21.7.2010 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
L 187/1 |
BESCHLUSS DES RATES 2010/404/GASP
vom 14. Juni 2010
über die Unterzeichnung und den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und dem Fürstentum Liechtenstein über die Sicherheitsverfahren für den Austausch von Verschlusssachen
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (nachstehend „EUV“ genannt), insbesondere auf Artikel 37 und den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (nachstehend „AEUV“ genannt), insbesondere auf Artikel 218 Absatz 5 sowie Artikel 218 Absatz 6 Unterabsatz 1,
auf Vorschlag der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Der Rat hat auf seiner Tagung vom 9. Juni 2008 beschlossen, den Vorsitz zu ermächtigen, gemäß dem ehemaligen Artikel 24 EUV Verhandlungen mit dem Fürstentum Liechtenstein im Hinblick auf den Abschluss eines Abkommens über die Sicherheit von Informationen aufzunehmen. |
(2) |
Der Vorsitz hat aufgrund dieser Ermächtigung ein Abkommen mit dem Fürstentum Liechtenstein über die Sicherheitsverfahren für den Austausch von Verschlusssachen ausgehandelt. |
(3) |
Dieses Abkommen sollte genehmigt werden — |
HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:
Artikel 1
Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Fürstentum Liechtenstein über die Sicherheitsverfahren für den Austausch von Verschlusssachen wird im Namen der Union genehmigt.
Der Wortlaut des Abkommens ist diesem Beschluss beigefügt.
Artikel 2
Der Präsident des Rates wird ermächtigt, die Person(en) zu bestellen, die befugt ist (sind), das Abkommen rechtsverbindlich für die Union zu unterzeichnen.
Artikel 3
Dieser Beschluss tritt am Tag seiner Annahme in Kraft.
Geschehen zu Luxemburg am 14. Juni 2010.
Im Namen des Rates
Die Präsidentin
C. ASHTON
ÜBERSETZUNG
ABKOMMEN
Zwischen der Europäischen Union und dem Fürstentum Liechtenstein über die sicherheitsverfahren für den austausch von verschlusssachen
Die EUROPÄISCHE UNION, nachstehend „die EU“ genannt, und
das FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN, nachstehend „Liechtenstein“ genannt,
nachstehend „die Vertragsparteien“ genannt —
IN DER ERWÄGUNG, dass die Vertragsparteien das gleiche Ziel verfolgen, ihre eigene Sicherheit in jeder Weise zu stärken und ihren Bürgern in einem Raum der Sicherheit ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten,
IN DER ERWÄGUNG, dass die Vertragsparteien darin übereinstimmen, dass Konsultationen und die Zusammenarbeit zwischen ihnen in Sicherheitsfragen von gemeinsamem Interesse ausgebaut werden sollten,
IN DER ERWÄGUNG, dass in diesem Zusammenhang daher ständig der Bedarf besteht, Verschlusssachen zwischen den Vertragsparteien auszutauschen,
IN ANERKENNUNG DESSEN, dass eine umfassende und wirksame Konsultation und Zusammenarbeit den Zugang zu als Verschlusssachen eingestuften Informationen und als Verschlusssache eingestuftem Material der EU und Liechtensteins sowie den Austausch solcher Informationen und damit zusammenhängenden Materials zwischen den Vertragsparteien erfordern kann,
IN DEM BEWUSSTSEIN, dass ein solcher Zugang zu als Verschlusssachen eingestuften Informationen und damit zusammenhängendem Material und der Austausch solcher Informationen und solchen Materials geeignete Geheimschutzmaßnahmen notwendig machen —
SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:
Artikel 1
Zur Erreichung des Ziels der Vertragsparteien, ihre Sicherheit auf jede Weise zu stärken, findet dieses Abkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Europäischen Union über die Sicherheitsverfahren für den Austausch von Verschlusssachen (nachstehend „Abkommen“ genannt) Anwendung auf als Verschlusssachen eingestufte Informationen und als Verschlusssache eingestuftes Material jedweder Form, die (das) von den Vertragsparteien bereitgestellt oder zwischen den Vertragsparteien ausgetauscht werden (wird).
Artikel 2
Im Sinne dieses Abkommens bezeichnet der Ausdruck „Verschlusssachen“ Informationen (d.h. Kenntnisse, die in jeglicher Form übermittelt werden können) und Material, für die (das) eine der beiden Vertragsparteien festgelegt hat, dass sie (es) des Schutzes vor einer unbefugten Weitergabe bedürfen (bedarf) und die (das) dementsprechend mit einem Geheimhaltungsgrad gekennzeichnet wurden (wurde).
Artikel 3
Dieses Abkommen findet Anwendung auf die folgenden Organe und Rechtsträger der EU: Europäischer Rat, Rat der Europäischen Union (nachstehend „Rat“ genannt), Generalsekretariat des Rates, Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Europäischer Auswärtiger Dienst (nachstehend „EAD“ genannt) und Europäische Kommission. Für die Zwecke dieses Abkommens werden diese Organe und Rechtsträger als „die EU“ bezeichnet.
Artikel 4
Jede Vertragspartei verfährt wie folgt:
a) |
Sie schützt und sichert Verschlusssachen, die ihr im Rahmen dieses Abkommens von der anderen Vertragspartei bereitgestellt oder mit dieser ausgetauscht werden. |
b) |
Sie stellt sicher, dass Verschlusssachen, die gemäß diesem Abkommen bereitgestellt oder ausgetauscht werden, den von der bereitstellenden Vertragspartei zugeordneten Geheimhaltungsgrad beibehalten. Die empfangende Vertragspartei schützt und sichert die Verschlusssachen gemäß den Vorschriften, die in ihren eigenen Geheimschutzvorschriften für Informationen und Material mit gleichwertigem Geheimhaltungsgrad, wie in den nach Artikel 11 festzulegenden Sicherheitsregelungen beschrieben, niedergelegt sind. |
c) |
Sie verwendet solche Verschlusssachen nur für die vom Urheber festgelegten Zwecke und nur zu den Zwecken, zu denen die Informationen bereitgestellt oder ausgetauscht werden. |
d) |
Sie gibt solche Verschlusssachen nicht ohne vorherige schriftliche Zustimmung der bereitstellenden Vertragspartei an Dritte oder an nicht in Artikel 3 genannte Organe und Rechtsträger der EU weiter. |
e) |
Sie gewährt den Zugang zu Verschlusssachen nur den Personen, die davon Kenntnis haben müssen und die einer angemessenen Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden sind. |
Artikel 5
(1) Verschlusssachen können gemäß dem Grundsatz der Kontrolle durch den Urheber von einer Vertragspartei (der bereitstellenden Vertragspartei) an die andere Vertragspartei (die empfangende Vertragspartei) weitergegeben oder ihr gegenüber freigegeben werden.
(2) Für die Freigabe gegenüber anderen Empfängern als den Vertragsparteien wird von der empfangenden Vertragspartei nach schriftlicher Zustimmung der bereitstellenden Vertragspartei gemäß dem Grundsatz der Kontrolle durch den Urheber — wie er in den Geheimschutzvorschriften der bereitstellenden Vertragspartei festgelegt ist — ein Beschluss über die Weiter- bzw. Freigabe von Verschlusssachen gefasst.
(3) In Anwendung der Bestimmungen der Absätze 1 und 2 ist eine grundsätzliche Freigabe nur dann zulässig, wenn zwischen den Vertragsparteien für bestimmte Kategorien von Informationen, die für ihre operativen Erfordernisse relevant sind, Verfahren festgelegt und vereinbart wurden.
Artikel 6
Jede der Vertragsparteien und die in Artikel 3 dieses Abkommens bestimmten Organe und Rechtsträger stellen sicher, dass sie über ein Geheimschutzsystem und Geheimschutzmaßnahmen verfügen, die auf den Sicherheitsgrundsätzen und -mindeststandards basieren, die in ihren jeweiligen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegt sind und in den nach Artikel 11 zu treffenden Vorkehrungen ihren Niederschlag finden, so dass die Anwendung eines gleichwertigen Schutzstandards auf die im Rahmen dieses Abkommens bereitgestellten oder ausgetauschten Verschlusssachen gewährleistet ist.
Artikel 7
(1) Die Vertragsparteien stellen sicher, dass alle Personen, die in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit Zugang zu Verschlusssachen haben müssen, die im Rahmen dieses Abkommens bereitgestellt oder ausgetauscht werden, oder deren Tätigkeit oder Aufgaben Zugang zu solchen Verschlusssachen bieten kann, in angemessener Weise einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden, bevor ihnen Zugang zu solchen Informationen gewährt wird.
(2) Die Verfahren der Sicherheitsüberprüfung dienen der Feststellung, ob einer Person in Anbetracht ihrer Loyalität, Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit Zugang zu Verschlusssachen gewährt werden kann.
Artikel 8
Die Vertragsparteien leisten sich gegenseitig Hilfe in Fragen der Sicherheit der im Rahmen dieses Abkommens bereitgestellten oder ausgetauschten Verschlusssachen sowie bei Fragen von gemeinsamem Sicherheitsinteresse. Die in Artikel 11 genannten Stellen führen gegenseitige Sicherheitskonsultationen und Inspektionen durch, um die Wirksamkeit der gemäß Artikel 11 im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit festzulegenden Sicherheitsregelungen zu beurteilen.
Artikel 9
(1) Für die Zwecke dieses Abkommens gilt Folgendes:
a) |
Für die EU wird die gesamte Korrespondenz über den Chief Registry Officer des Rates zugestellt und wird von diesem vorbehaltlich des Absatzes 2 an die Mitgliedstaaten und die in Artikel 3 genannten Organe oder Rechtsträger weiterleitet. |
b) |
Für Liechtenstein wird die gesamte Korrespondenz an den Chief Registry Officer des Ministeriums des Innern Liechtensteins gerichtet und gegebenenfalls über die Mission Liechtensteins bei der EU weitergeleitet. |
(2) In Ausnahmefällen kann die Korrespondenz einer Vertragspartei, die lediglich speziell zuständigen Beamten, Einrichtungen oder Dienststellen dieser Vertragspartei zugänglich ist, aus operativen Gründen an einzelne zuständige Beamte, Einrichtungen oder Dienststellen der anderen Vertragspartei, die speziell als Empfänger benannt sind, gerichtet werden und lediglich diesen zugänglich sein, wobei deren Zuständigkeiten Rechnung zu tragen und nach dem Grundsatz „Kenntnis nur, wenn nötig“ zu verfahren ist. Für die EU wird diese Korrespondenz über den Chief Registry Officer des Rates, den Chief Registry Officer der Europäischen Kommission oder aber den Chief Registry Officer des EAD übermittelt, je nachdem, was angemessen ist. Für Liechtenstein wird diese Korrespondenz über die Mission Liechtensteins bei der EU übermittelt.
Artikel 10
Der Minister des Innern Liechtensteins, der Generalsekretär des Rates sowie das für Sicherheitsfragen zuständige Mitglied der Europäischen Kommission überwachen die Anwendung dieses Abkommens.
Artikel 11
(1) Zur Anwendung dieses Abkommens werden zwischen den drei in den Absätzen 2, 3 und 4 bezeichneten Stellen Sicherheitsregelungen festgelegt, um die Standards für die gegenseitige Gewährleistung des Geheimschutzes von Verschlusssachen im Rahmen dieses Abkommens festzulegen.
(2) Das Ministerium des Innern Liechtensteins trifft die Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz und zur Sicherung von Verschlusssachen, die Liechtenstein im Rahmen dieses Abkommens bereitgestellt werden.
(3) Das Sicherheitsbüro des Generalsekretariats des Rates, das — unter der Leitung und im Auftrag des Generalsekretärs des Rates — im Namen des Rates und unter dessen Aufsicht handelt, trifft die Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz und zur Sicherung von Verschlusssachen, die der EU im Rahmen dieses Abkommens bereitgestellt werden.
(4) Die Direktion Sicherheit der Europäischen Kommission, die unter Aufsicht des für Sicherheitsfragen zuständigen Mitglieds der Kommission handelt, trifft die Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz von Verschlusssachen, die im Rahmen dieses Abkommens innerhalb der Europäischen Kommission und ihrer Räumlichkeiten bereitgestellt oder mit ihr ausgetauscht werden.
(5) Für die EU werden die Sicherheitsregelungen nach Absatz 1 vom Sicherheitsausschuss des Rates gebilligt.
Artikel 12
Die in Artikel 11 genannten Stellen legen Verfahren fest, nach denen im Falle einer erwiesenen oder mutmaßlichen Kompromittierung von Verschlusssachen, die im Rahmen dieses Abkommens bereitgestellt oder ausgetauscht wurden, vorzugehen ist.
Artikel 13
Jede Vertragspartei trägt die Kosten, die bei der Anwendung dieses Abkommens für sie anfallen.
Artikel 14
Vor der Bereitstellung oder dem Austausch von Verschlusssachen zwischen den Vertragsparteien im Rahmen dieses Abkommens müssen die in Artikel 11 genannten, für die Sicherheit zuständigen Stellen übereinstimmend feststellen, dass die empfangende Vertragspartei in der Lage ist, Verschlusssachen im Einklang mit den nach Artikel 11 festzulegenden Regelungen zu schützen und zu sichern.
Artikel 15
Dieses Abkommen hindert die Vertragsparteien nicht, andere Übereinkünfte im Zusammenhang mit der Bereitstellung oder dem Austausch von Verschlusssachen zu schließen, sofern diese nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Abkommens stehen.
Artikel 16
Alle Streitigkeiten zwischen Liechtenstein und der EU, die sich aus der Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens ergeben, werden durch Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien geregelt.
Artikel 17
(1) Dieses Abkommen tritt am ersten Tag des ersten Monats in Kraft, der auf den Monat folgt, in dem die Vertragsparteien einander den Abschluss der hierfür erforderlichen innerstaatlichen Verfahren notifiziert haben.
(2) Jede Vertragspartei setzt die andere Vertragspartei über etwaige Änderungen ihrer Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die Auswirkungen auf den Schutz von Verschlusssachen nach diesem Abkommen haben könnten, in Kenntnis.
(3) Dieses Abkommen kann auf Ersuchen einer der beiden Vertragsparteien im Hinblick auf etwaige Änderungen überprüft werden.
(4) Änderungen dieses Abkommens bedürfen stets der Schriftform und sind im Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien vorzunehmen. Sie treten nach der gegenseitigen Notifizierung gemäß Absatz 1 in Kraft.
Artikel 18
Dieses Abkommen kann von einer Vertragspartei durch eine an die andere Vertragspartei gerichtete schriftliche Kündigung gekündigt werden. Die Kündigung wird sechs Monate nach ihrem Eingang bei der anderen Vertragspartei wirksam, berührt jedoch nicht die aufgrund dieses Abkommens bereits eingegangenen Verpflichtungen. Insbesondere sind sämtliche nach Maßgabe dieses Abkommens bereitgestellten oder ausgetauschten Verschlusssachen auch weiterhin nach den Bestimmungen dieses Abkommens zu schützen.
Zu Urkund dessen haben die jeweils gehörig befugten Unterzeichneten dieses Abkommen unterzeichnet.
Geschehen zu Brüssel am sechsten Juli zweitausendzehn, in zwei Urschriften, jede in englischer Sprache.
Für das Fürstentum Liechtenstein
Für die Europäische Union