Auffassung, dass das Beihilfeelement der Garantie des belgischen Staates für die Liquiditätshilfe der BNB dem Höchstbetrag entspricht, der durch die Garantie tatsächlich gedeckt wurde, d. h. […] Mrd. EUR. Dies entspricht dem Anteil des Höchstbetrags der Liquiditätshilfe der BNB, der vom EZB-Rat genehmigt wurde und für den der belgische Staat garantierte.

8.2.4.   DIE FSA-MASSNAHME

(147)

Gemäß ihrer Mitteilung über wertgeminderte Aktiva (42) vertritt die Kommission die Auffassung, dass bei der Würdigung des Beihilfebetrags einer Entlastungsmaßnahme die Differenz zwischen dem Übernahmewert und dem Marktpreis des betrachteten Portfolios zu berücksichtigen ist. Nach Praxis der Kommission (43) entspricht der Übernahmewert dem Restnennwert abzüglich der ersten Tranche, die als Erstverlust in vollem Umfang von der begünstigten Bank zu übernehmen ist.

(148)

Die FSA-Maßnahme weist im Vergleich zu anderen Entlastungsmaßnahmen, zu denen sich die Kommission äußerte, einige Besonderheiten auf:

das FSAM-Portfolio (Restnennwert 16,98 Mrd. USD zum 30. September 2008) umfasst zwei Subportfolios: i) ausgenommene Aktiva (Restnennwert 4,5 Mrd. USD), die Gegenstand einer nicht garantierten Put-Option sind, und ii) gedeckte Aktiva (Restnennwert 12,48 Mrd. USD), die insofern Gegenstand einer garantierten Put-Option sind, als ein Garantievertrag vorsieht, dass der belgische Staat und der französische Staat sich verpflichten, für die Verbindlichkeiten von Dexia im Rahmen der Put-Option für die enthaltenen Aktiva zu bürgen. Die Kommission stellt jedoch fest, dass alle Inanspruchnahmen im Rahmen der Put-Option (sowohl für die gedeckten als auch für die ausgenommenen Aktiva) bei der Abschreibung der von Dexia zu übernehmenden Erstverluste 4,5 Mrd. EUR berücksichtigt wurden. Diese erste Tranche von 4,5 Mrd. USD deckt somit nicht nur das Portfolio der durch die Maßnahme gedeckten Aktiva, sondern das gesamte FSAM-Portfolio;

zudem sieht die Maßnahme vor, dass der belgische und der französische Staat auf erstes Anfordern bei Bedarf auch für diese erste Tranche von 4,5 Mrd. USD intervenieren, für diese Intervention jedoch ein Rückgriffsrecht gegen Dexia haben, die diese Intervention in bar zurückzahlen muss. Durch diesen Mechanismus sind der belgische und französische Staat einem Verlustrisiko bei den gedeckten Aktiva und einem Ausfallrisiko bei Dexia ausgesetzt, und dies bereits im Rahmen der ersten Tranche von 4,5 Mrd. USD. Diese Besonderheit kommt bei Entlastungsmaßnahmen im Allgemeinen nicht vor.

(149)

Aufgrund dieser Besonderheiten muss der Übernahmewert für das gesamte FSAM-Portofolio und nicht nur für die gedeckten Aktiva berechnet werden. Der Restnennwert belief sich am 31. Januar 2009 auf 16,6 Mrd. USD. Der Übernahmewert beläuft sich somit auf 12,1 Mrd. USD (entsprechend der Differenz zwischen 16,6 und 4,5 Mrd. USD). Der Marktpreis betrug [7-9] Mrd. USD, so dass sich der Beihilfebetrag auf [3,1-5,1] Mrd. USD, d. h. [2,4-4,0] Mrd. EUR beläuft (44).

8.2.5.   GESAMTBETRAG DER EINZELNEN BEIHILFEMASSNAHMEN

(150)

Die Kommission anerkennt das Vorbringen der beteiligten Mitgliedstaaten in ihren Stellungnahmen zur Eröffnungsentscheidung, dass die Beihilfebeträge für die Rekapitalisierung und die Garantie nicht einfach addiert werden könnten, da sich diese beiden Maßnahmen unterschiedlich auf den Wettbewerb auswirken würden. Infolgedessen stellt die Kommission fest, dass Dexia eine Beihilfe in Form einer Kapitalerhöhung und eine Entlastungsbeihilfe (FSA-Maßnahme) in Höhe von insgesamt 8,4 Mrd. EUR erhalten hat und dass die Beihilfe in Form von Garantien und Liquiditätshilfen bis zu [95-135] Mrd. EUR betragen kann.

8.3.   VEREINBARKEIT DER BEIHILFE

8.3.1.   RECHTSGRUNDLAGE

(151)

Nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV können „Beihilfen […] zur Behebung […] einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“ als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Angesichts der Lage auf den Finanzmärkten seit Gewährung der fraglichen Maßnahmen können die Maßnahmen nach Auffassung der Kommission anhand von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV geprüft werden. Für die Volkswirtschaften Belgiens, Frankreichs und Luxemburgs wurde dies mit verschiedenen Entscheidungen der Kommission zur Genehmigung von Maßnahmen, die von Behörden dieser Mitgliedstaaten zur Bewältigung der Finanzkrise ergriffen wurden, bestätigt (45). Wie in den Entscheidungen vom 19. November 2008, 13. März 2009 und 30. Oktober 2009 zu Dexia sind die Beihilfen demnach auch in diesem Fall anhand von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV zu würdigen.

(152)

Vor dem Hintergrund der aktuellen Krise erläuterte die Kommission die Bedingungen für die Anwendung von Entlastungsbeihilfen und Umstrukturierungsbeihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten. Diese Grundsätze werden in der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva und in der Umstrukturierungsmitteilung ausgeführt.

8.3.2.   VEREINBARKEIT DER FSA-MASSNAHME

(153)

Wie in der Entscheidung vom 13. März 2009 ausgeführt, fällt die FSA-Maßnahme in den Anwendungsbereich der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva, auch wenn sie vorrangig die Veräußerung von FSA ermöglichen sollte. Diese Maßnahme muss somit anhand der Bedingungen der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva geprüft werden. In ihrer Entscheidung vom 13. März 2009 vertrat die Kommission die Auffassung, dass die Garantie selbst und die Deckung des Vermögensportfolios sowie die Verteilung der Kosten auf Dexia und die beteiligten Mitgliedstaaten mit dem Binnenmarkt vereinbar waren. Die Bewertung der Aktiva, die Vergütung der Maßnahme und die Vergütung für die Titel, die von Dexia bei Überschreitung der ersten Tranche von 4,5 Mrd. USD zu geben sind, sind allerdings noch zu überprüfen.

8.3.2.1.    Bewertung der Aktiva

(154)

Die Kommission hat geprüft, ob der tatsächliche wirtschaftliche Werts (TWW) nach den Anforderungen der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva bewertet wurde, und insbesondere, ob er i) auf der Grundlage messbarer Daten ermittelt wurde, ii) auf realistischen und vorsichtigen Annahmen über die künftigen Cashflows ermittelt wurde und iii) ob er bei der Bewertung vorsichtigen Stresstests unterzogen wurde.

(155)

Die Kommission prüfte die Methoden zur Bewertung der Aktiva mit fachlicher Unterstützung der von der Kommission beauftragten Sachverständigen. Dabei wurden die wichtigsten Kategorien von Vermögenswerten im FSAM-Portfolio für ein Basis-Szenario und ein Stress-Szenario geprüft. Nach Prüfung der Methoden und Annahmen, die bei der Bewertung des TWW zugrunde gelegt wurden, gelangt die Kommission zu einer positiven Einschätzung. So stellt die Kommission fest, dass die gewählten Annahmen insgesamt vorsichtig sind:

die Ausfallquoten wurden vorsichtig und unter Verwendung der letzten Performance-Trends dieser Aktiva zurückhaltend prognostiziert;

die Wiedereinziehungsquote (einschließlich der Abwicklungs- und Wiedereinziehungskosten) wurde vorsichtig prognostiziert, spiegelt die jüngsten Trends wieder und sieht für die nächsten Jahre keine Besserung vor;

die Annahmen für Rückzahlungen vor Fälligkeit sind ebenfalls zurückhaltend und entsprechen den jüngsten beobachteten Trends.

(156)

[…].

(157)

Die erste Tranche von 4,5 Mrd. USD, die von Dexia in bar zurückzuzahlen ist, liegt über den erwarteten Verlusten, die vorsichtig und im Einklang mit der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva geschätzt wurden, und dies sowohl beim Basis- als auch beim Stress-Szenario und sowohl für das FSAM-Portfolio als Ganzes als auch für das FSAM-Portfolio nach Abzug der ausgenommenen Aktiva. Der auf 12,1 Mrd. USD festgesetzte Übernahmewert liegt sowohl beim Basis-Szenario ([13,6-14,6] Mrd. USD) als auch beim Stress-Szenario ([12-13] Mrd. USD) unter dem TWW.

8.3.2.2.    Vergütung der FSA-Maßnahme

(158)

Für die FSA-Maßnahme zahlt Dexia an den belgischen und französischen Staat jährlich eine Vergütung in Höhe von 113 Basispunkten für die Deckung des Ausfallrisikos bei der garantierten Put-Option zuzüglich von 32 Basispunkten für die Deckung des Risikos, dass Dexia ihren Liquiditätsverpflichtungen gegenüber FSAM nicht nachkommt.

(159)

Die Kommission begrüßt, dass die erste Tranche von 4,5 Mrd. USD, die von Dexia in bar zurückzuzahlen ist, die zum 31. Januar 2009 erwarteten Verluste sowohl beim Basis-Szenario als auch beim Stress-Szenario übersteigt, da sich dadurch das Risiko des belgischen und des französischen Staates verringert. Im Besonderen begrüßt die Kommission die Höhe der Vergütung, die Belgien und Frankreich angesichts der Höhe des übernommenen Restrisikos für die FSA-Maßnahme erhalten. Im Übrigen kann gemäß der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva zur Bewertung der Vergütung der FSA-Maßnahme das durch die Maßnahme freigesetzte Eigenkapital herangezogen werden. Angesichts des enormen Umfangs der ersten Tranche und der Tatsache, dass diese bei der Berechnung des Eigenkapitals im Zusammenhang mit dieser ersten Tranche mit 1 250 % gewichtet wurde, haben Belgien und Frankreich nachgewiesen, dass durch die FSA-Maßnahme kein Eigenkapital freigesetzt wird. Nach Ziffer 21 (Fußnote 11) der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva sollten Entgelte für Entlastungsmaßnahmen vergleichbar mit denen für eine Kapitalzuführung sein. Der Betrag des Kapitals, der mit der FSA-Maßnahme vergleichbar wäre, ist hier gleich null, weil kein Eigenkapital freigesetzt wird. Die FSA-Maßnahme deckt jedoch mehr auslösende Ereignisse als nur Verluste bei den gedeckten Aktiva ab. Infolgedessen vertritt die Kommission die Auffassung, dass die jährliche Vergütung für die FSA-Maßnahme angemessen ist.

8.3.2.3.    Vergütung für die zu begebenden Titel

(160)

Die Kommission stellt fest, dass die Ausgleichszahlung, die Belgien und Frankreich für die Inanspruchnahme der Garantie bei Überschreitung der Erstverluste in Höhe von 4,5 Mrd. USD erhalten, den in der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva geforderten Wert übersteigt.

8.3.2.4.    Schlussfolgerung zur Vereinbarkeit der FSA-Maßnahme mit der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva

(161)

Die Kommission gelangt daher zu dem Schluss, dass die FSA-Maßnahme mit den Grundsätzen der Mitteilung über wertgeminderte Aktiva vereinbar ist.

8.3.3.   VEREINBARKEIT DES UMSTRUKTURIERUNGSPLANS

8.3.3.1.    Geforderter Umfang der Umstrukturierung

(162)

Wie bereits erwähnt, beläuft sich der Beihilfebetrag der Kapitalerhöhung und der FSA-Maßnahme auf insgesamt 8,4 Mrd. EUR. Nach Ziffer 4 der Umstrukturierungsmitteilung muss bei der Bewertung der Verpflichtung zur Vorlage eines Umstrukturierungsplans dieser Betrag zugrunde gelegt werden. Bei der Bewertung der Vereinbarkeit des Umstrukturierungsplans mit dem Binnenmarkt müssen dagegen die Beihilfeelemente der Garantie und der von der BNB bereitgestellten Liquiditätshilfe berücksichtigt werden (46).

(163)

Nach Ziffer 4 (Fußnote 4) der Umstrukturierungsmitteilung geht es bei den Kriterien und besonderen Umständen, die die Vorlage eines Umstrukturierungsplans erforderlich machen, insbesondere, aber nicht ausschließlich, um Fälle, in denen eine notleidende Bank vom Staat rekapitalisiert wird oder eine Bank, die von wertgeminderten Vermögenswerten entlastet wird, bereits in irgendeiner Form eine staatliche Beihilfe erhalten hat, die der Deckung oder Vermeidung von Verlusten dient und die insgesamt mehr als 2 % der gesamten risikogewichteten Vermögenswerte der Bank ausmacht. Nun hat die Kommission jedoch bereits in ihren Entscheidungen vom 19. November 2008, 13. März 2009 und 30. Oktober 2009 nachgewiesen, dass Dexia zum Zeitpunkt der Einführung der Beihilfemaßnahmen ein Unternehmen in Schwierigkeiten war.

(164)

Die Beihilfeelemente der Kapitalerhöhung und der FSA-Maßnahme machen 5,5 % der mit Stand vom 31. Dezember 2008 berechneten risikogewichteten Aktiva der Gruppe aus, d. h. deutlich mehr den Betrag von 2 % der risikogewichteten Vermögenswerte, die der Deckung der Verluste von Dexia dienen. Danach muss Dexia einen Unstrukturierungsplan vorlegen.

(165)

Der geforderte Umfang der Umstrukturierung richtet sich danach, wie schwerwiegend die Probleme der Bank und wie hoch die erhaltenen Beihilfen sind. Dabei ist als Beihilfe die Gesamtbeihilfe zu berücksichtigen, die sich aus den Rekapitalisierungs- und Entlastungsmaßnahmen sowie aus den erhaltenen Garantien ergibt. Die Vereinbarkeit des Umstrukturierungsplans muss anhand der in der Umstrukturierungsmitteilung dargelegten Bedingungen geprüft werden. Danach muss der Umstrukturierungsplan:

die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität der Bank ermöglichen;

eine gerechte Verteilung der Umstrukturierungskosten auf die Staaten und die Bank gewährleisten;

übermäßige beihilfebedingte Wettbewerbsverzerrungen begrenzen können.

8.3.3.2.    Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität der Bank

(166)

Nach Kapitel 2 der Umstrukturierungsmitteilung muss der Umstrukturierungsplan die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität der Bank ermöglichen, d. h. es muss sich um einen umfassenden und detaillierten Plan handeln, der sich auf ein kohärentes Konzept stützt und aus dem hervorgeht, dass die Bank so rasch wie möglich (in höchstens 5 Jahren) ihre langfristige Rentabilität ohne staatliche Beihilfen wiederherstellen wird. Der Umstrukturierungsplan muss insbesondere einen Vergleich mit anderen Optionen wie der Aufspaltung oder der Übernahme durch eine andere Bank enthalten, auf die Ursachen für die Schwierigkeiten der Bank eingehen, Angaben zum Geschäftsmodell enthalten, die Aufgabe von Geschäftsbereichen, die strukturell defizitär bleiben würden, und eine angemessene Eigenkapitalrendite vorsehen (und dies für ein Basis- und für ein Stress-Szenario) und die Modalitäten der Rückzahlung der Beihilfen darlegen.

a)   Bewertung des Geschäftsmodells von Dexia

(167)

Die Kommission stellt zunächst positiv fest, dass Dexia in den ersten drei Quartalen 2009 positive Ergebnisse erwirtschaftet hat. Angesichts dieser Ergebnisse stellt die Kommission allerdings auch Folgendes fest:

die operative Performance der Gruppe hat sich im selben Jahr relativ gesehen verschlechtert und ist vom ersten bis zum dritten Quartal 2009 um 44 % zurückgegangen;

ein wesentlicher Teil der Ergebnisse der Gruppe, der von Dexia auf rund [300-500] Mio. EUR geschätzt wird, beruht auf den Ergebnissen des Treasury-Geschäfts und insbesondere auf Transformationen, die dank der starken Versteilung der Kurve bei den unterjährigen Fälligkeiten möglich waren;

Dexia hätte wahrscheinlich keine Gewinne erzielt, wenn sie nicht so umfassend mit Finanzmitteln, für die die beteiligten Mitgliedstaaten bürgen, ausgestattet gewesen wäre (deren Umfang zu den größten in Europa zählt).

(168)

Anhand der von Dexia und den beteiligten Mitgliedstaaten vorgelegten detaillierten Informationen ermittelte die Kommission bei Dexia zwei rentable Bereiche: zum einen die Erträge aus dem traditionellen Bankgeschäft von Dexia und zum anderen die weniger belastbaren Erträge. Erstere umfassen hauptsächlich Einnahmen aus Krediten, das Obligationen-Portfolio, Einnahmen aus Provisionen, Refinanzierungskosten, Risikokosten und operative Kosten. Zweitere umfassen kurzfristige Transformationen, den Eigenhandel und außerordentliche Einnahmen, beispielsweise aus dem Verkauf von Vermögenswerten, aus der Auflösung von Rückstellungen oder aus offenen Positionen bei Derivaten.

(169)

Nach den der Kommission von den beteiligten Mitgliedstaaten übermittelten Informationen […], so dass die wichtigsten rentablen Bereiche der Gruppe anhand der Margen in Bezug auf den Interbanken-Referenzsatz geprüft werden können. Bei dieser für das Jahr 2009 durchgeführten Prüfung gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass mit dem traditionellen Bankgeschäft von Dexia nur eine sehr geringe, wenn nicht gar negative, Rendite erzielt würde. Dies wird durch die Prüfung der in den ersten drei Quartalen von 2009 verzeichneten positiven Ergebnisse nicht widerlegt, da diese — wie bereits ausgeführt — auf besondere Umstände zurückzuführen sind.

(170)

Zudem lassen die Prognosen, die sich für die zukünftige Entwicklung der wichtigsten rentablen Bereiche der Gruppe in angemessener Weise ableiten lassen, nach derzeitigem Stand keine Verbesserung der Ergebnisse beim traditionellen Bankgeschäft von Dexia erwarten. Denn:

die mittlere Marge beim PWB-Kreditgeschäft und dem Obligationen-Portfolio würde weiterhin gering ausfallen aufgrund i) der geringen Höhe der Einnahmen aus diesem Geschäft (nach den Angaben im Umstrukturierungsplan zwischen […] Basispunkten), ii) der relativ langen Abschreibungsdauer dieser Aktiva aufgrund der durchschnittlichen (langen) Laufzeit der PWB-Kredite und der Obligationen und iii) der Probleme von Dexia, diese auslaufenden Aktiva durch neue, einträglichere Kredite zu ersetzen. Im Hinblick hierauf stellt die Kommission fest, dass sich Dexia für die Vergabe neuer Kredite im Geschäftsfeld PWB ein Ziel von […] Mrd. EUR für das Jahr 2009 gesetzt hat, das in den ersten 11 Monaten dieses Jahres zu […] des geplanten Betrags ([…] Mrd. EUR) realisiert wurde. Grund hierfür waren insbesondere der schärfere Wettbewerb bei diesen Aktivitäten auf den traditionellen Märkten von Dexia und der Druck auf die Margen.

die Einnahmen aus Provisionen, unter denen in der Vergangenheit der Verkauf strukturierter Produkte im Rahmen der Finanzdienstleistungen von Dexia für Kommunen eine wichtige Quelle war, könnten in Zukunft aufgrund des möglichen Versiegens dieser Quelle (Rückgang der Vermarktung von strukturierten Produkten aufgrund des Rückgangs der Vergabe neuer Kredite im Bereich PWB und der geringen Attraktivität dieser Produkte für die Kommunen) und des schärferen Wettbewerbs bei provisionsintensiven Aktivitäten zurückgehen;

die Finanzierungskosten dürften steigen, weil Dexia zunehmend kurzfristige Finanzierungen und/oder von Zentralbanken erhaltene Finanzierungsmittel durch längerfristige Finanzierungen ersetzen muss, die entweder i) auf dem Anleihemarkt zu höheren Kosten als vor der Finanzkrise oder ii) auf dem Pfandbriefmarkt ebenfalls zu höheren Kosten als vor der Krise und innerhalb der Grenzen der Aufnahmefähigkeit dieses Marktes, der in Zukunft aufgrund der absehbaren Verhärtung bei den notenbankfähigen Sicherheiten zurückgehen könnte, oder aber iii) über Einlagen von Geschäfts- und institutionellen Kunden, aber vor einem stärker wettbewerbsgeprägten Hintergrund, erhalten werden;

die operativen und Strukturkosten (ausgedrückt in Basispunkten in Bezug auf die Bilanzsumme) könnten auf dem derzeitigen Niveau bleiben oder sogar steigen, und dies trotz des Kostensenkungsplans mit einer Zielvorgabe von 15 % bis zum 31. Dezember 2012, da diese Senkung ins Verhältnis zur Senkung der Bilanzsumme der Gruppe im gleichen Zeitraum gesetzt werden muss, die mehr als 15 % beträgt;

schließlich sind die Risikokosten ein Faktor, der sich in den nächsten Jahren positiv entwickeln könnte, wie die Auflösungen von Rückstellungen durch Dexia im Jahr 2009 zeigen. Der Rückgang der Risikokosten wird jedoch aufgrund der Verschlechterung der Kreditqualität in bestimmten Bereichen des öffentlichen Sektors, denen gegenüber Dexia exponiert ist, begrenzt bleiben.

(171)

Nach dieser Prüfung vertritt die Kommission daher die Auffassung, dass der Umstrukturierungsplan dazu führen muss, i) den Fremdkapitaleinsatz und damit die Hebelwirkung von Dexia zu verringern, damit sie höhere Finanzierungskosten und geringe Margen bei Aktiva auffangen kann, ii) die Qualität und die Zusammensetzung ihrer Finanzierungsquellen zu verbessern und iii) ihre Fixkostenbasis zu reduzieren.

(172)

Im Hinblick hierauf vertritt die Kommission die Auffassung, dass mit dem am 9. Februar 2010 angemeldeten Umstrukturierungsplan, sofern er gemäß den Verpflichtungen der beteiligten Mitgliedstaaten umgesetzt wird, der Frage der langfristigen Rentabilität der Gruppe in zufrieden stellender Weise begegnet wird.

(173)

Zum einen ermöglicht der Umstrukturierungsplan bis 2014 eine Verringerung der Bilanzsumme von Dexia um 35 % im Vergleich zum Wert am 31. Dezember 2008 sowie eine Fokussierung auf das traditionelle Bankgeschäft der Gruppe:

durch den am 1. Juli 2009 erfolgten Verkauf von FSA an Assured Guaranty wurde das Risikoprofil von Dexia erheblich verbessert und ihre Exponierung gegenüber Risiken im öffentlichen Sektor und US-amerikanischen strukturierten Produkten verringert. Die Titel von Assured Guaranty, die Dexia im Rahmen der Veräußerung von FSA erhalten hat, werden ebenfalls veräußert und verringern die Risikoexponierung von Dexia im Bereich der Monoline-Versicherungen entsprechend;

ein Großteil des Obligationen-Portfolio-Managements sowie bestimmte PWB-Aktivitäten in den Märkten von Dexia, die nicht zu ihren traditionellen Märkten zählen (insbesondere in Australien, Japan, Mexiko, Schweden und der Schweiz), werden aus dem traditionellen Bankgeschäft der Gruppe herausgelöst und über Workoutportfolios abgebaut. Auf diese zu LPMD gehörenden Aktivitäten entfallen zum 31. Dezember 2009 insgesamt 161,7 Mrd. EUR, entsprechend 27,9 % der Bilanzsumme von Dexia zu diesem Zeitpunkt. Die beteiligten Mitgliedstaaten sehen eine progressive Abschreibung der LPMD gemäß Tabelle 4 vor. Die Kommission stellt fest, dass die Abschreibung der Aktiva der LPMD trotz der im Umstrukturierungsplan vorgesehenen schnelleren Veräußerung des Obligationenportfolios aufgrund der langen Laufzeit der betroffenen Aktiva langsam vonstatten geht (die LPMD würde bis 2014 17,9 % der Bilanzsumme von Dexia ausmachen). Dieses Portfolio wird daher auch in den kommenden Jahren die Rentabilität der Gruppe belasten. Die Kommission begrüßt jedoch, dass die zurückhaltende Kapitalisierung der LPMD (Einhaltung einer Core-Tier-1-Quote von [10-15] %) die Ausschüttungskapazität der Gruppe schmälert und somit zur Kapitalisierung der Ergebnisse beiträgt. Auch die Einhaltung strikter Finanzierungsregeln (Zuweisung stabiler Ressourcen zur LPMD: garantierte und nicht garantierte Anleiheemissionen, Pfandbriefe und Einlagen) soll es ermöglichen, die mit der LPMD verbundenen Liquiditäts- und Transformationsrisiken in Grenzen zu halten. Schließlich wird die Ausklammerung der Aktivitäten von LPMD aus den restlichen Aktivitäten der Gruppe ihre Überwachung durch die Marktbeobachtungsstellen erleichtern.

Das PWB-Geschäft von Dexia außerhalb ihrer traditionellen Märkte (Frankreich, Belgien und Luxemburg) wird ebenfalls deutlich zurückgefahren: die Tochtergesellschaften in Italien (Dexia Crediop mit einer Bilanzsumme zum 30. Juni 2009 von 61,2 Mrd. EUR) und Spanien (Dexia Sabadell mit einer Bilanzsumme von 15,6 Mrd. EUR zum 31. Dezember 2008) werden bis zum 31. Dezember 2012 bzw. 31. Dezember 2013 veräußert; während die Beteiligung von Dexia an Kommunalkredit Austria bereits 2008 und die indische Tochter von PWB bereits 2009 veräußert wurden. Die Einstellung der Geschäftstätigkeiten im Bereich PWB außerhalb der traditionellen Märkte von Dexia dürfte dazu führen, dass der Druck auf die Margen der PWB-Aktivitäten von Dexia abnimmt;

schließlich wird der Eigenhandel vom Tag dieses Beschlusses an eingestellt und werden die Handelsaktivitäten erheblich zurückgefahren, wodurch Dexia gegenüber Marktrisiken und dem Counterparty-Risiko bei außerbilanziellen Geschäften weniger stark exponiert ist: Die SBPO (Standby Bond Purchase Agreements) und TOB (Tender Option Bonds) werden abgebaut und die Grenzwerte für den VaR (Value at Risk) von Dexia werden im Vergleich zu 2008 um 44 % gesenkt. Die vollständige Einstellung des Eigenhandels bedeutet, dass Dexia Handelstätigkeiten nur aufrechterhalten wird, um Kauf- und Verkaufsorders ihrer Kunden entgegenzunehmen, weiterzuleiten und auszuführen. Dexia behält in keinem Fall offene Positionen für eigene Rechnung, es sei denn, diese Positionen beruhen darauf, dass es Dexia nicht möglich ist, bestimmte Orders ihrer Kunden auszuführen, und dies innerhalb ganz klarer Grenzen, so dass sie die Solvabilität und/oder Liquidität der Gruppe nicht beeinträchtigen.

(174)

Durch die Verringerung der Hebelwirkung und dadurch, das sich Dexia wieder auf ihr Kerngeschäft konzentriert, wird die Gruppe ihre Bilanz nach und nach ausgleichen können, indem sie den Anteil der weniger margenintensiven Aktivitäten (insbesondere ausstehende Forderungen im Bereich PWB und Anleiheportfolio) zurückfährt und den Anteil der rentableren Tätigkeiten (vor allem Vergabe neuer Kredite in den Bereichen PWB und RCB und Projektfinanzierungen) erhöht. Im Hinblick hierauf begrüßt die Kommission, dass dieser Rückzug von Dexia auf ihr Kerngeschäft mit einer genauen Überwachung der Rentabilität dieser Tätigkeiten, insbesondere PWB, einhergeht. Denn da Dexia vom Tag dieses Beschlusses an keine Kredite mit einem RAROC unter 10 % mehr an PWB-Kunden vergeben wird, kann im Geschäftsfeld PWB bis zum 31. Dezember 2014 eine Mindestrendite des ökonomischen Kapitals gewährleistet werden. Die Prognosen für die Ergebnisse von Dexia im Zeitraum 2009-2014, die der Kommission von den beteiligten Mitgliedstaaten übermittelt wurden (47), bestätigen, dass die Gesamtrentabilität der Tätigkeiten der Gruppe für diesen Zeitraum sichergestellt werden kann und dass die absehbaren Verluste aus dem Portfolioabbau (LPMD) durch Gewinne der Core Division ausgeglichen werden können.

(175)

Schließlich geht die Konzentration von Dexia auf das Kerngeschäft und die traditionellen Märkte mit einer zunehmenden Verbesserung des Liquiditätsprofils einher, indem Dexia bei der Refinanzierung auf einer bessere Fristenkongruenz achtet. Diese Verbesserung des Liquiditätsprofils beruht hauptsächlich auf den folgenden drei Maßnahmen:

Erhöhung der durchschnittlichen Laufzeit der langfristigen Finanzierungen und zunehmende Inanspruchnahme stabiler Finanzierungsquellen. Im Hinblick hierauf begrüßt die Kommission die im Umstrukturierungsplan festgelegten Zielkennzahlen für das kurzfristige Fremdkapital im Verhältnis zum Gesamtkapital, für die durchschnittliche Laufzeit der Verbindlichkeiten der Gruppe und für stabile Finanzierungsquellen im Verhältnis zum Gesamtkapital der Gruppe. Die Kommission ist der Ansicht, dass die geringere Liquiditäts- und Transformationsrisikoexposition von Dexia bei strikter Einhaltung dieser Kennzahlen zu den festgelegten Terminen positiv zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität beitragen wird. In die gleiche Richtung gehen im Übrigen die neuen internationalen Vorschriften für die Liquiditätsmessung und -steuerung, über die der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht derzeit berät;

schrittweiser und vorzeitiger Verzicht auf den Garantiemechanismus für die Verbindlichkeiten von Dexia bis zum 30. Juni 2010. Die Kommission begrüßt einen solchen vorzeitigen Ausstieg aus der Garantie im Rahmen der Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität von Dexia ohne staatliche Beihilfe;

Reduzierung der Finanzierungsmittel Dexias für Tochtergesellschaft DenizBank auf null. Mit dieser Maßnahme kann sichergestellt werden, dass die geplante Entwicklung des Geschäftsfelds RCB der DenizBank aus deren eigenen Mitteln finanziert wird und den Fremdkapitalbedarf der Gruppe nicht länger belastet.

b)   Im Umstrukturierungsplan dargelegte Stress-Szenarien

(176)

Die Kommission forderte die beteiligten Mitgliedstaaten gemäß Ziffer 13 der Umstrukturierungsmitteilung auf, einige Stresstests zu unternehmen, um die Widerstandsfähigkeit von Dexia gegenüber Stressereignissen zu testen, die in den nächsten Jahren eintreten könnten, und daraus auf die langfristige Rentabilität der Gruppe zu schließen.

(177)

Bei ihrer Prüfung legte die Kommission die von den beteiligten Mitgliedstaaten vorgelegten Testergebnisse zugrunde. […].

i)   Erster Stresstest

(178)

Zum ersten Stresstest, mit dem die Widerstandsfähigkeit von Dexia bei einer Änderung der wichtigsten makroökonomischen Variablen (BIP, Zinssätze und Wechselkurse) getestet werden sollte, merkt die Kommission Folgendes an:

zum Ersten verhält sich der Gewinn von Dexia bei den Stressniveaus, die auf das PIB-Wachstum angewandt wurden, relativ unelastisch. Denn obwohl im Verhältnis zu Langzeitbeobachtungen extrem gestresste Wachstumsraten simuliert wurden, würde der Gewinn von Dexia aufgrund gestiegener Risikokosten zwar sinken, aber noch immer deutlich im Plus bleiben. Mögliche Erklärungen hierfür wären i) der relativ große Anteil und die hohe Qualität des „Public Finance“-Portfolios und des im Abbau befindlichen Anleiheportfolios (48) und ii) die Tatsache, dass sich Dexia bei ihrem Modell dafür entschieden hat, die Einnahmen der Gruppe im Stressfall nicht wirklich anzupassen.

Zum Zweiten hat es den Anschein, dass bei dem Modell, das Dexia für den Stresstest verwendet hat, keine materielle Verbindung zwischen der Wachstumsrate und den Finanzierungskosten von Dexia besteht, und ganz allgemein, dass die Variable „Finanzierungskosten“, d. h. die Marge oberhalb des Interbankensatzes, die Dexia für neue Finanzierungen zahlen würde, nicht gestresst wurde. Dies würde ebenfalls dazu beitragen, die relativ geringe Elastizität des Gewinns von Dexia im Stressfall zu erklären. Dieser Punkt verdient um so mehr Beachtung, als Dexia zu einem erheblichen Teil von Marktfinanzierungen und kurzfristigen Finanzierungen abhängig ist, die sowohl die Amplitude als auch Geschwindigkeit, mit der sich ein solcher Kapitalkostenanstieg auf Dexia auswirken würde, erhöhen. Um diesen Punkt zu prüfen, bat die Kommission darum, gesondert eine zweite Art von Stresstest durchzuführen.

Zum Dritten waren die Annahmen des Stress-Szenarios bei den beiden anderen Variablen denen des Basis-Szenarios relativ ähnlich. So wurden beispielsweise sowohl beim Basis-Szenario als auch beim Stress-Szenario die Zinssätze für den 3-Monats-Euribor auf […] % und die 5-Jahres-Swap-Sätze auf […] % bzw. […] % angesetzt, was eine vernachlässigbare Abflachung der Kurve nahe legt. Die Wechselkurse waren dagegen bei beiden Szenarien ähnlich. Aus diesem Grund bat die Kommission darum, eine gesonderte Sensibilitätsanalyse vorzunehmen (siehe Erwägungsgründe 186 bis 195).

(179)

Im Hinblick auf den ersten Stresstest gelangt die Kommission daher zu dem Schluss, dass Dexia aufgrund des relativ hohen Anteils und der Qualität des Portfolios „Public Finance“ und des abgebauten Anleiheportfolios in der Lage ist, einen starken Anstieg der Risikokosten im Fall stark verschlechterter makroökonomischer Bedingungen zu verkraften und daher den Stresstest besteht.

ii)   Zweiter Stresstest

(180)

Der zweite Stresstest, mit dem die Widerstandsfähigkeit Dexias bei einem Anstieg ihrer Finanzierungskosten getestet werden sollte, zeigt, dass ein zusätzlicher Anstieg der Finanzierungskosten um 100 Basispunkte und 200 Basispunkte während eines Zeitraums von 3 Monaten zu einem Rückgang des Gewinns vor Steuern um […] und […] Mio. EUR führen würde. Stärker wären die Auswirkungen wahrscheinlich, wenn Dexia die von der Kommission bei ihren Stresstest vorgeschriebenen Annahmen zugrunde gelegt hätte […]. Dexia hat folgende Annahmen abgeändert:

der Anstieg der Finanzierungskosten wurde über einen kürzeren Zeitraum von […] simuliert. Hierzu stellt die Kommission fest, dass einige Elemente wie der CDS von Dexia oder die langfristigen Finanzierungskosten für „Senior unsecured“ um mehr als […] Basispunkte und während eines Zeitraums von mehr als […] gestiegen sind. Die Kosten für kurzfristige Finanzierungen wären ohne die beispiellosen Maßnahmen der beteiligten Mitgliedstaaten und der Zentralbanken, die auf null zurückgeführt werden, ebenfalls stark gestiegen.

Dexia hat ihren Finanzierungsmix geändert und für den Zeitraum, in dem die Finanzierungskosten gestresst sind, angenommen, dass nur kurzfristige Finanzierungen getätigt werden. Hierzu stellt die Kommission fest, dass solche Annahmen im Widerspruch zu den jüngsten Erfahrungen von Dexia stehen, die trotz des starken Anstiegs ihrer Finanzierungskosten den Anteil der langfristigen Finanzierung erhöht hat;

beim Stress-Szenario hat Dexia nicht die Annahmen zugrunde gelegt, die bei ähnlichen, in Europa durchgeführten Tests verwendet wurden.

(181)

Die Kommission gelangt daher zu dem Schluss, dass […]. Ferner stellt die Kommission fest, dass dieser Parameter bei den anderen Stresstests, die Dexia angestellt hat, d. h. bei dem Stresstest im Rahmen der vor kurzem in Europa durchgeführten Übung und beim Liquiditätsstresstest, nicht wirklich berücksichtigt wurde.

(182)

Dexia bringt vor, dass i) die Annahmen ihres Businessplans bereits vor der Simulation des Anstiegs um […] oder […] Basispunkte gestresst gewesen seien, da sie die Finanzierungsbedingungen von Juli 2009 widerspiegeln würden, die zwar besser als Ende 2008 oder Anfang 2009 gewesen seien, aber die positive Entwicklung des zweiten Halbjahrs 2009 nicht widerspiegeln würden, und dass ii) die Annahme eines unveränderten Finanzierungsmixes dem Verhalten eines Marktbeteiligten unter solchen Umständen nicht entsprechen würde. Die Kommission bestätigt, dass die Annahmen für die Finanzierungskosten vor dem Stresstest angesichts der Erfahrungen von Dexia im Jahr 2009 vorsichtig sind. Angesichts der außerordentlichen Maßnahmen für den Bankensektor im Jahr 2009 und der ungewissen Zukunft ist die Kommission jedoch nicht in der Lage, sich zur zukünftigen Entwicklung der Finanzierungskosten von Dexia zu äußern. Der Stresstest ist dabei hilfreich, denn er lässt den Schluss zu, dass der Umstrukturierungsplan dazu führen muss, i) die Abhängigkeit der Finanzierung von Dexia von den Finanzmärkten zu verringern und ii) die durchschnittliche Laufzeit ihrer Finanzierung zu erhöhen, um dadurch die Anfälligkeit von Dexia bei einem Anstieg der Finanzierungskosten zu verringern. Genau dies ist einer der Punkte, die der Vorstand von Dexia in der Zeit vom 30. September 2008 bis zum 30. September 2009 berücksichtigt hat und die mit dem Umstrukturierungsplan abgedeckt werden sollen. Der Ende 2008 bestehende kurzfristige Finanzierungsbedarf von [200-300] Mrd. EUR wurde zum 30. September 2009 auf [150-200] Mrd. EUR gesenkt, und der Umstrukturierungsplan sieht vor, dass die Kennzahl „kurzfristiges Fremdkapital/Gesamtkapital“ bis zum 31. Dezember 2009 um 30 % und bis zum 31. Dezember 2014 auf 11 % gesenkt wird. Eine solche kurzfristige Fremdkapitalquote erachtet die Kommission als zufrieden stellend, da sie die Anfälligkeit von Dexia für länger währende Zinsschocks erheblich verringern.

(183)

Im Hinblick auf den zweiten Stresstest gelangt die Kommission daher zu dem Schluss, dass Dexia aufgrund ihrer derzeitigen Finanzierungsstruktur zwar anfällig für starke Turbulenzen bei ihren Finanzierungskosten ist, der Umstrukturierungsplan diese Anfälligkeit für Zinsschocks jedoch schrittweise und zufrieden stellend zurückführt. Im Übrigen begrüßt die Kommission, dass Dexia über einen umfangreichen Bestand an repofähigen und bei Bedarf auch zentralbankfähigen Aktiva (einschließlich der Aktiva des Bereichs LPMD) verfügt.

iii)   Dritter Stresstest

(184)

Zum dritten Stresstest, mit dem das Liquiditätsprofil der Gruppe getestet werden soll, stellt die Kommission fest, dass sowohl der von Dexia als auch der von der CBFA durchgeführte Stresstest nahe legen, dass die Gruppe die Anforderungen des Tests für einen Zeithorizont von einem Monat erfüllt. Die Kommission stellt Folgendes fest:

Die von Dexia und vom Regulierer ausarbeiteten Liquiditätsstresstest-Modelle scheinen keine Annahmen für die Kosten dieser Liquidität unter außerordentlichen Umständen und ohne staatliche Beihilfen zu enthalten. Im Hinblick hierauf forderte die Kommission die Gruppe auf, einen separaten Stresstest zur Simulation der Variable „Finanzierungskosten“ durchzuführen (siehe Erwägungsgründe 180 bis 183).

Die Annahmen des von der CBFA durchgeführten Stresstests, die im Rundschreiben vom 8. Mai 2009 dargelegten wurden, sind vorsichtig und spiegeln die jüngsten Erfahrungen der Finanzkrise wider. Einbezogen wurden beispielsweise folgende Annahmen: i) Die Bank kann sich nicht mehr „unsecured“ auf dem Geld- und Kapitalmarkt finanzieren; ii) zurückhaltende Haircuts bei der Finanzierung auf dem Repo-Markt; iii) „Retail“-Kunden heben innerhalb einer Woche 5 % der Sichteinlagen und Spareinlagen und innerhalb eines Monats 20 % dieser Einlagen ab; iv) „Wholesale“-Kunden heben innerhalb einer Woche 100 % der sofort fälligen Einlagen (die nicht durch liquide Aktiva garantiert sind) und ihrer Einlagen ohne feste Laufzeit ab; v) Nichtverlängerung aller Termineinlagen bei nächster Fälligkeit;

die positiven Ergebnisse des Liquiditätstests spiegeln i) die Verbesserungen, die der Vorstand von Dexia 2009 zur Senkung des kurzfristigen Finanzierungsbedarfs unternommen hat, und ii) die positivere Gesamtsituation auf den Finanzmärkten wider. Die Tatsache, dass ein Stresstest zu einem bestimmten Zeitpunkt bestanden wird, ist jedoch keine Garantie dafür, dass dies auch in Zukunft so sein wird. Es bedarf daher in den nächsten Monaten und Jahren einer gewissen Disziplin (bei der Finanzierungsstrategie), damit dieser Stresstest auch künftig bestanden wird. Die im Umstrukturierungsplan aufgeführten Verpflichtungen gehen nicht nur in Richtung einer Verbesserung der Liquidität der Gruppe, sondern ermöglichen auch eine regelmäßige Überprüfung ihrer Erfüllung.

(185)

Die Kommission gelangt daher zu dem Schluss, dass Dexia diesen dritten Stresstest bestanden hat.

iv)   Weitere Erwägungen hinsichtlich der Stresstests

(186)

Zum Ersten zeigt sich bei der Prüfung bestimmter Annahmen der Modelle von Dexia, dass:

die Annahmen für die Ausfallwahrscheinlichkeit und/oder die Ausfallquote („loss given default“ oder „LGD“) für bestimmte Sektoren oder Gegenparteien im Vergleich zu bestimmten öffentlich verfügbaren Informationen nicht besonders vorsichtig sind;

für das Portfolio der Kredite für Kommunen keine Annahmen für die Ratingmigration, in denen sich ein zukünftiger Abwärtstrend der Staatsfinanzen ausdrückt, aufgestellt werden.

(187)

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass ein Vergleich mit den öffentlich verfügbaren Daten schwierig ist, da der Umfang der ausstehenden Forderungen von Dexia dem der öffentlich verfügbaren Informationen nicht ähnlich ist. Dexia berechnet die erwarteten Verluste anhand der internen Ratings unter Einbeziehung von vorsichtigen und Through-the-cycle-Parametern für die langfristige und mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit und den LGD, die berichtigt wurden, um der Unsicherheit und Volatilität bei bestimmten Daten Rechnung zu tragen. Solche Parameter werden von der CBFA, der Commission Bancaire française und der CSSF geprüft und validiert. Den beteiligten Mitgliedstaaten zufolge sind die von Dexia verwendeten Risikoparameter gegenüber den aufsichtlichen Mindestanforderungen nach Basel II um 10-30 % vorsichtiger.

(188)

Zum Zweiten stellt die Kommission die sowohl absolut als auch relativ gesehen sehr starke Exponierung in bestimmten Ländern und gegenüber bestimmten Kreditinstituten fest. Insbesondere im Hinblick die Exponierung gegenüber staatlichen Risiken stellt die Kommission fest, dass Ende 2008 […]. […].

(189)

Allerdings ist Folgendes zu betonen:

derartige Exponierungen dürften das Ergebnis der Gruppe nicht von Vornherein materiell beeinflussen, insbesondere wenn die Gruppe nicht beabsichtigt, diese Aktiva vor ihrer vertraglichen Fälligkeit zu verkaufen (sie könnten die Volatilität der AfS-Rücklage, die in der Bilanz der Gruppe ausgewiesen ist, erhöhen);

diese Exponierung würde im Rahmen des Umstrukturierungsplans für Dexia zurückgefahren, da eine deutliche Reduzierung des Anleiheportfolios vorgesehen ist.

(190)

Zum Dritten begrüßt die Kommission die Entwicklung des Bedarfs der Gruppe an kurzfristigem Fremdkapital. Die Kommission betont jedoch, dass die Gruppe im Wesentlichen den Finanzierungsbedarf mit Laufzeiten zwischen 0 und 1 Monat verringert hat. Wie Tabelle 7 unten zeigt, wurde die Finanzierung mit Laufzeiten zwischen 0 und 1 Monat in der Zeit vom 31. Dezember 2008 bis zum 30. September 2009, bezogen auf die Gesamtfinanzierung, von […]% auf […]% verringert. Der Anteil der Finanzierungen mit Laufzeiten zwischen 1 und 3 Monaten und zwischen 6 und 12 Monaten ist dagegen von […] % auf […] % bzw. von […] % auf […] % gestiegen. Der Anteil der Finanzierungen mit Laufzeiten zwischen 1 und 5 Jahren wurde von […] % auf […] % erhöht. Der Großteil der Finanzierung in diesem Zeitraum bewegt sich jedoch zwischen 1 und 2 Jahren. […].

Tabelle 7

Anteil der verschiedenen Finanzierungsquellen an der Gesamtfinanzierung von Dexia

(…)

(191)

Diesbezüglich sieht der bei der Kommission angemeldete Umstrukturierungsplan i) eine Verringerung des Anleiheportfolios des Bereichs LPMD um 83 Mrd. EUR, ii) eine Erhöhung des Anteils stabilerer Finanzierungsquellen (wie Geschäftseinlagen und Pfandbriefe) von 36 % auf 58 % und iii) eine schrittweise Erhöhung der durchschnittlichen Laufzeit der Verbindlichkeiten vor. Diese Faktoren sind geeignet, das Risiko, dass Dexia Refinanzierungsprobleme hat, zu verringern. Im Übrigen muss betont werden, dass der Anstieg der Finanzierungskosten, der mit dieser Änderung der Finanzierungsstrategie verbunden ist, bei den Prognosen für die Gewinn- und Verlustrechnungen der Gruppe berücksichtigt wurde und bestätigt, dass Dexia während des Umstrukturierungszeitraums in der Gewinnzone bleiben würde.

(192)

Zum Vierten sind die Finanzierungskosten von Dexia trotz der verbesserten Marktlage im Vergleich zu anderen Banken nach wie vor relativ hoch. Der 5-jährige CDS zählt mit 180 Basispunkten zu den höchsten Europas; die Credit Spreads der unbesicherten Emissionen im Benchmark-Volumen von Dexia sind mit 140 bis 150 Basispunkten bei Laufzeiten zwischen 4 und 5 Jahren weiterhin hoch; die Finanzierungskosten bei „Covered bonds“ sind mit 50 bis 60 Basispunkten für Laufzeiten, die relativ kongruent zu denen der finanzierten Aktiva sind, ebenfalls weiterhin hoch.

(193)

Zum Fünften hat Dexia zur Messung der Sensibilität von Dexia für Zinsänderungen eine Tabelle vorgelegt, die die Anfälligkeit bei einem Zinsschock von 1 % für jede Laufzeit zeigt. Danach ist Dexia der Ansicht, bei einem gleichmäßigen Anstieg der Zinskurve nicht mehr als […] Mio. EUR zu verlieren (49). Eine solche Sensibilität erscheint vom Ausmaß her vollkommen angemessen und lässt sich zum Teil mit der Strategie von Dexia, […], erklären, die damit die Anfälligkeit gegenüber Zinsschwankungen reduziert. Die Kommission stellt jedoch fest, dass […] Mrd. EUR an kurzfristigen Finanzierungen der Gruppe in diese Sensibilitätsberechnung nicht einbezogen wurden, was nahe legt, dass Dexia bei unterjährigen Laufzeiten relativ anfällig für Bewegungen der Zinskurve bleibt. Dies wurde von Dexia bestätigt, da die Gruppe der Ansicht ist, allein aufgrund der Versteilung der Kurve der Interbankensätze für unterjährige Finanzierungen im Jahr 2009 ungefähr […] Mio. EUR Gewinn gemacht zu haben. Die Auswirkungen einer deutlichen Verringerung der Einnahmen aus Transformationen wurden bei den Prognosen von Dexia jedoch berücksichtigt und deuten darauf hin, dass die Gruppe in den nächsten Jahren weiterhin Gewinne erwirtschaften dürfte.

(194)

Zum Sechsten ist die negative AfS-Rücklage von Dexia sowohl absolut als auch relativ gesehen trotz der im Laufe von 2009 festgestellten Verbesserungen nach wie vor sehr hoch. Die negative AfS-Rücklage nahm von 12,7 Mrd. EUR am 31. März 2009 auf 7,2 Mrd. EUR am 30. September 2009 ab. Angesichts i) der Höhe des Kapitals von Dexia (17,1 Mrd. EUR Tier-1-Kapital und 19,6 Mrd. EUR regulatorisches Kapital am 30. September 2009) und ii) der derzeitigen Ausklammerung der AfS-Rücklage bei der Berechnung des regulatorischen Kapitals hegt die Kommission die Befürchtung, dass die Einbeziehung dieser AfS-Rücklage in die Kennzahlen für das regulatorische Kapital im Rahmen der gegenwärtigen Beratungen im Basler Ausschuss nachteilig für Dexia ausfallen wird. Hierzu stellt die Kommission Folgendes fest:

Selbst wenn die negative AfS-Rücklage in vollem Umfang bei der Berechnung des regulatorischen Kapitals einbezogen worden wäre, hätte Dexia zum 30. September 2009 die aufsichtlichen Mindestkapitalanforderungen erfüllt. Die Tier-1-Kapitalquote wäre auf […] und die Gesamtkapitalquote auf […];

eine solche aufsichtliche Änderung würde zahlreiche andere Banken treffen;

eine solche aufsichtliche Änderung würde den beteiligten Mitgliedstaaten zufolge nicht vor 2010 in Kraft treten. Bis dahin sieht der Umstrukturierungsplan eine Verringerung des Portfolios des Bereichs LPMD (der für die Bildung dieser negativen AfS-Rücklage in erster Linie verantwortlich ist) vor, die — bei sonst gleichen Bedingungen — zu einer Reduzierung der negativen AfS-Rücklage führen dürfte.

(195)

Zum Siebten hat Dexia trotz ihrer Reduzierung im Laufe des Jahres 2009 nach wie vor gewisse relativ hohe außerbilanzielle Verbindlichkeiten. Diese wurden jedoch nach Angaben von Dexia bei den Stresstests berücksichtigt.

c)   Geschäfte mit Derivaten

(196)

Die Prüfung der Bilanz von Dexia für das Jahr 2008 hat ergeben, dass der Marktwert der Derivate auf der Aktivseite 55 Mrd. EUR und auf der Passivseite 75 Mrd. EUR beträgt, woraus sich eine negative Differenz in Höhe von rund 20 Mrd. EUR ergibt, die hauptsächlich auf Zinsderivaten beruht. Die Kommission hat diese Differenz mit der anderer Kreditinstitute verglichen. In Prozent der Bilanzsumme und in Prozent der Eigenmittel ist diese Differenz bei Dexia nicht nur negativ, sondern im Vergleich zu anderen Banken auch besonders groß.

(197)

Dexia begründet dies mit i) der fast systematischen Strategie […], ii) dem Zinsverfall, iii) der fehlenden Fristenkongruenz zwischen Aktiva und Passiva und iv) […]. Die Kommission kann diese Erklärungen nachvollziehen, stellt jedoch fest, dass i) diese Differenz vom Ausmaß her wirklich sehr hoch ist und dass ii) dies wahrscheinlich für Dexia einen hohen Bedarf an Sicherheiten bedingt, der ihren Bestand an zentralbankfähigen oder repofähigen Sicherheiten schmälern kann. Was diesen letzten Punkt angeht, so wurde dieser Bedarf jedoch bei den Stresstests berücksichtigt.

d)   Schlussfolgerungen zur Rentabilität

(198)

Die Kommission folgert aus den bisherigen Ausführungen, dass der Umstrukturierungsplan es ermöglichen wird, die langfristige Rentabilität wiederherzustellen. Hierzu stellt die Kommission auch fest, dass der Umstrukturierungsplan es Dexia auch ermöglichen wird, die aufgrund der bankenaufsichtsrechtlichen Vorschriften vorzusehenden Aufstockungen vorzunehmen. Zum einen steht die Verringerung des Hebeleffekts durch die Umstrukturierung im Einklang mit der möglichen Einführung einer maximalen Fremdkapitalquote („Leverage ratio“). Zum anderen stehen die Verbesserung und Diversifizierung der Finanzierungsquellen von Dexia im Einklang mit den neuen Vorschriften für die Liquiditätsmessung und -steuerung bei Kreditinstituten (50).

8.3.3.3.    Eigenbeitrag der Bank

(199)

Nach Kapitel 3 der Umstrukturierungsmitteilung muss der Umstrukturierungsplan eine gerechte Verteilung der Umstrukturierungskosten auf die beteiligten Mitgliedstaaten und die Bank gewährleisten, d. h. vorsehen, dass sich die Bank und ihre Aktionäre so weit wie möglich mit eigenen Mitteln beteiligen. Ein solcher Beitrag ist erforderlich, um sicherzustellen, dass gerettete Banken in angemessenem Umfang Verantwortung für die Folgen ihres früheren Verhaltens tragen, und um geeignete Anreize für ihr künftiges Verhalten zu schaffen.

(200)

Dexia, ihre Aktionäre und die beteiligten Mitgliedstaaten haben bereits einen Beitrag zu den Umstrukturierungsbemühungen geleistet, insbesondere durch die Verwässerung des Grundkapitalanteils, der von den Aktionären vor der Kapitalerhöhung gehalten wurde (die französischen und die belgischen Behörden haben 3 Mrd. EUR von den 6,4 Mrd. EUR der im September 2008 angekündigten Kapitalerhöhung gezeichnet).

(201)

Im Übrigen stellt die Kommission im Zusammenhang mit der im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Aussetzung der Dividendenausschüttung einige ungünstige Begleitumstände fest:

die 50%igen Tochtergesellschaften von Dexia sind von der Aussetzung der Dividendenausschüttung nicht betroffen, da diese nur für Unternehmen gilt, die von Dexia SA direkt oder indirekt allein kontrolliert werden (51);

nach den Angaben des Umstrukturierungsplans werden die Zahlungen, zu denen Dexia aufgrund von vor dem 1. Februar 2010 geschlossenen Verträgen verpflichtet ist, durch die Aussetzung der Dividendenausschüttung für Tier-1- oder Tier-2-Hybridinstrumente (bis Ende 2011) nicht berührt.

(202)

Die Kommission stellt weiter fest, dass die Aussetzung einer Dividenden- oder Couponzahlung auf Tier-1- oder Tier-2-Hybridinstrumente für vor dem 1. Februar 2010 geschlossene Verträge insoweit gilt, als Dexia kraft der Entscheidung vom 30. Oktober 2009 (52) verpflichtet war, für eine Dauer von vier Monaten keine Coupons zu zahlen und keine Optionen zur Rückzahlung vor Fälligkeit auf hybride Eigenkapitalinstrumente (Tier 1 und Upper Tier 2) auszuüben. Hierzu stellt die Kommission fest, dass sich das Volumen der Hybridinstrumente von Dexia am 31. Dezember 2008 auf 1,4 Mrd. EUR belief.

(203)

Um sicherzustellen, dass keine Couponzahlungen auf hybride Instrumente (Tier-1 und Upper-Tier-2) von Dexia geleistet werden, mit denen gegen die Umstrukturierungsmitteilung verstoßen wird, knüpft die Kommission den vorliegenden Beschluss daher an die Bedingung, dass Dexia der Kommission bis zum 31. Dezember 2011 vor jeder Couponzahlung auf vor dem 1. Februar 2010 begebene Tier-1- und Upper-Tier-2-Hybridinstrumente und spätestens zwei Wochen vor Beginn der Frist für die Bekanntgabe der Couponzahlung an die Anleger ihre Absicht mitteilt, einen solchen Coupon zu zahlen, und nachweist, dass diese Zahlung i) obligatorisch ist, ii) unaufschiebbar ist, iii) nicht diskretionär ist und iv) nicht automatisch durch eine Dividendenzahlung, gleich welcher Form, durch Dexia SA oder eine ihrer Tochtergesellschaften ausgelöst wird; dies gilt nicht für die Tier-1-Emissionen von DFL. Die Kommission behält sich das Recht vor, eine solche Zahlung nicht zu genehmigen, wenn eine der vier oben genannten kumulativen Bedingungen nicht erfüllt ist.

(204)

Im Übrigen stellt die Kommission auch fest, dass die Aussetzung der Dividendenzahlung nicht für Dividendenausschüttungen gilt, die in vollem Umfang in Form der Zuteilung junger Aktien erfolgen. Allerdings ist festzustellen, dass eine Dividendenzahlung durch Zuteilung junger Aktien, die durch die Erzielung ausschüttungsfähiger Gewinne ermöglicht wird, der Umstrukturierungsmitteilung insofern nicht zuwiderläuft, als eine solche Zahlung sich in den Büchern von Dexia in einer Zuführung zu den Rücklagen niederschlagen würde und in einer Ausschüttung von Dividenden, die vom Gewinn des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres abgeschöpft werden und von den Aktionären von Dexia eingebracht wurden. Die Zuteilung der Aktien würde sich somit auf das Eigenkapital von Dexia nicht auswirken.

(205)

Die Kommission stellt auch fest, dass die Zahlung einer Dividende in Dexia-Aktien keine Couponzahlung auf Hybridtitel (Tier 1 oder Tier 2) von Dexia nach sich zieht, mit Ausnahme einer einzigen Emission von Dexia Funding Luxembourg SA (nachstehend „DFL“ genannt) aus dem Jahr 2006. Diese Ausnahme wurde jedoch im Rahmen des Umstrukturierungsplans genehmigt. Wie unter Erwägungsgrund 207 ausgeführt, hat die Kommission keine Einwände gegen eine Dividendenausschüttung in Aktien, sofern diese keine Verpflichtung zur Zahlung einer Dividende oder eines Coupons auf andere Kategorien von Titeln des Eigenkapitals nach sich zieht. Im vorliegenden Fall wird der Ansatz der Kommission durch die Verpflichtung von Dexia zur Zahlung eines Coupons auf die DFL-Emission nicht geändert, da diese Ausnahme Teil des Umstrukturierungsplans ist, eine einzige Emission mit einer begrenzten Couponzahlung betrifft und Dexia prognostiziert, im Umstrukturierungszeitraum Gewinne zu erwirtschaften.

(206)

Schließlich stellt die Kommission fest, dass die Beihilfe auf das notwendige Mindestmaß beschränkt wird durch:

a)

Veräußerungen von Vermögenswerten und Tochtergesellschaften, darunter recht rentable Tochtergesellschaften wie Dexia Sabadell, Dexia Banka Slovensko („DBS“) und Deniz Emeklilik (die Versicherungstochter ihrer Tochtergesellschaft DenizBank, die hauptsächlich auf dem RCB-Markt in der Türkei tätig ist);

b)

eine angemessene Vergütung der Beihilfe, die von den beteiligten Mitgliedstaaten in Form einer Garantie für die Verbindlichkeiten von Dexia und deren wertgeminderte Aktiva gewährt wurde (siehe Erwägungsgründe 158 bis 159).

(207)

Durch diese Umstände werden die zahlreichen Bedingungen und Vorbehalte, die von der Kommission negativ bewertet wurden und mit der im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Aussetzung der Dividendenausschüttung einhergehen, mehr als ausgeglichen. Infolgedessen vertritt die Kommission die Auffassung, dass Dexia und ihre Aktionäre einen ausreichenden Beitrag aus eigenen Mitteln zur Umstrukturierung leisten.

8.3.3.4.    Maßnahmen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen

(208)

Nach Kapitel 4 der Umstrukturierungsmitteilung muss der Umstrukturierungsplan die Begrenzung beihilfebedingter Wettbewerbsverzerrungen ermöglichen, d. h. strukturelle Maßnahmen (zur Veräußerung und/oder Verkleinerung von Geschäftsbereichen) und Verhaltensmaßregeln enthalten. Es sind angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um Wettbewerbsverzerrungen zu minimieren und zu verhindern, dass die staatlichen Beihilfen zugunsten von Dexia dazu führen, dass Wettbewerbsverzerrungen, die in der Vergangenheit durch das Eingehen übermäßiger Risiken und ein nicht tragfähiges Geschäftsmodell verursacht wurden, fortbestehen.

(209)

Nach Ziffer 30 der Umstrukturierungsmitteilung richten sich Art und Form solcher Maßnahmen nach zwei Kriterien: erstens nach der Höhe der Beihilfe sowie den Bedingungen und Umständen, unter denen die Beihilfe gewährt wurde, und zweitens nach den Merkmalen des Marktes bzw. der Märkte, auf dem bzw. denen die begünstigte Bank tätig sein wird.

(210)

Im Hinblick auf das letzte Kriterium stellt die Kommission fest, dass Dexia insbesondere in Frankreich, Belgien und Italien einer der Hauptakteure auf dem Markt der Kreditvergabe an Kommunen („PWB“) ist und auch in Spanien recht präsent ist. Der PWB-Markt in Belgien (53), Frankreich (54) und Italien (55) ist stark konzentriert, und die Marktzutrittsschranken sind hoch (56).

(211)

Im Übrigen stellt die Kommission fest, dass mit dem Umstrukturierungsplan gewährleistet wird, dass Dexia die notwendigen Maßnahmen ergreift, um den Markt für die Kreditvergabe an Kommunen zu öffnen und die beihilfebedingten Wettbewerbsverzerrungen auf diesem Markt zu begrenzen:

Zum Ersten kann der Wettbewerb auf einigen Märkten dadurch, dass sich Dexia mit dem Geschäftsfeld PWB — durch die Einschränkung oder gar Aufgabe der Kreditvergabe durch den Geschäftsbereich PWB International — auf ihre traditionellen Märkte zurückzieht, verbessert werden. Im Hinblick hierauf hat sich Dexia verpflichtet, Crediop, einen der Hauptakteure im Bereich der Kreditvergabe an Kommunen in Italien, und Dexia Sabadell, die auf dem spanischen Markt tätig ist, zu veräußern;

zum Zweiten wird die Begrenzung des Volumens der Vergabe neuer Kredite auf den Märkten, auf denen Dexia weiterhin tätig sein wird, den Markteintritt neuer Unternehmen ermöglichen und dadurch den Wettbewerb auf diesen Märkten stärken (Dexia begrenzt die jährliche Vergabe neuer Kredite im Bereich PWB auf 12 Mrd. EUR im Jahr 2009, 15 Mrd. EUR im Jahr 2010 und 18 Mrd. EUR von 2011 bis 2014, was im Vergleich zu den 34 Mrd. EUR des Jahres 2008 einen erheblichen Rückgang darstellt);

zum Dritten hat sich Dexia verpflichtet, ihre Mehrheitsbeteiligung an AdInfo, einer Tochtergesellschaft, die im Bereich IT-Dienstleistungen für Kommunen in Belgien tätig ist, aufzugeben. Über diese Tochtergesellschaft erhielt Dexia Zugang zu zahlreichen öffentlichen Kunden in ganz Belgien, wodurch sie ihre Stellung als Referenzbank der lokalen Gebietskörperschaften in Belgien festigen und geeignete technische Lösungen für die von ihr angebotenen Finanzdienstleistungen für Kommunen entwickeln konnte. Im Hinblick hierauf vertritt die Kommission die Auffassung, dass der Wettbewerb auf dem PWB-Markt in Belgien durch die Veräußerung dieser Tochtergesellschaft verbessert werden kann.

(212)

Im Übrigen hat sich Dexia dazu verpflichtet, dass der RAROC jedes Kredits an PWB-Kunden über 10 % liegen wird, womit gewährleistet werden kann, dass Dexia diesen Kunden marktübliche Preise anbietet, und künftig verhindert werden kann, dass Dexia durch Preise unter marktüblichem Niveau eine marktbeherrschende Stellung aufbaut.

(213)

Auf dem Retail-Banking-Markt ist Dexia weniger präsent als bei der Kreditvergabe an Kommunen. Die Gruppe betreibt das Retail-Banking-Geschäft über ihre Tochtergesellschaften im Wesentlichen in vier Ländern: in Belgien über DBB, in Luxemburg über Dexia BIL, in der Slowakei über Dexia Banka Slovensko (DBS) und in der Türkei über DenizBank. Gemessen an den Einlagen, hält Dexia einen Marktanteil von rund [10-15]% in Belgien, [10-15]% in Luxemburg, [0-5]% in der Slowakei und [0-5]% in der Türkei.

(214)

Da der Retail-Banking-Markt nicht so konzentriert ist wie der Markt der Kreditvergabe an Kommunen in Frankreich, Belgien, Italien und Spanien, sind Maßnahmen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen weniger dringend geboten. Dies gilt insbesondere für Belgien, wo Dexia ihren größten Marktanteil hat, aber dennoch nur drittgrößte Bank ist.

(215)

Die Kommission befürwortet in jedem Fall die folgenden Maßnahmen, zu denen sich Dexia im Bereich Retail Banking verpflichtet hat:

Veräußerung von Dexia Banka Slovensko;

Verzicht auf konzerninterne Finanzierungen gegenüber DenizBank bis 2014;

Veräußerung von Dexia Epargne Pension, die im Bereich Social Engineering und Lebensversicherung in Frankreich tätig ist;

Veräußerung der Beteiligung am Crédit du Nord, der im Retail Markt in Frankreich tätig ist;

Veräußerung der Versicherungssparte in der Türkei.

(216)

Der Umstrukturierungsplan führt dazu, dass die Bilanzsumme von Dexia im Jahr 2014 um 35 % geringer als im Jahr 2008 sein wird. Diese Verringerung ergibt sich auch daraus, dass Dexia über die LPMD Aktiva abbaut, sich auf ihre traditionellen Märkte zurückzieht, Geschäftsfelder veräußert und die Vergabe neuer Kredite im Bereich PWB begrenzt.

(217)

Dexia wird bestimmten Verhaltensmaßregeln unterworfen und darf beispielsweise bis zum 30. Dezember 2011 nicht mehr als 5 % des Gesellschaftskapitals anderer Banken oder Wertpapierfirmen übernehmen (57). Durch solche Maßregeln kann im Prinzip sichergestellt werden, dass Dexia keine andere Bank oder Wertpapierfirma übernimmt, um im Sinne der Bestimmungen über Unternehmenszusammenschlüsse die Kontrolle auszuüben. Ein solches Prinzip steht im Einklang mit Ziffer 40 der Umstrukturierungsmitteilung.

(218)

Angesichts des Eigenbeitrags von Dexia und der Maßnahmen auf ihren traditionellen Märkten gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die strukturellen Maßnahmen des Umstrukturierungsplans ausreichen, um übermäßige beihilfebedingte Wettbewerbsverzerrungen zu begrenzen.

(219)

Schließlich wird Dexia die im Rahmen der G20 und der betreffenden nationalen Gremien ausgearbeiteten Grundsätze für die Vergütung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder von Dexia und deren Kernunternehmen einhalten.

8.3.4.   ÜBERWACHUNG DER MASSNAHMEN

(220)

Die Kommission weist darauf hin, dass unter Ziffer 46 der Umstrukturierungsmitteilung empfohlen wird, dass die beteiligten Mitgliedstaaten der Kommission regelmäßig einen detaillierten Bericht vorlegen, damit sie überprüfen kann, ob der Umstrukturierungsplan ordnungsgemäß umgesetzt wird. Dazu sind halbjährliche Berichte des für die Überwachung des Umstrukturierungsplans zuständigen unabhängigen Sachverständigen spätestens am 1. Oktober und 30. April jedes Jahres an die Kommission zu richten.

IX.   SCHLUSSFOLGERUNGEN

(221)

Die Kommission stellt fest, dass Belgien, Frankreich und Luxemburg rechtswidrig unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 AEUV Beihilfen in Form von Kapitalerhöhungen, Garantien und Liquiditätshilfen gewährt haben.

(222)

Auf der Grundlage der der Kommission von den beteiligten Mitgliedstaaten übermittelten Informationen und Verpflichtungen genehmigt die Kommission den Umstrukturierungsplan für Dexia und die Umwandlung der Rettungsbeihilfen in Umstrukturierungsbeihilfen zu den in Artikel 2 vorgesehenen Bedingungen. Die Kommission vertritt zudem die Auffassung, dass der Umstrukturierungsplan dem Vorbringen der ihr übermittelten Beschwerde entspricht; das Recht des Beschwerdeführers, seine Rechte für den Zeitraum geltend zu machen, in dem die Beihilfen nicht genehmigt waren, wird dadurch nicht berührt —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Die Maßnahmen in Höhe von 8,4 Mrd. EUR in Form einer Kapitalerhöhung und die Entlastungsmaßnahmen in Höhe von [95-135] Mrd. EUR in Form von Garantien und Liquiditätshilfen („Liquidity Assistance“ oder LA), die Belgien, Frankreich und Luxemburg zugunsten von Dexia gewährt haben, stellen staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV dar.

(2)   Diese Beihilfen sind bei Erfüllung der in Artikel 2 genannten Bedingungen mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Artikel 2

(1)   Belgien, Frankreich und Luxemburg erfüllen alle Verpflichtungen und Bedingungen in Anhang I dieses Beschlusses innerhalb der vorgegebenen Fristen.

(2)   Bis zum 31. Dezember 2011 teilt Dexia der Kommission vor jeder Couponzahlung auf vor dem 1. Februar 2010 begebene Tier-1- und Upper-Tier-2-Hybridinstrumente und spätestens zwei Wochen vor Beginn der Frist für die Bekanntgabe der Couponzahlung an die Anleger ihre Absicht mit, einen solchen Coupon zu zahlen, und weist nach, dass diese Zahlung:

i)

obligatorisch ist;

ii)

unaufschiebbar ist;

iii)

nicht diskretionär ist und

iv)

nicht automatisch durch eine Dividendenzahlung, gleich welcher Form, durch Dexia SA oder eine ihrer Tochtergesellschaften ausgelöst wird; dies gilt nicht für die von DFL begebene Tier-1-Emission (ISIN-Code XS0273230572).

Die Kommission behält sich das Recht vor, eine solche Zahlung nicht zu genehmigen, wenn eine der vier oben genannten kumulativen Bedingungen nicht erfüllt ist.

Artikel 3

Belgien, Frankreich und Luxemburg teilen der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses mit, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um dem Beschluss nachzukommen.

Belgien, Frankreich und Luxemburg übermitteln der Kommission während der gesamten Dauer des Umstrukturierungsplans halbjährlich einen ausführlichen Bericht über die Durchführung der Umstrukturierungsmaßnahmen, die in ihren der Kommission am 9. Februar 2010 übermittelten Verpflichtungen (welche diesem Beschluss in Anhang I beigefügt sind) enthalten sind. Der erste Bericht wird innerhalb von sechs Monaten nach diesem Beschluss übermittelt.

Artikel 4

Dieser Beschluss ist an das Königreich Belgien, die Französische Republik und das Großherzogtum Luxemburg gerichtet.

Brüssel, den 26. Februar 2010

Für die Kommission

Joaquín ALMUNIA

Vizepräsident


(1)  ABl. C 181 vom 4.8.2009, S. 42.

(2)  Siehe Fußnote 1.

(3)  ABl. C 115 vom 9.5.2008, S. 91.

(4)  Siehe Fußnote 1.

(5)  Siehe Fußnote 1.

(6)  ABl. C 305 vom 16.12.2009, S. 3.

(7)  Vertrauliche Information […].

(8)  Im Hinblick auf weitere Informationen zu den Aktivitäten und zur Veräußerung von FSA verweist die Kommission auf ihre Entscheidung vom 13. März 2009.

(9)  Dieser Aufschub der letztmöglichen Fälligkeit gilt nur für die nach dem Erlass der Kommissionsentscheidung vom 30. Oktober 2009 emittierten Obligationen.

(10)  Siehe http://www.nbb.be/DOC/DQ/warandia/index.htm

(11)  Moniteur belge vom 17. Oktober 2008, Ausgabe 2, S. 55634 ff.

(12)  CES = Closed-end second mortgages / HELOC = Home equity line of credit

(13)  CES = Closed-end second mortgages / HELOC = Home equity line of credit

(14)  […]

(15)  Das kurzfristige Fremdkapital umfasst die Repos (Pensionsgeschäfte) aller Art (Zentralbanken, bilateral, triparty), Einlagenzertifikate und Handelspapiere, Interbankeneinlagen, Treuhandeinlagen, Einlagen von Zentralbanken und andere Wholesale-Finanzierungen.

(16)  Die bei dieser Kennzahl betrachtete Verschuldung der Gruppe umfasst i) den langfristigen Bestand aller von der Gruppe emittierten Pfandbriefe und der Emissionen im Rahmen eines EMTN-Programms (besichert, unbesichert und im Interbankenmarkt oder über das Retail-Banking-Netz) und ii) den kurzfristigen Bestand aller kurzfristigen Finanzierungen in der Bilanz der Gruppe.

(17)  Das ökonomische Kapital berechnet sich nach der Methode des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (siehe „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen — Überarbeitete Rahmenvereinbarung“ (Juni 2006)).

(18)  Die beteiligten Mitgliedstaaten übermittelten der Kommission ein Schreiben von Dexia vom 12. Februar 2010, in dem bestätigt wird, dass von den Unternehmen der Gruppe keine hybriden und nachrangigen Schuldtitel begeben wurden, in deren Bedingungen eine Couponzahlungsverpflichtung („Coupon Pusher“) für den Fall vorgesehen ist, dass Dexia eine Dividende in Aktien ausschütten sollte, mit Ausnahme der Emission von 500 Mio. EUR durch Dexia Funding Luxembourg SA im Jahr 2006 (ISIN-Code XS0273230572).

(19)  Dexia ist nicht verpflichtet, ihre Beteiligung an Crediop zu einem übermäßig niedrigen Preis zu veräußern (weniger als das […]-Fache des Buchwerts in den Jahren 2010 und 2011 und das […]-Fache des Buchwerts im Jahr 2012).

(20)  Dexia ist nicht verpflichtet, DBS zu einem übermäßig niedrigen Preis zu veräußern (weniger als das […]-Fache des Buchwerts in 2010 und das […]-Fache des Buchwerts in 2011).

(21)  Der RAROC spiegelt die Kosten des Bereichs PWB wider, und der RAROC und seine Bestandteile werden nach der richtigen Methode und ordnungsgemäß berechnet.

(22)  ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1.

(23)  ABl. C 195 vom 19.8.2009, S. 9.

(24)  Entscheidung der Kommission vom 5. Dezember 2007, Northern Rock, Fall NN 70/07 (ABl. C 43 vom 16.2.2008) und Pressemitteilung IP/08/1557 vom 16. Februar 2008.

(25)  Mitteilung der Kommission über die Änderung der Methode zur Berechnung der Referenz- und Abzinsungssätze (ABl. C 14 vom 19.1.2008, S. 6).

(26)  ABl. C 72 vom 26.3.2009, S. 1.

(27)  ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2.

(28)  Siehe Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (Urteil „Stardust“), Rechtssache C-482/99, Slg. 2002, S. I-4397, Randnrn. 52 und 58.

(29)  Oben genanntes Urteil Frankreich/Kommission, Randnrn. 52, 55 und 56.

(30)  Oben genanntes Urteil „Stardust“, Randnrn. 56 und 57:

„(56)

Weitere Indizien sind gegebenenfalls von Bedeutung, um auf die Zurechenbarkeit einer Beihilfemaßnahme eines öffentlichen Unternehmens an den Staat schließen zu können, wie insbesondere seine Eingliederung in die Strukturen der öffentlichen Verwaltung, die Art seiner Tätigkeit und deren Ausübung auf dem Markt unter normalen Bedingungen des Wettbewerbs mit privaten Wirtschaftsteilnehmern, der Rechtsstatus des Unternehmens, ob es also dem öffentlichen Recht oder dem allgemeinen Gesellschaftsrecht unterliegt, die Intensität der behördlichen Aufsicht über die Unternehmensführung oder jedes andere Indiz, das im konkreten Fall auf eine Beteiligung der Behörden oder auf die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung am Erlass einer Maßnahme hinweist, wobei auch deren Umfang, ihr Inhalt oder ihre Bedingungen zu berücksichtigen sind.

(57)

Jedoch kann die bloße Tatsache, dass ein öffentliches Unternehmen in Form einer allgemeinrechtlichen Kapitalgesellschaft gegründet worden ist, nicht in Anbetracht der Selbständigkeit, die ihm diese Rechtsform möglicherweise verleiht, als ausreichend angesehen werden, um auszuschließen, dass eine Beihilfemaßnahme einer solchen Gesellschaft dem Staat zuzurechnen ist (in diesem Sinne Urteil vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-305/89, Italien/Kommission, Randnr. 13). Denn die Existenz einer Kontrollsituation und die tatsächlichen Möglichkeiten der Ausübung eines beherrschenden Einflusses, die sie in der Praxis mit sich bringt, verhindern es, von vornherein auszuschließen, dass eine Maßnahme einer solchen Gesellschaft dem Staat zugerechnet werden kann und die Gefahr einer Umgehung der Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen besteht, auch wenn die Rechtsform des öffentlichen Unternehmens als Indiz unter anderen an sich erheblich ist, um in einem konkreten Fall festzustellen, ob der Staat beteiligt ist oder nicht.“

(31)  Im Urteil „Air France“ waren diese Anhaltspunkte ausreichend, um die CDC als zum öffentlichen Sektor gehörend zu betrachten und ihr Verhalten entsprechend dem Staat zuzurechnen (siehe insbesondere Randnrn. 58 bis 61 des Urteils vom 12. Dezember 1996, Air France/Kommission, Rechtssache T-358/94, Slg. 1996, S. II-2019).

(32)  Siehe insbesondere das Urteil des Gerichtshofs vom 2. Februar 1988, Van der Kooy u. a./Kommission, verbundene Rechtssachen 67, 68 und 70/85, Slg. 1988, S. 219, Randnr. 36.

(33)  Seit ihrem Schreiben an die Mitgliedstaaten vom 17. September 1984 (SG(84) D/11853) über die Anwendung der Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag auf staatliche Beteiligungen am Unternehmenskapital stellte die Kommission klar, dass der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers nur unter Umständen gilt, die normalen Marktbedingungen entsprechen. Der Gerichtshof bestätigte dies in seinem Urteil „WestLB“ vom 6. März 2003, Rechtssachen T-228/99 und T-233/99, Westdeutsche Landesbank Girozentrale/Kommission, Slg. 2003, S. II-435, Randnr. 267.

(34)  Siehe Urteil „Meura“ vom 10.7.1986 in der Rechtssache 234/84, Belgien/Kommission, Slg. 1986, S. 2263, Randnr. 14.

(35)  Siehe Entscheidungen der Kommission aus dem Jahr 2005 zur Kapitalerhöhung der deutschen Landesbanken, beispielsweise in den Fällen NN 71/2005 „HSH Nordbank“ und NN 72/2005 „Bayern LB“, nicht im Amtsblatt veröffentlicht. Siehe auch die Entscheidung der Kommission im Fall „Shetland Shellfish“ (Entscheidung 2005/336, ABl. L 81, 18. März 2006, S. 36); die Kommission lehnte zwei von den Behörden der Shetland-Inseln vorgelegte Berichte über die Investition ab, die die zu erwartende Gewinn- und Verlustrechnung, die zu erwartende Bilanz und den zu erwartenden Cash-flow für die Jahre 2000, 2001 und 2002 enthielten. Das Vereinigte Königreich machte geltend, dass es sich um Ex-ante-Untersuchungen handelte und dass zurückhaltende und vernünftige Hypothesen zugrunde gelegt worden seien, aber die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, dass sie einem privaten Investor trotz der relativ geringen Summen nicht genügt hätten.

(36)  Genanntes Urteil „West LB“, Randnr. 255.

(37)  ABl. C 270 vom 25.10.2008, S. 8.

(38)  Siehe auch Entscheidung vom 5. Dezember 2007, Northern Rock, und Pressemitteilung IP/08/1557.

(39)  6,376 – (0,150 + 0,350 + 0,288 + 0,376) = 5,212 Mrd. EUR.

(40)  ABl. C 14 vom 19.1.2008, S. 6.

(41)  Der Höchstbetrag der Verbindlichkeiten von Dexia, die durch die Garantie gedeckt wurden, betrug nie mehr als 100 Mrd. EUR, auch nicht im Zeitraum vom 9. Oktober 2008 bis zum 1. November 2008, in dem im Rahmen des Garantievertrags 150 Mrd. EUR in Anspruch genommen werden konnten. Der höchste Betrag der Garantie, den Dexia in Anspruch genommen hat, beträgt 95,6 Mrd. EUR (erfasst am 27. Mai 2009).

(42)  Siehe Ziffer 20 der Mitteilung.

(43)  Siehe insbesondere den Beschluss der Kommission vom 15. Dezember 2009, LBBW, im Fall C 17/09, noch nicht veröffentlicht, und die Pressemitteilung IP/09/1927 vom 15. Dezember 2009.

(44)  Zu dem am 30. Januar 2009 gültigen Wechselkurs von 1 EUR für 1,2816 USD.

(45)  Siehe insbesondere die Entscheidungen der Kommission in den Fällen N 574/08, Garantie Fortis (ABl. C 38 vom 17.2.2009, S. 2); NN 42/08, Fortis (ABl. C 80 vom 3.4.2009, S. 7); NN 57/09, Rettungsbeihilfen zugunsten von Ethias (ABl. C 176 vom 29.7.2009, S. 1); C 18/09, KBC (ABl. C 216 vom 10.9.2009, S. 10); Entscheidung vom 18. November 2009, C 18/09, KBC, noch nicht veröffentlicht; N 548/08, Maßnahmen zur Refinanzierung von Kreditinstituten, Frankreich (ABl. C 123 vom 3.6.2009, S. 1); N 251/09, Verlängerung der französischen Regelung zur Refinanzierung von Kreditinstituten, Frankreich (ABl. C 174 vom 28.7.2009, S. 2); N 613/08, Eigenkapitalhilfen für Kreditinstitute, Frankreich (ABl. C 106 vom 8.5.2009, S. 15); N 29/09, Änderung der Regelung zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung, Frankreich (ABl. C 116 vom 21.5.2009, S. 5); C 123/09, Änderung der Regelung zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung, Frankreich (ABl. C 123 vom 3.6.2009, S. 3); N 23/09, Befristete Regelung für Beihilfen in Form von Bürgschaften, Frankreich (ABl. C 62 vom 17.3.2009, S. 11) und N 128/09, Befristete Garantieregelung, Luxemburg (ABl. C 106 vom 8.5.2009, S. 9).

(46)  Siehe insbesondere Ziffer 31 der Umstrukturierungsmitteilung.

(47)  Siehe Erwägungsgrund 64.

(48)  So haben beispielsweise von den 161,7 Mrd. EUR an Aktiva, aus denen sich der Bereich LPMD am 31. Dezember 2009 zusammensetzte, 97 % ein Rating im Investment-Grade-Bereich (AAA 32 %, AA 28 %, A 25 %, BBB 12 %).

(49)  Zum 30. September 2009.

(50)  Siehe insbesondere: Basler Ausschuss für Bankenaufsicht „International framework for liquidity risk measurement, standards and monitoring (Consultative Document)“, Dezember 2009.

(51)  Siehe Ziffer 9 von Anhang I dieses Beschlusses.

(52)  Siehe „State aid: Commission recalls rules concerning Tier 1 and Tier 2 capital transactions for banks subject to a restructuring aid investigation“, MEMO/09/441 vom 8. Oktober 2009, abrufbar über die Website der Kommission unter der folgenden Adresse: http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=MEMO/09/441

(53)  Siehe insbesondere die Entscheidung der Kommission im Bereich der Unternehmenszusammenschlüsse im Fall M.2400 (Dexia/Artesia). In dieser Entscheidung stellt die Kommission fest, dass Dexia mit einem Marktanteil von 80-85 % auf dem belgischen Markt für die Kreditvergabe an „lokale Gebietskörperschaften“ (und von 65-70 %, wenn auch nicht-lokale wie regionale Gebietskörperschaften und Gemeinschaften berücksichtigt werden) eine stark marktbeherrschende Stellung hat.

(54)  Nach den der Kommission vorliegenden Informationen hat Dexia Crédit Local in Frankreich den größten Marktanteil mit [40-45]% des Bestands an langfristigen Krediten für Kommunen; ihre Hauptwettbewerber sind die Caisses d’épargne (rund 20 %), der Crédit Agricole (rund 15 %), die Société Générale und BNP Paribas.

(55)  Den der Kommission vorliegenden Angaben zufolge teilen in Italien vier Bankgruppen 80 % des Marktes unter sich auf; dabei steht Dexia hinter der Cassa Depositi e Prestiti („CDP“) auf Platz zwei (rund [20-30]%). Die beiden anderen Akteure sind Intesa SanPaolo (14 %) und BNL (10 %).

(56)  Einige Umstände deuten darauf hin, dass unter anderem Ausschreibungen nicht immer transparent und offen durchgeführt werden und dass die Transferkosten für die Kommunen relativ hoch sind (vor allem, weil die etablierten Banken den Kommunen eine Palette von Dienstleistungen wie unter anderem Liquiditätsmanagement anbieten, unter denen die Kreditvergabe nur ein Element ist).

(57)  Siehe Ziffer 2 von Anhang I dieses Beschlusses.


ANHANG I

DER KOMMISSION AM 9. FEBRUAR 2010 ÜBERMITTELTE VERPFLICHTUNGEN DER BETEILIGTEN MITGLIEDSTAATEN

Verhaltensbezogene Verpflichtungen

1.

Sofern nicht anders lautend angegeben, gelten die folgenden Verpflichtungen, mit Ausnahme der Verpflichtung unter Ziffer 7, bis zum 31. Dezember 2014.

2.

Bis zum 31. Dezember 2011 werden Dexia SA und die von ihr allein oder gemeinsam kontrollierten Tochtergesellschaften („Dexia“) ohne Genehmigung der Kommission keinen Anteil von mehr als 5 % am Gesellschaftskapital anderer Banken oder Wertpapierfirmen (im Sinne der Richtlinie 2004/39/EG vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente) oder Versicherungsgesellschaften erwerben.

Diese Verpflichtung steht — vorbehaltlich der vorherigen Genehmigung der Kommission — der Übernahme einer Beteiligung durch Dexia als Gegenleistung für die Einbringung von Beteiligungen oder Geschäftsfeldern im Rahmen einer Veräußerung oder Zusammenlegung von Aktiva oder Geschäftsfeldern (durch Verschmelzung oder Einbringung) nicht im Weg, sofern Dexia durch diese Beteiligung nicht die alleinige oder gemeinsame Kontrolle über das Unternehmen erhält, in das die Einlage eingebracht wird oder das aus der Verschmelzung hervorgeht.

Dexia unterrichtet die Kommission vorab über jeden geplanten Erwerb und jedes Vorhaben der Unternehmen, die Dexia gemeinsam kontrolliert.

3.

a.

Dexia unterlässt es, Kredite mit einem Risk-adjusted Return on Capital (RAROC) von weniger als 10 % an ihre PWB-Kunden zu vergeben. Bei der Berechnung des RAROC wird der Nettoertrag nach Steuern ins Verhältnis zum ökonomischen Kapital gesetzt. Im Sinne dieser Verpflichtungserklärung gilt Folgendes:

i.

Die Bruttomarge ist die Differenz zwischen der dem Kunden berechneten Marge (ausgedrückt in Basispunkten über dem Referenzsatz IBOR) und den Finanzierungskosten von Dexia (ausgedrückt in Basispunkten über dem Referenzsatz IBOR), der durch den internen Verrechnungspreis dargestellt wird;

ii.

der interne Verrechnungspreis spiegelt die geschätzten Kosten einer neuen Finanzierung von Dexia unter Berücksichtigung der Eigenschaften der Kredite (Laufzeit, Refinanzierbarkeit durch Covered Bonds usw.) an PWB-Kunden wider;

iii.

die Nettomarge ist gleich der Bruttomarge, vermindert um i) die Kosten aller Art (Gemeinkosten, Gehaltskosten, Betriebskosten, Abschreibungen usw.), die auf der Grundlage der Beobachtung der Kosten des Geschäftsfelds der Kreditvergabe an PWB-Kunden geschätzt werden, ii) die durchschnittlichen Risikokosten, die für jede Transaktion unter Beachtung von Basel II berechnet werden (langfristige durchschnittliche Risikokosten) und iii) eine Steuerlast. Das ökonomische Kapital berechnet sich nach der Methode von Basel II.

b.

Ein unabhängiger Sachverständiger wird nach den Modalitäten von Ziffer 17 unten damit beauftragt, alle sechs Monate zu überprüfen, dass

i.

der RAROC im Sinne dieser Verpflichtungserklärung und seine Bestandteile (Kosten der neuen Finanzierung, Gemeinkosten, Gehaltskosten, Betriebskosten, Abschreibungen, Risikokosten, Steuerlast usw.) den Beitrag des Geschäftsfelds der Kreditvergabe an PWB-Kunden zur Rentabilität der Gruppe widerspiegelt;

ii.

der RAROC ordnungsgemäß berechnet wird;

iii.

die Methode beachtet wurde.

c.

Der unabhängige Sachverständige überprüft alle sechs Monate, dass die unter Ziffer 3 Buchstabe a genannte Verpflichtung erfüllt wird.

d.

Der unabhängige Sachverständige erhält Zugang zu den internen Verfahrensvorschriften von Dexia für die Anwendung des RAROC (im Sinne dieser Verpflichtungserklärung) sowie zu der Aufstellung und den Konditionen jedes Kredits, den Dexia an PWB-Kunden vergibt.

4.

Dexia wird den Betrag der Finanzierungsmittel, die ihrer türkischen Tochtergesellschaft DenizBank derzeit bereitgestellt werden, spätestens am 30. Juni 2011 auf null reduzieren und ihr bis zum 31. Dezember 2014 keine neuen konzerninternen Finanzierungen gewähren.

5.

Dexia verringert den Anteil des kurzfristigen Fremdkapitals in ihrer Bilanz und erhöht die durchschnittliche Laufzeit der langfristigen Finanzierungen. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird insgesamt anhand von drei Kennzahlen bewertet. Dabei gilt Folgendes:

a.

Dexia senkt die in Anhang II dieses Beschlusses definierte Kennzahl „kurzfristiges Fremdkapital/Gesamtkapital“ von 30 % am 31. Dezember 2009 auf höchstens 23 % am 31. Dezember 2010, höchstens 20 % am 31. Dezember 2011, höchstens 14 % am 31. Dezember 2012, höchstens 13 % am 31. Dezember 2013 und höchstens 11 % am 31. Dezember 2014. Im Hinblick auf diese Verpflichtung wird die Kennzahl auch im Jahresdurchschnitt über den gesamten Bezugszeitraum überwacht.

b.

Dexia wird die Laufzeit ihrer Finanzierungen erhöhen und die Fristenkongruenz verbessern, indem sie die durchschnittliche Laufzeit der Verbindlichkeiten der Gruppe gemäß der Definition in Anhang II dieses Beschlusses auf einem Wert hält, der mindestens den in der folgenden Tabelle genannten Werten entspricht:

(in Jahren)

31.12.2009

31.12.2010

31.12.2011

31.12.2012

31.12.2013

31.12.2014

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

c.

Dexia greift zunehmend auf stabile Finanzierungsquellen zurück. Dabei wird eine Kennzahl berechnet, in deren Zähler die Summe aus Finanzierungsmitteln in Form von „Covered Bonds“ und Geschäftseinlagen der Bereiche „RCB“ und „PWB“ und in deren Nenner die Summe aller Aktiva der Gruppe Dexia steht. Diese Kennzahl, die am 31. Dezember 2009 36 % beträgt, muss am 31. Dezember 2010 mindestens 40 %, am 31. Dezember 2011 mindestens 45 %, am 31. Dezember 2012 mindestens 53 %, am 31. Dezember 2013 mindestens 55 % und am 31. Dezember 2014 mindestens 58 % betragen.

6.

Bis zum 31. Dezember 2014 wird Dexia:

i)

ihren Status als Bank, der eine Garantie der Mitgliedstaaten für bestimmte Verbindlichkeiten gewährt wird, nicht zu Werbezwecken gegenüber anderen als begünstigten Dritten nutzen, und

ii)

die Garantie nicht für reine Arbitragegeschäfte verwenden.

7.

Bis zum 30. Juni 2010 führt Dexia eine Reportinglinie namens „Legacy Portfolio Management Division“ ein. Die dieser Linie zugewiesenen Aktiva werden abgebaut oder im Rahmen der unter Ziffer 13 Buchstabe n unten genannten Verpflichtung veräußert. Bei diesen Aktiva handelt es sich um i) die Portfolios CSP/PSP (in geschätzter Höhe von rund 134 Mrd. EUR zum 31. Dezember 2009), ii) das Portfolio FP (in geschätzter Höhe von rund 10,7 Mrd. EUR zum 31. Dezember 2009) und iii) das Portfolio „Non-core PWB loans“ (in geschätzter Höhe von rund 17 Mrd. EUR zum 31. Dezember 2009). Das von Dexia aufgenommene und durch die Garantie abgesicherte Fremdkapital wird in vollem Umfang dieser Linie zugewiesen.

8.

Dexia begrenzt:

a.

Dividenden jedweder Form, die von Dexia SA auf ihre Stammaktien ausgeschüttet werden;

b.

direktionäre Rückzahlungen vor Fälligkeit oder Couponzahlungen auf Tier-1-Hybridinstrumente oder Tier-2-Instrumente, die i) von Unternehmen emittiert wurden, die von Dexia allein kontrolliert werden, ii) von anderen Personen oder Unternehmen als Dexia und ihren Tochtergesellschaften gehalten werden und iii) deren Zahlung oder Ausübung in Anwendung der entsprechenden Vertragsbestimmungen diskretionär ist,

so dass der Core-Tier-1 der Gruppe Dexia (berechnet unter Bezugnahme auf den letzten, nach den IFRS-Normen aufgestellten konsolidierten Jahresabschluss) nach der geplanten Ausschüttung oder Zahlung (und unter Berücksichtigung etwaiger obligatorischer Zahlungen aufgrund von Dividendenausschüttungen auf Stammaktien)

i.

mindestens dem im Folgenden genannten Wert entspricht:

31.12.2009

31.12.2010

31.12.2011

31.12.2012

31.12.2013

31.12.2014

10,7 %

10,6 %

[…] %

[…] %

[…] %

[…] %

ii.

mindestens gleich der Summe ist aus:

i)

12,5 % der risikogewichteten Aktiva (risk weighted assets) der Legacy Portfolio Management Division gemäß der Definition unter Ziffer 7 oben;

ii)

9,5 % der risikogewichteten Aktiva der übrigen Geschäftsfelder der Gruppe (die „Core Division“).

Die vorstehende Verpflichtung:

i)

gilt für Dexia unbeschadet der Anforderungen im Hinblick auf ausschüttungsfähige Gewinne (Artikel 617 Code des sociétés belge);

ii)

gilt vorbehaltlich der Transaktionen, zu denen Dexia bei Tier-1- oder Tier-2-Hybridinstrumenten gesetzlich verpflichtet ist, oder für Transaktionen, die Dexia aufgrund von vor dem 1. Februar 2010 geschlossenen Verträgen bei solchen Instrumenten vornehmen muss;

iii)

wird bei wesentlichen Änderungen der Definition der aufsichtlichen Eigenkapitalausstattung und der für Dexia geltenden Rechnungslegungsvorschriften geändert;

iv)

gilt für alle bis zum 31. Dezember 2014 vorgenommenen Ausschüttungen.

9.

Im Übrigen unterlässt Dexia es, vorbehaltlich der Transaktionen, zu denen sie gesetzlich oder aufgrund von vor dem 1. Februar 2010 geschlossenen Verträgen bei Tier-1- oder Tier-2-Hybridinstrumenten verpflichtet ist, bis zum 31. Dezember 2011:

a.

Couponzahlungen auf Tier-1-Hybridinstrumente oder Tier-2-Instrumente vorzunehmen, die von anderen Personen oder Unternehmen als Dexia SA und ihren Tochtergesellschaften gehalten werden, wenn die Zahlung in Anwendung der für diese Instrumente geltenden Vertragsbestimmungen diskretionär ist;

b.

die Ausschüttung von Dividenden in irgendeiner Form durch Unternehmen, die von Dexia SA mittelbar oder unmittelbar allein kontrolliert werden (einschließlich der 100%igen Tochtergesellschaften), zu genehmigen oder dafür zu stimmen, wenn eine solche Zahlung eine Couponzahlungsverpflichtung für Tier-1-Hybridinstrumente oder Tier-2-Instrumente, die von anderen Personen als Dexia SA und ihren Tochtergesellschaften gehalten werden, nach sich ziehen würde;

c.

eine diskretionäre Option zur Rückzahlung vor Fälligkeit auf die unter dem ersten Gedankenstrich genannten Tier-1-Hybridinstrumente oder Tier-2-Instrumente auszuüben.

Dexia SA wird es bis zum 31. Dezember 2011 unterlassen, Dividenden auf ihre Stammaktien auszuschütten. Dieses Verbot gilt nicht für Dividendenausschüttungen im Wege der Zuteilung junger Aktien, sofern der Betrag dieser Ausschüttungen i) den Bestimmungen von Ziffer 8 oben entspricht und ii) bei den im Jahr 2010 ausgeschütteten Dividenden höchstens 40 % des von Dexia SA im Geschäftsjahr 2009 erwirtschafteten Nettoergebnisses bzw. bei den 2011 ausgeschütteten Dividenden höchstens 40 % des von Dexia SA im Geschäftsjahr 2010 erwirtschafteten Nettoergebnisses beträgt.

10.

Schließlich wird Dexia weiterhin die im Rahmen der G20 und der betreffenden nationalen Gremien ausgearbeiteten Grundsätze für die Vergütung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Dexia SA und der Kernunternehmen der Gruppe Dexia umsetzen.

11.

Gemäß dem am 17. Dezember 2009 vorgelegten Umstrukturierungsplan wird Dexia:

a.

im Rahmen ihrer Kreditvergabestrategie die Vergabe neuer Kredite im Bereich PWB auf 12 Mrd. EUR im Jahr 2009, 15 Mrd. EUR im Jahr 2010 und 18 Mrd. EUR von 2011 bis 2014 verringern;

b.

ihre Betriebskosten bis zum 31. Dezember 2012 um 15 % senken;

c.

bei ihren Trading-Aktivitäten sicherstellen, dass sie keine Risiken für eigene Rechnung übernimmt, die nicht mit dem Ziel der Wiederherstellung der Rentabilität auf der Grundlage eines umsichtigen Managements im Einklang stehen. Infolgedessen wird Dexia ihre Trading-Aktivitäten reduzieren (um 44 %, gemessen am durchschnittlichen jährlichen Value at Risk (VaR), der sich 2008 auf 126 Mrd. EUR belief) und den Eigenhandel vom Tag dieses Beschlusses der Kommission an einstellen;

d.

vom Tag des Beschlusses der Kommission an mit sofortiger Wirkung und endgültig auf die Inanspruchnahme der Wandelanleihe von Dexia BIL in Höhe von 376 Mio. EUR, zu deren Zeichnung sich Luxemburg im September 2008 verpflichtete, verzichten.

Garantie

12.

Die Inanspruchnahme der mit dem Zusatzvertrag vom 14. Oktober 2009 verlängerten Garantie (nachstehend „Garantie“ genannt) wird zu den folgenden Bedingungen eingeschränkt:

a.

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Garantie durch Dexia für abgeschlossene Einlageverträge endet am 31. März 2010.

b.

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Garantie durch Dexia für kurzfristige (weniger als einjährige) Emissionen endet am 31. Mai 2010.

c.

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Garantie durch Dexia endet am 30. Juni 2010 für alle getätigten Emissionen oder geschlossenen Verträge.

d.

Der Gesamtbetrag der besicherten Verbindlichkeiten darf zu keiner Zeit mehr als 100 Mrd. EUR betragen.

e.

Während der Gültigkeitsdauer der Garantie zahlt Dexia an die Mitgliedstaaten bei Überschreitung der folgenden Schwellenwerte für die garantierten Verbindlichkeiten eine zusätzliche Vergütung für den darüber hinausgehenden Betrag:

Schwellenwert/Tranche (garantierte Verbindlichkeiten in Mrd. EUR)

[60-70]

[70-80]

[80-100]

Zusätzliche Vergütung für den Mehrbetrag (in Basispunkten)

+ 50

+ 65

+ 80

Veräußerung und Abbau von Aktiva

13.

Dexia wird die im Folgenden aufgeführten Vermögenswerte innerhalb der genannten Fristen veräußern:

a.

Veräußerung oder Börsengang der 70%igen Beteiligung der Gruppe an ihrer italienischen Tochtergesellschaft Crediop bis zum 31. Oktober 2012. In Anwendung von Ziffer 15 der Umstrukturierungsmitteilung ist Dexia ist nicht verpflichtet, ihre Beteiligung an Crediop zu einem übermäßig niedrigen Preis zu veräußern (weniger als das […]-Fache des Buchwerts in den Jahren 2010 und 2011 und das […]-Fache des Buchwerts im Jahr 2012).

b.

Veräußerung von Dexia Epargne-Pension (DEP), der französischen Tochtergesellschaft von DIB (Dexia Insurance Belgium), die im Bereich Lebensversicherung und Social Engineering tätig ist, bis zum 30. Juni 2010. Der Kaufvertrag wurde am 9. Dezember 2009 unterzeichnet, und der Verkauf dürfte im ersten Halbjahr 2010 vollzogen werden;

c.

Veräußerung oder Börsengang der 51%igen Beteiligung von Dexia an AdInfo, einer Tochtergesellschaft, die IT-Dienstleistungen für Kommunen in Belgien erbringt.

d.

Veräußerung der Beteiligung von Dexia an SPE bis zum 31. Dezember 2010.

e.

Veräußerung der 20%igen Beteiligung von Dexia am Crédit du Nord. Diese Veräußerung ist am 11. Dezember 2009 erfolgt (tatsächliche Übertragung der Titel und des Cash).

f.

Schließung von etwa 80 Filialen in Belgien im Rahmen des neuen Vertriebsmodells der Gruppe bis 2010.

g.

Einstellung der folgenden Tätigkeiten von RCB International:

i.

die Veräußerung von Experta Jersey, der Run-off von Dexia DB Jersey, die Einstellung der PB-Tätigkeiten in Montevideo, der Stopp eines PB-Entwicklungsprojekts in Singapur, der Stopp des Consumer-Finance-Projekts in Russland und die Einstellung der Aktivitäten von Dexia Asset Management (DAM) in den mittel- und osteuropäischen Ländern sowie die Veräußerung der Trust-Aktivitäten von Experta in der Schweiz wurden im Laufe des Jahres 2009 und Anfang 2010 vollzogen;

ii.

die Veräußerung der Trust-Aktivitäten von Experta auf den Bahamas sowie die Veräußerung der dänischen Tochtergesellschaft von Dexia BIL, die in den Bereichen Asset Management, Private Banking und Markt/Strukturierung tätig ist, erfolgt bis zum 31. Dezember 2011.

h.

Veräußerung oder Börsengang der Beteiligung von Dexia an ihrer slowakischen Tochtergesellschaft Dexia Banka Slovensko (DBS) bis zum 31. Oktober 2012. In Anwendung von Ziffer 15 der Umstrukturierungsmitteilung ist Dexia ist nicht verpflichtet, DBS zu einem übermäßig niedrigen Preis zu veräußern (weniger als das […]-Fache des Buchwerts im Jahr 2010 und weniger als das […]-Fache des Buchwerts im Jahr 2011).

i.

Einstellung und Abbau der folgenden Aktivitäten von PWB International:

1.

Indien: die Veräußerung des Unternehmens ist 2009 erfolgt;

2.

Schweiz (Dexia Public Finance Switzerland) und Schweden (Dexia Norden): Schließung und Abwicklung bis zum 31. Dezember 2010;

3.

Mexiko, Australien und Japan: Abbau der Bilanz und Verringerung des Personals. Das mexikanische Unternehmen wurde 2009 geschlossen. Seine Aktiva wurden auf DCL New York übertragen, wo sie abgebaut werden. Das Personal in Japan und Australien wurde 2009 halbiert, und die damit verbundenen Aktivitäten werden abgebaut.

j.

Veräußerung von FSA (am 1. Juli 2009 abgeschlossen) und anschließende Veräußerung der Anteile von Dexia an Assured Guaranty (AGO) bis zum 31. Dezember 2011.

k.

Veräußerung der 40%igen Beteiligung der Gruppe an Kommunalkredit Austria (KA). Diese Veräußerung wurde im 4. Quartal 2008 vollzogen.

l.

Veräußerung oder Börsengang von Deniz Emeklilik, der Versicherungstochter von DenizBank, bis zum 31. Oktober 2012.

m.

Veräußerung der 60%igen Beteiligung der Gruppe an Dexia Sabadell bis zum 31. Dezember 2013.

n.

Beschleunigte Veräußerung des Anleiheportfolios von Dexia in Höhe von [10-20] Mrd. EUR jährlich in den Jahren 2010 und 2011, [5-15] Mrd. EUR bis [10-20] Mrd. EUR im Jahr 2012 und [0-10] bis [5-15] Mrd. EUR jährlich in den Jahren 2013 und 2014.

o.

Abbau der Standby Bond Purchase Agreements (SBPA) und Tender Option Bonds (TOB) gemäß dem am 17. Dezember 2009 vorgelegten Umstrukturierungsplan (USA/Kanada).

Die oben unter den Buchstaben a bis n genannten Verpflichtungen gelten als erfüllt, wenn Dexia und der Käufer einen verbindlichen und rechtskräftigen Vertrag (d. h. einen Vertrag, der von Dexia nicht einseitig ohne Zahlung einer Vertragsstrafe aufgehoben werden kann) über die Veräußerung der gesamten Beteiligung Dexias an dem Unternehmen oder den betreffenden Aktiva geschlossen haben, auch wenn die Genehmigungen oder Erklärungen, dass keine Einwände erhoben werden, seitens der zuständigen Aufsichtsbehörden zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags noch nicht erteilt bzw. abgegeben worden sein sollten.

14.

Die oben unter Ziffer 13 aufgeführten Veräußerungen sowie die Abschreibung der Aktiva und Passiva von Dexia führen zu folgenden Ergebnissen:

a.

Verringerung der Bilanzsumme von Dexia bis zum 31. Dezember 2014 um 35 % im Vergleich zum 31. Dezember 2008 zu den Bedingungen und nach den Rechnungslegungsvorschriften, die unter den ergänzenden Maßnahmen des der Kommission am 17. Dezember 2009 übermittelten Umstrukturierungsplans beschrieben werden. Der absolute Wert der Bilanzsumme wird von 651 Mrd. EUR am 31. Dezember 2008 auf 580 Mrd. EUR am 31. Dezember 2009, auf [510-550] Mrd. EUR am 31. Dezember 2010, auf [485-545] Mrd. EUR am 31. Dezember 2011, auf [425-490] Mrd. EUR am 31. Dezember 2012, auf [405-465] Mrd. EUR am 31. Dezember 2013 und auf 427 Mrd. EUR am 31. Dezember 2014 verringert, d. h. um insgesamt 224 Mrd. EUR. Diese Beträge müssen um die Entwicklung des Marktwerts der in der Bilanz von Dexia ausgewiesenen Derivate berichtigt werden, wenn diese Entwicklung von der im Umstrukturierungsplan für Dexia beschriebenen Entwicklung abweicht und sofern eine solche Differenz nicht auf einem wesentlichen Anstieg des Nominalbetrags dieser Derivate beruht.

b.

Die Bilanzsumme der Core Division wird sich am 31. Dezember 2010 auf [390-410] Mrd. EUR, am 31. Dezember 2011 auf [385-415] Mrd. EUR, am 31. Dezember 2012 auf [345-380] Mrd. EUR, am 31. Dezember 2013 auf [335-365] Mrd. EUR und am 31. Dezember 2014 auf 353 Mrd. EUR belaufen, was einer Verringerung um 45 % im Verhältnis zur Bilanzsumme der Gruppe am 31. Dezember 2008 entspricht. Die jährliche Entwicklung der Bilanzsumme der Geschäftsbereiche Core Division bzw. Legacy Portfolio Management Division entspricht der Beschreibung in Anhang II dieses Beschlusses.

Veräußerungstreuhänder

15.

a.

Falls eine der unter Ziffer 13 Buchstaben a, c, d, h, l oder m genannten Verpflichtungen nicht innerhalb der oben genannten Fristen erfüllt und von der Kommission keine alternative Verpflichtung genehmigt worden sein sollte, legen die französischen, belgischen und luxemburgischen Behörden der Kommission innerhalb eines Monats nach Ablauf der für die Veräußerung vorgegebenen Frist eine Liste mit ein bis drei im Einvernehmen mit Dexia gewählten Personen, die als Veräußerungstreuhänder infrage kommen, zur Genehmigung vor.

b.

Der Veräußerungstreuhänder muss unabhängig sein und die notwendige Kompetenz besitzen und darf sich während der Ausübung seines Auftrags in keinem Interessenkonflikt befinden.

c.

Die Kommission kann den(die) vorgeschlagenen Treuhänder billigen oder ablehnen. Lehnt die Kommission den(die) vorgeschlagenen Veräußerungstreuhänder ab, schlagen die belgischen, französischen und luxemburgischen Behörden innerhalb eines Monats nach der Ablehnungsmitteilung einen bis drei neue Kandidaten vor, die ebenfalls von der Kommission gebilligt oder abgelehnt werden müssen. Wurden letzten Endes alle vorgeschlagenen Kandidaten von der Kommission abgelehnt, benennt diese einen Treuhänder, den Dexia auf der Grundlage eines von der Kommission gebilligten Mandats bestellt.

d.

Die französischen, belgischen und luxemburgischen Behörden verpflichten sich dazu, dass Dexia dem Veräußerungstreuhänder die notwendigen und angemessenen Vertretungsbefugnisse erteilt:

i.

zur Durchführung der Veräußerung der oben unter Buchstabe a genannten Aktiva (einschließlich der Befugnisse, die erforderlich sind, um die zur Durchführung der Veräußerung erforderlichen Schriftstücke zu erstellen);

ii.

zur Vornahme bzw. Abgabe aller zur Durchführung der Veräußerung notwendigen oder angemessenen Handlungen oder Erklärungen, einschließlich der Bestellung von Beratern, die den Veräußerungsvorgang begleiten.

e.

Der Veräußerungstreuhänder nimmt in den Kaufvertrag bzw. die Kaufverträge die üblichen und zweckmäßigen Klauseln und Bedingungen auf, die er als angemessen erachtet, um den Verkauf innerhalb eines Jahres nach Bestellung des Treuhänders abzuschließen. Der Veräußerungstreuhänder organisiert den Veräußerungsvorgang so, dass gewährleistet ist, dass die Veräußerung […].

f.

Die Kosten für die Arbeit des Veräußerungstreuhänders übernimmt Dexia.

Umsetzung

16.

Im Fall einer Änderung der Kontrolle über Dexia kann die Kommission beschließen, die oben genannten Verpflichtungen oder ein Teil davon außer Kraft zu setzen. Sie wird die Auswirkungen der geplanten Änderung auf die langfristige Rentabilität und den Wettbewerb berücksichtigen und insbesondere nach dem Grundsatz vorgehen, dass die Übernahme des Beihilfeempfängers durch einen Wettbewerber eine Form des Ausgleichs möglicher Wettbewerbsverzerrungen darstellt.

17.

a.

Die belgischen, französischen und luxemburgischen Behörden legen der Kommission spätestens einen Monat nach diesem endgültigen Beschluss eine Liste mit ein bis drei im Einvernehmen mit Dexia gewählten Personen, die als unabhängige Sachverständige, die mit der detaillierten Überprüfung der Erfüllung der oben genannten Verpflichtungen beauftragt werden („unabhängiger Sachverständiger“), infrage kommen, zur Genehmigung vor.

b.

Der unabhängige Sachverständige muss die notwendige Kompetenz besitzen und darf sich während der Ausübung seines Auftrags in keinem Interessenkonflikt befinden.

c.

Die Kommission kann den(die) vorgeschlagenen unabhängigen Sachverständigen billigen oder ablehnen. Lehnt die Kommission den(die) vorgeschlagenen unabhängigen Sachverständigen ab, schlagen die belgischen, französischen und luxemburgischen Behörden innerhalb eines Monats nach der Mitteilung über die Ablehnung ein bis drei neue Kandidaten vor, die ebenfalls von der Kommission gebilligt oder abgelehnt werden müssen.

d.

Wenn letzten Endes alle vorgeschlagenen Anwärter von der Kommission abgelehnt werden, benennt die Kommission einen unabhängigen Sachverständigen.

e.

Die Kosten für die Arbeit des unabhängigen Sachverständigen übernimmt Dexia.

18.

a.

Die Kommission hat während der Dauer des Umstrukturierungsplans jederzeit uneingeschränkten Zugang zu allen Informationen, die zur Umsetzung ihres Beschlusses zur Genehmigung des Umstrukturierungsplans erforderlich sind. Sie kann sich mit Zustimmung der belgischen, französischen und luxemburgischen Behörden direkt an Dexia wenden, um Erklärungen und Auskünfte zu erhalten. Bei allen Nachprüfungen, um die die Kommission oder gegebenenfalls der unabhängige Sachverständige ersucht, leisten die belgischen, französischen und luxemburgischen Behörden und Dexia volle Unterstützung.

b.

Der unabhängige Sachverständige übergibt der Kommission in Zusammenarbeit mit Dexia halbjährlich einen Bericht über die Umsetzung der oben genannten Verpflichtungen. Dieser Bericht enthält eine ausführliche Darstellung der Fortschritte bei der Umsetzung des Umstrukturierungsplans. Dies betrifft insbesondere i) die Verringerung der Bilanzsumme gemäß Ziffer 14 oben; ii) die Liquiditäts- und Finanzierungskennzahlen gemäß Ziffer 5 oben; iii) die Einhaltung der Verpflichtungen im Hinblick auf den RAROC gemäß Ziffer 3 oben im zurückliegenden Halbjahr; iv) die Veräußerungen und Schließungen von Geschäftsbereichen gemäß Ziffer 3 oben mit dem Zeitpunkt der Veräußerung oder Schließung, dem Buchwert der Aktiva am 31. Dezember 2008, dem Veräußerungswert, dem erzielten Mehr- oder Minderwert und Einzelheiten zu den im Rahmen des Umstrukturierungsplans noch umzusetzenden Maßnahmen. Dieser Bericht enthält auch die Kostenelemente und die Berechnung des RAROC (gemäß Ziffer 3 oben) für das auf den jeweiligen Bericht folgende Halbjahr. Dieser Bericht wird spätestens einen Monat nach Vorlage des Halbjahresabschlusses und nach Genehmigung des Jahresabschlusses und in jedem Fall spätestens am 1. Oktober und 30. April jedes Jahres übermittelt.

c.

Wenn der unabhängige Sachverständige in seinem bis zum 1. Oktober jedes Jahres vorgelegten Bericht feststellt, dass das Erreichen der im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Jahresziele bis zum Ende des laufenden Jahres gefährdet ist, teilen die französischen, belgischen und luxemburgischen Behörden der Kommission binnen eines Monats nach Übergabe des Berichts mit, welche Maßnahmen gemeinsam mit Dexia in Betracht gezogen wurden, um zu ermöglichen, dass diese Zielvorgaben mit geeigneten Mitteln bis zum Jahresende erreicht werden.

d.

Wenn der unabhängige Sachverständige in seinem bis zum 30. April jedes Jahres vorgelegten Bericht feststellt, dass die im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Jahresziele nicht erreicht wurden, teilen die belgischen, französischen und luxemburgischen Behörden der Kommission binnen eines Monats nach Übergabe des Berichts mit, welche Maßnahmen gemeinsam mit Dexia in Betracht gezogen wurden, um zu ermöglichen, dass diese Zielvorgaben mit geeigneten Mitteln bis zum 30. Juni des laufenden Jahres erreicht werden;

19.

Wenn die unter Ziffer 18 Buchstaben c und d angesprochenen, in Betracht gezogenen Maßnahmen nicht fristgerecht vorgelegt oder die Zielvorgaben nicht spätestens am 30. Juni (für die gegebenenfalls nach dem spätestens am 30. April vorzulegenden Bericht mitgeteilten Maßnahmen) erreicht werden, kann die Kommission in Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 ein neues förmliches Prüfverfahren eröffnen. […]

Überprüfung der Verpflichtungen

20.

Auf der Grundlage eines hinreichend begründeten Antrags Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs kann die Kommission:

a.

Dexia berechtigen, die Veräußerung einer oder mehrerer der unter Ziffer 13 genannten Aktiva zu verschieben;

b.

Dexia berechtigen, anstelle der Veräußerung einer oder mehrerer der unter Ziffer 13 genannten Aktiva eine Veräußerung von Aktiva mit einem gleichwertigen Anteil an der Bilanz von Dexia vorzunehmen;

c.

beschließen, dass eine oder mehrere der oben genannten Verpflichtungen nicht mehr gelten;

d.

für den Fall, dass eine der unter Ziffer 5 definierten Kennzahlen nicht erreicht werden sollte, die Fähigkeit von Dexia berücksichtigen, ihren kurzfristigen Fremdkapitalbedarf durch Mobilisierung ihrer repofähigen Rücklagen zu decken.

21.

Die Kommission kann einen der im vorangehenden Absatz genannten Beschlüsse fassen, wenn sie die Auffassung vertritt, dass ein solcher Beschluss erforderlich ist, beispielsweise um wirksamen Wettbewerb auf dem Markt aufrechtzuerhalten oder im Fall einer anhaltenden Wirtschafts- oder Finanzkrise die finanzielle Stabilität wiederherzustellen, oder wenn die Entwicklung des wirtschaftlichen Umfelds und insbesondere der Wechselkurse oder Rechnungslegungsstandards oder aufsichtlichen Bestimmungen dies rechtfertigen.

Wettbewerb und Transparenz bei Bankkrediten für Kommunen

22.

In dem Bestreben um mehr Wettbewerb und Transparenz bei der Kreditvergabe an Kommunen verpflichtet sich Frankreich, dafür Sorge zu tragen, dass die Kommunen Vergabevorschriften für die Geld- oder Kapitalbeschaffung ausarbeiten.

Empfehlungen in diesem Sinne werden vom Staat spätestens Ende 2010 sowohl für Bankkredite als auch für den Bereich des Einsatzes komplexer Finanzprodukte ausdrücklich an die Kommunen gerichtet.

In diesen Empfehlungen wird nachdrücklich auf das wirtschaftliche Interesse von Ausschreibungsmaßnahmen in diesem Bereich hingewiesen; zudem werden praktische Modalitäten zur Umsetzung dieser Maßnahmen genannt. Die empfohlenen bewährten Verfahren sehen für die höchsten Kredite öffentliche Ausschreibungen vor.

Die für Unterstützung und Beratung in diesem Bereich zuständigen Dienststellen der Kommunen werden für diese Empfehlungen sensibilisiert. Für den Fall, dass Empfehlungen zur Gewährleistung systematischer transparenter und nichtdiskriminierender Ausschreibungen durch die Kommunen bis 2013 im Bereich der Bankfinanzierung nicht ausreichen sollten, verpflichtet Frankreich sich zur Ausarbeitung von Rechtsvorschriften.

23.

In dem Bestreben um mehr Wettbewerb und Transparenz bei der Kreditvergabe an Kommunen verpflichtet sich die belgische Regierung gemeinsam mit den Regionen, die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen im Bereich der Kreditvergabe an Kommunen durch die öffentlichen Auftraggeber zu überwachen.


ANHANG II

1.   Entwicklung der Bilanzsumme der Core Division und der Non-Core Division, einschließlich der Finanzierungen unter den Geschäftsbereichen

in Mrd. EUR

 

2009

2010

2011

2012

2013

2014

Summe der Aktiva Core

419

[390-410]

[385-415]

[345-380]

[335-365]

353

Summe der Aktiva Non-core

162

[120-140]

[100-120]

[80-110]

[70-100]

79

2.   Summe der konsolidierten Bilanz der Gruppe

in Mrd. EUR

31.12.2008

31.12.2009

31.12.2010

31.12.2011

31.12.2012

31.12.2013

31.12.2014

651

580

[510-550]

[485-545]

 

[405-465]

427

3.   Definition des RAROC gemäß Ziffer 3 Buchstabe a der Verpflichtungen

Der RAROC berechnet sich nach der folgenden Formel:

Formula

mit:

Revenues= Erträge

EC= ökonomisches Kapital

EL= expected loss

Costs= der Transaktion im Rahmen der Sparte zugewiesene Kosten

Taxes= Steuern

4.   Definition des kurzfristigen Fremdkapitals der Gruppe, das unter Ziffer 5 Buchstabe a der Verpflichtungen fällt

Das unter Ziffer 5 Buchstabe a genannte kurzfristige Fremdkapital umfasst die Repos (Pensionsgeschäfte) aller Art (Zentralbanken, bilateral, triparty), Einlagenzertifikate und Handelspapiere, Interbankeneinlagen, Treuhandeinlagen, Einlagen von Zentralbanken und andere Wholesale-Finanzierungen. Es wird vom Competence Center Liquiditätsmanagement der Gruppe überwacht und anhand von Regeln, die an den unabhängigen Sachverständigen übermittelt werden, zusammengesetzt.

5.   Definition der unter Ziffer 5 Buchstabe b der Verpflichtungen fallenden Verbindlichkeiten der Gruppe

Die unter Ziffer 5 Buchstabe b genannten Verbindlichkeiten der Gruppe umfassen:

i)

langfristig: den Bestand aller von der Gruppe emittierten Covered Bonds und der Emissionen im Rahmen eines EMTN-Programms (besichert, unbesichert und im Interbankenmarkt oder über das Retail-Banking-Netz);

ii)

kurzfristig: den Bestand aller kurzfristigen Finanzierungen in der Bilanz der Gruppe.


19.10.2010   

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Amtsblatt der Europäischen Union

L 274/103


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 27. April 2010

über die von Belgien zugunsten der Umstrukturierung der Fischauktion Ostende gewährte staatliche Beihilfe C 30/08 (ex NN 21/08)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 2520)

(Nur der niederländische und der französische Text sind verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2010/607/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (1), insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (2), insbesondere auf Artikel 7 Absatz 5 und Artikel 14,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme (3) gemäß Artikel 108 Absatz 2 Unterabsatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (4) und unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   DAS VERFAHREN

(1)

Mit Schreiben vom 16. Februar 2006 ging bei der Kommission eine Beschwerde bezüglich einer staatlichen Beihilfe ein, die der Fischauktion Ostende von den belgischen Behörden gewährt worden war. Die Beschwerde wurde unter dem Aktenzeichen CP 40/2006 registriert. Am 31. Juli 2007 ging eine weitere Beschwerde in derselben Sache ein.

(2)

Mit Schreiben vom 13. März 2006, 26. Juni 2006 und 11. Juli 2007 hat die Kommission die belgischen Behörden aufgefordert, Informationen über diese Maßnahmen zu übermitteln. Diesen Aufforderungen kamen die belgischen Behörden mit Schreiben vom 11. Mai 2006, 20. Oktober 2006 und 27. November 2007 nach.

(3)

Nach Prüfung der von den belgischen Behörden übermittelten Informationen und Unterlagen setzte die Kommission die belgischen Behörden am 3. Juli 2008 von ihrem Beschluss in Kenntnis, das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV und Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 einzuleiten.

(4)

Mit Schreiben vom 16. Juli 2008 haben die belgischen Behörden der Kommission bestimmte Unterlagen übermittelt, die die von der Stadt Ostende in Betracht gezogene Privatisierung der Fischauktion Ostende betreffen.

(5)

Mit Schreiben vom 25. Juli 2008 beantragten die belgischen Behörden eine Fristverlängerung bis zum 8. September 2008 für die Abgabe ihrer Stellungnahme. Die Fristverlängerung wurde am 4. August 2008 gewährt.

(6)

Mit Schreiben vom 8. September 2008 übermittelten die belgischen Behörden ihre Stellungnahme zu dem Beschluss, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten.

(7)

Die Entscheidung der Kommission über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Union  (5) veröffentlicht. Die Kommission hat die Beteiligten aufgefordert, etwaige Stellungnahmen innerhalb eines Monats nach der Veröffentlichung zu übermitteln.

(8)

Am 9. Oktober 2008 traf die Kommission mit den belgischen Behörden zusammen. Bei diesem Treffen unterrichteten die belgischen Behörden die Kommission darüber, wie sie die Privatisierung der Fischauktion zu organisieren beabsichtigten.

(9)

Bei der Kommission gingen Stellungnahmen folgender Beteiligter ein: European Association of Fishing Ports and Auctions (EAFPA), Nationaal Overleg Visafslagen (NOVA), Flanders Ship Repair, Zeebrugse Vis Promotie vzw (ZVP), Grimsby Fish Market, Zeebrugse Visveiling (ZV), European Fish Centre (EFC) und Schiffbau- und -reparaturunternehmen Gardec.

(10)

Mit Schreiben vom 4. November 2008 leitete die Kommission die Stellungnahmen an Belgien weiter und gab Belgien Gelegenheit, darauf zu antworten. Belgien übermittelte keine Bemerkungen zu den Stellungnahmen der Beteiligten.

(11)

Am 8. September 2009 übermittelte die Kommission mit dem Schreiben mit Aktenzeichen K(2009) 6907 eine Anordnung zur Auskunftserteilung gemäß Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999, in der sie die vollständige Beantwortung der in ihren Schreiben von 13. März 2006, 26. Juni 2006 und 11. Juli 2007 sowie in dem Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens gestellten Fragen forderte.

(12)

Mit Schreiben vom 7. Oktober 2009 beantragten die belgischen Behörden für die Übermittlung der Angaben eine Fristverlängerung bis zum 9. November 2009. Die Fristverlängerung wurde am 9. Oktober 2009 gewährt. In ihrem Schreiben ersuchten die belgischen Behörden die Kommission außerdem, ihnen die von den beteiligten Dritten abgegebenen Stellungnahmen zu übermitteln. Mit der Gewährung der Fristverlängerung übermittelte die Kommission nochmals die Stellungnahmen der beteiligten Dritten sowie eine Kopie des Schreibens vom 4. November 2008.

(13)

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2009 informierten die belgischen Behörden die Kommission darüber, dass sie das Schreiben der Kommission vom 4. November 2008 nie erhalten hätten. Daher beantragten sie die Einräumung einer erneuten Frist von einem Monat für die Abgabe ihrer Bemerkungen zu den von den Beteiligten abgegebenen Stellungnahmen.

(14)

Mit Schreiben vom 5. November 2009 bewilligte die Kommission den belgischen Behörden eine Fristverlängerung bis zum 27. November 2009, um ihnen Gelegenheit zu geben, auf die Stellungnahmen der Beteiligten zu reagieren.

(15)

Die belgischen Behörden übermittelten ihre Antworten auf die Anordnung zur Auskunftserteilung sowie zusätzliche Angaben über die Privatisierung der Fischauktion.

(16)

Mit Schreiben vom 30. November 2009 übermittelte Belgien seine Bemerkungen zu den Stellungnahmen der Beteiligten.

2.   UMSTRUKTURIERUNG DER FISCHAUKTION OSTENDE IM JAHR 2001

(17)

Die ursprünglich in Staatsbesitz befindliche Fischauktion Ostende war stark zergliedert gewesen und — nach Angaben der belgischen Behörden — über Jahre hinweg schlecht geführt worden. Ihre betriebswirtschaftlichen Ergebnisse waren schlecht. Von 1991 bis 2001 war ihr Anteil an den Fischanlandungen in den belgischen Häfen von rund 37 % auf 20 % zurückgegangen (6). Von 1997 bis 2001 sank der Umsatz von 20 550 000 EUR auf 13 440 000 EUR (7), und die Stadt Ostende (nachstehend „die Stadt“) hatte durch die Auktion über Jahre hinweg (bis einschließlich 2001) Verluste in Höhe von durchschnittlich 1 850 000 EUR jährlich erlitten.

(18)

Im Jahr 2001 musste sich die Stadt entscheiden, die Fischauktion entweder zu schließen oder eine Umstrukturierung vorzunehmen. Am 23. November 2001 beschloss die Stadt, die Fischauktion Ostende in ein selbstständiges kommunales Unternehmen belgischen Rechts mit der Stadt als alleinigem Anteilseigner umzustrukturieren.

(19)

Der Beschluss zur Umstrukturierung der Fischauktion wurde auf der Grundlage eines von HAMA Consult NV erstellten Finanzplans, in dem eine (als positiv bezeichnete) Hypothese zugrunde gelegt wurde, sowie eines ebenfalls von HAMA Consult NV erstellten, zwei Seiten umfassenden Geschäftsplans getroffen. Aus diesen Unterlagen geht hervor, dass die Fischauktion innerhalb von neun Jahren in die Gewinnzone geführt werden könnte, sofern sie in eine eigenständige Rechtsperson mit einem Startkapital von 250 Mio. BEF (rund 6,2 Mio. EUR) umgewandelt würde, die über einen Zeitraum von fünf Jahren vollständig einzuzahlen wären. Dieses eigenständige Unternehmen erhielt den Namen „Autonoom Gemeentebedrijf Vismijn Oostende“ (nachstehend „AGVO“). AGVO übernahm die finanzielle Belastung der Rückzahlung mehrerer Bankkredite der vormaligen Fischauktion Oostende.

2.1.   UNTERNEHMENSSTRUKTUR

2.1.1.   AGVO

(20)

Wie in Erwägungsgrund 18 erwähnt, gründete die Stadt zur Umstrukturierung der Fischauktion am 23. November 2001 (8) das selbstständige kommunale Unternehmen AGVO. Bei einem derartigen selbstständigen kommunalen Unternehmen handelt es sich um eine eigenständige Rechtsperson, die nach Artikel 261 des neuen Gemeindegesetzes gegründet wurde, das der Organisation von kommunalen Einrichtungen und Dienstleistungen außerhalb der allgemeinen kommunalen Dienste dient, wobei der Schwerpunkt auf Einrichtungen oder Dienstleistungen kommerzieller oder industrieller Art liegt, die nach industriellen und kommerziellen Grundsätzen geführt werden.

(21)

Die Stadt als die Kommune, die das Unternehmen gegründet hat, muss gemäß dem Gesetz die Anteilsmehrheit halten und in den Geschäftsführungsorganen über die Stimmenmehrheit verfügen. Die Stadt hält in der Tat 100 % der Anteile an AGVO; entsprechend der Satzung von AGVO werden alle Mitglieder des Verwaltungsrates von der Stadt ernannt. Die Mehrzahl der Mitglieder des Verwaltungsrates muss dem Stadtrat angehören.

(22)

AGVO hat derzeit zwei hundertprozentige Tochtergesellschaften, nämlich NV Exploitatie Vismijn Oostende (nachstehend „EVO“) und NV Pakhuizen (nachstehend „PAKHUIZEN“).

2.1.2.   EVO

(23)

Die am 8. August 2002 gegründete EVO ist für die Fischversteigerung und alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten zuständig. EVO wurde mit einem Anfangskapital von 371 840 EUR ausgestattet. Die Eigentumsrechte an EVO wurden in 15 000 gleiche Anteile ohne Nennwert aufgeteilt, von denen sich 14 999 Anteile im Besitz von AGVO und 1 Anteil im Besitz von Herrn Miroir, Mitglied des Stadtrates, befanden.

(24)

EVO wird von einem Verwaltungsrat geleitet, dessen Mitglieder von den Anteilseignern für eine Amtszeit von sechs Jahren benannt werden; eine Verlängerung des Mandats ist möglich. Hinsichtlich der Verteilung der Anteile wird EVO vollständig von AGVO beherrscht.

2.1.3.   PAKHUIZEN

(25)

PAKHUIZEN wurde 1988 von Schiffseignern für die Verwaltung von beweglichen Sachen und Immobilien gegründet. 2005 wurde PAKHUIZEN durch den Erwerb sämtlicher Anteile zum Preis von 350 000 EUR von AGVO übernommen.

(26)

PAKHUIZEN wird von einem Verwaltungsrat geleitet, dessen Mitglieder von den Anteilseignern für eine Amtszeit von sechs Jahren benannt werden; eine Verlängerung des Mandats ist möglich. Seit 2005 wird PAKHUIZEN vollständig von AGVO beherrscht.

2.2.   AUFGABEN

2.2.1.   AGVO

(27)

Satzungsgemäß ist AGVO mit Aufgaben betraut, die von den belgischen Behörden als Aufgaben von allgemeinem Interesse und als kommerzielle Aufgaben bezeichnet werden. Die „Aufgaben von allgemeinem Interesse“ werden von AGVO selbst wahrgenommen; die „kommerziellen Aufgaben“ werden von den hundertprozentigen Tochtergesellschaften EVO und, seit 2005, PAKHUIZEN wahrgenommen

(28)

Hinsichtlich der „Aufgaben von allgemeinem Interesse“ haben die belgischen Behörden angegeben, dass AGVO mit folgenden Aufgaben betraut wurde: Betrieb des Fischereihafens Ostende (dies beinhaltet den Betrieb und die Instandhaltung der öffentlichen und privaten Bereiche auf dem Gelände des Fischereihafens), Inspektion des für den Verzehr bestimmten angelandeten Fischs, Festsetzung der Abgaben auf Auktionspreise und Überprüfung der Anwendung der Mehrwertsteuer auf den angelandeten Fang, Betrieb der Schleuse zwischen dem Kanal und dem (nicht ausschließlich von Fischereifahrzeugen genutzten) Fischereihafenbecken, PR-Funktionen im Namen der lokalen Behörden sowie Renovierung und Bereitstellung von Gebäuden für öffentliche und halböffentliche Einrichtungen wie die Region Flandern, die Provinz Westflandern usw.

2.2.2.   EVO

(29)

EVO betreibt die Fischauktion Ostende. Die Tätigkeiten in diesem Zusammenhang betreffen hauptsächlich die Organisation und Durchführung der Fischversteigerung, die Vermietung von Lagerräumen und andere Nebentätigkeiten. Im Rahmen des Betriebs der Fischversteigerung erhebt EVO eine Auktionsgebühr von 6 % auf den Preis. Die Käufer entrichten bei der Auktion zwischen 1 % und 3 % Käuferprovision und tragen die Miete für die Fischkisten. Die Höhe dieser Miete ist nicht bekannt.

(30)

Außerdem gewährt EVO Schiffseignern aus ihrem Kundenkreis Darlehen. In neuerer Zeit wurde ein Teil der Darlehen zum EURIBOR-Kurs (Euro Interbank Offered Rate) + 2 % gewährt. Allerdings gelten diese Konditionen offenbar nicht für alle Darlehen. Im Gegenzug für die Gewährung des Darlehens verpflichten sich die Schiffseigner dazu, ihren Fang in Ostende versteigern zu lassen.

(31)

Darüber hinaus stellt EVO den Schiffseignern bestimmte Einrichtungen zur Verfügung, etwa indem sie die Kosten für den Kühltransport ganz oder teilweise übernimmt.

2.2.3.   PAKHUIZEN

(32)

Die Tätigkeiten von PAKHUIZEN betreffen hauptsächlich die Umwidmung, die Restaurierung, die Renovierung, den (Um-)Bau sowie den Abriss, die Bewirtschaftung, die Verwaltung und die Vermietung von Immobilien.

2.3.   IN REDE STEHENDE BEIHILFEMASSNAHMEN

2.3.1.   ANFANGSKAPITAL UND KAPITALAUFSTOCKUNGEN

(33)

Bei ihrer Gründung, am 23. November 2001, wurde AGVO von der Stadt mit einem Startkapital von 250 Mio. BEF (6 179 338,12 EUR) ausgestattet, zahlbar über fünf Jahre in gleichen Jahrestranchen. Seit 2002 wurden sechs Tranchen des Anfangskapitals gezahlt, die sich auf einen Gesamtbetrag von 3 596 665,62 EUR belaufen: 619 734 EUR am 28. Juni 2002, 570 155 EUR am 26. Juni 2003, 570 155 EUR am 25. Juni 2004 und 570 155 EUR am 26. Juni 2005. In seiner Stellungnahme zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens hat Belgien angegeben, dass 2006 und 2007 zwei weitere Tranchen in Höhe von 619 734 EUR gezahlt worden seien. Soweit der Kommission bekannt ist, wurde der verbleibende Teil des Anfangskapitals in Höhe von 2 582 672,50 EUR von AGVO noch nicht angefordert.

(34)

Die belgischen Behörden haben mitgeteilt, dass das Startkapital von AGVO zum Teil für „öffentliche Belange“ sowie für die Rückzahlung laufender Bankkredite an Kapital und Zinsen verwendet worden sei. Ein Teil sei auch für den Kauf von Anteilen an PAKHUIZEN verwendet worden. Ein weiterer Teil schließlich sei für die Einzahlung des Anfangskapitals von EVO und für die Gewährung von Darlehen an EVO aufgewendet worden, die später (am 31. Dezember 2004, 31. Dezember 2005 und 21. Dezember 2007) mittels Schuldenerlass in Kapital umgewandelt wurden.

(35)

Bei der Gründung am 8. August 2002 wurde EVO mit einem Anfangskapital von 371 840,29 EUR ausgestattet. Anschließend hat AGVO durch Schuldenerlass das Kapital von EVO aufgestockt. Am 31. Dezember 2004 wurde das Kapital um 1 387 044 EUR aufgestockt, am 31. Dezember 2005 um 710 000,75 EUR und am 21. Dezember 2007 um 1 500 114,96 EUR. Insgesamt hat AGVO EVO Kapital in Höhe von 3 969 000 EUR zur Verfügung gestellt.

(36)

Die belgischen Behörden hatten der Kommission zwar mitgeteilt, dass das Anfangskapital von EVO aufgestockt worden war und sich zum 31. Dezember 2006 auf 2 468 885 EUR belief, sie unterrichteten die Kommission jedoch nicht, in welcher speziellen Form diese Kapitalaufstockungen vorgenommen worden waren. Die Kommission wurde durch die Stellungnahmen von Beteiligten auf die Kapitalaufstockung vom 21. Dezember 2007 sowie auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass die Kapitalaufstockungen in Form von Schuldenerlassen erfolgt waren. Auf diesen Teil der Stellungnahmen der Beteiligten ging Belgien nicht ein.

2.3.2.   KREDITGARANTIEN

(37)

Neben der Bereitstellung des Anfangskapitals unterstützte die Stadt sowohl AGVO als auch EVO durch die Gewährung kostenloser Garantien für Kredite von Privatbanken.

(38)

Im Fall von AGVO betraf dies Garantien für drei Kredite, die am 26. März (609 379,40 EUR) und am 23. April 2004 (2 117 500 EUR) sowie am 22. April 2005 (550 000 EUR) gewährt wurden und deren Gesamtbetrag sich auf 132 199 987 BEF (3 276 879 EUR) belief.

(39)

Im Fall von EVO betraf dies Garantien für Kredite, die am 28. Juni und am 27. September 2002 gewährt wurden. Allerdings wurden — wie aus den von den belgischen Behörden übermittelten Angaben hervorging — die Kredite letztlich nicht in Anspruch genommen. Am 23. April 2004 und am 22. April 2005 gewährte die Stadt EVO wiederum kostenlose Garantien für Kredite. Die Kredite in Höhe von insgesamt 145 505 820 BEF (3 606 995 EUR) wurden in Anspruch genommen. Weiter haben die belgischen Behörden ohne Nennung eines Datums angegeben, dass die Stadt außerdem die Garantie für einen weiteren Kredit über 78 000 EUR übernommen habe. Da diese Angabe in der Stellungnahme der belgischen Behörden vom 4. September 2008 enthalten war und die vorhergehende Stellungnahme vom 23. November 2007 datierte, geht die Kommission davon aus, dass diese weitere Garantie in den genannten Zeitraum fiel.

(40)

Auch AGVO hat EVO kostenlose Garantien für zwei Kredite über einen Gesamtbetrag von 600 000 EUR gewährt. Über den Zeitpunkt, zu dem der Beschluss zur Gewährung der kostenlosen Garantien getroffen wurde, liegen keine Angaben vor. Da jedoch EVO am 22. August 2002 gegründet wurde und das von den belgischen Behörden vorgelegte Dokument, in dem die beiden Kredite erwähnt werden, den Sachstand zum 3. August 2006 darstellte, geht die Kommission davon aus, dass die Garantien in diesem Zeitraum gewährt wurden.

2.3.3.   GELÄNDE UND GEBÄUDE

(41)

Gemäß Artikel 30 ihrer Satzung vom 23. November 2001 wird AGVO das alleinige Recht zur kostenlosen Nutzung von Gelände und Gebäuden des Fischereihafens Ostende gewährt (9).

(42)

Aus Artikel 30 der Satzung geht auch hervor, dass die Stadt AGVO zu einem späteren Zeitpunkt das Eigentumsrecht (oder andere Rechte) an dem Gelände und den Gebäuden übertragen kann.

(43)

Dies erfolgte am 26. März 2004: Die Stadt beteiligte sich an AGVO, indem sie AGVO die Eigentumsrechte an verschiedenen Gebäuden mit einer Gesamtfläche von 57 500 m2 im Fischereihafen Ostende übertrug. Diese Einlage erfolgte zu dem in den Gemeindebüchern erfassten Inventarwert von 14 891 524 EUR. Die Übertragung bezog sich dabei lediglich auf die Gebäude (Fischauktionshalle, Büro- und Lagergebäude), jedoch nicht auf das Grundstück, auf dem die Gebäude stehen. Das Grundstück selbst wird von der Stadt auf der Grundlage einer unbefristeten Überlassung der Region Flandern als dem Grundeigentümer genutzt. AGVO behielt gemäß Artikel 30 ihrer Satzung weiterhin das alleinige Recht zur Nutzung des Geländes.

(44)

Die Immobilienübertragung vom 26. März 2004 beinhaltete 14 754 m2 Gebäudeflächen, über die ein langfristiger Mietvertrag zwischen der Stadt und PAKHUIZEN besteht, der 1989 mit der Stadt über einen Zeitraum von 45 Jahren geschlossen worden war. Entsprechend diesem Mietvertrag zahlt PAKHUIZEN für die Nutzung der Gebäude eine symbolische Abgabe von 1 000 BEF (25 EUR) pro Jahr. Im Gegenzug hat sich PAKHUIZEN vertraglich verpflichtet, auf eigene Kosten und ohne Anspruch auf Entschädigung die in dem langfristigen Mietvertrag aufgeführten Lagergebäude so zu renovieren, dass sie künftigen Vorschriften entsprechen. Andererseits erhält die Stadt nach einer Mietdauer von 27 Jahren (also 2016) einen jährlichen Anteil von 50 % des jährlichen Netto-Unternehmensgewinns von PAKHUIZEN. Die belgischen Behörden haben angegeben, dass PAKHUIZEN ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sei und dass die aufgeführten Lagergebäude — zumindest bis 2005 — nicht wie vertraglich festgelegt renoviert wurden. Allerdings teilten die belgischen Behörden mit, dass nach dem Erwerb der Anteile an PAKHUIZEN durch AGVO in den Jahren 2005 und 2006 für Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten 257 872 EUR bzw. 68 816 EUR ausgegeben wurden. Der genaue Betrag, der für die im Jahr 2007 ausgeführten Arbeiten ausgegeben wurde, ist nicht bekannt.

(45)

Ab dem 26. März 2004, dem Zeitpunkt, zu dem die Stadt ihre Eigentumsrechte an den Gebäuden an AGVO übertrug, trat AGVO in dem langfristigen Mietvertrag mit PAKHUIZEN als Vertragspartner an die Stelle der Stadt. Damit hat AGVO Anspruch auf die Einnahme der 25 EUR pro Jahr sowie nach einer Mietdauer von 27 Jahren auf 50 % des jährlichen Netto-Unternehmensgewinns von PAKHUIZEN.

(46)

Die AGVO somit zur Verfügung stehenden 57 500 m2 Fläche werden nach Angaben Belgiens wie folgt genutzt:

13 600 m2 werden vom Tochterunternehmen EVO als Fischauktionsgebäude, Arbeitsfläche/Hallen und Verwaltungsgebäude genutzt

14 754 m2 sind an PAKHUIZEN vermietet, davon werden 955 m2 für Hafentätigkeiten genutzt

2 700 m2 Lagergebäude sind an öffentliche und halböffentliche Einrichtungen vermietet

8 156 m2 werden als öffentliche Straßen genutzt

2 488 m2 werden als kostenlose öffentliche Parkplätze genutzt

2 400 m2 werden als Container-Park für Fischereitätigkeiten genutzt

13 402 m2 sind Hafenanlagen

(47)

EVO zahlt für die Nutzung der Gebäude keine Miete. Nach Angaben Belgiens trägt EVO stattdessen die gesamten Kosten für Instandhaltung und Renovierung. PAKHUIZEN bezahlt weiterhin 25 EUR pro Jahr.

(48)

Die belgischen Behörden haben mitgeteilt, dass EVO und PAKHUIZEN zwischen dem 31. Dezember 2002 und dem 31. Dezember 2007182 377,31 EUR bzw. 381 835,16 EUR für Renovierungs- und Infrastrukturmaßnahmen sowie 193 255,70 EUR bzw. 133 895,35 EUR für Instandhaltungsarbeiten aufgewandt haben.

2.4.   GESCHÄFTSSTRATEGIE

(49)

In den Jahren nach der Umstrukturierung verzeichneten sowohl AGVO als auch EVO trotz eines leichten Gewinns von AGVO im Geschäftsjahr 2003/2004 weiter steigende Verluste. Ende 2006 beliefen sich die Verluste von AGVO auf fast 3 Mio. EUR, hinzu kamen kurz- und langfristige Schulden von über 4 Mio. EUR, während EVO Ende 2006 Verluste von über 3 400 000 EUR, kurz- und langfristige Schulden von über 5 800 000 EUR und ein negatives Eigenkapital von fast 1 Mio. EUR vortragen musste.

(50)

Ungeachtet dieser kumulierten Verluste beteiligten sich AGVO und EVO an Spekulationstätigkeiten und strebten eine Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit an. So übernahm beispielsweise AGVO im Jahr 2006 51 % der Anteile an einem Unternehmen namens HAF Holding BO mit Sitz in Island, während sich EVO 2006 an einem Projekt mit Königskrabben (10) beteiligte (Unternehmen Polardrift mit Sitz in Norwegen). EVO hielt auch eine Beteiligung an der isländischen HAF Holding. Außerdem schloss EVO 2005 einen Vertrag mit einem Handelsvertreter, mit welchem dem Handelsvertreter der Auftrag erteilt wurde, auf Fischauktionen in Island hochwertigen Fisch zu kaufen, der dann auf der Fischauktion Ostende wieder verkauft werden sollte.

(51)

Die Geschäftsstrategie von EVO wurde von verschiedenen Beteiligten als unlauterer Wettbewerb geschildert, der unter anderem darin bestand, dass angeboten wurde, die Transportkosten für Fisch, der von ausländischen Häfen nach Ostende verschifft wurde, ganz oder teilweise zu übernehmen oder Schiffseignern Darlehen zu günstigen Bedingungen unter der Voraussetzung anzubieten, dass sie ihren Fang in Ostende versteigern ließen.

(52)

Diese Projekte sowie die von Dritten geschilderte Geschäftsstrategie legen den Schluss nahe, dass EVO versuchte, Marktanteil und Umsatz des Unternehmens um jeden Preis zu erhöhen. Jedenfalls geht aus den Jahresabschlüssen von AGVO und EVO hervor, dass EVO sich nur dank der finanziellen Unterstützung der Stadt trotz ihrer schwierigen Finanzlage auf dem Markt halten konnte (11).

3.   GRÜNDE FÜR DIE EINLEITUNG DES FÖRMLICHEN PRÜFVERFAHRENS

3.1.   AGVO GEWÄHRTE VORTEILE

(53)

AGVO erhielt ein Anfangskapital in Höhe von 250 Mio. BEF (6 179 338 EUR). Angesichts der in der Vergangenheit erlittenen hohen Verluste und des sehr kurzen und unvollständigen Geschäftsplans gelangte die Kommission in dem Beschluss, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, zu dem Schluss, dass ein privater Kapitalgeber keinen derartigen Betrag in die Fischauktion investiert hätte und dass dieses Startkapital daher als staatliche Beihilfe zu qualifizieren sei. Die Kommission äußerte Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt, da offenbar die Voraussetzungen in den zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe geltenden Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (nachstehend „Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999“) (12) nicht erfüllt waren.

(54)

Außerdem brachte die Stadt ihre Gebäude in AGVO ein, ohne dass hierfür eine Vergütung verlangt wurde oder AGVO Verpflichtungen in vergleichbarem Wert einging. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass ein privater Kapitalgeber für einen derartigen Beitrag einen angemessenen Preis verlangt hätte und dass die Einbringung der Gebäude als staatliche Beihilfe anzusehen war. Durch diese Beihilfe wurden offenbar die Produktionskosten von AGVO verringert, so dass sie eine Betriebsbeihilfe darstellte. Die Kommission konnte in Artikel 107 AEUV und in den Leitlinien für die Prüfung staatlicher Beihilfen im Fischerei- und Aquakultursektor (nachstehend „Fischereileitlinien“) (13) keine Bestimmungen feststellen, die es der Kommission erlauben würden, diese Beihilfe zu gestatten.

(55)

Ferner leistete die Stadt für AGVO Kreditgarantien. Während ein privater Garantiegeber für die Garantie eine Prämie verlangt hätte, gewährte die Stadt ihre Garantie kostenlos. Die Kommission kam daher zu dem Schluss, dass die Garantien als staatliche Beihilfe anzusehen waren. Auch hier wieder wurden durch die Beihilfe offenbar die Produktionskosten von AGVO verringert, so dass sie eine Betriebsbeihilfe darstellte. Die Kommission konnte in Artikel 107 AEUV und in den Fischereileitlinien keine Bestimmungen feststellen, die es der Kommission erlauben würden, die Beihilfe als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen.

(56)

Schließlich erteilte die Stadt AGVO die Vollmacht, Kommunalabgaben festzustellen und zu erheben und die Einnahmen daraus zu verwenden — ein Vorteil, in dessen Genuss private Unternehmen normalerweise nicht kommen. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass die Voraussetzungen gemäß der Rechtsprechung in der Rechtssache Altmark (14) nicht gegeben waren und dass die Vorteile, die sich aus dem Recht ergeben, die Kommunalabgaben festzustellen und zu erheben, als staatliche Beihilfe anzusehen waren. Da über diese Abgabenerhebung keinerlei Informationen vorlagen, zog die Kommission den Schluss, dass diese zunächst als Betriebsbeihilfe zu untersuchen sei und dass die Beihilfe durch keine der Bestimmungen von Artikel 107 AEUV oder der Fischereileitlinien mit dem Binnenmarkt vereinbar würde.

3.2.   EVO GEWÄHRTE VORTEILE

(57)

Die Stadt und AGVO gewährten für EVO Kreditgarantien. Während ein privater Garantiegeber für die Garantien eine Prämie verlangt hätte, gewährten die Stadt und AGVO ihre Garantien kostenlos. Die Kommission kam daher zu dem Schluss, dass die Garantien als staatliche Beihilfe anzusehen waren. Durch diese Beihilfe wurden offenbar die Produktionskosten von EVO verringert, so dass sie eine Betriebsbeihilfe darstellte. Die Kommission konnte in Artikel 107 AEUV und in den Fischereileitlinien keine Bestimmungen feststellen, die es der Kommission erlauben würden, die Beihilfe als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen. Sie äußerte daher Zweifel, dass die Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.

(58)

AGVO gestattete EVO die ständige kostenlose Nutzung der im Besitz von AGVO befindlichen Gebäude mit einer Gesamtfläche von 13 600 m2. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass ein privater Kapitalgeber hierfür einen angemessenen Preis verlangt hätte und dass die Möglichkeit, die Gebäude kostenlos zu nutzen, als staatliche Beihilfe anzusehen war. Durch diese Beihilfe wurden offenbar die Produktionskosten von EVO verringert, so dass sie eine Betriebsbeihilfe darstellte. Die Kommission konnte in Artikel 107 AEUV und in den Fischereileitlinien keine Bestimmungen feststellen, die es der Kommission erlauben würden, die Beihilfe als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen. Sie äußerte daher Zweifel, dass die Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.

3.3.   PAKHUIZEN GEWÄHRTE VORTEILE

(59)

Der langfristige Mietvertrag zwischen der Stadt und PAKHUIZEN hatte zur Folge, dass PAKHUIZEN von einer jährlichen Verringerung ihrer Betriebskosten profitierte. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass dieser Vorteil als staatliche Beihilfe anzusehen war und nicht in den Bereich der in den Fischereileitlinien genannten Maßnahmen oder unter die Ziele anderer horizontaler oder spezifischer Leitlinien fiel, die auf derartige Unternehmen anwendbar sein könnten. Sowohl nach den maßgeblichen Fischereileitlinien als auch nach den horizontalen Vorschriften für staatliche Beihilfen wäre eine derartige Beihilfe als Betriebsbeihilfe anzusehen, die mit dem Binnenmarkt nicht vereinbar ist. Die Kommission äußerte daher Zweifel, dass die Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.

3.4.   FISCHEREIUNTERNEHMEN GEWÄHRTE VORTEILE

(60)

Die Kommission stellte weiter fest, dass Fischereiunternehmen, die die Fischauktion Ostende nutzten, von EVO durch die Erbringung von Dienstleistungen zu Preisen, die unter denen lagen, die ein gewöhnlicher Wirtschaftsteilnehmer verlangt hätte, und von PAKHUIZEN durch die Vermietung von Gebäuden zu Preisen, die unter denen lagen, die ein gewöhnlicher Wirtschaftsteilnehmer verlangt hätte, Vorteile gewährt wurden.

(61)

Die Kommission betrachtete diese Vorteile als staatliche Beihilfe. In Artikel 107 AEUV und in den Fischereileitlinien konnte sie keine Bestimmungen feststellen, aufgrund deren die Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar wäre; daher äußerte die Kommission Zweifel, dass die Maßnahmen mit dem Binnenmarkt vereinbar seien.

3.5.   SCHLUSSFOLGERUNG

(62)

Angesichts dieser Sachverhalte und der ihr vorliegenden Informationen gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass alle in Abschnitt 3 genannten Maßnahmen als staatliche Beihilfe anzusehen waren, und sie äußerte Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Beihilfen mit dem Binnenmarkt.

4.   STELLUNGNAHMEN BETEILIGTER

(63)

Alle Beteiligten, die zu dem Beschluss, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, Stellung nahmen, schlossen sich den von der Kommission in dem Beschluss zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens angeführten Argumenten an. Außerdem gaben sie an, dass sie aufgrund der AGVO, EVO und PAKHUIZEN rechtswidrig gewährten Beihilfe geschädigt worden seien (Verlust von Kunden und entgangene Einnahmen), und drängten die Kommission, die notwendigen Schritte einzuleiten, um die Beihilfe zu verbieten und ihre Rückforderung zu verlangen.

4.1.   EAFPA

(64)

EAFPA hebt hervor, dass die in Rede stehenden Beihilfemaßnahmen den Markt verfälsche und fordert die Kommission auf, die Beihilfe zu verbieten und ihre Rückforderung zu verlangen.

4.2.   NOVA

(65)

Als Beschwerdeführer befürwortet NOVA den Beschluss der Kommission, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten. NOVA hält es für wichtig, für Transparenz auf dem Auktionsmarkt zu sorgen und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Außerdem fordert NOVA die Kommission auf, geeignete Schritte einzuleiten, um die Rückforderung der möglicherweise nicht mit dem Binnenmarkt vereinbaren Beihilfe sicherzustellen.

4.3.   FLANDERS SHIP REPAIR

(66)

Flanders Ship Repair erklärt, dass aufgrund der staatlichen Beihilfe Frachtunternehmen nach Ostende gewechselt hätten. Dies habe nach Angaben von Flanders Ship Repair zum Verlust von Einnahmen geführt, da die Schiffseigner, die nach Ostende gegangen seien, ihre Schiffe nicht mehr in Zeebrugge reparieren ließen. Flanders Ship Repair fordert ein Verbot mit obligatorischer Rückforderung sowie einstweilige Maßnahmen.

4.4.   ZVP

(67)

ZVP, eine Vereinigung von Fischaufkäufern und -verarbeitern an der belgischen Ostküste, stellt fest, dass durch die rechtswidrig gewährte staatliche Beihilfe im Zusammenwirken mit weiteren Vorteilen die Fischauktion Ostende künstlich für ausländische Schiffe und Schiffe aus Zeebrugge attraktiv gemacht worden sei. Außerdem seien durch zahlreiche Interviews und Pressemitteilungen lokaler Politiker und von Mitgliedern des Verwaltungsrates von EVO (in denen insbesondere darauf hingewiesen wurde, dass in Belgien eigentlich nur Platz für eine Fischauktion, nämlich die in Ostende, sei) Zweifel an der Zukunft der Fischauktion Zeebrugge und damit auch an dem mit dieser verbundenen Gewerbepark lanciert worden. Dies habe zu Einnahmeverlusten sowie zum Rückgang, der Aussetzung oder der Zurücknahme von Investitionen und Marketingaktivitäten geführt.

(68)

ZVP erwähnt auch, dass die Vereinigung versucht habe, die lokalen Behörden auf das Problem aufmerksam zu machen, damit jedoch keinen Erfolg gehabt habe.

(69)

Abschließend weist ZVP darauf hin, dass EVO durch einen Strohmann und dank öffentlicher Mittel unter dem Namen Ostend Filleting Factory ein Fischzerlegungsunternehmen gegründet habe, das ebenfalls unlauteren Wettbewerb betreibe.

4.5.   GRIMSBY FISH MARKET

(70)

Grimsby Fish Market, eine Fischauktion im Vereinigten Königreich, teilt mit, dass EVO etwa 2005/2006 damit begann, Fisch zu (hohen) Festpreisen direkt bei isländischen Fischern aufzukaufen und diesen Fisch per Online-Auktion in Ostende zu versteigern — nicht selten zu niedrigeren Preisen. Grimsby Fish Market folgert, dass diese Verluste aus öffentlichen Mitteln gezahlt wurden. Grimsby Fish Market fordert eine Prüfung der Finanzbuchhaltung von EVO, um die Methoden zur Finanzierung der isländischen Fischlieferungen und die Verluste zu untersuchen, die EVO aufgrund der Verkaufsmethoden entstanden.

4.6.   ZV UND EFC

(71)

ZV und EFC machen die Kommission auf mögliche unlautere Praktiken und staatliche Beihilfemaßnahmen aufmerksam, nämlich den kostenlosen Rückgriff auf Kommunalbedienstete durch AGVO/EVO sowie die von EVO gewährten und auf die Auktionspreise bei Zeebrugse Visveiling abgestimmten Preisgarantien.

(72)

Außerdem erläutern ZV und EFC, weshalb ihrer Meinung nach eine Wettbewerbsverfälschung besteht und der Handel unter den Mitgliedstaaten beeinträchtigt ist.

(73)

Sie machen die Kommission auch auf eine zusätzliche Kapitalzuführung bei AGVO und EVO (durch Schuldenerlass) aufmerksam.

(74)

Abschließend weisen ZV und EFC darauf hin, dass die belgischen Behörden die Beihilfe nicht ausgesetzt haben.

4.7.   GARDEC

(75)

Gardec, ein Schiffbau- und -reparaturunternehmen mit Sitz in Zeebrugge, befürwortet den Beschluss der Kommission. Nach Angaben von Gardec leidet das Unternehmen unter den unlauteren Geschäftspraktiken in Ostende (Umsatzrückgang); seiner Auffassung nach haben die Kredite für Unternehmen in Schwierigkeiten dazu geführt, dass die Unternehmen in Ostende überleben konnten, während ihre Schulden in Zeebrugge nicht beglichen wurden.

5.   STELLUNGNAHME BELGIENS ZU DEN IN DEM BESCHLUSS ÜBER DIE EINLEITUNG DES FÖRMLICHEN PRÜFVERFAHRENS GEÄUSSERTEN ZWEIFELN

(76)

In ihrer Stellungnahme vom 8. September 2008 nach der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens vertreten die belgischen Behörden den Standpunkt, dass die Kommission ihre Untersuchung auf den Fischauktionsmarkt beschränken sollte. Da weder AGVO noch PAKHUIZEN auf diesem Markt tätig seien, seien die Maßnahmen zu ihren Gunsten für das laufende Verfahren nicht von Belang. Allgemein sind die belgischen Behörden der Ansicht, dass die Kommission den Umfang der Untersuchung nicht richtig festgelegt hat und dass die Gefahr besteht, dass die Beihilfe doppelt gezählt wird.

5.1.   HINSICHTLICH DER BEIHILFE ZUGUNSTEN VON AGVO

(77)

Die belgischen Behörden beharren darauf, dass AGVO keine kommerzielle Tätigkeit ausübe und dass daher von Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht die Rede sein könne. Die Beihilfe zugunsten von AGVO sei daher nicht als staatliche Beihilfe zu qualifizieren. Ihrer Auffassung nach können bei der Untersuchung höchstens die für EVO eingesetzten Mittel berücksichtigt werden (beispielsweise der Teil des Anfangskapitals, der über AGVO an EVO weitergegeben wurde). Sie machen geltend, dass die restlichen Mittel für Aufgaben von allgemeinem Interesse eingesetzt wurden und auf den Wettbewerb auf dem Fischauktionsmarkt keinerlei Auswirkungen haben könnten.

(78)

Die belgischen Behörden stellen fest, dass AGVO zwar ein Startkapital in Höhe von 6 197 338,12 zugesagt worden sei, AGVO jedoch bislang erst 3 569 667 EUR erhalten habe.

(79)

Hinsichtlich des Rechts zur Erhebung von Abgaben oder Gebühren sind die belgischen Behörden der Auffassung, dass das Recht zur Abgabenerhebung mit den Aufgaben von allgemeinem Interesse von AGVO verknüpft seien und nicht als staatliche Beihilfe angesehen werden könnten; zudem sei AGVO nicht bevollmächtigt, Abgaben für die Benutzung von Schleusen und Slipanlage zu erheben.

(80)

Hinsichtlich der Gebäude machen die belgischen Behörden geltend, dass es keinen Unterschied mache, ob die Gebäude Eigentum der Stadt oder einer anderen öffentlichen Körperschaft seien. Sie betrachten die Einbringung der Gebäude in AGVO als rein interne Vermögenszuweisung. Die belgischen Behörden erinnern daran, dass AGVO keine kommerzielle Tätigkeit ausübe und dass die Einbringung der Gebäude daher nicht als staatliche Beihilfe zu qualifizieren sei. Vielmehr sei die Einbringung der Gebäude mit der Verpflichtung verbunden, die Gebäude instand zu setzen und sie in gutem Zustand zu erhalten, daher stelle die Einbringung der Gebäude für AGVO keinen Vorteil dar.

(81)

Weiter vertreten die belgischen Behörden den Standpunkt, dass die kostenlosen Garantien nicht als staatliche Beihilfe zu qualifizieren seien, da sie für Kredite gewährt wurden, die AGVO für Reparaturarbeiten an Gebäuden aufgenommen wurden, die an Behörden vermietet seien. Allerdings räumen die belgischen Behörden ein, dass einer der Kredite, für die eine Garantie gewährt wurde (Kredit über 550 000 EUR), für EVO verwendet wurde.

(82)

Abschließend stellen die belgischen Behörden fest, dass die Rechtsprechung in der Rechtssache Altmark nicht relevant sei, da die von AGVO wahrgenommenen Aufgaben von allgemeinem Interesse nicht wirtschaftlicher Art seien. Sie fügen hinzu, dass die Gefahr einer Quersubventionierung nicht bestehe, da AGVO keine kommerzielle Tätigkeit ausübe.

5.2.   HINSICHTLICH DER BEIHILFE ZUGUNSTEN VON PAKHUIZEN

(83)

Belgien macht geltend, dass Ostende lediglich eingeschränkte Rechte an den Grundstücken übertragen wurden und der Erbbaurechtsvertrag somit von eingeschränktem kommerziellem Wert sei. Zudem sei PAKHUIZEN verpflichtet, die Gebäude instand zu setzen und zu renovieren, was als eine außerordentliche Verpflichtung dargestellt wird, die die symbolische Miete weitgehend ausgleiche.

(84)

Die belgischen Behörden ergänzen, dass PAKHUIZEN nur auf dem Markt der Verwaltung von Gebäuden tätig sei, die im Fischereisektor genutzt werden. Nach Auffassung Belgiens kann dies aufgrund der damit verbundenen Renovierungspflichten und des geringen Wertes der Gebäude kaum als kommerzielle Tätigkeit betrachtet werden. Und weil die von PAKHUIZEN verwalteten Gebäude nur für Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Fischereisektor gemietet werden könnten, stehe PAKHUIZEN nach Auffassung der belgischen Behörden in keinerlei Wettbewerb.

(85)

Weiter stellen die belgischen Behörden fest, dass AGVO die Anteile an PAKHUIZEN zum Marktpreis erworben habe und dass PAKHUIZEN die Gebäude zu Marktpreisen vermiete (unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie sich nicht in einem guten Erhaltungszustand befänden).

5.3.   HINSICHTLICH DER BEIHILFE ZUGUNSTEN VON EVO

(86)

Die belgischen Behörden führen an, dass die Tatsache, dass die Gebäude EVO kostenlos zur Verfügung stünden, durch die Tatsache aufgewogen werde, dass EVO die Renovierungskosten trage, die normalerweise dem Gebäudeeigentümer entstünden.

(87)

Weiter machen sie geltend, dass die kostenlosen Garantien für Kredite, die EVO gewährt wurden, im Rahmen des Plans zur Privatisierung und Umstrukturierung der Fischauktion untersucht werden müssten. Ihrer Auffassung nach habe sich die Stadt im Rahmen der Umstrukturierung der Fischauktion insofern wie ein privater Kapitalgeber verhalten, als die Sanierung der Fischauktion aus wirtschaftlicher Sicht profitabler gewesen sei als ihre Schließung, und die Privatisierung der Stadt die Möglichkeit gebe, ihre Investition durch die Miete wieder hereinzuholen, die sie vom privaten Eigentümer der Auktion verlangen werde. Die belgischen Behörden heben außerdem hervor, dass es bereits 2002 Pläne für die Privatisierung der Fischauktion gegeben habe, eine Privatisierung aber erst nach erfolgter Umstrukturierung möglich sei.

(88)

Konkret zu der kostenlosen Garantie führen die belgischen Behörden aus, dass die Kredite eingesetzt worden seien, um die Finanzierung der Fischauktion zu vervollständigen, die hauptsächlich durch eine Kapitalzuführung der Stadt (an AGVO und über AGVO an EVO) finanziert wurde. Die belgischen Behörden gestehen zu, dass die Stadt durch die Garantie die Kosten der Umstrukturierung deutlich verringert habe. Sie ergänzen, dass EVO ohne die Garantie der Stadt keinen Kredit erhalten hätte und dass es gängige kommerzielle Praxis sei, dass ein Mutterunternehmen eine Garantie für Kredite anbiete, die sein Tochterunternehmen aufnehme.

5.4.   HINSICHTLICH DER BEIHILFE ZUGUNSTEN VON FISCHEREIUNTERNEHMEN/SCHIFFSEIGNERN

(89)

Die belgischen Behörden stellen fest, dass die Kommission dieselbe Beihilfe zweimal gewertet habe und dass es entweder eine Beihilfe zugunsten von EVO oder aber eine zugunsten der Fischer gebe, jedoch nicht beides. Ihrer Meinung stellten in dem Fall, dass die in Rede stehenden Maßnahmen als staatliche Beihilfe zu werten seien, diese eine staatliche Beihilfe zugunsten von EVO und PAKHUIZEN dar, die den Wettbewerb auf dieser Ebene verfälsche, nicht jedoch auf der Ebene der Schiffseigner und Fischereiunternehmen. Sie merken an, dass EVO und PAKHUIZEN ihre Dienstleistungen keineswegs unter den Marktpreisen anbieten. Speziell auf EVO bezogen erläutern sie, dass die von EVO angebotenen Dienstleistungen auch anderweitig angeboten würden. Weiter stellen sie fest, dass EVO keine Lagereinrichtungen anbiete, keinen kostenlosen Strom zur Verfügung stelle und nicht für Hafen und Slipanlage zuständig sei. Sie teilen mit, dass der Wasserpreis in der Auktionsgebühr enthalten sei und dass EVO Schiffseignern keine Darlehen unter Marktpreis anbiete. Abschließend halten die belgischen Behörden fest, dass EVO zu keinem Zeitpunkt Vertragsklauseln durchgesetzt habe, die die Schiffseigner verpflichteten, ihre Fänge bei EVO zu versteigern.

6.   NACH EINLEITUNG DES FÖRMLICHEN PRÜFVERFAHRENS IN DIE WEGE GELEITETE PRIVATISIERUNG

(90)

Die belgischen Behörden haben der Kommission mitgeteilt, dass am 22. Mai 2008 beschlossen wurde, die Fischauktion Ostende zu privatisieren und dass von der Stadt ein öffentliches Auswahlverfahren eingeleitet wurde, um einen Partner für die Bewirtschaftung von EVO zu gewinnen.

(91)

In ihrer Stellungnahme führen die belgischen Behörden aus, dass die Privatisierung durch die Gründung eines neuen Unternehmens erfolgen werde, das die Bewirtschaftung der Fischauktion übernehme. Die Gebäude der Fischauktion fielen an die Stadt zurück, und das neue Unternehmen müsse einen Mietvertrag mit der Stadt abschließen. Das neue Unternehmen sei nicht verpflichtet, die übrigen Aktiva der Fischauktion (Mitarbeiter, Fischkisten, Verträge, Darlehen an Schiffseigner usw.) zu übernehmen.

(92)

Da der Verkauf und der Mietvertrag zu Marktpreisen ausgehandelt würden, gehe keine Beihilfe an das neue Unternehmen über und von ihm könne keine Beihilfe zurückgefordert werden.

(93)

In ihrem Schreiben vom 16. November 2009 hat Belgien die Kommission über den Fortgang der Privatisierung unterrichtet.

(94)

Es teilt mit, dass in einem ersten Schritt die Eigentumsrechte an den Gebäuden, die AGVO gehörten, am 4. September 2009 kostenlos wieder der Stadt übertragen wurden, ebenso alle Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Gebäuden (Vermietungsverträge). Außerdem habe die Stadt mehrere Kredite von AGVO und PAKHUIZEN übernommen. Anschließend seien die Eigentumsrechte an den Gebäuden der Region Flandern übertragen worden, die der Stadt einen Ausgleich in verschiedenen Formen zahlte: Die Region Flandern zahlte 3 500 000 EUR an die Stadt, und die Stadt erhielt das Recht, bis zum 1. Januar bzw. in manchen Fällen bis zum 30. Juni 2010 die Mieten einzuziehen, die von den öffentlichen und halböffentlichen Einrichtungen gezahlt werden, an die die Gebäude vermietet sind. Außerdem übernahm die Region Flandern von der Stadt verschiedene Schulden und/oder Kredite.

(95)

Belgien macht geltend, dass sich mit der Rückübertragung der Eigentumsrechte an den Gebäuden an die Stadt die Frage einer staatlichen Beihilfe erledigt habe.

(96)

Belgien hat weiterhin angegeben, dass PAKHUIZEN sich zur Kündigung des mit der Stadt im Jahr 1989 geschlossenen langfristigen Mietvertrags entschlossen habe. Belgien erwartet, dass PAKHUIZEN demnächst liquidiert wird, womit das förmliche Prüfverfahren angeblich gegenstandslos würde.

(97)

Hinsichtlich EVO hat Belgien erklärt, dass der Bewerber, der die Auswahlkriterien erfüllte, keine für die Stadt zufrieden stellenden Bedingungen bot. EVO werde daher fortbestehen, bis ein geeigneter Bewerber gefunden werde, der die Vermögenswerte von EVO übernehme.

(98)

Die belgischen Behörden teilten abschließend mit, dass AGVO so lange fortbestehen werde, bis alle verbleibenden Schulden/Verbindlichkeiten beglichen seien.

(99)

Belgien ersucht die Kommission, ihren Beschluss so lange aufzuschieben, bis die Privatisierung abgeschlossen ist.

7.   STELLUNGNAHME BELGIENS ZU DEN BEMERKUNGEN DRITTER

(100)

Mit Blick auf den Ankauf von isländischem Fisch teilt Belgien mit, dass EVO zu keinem Zeitpunkt Fisch direkt von isländischen Schiffseignern oder Fischern bezogen habe, sondern diesen ausschließlich über einen Handelvertreter bei Fischversteigerungen gekauft habe.

(101)

Belgien führt weiter aus, dass sich bald gezeigt habe, dass der Weiterverkauf des isländischen Fischs nicht profitabel war. Daher sei nach etwa einem Jahr, am 17. März 2006, beschlossen worden, den Kauf und Weiterverkauf von isländischem Fisch einzustellen. Belgien hat eine Kopie dieses Beschlusses übermittelt.

(102)

Belgien erläutert, dass der Kauf von Fisch zu hohen Preisen auf isländischen Fischversteigerungen und dessen anschließender Weiterverkauf in Ostende zu niedrigeren Preisen nicht aufgrund einer Strategie mit dem Ziel erfolgt sei, die Fischauktion Ostende für isländischen Fisch attraktiv zu machen. Vielmehr sei der höherwertige Fisch, der über den Handelvertreter in Island gekauft wurde und für EVO bestimmt gewesen sei, gar nicht bei EVO angekommen, sondern von Luna Fisch, einem privaten Fischzerlegungsunternehmen, direkt aufgekauft worden. EVO habe hingegen nur weniger hochwertigen Fisch erhalten, der dann aufgrund der geringeren Qualität nicht gewinnbringend verkauft werden konnte. Belgien zieht hieraus den Schluss, dass EVO eher als Opfer dieser Vorgehensweise zu betrachten sei. Der beauftragte Verwalter von AGVO/EVO und der kaufmännische Direktor seien von ihren Ämtern entbunden worden, sobald das Problem erkannt wurde.

(103)

Hinsichtlich der angeblichen kostenlosen Abstellung von Kommunalbediensteten der Stadt für Verwaltungs-, Buchführungs- und Instandhaltungsaufgaben macht Belgien geltend, dass die Angaben von ZV rein spekulativ seien und dass EVO eigene Mitarbeiter habe, die diese Aufgaben ausführten; darüber hinaus übernähmen Mitarbeiter von EVO gelegentlich Aufgaben von allgemeinem Interesse (Instandhaltung der Zufahrtsstraße zur Fischauktion).

(104)

Belgien weist auch darauf hin, dass es für die Behauptung von ZV, dass EVO einen am Auktionspreis der Fischauktion in Zeebrugge orientierten Mindestpreis garantiere, keine Nachweise gebe. Belgien ergänzt, dass dies möglicherweise von Fischereiunternehmen als Teil ihrer Verhandlungsstrategie in ihren Verhandlungen mit ZV behauptet worden sei, um bei ZV bessere Konditionen zu erhalten.

(105)

Hinsichtlich der Ostend Filleting Factory (OFF) betont Belgien, dass aus den von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen lediglich hervorgehe, dass OFF von privaten Unternehmern gegründet wurde, daraus jedoch nicht ersichtlich sei, dass OFF unlauteren Wettbewerb betreibe. Belgien gibt an, dass PAKHUIZEN erst im März 2006 60 % der Anteile von OFF übernommen habe. Das daraufhin von OFF in Ostend Premium Fish bvba umbenannte Unternehmen habe schließlich am 14. Januar 2008 Konkurs angemeldet.

(106)

Zu den Verlusten, die Gardec und Flanders Ship Repair angeblich aufgrund der staatlichen Beihilfe erlitten hätten, führt Belgien aus, dass selbst dann, wenn Schiffseigner durch die staatliche Beihilfe veranlasst worden seien, nach Ostende statt nach Zeebrugge zu gehen, dennoch kein Kausalzusammenhang mit den Verlusten nachgewiesen sei. Belgien macht geltend, dass Schiffseigner Reparaturen an ihren Schiffen nicht immer im Heimathafen durchführen ließen, sondern stattdessen billigere Reparaturdienstleistungen in Osteuropa (Polen) in Anspruch nähmen. Belgien stellt fest, dass sich in Ostende die Zahl der Schiffsreparaturbetriebe eindeutig rückläufig entwickle.

8.   ANORDNUNG ZUR AUSKUNFTSERTEILUNG

(107)

Mit Schreiben vom 13. März und 26. Juni 2006 forderte die Kommission bei den belgischen Behörden Auskunft über die Rechtsstellung der Fischauktion Ostende und die staatliche Beteiligung an der Fischauktion sowie ausführliche Angaben über den Mittelfluss zwischen Staat und Fischauktion an.

(108)

In ihrem Schreiben vom 19. Oktober 2006 hoben die belgischen Behörden die Tatsache hervor, dass AGVO neben ihrer kommerziellen Tätigkeit (Betrieb der Fischauktion) mit Aufgaben von allgemeinem Interesse betraut sei. Die hierzu übermittelten Informationen waren allerdings sehr knapp und enthielten keine Angaben, die es der Kommission ermöglicht hätten zu beurteilen, ob die Vorteile, die AGVO von der Stadt gewährt wurden, als Ausgleich für die Erbringung von Aufgaben von allgemeinem (wirtschaftlichem) Interesse angesehen werden konnten und ob kein überhöhter Ausgleich gewährt wurde und keine Gefahr der Quersubventionierung bestand.

(109)

Die Kommission forderte daher nach Maßgabe von Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 die belgischen Behörden mit Schreiben vom 11. Juli 2007 auf, genaue Auskünfte über die Aufgaben von allgemeinem Interesse zu erteilen, mit denen AGVO betraut wurde. Insbesondere verlangte sie Auskunft darüber, ob und auf welcher Grundlage diese Aufgaben als Aufgaben von allgemeinem Interesse im Sinne der Entscheidung 2005/842/EG der Kommission vom 28. November 2005 über die Anwendung von Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, die bestimmten mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt werden (15), angesehen werden könnten.

(110)

Mit Schreiben vom 27. November 2007 teilten die belgischen Behörden lediglich mit, dass keine der Aufgaben, mit denen AGVO betraut sei, wirtschaftlicher Art sei und dass die Entscheidung 2005/842/EG nicht relevant sei; AGVO erhalte für keine der Aufgaben von allgemeinem Interesse einen Ausgleich.

(111)

In ihrem Beschluss vom 2. Juli 2008 zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens stellte die Kommission fest, dass AGVO, EVO und PAKHUIZEN eine Unternehmensgruppe bildeten, die auf dem Markt der Fischauktionen und Nebenleistungen tätig sei und der von der Stadt Vorteile gewährt würden, die den Wettbewerb auf diesem Markt verfälschten. Zur Frage des Ausgleichs für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse stellte die Kommission fest, dass aus den Akten nicht hervorgehe, dass die vom Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache Altmark dargelegten Voraussetzungen erfüllt seien. Zudem sei die Kommission mangels Informationen hierzu nicht in der Lage festzustellen, ob insbesondere das Recht, Abgaben festzustellen und zu erheben, als Ausgleich angesehen werden könne, der für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gewährt werde, und bezweifle daher die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt. Folglich forderte die Kommission in Erwägungsgrund 121 ihres Beschlusses über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens die belgischen Behörden auf, alle Angaben mitzuteilen, die für die Bewertung der in Rede stehenden Maßnahmen von Nutzen sein könnten.

(112)

In ihrer am 8. September 2008 eingegangenen Stellungnahme und bei einem Folgetreffen am 9. Oktober 2008 machten die belgischen Behörden keine weiteren Angaben, die es der Kommission ermöglicht hätten zu untersuchen, ob die AGVO gewährten Vorteile als Ausgleich für die Wahrnehmung von Aufgaben von allgemeinem (wirtschaftlichem) Interesse angesehen werden könnten. Vielmehr bekräftigten die belgischen Behörden, dass die Altmark-Kriterien nicht relevant seien, da AGVO ausschließlich Aufgaben von allgemeinem Interesse ausübe.

(113)

Diese Auskunft war allerdings nicht zufrieden stellend, da AGVO auch wirtschaftliche Tätigkeiten ausübte.

(114)

Nach Maßgabe von Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 forderte die Kommission daher in einer Anordnung zur Auskunftserteilung vom 8. September 2009 aussagekräftige Angaben hierzu und insbesondere Folgendes an:

eine Aufstellung der verschiedenen Tätigkeiten, mit denen AGVO betraut wurde, untergliedert nach wirtschaftlichen Tätigkeiten, Aufgaben von allgemeinem nicht wirtschaftlichem Interesse und Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse;

die Parameter für die Berechnung, Kontrolle und Überprüfung des Ausgleichs für die Erbringung von Aufgaben von allgemeinem, nicht wirtschaftlichem Interesse einerseits und des Ausgleichs für die Erbringung von Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse andererseits;

die Maßnahmen zur Vermeidung und zur Rückzahlung eines überhöhten Ausgleichs;

die durch die Erfüllung der Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, Dienstleistungen von allgemeinem, nicht wirtschaftlichem Interesse und sonstigen Dienstleistungen entstandenen Ausgaben und der in diesem Zusammenhang angefallenen Einnahmen;

Auszüge aus der internen Rechnungslegung, aus denen die Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sowie die Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit den Dienstleistungen von allgemeinem, nicht wirtschaftlichem Interesse und im Zusammenhang mit sonstigen Dienstleistungen sowie die Parameter für die Zurechnung von Einnahmen und Ausgaben hervorgehen;

falls vorhanden, Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass AGVO das vierte Kriterium des Altmark-Urteils erfüllt, d. h. dass die Höhe des Ausgleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt wurde, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen desselben Sektors bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.

(115)

In ihrem Schreiben vom 16. November 2009 wiederholen die belgischen Behörden, dass AGVO mit den folgenden Aufgaben von allgemeinem Interesse betraut sei: Betrieb des Fischereihafens, Renovierung von Gebäuden und deren Vermietung an öffentliche und halböffentliche Einrichtungen sowie Betrieb und Instandhaltung der öffentlichen Bereiche des Fischereihafens (einschließlich Instandhaltung der Zufahrtsstraße zur Fischauktion). Sie machen geltend, dass dies Aufgaben von allgemeinem Interesse seien, da sie nicht zugunsten bestimmter Begünstigter ausgeführt würden. Dabei unterscheiden die belgischen Behörden nicht zwischen Aufgaben von allgemeinem, nicht wirtschaftlichem Interesse und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, gestehen jedoch zu, dass alle oder ein Teil der Aufgaben von allgemeinem Interesse wirtschaftlicher Art sein könnten.

(116)

Die belgischen Behörden räumen ein, dass AGVO durch das Tochterunternehmen EVO eine kommerzielle Tätigkeit ausübe, d. h. den Betrieb der Fischauktion, der nicht von allgemeinem Interesse sei.

(117)

Die belgischen Behörden teilen mit, dass AGVO für die Erbringung der Aufgaben von allgemeinem Interesse eigentlich kein Ausgleich gewährt werde und dass sie diese aus eigenen Mitteln finanziere. Somit gebe es kein Verfahren für die Berechnung der Höhe des Ausgleichs. Ergänzend fügen die belgischen Behörden hinzu, dass es anhand der Rechnungslegung von AGVO und EVO nicht möglich sei, zwischen den Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit Aufgaben von allgemeinem Interesse und solchen im Zusammenhang mit kommerziellen Aufgaben zu unterscheiden.

9.   UMFANG DER PRÜFUNG

(118)

Wie dem Beschluss über die Einleitung des Verfahrens verschiedentlich zu entnehmen ist (beispielsweise Erwägungsgrund 85), geht der Umfang der Untersuchung über den Fischauktionsmarkt hinaus und schließt auch mit der Fischauktion im Zusammenhang stehende Tätigkeiten ein (Vermietung von Gebäuden auf dem Gelände der Fischauktion, Betrieb des Fischereihafens usw.). Daher sind auch die Vorteile, die AGVO oder PAKHUIZEN gewährt wurden und die mit dem Betrieb der Fischauktion nicht unmittelbar in Zusammenhang stehen, Teil der gegenwärtigen Untersuchung.

(119)

Die Kommission hat auch die Vorteile untersucht, die EVO — entweder direkt von der Stadt oder von AGVO — gewährt wurden. In dem Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens waren das EVO gewährte Anfangskapital und die nachfolgenden Kapitalaufstockungen nicht als von den AGVO gewährten Kapital-Teilbeträgen getrennte Maßnahmen untersucht worden. Sie wurden lediglich als einer der Verwendungszwecke berücksichtigt, denen AGVO die Kapital-Teilbeträge zuführte, die AGVO von der Stadt erhielt. In ihrer Stellungnahme machten die belgischen Behörden allerdings geltend, dass die Kommission nicht hinreichend zwischen den von AGVO, PAKHUIZEN und EVO ausgeübten Tätigkeiten und Aufgaben unterschieden habe, und dass aufgrund der Aufgabenteilung zwischen AGVO und EVO die AGVO gewährten Vorteile für die gegenwärtige Untersuchung nur insoweit relevant seien, als sie EVO „übertragen“ worden waren. Im Interesse der Klarheit und um den Bedenken der belgischen Behörden Rechnung zu tragen, werden daher die Bereitstellung des Anfangskapitals und die nachfolgenden Kapitalaufstockungen für EVO unter Ziffer 10.1.2.2.3 gesondert geprüft. Die Frage des tatsächlichen Beihilfeempfängers wird in Erwägungsgrund 319 geprüft.

10.   WÜRDIGUNG DER MASSNAHME

10.1.   VORLIEGEN EINER STAATLICHEN BEIHILFE

(120)

Artikel 107 Absatz 1 AEUV lautet: „Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“

10.1.1.   UNTERNEHMEN

(121)

Wie vorstehend ausgeführt, betrifft die Prüfung die mögliche Beihilfe, die AGVO, EVO und PAKHUIZEN sowie den Fischereiunternehmen, die die Fischauktion Ostende und die Dienstleistungen von EVO und PAKHUIZEN in Anspruch nehmen, gewährt wurde. Alle Genannten sind als Unternehmen im Sinne von Artikel 107 AEUV zu qualifizieren. Die einzige Einrichtung, für welche die belgischen Behörden dies ernsthaft bestreiten, ist AGVO, die nach Angaben der belgischen Behörden lediglich Aufgaben von allgemeinem Interesse ausführt.

(122)

Die belgischen Behörden haben angesprochen, dass AGVO „Aufgaben von allgemeinem Interesse“ („taken van openbaar belang“) ausführe. Allerdings hat es den Anschein, als ob sich AGVO mit wirtschaftlichen Tätigkeiten befasst und daher aus den in den Erwägungsgründen 123 bis 129 dargestellten Gründen als Unternehmen (16) im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV zu betrachten ist.

(123)

AGVO bietet öffentlichen und halböffentlichen Einrichtungen und Unternehmen Gebäude zur Miete an. AGVO bietet damit Dienstleistungen direkt auf dem Markt an (Vermietungsdienstleistungen).

(124)

AGVO ist auch mit der Bewirtschaftung und dem Betrieb des Fischereihafens betraut. Wie Gericht und Gerichtshof in der Rechtssache Aéroports de Paris  (17) bestätigt haben, kann der Betrieb von Infrastruktureinrichtungen eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Dies wurde — was die Hafeninfrastruktur anbelangt — unter anderem in den Beihilfemaßnahmen zugunsten flämischer Häfen und Project Mainportontwikkeling Rotterdam bestätigt (18). Die Kommission stellt fest, dass AGVO Dienstleistungen, Waren und Infrastruktureinrichtungen gegen Bezahlung anbietet. Gemäß ihrer Satzung ist AGVO zudem berechtigt, für die Vergütung ihrer Dienstleistungen Gebühren festzusetzen und zu erheben.

(125)

Darüber hinaus bietet AGVO über ihre Tochterunternehmen EVO und PAKHUIZEN auch indirekt Waren und Dienstleistungen auf dem Markt an.

(126)

AGVO hält eine Kontrollbeteiligung an EVO und PAKHUIZEN und übt diese Kontrolle durch unmittelbare oder mittelbare Einflussnahme auf deren Geschäftsführung tatsächlich aus:

Fast alle Mitglieder des Verwaltungsrates von AGVO gehören auch den Verwaltungsräten von EVO und PAKHUIZEN an. Von 2005 bis 2007 gehörten AGVO und EVO auch dem Verwaltungsrat von PAKHUIZEN an.

Satzungsgemäß ist AGVO mit Betrieb, Entwicklung und Bewirtschaftung der Fischauktion und des Fischereihafens Ostende und der zugehörigen Nebenanlagen sowie mit der Entwicklung aller Tätigkeiten betraut, die damit unmittelbar oder mittelbar in Zusammenhang stehen. Mit anderen Worten: AGVO ist satzungsgemäß dazu verpflichtet, am Betrieb der Fischauktion zu mitzuwirken.

(127)

Zwischen AGVO sowie EVO und PAKHUIZEN bestehen weitere Verflechtungen, die das Vorhandensein organischer und funktionaler Beziehungen zwischen AGVO und deren Tochterunternehmen deutlich machen: AGVO hat Garantien für Kredite an EVO gewährt, AGVO stellt EVO und PAKHUIZEN Gebäude zur Verfügung, und aus dem Jahresabschluss von AGVO geht hervor, dass AGVO EVO und PAKHUIZEN regelmäßig Kredite gewährt hat.

(128)

Aufgrund dieser Sachverhalte ist AGVO in der Lage, Funktionen auszuüben, die die Kontrolle, aber auch die Führung und finanzielle Unterstützung von EVO und PAKHUIZEN betreffen. Daher ist AGVO im Sinne des Wettbewerbsrechts — insbesondere durch die Beteiligung an EVO und PAKHUIZEN (19) — ebenfalls als ein Unternehmen zu betrachten.

(129)

Die Kommission stellt fest, dass die belgischen Behörden eingeräumt haben, dass EVO und PAKHUIZEN die ausführenden Organe von AGVO sind, dass AGVO durch EVO an kommerziellen Tätigkeiten beteiligt war und dass Maßnahmen zugunsten von AGVO durch EVO den Markt beeinflussen können. In ihren Stellungnahmen und Antworten tendieren sie dazu, AGVO, PAKHUIZEN und EVO als ein einziges Unternehmen zu behandeln und sie haben auch ausdrücklich gefordert, dass AGVO und EVO als eine Einheit zu betrachten sind.

(130)

Abschließend ist festzuhalten, dass AGVO für die wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Aufgaben keine getrennten Konten führt, womit Quersubventionierung nicht ausgeschlossen werden kann.

10.1.2.   VORTEILE ZUGUNSTEN DER BETROFFENEN UNTERNEHMEN

10.1.2.1.    Vorteilsgewährung zugunsten von AGVO

10.1.2.1.1.   Anfangskapital

(131)

Öffentliche Investitionen gelten dann als staatliche Beihilfe, wenn offensichtlich ist, dass eine Behörde, die Kapital in ein Unternehmen investiert, nicht nur Beteiligungskapital zu üblichen marktwirtschaftlichen Bedingungen bereitstellt. Dies ist dann der Fall, wenn die finanzielle Lage des Unternehmens und insbesondere Struktur und Größenordnung seiner Verschuldung so geartet sind, dass innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Kapitalanlage kein Ertrag (in Form von Dividende oder Kapitalerträgen) im Rahmen des Üblichen zu erwarten ist. Daher muss eine Abschätzung vorgenommen werden, ob ein privater Kapitalgeber von vergleichbarer Größe wie die Einrichtungen des öffentlichen Sektors unter den gleichen Umständen hätte veranlasst werden können, im Rahmen der Unstrukturierung des Unternehmens Kapitalhilfen dieses Umfangs zu gewähren, oder ob er sich — insbesondere unter Berücksichtigung der verfügbaren Informationen und der zum Zeitpunkt dieser Hilfen absehbaren Entwicklungen — stattdessen für die Liquidation des Unternehmens entschieden hätte (20).

(132)

Die belgischen Behörden argumentieren, dass die Entscheidung der Stadt, AGVO ein Anfangskapital von 250 Mio. BEF (6 179 338 EUR) zur Verfügung zu stellen, wirtschaftlich begründet gewesen sei. Die Entscheidung zur Umstrukturierung der Fischauktion sei auf der Grundlage eines Finanz- und Geschäftsplans getroffen worden, demzufolge die Fischauktion mit einer begrenzten Investition innerhalb von acht Jahren wieder die Gewinnzone erreichen könnte, wenn sie die Verluste der vergangenen Jahre nicht übernehmen müsste. Die belgischen Behörden behaupten, dass ein privater Kapitalgeber in der gleichen Lage die gleiche Entscheidung getroffen hätte.

(133)

Auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen kann die Kommission diese Auffassung nicht teilen.

(134)

Wie oben dargestellt, war die Leistungsbilanz der Fischauktion Ostende schlecht; ihr Marktanteil war in den Jahren vor der Umstrukturierung stetig zurückgegangen. Die Kommission ist der Auffassung, dass sich ein gewöhnlicher privater Kapitalgeber in vergleichbarer Lage auf der Grundlage eines einzigen Finanzplans mit der Finanzprognose für den Zeitraum 2002-2010 in einer „positiven Hypothese“ und eines lediglich zwei Seiten umfassenden Geschäftsplans nicht dafür entschieden hätte, über 6 Mio. EUR als Anfangskapital zur Verfügung zu stellen.

(135)

Dies umso mehr, als — wie in Erwägungsgrund 259 ausführlicher dargestellt — AGVO als Fortführung der Fischauktion Ostende zu dem Zeitpunkt, zu dem das Anfangskapital bereitgestellt wurde, als ein Unternehmen in Schwierigkeiten zu qualifizieren war. Im Falle eines Unternehmens in Schwierigkeiten würde ein gewöhnlicher privater Kapitalgeber in der Regel belastbare Zusicherungen hinsichtlich der Zukunftsperspektiven des Unternehmens verlangen und hätte sich nicht mit den Unterlagen zufrieden gegeben, auf deren Grundlage die Stadt ihre Entscheidung traf.

(136)

Die Kommission unterstreicht die Bedeutung der Investition einerseits und der langfristigen Situation anhaltender Verluste der Fischauktion Ostende andererseits (21). Insbesondere angesichts dieser Sachlage in Verbindung mit der Tatsache, dass das Unternehmen auf einem heftig umkämpften, jedoch schrumpfenden Markt tätig war, hätte sich ein gewöhnlicher privater Kapitalgeber bei seiner Entscheidung auf einen wesentlich ausführlicheren Finanz- und Geschäftsplan mit verschiedenen Hypothesen und Szenarios gestützt statt einen Finanzplan zugrunde zu legen, der lediglich auf einer Hypothese basierte, die zudem noch als „positiv“ eingestuft wurde.

(137)

Ein gewöhnlicher privater Kapitalgeber hätte sicherlich auch eine Studie verlangt, die auf der Grundlage konkreter Zahlen zu Anlandungen und lokaler Nachfrage insbesondere über die in der Branche zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Märkte Aufschluss gegeben hätte, und zudem einen Plan gefordert, aus dem hervorging, wie die Geschäftstätigkeit umstrukturiert werden sollte und welche Maßnahmen in Betracht gezogen wurden, um zu vermeiden, dass sich die hohen Verluste der vergangenen Jahre wiederholten, und um die Produktivität zu verbessern (neue Investitionen, neue Vermarktungsstrategie usw.).

(138)

Der Geschäftsplan geht jedoch auf keinen dieser Aspekte ein.

(139)

Zudem stützt sich der Geschäftsplan auf eine Reihe von Annahmen und Fakten, die als selbstverständlich vorausgesetzt, jedoch nicht erläutert oder begründet werden und die in einigen Fällen hochgradig hypothetisch oder unwahrscheinlich erscheinen. So fällt es beispielsweise schwer, die Annahme zu akzeptieren, dass der Umsatz aus der Versteigerungstätigkeit in den kommenden 5 Jahren um 10 % gesteigert werden kann, obwohl sich vor der Umstrukturierung Anlandungen und Umsatzzahlen kontinuierlich rückläufig entwickelt hatten, der Konkurrenzkampf auf dem Markt stark zugenommen hatte und die Tendenz bei den Fangquoten rückläufig war. Ferner fehlt jegliche Erläuterung zur Berechnung der Sozialkosten und der Kosten für die Fremdvergabe sowie der Wasser- und Stromkosten. Diese Kosten sind im Geschäftsplan als in den neun Jahren nach Gründung von AGVO absolut gleich bleibend ausgewiesen, was jedoch schwerlich möglich erscheint, wenn gleichzeitig davon ausgegangen wird, dass sich der Umsatz im selben Zeitraum verdoppelt.

(140)

Folglich sind der Finanz- und der Geschäftsplan offenbar nicht nur überaus knapp und unvollständig, sondern entbehren außerdem auch der Glaubwürdigkeit. Ein gewöhnlicher privater Kapitalgeber hätte sich bei einer Investition in Höhe von 250 Mio. BEF in ein Unternehmen, das in einem schrumpfenden Markt Verluste erwirtschaftet, nicht auf diese Unterlagen verlassen (22).

(141)

Selbst wenn zugestanden werden könnte, dass Finanz- und Geschäftsplan vollständig und zuverlässig waren, was nicht der Fall war, stellt die Kommission fest, dass ein privater Kapitalgeber dennoch nicht Kapital in derselben Höhe investiert hätte wie die Stadt. Ausgehend vom Finanzplan und dem Geschäftsplan hat es den Anschein, dass auch ein geringerer Betrag ausgereicht hätte. Angesichts des geringen Ertrags aus dem investierten Kapital hätte ein gewöhnlicher privater Kapitalgeber nicht unnötigerweise einen derartigen Betrag investiert.

(142)

Die belgischen Behörden betrachten die Entscheidung, die laufende Geschäftstätigkeit fortzuführen, als vernünftiger als die Schließung der Fischauktion.

(143)

Jedoch äußern sich die belgischen Behörden nicht zu den Kosten einer Liquidation der Geschäftstätigkeit und sie erläutern auch nicht, weshalb die Schließung nicht vernünftig erschien.

(144)

Die belgischen Behörden versuchen ferner die Vernünftigkeit der im Jahr 2001 getroffenen Entscheidung, 250 Mio. BEF in AGVO zu investieren, mit der Entscheidung zur Privatisierung der Fischauktion zu begründen. Sie machen geltend, die laufende Privatisierung sei Teil des 2001 beschlossenen Umstrukturierungsplans gewesen, und eine Privatisierung der Fischauktion sei ohne die Umstrukturierung nicht möglich gewesen.

(145)

Die Kommission erinnert daran, dass es nach ständiger Rechtsprechung und Verfahrenspraxis für die Prüfung der Frage, ob sich der Staat wie ein umsichtiger marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber verhalten hat, notwendig ist, sich in den Kontext der Zeit zurückversetzen, in der die finanziellen Unterstützungsmaßnahmen getroffen wurden, um beurteilen zu können, ob das Verhalten des Staates wirtschaftlich vernünftig ist, und sich jeder Beurteilung aufgrund einer späteren Situation zu enthalten (23).

(146)

Die belgischen Behörden bringen vor, dass die laufende Privatisierung Bestandteil der Entscheidung zur Umstrukturierung aus dem Jahr 2001 sei und dass die Vernünftigkeit der Entscheidung zur Umstrukturierung der Fischauktion im Lichte des Privatisierungsverfahrens beurteilt werden müsse. Allerdings wird diese Argumentation durch die verschiedenen von den belgischen Behörden vorgelegten Unterlagen nicht untermauert. Insbesondere findet die Absicht, die Fischauktion zu privatisieren, in der Entscheidung zur Umstrukturierung der Fischauktion weder im Geschäftsplan noch im Finanzierungsplan Erwähnung. In diesen Unterlagen weist nichts darauf hin, dass die Entscheidung, 6 200 000 EUR in die Fischauktion zu investieren (unter anderem) durch die Tatsache motiviert oder begründet war, dass diese Kapitalzuführung es ermöglichen würde, die Fischauktion nach einer gewissen Zeit zu privatisieren. Das Argument ist zudem nur schwerlich mit der Satzung von AGVO in Einklang zu bringen, aus der hervorgeht, dass AGVO auf unbestimmte Zeit gegründet wird, dass die Stadt die Absicht hat, die Kontrolle über AGVO auszuüben und dass AGVO (und damit die Stadt) die Kontrolle über Tochterunternehmen oder Unternehmen, an denen AGVO beteiligt ist, ausüben muss.

(147)

Zudem würde man erwarten, dass die Entscheidung zur Privatisierung in Betracht gezogen würde, nachdem die Fischauktion wieder Gewinn erwirtschaftet, um einen besseren Preis für die Fischauktion zu erzielen — einen Preis, der es ermöglichen würde, zumindest die zusätzlich investierten 250 Mio. BEF zurückzubekommen. Jedoch wurde die Privatisierung nicht nur im Finanz- und im Geschäftsplan nicht erwähnt, vielmehr wurde die Entscheidung zur Privatisierung noch nicht einmal zu einem Zeitpunkt getroffen, als die Fischauktion profitabel war. Im Gegenteil, sie wurde getroffen, nachdem AGVO und EVO über zwei Jahre hinweg hohe Verluste erlitten hatten und nachdem die Kommission ihre Prüfung eingeleitet hatte. Eine in Aussicht genommene Privatisierung war somit offenbar nicht Teil der 2001 von der Stadt getroffenen Entscheidung zur Umstrukturierung.

(148)

Außerdem haben die belgischen Behörden angegeben, dass der künftige Partner aus der Privatwirtschaft den Firmenwert von EVO übernehmen werde und wählen könne, welche Vermögenswerte er übernehmen wolle (Beschäftigte, Maschinen, Fischkisten usw.). Die Verbindlichkeiten von EVO müssten nicht übernommen werden. Unter diesen Umständen ist nur schwer nachzuvollziehen, weshalb 2001/2002 nicht eine ähnliche Vorgehensweise gewählt werden konnte (ohne eine zusätzliche Kapitalzuführung von 250 Mio. BEF).

(149)

Wenn all diese Punkte 2002 Bestandteil des Umstrukturierungsplans gewesen wären, hätte sich zudem kein privater Kapitalgeber gefunden, der bereit gewesen wäre, mit Blick auf einen späteren Wiederverkauf 250 Mio. BEF in die Fischauktion zu investieren, da aufgrund des Geschäftsplans vernünftigerweise keine Aussicht bestand, diese Investition allein durch den Verkauf des Firmenwertes der Fischauktion einige Jahre später wieder hereinzubekommen. Diesbezüglich hat das Gericht festgestellt, dass es sich ein privater Kapitalgeber, der eine von langfristigen Rentabilitätsgesichtspunkten geleitete umfassende oder sektorale Strukturpolitik verfolgt, vernünftigerweise nicht erlauben kann, nach Jahren ununterbrochener Verluste eine Kapitalzuführung vorzunehmen, die im Zusammenhang mit dem Verkauf des Unternehmens steht, was ihm selbst längerfristig jede Gewinnaussicht nimmt (24).

(150)

Die belgischen Behörden fügen hinzu, dass die Umstrukturierung und anschließende Privatisierung die Möglichkeit bieten werde, die Investitionen durch die Miete, die für die Gebäude der Fischauktion verlangt werde, wieder hereinzuholen.

(151)

Dieses Argument überzeugt jedoch auch nicht. Dem Finanzplan war zu entnehmen, dass die Stadt in den nächsten acht Jahren 121 603 000 BEF Verlust erleiden würde (zusätzlich zu den in der Vergangenheit aufgelaufenen Verlusten), bevor es ihr möglich wäre, einen Teil der 2001 beschlossenen Kapitalzuführung von 250 Mio. BEF zurückbekommen. Die Kommission stellt fest, dass die Stadt schon 2002 hätte beschließen können, die Gebäude der Fischauktion an Dritte zu vermieten. Damit wäre es der Stadt möglich gewesen, bereits ab 2002 den Großteil des vor der Umstrukturierung für die Fischauktion Ostende ausgegebenen Geldes wieder hereinzubekommen oder zumindest die finanzielle Belastung durch die Rückzahlung der Bankkredite abzudecken, statt ein — insbesondere angesichts der schlechten betriebswirtschaftlichen Ergebnisse der Fischauktion in der Vergangenheit — sehr hohes Risiko einzugehen, dass sich die Höhe der Verluste, die zu einem späteren Zeitpunkt wieder hereinzuholen wären, noch vergrößerte.

(152)

Die belgischen Behörden betonen weiter, dass die Entscheidung zur Umstrukturierung der Fischauktion nicht leichtfertig getroffen worden sei, da die Entscheidung zunächst von der für die Stadt zuständigen Gemeindeaufsichtsbehörde (toezichtautoriteit) zurückgewiesen worden sei, weil nicht genügend Aussicht bestand, dass die Fischauktion existenzfähig sein würde. Tatsächlich geht aus den der Kommission vorgelegten Unterlagen hervor, dass die Entscheidung zur Umstrukturierung der Fischauktion zunächst zurückgewiesen wurde, da nach einem ersten Finanzplan nach fünf Jahren mit kumulierten Verlusten in Höhe von 190 Mio. BEF zu rechnen war.

(153)

Hierdurch erscheint die Entscheidung jedoch keineswegs vernünftiger, vielmehr wird deutlich, dass der Absicht, die Fischauktion umzustrukturieren und mit zusätzlichem frischem Kapital zu versorgen, noch nicht einmal die Überlegung zugrunde lag, dass sie nach einer gewissen Zeit wieder rentabel würde. Zudem erscheint dadurch der zweite Finanzplan noch weniger vollständig und zuverlässig, da keine Erklärung dafür gegeben wird, wie es möglich war, im ersten und im zweiten Finanzplan zu derart unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen. Somit wäre es sogar noch unwahrscheinlicher, dass ein privater Kapitalgeber sich dafür entschieden hätte, unter den gleichen Umständen zusätzliche 250 Mio. BEF in die Fischauktion zu investieren.

(154)

Daher gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass sich ein gewöhnlicher privater Kapitalgeber unter den gleichen Umständen nicht dafür entschieden hätte, 250 Mio. BEF in die Fischauktion zu investieren. Diese Sichtweise wird auch durch die der Kommission vorliegenden Unterlagen bestätigt. Aus ihnen geht hervor, dass der Entscheidung, die Fischauktion nicht zu liquidieren, sondern umzustrukturieren unter anderem politische und soziale Überlegungen dahingehend zu Grunde lagen, dass die Umstrukturierung dabei helfen würde, Arbeitsplätze in der Stadt mit einer Arbeitslosenquote über 12 % zu erhalten (25) — ein Grund, der für einen privaten Kapitalgeber keine Rolle gespielt hätte (26).

(155)

Folglich erhält AGVO durch diese Maßnahmen einen Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten, wodurch das Unternehmen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV begünstigt wird.

10.1.2.1.2.   Gelände und Gebäude

(156)

Gemäß Artikel 30 ihrer Satzung wird AGVO seit ihrer Gründung das alleinige Recht zur kostenlosen Nutzung von Gelände und Gebäuden des Fischereihafens Ostende gewährt.

(157)

Im Jahr 2004 wurden verschiedene Gebäude und Infrastruktureinrichtungen im Fischereihafen Ostende mit einer Gesamtfläche von 57 500 m2 (nach den damaligen Unterlagen der Stadt) durch Übertragung in das uneingeschränkte Eigentum von AGVO übergeführt. Gemäß den Unterlagen der Stadt entsprach dieses Eigentum zum damaligen Zeitpunkt einem Buchwert von 14 891 524 EUR. Der Kommission liegen keine Angaben vor, die es ihr ermöglichen würden, den Marktwert der Immobilien zum Zeitpunkt der Übertragung an AGVO zu bestimmen.

(158)

Die belgischen Behörden machen geltend, dass die Entscheidung, das Eigentumsrecht an den Immobilien AGVO zu übertragen, keinesfalls als staatliche Beihilfe angesehen werden könne, da es sich — da AGVO keine kommerzielle Tätigkeit ausübe — lediglich um die Übertragung von Immobilien zwischen zwei Behörden handele.

(159)

Jedoch ist AGVO — wie unter Ziffer 10.1.1 nachgewiesen — direkt und über ihre Tochterunternehmen indirekt an kommerziellen Tätigkeiten beteiligt und ist daher als Unternehmen zu betrachten. Die Entscheidung, das Eigentumsrecht an den Immobilien an AGVO zu übertragen, kann daher nicht als reine Übertragung von Immobilien von einer Behörde an eine andere angesehen, insbesondere nicht aus dem Grund, weil die betreffenden Immobilien überwiegend für die betreffenden Wirtschaftstätigkeiten genutzt werden (Vermietungsdienstleistungen, Betrieb der Fischauktion, Betrieb des Fischereihafens).

(160)

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass ein gewöhnlicher privater Wirtschaftsteilnehmer nicht in die Übertragung von Eigentumsrechten an Gebäuden von solchem Wert eingewilligt hätte, ohne hierfür einen angemessenen Preis zu erzielen.

(161)

Die belgischen Behörden gaben an, dass sich die Gebäude in sehr schlechtem Zustand befänden und der Buchwert der Gebäude daher zu hoch angesetzt sei. Außerdem argumentierte Belgien, dass die von AGVO zu tragenden Renovierungskosten so hoch seien, dass die Eigentumsübertragung als ein „Nullsummenspiel“ angesehen werden könne.

(162)

Allerdings haben die belgischen Behörden gegenüber der Kommission keinen Nachweis dafür erbracht, dass der Buchwert der in Rede stehenden Vermögenswerte zu hoch angesetzt worden war, und der Kommission liegen auch keine Belege vor, aus denen hervorgeht, dass die Renovierungskosten dem tatsächlichen Wert der Eigentumsrechte an den betreffenden Gebäuden entsprechen würden.

(163)

Vielmehr geht aus den der Kommission vorliegenden Informationen hervor, dass die Argumentation der belgischen Behörden nicht akzeptiert werden kann.

(164)

Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass AGVO vor der Eigentumsübertragung und nach ihrer Gründung das alleinige Recht zur kostenlosen Nutzung von Gelände und Gebäuden des Fischereihafens, einschließlich der Fischauktion, gewährt worden war. Die Satzung von AGVO enthält keine spezielle Verpflichtung hinsichtlich von AGVO zwingend vorzunehmender Renovierungsarbeiten. Gemäß Artikel 3 der Satzung ist AGVO berechtigt, auf eigenen Wunsch hin Instandhaltungs-, Reparatur- und Modernisierungsarbeiten an den Gebäuden durchzuführen (27); jedoch enthält die Satzung keine Bestimmung, die AGVO zur Renovierung bestimmter Gebäude verpflichten würde.

(165)

AGVO stehen daher seit ihrer Gründung Gelände und Gebäude des Fischereihafens zur Verfügung, ohne dass hierfür Miete oder eine sonstige Vergütung zu entrichten wäre. Ein privater Wirtschaftsteilnehmer hätte der Erteilung alleiniger Nutzungsrechte an ein Unternehmen ohne angemessene Vergütung nicht zugestimmt.

(166)

Auch die Urkunde zur Übertragung durch Zuführung von Grundbesitz vom 30. Dezember 2004, durch welche die Eigentumsrechte an den Gebäuden von der Stadt auf AGVO übergingen, enthält für AGVO keine besonderen Bedingungen oder Verpflichtungen hinsichtlich bestimmter Renovierungsarbeiten. Vielmehr handelt es sich um eine Urkunde allgemeiner Art, mit der die Stadt AGVO alle Rechte und Pflichten hinsichtlich der betroffenen Gebäude übereignet. Die AGVO übertragenen Verantwortlichkeiten sind dabei offenbar nicht so geartet, dass sie es rechtfertigen würden, dass für die Übernahme der Eigentumsrechte an den Gebäuden keine Bezahlung gefordert wird.

(167)

Darüber hinaus ist unstrittig, dass AGVO auch berechtigt ist, die Gebäude zur Vermietung anzubieten oder Konzessionsrechte zu erteilen. Zumindest ein Teil der Gebäude ist von kommerziellem Wert. Die belgischen Behörden haben eingeräumt, dass die Gebäude teils an öffentliche und halböffentliche Einrichtungen und teils für private Zwecke vermietet wurden (siehe Erwägungsgrund 46).

(168)

Schließlich stellt die Kommission fest, dass AGVO im Zusammenhang mit den besagten Renovierungskosten ein weiterer Vorteil gewährt wurde. Die belgischen Behörden haben der Kommission eine Aufstellung der Garantien vorgelegt, die kostenlos für bestimmte Kredite übernommen wurden. Aus der der Kommission übergebenen Aufstellung geht hervor, dass einige der Kredite, für die Garantien gewährt wurden, zur Finanzierung der Renovierungskosten bestimmt waren. Somit war AGVO nicht nur nicht zu Renovierungsarbeiten verpflichtet, vielmehr wurden zusätzlich die Kosten zumindest eines Teils der von AGVO durchgeführten Renovierungsarbeiten durch diese Garantien gemindert. Auch aus diesem Grund kann die Argumentation, dass die kostenlose Eigentumsübertragung als eine Art „Ausgleich“ für besonders hohe Renovierungskosten erfolgt sei, zu deren Durchführung AGVO verpflichtet war, nicht akzeptiert werden.

(169)

Selbst wenn die Renovierungskosten als besonders hoch angesehen werden könnten und eine Art Vergütung für die Übertragung der Eigentumsrechte an den Gebäuden darstellen, was von den belgischen Behörden nicht nachgewiesen worden ist, so wäre doch die Tatsache, dass AGVO bereits bei der Gründung das alleinige Recht zur kostenlosen Nutzung von Gelände und Gebäuden des Fischereihafens Ostende gewährt wurde, als staatliche Beihilfe anzusehen. Tatsächlich muss die Frage, ob die Stadt sich wie ein gewöhnlicher privater Kapitalgeber verhalten hat, anhand der Faktenlage zum Zeitpunkt der Entscheidung geprüft werden (28). Im vorliegenden Fall muss der Stadt zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung getroffen wurde, bekannt gewesen sein, dass sie AGVO einen Vorteil gewährte, da unter Ziffer 11 des von HAMA Consult NV am 9. November 2001 erstellten Geschäftsplans ausdrücklich erwähnt wird, dass die Fischauktion kurz zuvor modernisiert wurde und dass in den nächsten 10 Jahren mit bedeutenden Investitionen nicht zu rechnen sei.

(170)

Zudem sollte entsprechend der Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand (29) der Verkauf gewöhnlich entweder durch ein bindungsfreies Bieteverfahren oder auf der Grundlage eines unabhängigen Gutachtens erfolgen, damit die Übertragung der Eigentumsrechte an Gebäuden im Besitz der öffentlichen Hand als dem Marktwert entsprechend betrachtet werden kann. Keines dieser beiden Verfahren wurde angewandt. Ein Gutachten über den Gebäudewert und die angemessene Vergütung für das AGVO gewährte Recht zur alleinigen Nutzung und später die Eigentumsübertragung wäre im vorliegenden Fall umso dringender notwendig gewesen, als die belgischen Behörden der Auffassung waren, dass der Buchwert nicht dem tatsächlichen Wert entsprach.

(171)

Folglich hat es den Anschein, also ob es sich bei der kostenlosen Überlassung und der nachfolgenden Zuführung der Gebäude durch die Stadt an AGVO um einen Vorgang handelt, der nicht als den üblichen Wirtschaftsstandards, die ein gewöhnlicher privater Kapitalgeber angewandt hätte, entsprechend angesehen werden kann.

(172)

Die belgischen Behörden vertreten den Standpunkt, dass sich durch die Rückübertragung der Eigentumsrechte an die Stadt (ohne Ausgleich) die Frage der staatlichen Beihilfe erledigt habe.

(173)

Die Kommission kann sich diesem Standpunkt nicht anschließen.

(174)

Die Kommission möchte darauf hinweisen, dass die Tatsache, dass die Eigentumsrechte der Stadt zurückübertragen wurden, keine Auswirkung auf die Tatsache hat, dass AGVO von 2002 bis 2009 kostenlos in den Genuss des Vorteils des alleinigen Rechts zur Nutzung der betroffenen Gebäude kam — zum einen auf der Grundlage von Artikel 30 der Satzung von AGVO und zum anderen auf der Grundlage der Urkunde zur Übertragung der Eigentumsrechte vom 30. Dezember 2004. Insbesondere ist nicht sicher, dass der Wert des Grundbesitzes in der Form, in der dieser unlängst zurückübertragen wurde, zumindest dem Wert der im vorhergehenden Satz erwähnten Vorteile zuzüglich der Zinsen entspricht, die nach den Vorschriften über rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen, die zurückzufordern sind.

(175)

Darüber hinaus ist die Kommission der Auffassung, dass AGVO insoweit, als AGVO den Grundbesitz nach der Übertragung der Eigentumsrechte weiterhin kostenlos oder gegen eine Gebühr unter dem Marktpreis nutzen würde, weiterhin von staatlicher Beihilfe profitieren würde (30).

10.1.2.1.3.   Kostenlose Kreditgarantien

(176)

Gemäß Ziffer 2.1.1 der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (nachstehend „Mitteilung über Bürgschaften“) (31) ist eine staatliche Garantie dann als Vorteil für ein bestimmtes Unternehmen zu werten, wenn es den Kreditnehmer in die Lage versetzt, Gelder zu günstigeren finanziellen Konditionen aufzunehmen, als normalerweise auf den Finanzmärkten verfügbar, ohne dass hierfür eine marktgerechte Prämie gezahlt wird. Um die üblichen Marktbedingungen festzustellen, müsste das Verhalten der Stadt mit dem eines privaten Gläubigers verglichen werden, der in der Absicht handelt, einen angemessenen Gewinn zu erzielen (32).

(177)

Die Mitteilung über Bürgschaften enthält einige Angaben dazu, wie eine Garantie im Rahmen der Vorschriften für staatliche Beihilfen zu beurteilen ist. Insbesondere heißt es dort, dass eine Garantie bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss, damit sie nicht als staatliche Beihilfe betrachtet wird.

(178)

Einige dieser Voraussetzungen werfen im vorliegenden Fall Probleme auf. Für die Garantien wurde nicht der Marktpreis entrichtet, da sie kostenlos gewährt wurden.

(179)

Zudem deckten die Garantien — da sie den gesamten Kreditbetrag abdeckten — mehr als 80 % des ausstehenden Kreditbetrags ab. Hierdurch wird der erlangte Vorteil verstärkt, da im Falle einer 100 %igen staatlichen Garantie für den Kreditgeber kein Anreiz besteht, die Bonität von AGVO ordnungsgemäß zu bewerten und damit die finanziellen Konditionen der Kreditvergabe entsprechend dem Risikoprofil von AGVO festzulegen (33).

(180)

Somit steht fest, dass diese Garantien es AGVO ermöglichten, Kredite zu besseren finanziellen Konditionen aufzunehmen als auf den Finanzmärkten üblicherweise verfügbar (34) — insbesondere im Lichte der schlechten und häufig negativen Geschäftsergebnisse von AGVO und ihren Tochterunternehmen.

(181)

Die belgischen Behörden machen geltend, dass es üblich sei, dass Anteilseigner den Unternehmen, die sie kontrollierten, kostenlose Garantien gewährten. Diese Aussage wird jedoch nicht durch Beweise oder Beispiele untermauert. Darüber hinaus ist es besonders schwierig, diese Verhaltensweise mit dem Verhalten eines privaten Gläubigers zur Deckung zu bringen.

(182)

Tatsächlich ist die Entscheidung der Stadt, gegenüber Finanzinstituten kostenlos Garantien für Kredite an AGVO zu leisten, unter den auf den Finanzmärkten üblichen Bedingungen besonders ungewöhnlich. Unter normalen Bedingungen müsste für eine derartige Garantie eine angemessene Prämie entrichtet werden, die sich nach den mit der Garantie verbundenen Risiken richtet (35), und zwar selbst dann, wenn der Garantiegeber eine Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen hält, aufgrund deren er das Unternehmen kontrolliert (36). Außerdem würde ein gewöhnlicher privater Gläubiger, der Garantien leistet, vorher gewisse Sicherheiten verlangen und vorab die Konditionen des Kredits, das damit verbundene Risiko usw. abklären, wohingegen aus den von Belgien vorgelegten Informationen hervorgeht, dass dies nicht der Fall war (37). Umso problematischer ist dies im vorliegenden Fall angesichts der finanziellen Lage der Fischauktion, die in den zurückliegenden Jahren wiederholt schwere Verluste erlitten hat und die auf einem heftig umkämpften, schrumpfenden Markt tätig ist (38).

(183)

Wie in Erwägungsgrund 259 ausführlicher dargestellt, musste AGVO als ein Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 betrachtet werden. Nach Maßgabe bewährter Verfahrenspraxis besteht bei Garantien, die Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten gewährt werden, die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um staatliche Beihilfe handelt (39).

(184)

Die belgischen Behörden argumentieren, dass die Garantien für Kredite für Renovierungsarbeiten an den an öffentliche und halböffentliche Einrichtungen vermieteten Gebäuden gewährt wurden. Sie ergänzen, da dies Teil der Aufgaben von allgemeinem Interesse von AGVO sei, müssten die Garantien als Beteiligung an diesen Aufgaben von allgemeinem Interesse betrachtet werden und könnten daher nicht als staatliche Beihilfe gelten.

(185)

Zunächst ist festzuhalten, dass nicht sicher ist, dass die Kredite, für die Garantien gewährt wurden, tatsächlich für den vorgesehenen Zweck verwendet wurden. Selbst wenn zutrifft, dass die der Kommission übermittelten Informationen tendenziell darauf schließen lassen, dass die Stadt die Garantien aufgrund der Absicht von AGVO gewährte, die Kredite zur Finanzierung von Renovierungsarbeiten zu verwenden, so hat die Stadt die kostenlosen Garantien offenbar doch nicht an die Durchführung der Renovierungsarbeiten geknüpft, noch hat die Stadt die kostenlosen Garantien zurückgezogen oder eine Vergütung gefordert, als später festgestellt wurde, dass die Kredite tatsächlich für andere Zwecke verwendet wurden.

(186)

Die belgischen Behörden haben erklärt, dass es vorgekommen sei, dass die Kredite für andere Zwecke als die angekündigte Zielsetzung verwendet wurden. So wurde beispielsweise ein Fortis-Kredit, der ursprünglich zur Finanzierung des Erwerbs von Anteilen an PAKHUIZEN bestimmt gewesen war, letztlich nicht für diesen Zweck, sondern offenbar für Renovierungsarbeiten verwendet.

(187)

Darüber hinaus haben die belgischen Behörden eingeräumt, dass der Kredit über 550 000 EUR der ING-Bank, der ursprünglich für Renovierungsarbeiten bestimmt gewesen sei, letztlich zur Unterstützung von EVO eingesetzt wurde. Es ist unstrittig, dass die kostenlose Garantie für diesen Kredit nicht als Beitrag zu den Renovierungsaufgaben betrachtet werden kann. Mit anderen Worten: Es kann nicht behauptet werden, dass sich die Stadt wie ein gewöhnlicher privater Garantiegeber verhalten hätte (auch nicht wie ein Garantiegeber, der das betroffene Unternehmen kontrolliert), der nämlich zunächst geprüft hätte, ob der Kredit zu dessen Deckung die Garantie vorgesehen wäre, aller Wahrscheinlichkeit nach zurückgezahlt würde, und anschließend überprüft hätte, ob der Kredit tatsächlich strikt für das Vorhaben verwendet wurde, für das er ursprünglich vorgesehen war.

(188)

Was die besicherten Kredite angeht, die tatsächlich (ganz oder teilweise) zur Finanzierung von Renovierungsarbeiten verwendet wurden, muss daran erinnert werden, dass es sich bei der Vermietungstätigkeit von AGVO um eine Wirtschaftstätigkeit handelt und dass die Gewährung einer kostenlosen Garantie AGVO auf dem Vermietungsmarkt begünstigt. Außerdem verbessert die kostenlose Garantie die allgemeine Finanzlage von AGVO, da AGVO dadurch die Möglichkeit erhält, die Mittel, die AGVO unter normalen Umständen für die Zahlung der Prämie hätte aufwenden müssen, für andere Zwecke als die Renovierung der an öffentliche und halböffentliche Einrichtungen vermieteten Gebäude zu verwenden.

(189)

Und nicht zuletzt wären selbst dann, wenn akzeptiert würde, dass die Vermietung von Gebäuden an öffentliche und halböffentliche Einrichtungen als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse angesehen werden könnte, mit der AGVO betraut wurde, die in der Rechtssache Altmark genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, so dass der Schluss gezogen werden muss, dass die kostenlosen Garantien eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellen.

(190)

In seinem Urteil in der Rechtssache Altmark führte der Gerichtshof an, dass der Ausgleich für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse dann nicht als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV zu qualifizieren ist, wenn die folgenden kumulativen Voraussetzungen erfüllt sind: „Erstens muss das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein, und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein […]; Zweitens sind die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufzustellen […]; Drittens darf der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich sei, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns […] ganz oder teilweise zu decken. Wenn viertens die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, im konkreten Fall nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt, das die Auswahl desjenigen Bewerbers ermöglicht, der diese Dienste zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit erbringen kann, so ist die Höhe des erforderlichen Ausgleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes (und angemessen ausgestattetes) Unternehmen (des gleichen Sektors) […] bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.“

(191)

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Abgesehen davon, dass strittig ist, ob AGVO im Zusammenhang mit der Vermietung von Gebäuden an öffentliche und halböffentliche Einrichtungen mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betraut wurde, stellt die Kommission fest, dass die belgischen Behörden ausdrücklich bestätigt haben, dass für den Ausgleich keine Parameter festgelegt wurden. Zudem hat sich AGVO nicht für ein Buchführungssystem mit getrennten Konten entschieden, so dass ein überhöhter Ausgleich und Quersubventionen zwischen den verschiedenen Tätigkeiten von AGVO durch nichts verhindert werden. Außerdem wurde AGVO nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge ausgewählt, und die belgischen Behörden haben nicht nachgewiesen, dass die Dienstleistungen zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit erbracht werden.

10.1.2.1.4.   Abgaben

(192)

Die Stadt ermächtigte AGVO, die kommunalen Abgaben für die Benutzung des Fischereihafens und der Auktion festzustellen und zu erheben.

(193)

Bei den auf diesem Wege von AGVO erhobenen Abgaben handelt es sich offenbar um Mittel, die dem Staat zur Verfügung stehen und die zum Teil (40) an AGVO übertragen wurden. Außerdem handelt es sich dabei um einen Vorteil, der AGVO üblicherweise nicht gewährt würde und durch welchen daher dieses Unternehmen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV begünstigt wird.

(194)

Im vorliegenden Fall haben die belgischen Behörden angegeben, dass die Erhebung der Abgabe Teil eines Ausgleichs sei bzw. den Ausgleich darstelle für die Aufgaben von allgemeinem Interesse, mit denen AGVO betraut sei, insbesondere für die Aufgabe des Betriebs des Fischereihafens. Belgien macht geltend, dass die Übertragung der Aufgaben und des Rechts zur Erhebung der Abgaben als reine Zuweisung von Aufgaben innerhalb des Staates anzusehen und nicht als staatliche Beihilfe zu qualifizieren sei.

(195)

Allerdings ist — wie bereits unter Ziffer 10.1.1 dieses Beschlusses nachgewiesen — AGVO als ein Unternehmen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV zu qualifizieren, was von den belgischen Behörden in ihrem Schreiben vom 27. November 2009 auch eingeräumt wurde. Wie in Erwägungsgrund 124 erläutert, stellt der Betrieb des Fischereihafens eine Wirtschaftstätigkeit dar.

(196)

Die Kommission hat untersucht, ob das Recht, die Abgaben zu erheben und den Erlös zu verwenden, als Ausgleich für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse gewertet werden könnte und ob die in der Rechtsprechung in der Rechtssache Altmark genannten kumulativen Voraussetzungen erfüllt waren.

(197)

Wie bereits in Erwägungsgrund 191 festgestellt, sind diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt, da beispielsweise keine Parameter für den Ausgleich festgelegt wurden.

(198)

Schließlich bleibt selbst dann, wenn akzeptiert würde, dass das Recht, Abgaben zu erheben und den Erlös daraus zu verwenden, als Ausgleich/Vergütung für Aufgaben von allgemeinem (nicht wirtschaftlichem) Interesse betrachtet werden sollte, festzuhalten, dass AGVO auch kommerzielle Tätigkeiten ausübt, was von den belgischen Behörden ausdrücklich bestätigt wurde. Da die belgischen Behörden auch eingeräumt haben, dass AGVO keine getrennten Konten führte und dass es nicht möglich sei, Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit den nicht kommerziellen Aufgaben von AGVO getrennt zu bestimmen, können Quersubventionen nicht ausgeschlossen werden, und die Steuern sind als Vorteil anzusehen.

10.1.2.1.5.   Schlussfolgerung

(199)

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungsgründe wurde AGVO durch die unter den Ziffern 10.1.2.1.1 bis 10.1.2.1.4 genannten Maßnahmen ein Vorteil im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV gewährt.

10.1.2.2.    Vorteilsgewährung zugunsten von EVO

(200)

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass EVO eine Beihilfe gewährt wurde, und zwar zum einen unmittelbar von der Stadt in Form kostenloser Garantien für Kredite von Privatbanken und zum anderen mittelbar durch AGVO, indem EVO gestattet wurde, kostenlos 13 600 m2 Gebäudeflächen zu nutzen, indem kostenlose Garantien für Kredite von Privatbanken gewährt wurden und indem EVO ein Anfangskapital und Kapitalaufstockungen zur Verfügung gestellt wurden.

10.1.2.2.1.   Kostenlose Kreditgarantien

(201)

Hinsichtlich der von der Stadt und von AGVO gewährten Garantien stellt die Kommission fest, dass für die Garantien nicht der Marktpreis gezahlt wurde, da die Garantien völlig kostenlos gewährt wurden. Darüber decken die Garantien mehr als 80 % des ausstehenden Kreditbetrags ab.

(202)

Die belgischen Behörden machen geltend, dass es üblich sei, dass Anteilseigner, die eine Kontrollbeteiligung an einem Unternehmen halten, Garantien zugunsten des von ihnen kontrollierten Unternehmens kostenlos gewährten. Diese Aussage wurde jedoch nicht durch Beweise belegt. Sie ist zudem nur schwerlich mit der Verhaltensweise eines privaten Kapitalgebers in Einklang zu bringen. In einer gewöhnlichen Lage müsste für eine derartige Garantie eine angemessene Prämie gezahlt werden, die sich nach den mit der Garantie verbundenen Risiken richtet (41), und zwar selbst dann, wenn es sich bei dem Garantiegeber um ein Mutterunternehmen handelt (42). Zudem hat das Gericht bereits entschieden, dass kommerzielle Aktivitäten auch innerhalb einer aus Unternehmen der öffentlichen Hand bestehenden Gruppe zu üblichen Marktbedingungen vergütet werden müssen (43).

(203)

Weiter ist festzustellen, dass — wie in Erwägungsgrund 306 näher ausgeführt — EVO als ein Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 und der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten von 2004 (44) („Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 2004“) zu betrachten war. Die finanzielle Lage von EVO blieb während des gesamten Zeitraums von 2003 bis 2008 schwierig. Ende 2003 war mehr als die Hälfte des gezeichneten Kapitals verschwunden, und diese Sachlage änderte sich in den folgenden Jahren trotz mehrerer Kapitalaufstockungen nicht.

(204)

Nach Maßgabe bewährter Verfahrenspraxis besteht bei Garantien, die Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten gewährt werden, die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um staatliche Beihilfe handelt (45).

(205)

Die belgischen Behörden haben ergänzt, dass EVO ohne die kostenlose Garantie die Kredite nicht erhalten hätte. Nach Auffassung der Kommission zeigen dieses Eingeständnis und die anhaltend schlechte finanzielle Lage von EVO, dass EVO die von Privatbanken aufgrund einer kostenlosen Garantie der Stadt (oder von AGVO) gewährten Kredite ohne diese Garantie ebenfalls nicht erhalten hätte. Somit wurde EVO auch durch die Kreditgarantien ein Vorteil gewährt (46).

(206)

Schließlich machen die belgischen Behörden geltend, dass die Garantien als Teil des Umstrukturierungsplans für die Fischauktion anzusehen seien.

(207)

Die Kommission stellt hingegen fest, dass in dem Geschäftsplan weder die kostenlosen Garantien noch die Kapitalzuführungen, für die die Kredite offensichtlich genutzt wurden, Erwähnung fanden. Zudem wurden die in Rede stehenden Kredite und Garantien (d. h. diejenigen, die tatsächlich in Anspruch genommen wurden) nicht 2002 bei Gründung von EVO gewährt, sondern erst später, nämlich 2004 und 2005. Die Tatsache, dass mehrere Garantien gewährt wurden, zeigt auch, dass die Garantien auf Anfrage jedes Mal dann gewährt wurden, wenn geltend gemacht wurde, dass EVO eine Garantie benötige, um bei einem Kreditinstitut einen Kredit zu erhalten. Die Kommission stellt außerdem fest, dass einer der von Fortis gewährten Kredite, für die die Stadt eine Garantie leistete, tatsächlich dafür verwendet wurde, Schiffseignern Darlehen zu gewähren. Es fällt schwer, hierin einen Teil eines Plans zur Umstrukturierung oder gar eines Plans zur späteren Privatisierung der Fischauktion zu sehen.

(208)

Daher stellen nach Auffassung der Kommission die von der Stadt und AGVO zugunsten von EVO gewährten Garantien einen Vorteil im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV dar.

10.1.2.2.2.   Gebäude

(209)

Die belgischen Behörden haben argumentiert, dass bei der Entscheidung von AGVO, EVO das Recht zur kostenlosen Nutzung der Gebäude zu gewähren, davon ausgegangen werden könne, dass sie den üblichen Marktgepflogenheiten entspricht, die ein gewöhnlicher privater Kapitalgeber unter gleichen Voraussetzungen angewandt hätte.

(210)

Für die Kommission ist diese Aussage nicht akzeptabel, da sie bereits durch die Tatsache widerlegt wird, dass die belgischen Behörden angegeben haben, dass der zukünftige strategische Partner für die Nutzung der Gebäude der Fischauktion einen Mietvertrag abschließen und Miete bezahlen müsse. Darüber hinaus kann auch nicht argumentiert werden, dass AGVO als Volleigentümer von EVO (47) mit erheblichen Gewinnen von EVO gerechnet hätte, so dass die Kapitaleinkünfte, die AGVO auf diesem Wege realisieren würde, die kostenlose Überlassung rechtfertigen würden, denn schließlich erwirtschaftete die Fischauktion hohe jährliche Verluste.

(211)

Die belgischen Behörden machten geltend, dass die Tatsache, dass keine Miete erhoben wurde, dadurch aufgewogen werde, dass EVO die normalerweise vom Eigentümer zu tragenden Renovierungs- und Reparaturkosten für die Fischauktion übernahm. Nach Auskunft der belgischen Behörden wandte EVO seit 2002 182 377,31 EUR für Renovierungs- und Infrastrukturarbeiten an der Fischauktion auf.

(212)

Die Kommission stellt erstens fest, dass von den belgischen Behörden keine Unterlagen vorgelegt wurden, aus denen hervorgeht, dass EVO verpflichtet war, alle Renovierungskosten für die Gebäude der Fischauktion zu tragen, und dass ferner keine Unterlagen vorgelegt wurden, die belegen, dass EVO tatsächlich 182 377,31 EUR für Renovierungsarbeiten aufgewandt hat.

(213)

Weiter stellt die Kommission fest, dass die belgischen Behörden nicht nachgewiesen haben, dass es für einen Mieter absolut unüblich wäre, Renovierungskosten zu zahlen, oder aber, dass der Mieter in diesem Fall keine Miete zu zahlen hätte. Außerdem fehlt jede Angabe dazu, welcher Art die durchgeführten Arbeiten waren, so dass es der Kommission nicht möglich ist festzustellen, ob die betreffenden Arbeiten für einen Mieter unüblich waren. Zudem ist den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen, dass offenbar auch AGVO zwischen 2004 und 2007 für 36 497,40 EUR Renovierungsarbeiten an der Fischauktion durchführen ließ. Dies deckt sich offenbar nicht mit den Angaben der belgischen Behörden, wonach alle Kosten für Instandhaltung und Renovierung von EVO zu tragen waren.

(214)

Auch legten die belgischen Behörden keinen Nachweis dafür vor, dass die 182 377,31 EUR, die von EVO angeblich für Renovierungsarbeiten aufgewandt wurden, der Miete entsprechen würden, die EVO unter üblichen Marktbedingungen für die Nutzung von 13 600 m2 Gebäudefläche über einen Zeitraum von mehr als 5 Jahren hätte zahlen müssen.

(215)

Und auch wenn die Renovierungskosten als besonders hoch und als eine Art der Vergütung für die Nutzung der Gebäude angesehen werden könnten, was allerdings von den belgischen Behörden nicht nachgewiesen worden ist, so ist doch dem Geschäftsplan vom 21. November 2001 eindeutig zu entnehmen, dass, da die Fischauktion kurz zuvor modernisiert worden war, in den nächsten 10 Jahren nicht mit größeren Ausgaben zu rechnen sei. Mit der 2002 von AGVO getroffenen Entscheidung, EVO die Gebäude kostenlos zur Verfügung zu stellen, ohne dass dieser Entscheidung eine fundierte Erwartung zugrunde gelegen hätte, dass die Kosten, die EVO aus der angeblichen Verpflichtung zur Finanzierung der Instandhaltung erwachsen würden, mindestens genauso hoch sein würden, wie die Miete, die ein Wirtschaftsteilnehmer bereit gewesen wäre, für die Gebäude zu zahlen, wurde EVO demnach von AGVO ein Vorteil gewährt. Da die Frage, ob sich AGVO (48) wie ein gewöhnlicher privater Kapitalgeber verhalten hat, im Kontext der Zeit untersucht werden muss, in der die Entscheidung getroffen wurde, muss gefolgert werden, dass EVO 2002 durch das Recht zur kostenlosen Nutzung von 13 600 m2 Gebäudefläche eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV gewährt wurde.

10.1.2.2.3.   Anfangskapital und nachfolgende Kapitalaufstockungen

(216)

Mit Blick auf das Anfangskapital von EVO in Höhe von rund 370 000 EUR verweist die Kommission auf ihre Analyse unter Ziffer 10.1.2.1.1. Die belgischen Behörden haben bestätigt, dass das Anfangskapital für EVO aus dem Anfangskapital von AGVO finanziert wurde. Wie von der Kommission bereits festgestellt, hätte sich ein privater Kapitalgeber nicht dafür entschieden, die Fischauktion umzustrukturieren und hierfür 250 Mio. BEF zu investieren, und erst recht nicht hätte er sich entschieden, dazu noch mit einem Teil des neuen Kapitals ein 100 %iges Tochterunternehmen zu gründen.

(217)

Was die Kapitalaufstockungen durch Schuldenerlass seitens AGVO anbelangt, so kann die Kommission diesbezüglich ebenfalls auf ihre Analyse unter Ziffer 10.1.2.1.1 verweisen. Die belgischen Behörden haben in der Tat bestätigt, dass die Kapitalaufstockungen ebenfalls (teilweise (49)) aus dem Anfangskapital von AGVO finanziert worden waren.

(218)

Darüber hinaus gibt es weitere Gründe, weshalb davon auszugehen ist, dass AGVO sich nicht so verhalten hat, wie sich ein privater Kapitalgeber in der gleichen Situation verhalten hätte.

(219)

Investitionen der öffentlichen Hand gelten dann als staatliche Beihilfe, wenn offensichtlich ist, dass die finanzielle Lage des Unternehmens und insbesondere Struktur und Größenordnung seiner Verschuldung so geartet sind, dass innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Kapitalanlage kein Ertrag (in Form von Dividende oder Kapitalerträgen) im Rahmen des Üblichen zu erwarten ist.

(220)

Die Kommission stellt fest, dass die erste Kapitalaufstockung durch Schuldenerlass am 31. Dezember 2004 erfolgte, nachdem EVO bereits seit fast 1,5 Jahren bestand. Die Kapitalaufstockung war offensichtlich als Maßnahme zum Ausgleich der schweren Verluste von EVO gedacht. Gleiches lässt sich über die Kapitalaufstockungen der Jahre 2005 und 2007 feststellen. Die Maßnahmen wurden offenkundig nicht mit Blick auf eine kurzfristig oder sogar langfristig in Aussicht stehende Kapitalrendite ergriffen, sondern ausschließlich zu dem Zweck, Verluste der Vergangenheit auszugleichen. Ein privater Kapitalgeber hätte sich keinesfalls für diese Kapitalaufstockungen entschieden — insbesondere nicht für die beiden letzten. Die finanzielle und wirtschaftliche Lage von EVO war nicht gut, und die Entwicklung verlief erkennbar nicht so, wie dies im Geschäftsplan vorhergesagt worden war, der von einem kontinuierlichen Rückgang und nicht von einem schnellen Anstieg der Verluste ausgegangen war. Tatsächlich war bereits Ende 2003 mehr als die Hälfte des gezeichneten Kapitals von EVO verschwunden, und diese Sachlage änderte sich in den folgenden Jahren trotz mehrerer Kapitalerhöhungen nicht. Ohne jede Aussicht auf künftige Kapitalerträge hätte sich ein privater Kapitalgeber nicht dafür entschieden, das Kapital des Unternehmens aufzustocken, um Verluste auszugleichen (50). Vielmehr hätte er stattdessen ernsthaft die anderen möglichen Optionen (Schließung, Verkauf usw.) geprüft und hätte zumindest gewisse Sicherheiten oder Umstrukturierungsmaßnahmen verlangt. Die spezielle Form der Kapitalerhöhung (Schuldenerlass) bestätigt ebenfalls, dass diese Kapitalaufstockungen nicht als Teil der 2001 geplanten Umstrukturierung angesehen werden können.

(221)

Außerdem ist festzuhalten, dass EVO als ein Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten betrachtet werden muss (51). Nach Maßgabe bewährter Verfahrenspraxis sind Kapitalaufstockungen für Unternehmen in Schwierigkeiten als staatliche Beihilfe anzusehen (52).

(222)

Folglich wurde EVO mit den nachfolgenden Kapitalerhöhungen ein Vorteil im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV gewährt.

10.1.2.3.    Vorteilsgewährung zugunsten von PAKHUIZEN

(223)

Hinsichtlich des langfristigen Mietvertrags mit PAKHUIZEN über die Nutzung der Gebäude (53) ist die Kommission unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Informationen der Auffassung, dass dieser eine Vorteilsgewährung darstellt. Erstens kann die Gebühr von lediglich 25 EUR pro Jahr nicht als übliche Bezahlung für die langfristige Vermietung einer Gebäudefläche von 14 754 m2 über einen Zeitraum von 45 Jahren angesehen werden — selbst dann nicht, wenn die Gebäude in sehr schlechtem Zustand und renovierungsbedürftig sind. Die Tatsache, dass PAKHUIZEN verpflichtet ist, die Gebäude zu renovieren, ändert daran nichts. Tatsächlich ist nach belgischem Recht (54) der Gebäudeeigentümer nicht zur Reparatur der Gebäude verpflichtet. Vielmehr ist der Mieter verpflichtet, die Gebäude in gutem Zustand zu erhalten und gewöhnliche Reparaturarbeiten durchführen zu lassen. Die belgischen Behörden haben nicht nachgewiesen, dass die Renovierungsarbeiten, zu deren Durchführung PAKHUIZEN im Rahmen des langfristigen Mietvertrags verpflichtet war, über „gewöhnliche Reparaturarbeiten“ hinausgehen würden. Zudem haben die belgischen Behörden auch keine Beweise dafür vorgelegt, dass die Kosten, die sich aus dieser Verpflichtung ergeben, der Miete entsprechen, die unter üblichen Marktbedingungen für die Gebäude zu erzielen wären.

(224)

Außerdem haben die belgischen Behörden zugegeben, dass PAKHUIZEN ihren Renovierungspflichten nicht nachgekommen ist und die Zweckbestimmung der Gebäude nicht eingehalten hat. Von der Stadt wurden offensichtlich keinerlei Maßnahmen gegen PAKHUIZEN eingeleitet, um den Mietvertrag durchzusetzen, obwohl die Stadt dazu berechtigt gewesen wäre. Daher wäre PAKHUIZEN selbst dann, wenn unter Berücksichtigung der Renovierungskosten die Miete von 25 EUR pro Jahr als dem Marktpreis entsprechend hätte betrachtet werden können — was nicht der Fall war —, auf jeden Fall von dem Zeitpunkt an, zu dem offenkundig wurde, dass die Stadt auf die Durchsetzung des Vertrags verzichtete, ein Vorteil gewährt worden.

(225)

Hinsichtlich der Vermietung der Gebäude an PAKHUIZEN unter der Bedingung, dass die Gebäude instand gehalten und renoviert werden, ist ferner festzuhalten, dass gemäß dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers und unter Berücksichtigung der in der Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand genannten Voraussetzungen die öffentliche Hand als ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber angesehen werden kann, wenn sie ihre Verträge in einem offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Ausschreibungsverfahren zum höchstmöglichen Preis an den höchstbietenden Bieter oder aber nach einer Schätzung des Marktwerts durch einen unabhängigen Sachverständigen vergibt. Dies scheint hier jedoch nicht der Fall gewesen zu sein.

(226)

Die vorstehende Analyse wird durch die Tatsache, dass der Gebäudeeigentümer (ursprünglich die Stadt, später AGVO) nach einer Mietdauer von 27 Jahren Anspruch auf die Hälfte des jährlichen Gewinns von PAKHUIZEN hat, nicht beeinträchtigt. Ein derartiger Vorteil ist zu fern und zu unsicher, als dass er für den Gebäudeeigentümer einen Nettogegenwartswert hätte. Und selbst wenn er einen derartigen Wert hätte, haben die belgischen Behörden nicht nachgewiesen, dass dieser Wert — selbst zusammen mit den 25 EUR pro Jahr plus den (nicht üblichen) Renovierungskosten — so hoch ist, dass er der marktüblichen Miete für die Nutzung der Immobilien durch PAKHUIZEN entspricht.

(227)

Folglich kommt PAKHUIZEN hinsichtlich ihrer Betriebskosten in den Genuss einer jährlichen Vergünstigung, die einen Vorteil im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt.

(228)

Hinsichtlich des Zeitraums nach dem 26. März 2004, dem Zeitpunkt, zu dem AGVO Eigentümer der betreffenden Gebäude wurde, stellt die Kommission fest, dass der Mietvertrag zu denselben Konditionen wie zuvor weiterlief und dass der Vorteil zugunsten von PAKHUIZEN somit fortbestand.

10.1.2.4.    Vorteilsgewährung zugunsten von Fischereiunternehmen, die Dienstleistungen von EVO und PAKHUIZEN in Anspruch nehmen

(229)

In ihrem Beschluss über die Einleitung des Verfahrens hat die Kommission festgestellt, dass EVO und möglicherweise auch PAKHUIZEN Fischereiunternehmen, die die Fischauktion nutzten, ihre Dienstleistungen zu günstigeren Preisen als ein gewöhnlicher privater Wirtschaftsteilnehmer anboten.

(230)

Offenbar erstattet EVO ganz oder teilweise die Kosten für den Containertransport von Fisch zur Versteigerung über die Fischauktion Ostende von verschiedenen Orten in Europa. Außerdem bietet EVO anscheinend unter der Voraussetzung, dass der Darlehensnehmer seine Fänge auf der Fischauktion Ostende versteigern lässt, Darlehen zu unter den Marktkonditionen liegenden Zinssätzen an.

(231)

Die von den Beteiligten abgegebenen Stellungnahmen lassen den Schluss zu, dass EVO weitere Praktiken ausübt, die den normalen Wettbewerb beeinträchtigen, jedoch liegen der Kommission hierfür keine Beweise vor. Die belgischen Behörden haben bestritten, dass EVO Dienstleistungen zu günstigeren Bedingungen als den Marktbedingungen angeboten hat.

(232)

Wenngleich der Kommission nur sehr wenige Nachweise für die kommerziellen Bedingungen vorliegen, unter denen EVO ihre Dienstleistungen anbietet, ist nicht auszuschließen, dass Unternehmen, die die Fischauktion Ostende nutzen, ein Vorteil im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV gewährt wird. Allerdings spricht nach Auffassung der Kommission zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch einiges für die Argumentation der belgischen Behörden, wonach die Tatsache, dass EVO dank der staatlichen Beihilfe in der Lage gewesen sei, ihre Dienstleistungen zu besseren Konditionen anzubieten als dies ohne die Beihilfe möglich gewesen wäre, nicht zwangsläufig bedeute, dass die staatliche Beihilfe zugunsten der Schiffseigner und Fischereiunternehmen weitergegeben wurde.

(233)

Daher ist die Kommission der Auffassung, dass nicht mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass ein Vorteil an die Schiffseigner weitergegeben wurde. Aufgrund der Tatsache, dass die Kommission in diesem Beschluss die Beendigung und Rückforderung der zugunsten von AGVO, EVO und PAKHUIZEN gewährten Beihilfe anordnet, ist es darüber hinaus wahrscheinlich, dass diese Vorteile künftig nicht mehr oder nur noch in deutlich geringerem Umfang gewährt werden. Und schließlich ist in jedem Fall die Hauptbegünstigte der Beihilfe die umstrukturierte Fischauktion, die die Beihilfe dazu genutzt hat, sich selbst am Markt zu halten und ihren Marktanteil zu vergrößern, indem sie Dienstleistungen mit Verlust angeboten und damit das normale Funktionieren des Marktes beeinträchtigt hat.

10.1.3.   STAATLICHE MITTEL UND ZURECHENBARKEIT

(234)

Die Kommission stellt fest, dass die Tätigkeiten, um die es hier geht, Maßnahmen der Stadt selbst sowie Maßnahmen betreffen, die aus staatlichen Mitteln finanziert wurden und der Stadt zurechenbar sind.

10.1.3.1.    Gewährung durch die öffentliche Hand

(235)

Erstens gewährte die Stadt AGVO eine Beihilfe, indem sie AGVO mit einem Anfangskapital ausstattete, das aus dem Haushalt der Stadt finanziert wurde, indem sie AGVO kostenlose Garantien für Kredite von Privatbanken gewährte, indem sie AGVO die Eigentumsrechte an ihren Gebäuden übertrug und indem sie AGVO bevollmächtigte, kommunale Abgaben festzustellen und zu erheben. Außerdem gewährte sie PAKHUIZEN eine Beihilfe durch den langfristigen Mietvertrag über die Nutzung ihrer Gebäude, und sie gewährte EVO Beihilfe in Form von kostenlosen Garantien für Kredite von Privatbanken.

(236)

Diese Maßnahmen sind somit aus staatlichen Mitteln finanziert und dem Staat zurechenbar.

10.1.3.2.    Der öffentlichen Hand zurechenbare Maßnahmen

(237)

Zweitens stellt die Kommission hinsichtlich der EVO von AGVO und der PAKHUIZEN von AGVO gewährten Vorteile fest, dass entsprechend der jeweiligen Satzung AGVO alleiniger Anteilseigner von EVO (abgesehen von Herrn Miroir, der 1 von insgesamt 15 000 Anteilen hält und der dem Stadtrat angehört) und von PAKHUIZEN ist und dass AGVO alle Mitglieder des Verwaltungsrates dieser Unternehmen ernennt. Die Stadt ist alleiniger Anteilseigner von AGVO, und der Stadtrat ernennt alle Mitglieder des Verwaltungsrates von AGVO. Folglich befindet sich die Stadt in einer Position, in der sie in der Lage ist, beherrschenden Einfluss auf AGVO auszuüben.

(238)

Außerdem ist AGVO gemäß ihrer Satzung mit Betrieb, Entwicklung und Bewirtschaftung der Fischauktion und des Fischereihafens Ostende und der zugehörigen Nebenanlagen sowie mit der Entwicklung aller Tätigkeiten betraut, die damit unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang stehen. Mit anderen Worten: AGVO ist satzungsgemäß dazu verpflichtet, am Betrieb der Fischauktion zu mitzuwirken.

(239)

Was speziell die langfristige Vermietung der Gebäude an PAKHUIZEN anbelangt, so wurde dieser Mietvertrag direkt von der Stadt abgeschlossen.

(240)

Somit ist AGVO im Lichte des Urteils in der Rechtssache Stardust (55) und in Anbetracht der Hilfe der öffentlichen Hand, die den Unternehmen wie oben dargestellt gewährt wurde, als eine vom Staat beherrschte Rechtsperson anzusehen, und deren Entscheidungen hinsichtlich Kapitalzuführungen zugunsten von EVO, kostenloser Kreditgarantien für EVO und des EVO gewährten Rechts auf kostenlose Nutzung der Gebäude sind als Entscheidungen anzusehen, die aus staatlichen Mitteln finanziert wurden und der öffentlichen Hand zurechenbar sind.

(241)

Die belgischen Behörden haben diese Feststellungen nicht bestritten. Vielmehr haben sie bestätigt, dass die Stadt durch AGVO EVO und PAKHUIZEN kontrolliert (56).

10.1.4.   VERFÄLSCHUNG DES WETTBEWERBS UND BEEINTRÄCHTIGUNG DES HANDELS

(242)

Die Maßnahmen der Stadt begünstigen AGVO, EVO und PAKHUIZEN. AGVO, EVO und PAKHUIZEN bilden eine Unternehmensgruppe, die im gleichen Markt tätig ist — der Versteigerung von Fisch und der Erbringung damit zusammenhängender Dienstleistungen für die Fischereiwirtschaft.

(243)

Der Fischauktionsmarkt ist sehr stark vom Wettbewerb geprägt — Fischauktionen benachbarter Mitgliedstaaten konkurrieren im direkten Wettbewerb untereinander um die Fischer aus verschiedenen Mitgliedstaaten. Folglich würde jeder Vorteil, der einem Akteur auf diesem Markt gewährt wird, den Wettbewerb unter den Fischauktionen verfälschen oder zu verfälschen drohen und somit den Handel innerhalb der Gemeinschaft beeinträchtigen.

(244)

Diese Auffassung wird durch die Stellungnahmen der Beteiligten bestätigt. So haben auch Fischauktionen und Vereinigungen von Fischauktionen im Vereinigten Königreich, den Niederlanden und anderen europäischen Ländern ihr Interesse an dem Verfahren bekundet und die Beeinträchtigungen ihrer Geschäfte dargestellt, die durch die staatlichen Beihilfemaßnahmen ihrer Meinung nach hervorgerufen worden waren.

(245)

Nicht zuletzt stellt die Kommission fest, dass die belgischen Behörden angegeben haben, dass nicht nur belgische, sondern auch Fischauktionen anderer Mitgliedstaaten Interesse am Kauf der Fischauktion Ostende bekundet hatten.

(246)

Was die Märkte für Vermietungsdienstleistungen anbelangt, so kann eine Beihilfe für Unternehmen, die in diesem Wirtschaftszweig tätig sind, den Wettbewerb mit Unternehmen, die Vermietungsdienstleistungen in anderen Fischereihäfen, auch in anderen Mitgliedstaaten, anbieten, und mit Unternehmen, die Gebäude in der Nähe des Fischereihafens Ostende vermieten (wobei hierunter auch Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten sein können), verfälschen. Außerdem könnten die Beihilfemaßnahmen dazu beigetragen haben, die Marktposition von AGVO und PAKHUIZEN zu festigen oder auszubauen, deren Tätigkeit ohne die Beihilfe möglicherweise von einem anderen Unternehmen übernommen worden wäre oder hätte übernommen werden können. Es sei daran erinnert, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes allein die Tatsache, dass die Wettbewerbsposition eines Unternehmens gegenüber konkurrierenden Unternehmen gestärkt wird, indem ihm ein wirtschaftlicher Vorteil verschafft wird, den es bei normalem Verlauf seiner Geschäfte nicht erlangt hätte, auf eine mögliche Verfälschung des Wettbewerbs hindeutet (57).

(247)

Mit Blick auf die Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Betrieb des Fischereihafens ist die Kommission der Auffassung, dass Beihilfen für derartige Unternehmen den Wettbewerb mit Unternehmen, welche andere Fischereihäfen betreiben, die mit dem Fischereihafen Ostende im Wettbewerb stehen, verfälschen könnten. Außerdem könnten die Beihilfemaßnahmen dazu beigetragen haben, die Marktstellung eines Unternehmens zu festigen oder auszubauen, dessen Tätigkeit ohne die Beihilfe von einem anderen Unternehmen übernommen worden wäre oder hätte übernommen werden können (58).

(248)

Die Kommission möchte ergänzen, dass AGVO und PAKHUIZEN zwar nicht unmittelbar auf dem Fischauktionsmarkt aktiv sind, jedoch Nebendienstleistungen für diesen Wirtschaftszweig anbieten, die Einfluss auf die Attraktivität der Fischauktion haben. Die Kommission stellt weiter fest, dass AGVO durch ihr Tochterunternehmen EVO indirekt auf dem Fischauktionsmarkt tätig ist. Beihilfen für AGVO und PAKHUIZEN können somit Wettbewerb und Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht nur auf dem spezifischen Markt verfälschen, auf dem diese tätig sind (Vermietungsmarkt und Fischereihafenmarkt), sondern auch auf dem Fischauktionsmarkt.

10.1.5.   SCHLUSSFOLGERUNG

(249)

Daher vertritt die Kommission die Auffassung, dass hinsichtlich der folgenden Maßnahmen davon auszugehen ist, dass sie die in Artikel 107 Absatz 1 AEUV genannten Voraussetzungen erfüllen und somit staatliche Beihilfen darstellen:

a)

die Vorteile, die AGVO durch folgende Entscheidungen der Stadt gewährt wurden:

die Entscheidung über die Bereitstellung eines Startkapitals von 250 Mio. BEF (6 179 338 EUR);

die Entscheidung über die Gewährung des alleinigen Rechts zur Nutzung des innerhalb des Fischereihafens gelegenen Geländes und der dort gelegenen Gebäude;

die Entscheidung über die Zuführung von Gebäuden;

die Entscheidung über die Gewährung kostenloser Kreditgarantien und

die Entscheidung über die Gewährung des Rechts, Kommunalabgaben zu erheben und zu verwenden;

b)

die Vorteile, die EVO durch folgende Entscheidungen gewährt wurden:

die Entscheidung der Stadt, EVO kostenlose Kreditgarantien zu gewähren;

die Entscheidung von AGVO, ihre Gebäude EVO kostenlos zur Nutzung zu überlassen und

die Entscheidung von AGVO, EVO ein Anfangskapital sowie Kapitalaufstockungen in Höhe von insgesamt 3 969 000 EUR zur Verfügung zu stellen.

c)

die Vorteile, die PAKHUIZEN durch die Stadt bzw. nachfolgend durch AGVO mit dem langfristigen Mietvertrag über die Nutzung ihrer Gebäude gewährt wurden.

10.2.   VEREINBARKEIT

(250)

Eine staatliche Beihilfe kann dann für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden, wenn darauf eine der im AEUV vorgesehenen Ausnahmen zutrifft. Die betroffenen Unternehmen sind überwiegend im Fischereisektor tätig. Darüber hinaus sind sie auch auf dem Markt für Vermietungsdienstleistungen tätig. Die Kommission ist der Auffassung, dass es sich bei AGVO als Geschäftsführerin des Fischereihafens und EVO als Betreiberin der Fischauktion um Unternehmen handelt, bei denen davon auszugehen ist, dass sie einen erheblichen Teil ihrer Geschäftstätigkeit im Rahmen des Fischereisektors ausüben. Bei PAKHUIZEN ist offenbar weniger offensichtlich davon auszugehen, dass das Unternehmen eine Geschäftstätigkeit im Fischereisektor ausübt.

(251)

Im Fischereisektor gelten staatliche Beihilfemaßnahmen als mit dem Binnenmarkt vereinbar, wenn sie die in den Fischereileitlinien genannten Voraussetzungen erfüllen. Gemäß Ziffer 5.3 der geltenden Fischereileitlinien werden „rechtswidrige Beihilfen“ im Sinne von Artikel 1 Buchstabe f der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 anhand der Leitlinien geprüft, die zu dem Zeitpunkt galten, an dem der Verwaltungsakt zur Beihilfe in Kraft getreten ist. Folglich ist die Beihilfe auf der Grundlage der Fischereileitlinien von 2001, 2004 und 2008 zu bewerten.

(252)

Sofern PAKHUIZEN nicht als Fischereiunternehmen zu betrachten ist, stellt die Kommission fest, dass die Beihilfe auf der Grundlage der allgemeinen, für alle Wirtschaftszweige geltenden Vorschriften und auf der Grundlage der Ziele der Beihilfe zu bewerten ist.

(253)

Abschließend stellt die Kommission fest, dass die belgischen Behörden gegen die Analyse der Kommission, soweit diese die Vereinbarkeit betraf, keine Einwände geltend gemacht haben.

10.2.1.   BEIHILFE ZUGUNSTEN VON AGVO

(254)

Hinsichtlich der staatlichen Beihilfe, die AGVO von der Stadt gewährt wurde, muss bei der Bewertung zwischen den verschiedenen Maßnahmen und den Zeitpunkten, zu denen diese stattfanden, unterschieden werden.

10.2.1.1.    Anfangskapital

(255)

Die belgischen Behörden haben geltend gemacht, dass das Anfangskapital im Gesamtrahmen der Umstrukturierung der Fischauktion Ostende zu sehen sei.

(256)

Gemäß Ziffer 2.2.4 der Fischereileitlinien von 2001, die zum Zeitpunkt der Umstrukturierung galten, sind Beihilfen zur Umstrukturierung von Unternehmen nach den Leitlinien zur Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten zu prüfen, die zu dem Zeitpunkt galten, zu dem die Beihilfe gewährt wurde, d. h. nach den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999; dies gilt auch für Unternehmen, die im Fischerei- und Aquakultursektor tätig sind (59).

(257)

Gemäß Ziffer 2.1 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 ist ein Unternehmen als ein Unternehmen in Schwierigkeiten zu betrachten, wenn es nicht in der Lage ist, mit eigenen finanziellen Mitteln oder Fremdmitteln, die ihm von seinen Eigentümern/Anteilseignern oder Gläubigern zur Verfügung gestellt werden, Verluste zu beenden, die das Unternehmen auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher in den wirtschaftlichen Untergang treiben werden, wenn der Staat nicht eingreift. Zu den typischen Symptomen eines Unternehmens in Schwierigkeiten gehören zunehmende Verluste, sinkende Umsätze, wachsende Lagerbestände, Überkapazitäten, verminderter Cashflow, zunehmende Verschuldung und Zinsbelastung sowie Abnahme oder Verlust des Reinvermögenswerts.

(258)

Nach Auffassung der Kommission besteht kein Zweifel, dass die Fischauktion Ostende im Jahr 2001 alle Symptome eines Unternehmens in Schwierigkeiten aufwies. Tatsächlich war, wie in Erwägungsgrund 17 erläutert, im Zeitraum von 1991 bis 2001 der Anteil der Fischauktion Ostende an den Fischanlandungen in den belgischen Häfen von rund 37 % auf 20 % gesunken. Von 1997 bis 2001 fiel der Umsatz der Fischauktion von 20 550 000 EUR auf 13 440 000 EUR, und über viele Jahre hinweg erlitt die Stadt durchschnittliche jährliche Verluste in Höhe von 1 850 000 EUR. Folglich musste die Stadt 2001 die Entscheidung treffen, ob die Auktion geschlossen oder aber umstrukturiert werden sollte. Die Kommission ist daher der Ansicht, dass die Fischauktion Ostende als ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 zu qualifizieren ist. Dieser Schlussfolgerung haben die belgischen Behörden nicht widersprochen.

(259)

Zwar wurde AGVO als Rechtsperson neu gegründet, doch weist die Kommission darauf hin, dass die Bildung des Anfangskapitals von AGVO Teil des Plans zur Umstrukturierung der Fischauktion Ostende war. Da es sich bei dieser um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelte und AGVO lediglich für die Zwecke der Umstrukturierung der Fischauktion Ostende gegründet wurde und da AGVO nicht nur die Vermögenswerte der Fischauktion Ostende, sondern auch die finanzielle Belastung verschiedener Bankkredite übernahm, kann AGVO als ein Unternehmen betrachtet werden, das sich zu dem Zeitpunkt, zu dem das Anfangskapital bereitgestellt wurde, in Schwierigkeiten befand. Somit kann davon ausgegangen werden, dass das Anfangskapital eine Umstrukturierungsbeihilfe (60) im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 darstellt.

(260)

Zwar ist AGVO gemäß Ziffer 30 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 förderfähig, doch erfüllt die Beihilfe für die Umstrukturierung der Fischauktion durch die Gründung von AGVO und deren Ausstattung mit einem Anfangskapital in Höhe von 250 Mio. BEF (6 179 338 EUR) nicht die in Ziffer 32 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 festgelegten Vereinbarkeitsvoraussetzungen.

(261)

Insbesondere muss gemäß Ziffer 32 der Leitlinien Folgendes zutreffen: „Der Umstrukturierungsplan, dessen Laufzeit möglichst begrenzt sein muss, soll die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des Unternehmens innerhalb einer angemessenen Frist auf der Grundlage realistischer Annahmen hinsichtlich seiner künftigen Betriebsbedingungen erlauben.“ Die Kommission ist nicht der Auffassung, dass der in Erwägungsgrund 19 erwähnte Umstrukturierungsplan diese Voraussetzungen erfüllt. Diesbezüglich stellt die Kommission fest, dass der Plan keine spezifischen unternehmensinternen Maßnahmen zur Verbesserung des Betriebs der Auktion und zur Aufgabe defizitärer Tätigkeitsbereiche vorsieht.

(262)

Außerdem ist der Umstrukturierungsplan — entgegen der Anforderungen gemäß Ziffer 32 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 — offenbar nicht auf eine Marktstudie gestützt, die Informationen über die voraussichtliche Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf dem betroffenen Markt sowie die übrigen in Anhang I der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 genannten Informationen enthält.

(263)

Der Umstrukturierungsplan enthält auch nicht die unter Ziffer 33 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 genannten Bestandteile, d. h. er beschreibt nicht die Umstände, die zu den Schwierigkeiten des Unternehmens geführt haben, damit beurteilt werden kann, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen angemessen sind, und er berücksichtigt nicht die aktuelle Situation und voraussichtliche Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf den Märkten der betreffenden Produkte mit verschiedenen Szenarien, die einer optimistischen, einer pessimistischen und einer mittleren Hypothese entsprechen, sowie die spezifischen Stärken und Schwächen des Unternehmens.

(264)

Ferner stellt die Kommission fest, dass die verfügbaren Informationen keinerlei Nachweis enthalten, aus dem hervorgeht, dass die Beihilfe auf das für die Umstrukturierung unbedingt notwendige Mindestmaß beschränkt wurde, wie unter Ziffer 40 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 gefordert, oder dass vom Beihilfeempfänger verlangt wurde, einen Beitrag aus eigenen Mitteln zu leisten. Diesbezüglich ist auch festzuhalten, dass gemäß Ziffer 41 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 die Beihilfe nur zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des Unternehmens dienen und dem Beihilfeempfänger nicht die Möglichkeit geben darf, während der Durchführung des Umstrukturierungsplans seine Produktionskapazitäten zu erweitern. Vielmehr ist — wie weiter oben festgestellt — dem 2001 aufgestellten Finanzplan zu entnehmen, dass die Fischauktion innerhalb von acht Jahren saniert werden könnte, ohne dass hierfür die gesamten 250 Mio. BEF in Anspruch genommen werden müssten. Der Geschäftsplan prognostiziert auch eine Umsatzsteigerung um 10 % während der ersten fünf Jahre nach der Umstrukturierung der Fischauktion, was bedeuten könnte, dass eine Expansion der Fischauktion angestrebt wurde. Der Sanierungsplan war damit offenbar nicht darauf ausgerichtet sicherzustellen, dass die Beihilfe nur zur Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens verwendet würde, und versetzt die Fischauktion offenbar in die Lage, die zusätzliche Liquidität dazu zu nutzen, ihre Produktionskapazitäten und ihre Wirtschaftstätigkeiten zu erweitern und/oder aggressiv auf dem Markt aufzutreten. Die vorgelegten Informationen vermitteln den Anschein, als ob in der Tat die Beihilfe zur Erweiterung der Wirtschaftstätigkeiten der Fischauktion (61) und für ein aggressives und marktverzerrendes Verhalten verwendet wurde (62).

(265)

Die Kommission bemerkt ferner, dass der Umstrukturierungsplan keine Maßzahlen vorsieht, die die vollständige Umsetzung des Plans und die Einhaltung aller darin genannten Bedingungen sicherstellen.

(266)

Zudem hat Belgien nicht nachgewiesen, dass entweder Gegenleistungen gemäß den Ziffern 35 bis 39 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 verlangt oder alternativ die unter den Ziffern 73 bis 82 der Leitlinien festgelegten spezifischen (alternativen) Bedingungen für die Landwirtschaft (einschließlich der Fischerei) eingehalten wurden (63). Tatsächlich hat die Stadt — entgegen der Bestimmungen unter Ziffer 35 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 — offenbar keinerlei Maßnahmen ergriffen, um nachteilige Auswirkungen der Beihilfe auf Konkurrenten nach Möglichkeit abzumildern. Dabei ist es in Anbetracht der speziellen Situation der Fischauktionen, insbesondere angesichts des begrenzten Angebots aufgrund der restriktiven Erhaltungsmaßnahmen, die jedes Jahr auf der Unionsebene verabschiedet werden, sehr wahrscheinlich, dass die Beihilfe auf konkurrierende Fischauktionen nachteilige Auswirkungen hätte, so dass die Stadt diesem Punkt besonderes Augenmerk hätte widmen müssen.

(267)

Folglich ist die Beihilfe, die AGVO für die Umstrukturierung der Fischauktion gewährt wurde, weder mit den in den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 genannten Voraussetzungen noch mit den Fischereileitlinien von 2001 vereinbar, in denen auf die Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien Bezug genommen wird.

(268)

Soweit die Bereitstellung von Kapital als Ausgleich für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse betrachtet werden könnte, verweist die Kommission auf ihre Analyse unter Ziffer 10.2.1.4.

10.2.1.2.    Übertragung der Eigentumsrechte an Gebäuden und Gewährung des alleinigen Rechts zur Nutzung von Gelände und Gebäuden

(269)

Wie unter Ziffer 10.1.2.2.2 festgestellt, erfolgte die am 14. März 2002 ausgesprochene Gewährung des alleinigen Rechts zur kostenlosen Nutzung der Gebäude und die nachfolgende Übertragung der Eigentumsrechte an mehreren Gebäuden mit einer Gesamtfläche von 57 500 m2 durch die Stadt, ohne dass AGVO hierfür Verpflichtungen in vergleichbarem Wert auferlegt wurden. Wie festgestellt, enthalten offenbar weder die Satzung noch die Übertragungsurkunde irgendwelche besonderen unüblichen Bedingungen oder Verpflichtungen, die den Verzicht auf eine Miete oder Vergütung rechtfertigen würden.

(270)

Diese Maßnahme muss daher als Beihilfe betrachtet werden, die mit der Absicht gewährt wurde, die Stellung des Unternehmens zu verbessern und seine Liquidität zu steigern, wodurch die Produktionskosten des Beihilfeempfängers gesenkt werden.

(271)

Die Kommission kann nicht erkennen, inwiefern diese Beihilfe mit den in den Fischereileitlinien von 2001 genannten Vorschriften für die Vereinbarkeit in Einklang stehen könnte, und auch von den belgischen Behörden wurden diesbezüglich keine Nachweise vorgelegt.

(272)

Soweit die alleinigen Nutzungsrechte und die kostenlose Übertragung der Eigentumsrechte im Rahmen der Umstrukturierung der Fischauktion zu betrachten wären, hat die Kommission in Erwägungsgrund 260 ff. dieses Beschlusses bereits festgestellt, dass die in den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, wiewohl AGVO zu dem Zeitpunkt, zu dem die Maßnahmen für die Umstrukturierungsbeihilfe gewährt wurden, förderfähig gewesen wäre (d. h. als Unternehmen in Schwierigkeiten zu qualifizieren war).

(273)

Zu der Frage, inwieweit die alleinigen Nutzungsrechte und die kostenlose Übertragung der Eigentumsrechte als Ausgleich für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse betrachtet werden könnten, verweist die Kommission auf ihre Analyse unter Ziffer 10.2.1.4 dieses Beschlusses.

10.2.1.3.    Kreditgarantien

(274)

Die belgischen Behörden sind der Ansicht, dass zwischen den kostenlosen Garantien für Kredite, die für Renovierungsarbeiten verwendet wurden, und denjenigen, die zur Stützung von EVO verwendet wurden, unterschieden werden müsse.

(275)

Diesbezüglich haben sie eingeräumt, dass ein Kredit in Höhe von 550 000 EUR zur Stützung von EVO verwendet wurde.

(276)

Die belgischen Behörden haben geltend gemacht, dass kostenlose Garantien für Kredite, die zur Stützung von EVO verwendet wurden, im Gesamtrahmen der Umstrukturierung der Fischauktion zu sehen seien.

(277)

Die Kommission hält jedoch fest, dass — wie in Erwägungsgrund 260 ff. festgestellt, AGVO zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem die Maßnahmen für die Umstrukturierungsbeihilfe gewährt wurden, förderfähig gewesen wäre (d. h. als Unternehmen in Schwierigkeiten zu qualifizieren war), die in den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 genannten Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt sind.

(278)

Außerdem stellt die Kommission fest, dass es sich bei den kostenlosen Garantien um Beihilfemaßnahmen handelt, welche im Umstrukturierungsplan nicht erwähnt werden. Die Kommission erinnert daran, dass gemäß Ziffer 3.2.3 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 und Ziffer 3.3 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 2004 (64) Umstrukturierungsbeihilfen nur einmal gewährt werden dürfen. Daher sind selbst dann, wenn angenommen würde, dass die ursprüngliche Beihilfe mittels Anfangskapital usw. mit den anwendbaren Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien vereinbar gewesen wäre, was nicht der Fall war, die kostenlosen Garantien nicht mit dem Grundsatz der einmaligen Beihilfe vereinbar.

(279)

Die belgischen Behörden unterstellen offenbar, dass die Stadt sich schließlich anstelle der Auszahlung der weiteren jährlichen Teilzahlungen des Anfangskapitals zur Gewährung kostenloser Kreditgarantien entschied. Die Kommission stellt jedoch fest, dass der Umstrukturierungsplan nicht entsprechend der Ziffer 52 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 und der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 2004 geändert wurde. Zudem ist nicht klar ersichtlich, ob die Höhe der Beihilfe aufgestockt oder verringert wurde oder ob die Form der Beihilfe verändert wurde. In der Tat bleibt festzuhalten, dass — wiewohl nicht alle Teilbeträge des Anfangskapitals, wie ursprünglich vorgesehen, jährlich ausgezahlt wurden, AGVO rechtlichen Anspruch darauf hatte, von ihrem Anteilseigner die Auszahlung des restlichen Anfangskapitals zu verlangen. Diesen Anspruch hat AGVO 2006 und 2007, als zwei weitere Teilbeträge an AGVO ausgezahlt wurden, geltend gemacht.

(280)

Folglich gelangt die Kommission zu der Auffassung, dass die kostenlose Garantie für den Kredit über 550 000 EUR weder mit den in den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999, noch mit den in den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 2004 genannten Voraussetzungen und auch nicht mit den Fischereileitlinien von 2004, in denen auf die Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien Bezug genommen wird, vereinbar ist.

(281)

Hinsichtlich der kostenlosen Garantien für Kredite, die für Renovierungsarbeiten verwendet wurden, verweist die Kommission auf ihre Analyse unter Ziffer 10.2.1.4 dieses Beschlusses.

10.2.1.4.    Abgaben und Ausgleich für die Erbringung von öffentlichen Dienstleistungen

(282)

Die belgischen Behörden haben geltend gemacht, dass ein Teil des Anfangskapitals, ein Teil der Gebäude und ein Teil der Kredite, für die Garantien gewährt wurden, für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichem) Interesse verwendet worden seien, nämlich für den Betrieb des Fischereihafens und die Vermietung von Gebäuden an öffentliche und halböffentliche Einrichtungen. Sie vertraten auch die Auffassung, dass das Recht, von den Nutzern des Fischereihafens Abgaben zu erheben (und diese zu verwenden) als Teil der Aufgaben von allgemeinem Interesse von AGVO anzusehen sei.

(283)

Die belgischen Behörden haben nicht nachgewiesen, dass diese Maßnahmen nach Artikel 106 Absatz 2 AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden können. Es muss daran erinnert werden, dass dem Mitgliedstaat, der sich auf Artikel 106 Absatz 2 AEUV als Ausnahme von den grundlegenden Vorschriften des Vertrags beruft, der Nachweis obliegt, dass dessen Tatbestand erfüllt ist (65). In jedem Fall hat die Kommission geprüft, ob die Beihilfemaßnahmen in gewissem Umfang als Ausgleich für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse betrachtet werden könnten, der entsprechend den in Artikel 106 Absatz 2 AEUV festgelegten Bedingungen gewährt wurde.

(284)

Diesbezüglich hat die Kommission — in ihren Mitteilungen über Leistungen der Daseinsvorsorge von 1996 (66) und 2001 (67) sowie im Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden (68), von 2005 (nachstehend „Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen von 2005“) — die Voraussetzungen formuliert, unter denen staatliche Beihilfen als mit Artikel 106 Absatz 2 AEUV vereinbar befunden werden können.

(285)

Eine dieser Voraussetzungen besteht darin, dass das begünstigte Unternehmen von dem Mitgliedstaat mit der Erbringung einer besonderen Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut worden sein muss. So müssen in dem Verwaltungs- oder Rechtsakt, durch den die besondere Aufgabe übertragen wird, die genaue Art, der Umfang und die Dauer der auferlegten Gemeinwohlverpflichtung sowie der Name des beauftragten Unternehmens niedergelegt sein.

(286)

Die Kommission könnte zustimmen, dass AGVO durch ihre Satzung mit dem Betrieb des Fischereihafens betraut wurde und dass die Übertragung dieser Aufgabe eine gewisse Gemeinwohlverpflichtung beinhaltet.

(287)

Was jedoch die Vermietungstätigkeiten von AGVO anbelangt, stellt die Kommission fest, dass die AGVO auferlegte Gemeinwohlverpflichtung nicht genau festgelegt ist. Insbesondere war keine Bestimmung zu finden, die AGVO diesbezüglich bestimmte Verpflichtungen auferlegt hätte, und die belgischen Behörden haben hierzu keine weiteren Informationen vorgelegt. Die belgischen Behörden sind offenbar der Auffassung, dass die Tatsache, dass es sich bei den Einrichtungen, an die die Gebäude vermietet werden, um öffentliche und halböffentliche Einrichtungen handelt, zwangsläufig impliziert, dass die Unternehmen, die die Gebäude an diese Einrichtungen vermieten, selbst eine Dienstleistung von allgemeinem öffentlichem Interesse erbringen. Diesen Standpunkt kann sich die Kommission jedoch nicht anschließen, da diese Tatsache an sich nicht die Betrauung mit einer oder die Auferlegung einer bestimmten Gemeinwohlverpflichtung impliziert, die sich von der Verpflichtung, die einem privaten Vermieter obliegt, unterscheiden würde. Die Kommission gelangt daher zu dem Schluss, dass Belgien nicht nachgewiesen hat, dass AGVO im Zusammenhang mit ihren Vermietungstätigkeiten mit einer Gemeinwohlverpflichtung betraut wurde.

(288)

Außerdem ist die Kommission der Auffassung, dass die Beihilfemaßnahmen zugunsten von AGVO auch nicht den Anforderungen der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit genügen.

(289)

Die Anforderungen hinsichtlich der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des Ausgleichs sind wie folgt festgelegt (siehe insbesondere die Ziffern 14, 15 und 17 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen von 2005):

Die Höhe des Ausgleichs darf nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die durch die Erfüllung der Gemeinwohlverpflichtung verursachten Kosten unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und einer angemessenen Rendite aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen abzudecken.

Darin enthalten sind sämtliche vom Staat oder aus staatlichen Mitteln in jedweder Form gewährten Vorteile, unabhängig von ihrer Einstufung für die Zwecke von Artikel 107 AEUV.

In jedem Fall darf der Ausgleich nur für das Funktionieren der betreffenden Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse verwendet werden. Der für das Funktionieren einer öffentlichen Dienstleistung gewährte Ausgleich, der dazu verwendet wird, um auf anderen Märkten tätig zu werden, ist nicht gerechtfertigt und stellt daher eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe dar.

(290)

Die Kommission stellt fest, dass in diesem Fall die Anforderungen der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit nicht eingehalten wurden. Belgien hat eingeräumt, dass für den Ausgleich keine Parameter festgelegt wurden. Weiter haben die belgischen Behörden gegenüber der Kommission erklärt, dass nicht bestimmt werden konnte, welche Kosten durch die Erbringung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstanden und welche Einnahmen durch die Erbringung dieser Verpflichtungen erwirtschaftet wurden. Die Kommission stellt weiter fest, dass AGVO für ihre verschiedenartigen Tätigkeiten keine getrennten Konten führt. Folglich kann der Ausgleich für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse für Tätigkeiten in anderen Märkten verwendet werden. Verschiedene Belege in den Akten lassen darauf schließen, dass tatsächlich ein überhöhter Ausgleich gewährt wurde. So wurde beispielsweise im Hinblick auf kostenlose Kreditgarantien in Erwägungsgrund 186 ff. festgestellt, dass die Kredite, für die Garantien gewährt wurden, für andere Zwecke als die ursprünglich vorgesehenen genutzt werden konnten und genutzt wurden. Da außerdem die Höhe des EVO zur Verfügung gestellten Kapitals (3 969 000 EUR) und der Preis, der für den Kauf der Anteile an PAKHUIZEN gezahlt wurde (350 000 EUR) (insgesamt 4 319 000 EUR) die Höhe des tatsächlich in AGVO eingebrachten Kapitals (3 596 665,62 EUR) übersteigen, hat AGVO zu deren Finanzierung notwendigerweise Kredite und womöglich Abgaben verwendet.

(291)

Daher kann die Kommission die Beihilfemaßnahmen nicht als mit den für die Zwecke von Artikel 106 Absatz 2 AEUV festgelegten Voraussetzungen vereinbar betrachten.

10.2.2.   BEIHILFE ZUGUNSTEN VON EVO

(292)

Hinsichtlich der staatlichen Beihilfe, die AGVO und EVO von der Stadt gewährt wurde, muss für die Bewertung zwischen den verschiedenen Maßnahmen und den Zeitpunkten, zu denen diese durchgeführt wurden, unterschieden werden.

(293)

Folgende Entscheidungen müssen im Lichte der Fischereileitlinien von 2001 bewertet werden:

die Entscheidungen der Stadt über die Gewährung kostenloser Kreditgarantien vom 28. Juni und 27. September 2002 sowie vom 23. April 2004;

die Entscheidung von AGVO, EVO, ab dem 8. August 2002 die andauernde kostenlose Nutzung der im Besitz von AGVO befindlichen Gebäude mit einer Gesamtfläche von 13 600 m2 zu gestatten;

die Entscheidung von AGVO vom 22. August 2002, EVO ein Startkapital in Höhe von 371 840 EUR zur Verfügung zu stellen.

(294)

Folgende Entscheidungen müssen im Lichte der Fischereileitlinien von 2004 bewertet werden:

die Entscheidung der Stadt über die Gewährung einer kostenlosen Garantie für einen Kredit vom 22. April 2005;

die Entscheidungen von AGVO vom 31. Dezember 2004, 31. Dezember 2005 und 21. Dezember 2007, durch Schuldenerlass das Kapital von EVO aufzustocken.

(295)

Folgende Entscheidungen müssen im Lichte der Fischereileitlinien von 2001 und 2004 bewertet werden:

die zwischen dem 22. August 2002 und dem 3. August 2006 getroffenen Entscheidungen von AGVO über die Gewährung kostenloser Kreditgarantien in Höhe von 600 000 EUR.

(296)

Folgende Entscheidung muss im Lichte der Fischereileitlinien von 2004 und 2008 bewertet werden:

die zwischen dem 27. September 2007 und dem 4. September 2008 getroffene Entscheidung von AGVO über die Gewährung einer kostenlosen Garantie für einen Kredit in Höhe von 78 000 EUR.

10.2.2.1.    Kreditgarantien und Recht zur kostenlosen Nutzung der Fischauktion

(297)

Gemäß Ziffer 1.2 der Fischereileitlinien von 2001 und Ziffer 3.7 der Fischereileitlinien von 2004 sind staatliche Beihilfen, die gewährt werden, ohne dass von den Begünstigten eine Verpflichtung hinsichtlich der Verwendung verlangt wird, und die zur Verbesserung der finanziellen und sonstigen Lage ihrer Betriebe bestimmt sind oder deren Beträge sich nach der erzeugten oder vermarkteten Menge, dem Preis der Erzeugnisse, der Produktions- oder Produktionsmitteleinheit richten und die eine Produktionskostensenkung oder Einkommensverbesserung der Begünstigten zum Ergebnis hätten, als Betriebsbeihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Gemäß Ziffer 3.4 der Fischereileitlinien von 2008 sind Betriebsbeihilfen, die zum Beispiel der Verbesserung der finanziellen Lage des Betriebs des Begünstigten dienen oder sich nach der erzeugten oder vermarkteten Menge, dem Preis der Erzeugnisse, der Anzahl der Erzeugnisse oder dem Produktionsverfahren richten und eine Produktionskostensenkung oder Einkommensverbesserung des Begünstigten zur Folge hätten, grundsätzlich mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Betriebskosten können nur dann als vereinbar angesehen werden, wenn sie klar und deutlich zu den Zielen der gemeinsamen Fischereipolitik beitragen.

(298)

Die vorliegenden Informationen legen den Schluss nahe, dass die kostenlosen Kreditgarantien und das Recht zur kostenlosen Nutzung der Fischauktion gewährt wurden, ohne dass von EVO eine besondere Verpflichtung verlangt wurde, durch welche die Beihilfe mit einer der in den Fischereileitlinien genannten Voraussetzungen vereinbar würde.

(299)

Vielmehr hat es den Anschein, als ob die kostenlosen Garantien auf reine Anforderung hin für Kredite zu verschiedenen Zwecken gewährt wurden und dass hierfür keine besonderen Voraussetzungen oder Verpflichtungen verlangt wurden.

(300)

Aus den von den belgischen Behörden übermittelten Informationen geht sogar hervor, dass selbst die Tatsache, dass der Kredit, für den die Garantie gewährt wurde, letztlich für einen anderen als den ursprünglich angekündigten Zweck verwendet wurde, keine Sanktion oder die Zurücknahme der Garantie zur Folge hatte. So wurde beispielsweise offenbar der von Fortis gewährte Kredit über 1 795 000 EUR, der entsprechend der ursprünglichen Ankündigung unter anderem für den Kauf zusätzlicher Maschinen und Fischkisten sowie für die Finanzierung verschiedener Umbauarbeiten vorgesehen war, tatsächlich (zumindest teilweise) dazu verwendet, Schiffseignern Darlehen zu gewähren. Nicht nur ist die Garantie nicht zurückgezogen worden, es wurden sogar auch danach ganz offensichtlich weitere Garantien gewährt, ohne dass die Stadt EVO hierfür irgendwelche Bedingungen auferlegt hätte.

(301)

Durch die kostenlosen Garantien ist die finanzielle Lage von EVO verbessert worden, da EVO für die Garantien nichts bezahlen musste und zudem offenbar ohne die Garantien die Kredite nicht bekommen hätte.

(302)

Auch durch das Recht auf kostenlose Nutzung des Auktionsgebäudes ist die finanzielle Lage von EVO verbessert worden, da EVO die Kosten für die Miete einsparte, die das Unternehmens ansonsten unter Marktbedingungen hätte bezahlen müssen.

(303)

Für die Kommission ist nicht ersichtlich, wie die kostenlosen Garantien und das Recht auf kostenlose Nutzung der Gebäude als Beitrag zu den Zielen der gemeinsamen Fischereipolitik gesehen werden können. Die belgischen Behörden haben diesbezüglich keine Nachweise übermittelt.

(304)

Die belgischen Behörden haben geltend gemacht, dass die Maßnahmen im Gesamtrahmen der Umstrukturierung der Fischauktion zu sehen seien.

(305)

Zunächst muss bewertet werden, ob EVO nach den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien förderfähig wäre. EVO konnte im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 bzw. 2004 als Unternehmen in Schwierigkeiten betrachtet werden.

(306)

Gemäß Ziffer 8 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 und Ziffer 13 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 2004 kommt eine Gesellschaft, die einem größeren Konzern angehört, für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen grundsätzlich nicht in Frage. Allerdings kann eine solche Gesellschaft für eine derartige Beihilfe in Frage kommen, wenn sie von einem Unternehmen in Schwierigkeiten gegründet wurde. EVO wurde von AGVO gegründet; bei AGVO handelt es sich um die neue Rechtsform der 2001 umstrukturierten Fischauktion Ostende. Hierbei ist zu beachten, dass mit AGVO die ehemalige Fischauktion Ostende fortgeführt wird, welche sich in Staatsbesitz befand und keine eigene Rechtspersönlichkeit hatte. Wie in Erwägungsgrund 259 erwähnt, vertritt die Kommission ungeachtet der Neugründung die Auffassung, dass AGVO als ein Unternehmen in Schwierigkeiten zu qualifizieren ist und damit gemäß den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 für Beihilfen in Frage kommt. Da EVO im Zusammenhang mit der Umstrukturierung von AGVO gegründet wurde, kann EVO zusammen mit AGVO als ein Unternehmen in Schwierigkeiten betrachtet werden und könnte unter den in den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien Voraussetzungen Beihilfen beziehen.

(307)

Doch selbst wenn EVO gemäß den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien für Beihilfen in Frage kommt, so ist doch in Erwägungsgrund 260 ff. nachgewiesen worden, dass die in den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 festgelegten Voraussetzungen für die Vereinbarkeit nicht erfüllt sind. Außerdem gelten hinsichtlich der betreffenden Beihilfemaßnahmen, da sie im Umstrukturierungsplan nicht vorgesehen waren, dieselben Bedenken wie in Erwägungsgrund 278 ff. dargelegt.

(308)

Die kostenlosen Kreditgarantien und das Recht auf kostenlose Nutzung der Fischauktion müssen daher als Betriebsbeihilfe im Sinne der Fischereileitlinien von 2001, 2004 und 2008 betrachtet werden und tragen nicht zu den Zielen der gemeinsamen Fischereipolitik bei. Sie sind daher nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

10.2.2.2.    Anfangskapital und nachfolgende Kapitalaufstockungen

(309)

EVO ist im Rahmen der Umstrukturierung der Fischauktion Ostende gegründet worden. Die belgischen Behörden haben zudem bestätigt, dass ein Teil des Anfangskapitals von AGVO (d. h. 371 840 EUR) als Anfangskapital für die Gründung von EVO und für darauffolgende Kapitalaufstockungen verwendet worden ist.

(310)

Somit muss bewertet werden, ob das Anfangskapital und die darauf folgenden Kapitalaufstockungen als Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfe im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 bzw. der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 2004 angesehen werden können.

(311)

EVO kann zusammen mit AGVO — wie unter Ziffer 10.2.2.1. beschrieben — als ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 bzw. der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 2004 angesehen werden.

(312)

Allerdings sind — wie bereits in Erwägungsgrund 260 ff. erwähnt — die Voraussetzungen für die Vereinbarkeit im Hinblick auf Umstrukturierungsbeihilfe in diesem Fall nicht erfüllt.

(313)

Das Anfangskapital und die darauf folgenden Kapitalaufstockungen können daher nicht als mit dem Binnenmarkt vereinbar betrachtet werden.

10.2.3.   BEIHILFE ZUGUNSTEN VON PAKHUIZEN

(314)

Die Bedingungen des Mietvertrags zwischen der Stadt und PAKHUIZEN hatten zur Folge, dass PAKHUIZEN von einer jährlichen Verringerung ihrer Betriebskosten profitieren konnte. Diese Art der Beihilfe fällt nicht in den Bereich der in den Fischereileitlinien genannten Maßnahmen oder unter die Ziele anderer horizontaler oder spezifischer Leitlinien, die für derartige Unternehmen anwendbar sein könnten. Vielmehr wäre diese Art der Beihilfe sowohl nach den maßgeblichen Fischereileitlinien als auch nach den horizontalen Vorschriften für staatliche Beihilfen als nicht mit dem Binnenmarkt vereinbare Betriebsbeihilfe anzusehen.

10.2.4.   SCHLUSSFOLGERUNG

(315)

Daher gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die unter Ziffer 10.1.5 genannten Maßnahmen als staatliche Beihilfe zu betrachten sind, dass sie mit dem Binnenmarkt nicht vereinbar sind und dass die Beihilfe in dem in Abschnitt 11 dargestellten Umfang zurückzufordern ist.

11.   RÜCKFORDERUNG

(316)

Gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 entscheidet die Kommission in Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern. Dieses Ziel ist erreicht, wenn die Beihilfe, gegebenenfalls zuzüglich Verzugszinsen, vom Empfänger oder mit anderen Worten von den Unternehmen, die dadurch tatsächlich einen Vorteil besaßen, zurückgezahlt wurde.

(317)

In der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 ist keine Frist für die Prüfung von rechtswidrigen Beihilfen im Sinne von Artikel 1 Buchstabe f der Verordnung festgelegt, d. h. für Beihilfen, die gewährt wurden, bevor die Kommission in der Lage ist, zu einer Schlussfolgerung über ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu gelangen. Allerdings gelten laut Artikel 15 der Verordnung die Befugnisse der Kommission zur Rückforderung von Beihilfen für eine Frist von zehn Jahren. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger gewährt wird. Jede Maßnahme, die die Kommission bezüglich der rechtswidrigen Beihilfe ergreift, stellt eine Unterbrechung der Frist dar.

(318)

Die Frist wurde durch das Informationsersuchen unterbrochen, das Belgien am 13. März 2006 übermittelt wurde. Entsprechend bleibt die Rückforderung auf die Beihilfe begrenzt, die nach dem 13. März 1996 gewährt wurde.

(319)

Bei der Ermittlung, welche Beträge von AGVO, EVO und PAKHUIZEN zurückzufordern sind, ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass ein Teil der Beihilfe zugunsten von AGVO an EVO übertragen wurde. Entsprechend dem Hinweis der belgischen Behörden ist diese Beihilfe nur einmal vom tatsächlichen Empfänger zurückzufordern.

(320)

Daher ist in denjenigen Fällen, in denen die Beihilfe der Stadt letztlich EVO zugute kam, nur derjenige Teil der Beihilfe von AGVO zurückzufordern, der nicht an EVO übertragen wurde.

11.1.   RÜCKFORDERUNG VON EVO

(321)

Die von EVO zurückzufordernde Beihilfe setzt sich zusammen aus

dem Anfangskapital in Höhe von 371 840 EUR;

den nachfolgenden Kapitalaufstockungen in Höhe von 1 387 044 EUR, 710 000,75 EUR und 1 500 114,96 EUR;

dem durch die Gewährung kostenloser Kreditgarantien entstandenen Vorteil;

dem durch die kostenlose Nutzung der Fischauktion vom 22. August 2002 bis zum letzten Tag, an dem die Fischauktion EVO zur Verfügung stand, entstandenen Vorteil.

(322)

Das Beihilfeelement der kostenlosen Garantien ist grundsätzlich mit der Höhe der Kredite gleichzusetzen, für die Garantien gewährt wurden, es sei denn, die belgischen Behörden weisen nach, dass es EVO möglich gewesen wäre, derartige Garantien auf dem Markt zu erhalten; in diesem Fall entspricht das Beihilfeelement der wahrscheinlichen Prämie, die für die Garantien auf dem Markt hätte bezahlt werden müssen.

(323)

Die belgischen Behörden haben erklärt, dass die beiden Kredite, für die im Jahr 2002 Garantien gewährt wurden, von EVO letztlich nicht in Anspruch genommen wurden. Folglich wurde die Beihilfe zwar gewährt (die Entscheidung, eine kostenlose Garantie zu gewähren, war getroffen worden), jedoch entstand EVO dadurch letztlich kein Vorteil. Die Beihilfe aufgrund der kostenlosen Garantien für Kredite, die am 28. Juni und 27. September 2002 beschlossen wurde, ist daher nicht zurückzufordern. Folglich ist ein Betrag von 4 284 995 EUR (3 606 995 + 78 000 + 600 000) zurückzufordern.

11.2.   RÜCKFORDERUNG VON PAKHUIZEN

(324)

Die von PAKHUIZEN zurückzufordernde Beihilfe besteht aus dem Vorteil, der dadurch zustande kam, dass der langfristige Mietvertrag nicht zum Marktpreis abgeschlossen wurde.

(325)

Gemäß Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 gilt für die Rückforderung eine Frist von zehn Jahren, zurückgerechnet auf die Zeit vor dem 13. März 2006.

(326)

Der Vorteil besteht in der Vergütung (Miete), die unter üblichen Marktbedingungen für den langfristigen Mietvertrag für die Gebäude zu zahlen gewesen wäre, abzüglich a) der jährlich gezahlten 25 EUR und b) der Renovierungskosten, die PAKHUIZEN entstanden sind und die nach den üblichen Bestimmungen des belgischen Rechts nicht von PAKHUIZEN zu zahlen gewesen wären (69). Die Frist läuft bis zum Tag der Rückforderung oder — falls der Mietvertrag vor Anordnung der Rückforderung beendet wurde — dem Tag, zu dem der Mietvertrag endete.

11.3.   RÜCKFORDERUNG VON AGVO

(327)

Die von AGVO zurückzufordernde Beihilfe setzt sich zusammen aus dem Anfangskapital, dem Vorteil durch die Gewährung kostenloser Kreditgarantien, dem Vorteil durch die alleinige Nutzung von Gelände und Gebäuden des Fischereihafens Ostende vom 14. März 2002 bis zum 25. März 2004 (für die Gebäude, die danach AGVO übertragen wurden) und vom 14. März 2002 bis zum Zeitpunkt der Rückforderung (für das Gelände und die übrigen Gebäude, die nicht Gegenstand der am 26. März 2004 ausgefertigten Übertragungsurkunde waren) sowie dem Vorteil durch die kostenlose Übertragung der Eigentumsrechte an Gebäuden mit einer Gesamtfläche von 57 500 m2 im Fischereihafen Ostende am 26. März 2004.

(328)

Hinsichtlich des Anfangskapitals ist den der Kommission vorliegenden Informationen zu entnehmen, dass zwar eine Beihilfe in Höhe von Mio. 250 BEF (6 200 000 EUR) gewährt wurde, dieser Betrag jedoch noch nicht vollständig ausbezahlt worden ist. Die Rückforderungsanordnung ist daher auf den tatsächlich an AGVO ausgezahlten Betrag zu beschränken, d. h. nach dem neuesten Informationsstand der Kommission auf 3 596 665,62 EUR. Sollte ein höherer Betrag an AGVO ausgezahlt worden sein, ist die Differenz ebenfalls zurückzufordern.

(329)

Das Beihilfeelement der kostenlosen Garantien ist grundsätzlich mit der Höhe der Kredite gleichzusetzen, für die Garantien gewährt wurden, es sei denn, die belgischen Behörden weisen nach, dass es AGVO möglich gewesen wäre, derartige Garantien auf dem Markt zu erhalten; in diesem Fall entspricht das Beihilfeelement der wahrscheinlichen Prämie, die für die Garantien zu dem Zeitpunkt auf dem Markt hätte bezahlt werden müssen, zu dem diese vereinbart wurden (26. März 2004, 23. April 2004 und 22. April 2005).

(330)

Werden auf dem Markt keine Garantien für die betreffende Art von Transaktionen gewährt, so ist das Beihilfeelement in der gleichen Weise zu berechnen wie das Subventionsäquivalent eines zinsvergünstigten Darlehens, d. h. als Differenz zwischen dem marktüblichen Zinssatz, der für AGVO ohne die Garantie gegolten hätte, und dem Zinssatz, der AGVO dank der staatlichen Garantie berechnet wurde. Kann kein marktüblicher Zinssatz herangezogen werden und möchte der Mitgliedstaat als Ersatzgröße den Referenzzinssatz anwenden, so verweist die Kommission darauf, dass für die Berechnung der Beihilfeintensität einer Einzelgarantie die Mitteilung der Kommission über die Änderung der Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze (70) anwendbar ist. Somit ist der Zuschlag gebührend zu berücksichtigen, um den der Ausgangszinssatz zu erhöhen ist, damit dem mit dem garantierten Geschäft verbundenen Risikoprofil, dem Garantienehmer und der geleisteten Sicherheit Rechnung getragen wird.

(331)

Hinsichtlich des Vorteils durch die kostenlose alleinige Nutzung von Gelände und Gebäuden des Fischereihafens Ostende beläuft sich die Beihilfe auf die Höhe der Miete, die AGVO zu Marktbedingungen für die alleinige Nutzung von Gelände und Gebäuden des Fischereihafens Ostende vom 14. März 2002 bis zum Zeitpunkt der Rückforderung oder dem letzten Tag, an dem AGVO — aufgrund ihrer Satzung, der Urkunde zur Übertragung der Eigentumsrechte an den Gebäuden oder aus sonstigen Gründen — das Recht zur kostenlosen Nutzung der Gebäude hatte, zu zahlen gehabt hätte.

(332)

Die Kommission ist sich der Tatsache bewusst, dass Gelände und Gebäude teilweise nur eingeschränkten oder gar keinen kommerziellen Wert hatten (beispielsweise die Straßen). Allerdings stellt die Kommission fest, dass Gelände und Gebäude aber zum Teil eindeutig kommerziellen Wert hatten (Fischauktion, Bürogebäude, Lagergebäude) und dass ein weiterer Teil des Geländes und der Gebäude (Infrastruktur des Fischereihafens) es AGVO ermöglichte, Schiffseignern Dienstleistungen anzubieten, und das AGVO das Recht hatte, für die erbrachten Dienstleistungen Gebühren zu erheben. Diese Elemente sind bei der Berechnung der Miete zu berücksichtigen.

(333)

Hinsichtlich des Vorteils durch die Erhebung von Abgaben beläuft sich die Höhe der Beihilfe auf die Höhe der Steuern, die seit der Gründung von AGVO bis zum Zeitpunkt der Rückforderung bzw. bis zum letzten Tag, an dem AGVO zur Erhebung der Abgaben berechtigt war, erhoben wurden.

(334)

Abschließend stellt die Kommission fest, dass der von AGVO zurückzufordernde Betrag um den Beihilfebetrag zu reduzieren ist, der EVO in Form von Kapital (3 969 000 EUR) und der kostenlosen Nutzung der Gebäude, in denen die Fischauktion betrieben wird, zugeführt wurde.

(335)

Die Kommission ist sich der Tatsache bewusst, dass AGVO mit einigen Aufgaben von allgemeinem nicht wirtschaftlichem Interesse (Inspektion des für den Verzehr bestimmten angelandeten Fischs, Überprüfung der Anwendung der Mehrwertsteuer auf den angelandeten Fang, PR-Funktionen) sowie dem Betrieb des Fischereihafens betraut war. Die Kommission ist der Auffassung, dass der von AGVO zurückzufordernde Betrag um die Kosten, die nachweislich durch die Ausführung dieser Aufgaben entstanden, zu verringern ist.

11.4.   AUSWIRKUNGEN DER UMSTRUKTURIERUNG DER FISCHAUKTION AUF DEN SACHVERHALT DER RÜCKFORDERUNG

(336)

Die belgischen Behörden haben die Kommission von den Plänen der Stadt und von AGVO zur Privatisierung der Fischauktion in Kenntnis gesetzt. Sie haben geltend gemacht, dass mit dem Abschluss der Privatisierung das Problem der staatlichen Beihilfe wegfalle und das Verfahren gegenstandslos werde.

(337)

Diesbezüglich möchte die Kommission daran erinnern, dass die Privatisierung zwar ein Ende der in Rede stehenden Beihilfemaßnahmen herbeiführen könnte, dass dadurch jedoch die Vorteile, die den Empfängern der Beihilfe im Zeitraum vor Einstellung der Beihilfemaßnahmen gewährt wurden, nicht aufgehoben werden. Die Rückforderung dient genau dem Zweck, die Ausgangslage wiederherzustellen, um im Binnenmarkt gleiche Voraussetzungen zu gewährleisten. Die Kommission macht die belgischen Behörden auf ihre Bekanntmachung „Rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen: Gewährleistung der Umsetzung von Rückforderungsentscheidungen der Kommission in den Mitgliedstaaten (71)“ und insbesondere auf Ziffer 3.2.4 dieser Bekanntmachung aufmerksam, der sich mit der Rückforderung von staatlichen Beihilfen von zahlungsunfähigen Beihilfeempfängern und der Liquidation betroffener Unternehmen befasst. Was das Ersuchen anbelangt, diesen Beschluss aufzuschieben (siehe oben, Erwägungsgrund 99), so wäre dies unangemessen, da es wichtig ist, dass rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfen so schnell wie möglich zurückgefordert werden —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Die NV Exploitatie Vismijn Oostende (EVO) gewährte Beihilfe über einen Betrag von 3 969 000 EUR in Form von Anfangskapital und Krediten, die später in Kapitalaufstockungen umgewandelt wurden, ist nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

(2)   Die EVO gewährte Beihilfe über einen Betrag von 4 284 995 EUR in Form kostenloser Kreditgarantien ist nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

(3)   Die EVO gewährte Beihilfe in Form des Rechts auf kostenlose Nutzung der Gebäude der Fischauktion im Fischereihafen Ostende ist nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Artikel 2

(1)   Die Autonoom Gemeentebedrijf Vismijn Oostende (AGVO) gewährte Beihilfe über einen Betrag von 6 200 000 EUR in Form von Anfangskapital ist nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

(2)   Die AGVO gewährte Beihilfe in Form kostenloser Kreditgarantien ist nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

(3)   Die AGVO gewährte Beihilfe in Form des Rechts auf kostenlose Nutzung und/oder Nutzung gegen eine unter dem Marktpreis liegende Gebühr von Gelände und Gebäuden im Fischereihafen Ostende ist nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

(4)   Die AGVO gewährte Beihilfe in Form der kostenlosen Übertragung der Eigentumsrechte an 57 500m2 Gebäudefläche im Fischereihafen Ostende vom 26. März 2004 bis zum 4. September 2009 ist nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

(5)   Die AGVO gewährte Beihilfe in Form des Rechts, seit dem 14. März 2002 Abgaben zu erheben, ist nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Artikel 3

Die NV Pakhuizen (PAKHUIZEN) gewährte Beihilfe, die sich aus dem 1989 mit der Stadt Ostende geschlossenen langfristigen Mietvertrag ergibt, ist nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Artikel 4

(1)   Belgien fordert die in den Artikeln 1 und 2 Absätze 2 bis 5 genannte Beihilfe von den Begünstigten zurück.

(2)   Belgien fordert die in Artikel 2 Absatz 1 genannte Beihilfe, soweit sie bereits an AGVO gezahlt wurde (3 596 665,62 EUR), zurück.

(3)   Belgien fordert die in Artikel 3 genannte Beihilfe, soweit sie seit dem 13. März 1996 gewährt wurde, zurück.

(4)   Die Rückforderungsbeträge umfassen Zinsen, die von dem Zeitpunkt, ab dem die Beihilfe den Begünstigten zur Verfügung stand, bis zur tatsächlichen Rückzahlung, oder, falls die Beihilfemaßnahmen vor der tatsächlichen Rückzahlung geendet haben, bis zu dem Zeitpunkt, bis zu dem die Beihilfe den Begünstigten zuletzt zur Verfügung stand.

(5)   Die Zinsen werden gemäß Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission (72) und der Verordnung (EG) Nr. 271/2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 (73) berechnet.

(6)   Belgien stellt mit dem Tag der Annahme dieses Beschlusses alle laufenden Zahlungen und/oder sonstigen Formen der Beihilfegewährung für die in den Artikeln 1, 2 und 3 genannte Beihilfe ein.

Artikel 5

(1)   Die in den Artikeln 1, 2 und 3 genannte Beihilfe wird sofort und tatsächlich zurückgefordert.

(2)   Belgien stellt sicher, dass dieser Beschluss binnen vier Monaten nach seiner Bekanntgabe umgesetzt wird.

Artikel 6

(1)   Belgien übermittelt der Kommission binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses die folgenden Informationen:

a)

die Höhe des Gesamtbetrags (Hauptforderung und Zinsen), der von AGVO, EVO und PAKHUIZEN zurückzufordern ist;

b)

eine ausführliche Beschreibung der Maßnahmen, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen;

c)

Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass an AGVO, EVO und PAKHUIZEN eine Rückzahlungsanordnung ergangen ist.

(2)   Belgien unterrichtet die Kommission über den Fortgang seiner Maßnahmen zur Umsetzung dieses Beschlusses, bis die Rückzahlung der in den Artikeln 1 bis 3 genannten Beihilfe abgeschlossen ist. Auf Anfrage der Kommission legt Belgien unverzüglich Informationen über die Maßnahmen vor, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen. Ferner übermittelt Belgien ausführliche Angaben über die Beihilfebeträge und die Zinsen, die von AGVO, EVO und PAKHUIZEN bereits zurückgezahlt wurden.

Artikel 7

Dieser Beschluss ist an das Königreich Belgien gerichtet.

Brüssel, den 27. April 2010

Für die Kommission

Maria DAMANAKI

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 1 vom 3.1.1994, S. 3.

(2)  ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1.

(3)  ABl. C 238 vom 17.9.2008, S. 12.

(4)  Mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 sind an die Stelle der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag die Artikel 107 bzw. 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) getreten. Die Artikel 87 und 88 EG-Vertrag und die Artikel 107 und 108 AEUV sind im Wesentlichen identisch. Im Rahmen dieses Beschlusses sind Bezugnahmen auf die Artikel 107 und Artikel 108 AEUV als Bezugnahmen auf die Artikel 87 bzw. Artikel 88 EG-Vertrag zu verstehen, wo dies angebracht ist.

(5)  Siehe Fußnote 4.

(6)  De Belgische Zeevisserij — Anvoer en Besomming 2007, Vlaamse overheid, Departement Landbouw en Visserij (http://www2.vlaanderen.be/landbouw/downloads/vis/aanvoer_besomming_2007pdf), S. 12.

(7)  Vlaamse overheid, Departement Landbouw en Visserij, Jaaroverzicht Zeevisserij 1998, 1999, 2000 en 2001 (http://lv.vlaanderen.be/nlapps/docs/default.asp?fid = 122).

(8)  AGVO wurde am 23. November 2001 von der Stadt gegründet. Dieser Beschluss der Stadt wurde am 14. März 2002 vom flämischen Innenminister gebilligt.

(9)  „De Stad Oostende kan aan het AG Vismijn Oostende de volle eigendom, respectievelijk de bestaande zakelijke rechten en beheersrechten overdragen van de goederen die zich bevinden binnen of behoren bij het in artikel 3.1 omschreven Visserhavengebied of die nodig en/of nuttig zijn voor de realisatie van de doelstellingen van het AG Vismijn Oostende […]. In afwachting van de overdracht van de onroerende goederen krijgt het AG Vismijn Oostende het uitsluitend recht deze goederen zonder vergoeding te gebruiken.“

(10)  Ein Projekt über den Fang/Kauf von Königskrabben in Norwegen, mit dem Ziel, sie auf dem asiatischen Markt zu verkaufen.

(11)  Jaarrekening AGVO 2005, S. 26 (verslag van de Raad van Bestuur aan de aandeelhouders over de waardering van de aandelen in EVO): „Tenslotte is het niet onbelangrijk dat in deze fase de engagementen van de Stad Oostende een wezenlijke buffer vormen om op verantwoorde wijze een waardering in going concern toe te passen zodat de waardering zoals beschreven in art. 66§2 mag aangehouden worden en niet naar een waardering in discontinuïteit moet overgegangen worden.“

(12)  ABl. C 288 vom 9.10.1999, S. 2.

(13)  ABl. C 19 vom 20.1.2001, S. 7. ABl. C 229 vom 14.9.2004, S. 5. ABl. C 84 vom 3.4.2008, S. 10.

(14)  Urteil in der Rechtssache C-280/00, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg/Nahverkehrsgesellschaft Altmark, Slg. 2003, I-7747.

(15)  ABl. L 312 vom 29.11.2005, S. 67.

(16)  Urteile in der Rechtssache C-41/90 Höfner und Elser, Slg 1991, I-1979, Randnr. 21; in den verbundenen Rechtssachen C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01 AOK Bundesverband, Slg. 2004, I-2493, Randnr. 46; in der Rechtssache C-222/04 Ministero dell’Economia/Cassa di Risparmio, Slg. 2006, I-289, Randnrn. 107-112.

(17)  Urteile in der Rechtssache C-82/01 P Aéroports de Paris/Kommission, Slg. I-9297, Randnr. 78; in der Rechtssache T-128/98 Aéroports de Paris/Kommission, Slg. 2002, II-3929, Randnrn. 122-124.

(18)  Entscheidung N 520/03 vom 20. Oktober 2004 — Flämische Häfen; Entscheidung N 60/06 vom 24. April 2007 — Project Mainportontwikkeling Rotterdam.

(19)  Rechtssache C-222/04, bereits zitiert, Randnrn. 110-117.

(20)  Urteile in der Rechtssache C-334/99 Deutschland/Kommission, Slg. 2003, I-01139, Randnr. 133; in der Rechtssache C-482/99 Frankreich/Kommission (Stardust Marine), Slg. 2002, I-4397, Randnr. 70; in der Rechtssache C-261/89 Italien/Kommission, Slg. 1990, I-4437, Randnr. 8; in den verbundenen Rechtssachen C-278/92 bis C-280/92 Spanien/Kommission, Slg. 1994, I-4103, Randnr. 21 und in der Rechtssache C-42/93 Spanien/Kommission, Slg. I-4175, Randnr. 13.

(21)  Zu diesem Zeitpunkt betrug der Verlust für die Stadt durchschnittlich 1 850 000 EUR jährlich.

(22)  Urteile in der Rechtssache T-152/99, HAMSA/Kommission, Slg. 2002, II-3049, Randnr. 132; in den verbundenen Rechtssachen C-328/99 und C-399/00, Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission, Slg. 2003, I-4035, Randnr. 44 und in der Rechtssache C-303/88, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1433, Randnr. 18 ff.

(23)  Urteile in der Rechtssache C-482/99, bereits zitiert, Randnr. 71; in der Rechtssache T-16/96, Cityflyer Express/Kommission, Slg. 1998, II-757, Randnr. 76; in den verbundenen Rechtssachen T-228/99 bis T-233/99, Westdeutsche Landesbank Girozentrale/Kommission, Slg. 2003, II-435, Randnr. 246.

(24)  Urteile in den verbundenen Rechtssachen T-129/95, T-2/96 und T-97/96, Neue Maxhütte Stahlwerke/Kommission, Slg. II-17, Randnr. 124; in den verbundenen Rechtssachen C-278/92, C-279/92 und 280/92, Spanien/Kommission, bereits zitiert, Randnr. 26.

(25)  Antwortschreiben der belgischen Behörden vom 19. Oktober 2006, S. 2: „De Stad koos voor deze laatste oplossing: […] — de locale economie rondom de vismijn scheepsherstel, scheepsbenodigheden, opslag- en diepvriesbedrijven, ijsfabrieken, groot- en kleinhandels, toerisme …) bleef behouden, wat in de naweeën van de sluiting (1997) van de plaatselijke (verlieslatende) Regie der Maritiem Transport (verlies van 1 700 arbeidsplaatsen) een belangrijke considerans was binnen een Stad met meer dan 12 % werkloosheid“. Antwortschreiben der belgischen Behörden vom 19. Oktober 2006, S. 6: „Dit belet niet at de gedelegeerd bestuurder van een bedrijf dat voor 100 % gehouden wordt door een lokale overheid ook oog heeft voor de maatschappelijke en sociale rol die de vismijn van Oostende binnen de regio kan vervullen en die de Stad anno 2001 heeft gemotiveerd om niet radicaal tot sluiting over te gaan.“

(26)  Urteile in den verbundenen Rechtssachen C-328/99 und C-399/00, bereits zitiert, Randnr. 44; in der Rechtssache C-303/88 Italien/Kommission, bereits zitiert, Randnr. 18 ff.

(27)  „Het AG Vismijn Oostende beslist vrij over het aanleggen, het bouwen, het onderhouden, het herstellen, het verbeteren, het bedienen, het zelf exploiteren en het aan derden ter beschikking stellen van roerende en onroerende goederen.“

(28)  Urteile in der Rechtssache C-482/99, bereits zitiert, Randnr. 71; in der Rechtssache T-16/96, bereits zitiert, Randnr. 76; in den verbundenen Rechtssachen T-228/99 und T-233/99, bereits zitiert, Randnr. 246.

(29)  ABl. C 209 vom 10.7.1997, S. 3.

(30)  Der verfügende Teil dieses Beschlusses wird daher auch den möglichen Fall einschließen, dass der Grundbesitz AGVO derzeit gegen Entgelt, jedoch zu einem unter dem Marktpreis liegenden Satz zur Verfügung gestellt wird.

(31)  ABl. C 71 vom 11.3.2000, S. 14.

(32)  Urteile in der Rechtssache C-342/96 Königreich Spanien/Kommission, Slg. 1999, I-2459; in der Rechtssache C-256/97 DTM Transports, Slg. 1999, I-3913, und in der Rechtssache T-152/99, HAMSA/Kommission, bereits zitiert.

(33)  Ziffer 3.4 der Mitteilung über Bürgschaften.

(34)  Entscheidung C 5/03 (ex NN 115/02) vom 21. Januar 2003 — Beihilfe zugunsten von MobilCom AG (ABl. C 80 vom 3.4.2003, S. 5).

(35)  Urteil in den verbundenen Rechtssachen T-204/97 und T-270/97, EPAC/Kommission, Slg. 2000, II-2267, Randnr. 82.

(36)  Als Beispiel für einen Fall, der eine vom Mutterunternehmen geleistete Garantie betraf, siehe die von CDC für deren Tochter CDC IXIS geleistete Bürgschaft, Entscheidung vom 21. Januar 2003 und 30. April 2003 über die Beihilfe E 50/01 (ABl. C 154 vom 2.7.2003, S. 13). Die Bürgschaft war zwar vergütet worden, jedoch nicht zu Marktbedingungen; daher wurde festgestellt, dass sie eine Beihilfe beinhaltete.

(37)  Die belgischen Behörden haben zugegeben, dass der Stadt noch nicht einmal Kopien aller Vertragsunterlagen im Zusammenhang mit dem Kredit und der Bürgschaft vorliegen, siehe Anlage B zum Schreiben vom 27. November 2007.

(38)  Urteil in der Rechtssache C-334/99, Deutschland/Kommission, bereits zitiert, Randnr. 138; Entscheidung 1999/720/EG, EGKS vom 8. Juli 1999 — Beihilfe zugunsten der Gröditzer Stahlwerke (ABl. L 292 vom 13.11.1999, S. 27, Erwägungsgrund 45).

(39)  Siehe beispielsweise Ziffer 17 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999.

(40)  Belgien hat mehrfach betont, dass sich die Stadt das Recht vorbehalten habe, Abgaben für die Benutzung der Slipanlagen und der Hafenschleusen festzustellen und zu erheben.

(41)  Urteil in den verbundenen Rechtssachen T-204/97 und T-270/97 EPAC/Kommission, bereits zitiert, Randnr. 82.

(42)  Als Beispiel für einen Fall, der eine vom Mutterunternehmen geleistete Garantie betraf, siehe die von CDC für deren Tochter CDC IXIS geleistete Bürgschaft, Entscheidung vom 17. Januar 2003 über die Beihilfe 50/01. Die Bürgschaft war zwar vergütet worden, jedoch nicht zu Marktbedingungen, daher wurde festgestellt, dass sie eine Beihilfe beinhaltete.

(43)  Urteil in der Rechtssache C-39/94, SFEI/La Poste, Slg. 1996, I-3547, Randnr. 61.

(44)  ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2.

(45)  Siehe beispielsweise Ziffer 17 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999.

(46)  Entscheidung 96/563/EG — Jadekost (ABl. L 246 vom 27.9.1996), bestätigt im Urteil in der Rechtssache C-288/96, Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I-8237, Randnr. 41.

(47)  Mit Ausnahme eines von insgesamt 15 000 Anteilen.

(48)  Urteile in den verbundenen Rechtssachen T-129/95, T-2/96 und T-97/96, Neue Maxhütte Stahlwerke/Kommission, Slg. II-17, Randnr. 124; in den verbundenen Rechtssachen C-278/92, C-279/92 und 280/92, Spanien/Kommission, bereits zitiert, Randnr. 26.

(49)  Das Kapital von EVO wurde nicht allein aus dem Anfangskapital von AGVO finanziert, vielmehr übersteigt die Höhe des EVO zugeführten Kapitals die Höhe des in AGVO investierten Kapitals.

(50)  Siehe auch Erwägungsgrund 99 der Entscheidung 2006/740/EG der Kommission vom 20. Oktober 2004, Hamburgische Landesbank — Girozentrale (ABl. L 307 vom 7.11.2006, S. 110).

(51)  Siehe Erwägungsgründe 203 und 306.

(52)  Siehe beispielsweise Ziffer 17 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999.

(53)  Siehe Erwägungsgrund 44 dieses Beschlusses.

(54)  Artikel 5 des Gesetzes vom 10. Januar 1824 über das Erbpachtrecht, belgisches Amtsblatt XIX, Nr. 14.

(55)  Urteil in der Rechtssache C-482/99, France/Kommission, bereits zitiert.

(56)  Siehe Antwortschreiben der belgischen Behörden vom 19. Oktober 2006, S. 3: „zowel op het niveau van aandeelhouderschap als dat van de organen (bestuur) dient de Gemeente (achter AGVO) krachtens de wet de meerderheid te hebben in de stemrechten. Dit is hier het geval.“

(57)  Siehe Urteil in der Rechtssache 730/79, Philip Morris, Slg. 1980, 2671, Randnrn. 11 und 12.

(58)  Siehe Urteil in der Rechtssache Philip Morris, bereits zitiert.

(59)  Siehe auch Ziffer 12 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999, wonach diese Leitlinien auch für Landwirtschaft und Fischerei gelten.

(60)  Entscheidung 2008/849/EG der Kommission vom 16. Juli 2008, staatliche Beihilfe C 14/07 (ex NN 15/07), Italien, Umstrukturierungsbeihilfe zugunsten von NGP (ABl. L 301 vom 12.11.2008, S. 14).

(61)  Übernahme von PAKHUIZEN durch AGVO 2004 und Übernahme eines Anteils von 51 % an Haf Holding BO (Ijsland) 2006. EVO beteiligte sich außerdem an verschiedenen Projekten, wie z. B. den Projekten Polar Drift (Königskrabben-Projekt) und Novafish (HAF Holding), die im Jahresabschluss 2005 genannt werden. Siehe auch die von Grimsby Fish Market abgegebene Stellungnahme, der zufolge EVO etwa 2005/2006 damit begann, Fisch zu (hohen) Festpreisen direkt bei isländischen Fischern aufzukaufen und diesen Fisch per Online-Auktion in Ostende zu versteigern — nicht selten zu niedrigeren Preisen. Die belgischen Behörden stellten keine der von den Beteiligten abgegebenen Stellungnahmen in Abrede. Außerdem geht aus den von den belgischen Behörden vorgelegten Ausschreibungsunterlagen hervor, dass EVO sich vor 2007 an Wirtschaftstätigkeiten im Ausland beteiligt hatte, diese jedoch 2007 einstellte (siehe dienstliche Mitteilung, S. 39).

(62)  Kredite, die an die Bedingung geknüpft sind, dass der Kreditnehmer seinen Fang in Ostende versteigern lässt, Beteiligung (von bis zu 100 %) an den Transportkosten, wenn der Fang in der Fischauktion Ostende versteigert wird, garantierte Mindest-Auktionspreise usw.

(63)  Ziffer 70 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 sieht vor, dass die Ziffern 35 bis 39 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999, soweit sie Gegenleistungen betreffen, auf alle Unternehmen des Agrarsektors, auch auf KMU, Anwendung finden. Die Mitgliedstaaten haben die Wahl zwischen der Anwendung der in den Ziffern 35 bis 39 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 genannten Grundsätze oder der Sonderbestimmungen für die Landwirtschaft, die in den Ziffern 73 bis 82 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien von 1999 erläutert werden.

(64)  ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2.

(65)  Urteil in der Rechtssache C-158/94, Italien/Kommission, Slg. 1997, I-5789, Randnr. 54.

(66)  ABl. C 281 vom 26.9.1996, S. 3.

(67)  ABl. C 17 vom 19.1.2001, S. 4.

(68)  ABl. C 297 vom 29.11.2005, S. 4.

(69)  Wie bereits weiter oben festgestellt, erscheint es dermaßen unsicher, dass der Bedingung, dass der Vermieter nach 27 Jahren Anspruch auf die Hälfte des Gewinns von PAKHUIZEN hat, ein realer Wert zugrunde liegt, dass aufgrund dessen keine Minderung vorgenommen werden kann. Zudem wird diese Klausel, da der Mietvertrag gekündigt wurde, nicht zur Anwendung kommen.

(70)  ABl. C 14 vom 19.1.2008, S. 6.

(71)  ABl. C 272 vom 15.11.2007, S. 4.

(72)  ABl. L 140 vom 30.4.2004, S. 1.

(73)  ABl. L 82 vom 25.3.2008, S. 1.


IV Vor dem 1. Dezember 2009 in Anwendung des EG-Vertrags, des EU-Vertrags und des Euratom-Vertrags angenommene Rechtsakte

19.10.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 274/139


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 18. November 2009

über die staatliche Beihilfe C 10/09 (ex N 138/09) der Niederlande — Stützungsfazilität für illiquide Vermögenswerte zugunsten von ING und Umstrukturierungsplan

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2009) 9000)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2010/608/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nachdem Mitgliedstaaten und andere Beteiligte auf der Grundlage der vorerwähnten Bestimmungen zur Stellungnahme aufgefordert worden sind (1), aber keine Stellungnahmen von Beteiligten eingegangen sind,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   VERFAHREN

(1)

Am 12. November 2008 genehmigte die Kommission in der Sache N 528/08 eine Notfall-Rekapitalisierung, bei der die Niederlande von ING ausgegebene Core-Tier-1-Wertpapiere im Gesamtwert von 10 Mrd. EUR zeichneten. Die Maßnahme wurde für einen Zeitraum von sechs Monaten unter der Bedingung genehmigt, dass in diesem Zeitraum auch ein realistischer Umstrukturierungsplan vorgelegt wird (2). Die Geltungsdauer der Notfall-Rekapitalisierung wurde durch die Vorlage des Umstrukturierungsplans automatisch bis zur Entscheidung der Kommission über diesen Plan verlängert.

(2)

Am 31. März 2009 genehmigte die Kommission in der Sache C 10/09 (ex N 138/09) für einen Zeitraum von sechs Monaten eine Entlastungsmaßnahme zugunsten von ING, die ein US-amerikanisches durch Alt-A-Hypotheken besichertes RMBS-Portfolio (residential mortgage backed securities) betraf (3). Die Niederlande bezeichnen diese Maßnahme als „Stützungsfazilität für illiquide Vermögenswerte“ („Illiquid Assets Back-up Facility — IABF“). Da die Kommission Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit bestimmter Aspekte der Entlastungsmaßnahme mit der Mitteilung der Kommission über die Behandlung wertgeminderter Aktiva im Bankensektor der Gemeinschaft (4) („Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva“) hatte, beschloss sie, das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag zu eröffnen.

(3)

Die Entscheidung der Kommission über die Eröffnung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht (5). Die Kommission forderte alle Beteiligten auf, zu der Maßnahme Stellung zu nehmen. Es gingen jedoch keine Stellungnahmen Beteiligter ein.

(4)

Die Genehmigung für die Entlastungsmaßnahme wurde mit der Entscheidung der Kommission vom 15. September 2009 verlängert (6).

(5)

Zudem gewährten die Niederlande ING im Rahmen der (mit der Entscheidung der Kommission vom 30. Oktober 2008 in der Sache N 524/08 genehmigten und mit der Entscheidung der Kommission vom 7. Juli 2009 in der Sache N 379/09 (7) verlängerten) niederländischen Kreditgarantieregelung Garantien für mittelfristige Verbindlichkeiten im Umfang von i) 9 Mrd. USD (von denen 8,25 Mrd. USD bereits begeben wurden) und ii) 5 Mrd. EUR (von denen 4,15 Mrd. EUR bereits begeben wurden).

(6)

Am 25. November 2008, 8. April 2009, 18. Mai 2009 und 9. November 2009 erhielt die Kommission Informationen von Marktteilnehmern, denen zufolge ING Direct Europe kurze Zeit mit der von den Niederlanden erhaltenen Kapitalzuführung geworben habe und der Eindruck entstanden sei, dass diese Bank eine aggressive Geschäftspolitik betreibe.

(7)

Vertreter der Kommission und der Niederlande hielten einige Treffen und Telefonkonferenzen ab und erörterten den Sachverhalt per E-Mail.

(8)

Bezüglich der im Zusammenhang mit der Entlastungsmaßnahme herangezogenen Methoden für die Vermögensbewertung nahm die Kommission die fachliche Unterstützung von ihr beauftragter externer Experten (Duff and Phelps und Professor Wim Schoutens) sowie von Experten der Europäischen Zentralbank in Anspruch.

(9)

Am 12. Mai 2009 legten die Niederlande der Kommission einen Umstrukturierungsplan für die ING-Gruppe vor, der am 7. Juli 2009 durch zusätzliche Angaben ergänzt wurde. Am 22. Oktober 2009 wurde der Umstrukturierungsplan geändert (im Folgenden wird immer auf diese letzte Fassung des Umstrukturierungsplans Bezug genommen). Diese Änderung beinhaltete auch eine Änderung der Bedingungen für die Rückzahlung der Kapitalzuführung der Niederlande.

(10)

Am 22. Oktober 2009 übermittelten die Niederlande eine Reihe von Verpflichtungszusagen bezüglich der Durchführung des Umstrukturierungsplans und der Vergütung der Entlastungsmaßnahme.

(11)

Die Niederlande teilten der Kommission mit, dass sie aus Gründen der Dringlichkeit ausnahmsweise damit einverstanden sind, dass diese Entscheidung in englischer Sprache erlassen wird.

2.   SACHVERHALT

2.1.   Empfänger der Beihilfe

(12)

ING besteht zum einen aus der Holding ING Groep N.V. („ING-Gruppe“), der Muttergesellschaft, die 100 % von ING Bank N.V. und ING Verzekeringen N.V. kontrolliert, und zum anderen aus zwei Subholdings, die Banken- bzw. Versicherungstochtergesellschaften kontrollieren. Die ING-Gruppe umfasst mehr als 70 Geschäftsbereiche mit über 2 500 juristischen Personen in rund 50 Ländern. Ende 2008 belief sich die Bilanzsumme der Gruppe auf 1,332 Mrd. EUR, wovon mehr als 75 % auf das Bankgeschäft von ING entfällt.

(13)

Ende 2008 verzeichnete ING für die Bank unter Berücksichtigung der Rekapitalisierungsmaßnahme eine Kernkapitalquote von 9,3 % (Tier-1) bzw. 7,3 % (Core-Tier-1). Für die Versicherung belief sich die Kapitaldeckungsquote auf 256,5 %.

(14)

Die Kapitalstruktur der ING-Gruppe schließt auch so genannte Kernverbindlichkeiten („core debt“) ein, d. h. auf Ebene der Gruppe aufgenommenes vorrangiges Fremdkapital, das dann als Eigenkapital in ING Bank und ING Insurance investiert wird („Double Leverage“). Darüber hinaus hat die Holding ING Insurance 2,3 Mrd. EUR so genannter „Kernverbindlichkeiten“ aufgenommen, die in ihren Versicherungstochtergesellschaften als Eigenkapital verwendet werden können.

(15)

Zum Anlageportfolio von ING zählte auch das Alt-A-Portfolio der Bank, dessen größter Teil von ING Direct USA gehalten wurde. ING Direct USA war nach amerikanischem Recht eine „US Thrift institution“ (Kreditinstitut mit Spareinlagengeschäft) und musste daher den größten Teil der entgegengenommenen Spareinlagen in US-Hypothekendarlehen oder mit US-Hypothekendarlehen verbundene Anlagen investieren. Folglich wies ING einen erheblichen Anteil seines Anlageportfolios US-amerikanischen Alt-A-RMBS zu. Das Alt-A-Portfolio wurde von der Entlastungsmaßnahme der Niederlande (siehe Abschnitt 2.3.2) abgedeckt. Das Anlageportfolio von ING umfasste ferner einen erheblichen Anteil von durch gewerbliche Hypothekendarlehen besicherten Wertpapieren (CMBS), US-RMBS und Immobilienanlagen, die nicht unter die Entlastungsmaßnahme fallen.

2.2.   Geschäftstätigkeiten

(16)

Ende 2008 war ING in sechs Geschäftsfeldern tätig. Zudem war ING in der Vermögensverwaltung tätig, die funktional zu den jeweiligen regionalen Geschäftseinheiten der Versicherungssparte gehörte.

2.2.1.   Retail-Bankgeschäft

(17)

ING bietet Dienstleistungen im Retail-Bankgeschäft in den Niederlanden, Belgien, Polen, Rumänien, der Türkei, Indien und Thailand an (Dienstleistungen im Retail-Bankgeschäft via ING Direct werden nicht in diesem, sondern in Abschnitt 2.2.2 behandelt). Private Banking wird in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, der Schweiz und verschiedenen anderen Ländern in Asien sowie Mittel- und Osteuropa angeboten. Der Bereich kleine und mittlere Unternehmen sowie das Mittelstandskundengeschäft (Mid Corporate Business) sind Teil des Retail-Bankgeschäfts von ING.

(18)

ING verbindet bei ihrem Retail-Bankgeschäft in den Niederlanden und in Belgien ein „Direct-Banking“-Modell mit einem Filialnetz. ING bietet Kontokorrentkonten und Zahlungssysteme, Sparkonten, Hypothekendarlehen, Verbraucherkredite, Kreditkartendienstleistungen sowie Anlage- und Versicherungsprodukte an. Hypotheken werden über vertraglich gebundene Vermittler direkt, aber auch auf indirektem Weg angeboten. In ihren Filialen bietet ING auch eine breite Palette von „Commercial-Banking“-Produkten sowie Produkte aus den Bereichen Lebens- und Nichtlebensversicherung an.

(19)

Im Retail-Bankgeschäft (Privatkunden) in den Niederlanden verfügt ING bei den wichtigsten Bankgeschäften über einen Marktanteil von 40–50 % (8). Ihr Marktanteil bei den Sparkonten beläuft sich auf 30–40 % (Wert) bzw. 20–30 % (Anzahl). Die wertmäßigen Marktanteile für Verbraucherkredite, Hypotheken und Private Banking belaufen sich auf 10–20 %.

(20)

In Belgien hält ING Marktanteile von [10–15] (9) % bei den Kontokorrentkonten [20-25] % bei den Verbraucherkrediten [15–20] %, bei den Hypotheken, [10–15] % bei den Spareinlagen und [10–15] % bei den Investmentfonds. In Polen hält ING einen Marktanteil von [5–10] % im Retail-Bankgeschäft insgesamt und von [5–10] % bei den Spareinlagen. Der Marktanteil von ING in Rumänien beträgt [0–5] % in Bezug auf alle Verbindlichkeiten und [0–5] % in Bezug auf alle Vermögenswerte. Die Marktanteile bei den Spareinlagen in der Türkei betragen [0–5] %.

2.2.2.   ING Direct — Retail-Bankgeschäft

(21)

ING Direct ist im direkten internetgestützten Retail-Bankgeschäft für Kunden in Australien, Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada, Österreich, Spanien, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten tätig. Die wichtigsten angebotenen Produkte sind Sparkonten und Hypotheken, in zunehmendem Maße auch Investmentfonds und Zahlungskonten.

(22)

Bei den Spareinlagen beläuft sich der Marktanteil von ING Direct auf [5–10] * % in Deutschland, [0–5] % in Italien, [0–5] % in Australien, [0–5] % in Kanada, rund [0-5] % in Spanien, dem Vereinigten Königreich und Österreich, und rund [0–5] % in den Vereinigten Staaten und Frankreich. Der Marktanteil bei den privaten Hypothekendarlehen beträgt [0–5] % in Australien, [0–5] % in Kanada, [0–5] % in Italien und [0–5] % in Spanien. Der Marktanteil bei neuen privaten Hypothekendarlehen beträgt in Deutschland [0–5] %. Der größte nichteuropäische Teil von ING Direct ist ihre Tochtergesellschaft in den Vereinigten Staaten, wo sie auf dem Markt für private Hypothekendarlehen einen Marktanteil von [0–5] % hält und am Ende des ersten Quartals 2009 eine Bilanzsumme von […] (10) Mrd. USD aufwies.

2.2.3.   Großkundengeschäft

(23)

Der Schwerpunkt des Großkundengeschäfts von ING liegt im Wesentlichen auf den Niederlanden, Belgien, Polen und Rumänien, wo eine breite Palette von Produkten angeboten wird, die vom Cash Management bis zur Unternehmensfinanzierung reichen. In anderen Ländern verfolgt ING einen selektiveren Ansatz bei seinen Kunden und Produkten. Das Großkundengeschäft umfasst sechs Geschäftseinheiten: General Lending (Allgemeine Kreditvergabe) & Payments and Cash Management (Zahlungs- und Liquiditätsmanagement), Structured Finance (strukturierte Finanzprodukte), Leasing & Factoring, Financial Markets (Finanzmärkte), Other Wholesale Products (sonstige Großkundenprodukte) und ING Real Estate.

(24)

Im Firmenkundengeschäft hält ING in den Niederlanden einen Marktanteil von [20-30] % bei den wichtigsten Bankgeschäften, Akkreditiven, im Auslandszahlungsverkehr und bei internationalen Zahlungsdiensten, bei Darlehen, Kontokorrentkonten sowie beim Factoring. Bei den Einlagen/Spareinlagen und den inländischen Zahlungen kann ING höhere Marktanteile von [30–40] % vorweisen. In Belgien beläuft sich der Marktanteil von ING im Firmenkundengeschäft auf [25-30] % bei den Kontokorrentkonten, [15–20] % bei den Darlehen, [15–25] % beim Leasing und [20–30] % bei den Einlagen.

2.2.4.   Versicherungs- und Vermögensverwaltungstätigkeiten in Europa

(25)

Der Schwerpunkt der Versicherungstätigkeit von ING in Europa liegt in den Niederlanden (vor allem bei den Marken ING, Nationale-Nederlanden und RVS). ING hat einen Marktanteil von [15–20] % im Bereich Lebensversicherung und von [5–10] % im Bereich Nichtlebensversicherung (in Bezug auf die verbuchten Bruttoprämien im Jahr 2008). Die Produkte werden im Direktvertrieb (vor allem über Filialen der ING und der seit Anfang 2009 unter der Marke ING geführten Postbank) und Makler vertrieben. Außerhalb der Niederlande ist ING lediglich in Belgien im Nichtlebensversicherungsbereich tätig (dort hat ING einen Marktanteil von [0–5] % in diesem Bereich).

(26)

Der Marktanteil von ING im Bereich Lebensversicherung beträgt in Rumänien [30-35] %, in Ungarn [20–25] %, in der Tschechischen Republik und in Griechenland [10–15] %, in Polen [5–10] %, in der Slowakischen Republik [5–10] % und in Belgien [5–10] %. ING ist auch in Spanien, Bulgarien und der Türkei tätig, verfügt dort aber über deutlich geringere Marktanteile von weniger als [0–5] %. Zu den Geschäftstätigkeiten von ING zählt auch die Verwaltung von Pensionsfonds (obligatorische und freiwillige Pensionsfonds). Bei den obligatorischen Pensionsfonds hält ING einen Marktanteil von [20–25] % in Polen und von [10-15] % in der Slowakei. Bei den freiwilligen Pensionsfonds beträgt der Marktanteil von ING in der Slowakischen Republik [35–40] %, in der Tschechischen Republik [10–15] % und in der Türkei [5–10] %. Bei den obligatorischen und freiwilligen Pensionskassen zusammengenommen verfügt ING über die folgenden Marktanteile: [35-40] % in Rumänien, [10–15] % in Ungarn und [5–10] % in Bulgarien.

(27)

2008 hatte ING Vermögenswerte im Wert von […] Mrd. EUR in den Niederlanden, von […] Mrd. EUR in Belgien (und Luxemburg) und […] Mrd. EUR in Mittel- und Osteuropa.

2.2.5.   Versicherungs- und Vermögensverwaltungstätigkeiten auf dem amerikanischen Kontinent

(28)

ING Insurance Americas ist in den Vereinigten Staaten und Lateinamerika tätig. Die Geschäftstätigkeiten in Kanada wurden Anfang 2009 veräußert. ING Insurance Americas bietet Lebens- und Nichtlebensversicherungen, Altersvorsorgeleistungen (in erster Linie feste Beitragspläne), private Rentenversicherungen, Investmentfonds, Wertpapierdienstleistungen als Broker/Dealer und institutionelle Produkte an, zu denen auch Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen Gruppenrückversicherung und institutionelle Vermögensverwaltung zählen.

(29)

In den Vereinigten Staat beläuft sich der Marktanteil von ING bei den veränderlichen Renten („variable annuities“) auf [5–10] %, bei den Lebensversicherungen auf [0-5] % und bei den festen Renten („fixed annuities“) sowie bei den Gruppenlebensversicherungen auf rund [0–5] %. In Mexiko, Chile, Peru, Kolumbien und Uruguay bietet ING in erster Linie Rentenprodukte an. Im Bereich der Pensionsfonds sind die Marktanteile in Peru ([30–35] %), Chile ([20–25] %) und Uruguay ([15–20] %) am höchsten. Im Lebensversicherungsbereich weist ING in Peru ([15–20] %) und in Chile ([10–15] %) besonders hohe Marktanteile auf. 2008 hatte ING in den Vereinigten Staaten Vermögenswerte im Wert von […] Mrd. EUR und von […] Mrd. EUR in den anderen Ländern des amerikanischen Kontinents.

2.2.6.   Lebensversicherung und Vermögensverwaltung in der asiatisch-pazifischen Region

(30)

Insurance Asia/Pacific bietet Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen Lebensversicherung und Vermögensverwaltung in der asiatisch-pazifischen Region an. Im Lebensversicherungsbereich ist Insurance Asia/Pacific in neun Ländern tätig (Australien, Neuseeland, Japan, Südkorea, Malaysia, Hongkong, Thailand, Indien und China), in der Vermögensverwaltung in zwölf (die eben genannten neun Länder plus Taiwan, die Philippinen und Singapur). ING ist in der asiatisch-pazifischen Region eine der größten Versicherungs- und Vermögensverwaltungsgesellschaften. Der Wert ihrer dortigen Vermögenswerte beläuft sich auf […] Mrd. EUR.

2.3.   Die Beihilfemaßnahmen

(31)

ING wurden von den Niederlanden drei Beihilfemaßnahmen gewährt.

2.3.1.   Kapitalzuführung

(32)

Die erste Maßnahme bestand in einer in vollem Umfang von den Niederlanden gezeichneten Kapitalzuführung, die es der ING-Gruppe ermöglichte, ihr Core-Tier-1-Kapital um 10 Mrd. EUR aufzustocken (11). Die Kommission stellte in ihrer Genehmigungsentscheidung für die Rettungsbeihilfe (N 528/08) fest, dass die Gründe für den Verlust des Marktvertrauens in ING (der zu der Intervention des Staates geführt hatte) darin bestanden, dass das Alt-A-Portfolio als toxisch wahrgenommen wurde, der Markt Bedenken wegen weiterer Abschreibungen hatte, ING Insurance Kapital benötigte und sich der Verschuldungsgrad der ING-Gruppe verschlechterte. Nach Auffassung der Niederlande hätte ING zwar auch ohne die Kapitalzuführung überlebt, hätte dann aber noch mehr Vertrauen verloren und wäre auch mit einem höheren Liquiditätsrisiko konfrontiert gewesen.

(33)

Der Ausgabepreis für die Zuführung des Core-Tier-1-Kapitals in Höhe von 10 Mrd. EUR belief sich auf 10 EUR pro Wertpapier. Diese Wertpapiere können auf Initiative von ING entweder zum Stückpreis von 15 EUR (d. h. mit einem Rückzahlungsagio von 50 % auf den Ausgabepreis) zurückgekauft werden oder nach drei Jahren 1 zu 1 in Stammaktien umgewandelt werden. Sollte ING sich für die Umwandlung entscheiden, können die Niederlande stattdessen für die Rückzahlung der Wertpapiere zu einem Stückpreis von 10 EUR plus Stückzinsen optieren. Die Niederlande erhalten nur dann eine Kuponzahlung, wenn für die Stammaktien Dividenden ausgeschüttet werden.

(34)

Im Rahmen des Umstrukturierungsplans haben die Niederlande eine Änderung der Vereinbarung über die Rückzahlung der Tier-1-Wertpapiere durch ING vorgelegt. Nach den geänderten Bestimmungen kann ING bis zu 50 % der Core-Tier-1-Wertpapiere zum Ausgabepreis (10 EUR) zurückkaufen, zu dem noch die auf der Basis des Jahreskupons von 8,5 % errechneten Stückzinsen (rund 253 Mio. EUR) und, sollten die ING-Aktien zu einem Preis von mehr als 10 EUR gehandelt werden, eine Vorfälligkeitsentschädigung hinzukommen. Die Vorfälligkeitsentschädigung steigt mit dem Preis der ING-Aktien. Für die Zwecke der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wurde für die Erhöhung des Aktienpreises eine Obergrenze von 12,45 EUR festgelegt (12). Bei dieser Höhe beträgt die Entschädigung 13 % jährlich. Die Vorfälligkeitsentschädigung könnte bis zu 705 Mio. EUR betragen, sollten die 5 Mrd. EUR 400 Tage nach dem Ausgabedatum zurückgezahlt werden. Die Untergrenze der Entschädigung liegt bei 340 Mio. EUR, wodurch für die Niederlande ein interner Zinsfuß von mindestens 15 % gewährleistet ist. Da ING normalerweise eine Vorfälligkeitsentschädigung von 2,5 Mrd. EUR entrichten müsste, würde diese Änderung für ING einen zusätzlichen Vorteil mit sich bringen, der je nach Marktpreis der ING-Aktien zwischen 1,79 Mrd. EUR und 2,2 Mrd. EUR liegen würde. Die Niederlande erklärten, durch diese Änderung sollten für ING ähnliche Exitbedingungen geschaffen werden, wie sie SNS (13) und Aegon (14) bei den von den Niederlanden gewährten Kapitalzuführungen gewährt worden waren. Diese Bedingungen für eine etwaige Vorfälligkeitsentschädigung können nur bei der Rückzahlung von 5 Mrd. EUR (d. h. von 50 % der ursprünglichen Kapitalzuführung) Anwendung finden.

(35)

ING kann sich zu einem Zeitpunkt vor dem 31. Januar 2010 für die Wahrnehmung der Rückkaufoption entscheiden, doch diese Frist kann mit Zustimmung der Niederlande aufgrund außergewöhnlicher Umstände auf dem Markt bis zum 1. April 2010 verlängert werden, wenn ING nachweisen kann, dass es wirtschaftlich nicht machbar war, genügend Core-Tier-1-Kapital für den Rückkauf der 5 Mrd. EUR früher aufzunehmen. Eine solche Verlängerung bedürfte der Genehmigung der Kommission. ING möchte die Rückkaufoption vor dem 1. Januar 2010 in Anspruch nehmen. Die Rückzahlungs- und Umwandlungsoptionen für die restlichen 50 % sind unverändert.

2.3.2.   Die Entlastungsmaßnahme

(36)

Bei der zweiten Beihilfemaßnahme handelte es sich um eine Entlastungsmaßnahme für das Alt-A-Portfolio, dessen Wert beträchtlich gesunken war, wodurch die negative Neubewertungsrücklage belastet wurde. Die Niederlande forderten mit Blick auf die Finanzstabilität, dass die Maßnahme vor dem 31. März 2009 genehmigt werden sollte. Außerdem hätte eine mehr als geringfügige Änderung der Maßnahme für ING einen großen buchmäßigen Verlust zur Folge gehabt.

(37)

Die Entlastungsmaßnahme wurde in der Eröffnungsentscheidung vom 31. März 2009 ausführlich beschrieben. Im Folgenden wird der Aufbau der Maßnahme noch einmal kurz dargelegt, bevor die wichtigsten Änderungen bezüglich der Vergütungs- und Gebührenstruktur erläutert werden.

(38)

Seit dem 26. Januar 2009 haben die Niederlande 80 % aller Cash-Flows aus einem wertgeminderten amerikanischen Alt-A-RMBS-Portfolio (nachstehend das „Portfolio“) von ING (Flow 4 in der folgenden grafischen Darstellung) sowie ein Garantieentgelt (Flow 5) erhalten. Im Gegenzug erhält ING von den Niederlanden die folgenden risikobereinigten Cash-Flows:

einen garantierten Wert, bei dem es sich um Cash-Flows aus Tilgungszahlungen im Gesamtumfang von 28 Mrd. USD handelt, die 90 % (Kaufpreis oder Übernahmepreis) von 80 % des Portfolios, d. h. 72 % des Portfolios (Flow 1) entsprechen. Diese Cash-Flows werden monatlich gezahlt, solange das Portfolio besteht;

ein Finanzierungsentgelt (Flow 2);

ein Verwaltungsentgelt (Flow 3).

(39)

Die Cash-Flows aus den restlichen 20 % des Portfolios verbleiben bei ING und fallen nicht in den Anwendungsbereich des Cash-Flow-Swaps.

(40)

ING hat sich bereit erklärt, einige zusätzliche Zahlungen an die Niederlande zu leisten, wodurch sich die Vergütung des Staates für die Entlastungsmaßnahme im Zuge der in den Erwägungsgründen 41, 42 und 42 beschriebenen Entgeltanpassungen beträchtlich erhöht.

Image

(41)

Erstens werden die Niederlande ab dem 25. Oktober 2009 das Finanzierungsentgelt für 57 % (festverzinsliche Instrumente) von 72 % des Portfolios um 50 Basispunkte p. a. von 3,5 % (15) auf 3 % p. a. senken; ferner werden sie das Finanzierungsentgelt für 43 % (zinsvariable Instrumente) von 72 % des Portfolios um 50 Basispunkte p. a. vom LIBOR-Satz zuzüglich 50 Basispunkte p. a. auf den LIBOR-Satz senken.

(42)

Zweitens wird das (von den Niederlanden an die ING gezahlte) Verwaltungsentgelt in Höhe von 25 Basispunkten p. a. auf 80 % des ausstehenden Betrags des Portfolios durch eine Erhöhung des Garantieentgelts um 15 Basispunkte auf 10 Basispunkte gesenkt (siehe auch Erwägungsgrund 43).

(43)

Drittens wird ING ab dem 25. Oktober 2009 das Garantieentgelt von 55 Basispunkten p. a. auf den ausstehenden Betrag des übertragenen Portfolios um weitere 82,6 Basispunkte p. a. erhöhen, wodurch das Garantieentgelt insgesamt auf 137,6 Basispunkte steigt. Mit 67 Basispunkten der 82,6 Basispunkte betragenden Erhöhung werden die Senkung des (von den Niederlanden an ING gezahlten) Verwaltungsentgelts um 15 Basispunkte und eine Änderung des Preises der Portfolioübertragung um 52 Basispunkte (was einer Senkung des Übertragungspreises von 90 % auf rund 87 % entspricht) ausgeglichen. 15,6 Basispunkte sind eine Claw-Back-Anpassung für den Zeitraum vom 26. Januar 2009 (dem Beginn der ursprünglichen Maßnahme) bis zum 25. Oktober 2009 (16).

(44)

Wenn die ursprüngliche Maßnahme zwischen den Niederlanden und ING rückabgewickelt wird (17), wird der Betrag der nicht geleisteten zusätzlichen Zahlung für den Zeitraum vom 26. Januar 2009 bis zum 25. Oktober 2009 (d. h. die in die Anpassung des Garantieentgelts eingeschlossenen 15,6 Basispunkte) noch zu zahlen sein. Im Falle einer teilweisen Rückabwicklung der ursprünglichen Maßnahme wäre ein solcher Betrag anteilig zu zahlen.

(45)

Die im Oktober 2009 eingeführten Änderungen werden über eine gesonderte Vereinbarung zwischen ING und den Niederlanden umgesetzt, um die ursprüngliche Maßnahme unberührt zu lassen. Die Niederlande verpflichten sich dazu, eine etwaige vollständige oder teilweise Rückabwicklung der ursprünglichen Maßnahme bei der Kommission anzumelden.

2.3.3.   Die Garantien

(46)

Die Niederlande haben im Rahmen der niederländischen Kreditgarantieregelung (Sache N 524/08) auch Garantien für mittelfristige Verbindlichkeiten von ING im Umfang von i) 9 Mrd. USD von denen 8,25 Mrd. USD bereits begeben wurden) und ii) 5 Mrd. EUR (von denen 4,15 Mrd. EUR bereits begeben wurden), gewährt. ING zahlt ein durchschnittliches Garantieentgelt von 84 Basispunkten auf die Garantiesumme.

(47)

Die Niederlande bestätigen, dass sie etwaige zusätzliche Garantien für ING einzeln anmelden werden. Die Garantie für einen Betrag von bis zu […] Mrd. EUR, die von den Niederlanden im Zusammenhang mit der Durchführung des Umstrukturierungsplans für die Refinanzierung von Westland Utrecht Hypotheekbank (WUH)/Interadvies (vgl. Erwägungsgründe 55 und 85) zugesagt wurde, wird ebenfalls gesondert bei der Kommission angemeldet werden. Diese Garantien über bis zu […] Mrd. EUR sind Bestandteil des Umstrukturierungsplans, auf den sich diese Entscheidung bezieht, aber die Notwendigkeit und die Vergütung dieser Garantien sind noch von den Niederlanden zu bestimmen und werden von der Kommission in einem gesonderten Beschluss gewürdigt, sobald die Maßnahme einzeln angemeldet wird.

3.   DER UMSTRUKTURIERUNGSPLAN

3.1.   Im Umstrukturierungsplan vorgesehene Maßnahmen

(48)

ING beabsichtigt, die Konzernstruktur zu vereinfachen, Kosten zu senken, Risiken zu verringern und eine Reihe von Veräußerungen vorzunehmen, eine tragfähige Vergütungspolitik zu entwickeln, ihre Kapitalstruktur anzupassen, neue interne Ziele bezüglich der Eigenkapitalquoten festzulegen und den Betrag langfristiger Refinanzierungen, die nicht aus Einlagen stammen, zu erhöhen. Der Umstrukturierungsplan muss in einem Zeitraum von fünf Jahren durchgeführt werden.

(49)

Zur Vereinfachung der Konzernstruktur hat ING seine sechs Geschäftsfelder in zwei Unternehmensbereichen — Bank und Versicherung — zusammengefasst. Jeder Unternehmensbereich wurde für seine Strategieumsetzung und sein Bilanzmanagement selbst verantwortlich. Der Umstrukturierungsplan sieht vor, dass ING nur noch im Bankgeschäft tätig sein wird, während der Unternehmensbereich Versicherung im Laufe der Zeit veräußert werden soll.

(50)

Im Bankgeschäft wird ING sich in erster Linie auf Europa konzentrieren, darüber hinaus aber auch ausgewählte Wachstumschancen in anderen Teilen der Welt wahrnehmen. ING beabsichtigt, den strategischen Schwerpunkt auf die folgenden Bereiche zu legen: kontinuierlich Gewinn abwerfende Retail-Bankgeschäfte auf ausgereiften Märkten, ausgewählte Wachstumschancen im Retail-Bankgeschäft in Mittel- und Osteuropa sowie ein auf Europa ausgerichtetes Commercial Banking in Verbindung mit Retail-Bankgeschäften und Speciality Finance. Die Bank wird standardisierte Produkte anbieten und stark automatisierte Geschäftsprozesse anwenden. Anstatt Anlagen wie forderungsbesicherte Wertpapiere (ABS) zu erwerben, wird die Gruppe sich zunehmend auf die eigene Kreditvergabe konzentrieren.

(51)

Für 2009 sind Kostensenkungen im Umfang von 1,3 Mrd. EUR geplant. 35 % der Kostensenkungen sollen durch eine Verringerung der Kosten für Vollzeitäquivalente und 65 % durch andere Ausgabensenkungen (z. B. Ausgaben für externe Mitarbeiter, Marketing und Formel-1-Rennen) erzielt werden. Die ING-Zentrale leistet einen Beitrag zu den Kostensenkungen. Seit August 2009 wurde bereits eine Kostensenkung von über 800 Mio. EUR erzielt. Um dies zu erreichen, bildete ING eine Restrukturierungsrückstellung von rund 450 Mio. EUR nach Steuern.

(52)

ING beabsichtigt ferner, eine Reihe von Risikominderungsmaßnahmen durchzuführen wie z. B. Hedging-Programme, Verringerungen, Schließungen und Abwicklung („run-off“) riskanter Positionen sowie die Verringerung der direkten Beteiligungskapitalexponierung. Was das Anlageportfolio anbelangt, so haben die Niederlande zugunsten von ING eine Vermögenssicherungsmaßnahme in Form der Entlastungsmaßnahme für das Alt-A-Portfolio durchgeführt. ING hat zudem eine Neueinstufung einer Reihe ihrer durch Forderungen unterlegten Wertpapiere, die bis dahin als dispositiver Bestand galten, als HtM-Vermögenswerte vorgenommen, wodurch die Volatilität der negativen Neubewertungsrücklage begrenzt wurde. ING wird ihre Exponierung im Bereich risikoreicherer Anlagesegmente innerhalb der US-amerikanischen CMBS und RMBS (durch gewerbliche bzw. private Hypothekendarlehen besicherte Wertpapiere) senken. Ferner wird ING keine neuen Maßnahmen ergreifen, um ihre direkte Immobilienexponierung zu erhöhen.

(53)

Die Kommission geht davon aus, dass ING insbesondere in Bezug auf ING Direct eine [vorsichtige] Geschäftsstrategie verfolgen will, da ING ihr Geschäft […] auf faire Preise […] (18) stützen und nicht als Preisführer agieren will.

(54)

ING nimmt derzeit im Rahmen ihrer neuen Geschäftsstrategie eine Reihe von Veräußerungen vor, die erhebliche Auswirkungen auf ihre Bilanzsumme haben. Die im geänderten Umstrukturierungsplan vorgesehenen Maßnahmen werden voraussichtlich zu einer Reduzierung der Bilanzsumme um 616 Mrd. EUR führen, wobei von der Größe der Geschäftseinheiten am 30. September 2008 ausgegangen wird. Diese Reduzierung der Bilanzsumme um 616 Mrd. EUR erfolgt durch Maßnahmen zur Verringerung des Fremdkapitalanteils der Banken und zur Bilanzintegration (rund […] Mrd. EUR), die Veräußerung von Banken (rund […] Mrd. EUR) und die Veräußerung der gesamten ING Insurance (rund […] Mrd. EUR). Obwohl die ING-Versicherungssparte eine geringere Bilanzsumme als die Bankensparte aufwies, erwirtschaftete sie vor der Krise rund 50 % der Erträge von ING (19). Im Vergleich zum dritten Quartal 2008 (d. h. 1 376 Mrd. EUR) wird die Bilanzsumme insgesamt um rund 45 % verringert.

(55)

Der Umstrukturierungsplan sieht ferner vor, dass ING im Rahmen der Veräußerungen eine voll funktionsfähige und veräußerbare Retail-Bank in den Niederlanden ausgliedern wird (nähere Einzelheiten siehe Erwägungsgrund 85), die aus der derzeitigen Interadvies (Westland Utrecht Hypotheekbank, Westland Utrecht Effectenbank, Nationale Nederlanden Hypotheekbedrijf, Nationale Nederlanden Financiële Diensten) besteht und der das Verbraucherkreditportfolio der ehemaligen Postbank zugewiesen wird. ING wird sich darum bemühen, die Geschäftseinheit Interadvies (nachstehend „WUH/Interadvies“) [nach einem detaillierten Zeitplan] auszugliedern. Die Bilanzsumme der Einheit wird rund [25–50] Mrd. EUR betragen.

(56)

[…] die Veräußerung von WUH/Interadvies keine Probleme in Bezug auf Risiken für die finanzielle Stabilität aufwarf, legten die Niederlande eine Studie eines unabhängigen Experten über den niederländischen Markt für Retail-Bankgeschäfte vor, dem zufolge Kontokorrentkonten, die im Allgemeinen als Ankerprodukt für das Cross-Selling im Retail-Bankgeschäft gelten, in den Niederlanden und insbesondere bei ING beim Vertrieb von Hypotheken- und anderen Bankprodukten keine wesentliche Rolle spielen. In der Studie wurde ferner die Bedeutung des Internets als Vertriebskanal in den Niederlanden hervorgehoben, wodurch die Notwendigkeit eines Filialnetzes für den Vertrieb von Bankprodukten verringert wird. Nach Auffassung der Niederlande können andere Produkte mit den von WUH/Interadvies vertriebenen Produkten kombiniert werden. So könne insbesondere das übertragene Verbraucherkreditportfolio für den Einstieg bei anderen Produkten genutzt werden.

(57)

Im Einzelnen beabsichtigt ING, die folgenden anderen Sparten, Tätigkeiten oder Produkte zu verkaufen bzw. zu veräußern:

ING Life Taiwan (abgeschlossen),

Einstellung des Verkaufs von veränderlichen Renten mit Einmalprämie (SPVA) in Japan (erfolgt),

Abwicklung des bestehenden Variable-Annuities-Portfolios in den Vereinigten Staaten,

Abwicklung des Finanzproduktgeschäfts in den Vereinigten Staaten,

Einstellung der Maßnahmen für die geplante Gründung von ING Direct Japan (erfolgt),

Veräußerung des Nichtlebensversicherungsgeschäfts in Kanada (abgeschlossen),

Veräußerung des Rentenversicherungs- und Hypothekengeschäfts in Chile (erfolgt),

Veräußerung des Versicherungsgeschäfts in Russland — nichtstaatlicher Pensionsfonds (erfolgt),

Veräußerung des Versicherungsgeschäfts in Argentinien — Origines Seg. De Retiro (erfolgt),

Veräußerung des Versicherungsgeschäfts in Asien — HK platform services (erfolgt),

Veräußerung der Bereiche Private Banking Asien und Private Banking Schweiz (unterzeichnet),

Veräußerung des Gruppenrückversicherungsgeschäfts in den Vereinigten Staaten (unterzeichnet),

Veräußerung von Insurance Asia/Pacific (Australien (unterzeichnet), Neuseeland (unterzeichnet), Japan, Korea, Hongkong, Indien, Thailand, Malaysia),

Veräußerung des Vermögensverwaltungsgeschäfts im asiatisch-pazifischen Raum,

Veräußerung des Geschäftsbereichs Betriebliche Altersversorgung in den Vereinigten Staaten,

Veräußerung des Versicherungsgeschäfts in den Vereinigten Staaten (US Retirement Services, US FA, klassische Lebensversicherungen),

Veräußerung des Vermögensverwaltungsgeschäfts in den Vereinigten Staaten,

Veräußerung von ING Direct US,

Veräußerung des Versicherungsgeschäfts in Lateinamerika (Brasilien, Chile, Mexiko, Peru, Kolumbien, Uruguay),

Veräußerung des Vermögensverwaltungsgeschäfts in Lateinamerika,

Veräußerung des Versicherungsgeschäfts in Mitteleuropa (Bulgarien, Tschechische Republik, Griechenland, Ungarn, Polen, Rumänien, Slowakei, Spanien),

Veräußerung des Vermögensverwaltungsgeschäfts in Europa,

Veräußerung des Versicherungsgeschäfts in den Benelux-Staaten (Nationale Nederlanden Insurance, RVS, Retail Insurance Netherlands (vormals Postbank Insurance), Insurance Belgium, Insurance Luxembourg),

Veräußerung des Interadvies-Geschäfts (Westland Utrecht Hypotheekbank, Westland Utrecht Effectenbank, Nationale Nederlanden, Hypotheekbedrijf, Nationale Nederlanden Financiële Diensten) einschließlich des Verbraucherkreditportfolios der ehemaligen Postbank (nähere Einzelheiten siehe Verpflichtungszusagen der Niederlande).

(58)

Die Bankensparte soll nach den Plänen von ING im Umstrukturierungszeitraum […] ein organisches Bilanzsummenwachstum von rund […] % jährlich erreichen. Dieses Wachstum soll zum überwiegenden Teil durch die Vergabe von Krediten an die Realwirtschaft (Haushalte und Unternehmen) erzielt werden.

(59)

Ferner führt ING eine neue Vergütungsstrategie ein, bei der sich der ING Supervisory Board zur Entwicklung einer nachhaltigen Vergütungsstrategie für den Executive Board und das Senior Management verpflichtet. Diese Incentive-Regelungen werden an die langfristige Wertschöpfung geknüpft, wobei auch das Risiko berücksichtigt und die Möglichkeiten „Belohnungen für Fehlschläge“ zu gewähren, beschränkt werden.

(60)

ING unternimmt Anstrengungen, um das „Double Leverage“ so bald wie möglich, spätestens jedoch bis zum […] zu beenden.

3.2.   Fähigkeit, die Rentabilität zu erreichen, in einem Basis- und einem Stressszenario

(61)

ING hat ein Basis- und ein Stressszenario vorgelegt, um nachzuweisen, dass sie eine langfristige Rentabilität erreichen kann.

(62)

Im Basisszenario wird ING […]. Ferner wird angenommen, dass die Märkte für Beteiligungskapital […] werden.

(63)

Im Basisszenario werden die Nettoeinnahmen der Gruppe […]. Die Gesamterträge der Gruppe […]. Die Eigenkapitalrendite beliefe sich auf […]. ING Insurance würde […].

(64)

In Bezug auf die Bank geht ING von einer Erhöhung der risikogewichteten Vermögenswerte von rund […] jährlich (vor Veräußerungen) aus, was zum Teil auf […] zurückzuführen ist. Die Einnahmen (ohne Veränderungen des beizulegenden Zeitwerts und Wertberichtigungen) werden auf […] veranschlagt; das Commercial Banking wird voraussichtlich […] und das Retail-Bankgeschäft […].

(65)

ING Bank geht davon aus, dass die internen Kapitalziele im Projektionszeitraum erreicht werden. ING hat für die Bankensparte neue interne Kernkapitalziele von […] % (Tier-1) bzw. […] % (Core-Tier-1) festgelegt. Für ING Insurance wird nach wie vor eine Kapitaldeckungsquote von 150 % angestrebt.

(66)

Im Basisszenario würde der Solvabilitätskoeffizient von ING (Gesamtkapital im Verhältnis zu den risikogewichteten Vermögenswerten) während des gesamten Umstrukturierungszeitraums rund […] betragen und höchstens auf […] sinken.

(67)

ING Insurance wird im Laufe des Umstrukturierungszeitraums […] veräußert. Im Basisszenario wird für die Veräußerungen ein Nettoerlös von […] EUR veranschlagt.

(68)

In einem Alternativszenario, in dem die Versicherungssparte […] veräußert wird, geht ING von einem entsprechend höheren Nettoerlös aus.

(69)

ING hat auch ein Stressszenario […] vorgelegt.

(70)

[…]. Zudem werden erheblich höhere Ausfallwahrscheinlichkeiten zugrunde gelegt. ING geht ferner von höheren Verlustquoten bei Ausfall (LGD) aus.

(71)

In diesem Stressszenario wird für die ING-Gruppe ein Geschäftsergebnis von […] zugrunde gelegt.

(72)

Auch angesichts dieser für das Stressszenario verwendeten Annahmen würde ING nach wie vor über eine ausreichende Kapitaldecke verfügen, da es die aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen weiterhin erfüllt. […].

(73)

Die Niederlande machen in diesem Zusammenhang geltend, dass ING in den Stressszenarios für die Berechnung der Verlustquoten ihres Kreditportfolios LGD-Modelle verwendet hat, die von der niederländischen Zentralbank De Nederlandsche Bank (nachstehend „DNB“) als der zuständigen Finanzaufsichtsbehörde […] genehmigt worden sind.

(74)

Außerdem hat ING in den Stressszenarien zusätzlich strengere Annahmen zugrunde gelegt, die deutlich über das vorgelegte Stressszenario für niederländische private Hypothekendarlehen hinausgehen (20) […]. Auch bei diesen Annahmen verfügt ING über eine ausreichende Kapitaldecke, da ING weiterhin die aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen erfüllt und sogar über einen beträchtlichen zusätzlichen Eigenkapitalpuffer verfügt.

(75)

Die Niederlande erklären, dass die Bank alle Stresstests der Aufsichtsbehörde in Bezug auf die Liquidität bestanden hat. […].

3.3.   Ausstiegsstrategie

(76)

Im ING-Basisszenario des Umstrukturierungsplans kauft ING die Core-Tier-1-Wertpapiere wie folgt zurück:

a)

Eine erste Tranche im Umfang von 5,0 Mrd. EUR (Nominalbetrag) soll um den 17. Dezember 2009 zu einem Mindestpreis von 5,75 Mrd. EUR zurückgekauft werden. Dieser angenommene Preis ergibt einen internen Zinsfuß von 15 % für die Niederlande und schließt den Basissatz von 8,5 % plus einen zusätzlichen Aufschlag von mindestens 340 bis 705 Mio. EUR (21) ein, der den möglichen Wertzuwachs der ING-Aktien widerspiegelt. Der genaue Rückkaufpreis wird vom Preis der ING-Aktien abhängen.

b)

Eine [verbleibende] Tranche im Umfang von […] Mrd. EUR (Nominalbetrag) wird im […] zu einem auf […] Mrd. EUR veranschlagten Preis zurückgekauft werden. Diesem Preis liegt die Annahme zugrunde, dass der Rückkauf, wie im ursprünglichen Wortlaut der Vereinbarung über die Core-Tier-1-Wertpapiere vorgesehen zu 150 % des Nominalwerts (15 EUR pro Aktie) plus 8,5 % Stückzinsen für ein Jahr erfolgt. Alternativ dazu könnte ING [nach] 2010 […] diese Tranche zurückkaufen und dann von ihrer Umwandlungsoption Gebrauch machen, wodurch die Niederlande entweder […] Mio. ING-Stammaktien oder Barmittel in Höhe von […] Mrd. EUR plus rund […] Mio. EUR Stückzinsen erhalten würden.

c)

[…].

(77)

Insgesamt werden die Niederlande im Rahmen der […] Transaktionen einen internen Zinsfuß von [15–25] % erhalten. Die Niederlande müssen jede Änderung der Vereinbarung über die Rückzahlung der Wertpapiere bei der Kommission anmelden.

(78)

Bislang hat ING keine Kuponzahlungen auf hybride Tier-1-Instrumente, die von der Gruppe begeben wurden, aufgeschoben.

(79)

Am 14. Oktober 2009 übte ING eine Call-Option für Lower Tier 2 Bonds aus. ING teilte der Kommission mit, dies zu bedauern, und erklärte, dies sei ein Missverständnis gewesen […]. Außerdem bekräftigen die Niederlande, sie verstünden, dass die Kommission im Prinzip die Ausübung einer Call-Option für Tier-1/Tier-2-Kapitalinstrumente nicht als geeignetes Mittel für in einer Umstrukturierung befindliche Banken betrachtet, und erklären sich bereit, einen solchen Call künftig im Einzelfall zu erörtern und an die Genehmigung durch die Kommission zu binden; die Genehmigung gelte ab der Annahme dieses Beschlusses bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ING die Core-Tier-1-Wertpapiere vollständig an den niederländischen Staat zurückgezahlt habe (einschließlich der entsprechenden Stückzinsen für die Core-Tier-1-Kupons und Ausstiegsgebühren), längstens jedoch für einen Zeitraum von drei Jahren.

(80)

Für die Entlastungsmaßnahme ist kein einseitiger Ausstieg vorgesehen; die Niederlande verpflichten sich, eine Beendigung der Entlastungsmaßnahme im Wege einer Vereinbarung bei der Kommission anzumelden. Im Basisszenario des Umstrukturierungsplans wird jedoch angenommen, dass die Maßnahme bis nach 2013 Anwendung finden wird.

3.4.   Verpflichtungszusagen der Niederlande

(81)

Im Hinblick auf die Entlastungsmaßnahme (das heißt die „Stützungsfazilität für illiquide Vermögenswerte“ oder IABF) machen die Niederlage die folgenden Verpflichtungszusagen:

Ab dem 25. Oktober 2009 leistet die ING-Gruppe zusätzliche Zahlungen an die Niederlande, die folgenden Anpassungen der Alt-A-Vergütung entsprechen: einer Anpassung des an ING gezahlten Finanzierungsentgelts um — 50 Basispunkte und einer Anpassung des von ING gezahlten Garantieentgelts um + 82,6 Basispunkte. Die Anpassung des Garantieentgelts schließt 15,6 Basispunkte ein, die einer Anpassung für den Zeitraum vom 26. Januar 2009 — dem Beginn der IABF (22) (das heißt der A-Maßnahme) — bis zum 25. Oktober 2009 entsprechen. Die zusätzlichen Zahlungen werden je nach Umfang und für die Geltungsdauer der IABF-Vereinbarung geleistet.

Um die ursprüngliche IABF unberührt zu lassen, werden die zusätzlichen Zahlungen im Rahmen einer gesonderten Vereinbarung zwischen der ING-Gruppe und den Niederlanden erfolgen.

Für die zusätzlichen Zahlungen ist keine Restzahlung zu leisten, wenn die IABF vorzeitig rückabgewickelt wird; dies gilt mit Ausnahme des Teils, der sich auf den Zeitraum vom 26. Januar 2009 bis zum 25. Oktober 2009 bezieht (das heißt die 15,6 Basispunkte, die in der Anpassung des Garantieentgelts enthalten sind). Der Betrag der ausstehenden zusätzlichen Zahlungen, der sich auf den Zeitraum vom 26. Januar 2009 bis zum 25. Oktober 2009 bezieht (das heißt die 15,6 Basispunkte, die in der Anpassung des Garantieentgelts enthalten sind), ist zu entrichten, wenn die ursprüngliche Maßnahme ganz oder teilweise rückabgewickelt wird. Wird die IABF teilweise rückabgewickelt, ist ein solcher Betrag anteilig zu zahlen.

Die Niederlande verpflichten sich dazu, eine etwaige vollständige oder teilweise Rückabwicklung der Entlastungsmaßnahme bei der Kommission anzumelden.

(82)

Im Hinblick auf die Reduzierung der Bilanzsumme sowie die Verpflichtung, die Versicherungssparte, ING Direct US und andere Geschäftseinheiten bis Ende 2013 zu veräußern, machen die Niederlande die folgenden Verpflichtungszusagen:

ING wird ihre Bilanzsumme bis Ende 2013 um 45 % gegenüber dem 30. September 2008 reduzieren und die in Erwägungsgrund 57 aufgeführten Geschäftseinheiten veräußern, insbesondere die Versicherungssparte und ING Direct US […].

Diese Zahlen beziehen sich auf Projektionen, die weder die möglichen Auswirkungen organischen Wachstums berücksichtigen, noch anderweitige zusätzliche Zunahmen, etwa wegen neuer aufsichtsrechtlicher Vorschriften, wie z. B. (neuer) EU-weiter Vorschriften über erheblich größere Liquiditätsreserven. Derartige Vorschriften könnten dazu führen, dass das Bilanzwachstum deutlich über die derzeitigen Projektionen für das organische Wachstum hinausgeht.

ING wird keine Beschränkung des organischen (das heißt nicht übernahmebedingten) Wachstums der Bilanzsumme ihrer Unternehmen auferlegt. […]. In Zukunft wird ING allgemein die Politik verfolgen, die Zunahme der ihr von ihren Kunden anvertrauten Mittel vor allem für die Ausweitung der Kreditvergabe an die Realwirtschaft (Unternehmen und Verbraucher) zu verwenden und ihr Engagement im Bereich der stärker risikobehafteten Kategorien von Vermögenswerten (US CMBS und US RMBS) zu verringern […] (23).

Im Hinblick auf die (in Erwägungsgrund 57 aufgeführten) Geschäftseinheiten, die ING sich zu veräußern verpflichtet, kann die Kommission für den Fall, dass die Veräußerung einer dieser Geschäftseinheiten nicht bis spätestens 31. Dezember 2013 (zum Beispiel durch den Abschluss eines endgültigen verbindlichen Veräußerungsvertrags) erfolgt ist, auf Antrag der Niederlande eine Fristverlängerung gewähren, sofern dies angemessen oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände gerechtfertigt ist (24). In derartigen Fällen kann die Kommission i) die Niederlande zur Einsetzung eines oder mehrerer (Veräußerungs-)Treuhänder(s) (25) auffordern, die von ING vorausgewählt und vorgeschlagen werden (und der Genehmigung durch die Kommission bedürfen), […].

Die Verlängerung einer Frist ist von den Niederlanden spätestens einen Monat vor Ablauf der Frist zu beantragen und hinreichend zu begründen. In Ausnahmefällen können die Niederlande innerhalb des letzten Monats vor Fristende eine Verlängerung beantragen.

(83)

Die Niederlande sagen ferner zu, dass ING auf Übernahmen verzichten wird:

ING wird für einen bestimmten Zeitraum auf den Erwerb von Finanzinstituten verzichten. Diese Verpflichtung gilt für den kürzeren der beiden folgenden Zeiträume: drei Jahre ab dem Datum der Kommissionsentscheidung oder bis zu dem Tag, an dem ING die Core-Tier-1-Wertpapiere vollständig an die Niederlande zurückgezahlt hat (einschließlich der entsprechenden Stückzinsen für die Core-Tier-1-Kupons und der Ausstiegsgebühren). ING wird während dieses Zeitraums auch auf jede (sonstige) Übernahme von Unternehmen verzichten, die die Rückzahlung der Core-Tier-1-Wertpapiere an die Niederlande verzögern würde.

Ungeachtet dieses Verbots kann ING nach Einholung der Genehmigung der Kommission Übernahmen tätigen, insbesondere wenn dies für die Wahrung der Finanzstabilität oder zum Schutz des Wettbewerbs auf den betreffenden Märkten erforderlich ist.

(84)

Die Niederlande sagen ferner zu, dass ING sich an einen Verzicht auf die Preisführerschaft halten wird:

Ohne vorherige Genehmigung der Kommission wird ING (auf den nachstehend festgelegten Märkten) für standardisierte ING-Produkte keine günstigeren Tarife anbieten als die drei direkten Wettbewerber, die auf den EU-Märkten, auf denen ING einen Marktanteil von über 5 % innehat, die günstigsten Tarife bieten.

Diese Verpflichtungszusage ist auf standardisierte ING-Produkte auf den folgenden Produktmärkten beschränkt: i) Retail-Spareinlagenmarkt, ii) Retail-Hypothekenmarkt, iii) Private Banking, sofern es sich um Hypotheken- oder Sparprodukte handelt und iv) Einlagen für KMU (KMU im Sinne der KMU-Definition, die ING bei ihrer Geschäftstätigkeit in dem betreffenden Land üblicherweise/zurzeit zugrunde legt). Sobald ING feststellt, dass ihre Produkttarife günstiger sind als die ihrer drei Wettbewerber mit den günstigsten Tarifen, ändert sie diese baldmöglichst und ohne unnötige Verzögerung auf einen Stand ab, der mit dieser Verpflichtung im Einklang steht.

Diese Verpflichtungszusage gilt für den kürzeren der beiden folgenden Zeiträume: drei Jahre ab dem Datum der vorliegenden Entscheidung oder bis zu dem Tag, an dem ING die Core-Tier-1-Wertpapiere vollständig an die Niederlande zurückgezahlt hat (einschließlich der entsprechenden Stückzinsen für die Core-Tier-1-Kupons und der Ausstiegsgebühren). Zur Überwachung der Einhaltung dieser Bestimmung setzen die Niederlande einen von ING vorausgewählten und vorgeschlagenen Überwachungstreuhänder ein. Der gewählte Überwachungstreuhänder bedarf der Genehmigung durch die Kommission.

Sofern nicht die Kommission eine entsprechende Genehmigung erteilt hat, verzichtet ING Direct, um die langfristige Rentabilität von ING zu unterstützen, während des kürzeren der beiden folgenden Zeiträume auf dem Retail-Hypotheken- und dem Retail-Spareinlagenmarkt in der EU bei standardisierten ING-Produkten auf die Preisführerschaft: drei Jahre ab dem Datum der vorliegenden Entscheidung oder bis zu dem Tag, an dem ING die Core-Tier-1-Wertpapiere (einschließlich der entsprechenden Stückzinsen für die Core-Tier-1-Kupons und der Ausstiegsgebühren) vollständig an die Niederlande zurückgezahlt hat. Sobald ING feststellt, dass sie auf einem Markt für Retail-Hypotheken oder Retail-Spareinlagen zum Preisführer innerhalb der EU geworden ist, ändert sie ihre Tarife baldmöglichst und ohne unnötige Verzögerung auf einen Stand ab, der mit dieser Verpflichtung im Einklang steht.

Zur Überwachung der Einhaltung dieser Verpflichtungszusage setzen die Niederlande einen von ING vorausgewählten und vorgeschlagenen Überwachungstreuhänder ein. Der gewährte Überwachungstreuhänder bedarf der Genehmigung durch die Kommission.

(85)

Die Niederlande machen eine Reihe detaillierter Verpflichtungszusagen hinsichtlich der Ausgliederung von WUH/Interadvies ein:

ING wird in den Niederlanden ein zur Veräußerung bestimmtes neues Unternehmen gründen, das aus ihrem derzeitigen niederländischen Retail-Bankgeschäft ausgegliedert wird. Dieses ausgliederte neue Unternehmen muss im Ergebnis ein rentables und wettbewerbsfähiges Unternehmen sein, das von den von ING weitergeführten Geschäftsbereichen unabhängig und getrennt ist und auf einen geeigneten Käufer übertragen werden kann. Dieses neue Unternehmen wird die Geschäftstätigkeit der Bankensparte WUH/Interadvies, die zurzeit zum niederländischen Versicherungsgeschäft gehört, und das Verbraucherkreditportfolio von ING Bank umfassen. WUH/Interadvies ist eine Geschäftseinheit von ING, die von der Versicherungseinheit von Nationale Nederlanden kontrolliert wird. Es handelt sich (vorrangig) um eine Hypothekenbank, deren Geschäftstätigkeit auf eigenen Banklizenzen basiert. WUH/Interadvies ist ein rentabler eigenständiger Marktteilnehmer, der über eigenes Verkaufspersonal für den Kundenservice und eine unabhängige Organisation mit soliden Einnahmen verfügt. Die Ausgliederung wird unter der Aufsicht des Überwachungstreuhänders und in Zusammenarbeit mit dem Hold-Separate-Manager erfolgen. Der Überwachungstreuhänder kann ING während des Ausgliederungszeitraums empfehlen, in das zu veräußernde Geschäft diejenigen (mit dem zu veräußernden Geschäft zusammenhängenden) materiellen und immateriellen Vermögenswerte einzubeziehen, die er im Hinblick auf die vollständige Erfüllung der oben genannten ergebnisorientierten Verpflichtungszusagen von ING und insbesondere im Hinblick auf Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit des zu veräußernden Geschäfts für objektiv erforderlich hält. Stimmt ING in der Frage, ob die Einbeziehung derartiger materieller oder immaterieller Vermögenswerte in das zu veräußernde Geschäft objektiv erforderlich ist, um Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit des zu veräußernden Geschäfts zu gewährleisten, nicht mit dem Überwachungstreuhänder überein, teilt ING dem Überwachungstreuhänder dies schriftlich mit. In diesem Fall treffen die Geschäftsführung von ING und der Überwachungstreuhänder innerhalb von […] zu einer Sitzung zusammen, um einen Konsens zu erzielen. Wird kein Konsens erzielt, setzen ING und der Überwachungstreuhänder ohne unnötige Verzögerung gemeinsam einen unabhängigen Dritten mit Erfahrung im Finanzsektor (nachstehend „Experte“ genannt) ein, dessen Aufgabe darin besteht, die Argumente der Beteiligten anzuhören und eine Lösung herbeizuführen. Wird keine Lösung erzielt, entscheidet der Experte innerhalb von […] ab seiner Einsetzung darüber, ob die Einbeziehung der jeweiligen materiellen oder immateriellen Vermögenswerte in das zu veräußernde Geschäft objektiv erforderlich ist, um dessen Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten, und die Beteiligten akzeptieren die Entscheidung des Experten hierüber und handeln entsprechend. Der Bericht des Überwachungstreuhänders an die Kommission muss über das Bestehen unterschiedlicher Auffassungen informieren.

ING sagt zu, optimale Veräußerungsbedingungen zu gewährleisten und dazu einen Geschäftsplan zu erstellen, eine Internetplattform einzurichten und Verkaufskapazitäten für die ausgegliederte Geschäftseinheit bereitzustellen. Ferner wird sie (zu handelsüblichen Bedingungen) Zahlungsmittel bereitstellen, wenn dies vom Käufer gewünscht wird. Darüber hinaus wird ING zur Einrichtung einer Finanzabteilung beitragen und in den beiden Jahren nach der Veräußerung entsprechende Finanzmittel bereitstellen, die im Laufe dieses Zeitraums jedoch allmählich gesenkt werden sollen. Die von ING gewährte Finanzierungshilfe für das WUH-Geschäft wird auf den Tarifen für interne Finanzmittelübertragungen basieren. ING plant, für die Finanzierung des WUH-Geschäfts bei den Niederlanden eine staatlich garantierte Finanzierung von höchstens […] Mrd. EUR zu beantragen. Die Niederlande sagen zu, diese Maßnahme in diesem Fall gesondert anzumelden.

Ferner wird ING während einer Übergangszeit […] darauf verzichten, Kunden des WUH-Geschäfts für Produkte, die das WUH-Geschäft besagten Kunden am Tag der Annahme dieser Entscheidung bereitstellt, abzuwerben.

ING wird sich um eine Ausgliederung des WUH-Geschäfts bemühen […]. Nach der Ausgliederungszeit […] wird ING das WUH-Geschäft getrennt weiterführen und eine Veräußerung anstreben […] (26).

Ein Überwachungstreuhänder und ein Hold-Separate-Manger werden innerhalb von […] nach dem Datum dieser Kommissionsentscheidung […] eingesetzt; ferner wird ein Veräußerungstreuhänder eingesetzt […]. Alle Treuhänder werden von den Niederlanden nach Vorauswahl und Vorschlag durch ING eingesetzt. Ihre Einsetzung bedarf der Genehmigung durch die Kommission.

(86)

ING trägt die Kosten für alle während des Umstrukturierungsvorgangs eingesetzten Treuhänder.

(87)

Im Hinblick auf die Wiederherstellung der Rentabilität sichern die Niederlande zu, dass ING sich an Folgendes hält:

ING verpflichtet sich dazu, ihre nicht aus Einlagen stammenden Finanzmittel durch verstärkte Emission von Schuldtiteln mit einer Laufzeit von über einem Jahr auf längerfristige Finanzierung auszurichten, sobald sich die Marktsituation wieder etwas entspannt hat. […]

ING strebt an, ihr „Double-Leverage“ (Einsatz von Kernverbindlichkeiten als Eigenkapital bei ihren Tochtergesellschaften) baldmöglichst abzuschaffen und sagt zu, dies bis spätestens […] zu erreichen. Das „Double-Leverage“ wird automatisch abgeschafft, wenn die ING-Gruppe wieder zu einer regulierten Bank wird.

(88)

Im Hinblick auf den Aufschub von Kuponzahlungen und die Ausübung von Call-Optionen für Tier-1- und Tier-2-Wertpapiere sichern die Niederlande zu, dass ING sich an Folgendes halten wird:

Erhält ING durch eine Bezugsrechtsemission mehr als erforderlich ist, um 50 % der Core-Tier-1-Wertpapiere einschließlich der entsprechenden Stückzinsen und der Ausstiegsgebühren zurückzuzahlen, ist ING nicht gezwungen, die Kuponzahlungen auf hybride Instrumente am 8. und 15. Dezember 2009 (27) sowie spätere Kuponzahlungen auf hybride Instrumente aufzuschieben.

Wenn keine derartige Bezugsrechtsemission stattfindet und ING im Vorjahr Verluste gemacht hat, muss ING, sofern dies in ihrem Ermessen steht, die Kuponzahlungen auf hybride Instrumente um den kürzeren der beiden folgenden Zeiträume aufschieben: drei Jahre ab dem Datum der Kommissionsentscheidung oder bis zu dem Tag, an dem ING die Core-Tier-1-Wertpapiere (einschließlich der entsprechenden Stückzinsen für die Core-Tier-1-Kupons und der Ausstiegsgebühren) vollständig an die Niederlande zurückgezahlt hat.

Die Niederlande nehmen zur Kenntnis, dass Empfänger staatlicher Beihilfen nach Auffassung der Kommission Eigenmittel (Eigenkapital und nachrangige Verbindlichkeiten) nicht vergüten sollten, wenn ihre Tätigkeit keine ausreichenden Gewinne abwirft (28) und dass die Kommission in diesem Kontext grundsätzlich gegen die Ausübung von Call-Optionen für Tier-2-Kapital und hybride Tier-1-Instrumente ist. ING bedauert das Missverständnis hinsichtlich der Ausübung einer Call-Option für einen Lower-Tier-2-Bond am 14. Oktober 2009. Die Ausübung der Call-Option für Tier-2-Kapital und hybride Tier-1-Instrumente wird der Kommission in Zukunft während des kürzeren der beiden folgenden Zeiträume fallweise zur Genehmigung vorgelegt: drei Jahre ab dem Datum der vorliegenden Entscheidung oder bis zu dem Tag, an dem ING die Core-Tier-1-Wertpapiere vollständig an die Niederlande zurückgezahlt hat (einschließlich der entsprechenden Stückzinsen für die Core-Tier-1-Kupons und der Ausstiegsgebühren).

(89)

Die Niederlande sagen zu, dass ING kein groß angelegtes Marketing betreiben wird, bei dem die Rekapitalisierungsmaßnahme als Wettbewerbsvorteil dargestellt wird.

(90)

Die Niederlande sagen zu, dass ING sich weiter an die Einschränkungen hinsichtlich ihrer Vergütungspolitik und ihres Marketings, zu denen sie sich im Rahmen der Vereinbarungen über die Core-Tier-1-Wertpapiere und die IABF verpflichtet hatte, halten wird.

(91)

ING und die Niederlande sagen zu, dass der Kommission ab dem Datum dieser Entscheidung alle sechs Monate ein Fortschrittsbericht über die Umsetzung des Umstrukturierungsplans vorgelegt wird.

(92)

Die Niederlande sagen zu, dass die Umstrukturierung von ING bis spätestens Ende 2013 vollständig abgeschlossen sein wird.

4.   GRÜNDE FÜR DIE ERÖFFNUNG DES VERFAHRENS

(93)

In der Eröffnungsentscheidung äußerte die Kommission Zweifel an der Vereinbarkeit der ursprünglichen Maßnahme mit der Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva, besonders in Bezug auf Bewertung und Lastenverteilung. Wie sie jedoch feststellte, erfüllt die Maßnahme die in der Mitteilung genannten Bedingungen bezüglich Abgrenzung der entlastungsfähigen Vermögenswerte, Form des Managements der Vermögenswerte, Transparenz, Offenlegung und Garantieentgelt.

(94)

Was die Bewertung angeht, setzten die Niederlande den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert des Portfolios mit 97,3 % des Nennwerts (Basisszenario) bzw. 88,8 % des Nennwerts (Stressszenario) an. Auf dieser Grundlage wurde das Portfolio zu 90 % des Nennwerts auf die Niederlande übertragen. Die Kommission brachte Zweifel an der richtigen Einschätzung des tatsächlichen wirtschaftlichen Werts zum Ausdruck, besonders in Bezug auf die Wahl des Abzinsungssatzes, die Annahmen für die Immobilienpreise, den Umfang der zusätzlichen Darlehensbesicherung und andere Bewertungsaspekte.

(95)

Was die Lastenverteilung angeht, äußerte die Kommission Zweifel an der richtigen Höhe des Finanzierungsentgelts und der Angemessenheit des von den Niederlanden an ING gezahlten Verwaltungsentgelts. Angesichts der Zweifel der Kommission an der richtigen Bewertung des Portfolios war auch nicht auszuschließen, dass sich ein etwaiges negatives Ergebnis der Überprüfung des Portfoliowerts unmittelbar auf die Beurteilung des Garantieentgelts auswirken würde.

5.   BEIHILFERECHTLICHE WÜRDIGUNG

5.1.   Vorliegen einer Beihilfe

(96)

Nach Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

(97)

Die Kommission hat bereits in der Eröffnungsentscheidung festgehalten, dass es sich bei der Rekapitalisierung von ING um eine staatliche Beihilfe in Höhe des zugeführten Kapitals, d. h. 10 Mrd. EUR, handelt.

(98)

Die Änderung des Rückzahlungsagios stellt insofern ebenfalls eine Beihilfemaßnahme dar, als der Staat auf sein Recht auf die Erzielung von Einnahmen verzichtet. Da ING einem Rückzahlungsagio von 150 % bereits zugestimmt hat, ist jegliche Senkung in der Tat gleichbedeutend mit einem Verzicht der Niederlande auf Einnahmen. Die Änderung der Konditionen für die Rückzahlung des von den Niederlanden zugeführten Kapitals stellt einen zusätzlichen Vorteil für ING dar. Der Wert dieser Beihilfemaßnahme beläuft sich, wie in Erwägungsgrund 34 dargelegt, auf etwa 2 Mrd. EUR.

(99)

In Bezug auf die Entlastungsmaßnahme hat die Kommission bereits in der Eröffnungsentscheidung festgestellt, dass es sich dabei um eine Beihilfe handelt. Der sich aus der Entlastungsmaßnahme ergebende Beihilfebetrag wird berechnet als die Differenz zwischen dem Übertragungspreis (ausgehend vom tatsächlichen wirtschaftlichen Wert) und dem Marktpreis des übertragenen Portfolios. Den Angaben der Niederlande zufolge belief sich der Nennwert des Alt-A-Portfolios zum 31. Dezember 2008 auf insgesamt 39 Mrd. USD. 80 % des Portfolios wurden zu 87 % des Nennwerts (Maßnahme in ihrer angepassten Form), also für 27,1 Mrd. USD, auf die Niederlande übertragen. Nach Angaben der Niederlande belief sich der Marktwert des Alt-A-Portfolios zum 31. Dezember 2008 auf insgesamt 25,8 Mrd. USD, wovon 80 % (20,6 Mrd. USD) auf die Niederlande übertragen wurden. Entsprechend ergibt sich eine Differenz zwischen Übertragungs- und Marktpreis für das übertragene Portfolio von 6,5 Mrd. USD, was etwa 5,0 Mrd. EUR entspricht (29). Die Höhe der Beihilfe im Zusammenhang mit der Entlastungsmaßnahme wird daher auf 5 Mrd. EUR angesetzt.

(100)

Die Kapitalzuführung in Höhe von 10 Mrd. EUR wurde ursprünglich innerhalb der Gruppe folgendermaßen zugeteilt: 5 Mrd. EUR für ING Bank, 4 Mrd. EUR für ING Insurance und 1 Mrd. EUR für die Holding. ING hat die Möglichkeit, die Mittel aus der Kapitalzuführung jederzeit zwischen ING Bank, ING Insurance und der Holding umzuverteilen.

(101)

Die im Rahmen der Entlastungsmaßnahme auf die Niederlande übertragenen Cash-Flows deckten zu 85 % von ING Bank gehaltene Vermögenswerte und zu 15 % von ING Insurance gehaltene Vermögenswerte ab. Der Gesamtbeihilfebetrag im Rahmen der Entlastungsmaßnahme (5 Mrd. EUR) verteilt sich daher wie folgt: 4,25 Mrd. EUR sind ING Bank und 0,75 Mrd. EUR ING Insurance zuzurechnen.

(102)

Somit ergeben sich folgende Gesamtbeihilfebeträge: 9,25 Mrd. EUR für ING Bank (entspricht 2,7 % der risikogewichteten Vermögenswerte („RWA“) von ING Bank (30)), 4,75 Mrd. EUR für ING Insurance (entspricht 50 % der Anforderungen in Bezug auf die Solvabilitätsspanne für ING Insurance (31)) und 1 Mrd. EUR für die Holding.

(103)

Der Einfachheit halber und um die Begriffe aus der Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva zu verwenden, kann der Gesamtumfang des staatlichen Engagements auch im Verhältnis zu den risikogewichteten Vermögenswerten von ING Bank allein ausgedrückt werden. Diese beiden Maßnahmen und die Maßnahme in Form der Senkung des Rückzahlungsagios in Höhe von 2 Mrd. EUR ergeben eine Beihilfe von rund 17 Mrd. EUR, was etwa 5 % der risikogewichteten Vermögenswerte von ING Bank entspricht.

(104)

Außerdem hat ING im Rahmen der niederländischen Kreditgarantieregelung staatliche Mittel in Höhe von 5 Mrd. EUR und 9 Mrd. USD erhalten. Ausgehend von dem bei Gewährung der Maßnahme geltenden EUR/USD-Wechselkurs von 1,3 belaufen sich die gewährten Garantien auf etwa 12 Mrd. EUR, was rund 1 % der Bilanzsumme der Gruppe entspricht. Die Garantien wurden zu einem Zeitpunkt gewährt, als sich die Marktbedingungen verschlechterten und die Refinanzierung für die Banken schwierig war. Die Garantien wären folglich von einem marktwirtschaftlich handelnden Investor nicht gewährt worden und stellen somit eine zusätzliche Beihilfemaßnahme dar, möglicherweise sogar in voller Höhe des Nennwerts (32).

(105)

Des Weiteren wird ING den Niederlanden zufolge für die Ausgliederung des Geschäftsbereichs WUH/Interadvies (Retail-Bankgeschäft) weitere Garantien im Umfang von […] Mrd. EUR von den Niederlanden […], die noch nicht gewährt wurden und deren Notwendigkeit noch zu klären ist. Die Niederlande erachten diese Garantien als zusätzliche Umstrukturierungsbeihilfe, die zu einem späteren Zeitpunkt angemeldet werden wird. Die Kommission steht derartigen Beihilfen grundsätzlich nicht ablehnend gegenüber, sofern sie auf das für die Umstrukturierung von ING erforderliche Minimum beschränkt sind (33) und ausreichend vergütet werden.

(106)

Insgesamt wird ING folglich Umstrukturierungshilfen in Form von Liquiditätsgarantien im Umfang von bis zu [12-22] Mrd. EUR und andere Beihilfen in Höhe von etwa 17 Mrd. EUR erhalten, was etwa 5 % der risikogewichteten Vermögenswerte der Bank entspricht.

5.2.   Vereinbarkeit

5.2.1.   Anwendung von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag

(107)

Gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag kann die Kommission Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklären, wenn diese „der Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“ dienen. Die Kommission erkannte in ihrer jüngsten Entscheidung zur Genehmigung der Verlängerung der niederländischen Garantieregelung (34) an, dass allgemein weiterhin die Gefahr einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben der Niederlande besteht und dass Maßnahmen zur Stützung von Banken geeignet sind, dieser Gefahr zu begegnen.

(108)

Angesichts der Bedeutung der Darlehenstätigkeit von ING auf bestimmten regionalen Märkten, der grenzüberschreitenden Präsenz des Unternehmens und seiner Verflechtung und Kooperation mit anderen Banken erkennt die Kommission ING als systemrelevante Bank an. […]. Daher kommt die Kommission zu dem Schluss, dass der Zusammenbruch einer solchen Bank ernste Folgen für den Finanzsektor und die Realwirtschaft in den Niederlanden nach sich zöge. Folglich ist die Beihilfe nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag zu prüfen.

5.2.2.   Vereinbarkeit der Entlastungsmaßnahme

(109)

Die Entlastungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten für wertgeminderte Vermögenswerte nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag werden auf der Grundlage der Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva geprüft. Diese Mitteilung enthält die Grundsätze, die bei Entlastungsmaßnahmen zu beachten sind.

(110)

Die in der Eröffnungsentscheidung zum Ausdruck gebrachten Bedenken, die Entlastungsmaßnahme könnte die in der Mitteilung dargelegten Voraussetzungen für die Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt nicht erfüllen, sind ausgeräumt.

(111)

Die Niederlande haben zugesagt, die Maßnahme zu ändern, indem das von ING an die Niederlande gezahlte Garantieentgelt um 82,6 (35) Basispunkte p. a. erhöht wird, wodurch sich der Übertragungspreis und auch die Entgeltstruktur geändert haben. Ferner wurde das Finanzierungsentgelt um 50 Basispunkte p. a. gesenkt.

(112)

Erstens stellt die Kommission fest, dass die Erhöhung des Garantieentgelts um 82,6 Basispunkte p. a. zur Senkung des Übertragungspreises der Portfolio-Vermögenswerte von 90 % des Nennwerts auf 87 % des Nennwerts dient. Der geänderte Übertragungspreis steht nun in Einklang mit dem geschätzten tatsächlichen wirtschaftlichen Wert des Portfolios, der sich aus realistischen Annahmen ergeben würde. Die Niederlande haben nach der Eröffnungsentscheidung überarbeitete Portfoliobewertungen vorgelegt. Nachdem die Kommission Zweifel an den von Dynamic Credit Partners in der ursprünglichen Portfoliobewertung angenommenen Immobilienpreisen und Abzinsungssätzen geäußert hatte, übermittelten die Niederlande der Kommission Bewertungsergebnisse, die anhand derselben Bewertungsmethode errechnet wurden, jedoch auf konservativeren Annahmen in Bezug auf Immobilienpreise und Abzinsungssätze beruhen. Nach Rücksprache mit ihren externen Sachverständigen hat die Kommission das Ergebnis für weitere Faktoren angepasst. Aufgrund dieser Analyse gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass ein auf 87 % geschätzter tatsächlicher Marktwert angesichts der in der Eröffnungsentscheidung dargelegten Anforderungen der Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva in Bezug auf Bewertungsmethode und vorsichtige Annahmen akzeptiert werden kann. Durch die Senkung des tatsächlichen Marktwerts auf 87 % wurden die ursprünglichen Bedenken der Kommission daher ausgeräumt.

(113)

Die Kommission brachte in ihrer Eröffnungsentscheidung Zweifel an der richtigen Höhe des ursprünglich auf 25 Basispunkte p. a. festgesetzten Verwaltungsentgelts zum Ausdruck. Durch Erhöhung des Garantieentgelts um 15 Basispunkte p. a. (zusätzlich zu den 52 Basispunkten als Anpassung in Bezug auf die Bewertung und den 15,6 Basispunkten p. a. als Anpassung in Bezug auf den Zeitraum) wird das Verwaltungsentgelt auf 10 Basispunkte p. a. gesenkt, was angesichts des Umfangs des zu verwaltenden Portfolios akzeptiert werden kann. Was die von der Kommission in der Eröffnungsentscheidung geäußerten Zweifel an der korrekten Höhe des Finanzierungsentgelts angeht, wurde diese um 50 Basispunkte p. a. gesenkt und steht somit nun in Einklang mit den Mittelbeschaffungskosten der Niederlande, wie sie der Kommission gegenüber von den Niederlanden dargelegt wurden (36). Die ursprünglichen Bedenken der Kommission bezüglich der Höhe von Verwaltungs- und Finanzierungsentgelt wurden folglich gemildert.

(114)

Nach Abschnitt 5.2 der Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva sollten die Banken die mit den wertgeminderten Aktiva verbunden Kosten so weit wie möglich selbst tragen. Nach Auffassung der Kommission kann die Lastenverteilung nur angemessen sein, wenn die wertgeminderten Vermögenswerte zu einem Übertragungspreis an den Staat übertragen werden, der den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert nicht übersteigt (37). Wie in Erwägungsgrund 112 dargelegt, wurden die diesbezüglichen Bedenken der Kommission durch die Anpassung des Übertragungspreises zerstreut.

(115)

Die Anpassung des Übertragungspreises erfolgt in diesem Fall durch Erhöhung des Garantieentgelts um 52 Basispunkte p. a., der als Nettogegenwartswert ausgedrückten Entsprechung zur Differenz zwischen 90 % und 87 % des Nennwerts. Diese Vorgehensweise steht in Einklang mit der Eröffnungsentscheidung, in der die Kommission den Cash-Flow-Swap akzeptierte und festhielt, dass Anpassungen der Bewertung mittels Änderung des Garantieentgelts erfolgen würden. Die Entlastungsmaßnahme erfüllt daher die Voraussetzungen bezüglich einer angemessenen Lastenverteilung.

(116)

Die geänderte Entlastungsmaßnahme tritt am 25. Oktober 2009 in Kraft, doch vom 26. Januar 2009 bis zum 25. Oktober 2009 wurden im Rahmen der ursprünglichen, für ING günstigeren Entgeltstruktur für die Maßnahme bereits Zahlungen geleistet. Zum Ausgleich der Zahlungen von ING, auf die der Staat während dieses Zeitraums verzichtet hat, wurde das Garantieentgelt um weitere 15,6 Basispunkte p. a. erhöht. Diese Änderung ist erforderlich, damit die Maßnahme als ab dem 26. Januar 2009 mit der Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva vereinbar angesehen werden kann. Die Erhöhung führt jedoch nicht zu einer höheren Bewertung des Portfoliowerts oder stärkerer Lastenverteilung, denn sie gewährleistet lediglich die Anwendung der Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva ab dem Zeitpunkt, zu dem die Entlastungsmaßnahme in Kraft getreten ist, d. h. ihre nachträgliche Anwendung.

5.2.3.   Vereinbarkeit der Umstrukturierungsbeihilfe

(117)

Die Kommission muss die Weiterführung aller früheren Rettungsmaßnahmen als Umstrukturierungsbeihilfe prüfen. Die Vereinbarkeit der Umstrukturierungsbeihilfe wird auf der Grundlage des Umstrukturierungsplans anhand der Mitteilung der Kommission über die Wiederherstellung der Rentabilität und die Bewertung von Umstrukturierungsmaßnahmen im Finanzsektor im Rahmen der derzeitigen Krise gemäß den Beihilfevorschriften (38) („Umstrukturierungsmitteilung“) geprüft. In früheren Entscheidungen wurden die Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (39) zugrunde gelegt, doch hat die Kommission in Randnummer 49 der Umstrukturierungsmitteilung klargestellt, dass alle vor dem 31. Dezember 2009 bei der Kommission angemeldeten Beihilfen als Umstrukturierungsbeihilfen für Banken nach der Umstrukturierungsmitteilung geprüft werden und nicht nach den Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten.

(118)

Die Umstrukturierungsmitteilung enthält keine Definition der Bedingungen, die die Vorlage eines Umstrukturierungsplans durch eine Bank erforderlich machen können; vielmehr wird in dieser Hinsicht auf vorausgegangene Mitteilungen verwiesen.

(119)

Nach Auffassung der Kommission sollte eine tiefgreifende Umstrukturierung von ING erfolgen, und zwar v. a. aus dem Grund, dass der Begünstigte zur Deckung oder Vermeidung von Verlusten bereits staatliche Beihilfen in Höhe von insgesamt mehr als 2 % seiner gesamten risikogewichteten Vermögenswerte erhalten hat. Diese Auffassung steht in Einklang mit Randnummer 4 der Umstrukturierungsmitteilung und Randnummer 55 der Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva, sowie mit den vorausgegangenen Zusagen von ING (40).

(120)

Bei der Beurteilung eines Umstrukturierungsplans stellt die Kommission sicher, dass die Bank in der Lage ist, die langfristige Rentabilität ohne staatliche Beihilfen wieder herzustellen (Abschnitt 2 der Umstrukturierungsmitteilung).

(121)

In der Umstrukturierungsmitteilung wird darauf hingewiesen, dass die Regierungen Banken zu Bedingungen rekapitalisiert haben, die hauptsächlich aus Gründen der Finanzstabilität, nicht aber mit dem Ziel der Wiederherstellung der Rentabilität gewählt wurden. Langfristige Rentabilität erfordert daher, dass alle erhaltenen staatlichen Beihilfen entweder, wie zum Zeitpunkt der Bewilligung vorgesehen, in einem bestimmten Zeitraum zurückgezahlt werden oder dass dafür eine marktübliche Vergütung gezahlt wird, so dass gewährleistet ist, dass zusätzliche Beihilfen jeglicher Form befristet sind. Im Umstrukturierungsplan wird eine überzeugende Strategie für die Kapitalrückzahlung an die Niederlande dargelegt; die Rückzahlung wird sogar noch vor Erlass der vorliegenden Entscheidung einsetzen.

(122)

Nach der Umstrukturierungsmitteilung ist langfristige Rentabilität erreicht, wenn die Bank alle Kosten einschließlich Abschreibungen und Finanzierungskosten decken kann und eine angemessene Eigenkapitalrendite erwirtschaftet, und zwar unter Berücksichtigung ihres Risikoprofils. In Randnummer 65 des Umstrukturierungsplans wird erläutert, auf welche Weise ING unter Berücksichtigung ihres Risikoprofils eine zur Deckung aller Kosten einschließlich Abschreibungen und Finanzierungskosten angemessene Ertragskraft zeigen und eine angemessene Eigenkapitalrendite erwirtschaften wird.

(123)

Aus dem Umstrukturierungsplan geht hervor, dass ING die aufsichtsrechtlichen Anforderungen, wie in Randnummer 13 der Umstrukturierungsmitteilung verlangt, selbst in Stressszenarios bei einer langen weltweiten Rezession erfüllen kann. Den Angaben der Niederlande zufolge wäre ING selbst in Stressszenarios unter konservativen, von der Kommission überprüften Annahmen noch rentabel. Die Kommission hält fest, dass die von ING in Bezug auf die Ausfallquoten (LGD) des niederländischen Portfolios privater Hypotheken verwendeten Modelle von der niederländischen Aufsichtsbehörde DNB genehmigt wurden. Was die Qualität des niederländischen Hypotheken-Portfolios von ING angeht, wurden zusätzliche strenge Annahmen eines Stressszenarios für den niederländischen Hypothekenmarkt angewendet. Nach Angaben der niederländischen Behörden würde ING auch unter diesen Annahmen eines Stressszenarios die Kapitalanforderungen noch erfüllen.

(124)

Durch die geplanten Veräußerungen wird sich im Laufe der Zeit überschüssiges Kapital bilden, das die Kapitalbasis von ING weiter stärken dürfte.

(125)

Zweitens wird in dem Plan, wie in Randnummer 10 der Umstrukturierungsmitteilung gefordert, auf die Ursachen für die Schwierigkeiten der Bank und deren eigene Schwächen eingegangen und aufgezeigt, wie die aufgetretenen Probleme durch die vorgeschlagenen Umstrukturierungsmaßnahmen behoben werden können. So wird der Begünstigte dem Umstrukturierungsplan zufolge durch Beseitigung des „Double-Leverage“ und Erhöhung der Kernkapitalquote seine Kapitalstruktur verbessern. ING wird dadurch selbst nach Rückzahlung des von den Niederlanden zugeführten Kapitals künftig besser in der Lage sein, ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklungen Stand zu halten und unerwartete Verluste zu verkraften.

(126)

Das Alt-A-Portfolio ist als eine Hauptursache für den wiederholten Bedarf an staatlicher Unterstützung identifiziert worden. Sorgen der Marktteilnehmer wegen möglicher Abschreibungen auf das Alt-A-Portfolio haben die Rekapitalisierungsmaßnahme mit ausgelöst, bevor das Portfolio von der Entlastungsmaßnahme abgedeckt wurde. Die Entlastungsmaßnahme hat solche Sorgen am Markt weitgehend zerstreut. […]. Die im Umstrukturierungsplan dargelegte geplante Veräußerung von ING Direct US hat eine der Hauptursachen für die Schwierigkeiten, die zu dem staatlichen Eingriff geführt haben, beseitigt.

(127)

ING wird ferner ihr Engagement im Bereich stärker risikobehafteter Kategorien von Vermögenswerten verringern und im Immobilienbereich kein mit einem höheren Risiko verbundenes Engagement anstreben. Auch wird ING andere risikoreiche Geschäftsbereiche und Vermögenswerte veräußern oder ihr Engagement in diesem Bereich zurückfahren.

(128)

ING hat des Weiteren ein umfassenderes Programm zur Risikominderung und Kostensenkung aufgelegt, das die Gruppe zunächst durch Aufteilung in eine Banken- und eine Versicherungssparte und anschließend durch Veräußerung der gesamten Versicherungssparte auch weniger komplex machen soll. Aus dem Plan geht insbesondere hervor, dass ING Direct eine [vorsichtige] Geschäftsstrategie verfolgen und auf eine […] Preisgestaltung verzichten wird, was durch das in den Randnummern 53 und 84 dargelegte Verbot der Preisführerschaft betont wird.

(129)

Der Plan macht ferner deutlich, dass ING aus den im Rahmen der Krise gemachten Erfahrungen in Einklang mit Randnummer 11 der Umstrukturierungsmitteilung Konsequenzen zieht. So wird in dem Plan u. a. erläutert, dass ING beabsichtigt, sein Vergütungssystem zu ändern, um die Bank auf langfristigere Erfolge auszurichten und Belohnungen für Fehlschläge auf diese Weise zu vermeiden. […].

(130)

Daher wird der Schluss gezogen, dass der Umstrukturierungsplan zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität von ING geeignet ist.

(131)

Im Umstrukturierungsplan ist ferner ein angemessener Eigenbeitrag des Begünstigten zu den Umstrukturierungskosten vorgesehen (Abschnitt 3 der Umstrukturierungsmitteilung). Aus dem Umstrukturierungsplan geht hervor, dass - wie zur Vermeidung moralischer Risiken wichtig — die Lastenverteilung angemessen ist und mit der Umstrukturierungsmitteilung in Einklang stehen.

(132)

Erstens haben die Niederlande zugesagt, die Konditionen der Entlastungsmaßnahme anzupassen, damit die Maßnahme die Anforderungen der Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva erfüllt.

(133)

Zweitens wird ING die Kapitalzuführung im Einklang mit der Mitteilung über die Refinanzierung von Finanzinstituten in der derzeitigen Finanzkrise: Beschränkung der Hilfen auf das erforderliche Minimum und Vorkehrungen gegen unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen (41) („Rekapitalisierungsmitteilung“) angemessen vergüten. Diese Beurteilung bleibt von der Änderung der Konditionen für die Rückzahlung unberührt, da diese Konditionen eine Vorfälligkeitsentschädigung darstellen. Bei derartigen Vorfälligkeitsentschädigungen handelt es sich um eine Änderung der Rekapitalisierungsentscheidung. Sie kann akzeptiert werden, da die Kommission Rückzahlungen vor Fälligkeit unterstützt. Die Logik hinter solchen Rückzahlungsanreizen ist die, dass durch die Rückzahlung die Auswirkungen der Vorteile, die der Bank aus den Beihilfemaßnahmen entstehen, wegfallen. Die Kommission hat diese Linie in ihren auf die Rekapitalisierungsmitteilung gestützten Entscheidungen verfolgt, so z. B. in den Sachen SNS und Aegon (siehe Erwägungsgrund 33), und sollte sie entsprechend auch hier anwenden. Angesichts der Tatsache, dass die Niederlande aus der Kapitalzuführung einen internen Zinsfuß („IRR“) von 15 % erhalten, erscheint die Senkung des Rückzahlungsagios auch für sich gesehen gerechtfertigt, da ein solcher Zinsfuß eine angemessene Vergütung im Sinne der Umstrukturierungsmitteilung darstellt. Die Senkung des Rückzahlungsagios sollte folglich als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Umstrukturierungsbeihilfe betrachtet werden.

(134)

Drittens wird ING eine angemessene Vergütung für ihre Garantien für mittelfristige Verbindlichkeiten zahlen, die mit der niederländischen Garantieregelung in Einklang steht, welche wiederum mit der Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise vereinbar ist (42).

(135)

Die Niederlande haben ferner zugesagt, ING werde zahlreiche Veräußerungen in den Bereichen der globalen Versicherungstätigkeiten, der Vermögensverwaltung und des Private Banking in der Schweiz und außerhalb Europas vornehmen, was zur Deckung der Umstrukturierungskosten beiträgt.

(136)

Des weiteren sieht der Umstrukturierungsplan vor, dass ING durch eine Aktienausgabe im Jahr 2009 ihr Kapital um 5 Mrd. EUR erhöht, was zur Verwässerung der Anteile der Altaktionäre führt. Diese Verwässerung kann als signifikanter Eigenbeitrag der Kapitalgeber angesehen werden.

(137)

Die Beihilfe wird auch auf das erforderliche Minimum beschränkt, indem die Niederlande zusagen, dass der Begünstigte keine anderen Finanzinstitute allgemein oder andere Unternehmen erwerben wird, wenn sich dadurch die Rückzahlung des von den Niederlanden gestellten Kapitals verlangsamen würde. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Bank keine Erwerbungen tätigen wird […].

(138)

Jedoch hat ING sich in der Vergangenheit nicht an die von der Kommission in Randnummer 26 der Umstrukturierungsmitteilung geforderte Vorgehensweise bezüglich Tier-1- und Tier-2-Kapitalinstrumenten gehalten (43). Darin stellte die Kommission klar, dass im Kontext einer Umstrukturierung ein im Ermessen der begünstigten Bank liegender Verlustausgleich (z. B. durch Freisetzung von Rückstellungen oder Verringerung des Eigenkapitals) zur Gewährleistung von Dividenden- und Kuponzahlungen für im Unlauf befindliche nachrangige Verbindlichkeiten mit dem Ziel der Lastenverteilung grundsätzlich nicht vereinbar ist. Die Kommission nimmt zwar zur Kenntnis, dass ING ohne förmliche Zustimmung der Kommission keine Tier-1- und Tier-2-Kapitalinstrumente mehr kündigen wird, jedoch verstieß der Call vom 14. Oktober 2009 gegen diesen Grundsatz und sollte durch zusätzliche Maßnahmen zur Begrenzung der Wettbewerbsverzerrungen ausgeglichen werden.

(139)

Genauso ist es misslich, dass ING 2009 ohne ordnungsgemäße Rechtfertigung in ihrem Ermessen liegende Kuponzahlungen vorgenommen hat, obwohl 2008 ein Verlust eingefahren wurde. Zwar hält die Kommission im Falle von ING im Prinzip ein Verbot von Kuponzahlungen für erforderlich, doch stellt sie fest, dass ein derartiges Verbot im vorliegenden Fall nicht mehr notwendig sein dürfte, wenn ING vor dem 31. Januar 2010 5 Mrd. EUR zurückzahlt. Dabei sind die Kuponzahlungen vom 8. und 15. Dezember 2009 eingeschlossen. Die Rückzahlung eines signifikanten Teils der Beihilfebeträge an die Niederlande soll die bestehenden Bedenken der Kommission ausräumen, derartige Kuponzahlungen könnten ING daran hindern, wieder langfristig rentabel zu werden und ohne Beihilfemaßnahmen auszukommen. Ist eine Bank in der Lage, einen solch signifikanten Kapitalbetrag am Markt aufzunehmen und hat sie eine klare mittelfristige Strategie, sollte sie bezüglich der Verwendung ihres Kapitals nicht länger eingeschränkt werden, sofern die Umsetzung ihres Umstrukturierungsplans nicht gefährdet wird. Das ist im Umstrukturierungsplan nachgewiesen worden.

(140)

Der Umstrukturierungsplan umfasst ferner Umstrukturierungs- und Verhaltensvorschriften, die ausreichen, um etwaige Wettbewerbsverzerrungen zu begrenzen. Der Umstrukturierungsmitteilung zufolge können Wettbewerbsverzerrungen entstehen, wenn ein Teil der Banken auf der Grundlage ihrer Produkte und Dienstleistungen miteinander konkurriert, während ein anderer Teil übermäßige Risiken anhäuft und/oder sich auf nichttragfähige Geschäftsmodelle stützt. Da staatliche Beihilfen die Marktpräsenz der Begünstigten künstlich stützen, führen sie dazu, dass derartige Wettbewerbsverzerrungen fortbestehen. Dadurch können sie im Bankensystem ein moralisches Risiko begründen, und gleichzeitig wird es für diejenigen, die keine Beihilfen erhalten, weniger attraktiv, zu konkurrieren, zu investieren und zu innovieren. Zudem können staatliche Beihilfen den Binnenmarkt insofern aushöhlen, als Marktzutrittsschranken geschaffen werden und die Anreize für grenzübergreifende Tätigkeiten untergraben werden.

(141)

Nach Randnummer 31 der Umstrukturierungsmitteilung muss die Kommission bei der Bewertung der Höhe einer staatlichen Beihilfe und der sich daraus ergebenden Wettbewerbsverzerrungen sowohl der absoluten Höhe als auch der relativen Höhe der Beihilfe Rechnung tragen. In dieser Hinsicht hat ING einen erheblichen Beihilfebetrag erhalten, der 5 % der risikogewichteten Vermögenswerte von ING Bank entspricht. Dieser Wert liegt deutlich über dem „Schwellenwert“ von 2 % der risikogewichteten Vermögenswerte (44). Zudem hat ING Garantien in erheblicher Höhe erhalten, die jedoch nicht notwendigerweise Maßnahmen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen nach Randnummer 31 der Umstrukturierungsmitteilung nach sich ziehen müssen, da ING kein Finanzierungsproblem hatte (das mit Hilfe von Garantien häufig überwunden werden kann), sondern von den Niederlanden aufgefordert wurde, die Garantien für die Kreditvergabe an die Realwirtschaft zu nutzen. Ferner ist nicht ersichtlich, weshalb die im Umstrukturierungsplan für die Ausgliederung von WUH-Interadvies vorgesehenen zusätzlichen Garantien zum jetzigen Zeitpunkt zusätzliche Maßnahmen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen erforderlich machen sollten. Die Gewährung der zusätzlichen Garantien stellt an sich eine Maßnahme zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen dar, da sie einzig und allein darauf abzielt, die Ausgliederung von WUH-Interadvies zu ermöglichen.

(142)

Aus dem Vorstehenden wird der Schluss gezogen, dass die Höhe der dem Empfänger gewährten Beihilfe erheblich ist. Daher sind umfangreiche Maßnahmen erforderlich, um die Wettbewerbsverzerrungen zu begrenzen. Die Maßnahmen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen sollten nach Randnummer 31 der Umstrukturierungsmitteilung verstärkt werden, da die Lastenverteilung infolge der — in Erwägungsgrund 138 ff. dieser Entscheidung näher ausgeführten — Nichtbefolgung der in Randnummer 26 der Umstrukturierungsmitteilung dargelegten Kommissionspolitik hinsichtlich Tier-1- und Tier-2-Instrumenten gering ist (45).

(143)

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass ING die erforderlichen Schritte unternommen hat, um den besonders großen Wettbewerbsverzerrungen zu begegnen, da der Umstrukturierungsplan eine Reihe von Veräußerungen vorsieht, durch die die Marktpräsenz des Empfängers verringert wird. So wird der Empfänger seine Bilanzsumme bis Ende 2013 um 45 % gegenüber seiner Bilanz zum 30. September 2008 reduzieren. Dies soll nur in sehr geringem Maße durch Verringerung des Fremdkapitalanteils und in erster Linie durch Veräußerung des gesamten Versicherungs- und Vermögensverwaltungsgeschäfts von ING sowie des Retail-Bankgeschäfts in den Niederlanden, des Private Banking in der Schweiz und der Bankentätigkeiten außerhalb Europas erfolgen. Der Umfang der vorgeschlagenen Veräußerungen ist für die Begrenzung der Wettbewerbsverzerrungen angemessen; dies gilt auch in Anbetracht der in den Erwägungsgründen 138 und 139 dargelegten erschwerenden Umstände.

(144)

Nach Randnummer 32 der Umstrukturierungsmitteilung begünstigt der Umstrukturierungsplan darüber hinaus auch den wirksamen Wettbewerb und verhindert das Entstehen von Marktmacht und die Untergrabung von Anreizen für grenzübergreifende Tätigkeiten, indem er die Ausgliederung einer Geschäftseinheit aus dem ING-Geschäft auf dem niederländischen Retail-Markt vorsieht. Die Kommission hat eine solche Marktlage vor allem in den Niederlanden festgestellt, wo der Markt für Retail-Bankgeschäfte stark konzentriert ist und ING als einer der führenden Marktteilnehmer ihren hohen Marktanteil mit Hilfe staatlicher Beihilfen beibehalten kann. Das WUH/Interadvies-Geschäft ist geeignet, da es eine rentable, im Retail-Bankgeschäft in den Niederlanden künftig wettbewerbsfähige Geschäftseinheit bilden kann.

(145)

Nach Auffassung der Niederlande dürfte die Ausgliederung zur Stärkung des Wettbewerbs auf diesem stark konzentrierten Markt beitragen, da das auszugliedernde Geschäft einen erheblichen Marktanteil am Hypothekengeschäft, am Verbraucherkreditgeschäft und an bestimmten Spartätigkeiten ausmacht. Die ausgegliederte Einheit wird eine eigenständige Bank darstellen, die über ein gut ausgestattetes Back Office und eine umfassende Internetschnittstelle mit Zahlungssystem verfügt und Finanzmittel von ING erhält. Der Umstand, dass die Geschäftseinheit kein Filialnetz hat, das doch in den meisten Mitgliedstaaten in der Regel ein wesentliches Element des Bankgeschäfts bildet, wird zumindest teilweise durch das Internet-Banking ausgeglichen, das in den Niederlanden ebenfalls ein wichtiger Vertriebskanal für Bankprodukte ist. WUH/Interadvies wird über die ihm zugewiesene Internetplattform Einlagen hereinnehmen können. Angesichts des Know-hows und der Mitarbeiter, die der neuen Geschäftseinheit zugewiesen werden, wird diese auch in der Lage sein, ihr bestehendes Geschäft auszubauen und gegebenenfalls Filialen einzurichten.

(146)

Ferner nimmt die Kommission das in Erwägungsgrund 56 dargelegte Argument der Niederlande zur Kenntnis, dass Kontokorrentprodukte in den Niederlanden für das Cross-Selling anderer Produkte des Retail-Bankgeschäfts eine vergleichsweise geringere Bedeutung haben. Da keine gegenteiligen Informationen vorliegen, räumt die Kommission ein, dass Kontokorrentprodukte in den Niederlanden für das Cross-Selling anderer Bankprodukte des Retail-Bankgeschäfts möglicherweise von vergleichsweise geringer Bedeutung sind.

(147)

Schließlich nimmt die Kommission zur Kenntnis, dass ING verschiedene Verpflichtungszusagen gemacht hat, mit denen die Rentabilität des Unternehmens gewährleistet werden soll, wie etwa die Einsetzung eines Hold-Separate-Managers und eines Überwachungstreuhänders. Beide sollen gewährleisten, dass die Rechte und anderen materiellen und immateriellen Vermögenswerte des (auszugliedernden) Geschäfts gegenüber ING geschützt, verteidigt und gewahrt werden. Auch durch das bestehende Schiedsverfahren, demzufolge in die neue Einheit alle immateriellen und materiellen Vermögenswerte einbezogen werden müssen, die für die Gewährleistung ihrer Rentabilität erforderlich sind, wird sichergestellt, dass ING den in dieser Entscheidung gemachten Verpflichtungszusagen nachkommt. Ferner darf ING Kunden, die auf WUH/Interadvies übertragene Produkte halten, in Bezug auf diese Produkte nicht abwerben, auch wenn ING zu den Kunden noch Geschäftsbeziehungen unterhält. Zudem wird ING nach der Investition für […] Finanzmittel für WUH/Interadvies bereitstellen, deren Höhe im Laufe dieser Zeitspanne jedoch allmählich abnimmt. Darüber hinaus wird die Kommission […] gewährleisten, dass das Geschäft mit Hilfe eines Veräußerungstreuhänders veräußert wird […]. All diese Elemente gewährleisten, dass die Einheit rentabel sein wird, und stärken damit den Wettbewerb auf dem niederländischen Markt für Retail-Bankgeschäfte. Die Kommission räumt daher ein, dass die Veräußerung von WUH/Interadvies einen neuen Wettbewerber in die Lage versetzen könnte, auf dem niederländischen Markt für Retail-Bankgeschäfte tätig zu werden, was den Markt um einen neuen Wettbewerbsfaktor bereichern würde.

(148)

Des Weiteren haben sich die Niederlande zu einem Übernahmeverbot verpflichtet, demzufolge es ING untersagt ist, interessante Unternehmen zu erwerben, die angesichts der allgemeinen Umstrukturierung von Finanzunternehmen und des Sektors insgesamt wahrscheinlich auf den Markt kommen werden (46). Dieses Verbot verhindert ein anorganisches Wachstum von ING und erlaubt es anderen Unternehmen, die keine staatlichen Beihilfen erhalten haben, derartige Unternehmen zu erwerben.

(149)

Ferner vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Verpflichtung zu einem Verzicht auf die Preisführerschaft mit den Bestimmungen der Umstrukturierungsmitteilung im Einklang steht, die gewährleisten sollen, dass staatliche Beihilfen nicht genutzt werden können, um Konditionen anzubieten, bei denen Wettbewerber, die keine staatliche Beihilfen erhalten, nicht mithalten können (Randnummer 44). Im Einklang mit Randnummer 32 der Umstrukturierungsmitteilung ist eine Verpflichtung hinsichtlich der Preisführerschaft auf Märkten, auf denen erhebliche Umstrukturierungsverpflichtungen eingegangen worden sind, unter Umständen nicht notwendig. Im jeweiligen Einzelfall kann das Verbot verschiedene Formen annehmen, wobei das Ziel jeweils darin besteht, das optimale Gleichgewicht zwischen einem individuellen Angehen von Wettbewerbsverzerrungen und dem Wettbewerb förderlichen Marktbedingungen zu erreichen (47).

(150)

Die Niederlande haben entschieden, für ING einen allgemeinen Verzicht auf die Preisführerschaft anzubieten, demzufolge ING keine günstigeren Preise anbieten darf als ihre drei günstigsten Wettbewerber. Diese Verpflichtungszusage ist angemessen, da sie auf alle Märkte abzielt, auf denen die Bank mit einem Marktanteil von mindestens 5 % gut etabliert ist (48). Ferner haben sich ING und die Niederlande in Bezug auf ING Direct Europe zu einem vom Marktanteil unabhängigen Verzicht auf die Preisführerschaft verpflichtet. Dies rechtfertigt sich durch die der Kommission zugegangenen Informationen, die auf ein aggressives Wettbewerbsverhalten hindeuten. Durch den Verzicht soll bewirkt werden, dass […] ING vor allem auf der Grundlage der Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen konkurriert. Dies dürfte die Bedenken ausräumen, die in den in Erwägungsgrund 6 genannten, an die Kommission gerichteten einschlägigen Informationen dargelegt wurden.

(151)

Schließlich sagen die Niederlande zu, dass ING kein groß angelegtes Marketing betreiben wird, bei dem die Rekapitalisierungsmaßnahme als Wettbewerbsvorteil dargestellt wird.

(152)

Im Einklang mit der Rekapitalisierungsmitteilung besteht jedoch kein Anlass mehr, die mit der Entscheidung N 528/08 auferlegte vorübergehende Bilanzsummenbeschränkung beizubehalten.

5.2.4.   Überwachung

(153)

Der von den Niederlanden vorgelegte Umstrukturierungsplan muss ordnungsgemäß umgesetzt werden. Zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Umsetzung werden die Niederlande der Kommission zweimal pro Jahr einen Überwachungsbericht vorlegen. Ferner sehen der Umstrukturierungsplan und die von den Niederlanden gemachten Verpflichtungszusagen die Einsetzung einer Reihe von Treuhändern vor, die die Kommission bei der Überwachung der Umsetzung des Umstrukturierungsplans und verschiedener darin enthaltener Bestimmungen unterstützen werden.

(154)

Es entspricht der Kommissionspraxis, den Mitgliedstaaten bei Eintreten unvorhersehbarer Umstände eine Anpassung der Verpflichtungszusagen zu erlauben (49). Daher wird die Kommission auf hinreichend begründeten Antrag der Niederlande in berechtigten Fällen Änderungen vornehmen und i) entweder für die Verpflichtungszusagen, die die Niederlande in dieser Entscheidung gemacht haben, eine Fristverlängerung gewähren oder ii) einen oder mehrere Aspekte der von den Niederlanden in dieser Entscheidung gemachten Verpflichtungszusagen streichen, ändern oder ersetzen.

6.   SCHLUSSFOLGERUNG

(155)

Erstens wird der Schluss gezogen, dass die Entlastungsmaßnahme angesichts der von den Niederlanden am 20. Oktober 2009 vorgelegten Änderungen mit der Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva im Einklang steht und daher nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden sollte.

(156)

Die zweite Schlussfolgerung lautet, dass die Umstrukturierungsmaßnahmen ING in die Lage versetzen, ihre langfristige Rentabilität wiederherzustellen, dass sie im Hinblick auf die Lastenverteilung ausreichend sind und dass sie in Bezug auf die Kompensierung der wettbewerbsverfälschenden Auswirkungen der in Rede stehenden Beihilfemaßnahmen angemessen und verhältnismäßig sind. Der vorgelegte Umstrukturierungsplan erfüllt die Kriterien der Umstrukturierungsmitteilung und sollte daher nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar betrachtet werden. Die bereits gewährten Kapitalzuführungsmaßnahmen und Garantien können daher im Einklang mit dem Umstrukturierungsplan verlängert werden. Die mit der Entscheidung N 528/08 auferlegten vorübergehenden Bilanzsummenbeschränkungen sollten jedoch aufgehoben werden.

(157)

Drittens wird der Schluss gezogen, dass auch die im Rahmen des Umstrukturierungsplans dargelegten zusätzlichen Beihilfemaßnahmen, also die Änderung der Bedingungen für den Rückkauf der Core-Tier-1-Wertpapiere von den Niederlanden und die vorgesehenen Haftungsgarantien, nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden sollten, da im Umstrukturierungsplan umfangreiche Maßnahmen zur Begrenzung von Marktverzerrungen enthalten sind und die Beihilfe dem Empfänger dabei hilft, seine Rentabilität zu steigern. Dies gilt auch für die Beihilfe, die sich aus den geänderten Konditionen für die Rückzahlung des von den Niederlanden gewährten Kapitals ergibt —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die von den Niederlanden für das sogenannte Alt-A-Portfolio von ING gewährte Entlastungsmaßnahme stellt eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag dar.

Vorbehaltlich der in Anhang I aufgeführten Verpflichtungszusagen ist die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

Artikel 2

Die ING von den Niederlanden gewährte Umstrukturierungsbeihilfe stellt eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag dar.

Vorbehaltlich der in Anhang II aufgeführten Verpflichtungszusagen ist die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

Die vorübergehende Beschränkung des Bilanzwachstums, die mit der Entscheidung der Kommission vom 12. November 2008 über die Rekapitalisierungsmaßnahme für ING auferlegt worden war, wird aufgehoben.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist an das Königreich der Niederlande gerichtet.

Brüssel, den 18. November 2009

Für die Kommission

Neelie KROES

Mitglied der Kommission


(1)  Entscheidung der Kommission in der Sache C 10/09 (ex N 138/09) — ING (ABl. C 158 vom 11.7.2009, S. 13).

(2)  Entscheidung der Kommission in der Sache N 528/08 — ING (ABl. C 328 vom 23.12.2008, S. 10).

(3)  Entscheidung der Kommission in der Sache C 10/09 (ex N 138/09) — ING (ABl. C 158 vom 11.7.2009, S. 13).

(4)  ABl. C 72 vom 26.3.2009, S. 1.

(5)  Siehe Fußnote 1.

(6)  Noch nicht veröffentlicht.

(7)  Entscheidung der Kommission vom 7. Juli 2009 in der Sache N 379/09 und NN 16/09 (noch nicht veröffentlicht).

(8)  Die in den Erwägungsgründen 19 und 24 angegebenen Marktanteile auf dem niederländischen Markt beruhen auf öffentlich zugänglichen Zahlen aus der Entscheidung der Kommission in der Sache COMP/M.4844 — Fortis/ABN Amro assets. Der Marktanteil weicht leicht von den aktuelleren Zahlen ab, die von den Niederlanden vorgelegt wurden. Da diese Abweichungen für die Entscheidung jedoch nicht relevant sind, legt die Kommission aus Gründen der Kohärenz die geprüften Zahlen zugrunde.

(9)  Teile dieses Texts wurden ersetzt, um zu gewährleisten, dass keine vertraulichen Informationen bekannt gegeben werden; diese Teile sind durch eckige Klammern und ein Sternchen gekennzeichnet.

(10)  Teile dieses Texts wurden ausgelassen, um zu gewährleisten, dass keine vertraulichen Informationen bekannt gegeben werden; diese Teile sind durch eckige Klammern und ein Sternchen gekennzeichnet.

(11)  Diese Maßnahme ist in der Entscheidung der Kommission in der Sache N 528/08 vom 12. November 2008 detailliert beschrieben.

(12)  Die Vorfälligkeitsentschädigung wird wie folgt berechnet: 650 000 000 EUR * (Anzahl der zurückgekauften Wertpapiere/500 000 000) * (Tage nach der Ausgabe)/365) * (zum betreffenden Zeitpunkt geltender Preis – 10)/(12,5 – 10), wobei der geltende Preis dem durchschnittlichen Marktpreis fünf Tage vor der Rückzahlung entspricht und größer oder gleich 11,20 EUR und kleiner oder gleich 12,45 EUR ist).

(13)  Entscheidung der Kommission in der Sache N 611/08 (ABl. C 247 vom 15.10.2009, S. 2).

(14)  Entscheidung der Kommission in der Sache N 569/09 (ABl. C 9 vom 14.1.2009, S. 3).

(15)  Das Finanzierungsentgelt wird wie folgt errechnet: 3 % (die zugrunde gelegten Finanzierungskosten des niederländischen Staates in USD) zuzüglich einer Marge von 0,5 %.

(16)  Eine Entgelterhöhung ist erst ab dem 25. Oktober an anwendbar. Eine Anpassung war erforderlich und wurde auf 15,6 Basispunkte veranschlagt, um die nicht erfolgte Zahlung zwischen dem 26. Januar 2009 und dem 25. Oktober 2009 auszugleichen. Diese Anpassung trägt sowohl der Senkung des (vom niederländischen Staat an ING gezahlten) Finanzierungsentgelts um 50 Basispunkte als auch der Erhöhung des (von ING an die Niederlande entrichteten) Garantieentgelts um 67 Basispunkte Rechnung.

(17)  Dies wäre der Fall, wenn ING das gesamte Portfolio oder einen Teil davon vom niederländischen Staat zurückkaufen würde.

(18)  […]

(19)  Im Zeitraum 2004–2007 stammten im Durchschnitt 52 % der Einnahmen der Gruppe vor Steuern aus der Versicherungssparte.

(20)  […]

(21)  Unter der Annahme, dass die Rückzahlung 400 Tage nach der Ausgabe erfolgt.

(22)  Illiquid Assets Back Facility

(23)  […]

(24)  Insbesondere wird die Kommission, wenn eine Veräußerung im Rahmen eines bereits eingeleiteten Börsengangs erfolgt und ein erheblicher Teil (mindestens 30 %) der Aktien vor Ende der Veräußerungsfrist platziert ist, (in Absprache mit den Niederlanden, ING und dem Treuhänder) sorgfältig prüfen, ob dem Unternehmen mehr Zeit gewährt werden sollte, um verbleibende Aktien zu platzieren.

(25)  Für verschiedene Regionen und/oder Geschäftsbereiche können verschiedene Treuhänder eingesetzt werden.

(26)  […]

(27)  Sofern feststeht, dass ein Teil der Erlöse aus den Bezugsrechten für Kuponzahlungen verwendet wird.

(28)  Vgl. Randnummer 26 der Mitteilung der Kommission über die Wiederherstellung der Rentabilität und die Bewertung von Umstrukturierungsmaßnahmen im Finanzsektor im Rahmen der derzeitigen Krise gemäß den Beihilfevorschriften (ABl. C 195 vom 19.8.2009, S. 9).

(29)  Angenommener Wechselkurs EUR/USD: 1,3.

(30)  Die risikogewichteten Vermögenswerte von ING Bank beliefen sich Ende 2008 auf 343 Mrd. EUR.

(31)  Auf Grundlage der Anforderungen in Bezug auf die Solvabilitätsspanne Ende 2008.

(32)  Siehe Entscheidung der Kommission in der Sache C 9/08 vom 4. Juli 2008 — SachsenLB (noch nicht veröffentlicht), Entscheidung der Kommission vom 29. Mai 2009 in der Sache N 264/09, Rettungsbeihilfe für die HSH Nordbank AG (ABl. C 179 vom 1.8.2009, S. 1), Entscheidung der Kommission vom 7. Mai 2009 in der Sache N 244/09 — Commerzbank (ABl. C 147 vom 27.6.2009, S. 4).

(33)  Siehe Randnummer 7 letzter Gedankenstrich und Randnummer 27 der Umstrukturierungsmitteilung.

(34)  Entscheidung der Kommission vom 7. Juli 2009 in der Sache N 379/09 und NN 16/09 (noch nicht veröffentlicht).

(35)  Bestehend aus einer Erhöhung um 52 Basispunkte p. a. für die Bewertung, 15 Basispunkte p. a. für das Verwaltungsentgelt und 15,6 Basispunkte p. a. für die Einnehmen, auf die der Staat im Zeitraum vom 26. Januar bis zum 25. Oktober 2009 verzichtet hat.

(36)  Der niederländische Staat schätzt seine Mittelbeschaffungskosten in USD auf etwa 3 % bei einer Laufzeit von 5-7 Jahren, entsprechend der gewichteten durchschnittlichen Laufzeit des Portfolios.

(37)  Vorausgesetzt wird eine angemessene Vergütung; sie war im vorliegenden Fall gegeben.

(38)  ABl. C 195 vom 19.8.2009, S. 9.

(39)  Siehe ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2. Ausdrückliche Bezugnahme in Randnummer 42 der Bankenmitteilung.

(40)  Siehe Entscheidung zu wertgeminderten Vermögenswerten vom 30. März 2009, Randnummer 83.

(41)  ABl. C 10 vom 15.1.2009, S. 2.

(42)  ABl. C 270 vom 25.10.2008, S. 8.

(43)  Siehe MEMO/09/441 vom 8. Oktober 2009 — „Commission recalls rules concerning Tier 1 and Tier 2 capital transactions for banks subject to a restructuring aid investigation“.

(44)  Wird nur die Höhe der Beihilfe für die Versicherungssparte betrachtet, macht diese 50 % der erforderlichen Solvabilitätsspanne von ING Insurance aus. Dies würde 4 % der risikogewichteten Vermögenswerte einer Bank entsprechen, da es die Hälfte des Kapitals darstellt, das die Geschäftseinheit für die Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit mindestens benötigt.

(45)  Dasselbe scheint für die Einhaltung des Verbots, mit der Rekapitalisierungsmaßnahme zu werben, zu gelten, dem ING in Italien und Spanien nach Gewährung der Beihilfe mehrere Tage lang nicht nachgekommen ist.

(46)  Vgl. die Entscheidung der Kommission vom 7. Mai 2009 in der Sache N 244/09 — Rekapitalisierung der Commerzbank (ABl. C 147 vom 27.6.2009, S. 4), Erwägungsgrund 111.

(47)  In der Entscheidung der Kommission vom 7. Mai 2009 in der Sache N 244/09 — Commerzbank (ABl. C 147 vom 27.6.2009, S. 4) akzeptierte die Kommission die Verpflichtungszusage, keine günstigeren Preise anzubieten als die drei günstigsten Wettbewerber. In der Entscheidung der Kommission vom 18. November 2009 in der Sache C 18/09 — KBC (noch nicht veröffentlicht), akzeptierte die Kommission ein Preisführerschaftsverbot, in dessen Rahmen die KBC sich verpflichtete, keine günstigeren Preise anzubieten als der günstigste Wettbewerber unter den zehn Marktteilnehmern, die auf dem relevanten Markt den größten Marktanteil haben.

(48)  In der Kommissionsentscheidung vom 7. Mai 2009 in der Sache N 244/09 — Commerzbank (ABl. C 147 vom 27.6.2009, S. 4) und in der Kommissionsentscheidung vom 18. November 2009 in der Sache C 18/09 — KBC, (noch nicht veröffentlicht) hielt die Kommission es für angemessen, das Verbot auf Märkte zu beschränken, auf denen die Bank eine erhebliche Präsenz aufweist; letztere wurde für den Zweck des Preisführerschaftsverbots auf das Halten eines Marktanteils von mindestens 5 % festgesetzt.

(49)  Vgl. die Entscheidung der Kommission in der Sache C 10/08 vom 22. Oktober 2008 — IKB (ABl. L 278 vom 23.10.2009, S. 32).


ANHANG I

In Bezug auf die Entlastungsmaßnahme müssen die folgenden Verpflichtungszusagen erfüllt werden:

Ab dem 25. Oktober 2009 leistet die ING-Gruppe zusätzliche Zahlungen an die Niederlande, die folgenden Anpassungen der Alt-A-Vergütung entsprechen: einer Anpassung des an ING gezahlten Finanzierungsentgelts um — 50 Basispunkte und einer Anpassung des von ING gezahlten Garantieentgelts um + 82,6 Basispunkte. Die Anpassung des Garantieentgelts schließt 15,6 Basispunkte ein, die einer Anpassung für den Zeitraum vom 26. Januar 2009 — dem Beginn der IABF (das heißt der A-Maßnahme) — bis zum 25. Oktober 2009 entsprechen. Die zusätzlichen Zahlungen werden je nach Umfang und für die Geltungsdauer der IABF-Vereinbarung geleistet.

Um die ursprüngliche IABF unberührt zu lassen, werden die zusätzlichen Zahlungen im Rahmen einer gesonderten Vereinbarung zwischen der ING-Gruppe und den Niederlanden erfolgen.

Für die zusätzlichen Zahlungen ist keine Restzahlung zu leisten, wenn die IABF vorzeitig rückabgewickelt wird; dies gilt mit Ausnahme des Teils, der sich auf den Zeitraum vom 26. Januar 2009 bis zum 25. Oktober 2009 bezieht (das heißt die 15,6 Basispunkte, die in der Anpassung des Garantieentgelts enthalten sind). Der Betrag der ausstehenden zusätzlichen Zahlungen, der sich auf den Zeitraum vom 26. Januar 2009 bis zum 25. Oktober 2009 bezieht (das heißt die 15,6 Basispunkte, die in der Anpassung des Garantieentgelts enthalten sind), ist zu entrichten, wenn die ursprüngliche Maßnahme ganz oder teilweise rückabgewickelt wird. Wird die IABF teilweise rückabgewickelt, ist ein solcher Betrag anteilig zu zahlen.

Die Niederlande verpflichten sich dazu, eine etwaige vollständige oder teilweise Rückabwicklung der Entlastungsmaßnahme bei der Kommission anzumelden.


ANHANG II

In Bezug auf die Umstrukturierungsbeihilfe müssen die folgenden Verpflichtungszusagen erfüllt werden:

a)

Hinsichtlich der Reduzierung der Bilanzsumme sowie der Verpflichtung, die Versicherungssparte, ING Direct US und andere Geschäftseinheiten bis Ende 2013 zu veräußern:

ING wird ihre Bilanzsumme bis Ende 2013 um 45 % gegenüber dem 30. September 2008 reduzieren und die in Erwägungsgrund 57 aufgeführten Geschäftseinheiten veräußern, insbesondere die Versicherungssparte und ING Direct US […].

Diese Zahlen beziehen sich auf Projektionen, die weder die möglichen Auswirkungen organischen Wachstums berücksichtigen, noch anderweitige zusätzliche Zunahmen, etwa wegen neuer aufsichtsrechtlicher Vorschriften, wie z. B. EU-weiter Vorschriften über erheblich größere Liquiditätsreserven. Derartige Vorschriften könnten dazu führen, dass das Bilanzwachstum deutlich über die derzeitigen Projektionen für das organische Wachstum hinausgeht.

ING wird keine Beschränkung des organischen (das heißt nicht übernahmebedingten) Wachstums der Bilanzsumme ihrer Unternehmen auferlegt. […]. In Zukunft wird ING allgemein die Politik verfolgen, die Zunahme der ihr von ihren Kunden anvertrauten Mittel vor allem für die Ausweitung der Kreditvergabe an die Realwirtschaft (Unternehmen und Verbraucher) zu verwenden und ihr Engagement im Bereich der stärker risikobehafteten Kategorien von Vermögenswerten (US CMBS und US RMBS) zu verringern. […] (1).

Im Hinblick auf die (in Erwägungsgrund 57 aufgeführten) Geschäftseinheiten, die ING sich zu veräußern verpflichtet, kann die Kommission für den Fall, dass die Veräußerung einer dieser Geschäftseinheiten nicht bis spätestens 31. Dezember 2013 (zum Beispiel durch den Abschluss eines endgültigen verbindlichen Veräußerungsvertrags) erfolgt ist, auf Antrag der Niederlande eine Fristverlängerung gewähren, sofern dies angemessen oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände gerechtfertigt ist (2). In derartigen Fällen kann die Kommission i) die Niederlande zur Einsetzung eines oder mehrerer (Veräußerungs-)Treuhänder(s) (3) auffordern, die von ING vorausgewählt und vorgeschlagen werden (und der Genehmigung durch die Kommission bedürfen), […].

Die Verlängerung einer Frist ist von den Niederlanden spätestens einen Monat vor Ablauf der Frist zu beantragen und hinreichend zu begründen. In Ausnahmefällen können die Niederlande innerhalb des letzten Monats vor Fristende eine Verlängerung beantragen.

b)

Die Niederlande sagen ferner zu, dass ING auf Übernahmen verzichten wird:

ING wird für einen bestimmten Zeitraum auf den Erwerb von Finanzinstituten verzichten. Diese Verpflichtung gilt für den kürzeren der beiden folgenden Zeiträume: drei Jahre ab dem Datum der Kommissionsentscheidung oder bis zu dem Tag, an dem ING die Core-Tier-1-Wertpapiere vollständig an die Niederlande zurückgezahlt hat (einschließlich der entsprechenden Stückzinsen für die Core-Tier-1-Kupons und der Ausstiegsgebühren). ING wird während dieses Zeitraums auch auf jede (sonstige) Übernahme von Unternehmen verzichten, die die Rückzahlung der Core-Tier-1-Wertpapiere an die Niederlande verzögern würde.

Ungeachtet dieses Verbots kann ING nach Einholung der Genehmigung der Kommission Übernahmen tätigen, insbesondere wenn dies für die Wahrung der Finanzstabilität oder zum Schutz des Wettbewerbs auf den betreffenden Märkten erforderlich ist.

c)

Die Niederlande sagen ferner zu, dass ING sich an einen Verzicht auf die Preisführerschaft halten wird:

Ohne vorherige Genehmigung der Kommission wird ING (auf den nachstehend festgelegten Märkten) für standardisierte ING-Produkte keine günstigeren Tarife anbieten als die drei direkten Wettbewerber, die auf den EU-Märkten, auf denen ING einen Marktanteil von über 5 % innehat, die günstigsten Tarife bieten.

Diese Verpflichtungszusage ist auf standardisierte ING-Produkte auf den folgenden Produktmärkten beschränkt: i) Retail-Spareinlagenmarkt, ii) Retail-Hypothekenmarkt, iii) Private Banking, sofern es sich um Hypotheken- oder Sparprodukte handelt und iv) Einlagen für KMU (KMU im Sinne der KMU-Definition, die ING bei ihrer Geschäftstätigkeit in dem betreffenden Land üblicherweise/zurzeit zugrunde legt). Sobald ING feststellt, dass ihre Produkttarife günstiger sind als die ihrer drei Wettbewerber mit den günstigsten Tarifen, ändert sie diese baldmöglichst und ohne unnötige Verzögerung auf einen Stand ab, der mit dieser Verpflichtung im Einklang steht.

Diese Verpflichtungszusage gilt für den kürzeren der beiden folgenden Zeiträume: drei Jahre ab dem Datum der vorliegenden Entscheidung oder bis zu dem Tag, an dem ING die Core-Tier-1-Wertpapiere vollständig an die Niederlande zurückgezahlt hat (einschließlich der entsprechenden Stückzinsen für die Core-Tier-1-Kupons und der Ausstiegsgebühren). Zur Überwachung der Einhaltung dieser Bestimmung setzen die Niederlande einen von ING vorausgewählten und vorgeschlagenen Überwachungstreuhänder ein. Der gewählte Überwachungstreuhänder bedarf der Genehmigung durch die Kommission.

Sofern nicht die Kommission eine entsprechende Genehmigung erteilt hat, verzichtet ING Direct, um die langfristige Rentabilität von ING zu unterstützen, während des kürzeren der beiden folgenden Zeiträume auf dem Retail-Hypotheken- und dem Retail-Spareinlagenmarkt in der EU bei standardisierten ING-Produkten auf die Preisführerschaft: drei Jahre ab dem Datum der vorliegenden Entscheidung oder bis zu dem Tag, an dem ING die Core-Tier-1-Wertpapiere (einschließlich der entsprechenden Stückzinsen für die Core-Tier-1-Kupons und der Ausstiegsgebühren) vollständig an die Niederlande zurückgezahlt hat. Sobald ING feststellt, dass sie auf einem Markt für Retail-Hypotheken oder Retail-Spareinlagen zum Preisführer innerhalb der EU geworden ist, ändert sie ihre Tarife baldmöglichst und ohne unnötige Verzögerung auf einen Stand ab, der mit dieser Verpflichtung im Einklang steht.

Zur Überwachung der Einhaltung dieser Verpflichtungszusage setzen die Niederlande einen von ING vorausgewählten und vorgeschlagenen Überwachungstreuhänder ein. Der gewährte Überwachungstreuhänder bedarf der Genehmigung durch die Kommission.

d)

Die Niederlande machen eine Reihe detaillierter Verpflichtungszusagen hinsichtlich der Ausgliederung von WUH/Interadvies ein:

ING wird in den Niederlanden ein zur Veräußerung bestimmtes neues Unternehmen gründen, das aus ihrem derzeitigen niederländischen Retail-Bankgeschäft ausgegliedert wird. Dieses ausgliederte neue Unternehmen muss im Ergebnis ein rentables und wettbewerbsfähiges Unternehmen sein, das von den von ING weitergeführten Geschäftsbereichen unabhängig und getrennt ist und auf einen geeigneten Käufer übertragen werden kann. Dieses neue Unternehmen wird die Geschäftstätigkeit der Bankensparte WUH/Interadvies, die zurzeit zum niederländischen Versicherungsgeschäft gehört, und das Verbraucherkreditportfolio von ING Bank umfassen. WUH/Interadvies ist eine Geschäftseinheit von ING, die von der Versicherungseinheit von Nationale Nederlanden kontrolliert wird. Es handelt sich (vorrangig) um eine Hypothekenbank, deren Geschäftstätigkeit auf eigenen Banklizenzen basiert. WUH/Interadvies ist ein rentabler eigenständiger Marktteilnehmer, der über eigenes Verkaufspersonal für den Kundenservice und eine unabhängige Organisation mit soliden Einnahmen verfügt. Die Ausgliederung wird unter der Aufsicht des Überwachungstreuhänders und in Zusammenarbeit mit dem Hold-Separate-Manager erfolgen. Der Überwachungstreuhänder kann ING während des Ausgliederungszeitraums empfehlen, in das zu veräußernde Geschäft diejenigen (mit dem zu veräußernden Geschäft zusammenhängenden) materiellen und immateriellen Vermögenswerte einzubeziehen, die er im Hinblick auf die vollständige Erfüllung der oben genannten ergebnisorientierten Verpflichtungszusagen von ING und insbesondere im Hinblick auf Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit des zu veräußernden Geschäfts für objektiv erforderlich hält. Stimmt ING in der Frage, ob die Einbeziehung derartiger materieller oder immaterieller Vermögenswerte in das zu veräußernde Geschäft objektiv erforderlich ist, um Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit des zu veräußernden Geschäfts zu gewährleisten, nicht mit dem Überwachungstreuhänder überein, teilt ING dem Überwachungstreuhänder dies schriftlich mit. In diesem Fall treffen die Geschäftsführung von ING und der Überwachungstreuhänder innerhalb von […] zu einer Sitzung zusammen, um einen Konsens zu erzielen. Wird kein Konsens erzielt, setzen ING und der Überwachungstreuhänder ohne unnötige Verzögerung gemeinsam einen unabhängigen Dritten mit Erfahrung im Finanzsektor (nachstehend „Experte“ genannt) ein, dessen Aufgabe darin besteht, die Argumente der Beteiligten anzuhören und eine Lösung herbeizuführen. Wird keine Lösung erzielt, entscheidet der Experte innerhalb von […] ab seiner Einsetzung darüber, ob die Einbeziehung der jeweiligen materiellen oder immateriellen Vermögenswerte in das zu veräußernde Geschäft objektiv erforderlich ist, um dessen Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten, und die Beteiligten akzeptieren die Entscheidung des Experten hierüber und handeln entsprechend. Der Bericht des Überwachungstreuhänders an die Kommission muss über das Bestehen unterschiedlicher Auffassungen informieren.

ING sagt zu, optimale Veräußerungsbedingungen zu gewährleisten und dazu einen Geschäftsplan zu erstellen, eine Internetplattform einzurichten und Verkaufskapazitäten für die ausgegliederte Geschäftseinheit bereitzustellen. Ferner wird sie (zu handelsüblichen Bedingungen) Zahlungsmittel bereitstellen, wenn dies vom Käufer gewünscht wird. Darüber hinaus wird ING zur Einrichtung einer Finanzabteilung beitragen und in den beiden Jahren nach der Veräußerung entsprechende Finanzmittel bereitstellen, die im Laufe dieses Zeitraums jedoch allmählich gesenkt werden sollen. Die von ING gewährte Finanzierungshilfe für das WUH-Geschäft wird auf den Tarifen für interne Finanzmittelübertragungen basieren. ING plant, für die Finanzierung des WUH-Geschäfts bei den Niederlanden eine staatlich garantierte Finanzierung von höchstens […] Mrd. EUR zu beantragen. Die Niederlande sagen zu, diese Maßnahme in diesem Fall gesondert anzumelden.

Ferner wird ING während einer Übergangszeit […] darauf verzichten, Kunden des WUH-Geschäfts für Produkte, die das WUH-Geschäft besagten Kunden am Tag der Annahme dieser Entscheidung bereitstellt, abzuwerben.

ING wird sich um eine Ausgliederung des WUH-Geschäfts bemühen […]. Nach der Ausgliederungszeit […] wird ING das WUH-Geschäft getrennt weiterführen und eine Veräußerung anstreben […] (4).

Ein Überwachungstreuhänder und ein Hold-Separate-Manger werden innerhalb von […] nach dem Datum dieser Kommissionsentscheidung […] eingesetzt; ferner wird ein Veräußerungstreuhänder eingesetzt […]. Alle Treuhänder werden von den Niederlanden nach Vorauswahl und Vorschlag durch ING eingesetzt. Ihre Einsetzung bedarf der Genehmigung durch die Kommission.

e)

ING trägt die Kosten für alle während des Umstrukturierungsvorgangs eingesetzten Treuhänder.

f)

Im Hinblick auf die Wiederherstellung der Rentabilität sichern die Niederlande zu, dass ING sich an Folgendes hält:

ING verpflichtet sich dazu, ihre nicht aus Einlagen stammenden Finanzmittel durch verstärkte Emission von Schuldtiteln mit einer Laufzeit von über einem Jahr auf längerfristige Finanzierung auszurichten, sobald sich die Marktsituation wieder etwas entspannt hat. […].

ING strebt an, ihr „Double-Leverage“ (Einsatz von Kernverbindlichkeiten als Eigenkapital bei ihren Tochtergesellschaften) baldmöglichst abzuschaffen und sagt zu, dies bis spätestens […] zu erreichen. Das „Double-Leverage“ wird automatisch abgeschafft, wenn die ING-Gruppe wieder zu einer regulierten Bank wird.

g)

Im Hinblick auf den Aufschub von Kuponzahlungen und die Ausübung von Call-Optionen für Tier-1- und Tier-2-Wertpapiere sichern die Niederlande zu, dass ING sich an Folgendes halten wird:

Erhält ING durch eine Bezugsrechtsemission mehr als erforderlich ist, um 50 % der Core-Tier-1-Wertpapiere einschließlich der entsprechenden Stückzinsen und der Ausstiegsgebühren zurückzuzahlen, ist ING nicht gezwungen, die Kuponzahlungen auf hybride Instrumente am 8. und 15. Dezember 2009 (5) sowie spätere Kuponzahlungen auf hybride Instrumente aufzuschieben.

Wenn keine derartige Bezugsrechtsemission stattfindet und ING im Vorjahr Verluste gemacht hat, muss ING, sofern dies in ihrem Ermessen steht, die Kuponzahlungen auf hybride Instrumente um den kürzeren der beiden folgenden Zeiträume aufschieben: drei Jahre ab dem Datum der Kommissionsentscheidung oder bis zu dem Tag, an dem ING die Core-Tier-1-Wertpapiere (einschließlich der entsprechenden Stückzinsen für die Core-Tier-1-Kupons und der Ausstiegsgebühren) vollständig an die Niederlande zurückgezahlt hat.

Die Niederlande nehmen zur Kenntnis, dass Empfänger staatlicher Beihilfen nach Auffassung der Kommission Eigenmittel (Eigenkapital und nachrangige Verbindlichkeiten) nicht vergüten sollten, wenn ihre Tätigkeit keine ausreichenden Gewinne abwirft (6) und dass die Kommission in diesem Kontext grundsätzlich gegen die Ausübung von Call-Optionen für Tier-2-Kapital und hybride Tier-1-Instrumente ist. ING bedauert das Missverständnis hinsichtlich der Ausübung einer Call-Option für einen Lower-Tier-2-Bond am 14. Oktober 2009. Die Ausübung der Call-Option für Tier-2-Kapital und hybride Tier-1-Instrumente wird der Kommission in Zukunft während des kürzeren der beiden folgenden Zeiträume fallweise zur Genehmigung vorgelegt: drei Jahre ab dem Datum der vorliegenden Entscheidung oder bis zu dem Tag, an dem ING die Core-Tier-1-Wertpapiere vollständig an die Niederlande zurückgezahlt hat (einschließlich der entsprechenden Stückzinsen für die Core-Tier-1-Kupons und der Ausstiegsgebühren).

h)

Die Niederlande sagen zu, dass ING kein groß angelegtes Marketing betreiben wird, bei dem die Rekapitalisierungsmaßnahme als Wettbewerbsvorteil dargestellt wird.

i)

Die Niederlande sagen zu, dass ING sich weiter an die Einschränkungen hinsichtlich ihrer Vergütungspolitik und ihres Marketings, zu denen sie sich im Rahmen der Vereinbarungen über die Core-Tier-1-Wertpapiere und die IABF verpflichtet hatte, halten wird.

j)

ING und die Niederlande sagen zu, dass der Kommission ab dem Datum dieser Entscheidung alle sechs Monate ein Fortschrittsbericht über die Umsetzung des Umstrukturierungsplans vorgelegt wird.

k)

Die Niederlande sagen zu, dass die Umstrukturierung von ING bis spätestens Ende 2013 vollständig abgeschlossen sein wird.


(1)  […].

(2)  Insbesondere wird die Kommission, wenn eine Veräußerung im Rahmen eines bereits eingeleiteten Börsengangs erfolgt und ein erheblicher Teil (mindestens 30 %) der Aktien vor Ende der Veräußerungsfrist platziert ist, (in Absprache mit den Niederlanden, ING und dem Treuhänder) sorgfältig prüfen, ob dem Unternehmen mehr Zeit gewährt werden sollte, um verbleibende Aktien zu platzieren.

(3)  Für verschiedene Regionen und/oder Geschäftsbereiche können verschiedene Treuhänder eingesetzt werden.

(4)  […].

(5)  Sofern feststeht, dass ein Teil der Erlöse aus den Bezugsrechten für Kuponzahlungen verwendet wird.

(6)  Vgl. Randnummer 26 der Mitteilung der Kommission über die Wiederherstellung der Rentabilität und die Bewertung von Umstrukturierungsmaßnahmen im Finanzsektor im Rahmen der derzeitigen Krise gemäß den Beihilfevorschriften (Umstrukturierungsmitteilung).