52002PC0488(02)

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung /* KOM/2002/0488 endg. - COD 2002/0220 */

Amtsblatt Nr. 331 E vom 31/12/2002 S. 0262 - 0278


Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung

(von der Kommission vorgelegt)

BEGRÜNDUNG

1. Hintergrund

1.1. Vollendung des Energiebinnenmarkts

Die Europäische Union macht stetige Fortschritte bei der Vollendung des Gas- und Elektrizitätsbinnenmarkts. Sie ist in der Tat dabei, den größten integrierten und am stärksten geöffneten regionalen Elektrizitäts- und Gasmarkt der Welt zu schaffen. Wie aus dem Grünbuch ,Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit" (KOM(2000) 769) hervorgeht, wird diese Marktintegration jedoch nur dann zur Versorgungssicherheit beitragen, wenn die Märkte tatsächlich integriert werden. Der Europäische Rat in Barcelona vom 15.-16. März 2002 hob daher die Bedeutung leistungsstarker und integrierter Energienetze hervor, die zu den Grundpfeilern des Binnenmarktes gehören und eine wichtige Voraussetzung für die Verknüpfung der europäischen Volkswirtschaften sind.

Die Öffnung und die hinreichende physische Verknüpfung der Märkte allein sind jedoch noch keine Garantie für einen liquiden, auf einer sicheren Gasversorgung basierenden Markt, der sowohl aus einheimischen als auch aus externen Quellen versorgt wird. Daher ist es wichtig, dass die derzeitigen tiefgreifenden Marktveränderungen und der Übergang zu einem gänzlich geöffneten Energiebinnenmarkt durch transparente und unmissverständliche neue Politiken ergänzt wird, die den globalen Rahmen sowie eine klare Verteilung der Funktionen und Zuständigkeiten der einzelnen Marktakteure in Bezug auf die Versorgungssicherheit unter den neuen Marktbedingungen festlegen.

Ebenso wichtig für das kontinuierliche einwandfreie Funktionieren des Erdgasbinnenmarkts ist es, dass entsprechende Maßnahmen für den Fall einer außergewöhnlichen Versorgungslage getroffen werden.

1.2. Zunehmende Bedeutung von Erdgas und zu erwartende zunehmende Einfuhrabhängigkeit

Dem Erdgas kommt im Brennstoffmix der EU eine immer größere Bedeutung als Energiequelle zu. Im Jahr 2000 betrug der Anteil von Erdgas an der gesamten Primärenergieversorgung der EU etwa 24 % gegenüber 16 % im Jahr 1985 und weniger als 2 % im Jahr 1960. Der stetige Wachstumstrend setzt sich fort, selbst in Zeiten geringen Wirtschaftswachstums. Im Jahr 2001 stieg der Erdgasverbrauch Westeuropas um 2,5 %, insbesondere infolge eines erheblichen Anstiegs des Verbrauchs in Privathaushalten und in Kraftwerken.

Erdgas hat seine Position als bevorzugter Brennstoff für die Stromerzeugung in der EU weiter ausgebaut. Seit 1995 belief sich der Anteil der Stromerzeugung aus Erdgas jedes Jahr auf 50-60 % der Neuinvestitionen in die EU-Stromerzeugung. Die bemerkenswerteste Entwicklung im letzten Jahrzehnt ist der zunehmende Anteil der kombinierten Gasturbinen-Dampfturbinen-Technologie (CCGT), der auf eine Kombination der Auswirkungen der Stellung der EG im Bereich der Stromerzeugung aus Erdgas zu Beginn der 90iger Jahre, des technologischen Fortschritts, der relativ wettbewerbsfähigen Erdgaspreise und umweltpolitischer Erwägungen zurückzuführen ist.

Die Erdgas- und Elektrizitätsnachfrage in der EU wird in den nächsten zwanzig Jahren voraussichtlich erheblich steigen. Es wird erwartet, dass sowohl die Gas- als auch die Elektrizitätsnachfrage in der EU bis 2020 um mehr als 40 % steigen werden, und ein Marktanteil von Erdgas an der Energieversorgung der EU von etwa 30 % erscheint realistisch. Der Anstieg der Nachfrage nach Erdgas ist in erster Linie auf die Stromerzeugung zurückzuführen. Vorhersagen zufolge entfallen zwei Drittel des Anstiegs der Gasnachfrage auf die Stromerzeugung und die Kraft-Wärme-Kopplung. Die zunehmende Abhängigkeit von Erdgas zur Stromerzeugung wirft eine Reihe von Fragen auf in Bezug auf die zunehmende Interdependenz zwischen den beiden Sektoren, insbesondere was die Versorgungssicherheit angeht.

Allerdings befindet sich Europa in einer relativ günstigen Gasversorgungslage, da es über beträchtliche eigene Gasreserven verfügt und 70-80 % der globalen Gasreserven in wirtschaftlich akzeptabler Reichweite vom europäischen Markt liegen. Mit der Umsetzung der EU-Gasrichtlinie gegen Ende des Jahres wird Norwegen ein voll integrierter Teil des Erdgasbinnenmarktes werden. Die kombinierte EU/EWR-Erdgasförderung wird voraussichtlich in den nächsten zehn Jahren dank des nachgewiesenen zusätzlichen Potenzials neu entdeckter Erdgasreserven noch steigen. Bis 2010 wird eine Einfuhrabhängigkeit des EU/EWR-Erdgasbinnenmarkts von bis zu 25-30 % erwartet. Ein erweiterter Binnenmarkt, der auch die 10 Kandidatenländer Mittel- und Osteuropas umfasst, wird im Jahr 2010 voraussichtlich zu 35-40 % von Einfuhren abhängig sein.

Bis 2010 werden möglicherweise weitere EU/EEA-Erdgasreserven mobilisiert, was dazu beitragen könnte, die EU/EWR-Erdgasförderung weiter auszubauen und somit eine merkliche Zunahme der Einfuhrabhängigkeit der EU/EWR hinauszuschieben. Aufgrund der erwarteten raschen Zunahme der Erdgasnachfrage, mit der irgendwann voraussichtlich eine schrittweise Stabilisierung und ein Rückgang der internen EU/EWR-Erdgasförderung einhergehen werden, wird die EU/EWR längerfristig in zunehmendem Maße auf Erdgaseinfuhren angewiesen sein. Auf der Grundlage der derzeitigen Nachfragevorhersagen von Eurogas und der Kommission sowie der Produktionsvorhersagen des Internationalen Verbands der Erdöl- und Erdgasproduzenten (International Association of Oil and Gas Producers (OGP)) für die EU und Norwegen könnte das Niveau der Einfuhrabhängigkeit der EU15/EWR im Jahr 2020 nahezu 60 % und für die EU25/EWR 65 % erreichen. Nach jüngsten Untersuchungen des OGP könnte dieser Prozentsatz jedoch niedriger sein, wenn eine mögliche Aufwärtsentwicklung der Ressourcen einschließlich eines ,unentdeckten Potenzials" berücksichtigt werden und die entsprechenden Wirtschaftsbedingungen eintreten.

Anderseits wäre die Einfuhrabhängigkeit der EU allein (d.h. ohne Norwegen) erheblich höher und könnte bis 2020 für EU15 75 % des gesamten Verbrauchs erreichen.

Die Einfuhrabhängigkeit ist von einem Mitgliedstaat zum anderen sehr unterschiedlich. Einige EU-Mitgliedstaaten sind schon heute vollständig von Einfuhren abhängig, während in anderen die Abhängigkeit auf nahezu 100 % ansteigen könnte.

Vor diesem Hintergrund erhalten die Versorgungssicherheit und die Fähigkeit Europas, weiterhin eine hinreichende Gasversorgung sicherzustellen, natürlich eine vorrangige Bedeutung. Sicherheit und Kontinuität der Versorgung sind auf dem Sektor der Stromerzeugung besonders kritisch. Die mangelnde Versorgungssicherheit kann in einer modernen Gesellschaft erhebliche Kosten verursachen, wie die Stromversorgungskrise in Kalifornien gezeigt hat. Die Kosten der wiederholten Unterbrechungen der Stromversorgung im Januar 2001 in Kalifornien wurden auf 42 Mrd. USD, d.h. etwa 3,4 % des BIP Kaliforniens geschätzt.

Die Kontinuität der Gasversorgung ist auch für andere Verbraucherkategorien von entscheidender Bedeutung, besonders für Kleinabnehmer, die nicht die Möglichkeit haben, auf alternative Brennstoffe umzuschalten, wie das insbesondere bei großen industriellen Abnehmern der Fall ist, die die Gasversorgung abschalten und auf eine Notversorgung mit Erdöl umschalten können.

Daher wurde in dem Grünbuch ,Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit" (KOM (2000) 769) angeregt, dass die Europäische Union im Rahmen einer erweiterten und erneuerten Bevorratungspolitik ,erwägen könnte, die Bevorratung auf Erdgas auszudehnen...Die Europäische Union muss sich vor einer übermäßigen Verwundbarkeit aufgrund einer zu großen Einfuhrabhängigkeit schützen."

In ihrer Mitteilung über die ,Sicherheit der EU-Erdgasversorgung" (KOM(1999) 571 endg.) kündigte die Kommission an, dass sie dem Rat und dem Europäischen Parlament regelmäßig Bericht erstatten werde über die Erdgas-Versorgungssicherheit der EU und ,... Vorschläge unterbreiten werde, die dazu dienen, die Versorgungssicherheit der EU zu stärken und die hierfür erforderlichen gemeinsamen Rahmenbedingungen zu schaffen und auszubauen".

1.3. Der Erdgasbinnenmarkt der EU und die Versorgungsicherheit

Die Vollendung des Erdgasbinnenmarkts in der Europäischen Union und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit sind Ziele, die sich durchaus miteinander vereinbaren lassen. Es versteht sich von selbst, dass ein einwandfrei funktionierender Binnenmarkt auf eine hinreichend sichere Versorgung mit Erdgas aus einer Reihe unterschiedlicher Quellen angewiesen ist. Aus diesem Grund sind mit der Schaffung des EU-Gasbinnenmarkts Maßnahmen zur Sicherstellung der Gasversorgung in dem neuen Marktumfeld untrennbar verbunden.

Die Richtlinie 98/30/EG des Europäiscn Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt [1] hat erheblich zur Schaffung des Erdgasbinnenmarkts beigetragen. Die Bedeutung der Erdgasversorgungs sicherheit wurde bereits in dieser Richtlinie hervorgehoben. Daher räumt sie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, Erdgasunternehmen in Bezug auf die Versorgungssicherheit gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen.

[1] ABl. L 204 vom 21.7.1998, S.1.

Durch die Schaffung und Entwicklung eines Erdgasbinnenmarkts werden die Mitgliedstaaten im Bereich der Versorgungssicherheit naturgemäß zunehmend voneinander abhängig. Versäumt es ein Mitgliedstaat, entsprechende Maßnahmen zu treffen, kann das daher in der gesamten Europäischen Union schwerwiegende Konsequenzen für das Funktionieren des Binnenmarkts haben. Im Hinblick auf das einwandfreie Funktionieren des Binnenmarktes ist somit ein Mindestmaß an Harmonisierung der Versorgungssicherheitspolitiken in den einzelnen Mitgliedstaaten von entscheidender Bedeutung, damit Marktverzerrungen vermieden und das einwandfreie Funktionieren des Gasbinnenmarkts zu gleichen Wettbewerbsbedingungen gewährleistet ist.

Die Liquidität ist für das einwandfreie Funktionieren des EU-Gasbinnenmarktes unverzichtbar. Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität, wie Spot-Märkte, Anreize für neue Gaslieferungen aus internen und externen Quellen und diskriminierungsfreie Genehmigungsverfahren für den Bau von Speicher- und LNG-Anlagen sollten neben anderen Maßnahmen bei den Versorgungssicherheitspolitiken in einem wettbewerbsorientierten Umfeld voll berücksichtigt werden.

2. Der europäische Gasmarkt im Umbruch - wichtig sind klare Regeln für die Versorgungssicherheit als untrennbarer Teil des Binnenmarkts

Die europäische Erdgaswirtschaft hat in den letzten vier Jahrzehnten auf einem stetig wachsenden europäischen Erdgasmarkt sehr erfolgreich für eine sichere Versorgung gesorgt. Der europäische Erdgasmarkt unterliegt jedoch seit einigen Jahren raschen Veränderungen, und auch die Rolle der traditionellen Marktakteure ändert sind.

Bisher war die Aufgabe, das Erdgasnetz zu planen und auszubauen, um die (häufig von der Gasindustrie selbst festgelegten) Zielvorgaben der Versorgungssicherheit zu erfuellen, relativ einfach, da die marktbeherrschenden Unternehmen sämtliche Infrastrukturanforderungen, Angebot und Nachfrage, Informationen und sonstige erforderlichen Instrumente zur Durchführung dieser Planung steuerten. Ferner war eine direkte staatliche Beteiligung nicht unbedingt erforderlich, da die nationalen Erdgasunternehmen, die für die Versorgungssicherheit verantwortlich sind, in vielen Fällen teilweise oder vollständig im Besitz des Staates waren. Daher haben sich bisher nur wenige Mitgliedstaaten selbst um die Festlegung eines politischen Konzept für die Erdgasversorgungssicherheit gekümmert.

Auf dem neuen liberalisierten Erdgasmarkt wird es im Zuge der Umstrukturierung der Unternehmen, der Integration nationaler Märkte und des Auftauchens neuer Marktteilnehmer nicht notwendigerweise nur einen Akteur geben, der die Gesamtverantwortung für die kurz- und längerfristige Sicherheit der Versorgung mit Erdgas auf nationaler Ebene trägt. Auch wenn die Gasversorgungssicherheit ein untrennbarer Bestandteil des Erdgasbinnenmarkts ist, so müssen angesichts dieser geänderten Voraussetzungen die Maßnahmen und Verfahren zur Sicherung der Versorgung überprüft und formalisiert werden. Auf einem wettbewerbsorientierten Markt ist es durchaus nicht sicher, dass die Erdgasunternehmen die Versorgungssicherheit zu ihrer strategischen Priorität machen. Vorrangiges Ziel der Erdgasunternehmen ist es, wettbewerbsfähig zu werden. Die Organisation der Versorgungssicherheit kann daher nicht allein der Industrie überlassen werden; die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass alle Akteure ein Minimum an Maßnahmen im Hinblick auf die Versorgungssicherheit treffen. Außerdem können solche Maßnahmen teuer sein, und es ist durchaus vorstellbar, dass bestimmte Akteure aus Kostengründen davon absehen, wenn keine Mindestnormen gelten.

Zur Öffnung der Märkte gehört daher unbedingt, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, um die Industrie zur Einhaltung von Mindestnormen zu verpflichten. Die Schaffung eines Binnenmarkts bedeutet nicht nur, dass die Kunden frei wählen können, sondern auch, dass der Markt ein hohes Niveau öffentlicher Dienstleistungen bietet. Die Versorgungssicherheit steht dabei an erster Stelle. Daher erkennt die Erdgasrichtlinie (98/30/EG) das Recht der Mitgliedstaaten an, die Versorgungssicherheit als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung anzusehen. Sicherheitsverpflichtungen sind keine Folge der Schaffung des Binnenmarkts, sondern einer seiner Kernbestandteile. Ohne einen gemeinsamen Rahmen zur Festlegung harmonisierter Mindestnormen bezüglich der Versorgungssicherheitsverpflichtungen besteht eine ernste Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen.

Versorgungssicherheit und Wettbewerb sind Ziele, die sich durchaus miteinander vereinbaren lassen, und die sichere Versorgung mit Erdgas kann auf dem EU-Erdgasbinnenmarkt verbessert werden, wenn sie von den Unternehmen in Verbindung mit den zuständigen Behörden entsprechend geplant wird. Ein hinreichendes und geeignetes Niveau der Versorgungssicherheit trägt zum einwandfreien Funktionieren des Binnenmarkts bei. Beim Übergang zu dem neuen Marktsystem kommt zweifellos der klaren Festlegung der neuen Regeln und der Gewährleistung eines kontinuierlich hohen Niveaus der Gasversorgungssicherheit besondere Bedeutung zu.

Artikel 24 der Richtlinie 98/30/EG betreffend gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, falls eine plötzliche Marktkrise im Energiesektor auftritt. Diese Maßnahmen dürfen jedoch nur ein Mindestmaß an Störungen im Funktionieren des Binnenmarktes hervorrufen und sollten den Wettbewerb so wenig wie möglich einschränken. Die getroffenen Maßnahmen sind den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission mitzuteilen, die beschließen kann, dass der betreffende Mitgliedstaat diese Maßnahmen zu ändern oder aufzuheben hat, soweit sie den Wettbewerb verzerren und den Handel in einem Umfang beeinträchtigen, der dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Diese Maßnahmen sind durch die Festlegung von Mindestmaßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten zu ergänzen, die mit den Anforderungen des Binnenmarkts vereinbar sein müssen.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, solche Krisenmaßnahmen im Voraus festzulegen und zu vereinbaren, anstatt zu warten, bis die Mitgliedstaaten diese ausarbeiten, wenn eine plötzliche Marktkrise auftritt.

Die europäische Gasindustrie, einschließlich des GTE (Europäischer Verband der Gasfernleitungsnetzbetreiber) und Eurogas haben die Notwendigkeit hervorgehoben, in Bezug auf die Versorgungssicherheit die Funktionen und Zuständigkeiten der einzelnen Marktakteure eindeutig festzulegen [2]. Auf einem sich rasch verändernden Markt ist es außerordentlich wichtig, Ungewissheiten hinsichtlich der Zuständigkeiten für die Versorgungssicherheit zu vermeiden. Mangelnde Klarheit auf diesem Gebiet kann allein schon die Gefahr einer Versorgungskrise heraufbeschwören.

[2] GTE, insbesondere in einem "GTE-Positionspapier", 15. Juni 2001. Eurogas, insbesondere in "Reaktion von Eurogas auf das Strategiepapier der GD TREN", 19. März 2001.

Die Hauptverantwortung für eine eindeutige Festlegung der jeweiligen Funktionen und Zuständigkeiten innerhalb der neuen gesetzlichen, ordnungspolitischen und marktorientierten Rahmenbedingungen des Binnenmarktes liegt bei den Mitgliedstaaten.

Da die unternehmerische Verantwortung weiter bei der Gasindustrie liegen sollte, kommt den Regierungen der Mitgliedstaaten sowie der Gemeinschaft diesbezüglich eine bedeutende Koordinierungs- und Unterstützungsfunktion zu. Aufgabe der Regierungen wird es sein, sicherzustellen, dass der Markt effizient arbeitet und die richtigen Signale gibt, damit die Teilnehmer die Veränderungen richtig deuten und umsetzen können, und gleichzeitig ein angemessenes Niveau der Versorgungssicherheit aufrechterhalten. Die Rolle der Gemeinschaft wird es sein, die Umsetzung der neuen Versorgungssicherheitspolitiken zu überwachen und deren Vereinbarkeit mit den Anforderungen eines einwandfrei funktionierenden Binnenmarkts sicherzustellen.

Auf der fünften Sitzung des europäischen Erdgasforums, an dem im Februar 2002 Vertreter der Kommission, nationaler Regulierungsbehörden, der Mitgliedstaaten und aller am Erdgasmarkt interessierten Kreise teilnahmen, wurden eine Reihe von Empfehlungen über "bewährte Praktiken" in Bezug auf Netzzugangsdienste für Dritte vereinbart. Die Leitlinien enthalten einige grundlegende Hinweise über die jeweiligen Funktionen und Zuständigkeiten der wichtigsten Akteure im Gastransport, insbesondere der Fernleitungsnetzbetreiber (TSO) und der Nutzer des Netzes. Ferner wurde vom Forum Folgendes vereinbart [3]:

[3] "Schlussfolgerungen der 5. Sitzung des europäischen Gasforums, Madrid, 7.- 8. Februar 2002".

,Im neuen Regelungsumfeld des Erdgasbinnenmarkts, der sich durch eine Vielzahl von Akteuren und die Entflechtung der Tätigkeiten integrierter Gasunternehmen kennzeichnet, kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass eine einzige Partei für die Versorgungssicherheit zuständig ist.

Daher muss eine neue Kette der Zuständigkeiten im Bereich der Versorgungssicherheit und der Infrastrukturplanung zwischen dem Staat und den Marktakteuren hergestellt werden, um in dieser Hinsicht für Sicherheit zu sorgen. Die Pflichten müssen den verschiedenen Akteuren entsprechend ihrer Funktion klar und angemessen zugeordnet werden.

In diesem Zusammenhang obliegt es den Mitgliedstaaten, die Outputstandards der Versorgungssicherheit im Rahmen politischer Rahmenbedingungen festzulegen. Innerhalb dieses Rahmens kann es dem Markt und der Industrie überlassen werden, die effizientesten Lösungen zur Einhaltung dieser vereinbarten Standards zu entwickeln."

Die sichere Versorgung mit Erdgas ist jedoch nicht nur eine Frage des täglich herzustellenden Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage auf einem wettbewerbsorientierten Markt. Sie hat auch einen langfristigen strategischen Aspekt.

Angesichts obiger Ausführungen sowie des Übergangs auf einen funktionierenden und integrierten Erdgasbinnenmarkt sollten die Mitgliedstaaten daher anhand der jeweiligen Merkmale und Strukturen ihres Gasmarktes darauf achten, dass die Maßnahmen zur Sicherstellung der Gasversorgung an das neue Marktumfeld angepasst sind und in den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen allen am Gasgeschäft Beteiligten eindeutige Funktionen und Zuständigkeiten zugewiesen und Sicherheitskriterien und Verfahren bei Versorgungsengpässen festgelegt werden. Dadurch soll auch vermieden werden, dass unterschiedliche Konzepte der Versorgungssicherheit zu einem Hemmnis für Einfuhren und grenzüberschreitenden Handel werden und so die Vollendung und das einwandfreie Funktionieren des Gasbinnenmarktes behindern. Ebenso wichtig ist jedoch, dass durch die Einführung der neuen Rahmenbedingungen und Verfahren keine nennenswerten Schwierigkeiten für Unternehmen mit geringem Marktanteil oder seit kurzem am Markt beteiligte Unternehmen entstehen.

3. Die Bedeutung der Bevorratung

Erdgasproduktion und -transport über große Entfernungen sind sehr kapitalintensiv. Da die Energiedichte von Gas wesentlich geringer ist als beispielsweise bei Erdöl sind die Transportkosten für Gas je Energieeinheit wesentlich höher als für Öl und machen einen beachtlichen Teil des gesamten Endverbraucherpreises für Gas aus. In der Praxis werden daher die Produktion in weit entfernten Lagerstätten und Erdgasleitungen über große Entfernungen meistens mit hoher Auslastung und einem relativ konstanten Fluss betrieben. Da die Nachfrage nach Erdgas jedoch im Laufe des Jahres großen Schwankungen unterliegt, gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Angebots- und Nachfragebedingungen.

Um optimale Ergebnisse zu erzielen, werden daher Gasspeicheranlagen (entweder erschöpfte unterirdische Lagerstätten, Grundwasserschichten oder Salzkavernen oder überirdische LNG-Speicheranlagen zur Deckung des Spitzenbedarfs), vorzugsweise in der Nähe der Abnahmezentren genutzt, um die unvermeidliche Disparität zwischen Angebot und Nachfrage besser ausgleichen zu können und somit die Kosten je gelieferter Gaseinheit zu senken. Gäbe es keine Gasspeicher, müsste man die Produktions- und Transportkapazität so auslegen, dass die tägliche Spitzennachfrage befriedigt werden kann und hätte daher meistens erhebliche Überkapazitäten.

Unterirdische Gasspeicher spielen demzufolge eine zentrale Rolle bei der Gasversorgung der EU, sowohl unter normalen Betriebsbedingungen als auch bei Versorgungsengpässen, und es gibt wirtschaftliche und strategische Gründe dafür, dass Gasspeicheranlagen in des Nähe des Marktes angesiedelt sein sollten. Erdgasunternehmen sind daher bestrebt, soweit es die geologischen und wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben, die Speicheranlagen so weit wie möglich zu streuen und in der Nähe großer Abnahmezentren, d.h. vorzugsweise nicht zu weit von großen Städten entfernt, anzusiedeln.

Unterirdische Speicher dienen daher mehreren Zwecken, u.a.:

* als strategische Reserve zur Sicherung der Versorgung im Fall von Lieferunterbrechungen (wird insbesondere in Mitgliedstaaten mit hoher Abhängigkeit von Gasimporten aus Nicht-EU-Ländern praktiziert);

* als Ausgleichssystem, um saisonbedingte Nachfragespitzen aufzufangen (das Gas wird im Frühling und Sommer in die Speicheranlagen gepumpt und normalerweise von Oktober/November bis Februar/März) freigegeben;

* zum Ausgleich täglicher Lastspitzen;

* zur Arbitrage der Gaspreise, d.h. zur kommerziellen Optimierung der Schwankungen der Gaspreise beispielsweise in Perioden, in denen die Gaspreise neu berechnet werden (z.B. zu Vierteljahresbeginn) und generell als kommerzielle Maßnahme auf liberalisierten Märkten (insbesondere im Vereinigten Königreich). Da die Gaspreise sich auf einem wettbewerbsorientierten Gasmarkt normalerweise in zunehmendem Maße an Angebot und Nachfrage orientieren werden, kann es zu neuen Formen von Preisschwankungen und Volatilität kommen. Unter solchen Umständen könnte bei hohen Preisen Gas aus den Speichern freigegeben und somit die Volatilität begrenzt werden.

* zur Optimierung des gesamten Netzes einschließlich Erleichterung von Swapgeschäften;

* als Ausgleichssystem für Fernleitungen, etwa zur Abschwächung lokaler Kapazitätsprobleme oder kritischer Druckschwellen.

Auch wenn es kurzfristige Anpassungen hinsichtlich der Speichererfordernisse geben kann, und die Marktbeteiligten die Kosten der Gasspeicherung tragen wollen, ist generell davon auszugehen, dass der Verfügbarkeit von Speicheranlagen aufgrund der zunehmenden Gasnachfrage in der EU und der Einfuhrabhängigkeit mit der Zeit immer mehr Bedeutung zukommt und somit aus Gründen der Versorgungssicherheit auch der Bedarf an zusätzlicher Speicherkapazität steigt. Ferner wird zusätzlicher Bedarf an Speicherkapazität zum Ausgleich von Spitzenlasten und aufgrund der zunehmenden Einfuhrabhängigkeit und der relativ geringeren Flexibilität der EU-internen Produktion entstehen.

Die Verfügbarkeit von Speicherkapazität und äquivalenter alternativer Flexibilitäts mechanismen als integriertem Teil eines umfassenden Gasversorgungssystems sind von entscheidender Bedeutung für ein effizientes Funktionieren des Gasnetzes. Die Gewährung des diskriminierungsfreien Zugangs Dritter zu den Speicheranlagen ist daher sowohl für das Funktionieren des Binnenmarkts als auch aus Gründen der Versorgungssicherheit wesentlich. Ferner kann aufgrund der in anderen Regionen der Welt gewonnenen Erfahrungen davon ausgegangen werden, dass der Ausbau des Binnenmarkts den Eigentümern der Speicheranlagen neue Geschäftsmöglichkeiten bieten wird. Daher muss die Europäische Union bereit sein, sich den Herausforderungen zu stellen, die darin bestehen, genügend Speicherkapazität aufzubauen und bereitzustellen.

Die Gemeinschaft sollte daher auch im Rahmen des Programms TEN-Energie den Ausbau der Gasspeicherkapazität entsprechend unterstützen.

Die Errichtung eines voll funktionsfähigen, liquiden Gasbinnenmarktes, auf dem sich allmählich Spotmärkte entwickeln, wird zur Versorgungssicherheit beitragen. Sicherheitssysteme und Anforderungen an die Erdgasspeicherung auf innerstaatlicher Ebene sollten mit einem wettbewerbsfähigen Gasbinnenmarkt vereinbar sein und dessen Entwicklung nicht behindern sondern fördern. In diesem Zusammenhang ist der Zugang zu den Speichern von besonderer Bedeutung.

Unterschiedliches Bild der Bevorratungsverpflichtung auf der Ebene der Mitgliedstaaten

>VERWEIS AUF EIN SCHAUBILD>

Das nachstehende Schaubild zeigt das Speichervolumen in Prozent des jährlichen Erdgasverbrauchs.

Das Schaubild veranschaulicht sehr deutlich die relative Bedeutung der unterirdischen Gasspeicherung in den einzelnen Mitgliedstaaten sowie die fehlende Bevorratung in einigen Mitgliedstaaten. Die Gasspeicherkapazität in der EU entspricht durchschnittlich etwa dem Gasverbrauch von 50 Tagen (bzw. 14 % des Gesamtverbrauchs). Die Bevorratung in Österreich entspricht 115 Tagen der durchschnittlichen Gasnachfrage, in Frankreich 95 Tagen, in Deutschland und Italien etwa 80 Tagen und in Dänemark etwa 65 Tagen. Das Vereinigte Königreich, Griechenland, Belgien, Spanien und die Niederlande haben vergleichbare Vorräte in der Größenordnung von 10-20 Tagen des durchschnittlichen Gasverbrauchs, während die übrigen Mitgliedstaaten über keine Speicherkapazität verfügen. In einigen Mitgliedstaaten sind die für den Bau neuer unterirdischer Speicheranlagen verfügbaren geologischen Standorte begrenzt oder inexistent. Daher hängen einige Mitgliedstaaten hinsichtlich der Speicherung oder Notdiensten von anderen Mitgliedstaaten ab. Normalerweise wäre es nicht optimal, Speicherbedarf in einem bestimmten Gebiet durch weit entfernte Speicheranlagen zu decken, es kann aber notwendig sein. Im Hinblick auf eine verstärkte Solidarität innerhalb der EU und die Solidarität und Zusammenarbeit mit externen Versorgern könnte es bestimmte Projekte von gemeinsamem Interesse hinsichtlich des Ausbaus von Speicheranlagen in Europa geben, die eine nähere Analyse verdienen.

4. Die Bedeutung langfristiger Verträge und liquider Gasmärkte

Langfristige ,Take-or-Pay"-Verträge haben bei Aufbau und Entwicklung des europäischen Gasmarktes eine grundlegende Rolle gespielt. Insbesondere basierten Investitionen in die Gasversorgungsindustrie bisher in der Regel auf langfristigen Verträgen, die von europäischen Gasgesellschaften abgeschlossenen wurden.

Langfristige Verträge sind ein bedeutender Stabilitätsfaktor für externe Versorger, der es ihnen erlaubt, die Durchführung groß angelegter kapitalintensiver Gasversorgungsprojekte fortzusetzen. Ferner können langfristige Verträge die Diversifizierung der mittelfristigen Gasversorgung der EU erleichtern und zur Erschließung neuer Gasquellen für den Markt und somit zu einem stärkeren Wettbewerb auf der Angebotsseite beitragen.

Nach Ansicht der der Kommission werden die durch den Energiebinnenmarkt festgelegten Bedingungen sicherstellen, dass solche Verträge weiter bestehen und die Versorgungssicherheit auf dem Gasbinnenmarkt entsprechend fördern. Die Gasunternehmen der EU werden selbstverständlich den Gasbedarf auf einem wettbewerbsfähigen Markt im Rahmen ihres gesamten Vertragsbestands weiterhin durch solche Lieferverträge decken.

Angesichts der Bedeutung langfristiger Verträge für die sichere Versorgung der EU-Gasmärkte - solche Verträge werden voraussichtlich auch weiterhin zur Finanzierung größerer neuer Gasversorgungsprojekte wie des "Stockman field" notwendig sein - sollte für den unwahrscheinlichen und unvorhersehbaren Fall, dass es nicht zu genügend langfristigen Verträgen kommt, zweckmäßigerweise ein Sicherheitsnetz vorgesehen werden. Die Existenz langfristiger Verträge darf jedoch keine nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb haben, weder aufgrund der ausdrücklichen Einbeziehung restriktiver Bedingungen noch aufgrund der Tatsache, dass Teilnehmer mit marktbeherrschender Stellung auf den Plan treten, was eine den Wettbewerb einschränkende Wirkung haben könnte. Ferner sollten langfristige Take-or-Pay-Verträge an das neue Umfeld des Erdgasmarktes angepasst werden.

Andererseits sollte sichergestellt werden, dass sich eine hinreichend liquide Gasversorgung entwickelt, damit der Gasbinnenmarkt einwandfrei funktioniert und wettbewerbsfähig ist, und den Gasunternehmen die erforderlichen Bedingungen für einen ausgewogenen Vertragsbestand bereitgestellt werden.

Das setzt nicht nur voraus, dass sich EU-weit Gas-Spotmärkte entwickeln - die die Sicherheit bieten können, dass Produzenten, Versorger und Abnehmer, die Erdgas auf langfristiger Grundlage ver- oder gekauft haben, dieses zu dem geltenden Spotpreis verkaufen können, wenn sie auf dem Markt keine direkte Absatzmöglichkeit für das Gas finden - sondern auch, dass von den Mitgliedstaaten dort, wo dies erforderlich ist, Gasabgabeprogramme angenommen werden.

In den letzten Jahren wurden erhebliche Fortschritte zur Entwicklung einer liquiden Gasversorgung erzielt, insbesondere im Vereinigten Königreich und in Nord-West-Europa, wo sich Handelsplattformen herausgebildet haben oder derzeit entstehen. In einigen Ländern wurden Gasabgabeprogramme eingeführt und haben zu einem neuen Marktzugang beigetragen. Auch von der Kommission im Rahmen des Wettbewerbsrechts auf dem Gassektor getroffene Maßnahmen, wie im Fall des GFU, haben zu einer größeren Liquidität beigetragen. Die Kommission ist überzeugt, dass sich dieser Prozess fortsetzen wird, oder sogar fortsetzen muss. Aber auch hier muss ein Sicherheitsnetz vorgesehen werden für den Fall, dass es nicht zu einer solchen Entwicklung kommt.

5. Derzeitige Versorgungssicherheitspolitik auf der Ebene der Mitgliedstaaten

Die Lage im Bereich der Erdgasversorgung ist aufgrund der jeweils vorhandenen natürlichen Ressourcen und der geologischen und marktspezifischen Verhältnisse von einem Mitgliedstaat zum anderen sehr unterschiedlich. Die Versorgungslage der Mitgliedstaaten stellt sich jeweils anders dar und richtet sich nach dem Vorhandensein einer eigenen Erdgasförderung, der Bedeutung des Erdgases für die Energiebilanz insgesamt, der Abhängigkeit von externen Gaslieferungen, der Verfügbarkeit unterirdischer Speicheranlagen, dem Ausmaß, in dem ein Verbund realisiert wurde, usw.

Die Mitgliedstaaten und ihre Gasunternehmen gehen auch mit den Problemen der Versorgungssicherheit auf jeweils unterschiedliche Weise um, die sich nach den individuellen Verhältnissen, der Marktsituation sowie den verfügbaren technischen Optionen und deren Kosten richtet.

Angesichts dieser verschiedenen Ausgangssituationen setzt die europäische Erdgasindustrie zur Lösung der bei der kurzfristigen Versorgungssicherheit auftretenden Probleme verschiedene Kombinationen angebots- und nachfrageseitiger Instrumentarien ein. Dazu gehören netz- und angebotsseitige Flexibilität, Bevorratung und Abnehmer, die Unterbrechungen hinnehmen können. Das Spektrum der den Gasunternehmen zur Verfügung stehenden Instrumentarien erlaubt es ihnen, sicherzustellen, dass Gasangebot und -nachfrage jederzeit, d.h. saisonbedingt und innerhalb des Tagesablaufs, einander angeglichen und Versorgungsengpässe vermieden werden können.

Um der Nachfrage der Abnehmer gerecht zu werden, muss das Gasversorgungsnetz notwendigerweise so ausgelegt werden, dass die kombinierte, aggregierte Spitzennachfrage befriedigt wird. Die Gasversorgungsnetze sind häufig so ausgelegt, dass die Spitzennachfrage des kältesten Tages gedeckt werden kann, der statistisch gesehen beispielsweise einmal alle 20 Jahre eintritt, sowie des kältesten Winters, der statistisch gesehen einmal alle 50 Jahre eintritt.

Eine Reihe von Mitgliedstaaten und großen Erdgasunternehmen haben gewisse spezifische Bedingungen festgelegt, die von bestehenden und neuen Marktteilnehmern hinsichtlich der Versorgungssicherheit und der Verfügbarkeit von Speicheranlagen zu erfuellen sind:

- In Italien müssen beispielsweise seit kurzem am Markt beteiligte Unternehmen, die Erdgas aus Drittländern auf den italienischen Markt importieren, Gasvorräte in Höhe von 10 % des jährlichen Lieferumfangs halten.

- In Spanien darf die Abhängigkeit von den einzelnen externen Versorgungsquellen insgesamt 60 % nicht übersteigen, und die Gasversorger sind verpflichtet, Gasvorräte für mindestens 35 Tage zu halten.

- Im Vereinigten Königreich sehen die Vorschriften für die Versorgungssicherheit vor, dass die Nachfrage eines "einmal in 20 Jahren" eintretenden Spitzenlasttages und eines "einmal in 50 Jahren" eintretenden Spitzenlastwinters gedeckt werden muss. Ähnliche Vorschriften gelten in den Niederlanden, in Frankreich und in anderen Mitgliedstaaten.

- Auch das französische Gasnetz wurde ausgelegt, um (insbesondere dank strategischer Gasreserven) einer Unterbrechung der größten Versorgungsquelle bis zu einem Jahr lang standzuhalten.

- In Dänemark hat die integrierte Gasgesellschaft ihre Back-up- und Speicherkapazität so ausgelegt, dass die Gasversorgung nicht unterbrechbarer Abnehmer fortgesetzt werden kann, die im Fall der Unterbrechung einer der beiden Offshore-Gasleitungen, über die Dänemark mit Gas beliefert wird, nicht auf einen alternativen Brennstoff umschalten können.

6. Wirksame Mechanismen, die bei einer aussergewöhnlichen Versorgungslage von entscheidender Bedeutung sind

Auch wenn eine Reihe von Mitgliedstaaten offenbar ihrer Erdgasversorgungssicherheit eine Kombination extremer Witterungsbedingungen und eine ,n-1"-Verfügbarkeit von Gasversorgungsquellen (d.h., eine der verfügbaren Versorgungsquellen ist unterbrochen) zugrunde legen, so erscheinen die auf nationaler Ebene getroffenen Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung nicht sehr transparent, bzw. in vielen Fällen nicht hinreichend definiert und formalisiert, und auf die Marktveränderungen nicht genügend abgestimmt. Eine bessere Koordinierung sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene und mehr Transparenz sollten daher oberste Priorität sein.

Ungeachtet der unterschiedlichen Versorgungslage in den Mitgliedstaaten und aufgrund der Struktur der Gasversorgung in der EU, handelt es sich bei den hauptsächlichen Versorgungsrisiken der einzelnen Mitgliedstaaten häufig um ein Risiko, das sie mit anderen Ländern teilen. So hätte die Unterbrechung der Gaslieferungen an Europa durch einen der wichtigsten Versorger in zahlreichen Mitgliedstaaten gravierende Folgen. In einer solchen Situation kann eine Unterbrechung nur durch koordinierte Anstrengungen behoben werden. Das verleiht Maßnahmen zur Vermeidung oder Bewältigung einer größeren Gasversorgungskrise eine gemeinsame EU-Dimension, die Solidarität auf EU-Ebene erfordert, damit negative Auswirkungen auf ein Minimum beschränkt werden.

Angesichts der zunehmenden Integration der Märkte innerhalb des Erdgasbinnenmarkts und der gegenseitigen Abhängigkeit in Europa (das ,schwächste Glied" in Bezug auf die Versorgungssicherheit könnte anderswo auf dem Erdgasbinnenmarkt die Versorgungssicherheit beeinträchtigen), sowie zur Gewährleistung eines ausgewogenen, transparenten und kohärenten Systems der Risikobeteiligung müssen angemessene und wirksame europäische Mechanismen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und zur Koordinierung und Intervention auf EU-Ebene im Fall einer außergewöhnlichen Versorgungslage festgelegt werden, damit der Binnenmarkt einwandfrei funktionieren kann.

Dabei ist wichtig, dass der unterschiedlichen Versorgungslage in den Mitgliedstaaten entsprechend Rechnung getragen wird, und die unternehmerische Verantwortung für die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen weiterhin bei der europäischen Gasindustrie liegt.

Mit den vorgeschlagenen neuen Rahmenbedingungen der Gemeinschaft werden für Erdgas hinsichtlich der Versorgungssicherheit die gleichen Ziele verfolgt wie mit dem Vorschlag über Erdölvorräte. Im Rahmen der Versorgungssicherheitsstandards werden strenge, mengenmäßig festgelegte Anforderungen eingeführt, und es wird beschrieben, wie diese Standards einzuhalten sind. Insbesondere müssen die Mitgliedstaaten festlegen und veröffentlichen, auf welche Weise sie garantieren, dass für nicht unterbrechbare Abnehmer, d.h. Abnehmer, die nicht ohne weiteres auf alternative Brennstoffe umschalten können, im Fall einer Unterbrechung der Lieferung durch die größte Versorgungsquelle auf dem betreffenden Markt die weitere Versorgung während sechzig Tagen sichergestellt wird. Ähnliche Vorschriften bestehen für den Fall extremer Witterungsverhältnisse und der damit verbundenen außergewöhnlich großen Nachfrage, in dem die Versorgung dieser Abnehmer während des gesamten Zeitraums gewährleistet werden muss, in dem diese außergewöhnliche Nachfrage besteht.

Aufgrund der erheblichen Unterschiede zwischen dem Erdgas- und dem Erdölmarkt entsprechen diese Maßnahmen de facto der Verpflichtung, Mindestvorräte an Erdöl zu halten. Die neuen Rahmenbedingungen der Gemeinschaft sehen jedoch im jetzigen Stadium nicht vor, dass wie bei Erdölvorräten Mindestgasvorräte festgelegt werden, die von den Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit gehalten werden müssen. Der Grund dafür ist, dass nicht in allen Mitgliedstaaten die gleichen geologischen Bedingungen für unterirdische Speicheranlagen vorliegen und es in einigen Ländern keine geeigneten Speicheranlagen gibt. So wird jedes Land ein anderes Instrumentarienmix zur Erfuellung der Verpflichtungen hinsichtlich der Weiterversorgung während 60 Tagen und der Deckung einer außergewöhnlich großen Nachfrage heranziehen müssen, das sich auf die Speicherung (innerhalb oder außerhalb des betreffenden Landes), Vorkehrungen zur Flexibilität der Produktion, Netzpufferung und sonstige verfügbare Maßnahmen stützt.

Auch wenn angesichts der unterschiedlichen geologischen Bedingungen und der erheblichen Vorteile von in der Nähe der Nachfrage gelegenen Speicheranlagen (die zusätzliche Kosten vermeiden, die bei der Abhängigkeit von weiter entfernten Anlagen entstehen) eine rechtlich verbindliche, für jeden einzelnen Mitgliedstaat geltende Vorschrift zur Haltung von Mindestvorräten im derzeitigen Stadium nicht angemessen wäre, wird und muss die Bevorratung in der Versorgungssicherheitspolitik eine bedeutende Rolle spielen. Der Vorschlag sieht daher vor, dass alle Mitgliedstaaten indikative quantitative Zielvorgaben für den künftigen Beitrag der Bevorratung zur Einhaltung der Versorgungs sicherheitsstandards veröffentlichen.

Angesichts der Unterschiede bei der Verfügbarkeit von Speicherkapazität in den einzelnen Mitgliedstaaten sowie der Bedeutung, die der Solidarität und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Gemeinschaft zukommt, ist der diskriminierungsfreie Zugang zu der verfügbaren unterirdischen Speicherkapazität, der in dem Vorschlag der Kommission vom März 2001 für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 96/92/EG und 98/30/EG über gemeinsame Regeln für den Elektrizitäts- und den Erdgasbinnenmarkt besonders hervorgehoben wird, von entscheidender Bedeutung.

Ganz allgemein muss die jeweils von den Mitgliedstaaten festgelegte und umgesetzte Versorgungssicherheitspolitik mit einem einwandfrei funktionierenden Gasbinnenmarkt vereinbar sein bzw. zu dessen Vollendung beitragen. Insbesondere ist von Bedeutung, dass die Versorgungssicherheitspolitik jeweils in diskriminierungsfreier Weise umgesetzt wird und den Zugang neuer Marktteilnehmer in keiner Weise behindert.

7. Technische Sachkompetenz für die Durchführung der Maßnahmen

Die Errichtung des Energiebinnenmarkts erfolgt schrittweise und ist sehr komplex, insbesondere hinsichtlich der Umsetzung der technischen Vorschriften. Daher sollte sichergestellt werden, dass die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen von allen Marktteilnehmern in wirksamer, effizienter, diskriminierungsfreier und homogener Weise und unter Bedingungen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen garantieren, angewandt werden.

Mit den einzelnen Entwicklungsphasen des Gas- und Elektrizitätsbinnenmarkts sollten daher bestimmte Maßnahmen einhergehen, insbesondere die Einberufung technischer Arbeitsgruppen, die sich aus Vertretern der nationalen Regulierungsbehörden, der Mitgliedstaaten, der Marktakteure und der Kommission zusammensetzen. Auf den Sitzungen dieser Arbeitsgruppen sollte geprüft werden, welche Maßnahmen zur Öffnung der Gas- und Elektrizitätsmärkte am geeignetsten sind, und es sollten regelmäßig technische Empfehlungen an die Kommission abgegeben werden.

Desgleichen wird der neue, im Zusammenhang mit dem Energiebinnenmarkt geschaffene Gemeinschaftsrahmen zur Verbesserung der Gasversorgungssicherheit die Durchführung komplexer technischer Aufgaben erfordern. Diese betreffen vor allem die Beobachtung der Entwicklung der internationalen Märkte, um festzustellen, wie sich diese auf die technische Sicherheit und die Versorgungssicherheit auswirken. Die Wirksamkeit der eingeführten Maßnahmen ist regelmäßig zu bewerten. In diesem Zusammenhang sind die Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung einschließlich des Umfangs der von den Mitgliedstaaten gehaltenen Gasvorräte zu überwachen. Um diese Aufgaben durchführen zu können, sind objektive, zuverlässige und vergleichbare Daten erforderlich.

Im Fall einer Energiekrise kann die Europäische Kommission Empfehlungen abgeben über geeignete von den Mitgliedstaaten zu treffende Maßnahmen, oder sie kann beschließen, dass die Mitgliedstaaten bestimmte Maßnahmen zu treffen haben. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen sind zu bewerten.

Daher erscheint es sinnvoll, innerhalb der Dienststellen der Kommission eine europäische Stelle zur Beobachtung der Versorgung mit Kohlenwasserstoffen zu schaffen, in der die nötige Sachkompetenz gebündelt wird, um die mit diesen Aufgaben verbundenen äußerst technischen Fragen behandeln zu können. Die Stelle wird unter der Schirmherrschaft der Kommission technische und wissenschaftliche Unterstützung und ein hohes Maß an Sachkompetenz bereitstellen, um bei der korrekten Anwendung der Rechtsvorschriften der Kommission im Bereich Erdgasversorgung behilflich zu sein.

Die europäische Beobachtungsstelle soll von der Kommission verwaltet werden, die die Vertreter der Mitgliedstaaten sowie der anderen betroffenen Sektoren zu den Sitzungen einberuft.

8. Schlussfolgerungen

Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen kann davon ausgegangen werden, dass die strategische Bedeutung der Erdgasversorgungssicherheit in der Europäischen Union keineswegs abnimmt. Ganz im Gegenteil. Angesichts der Erdgasangebots- und -nachfrage prognosen für die EU sowie der gegenwärtigen raschen Veränderungen durch die Vollendung des Erdgasbinnenmarkts bedarf es einer koordinierten Aktion, um die Erdgasversorgungssicherheit sicherzustellen und dadurch andere Aktionen zur Vollendung des EU-Energiebinnenmarktes zu ergänzen. Versorgungssicherheitspolitiken müssen auf einem wettbewerbsorientierten Markt nach klar definierten und diskriminierungsfreien Politiken und unternehmerischen Zuständigkeiten festgelegt werden. Zudem müssen entsprechende Überwachungs- und Schutzmechanismen sowie geeignete Maßnahmen bei Versorgungsengpässen eingeführt und auf nationaler und Gemeinschaftsebene laufend überprüft werden.

Die Kommission legt daher den folgenden Vorschlag für eine Richtlinie über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung der EU vor. Diese Maßnahmen werden das einwandfreie Funktionieren des EU-Gasbinnenmarkts sicherstellen, indem sie die Gasversorgungssicherheit im Rahmen eines wettbewerbsorientierten Marktes gewährleisten. Im Fall eines Versorgungsengpasses werden sie die Solidarität und das gemeinsame Vorgehen der Gemeinschaft sicherstellen, die notwendig sind, um wirksam auf Ungewissheiten des Energiemarktes zu reagieren und in diesem Rahmen das einwandfreie Funktionieren des Binnenmarktes zu fördern. Daher stellt Artikel 95 EG-Vertrag die geeignete Rechtsgrundlage für den Vorschlag für eine Richtlinie dar.

2002/0220 (COD)

Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung

(Text für den EWR von Bedeutung)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95,

auf Vorschlag der Kommission [4],

[4] ABl. C [...] vom [...], S. [...].

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses [5],

[5] ABl. C [...] vom [...], S. [...].

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen [6],

[6] ABl. C [...] vom [...], S. [...].

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag [7],

[7] ABl. C [...] vom [...], S. [...].

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Die Richtlinie 98/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt [8] hat erheblich zur Schaffung des Erdgasbinnenmarkts beigetragen. Die Bedeutung der Erdgasversorgungs sicherheit wurde bereits in dieser Richtlinie hervorgehoben. Daher räumt sie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, Erdgasunternehmen in Bezug auf die Versorgungssicherheit gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen.

[8] ABl. L 204 vom 21.7.1998, S.1.

(2) Der Europäische Rat von Barcelona befürwortete eine rasche Annahme der anhängigen Vorschläge zur Vollendung des Erdgas- und des Elektrizitätsbinnenmarkts. Die Vollendung des Binnenmarkts für Erdgas wird die Rahmenbedingungen des Marktes erheblich verändern und muss in Bezug auf die Versorgungssicherheit und die in diesem Zusammenhang erforderlichen geeigneten Politiken durch gemeinsame Vorschriften ergänzt werden.

(3) Die Gewährleistung eines hohen Niveaus der Versorgungssicherheit ist demzufolge eine grundlegende Voraussetzung für das erfolgreiche Funktionieren des Erdgasbinnenmarkts. Im Hinblick auf die Vollendung des Erdgasbinnenmarkts, der gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherstellt, ist daher in der gesamten Gemeinschaft ein Mindestmaß eines gemeinsamen Konzepts für die Versorgungssicherheit erforderlich, damit Marktverzerrungen vermieden werden.

(4) Dem Erdgas kommt bei der Energieversorgung der Europäischen Union zunehmende Bedeutung zu. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Gas gewinnt daher auch das einwandfreie Funktionieren des EU-Erdgasbinnenmarkts durch die Gewährleistung der sicheren Versorgung mit Erdgas größere strategische Bedeutung.

(5) Ein wettbewerbsfähiger EU-Gasbinnenmarkt benötigt transparente und diskriminierungsfreie Versorgungssicherheitspolitiken, die den Anforderungen eines solchen Markts gerecht werden. Daher ist von entscheidender Bedeutung, dass allen Marktakteuren klare Rollen und Zuständigkeiten zugewiesen werden, um das einwandfreie Funktionieren des Binnenmarkts und die sichere Gasversorgung zu gewährleisten und gleichzeitig Behinderungen eines neuen Marktzugangs oder nennenswerte Schwierigkeiten für Unternehmen mit geringen Marktanteilen zu vermeiden.

(6) Wie bereits in dem Grünbuch ,Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit" erwähnt, wird die Europäische Union längerfristig in zunehmendem Maße auf Erdgasimporte aus Versorgungsquellen in Drittländern angewiesen sein.

(7) Zur Deckung der steigenden Nachfrage nach Erdgas und zur Diversifizierung der Gasversorgung als Voraussetzung für einen wettbewerbsfähigen Gasbinnenmarkt wird die Europäische Union in den nächsten Jahrzehnten erhebliche zusätzliche Erdgasmengen mobilisieren müssen, von denen ein Großteil aus weit entfernten Quellen stammen wird und über weite Entfernungen transportiert werden muss.

(8) Die Europäische Union verbindet ein starkes gemeinsames Interesse mit Erdgasliefer- und Transitländern, das darin besteht, die Kontinuität der Investitionen in die Gasversorgungsinfrastruktur sicherzustellen.

(9) Bei der Sicherstellung der Gasversorgung Europas haben langfristige Verträge bisher eine sehr wichtige Rolle gespielt, was auch in Zukunft der Fall sein wird. Während das gegenwärtige Niveau der langfristigen Verträge auf Gemeinschaftsebene mehr als ausreichend ist, kann davon ausgegangen werden, dass diese Verträge auch weiterhin einen beachtlichen Beitrag zur Gesamtgasversorgung leisten, da die Unternehmen diese Verträge nach wie vor in ihren Bestand an Lieferverträgen aufnehmen; es sollte jedoch diesbezüglich zweckmäßigerweise ein Sicherheitsnetz vorgesehen werden.

(10) Der Ausbau der liquiden Gasversorgung auf dem Binnenmarkt ist eine wichtige Voraussetzung für das einwandfreie und wettbewerbsorientierte Funktionieren des Gasbinnenmarkts. Bei der Entwicklung liquider Handelsplattformen und durch Gasabgabeprogramme auf innerstaatlicher Ebene wurden erhebliche Fortschritte erzielt. Dieser Trend wird sich vermutlich fortsetzen. Dennoch sollte diesbezüglich ein Sicherheitsnetz vorgesehen werden.

(11) Zur Erleichterung der sicheren Versorgung und der Förderung von Investitionen in die Gasversorgungsinfrastruktur sollten die Mitgliedstaaten klare Rahmenbedingungen festlegen. Dabei ist darauf zu achten, dass geeignete Maßnahmen getroffen werden, damit die ordnungspolitischen und fiskalischen Rahmenbedingungen für Prospektion und Produktion sowie Speicherung und Transport von Erdgas geschaffen werden, die entsprechende Investitionsanreize bieten.

(12) Einheimische Gasvorkommen und Maßnahmen, die geeignet sind, diese in nicht diskriminierender Weise, im Einklang mit den Anforderungen eines wettbewerbsfähigen Erdgasbinnenmarkts und den Wettbewerbsregeln leichter verfügbar zu machen, tragen zu einer größeren Versorgungssicherheit auf dem Gasbinnenmarkt bei.

(13) Im Interesse eines gut funktionierenden Gasbinnenmarkts, der auf eine sichere Gasversorgung angewiesen ist, sollten die Ausgewogenheit von Angebot und Nachfrage in den einzelnen Mitgliedstaaten überwacht und geeignete Maßnahmen für den Fall getroffen werden, dass die sichere Versorgung auf Gemeinschaftsebene gefährdet ist.

(14) Für das einwandfreie Funktionieren des Erdgasbinnenmarkts und die Versorgungssicherheit ist auch die Solidarität der Mitgliedstaaten in Versorgungskrisen von entscheidender Bedeutung.

(15) Durch die Schaffung und Entwicklung eines Erdgasbinnenmarkts werden die Mitgliedstaaten im Bereich der Versorgungssicherheit naturgemäß zunehmend voneinander abhängig. Versäumt es ein Mitgliedstaat, entsprechende Maßnahmen zu treffen, kann das daher in der gesamten Gemeinschaft schwerwiegende Konsequenzen für das Funktionieren des Binnenmarkts haben. Es ist somit von entscheidender Bedeutung, für ein Mindestmaß an Harmonisierung der Versorgungssicherheitspolitiken in den einzelnen Mitgliedstaaten zu sorgen, um das einwandfreie Funktionieren des Binnenmarktes sicherzustellen.

(16) Im Fall außergewöhnlicher Gasversorgungssituationn greift die Kommission in entsprechender, der Schwere der Versorgungslage angemessener Weise ein, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten, die von der Unterbrechung der Gasversorgung besonders betroffen sind, durch geeignete Maßnahmen unterstützt werden, damit so weit wie möglich das weitere Funktionieren des Gasbinnenmarkts gewährleistet wird.

(17) Innerhalb der Dienststellen der Kommission sollte eine europäische Stelle zur Beobachtung der Versorgung mit Kohlenwasserstoffen eingerichtet werden, die mit folgenden Aufgaben betraut wäre: Unterstützung bei der Ausarbeitung und Umsetzung der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft im Bereich der sicheren Versorgung mit Erdgas, Kontrolle der Anwendung dieser Vorschriften und Beteiligung an der Bewertung der Wirksamkeit der geltenden Maßnahmen sowie bessere Überwachung der Entwicklung der Gasversorgungssicherheit.

(18) Die für die Umsetzung dieser Richtlinie erforderlichen Maßnahmen sollten im Einklang mit dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse [9] angenommen werden

[9] ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

(19) Gemäß den Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit im Sinne des Artikels 5 EG-Vertrag können die Ziele der vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere die Schaffung eines voll funktionsfähigen Erdgasbinnenmarkts, der sich auf den fairen Wettbewerb und die sichere Erdgasversorgung stützt, auf Ebene der Mitgliedstaaten wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen nicht ausreichend erreicht werden und werden besser auf Gemeinschaftsebene erreicht. Diese Richtlinie geht nicht über das für die Erreichung der Ziele erforderliche Maß hinaus -

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Mit dieser Richtlinie werden Maßnahmen zur Sicherstellung des einwandfreien Funktionierens des EU-Gasbinnenmarkts und zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung getroffen. Sie legt gemeinsame Rahmenbedingungen fest, nach denen die Mitgliedstaaten eine allgemeine, transparente und diskriminierungsfreie, mit den Anforderungen eines wettbewerbsfähigen EU-Gasbinnenmarkts im Einklang stehende Versorgungssicherheitspolitik entwickelt, die allgemeinen Funktionen und Zuständigkeiten der einzelnen Marktakteure genauer definiert und bestimmte, diskriminierungsfreie Verfahren zur Gewährleistung der Gasversorgungssicherheit eingeführt.

Artikel 2

Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten:

1) ,Erdgasversorgungsquelle" die aus einem einzigen Erdgaslieferland stammende Erdgasversorgung;

2) ,langfristiger Erdgasliefervertrag" ein Liefervertrag für Erdgas mit einer Laufzeit von über einem Jahr;

3) ,seit kurzem am Markt beteiligte Unternehmen" Unternehmen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat im Bereich der Gasversorgung noch nicht tätig oder am Markt erst seit weniger als fünf Jahren nach Inkrafttreten dieser Richtlinie beteiligt sind und deren Marktanteil gering ist;

4) ,geringer Marktanteil" ein Marktanteil von weniger als 10 % des nationalen Erdgasmarkts;

Artikel 3

1. Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen zur Festlegung der allgemeinen Versorgungssicherheitspolitiken, die für einen wettbewerbsfähigen Erdgasbinnenmarkt erforderlich und untrennbar damit verbunden sind. Dazu kann die klarere Festlegung der Funktionen und Zuständigkeiten gehören, die den einzelnen Marktakteuren bei der Einhaltung dieser Standards zugewiesen werden.

2. Die Maßnahmen und Standards zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Zusammenhang mit dem Gasbinnenmarkt werden im Einklang mit Absatz 3 dieses Artikels und mit Artikel 4 ausgearbeitet. Die Umsetzung dieser Maßnahmen und Standards soll die Vollendung des Erdgasbinnenmarkts ergänzen, und sie sollen in diskriminierungsfreier und transparenter Weise durchgeführt und veröffentlicht werden.

3. Bei der Ausarbeitung der Maßnahmen und Standards gemäß Absatz 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten so weit wie möglich

a) die Bedeutung, die der Sicherstellung der Kontinuität der Gasversorgung unter schwierigen Bedingungen zukommt, insbesondere bei Privathaushalten, die nicht auf alternative Brennstoffe ausweichen können,

b) die Notwendigkeit, in ausreichendem Umfang Gasvorräte oder Ersatzbrennstoffe bereitzustellen,

c) die Notwendigkeit, die Versorgung zu diversifizieren und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den einzelnen Gasversorgungsquellen sicherzustellen,

d) die Notwendigkeit, Anreize für neue Gaslieferungen aus internen und externen Quellen in den europäischen Gasbinnenmarkt zu schaffen,

e) das Risiko eines gravierenden Netzausfalls oder der Unterbrechung der größten einzelnen Versorgungsquelle sowie die mit der Milderung der Folgen solcher Unterbrechungen verbundenen Kosten,

f) den Binnenmarkt und die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bereich der Erdgasversorgungssicherheit.

4. Bei der Ausarbeitung der Maßnahmen und Standards gemäß Absatz 1 tragen die Mitgliedstaaten auch der Notwendigkeit Rechnung, hohe Versorgungssicherheits standards bei der Versorgung von Kraftwerken mit Erdgas festzulegen, insbesondere hinsichtlich des Umfangs der unterbrechbaren Nachfrage und des Vorhandenseins von Reservekapazitäten an Ersatzbrennstoffen auf diesem Sektor.

5. Die Versorgungssicherheitspolitiken sollten mit der Vollendung eines vollständig funktionierenden Erdgasbinnenmarkts vereinbar sein und dazu beitragen. Die Versorgungssicherheitspolitiken sind in diskriminierungsfreier Weise umzusetzen und dürfen keinesfalls die Beteiligung neuer Akteure am Markt behindern.

6. Um sicherzustellen, dass die von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien für die Versorgungssicherheit nicht zu nennenswerten Wettbewerbsbeschränkungen oder Behinderungen des Marktzugangs führen, werden von den Mitgliedstaaten Unternehmen mit geringen Marktanteilen und seit kurzem am Markt beteiligte Unternehmen von der Einhaltung der Versorgungssicherheitsverpflichtungen gemäß Artikel 3 und 4 dieser Richtlinie befreit.

Vertreten die Mitgliedstaaten die Auffassung, dass die Auferlegung von Verpflichtungen gemäß Artikel 3 und 4 dieser Richtlinie nicht zu nennenswerten Wettbewerbsbeschränkungen oder Behinderungen des Marktzugangs führen, können sie bei der Kommission die Aufhebung dieser Befreiung beantragen. Die Kommission beschließt im Einklang mit Artikel 9 Absatz 2 dieser Richtlinie, ob sie diesem Antrag stattgibt.

Artikel 4

1. Zur Anwendung der Politiken im Bereich der Versorgungssicherheit und der Einhaltung der Standards im Sinne von Artikel 3 treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen um die weitere sichere Versorgung nicht unterbrechbarer Abnehmer, die im Fall einer Unterbrechung der wichtigsten einzelnen Gasversorgungsquelle nicht auf einen anderen Brennstoff ausweichen können, unter durchschnittlichen Witterungsbedingungen während sechzig Tagen sicherzustellen.

2. Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen um sicherzustellen, dass die sichere Versorgung nicht unterbrechbarer Abnehmer, die nicht auf einen anderen Brennstoff ausweichen können, aufrecht erhalten werden kann, wenn während eines Zeitraums von drei Tagen äußerst niedrige Temperaturen herrschen, ein Fall, der statistisch gesehen einmal alle zwanzig Jahre eintritt.

3. Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen um sicherzustellen, dass die sichere Versorgung nicht unterbrechbarer Abnehmer, die nicht auf einen anderen Brennstoff ausweichen können, in einem besonders kalten Winter aufrecht erhalten werden kann, ein Fall, der statistisch gesehen einmal alle fünfzig Jahre eintritt.

4. Zur Einhaltung der Versorgungssicherheitsstandards können die Mitgliedstaaten eine Kombination mindestens der folgenden Instrumentarien anwenden:

a) unterbrechbare Abnehmer

b) Gasspeicherung

c) Flexibilität der Versorgung

d) Spot-Märkte

5. Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen um sicherzustellen, dass die Gasspeicherung mit Standort entweder innerhalb oder außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats entsprechend den in jedem Mitgliedstaat vorhandenen geologischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten in einem erforderlichen Mindestmaß zur Einhaltung der Versorgungssicherheitsstandards im Sinne dieses Artikels beiträgt.

Diesbezüglich erstellen und veröffentlichen die Mitgliedstaaten zunächst spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieser Richtlinie und danach alle zwei Jahre einen Bericht, in dem nationale vorläufige Zielvorgaben für künftige Beiträge der innerhalb oder außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats lokalisierten Speicheranlagen zu der Versorgungssicherheit festgelegt werden. Dieser Beitrag betrifft das Nutzvolumen der Gasspeicheranlagen und die freizugebenden Kapazitäten sowie den Prozentsatz der Gasspeicherkapazität im Vergleich zum Gasverbrauch in den folgenden zehn Jahren. Die Zielvorgaben für den künftigen Anteil der Speicheranlagen werden entsprechend dem im Anhang dieser Richtlinie beigefügten Formblatt festgelegt.

6. Die in diesem Artikel angeführten Versorgungssicherheitskriterien sind von den Mitgliedstaaten so festzulegen, dass sie mit den Zielen des Gasbinnenmarkts, einschließlich der Harmonisierung der Maßnahmen zur Umsetzung dieser Kriterien, sofern dies wirtschaftlich und technisch möglich und angemessen ist, vereinbar sind. Insbesondere soll bei den den Unternehmen vorgeschriebenen Mindestbevorratungs zielen der Verfügbarkeit eines diskriminierungsfreien Zugangs zu den Speicheranlagen Rechnung getragen werden, sowie der Dauer und den Bedingungen, zu denen dieser Zugang durch diese über Speicheranlagen verfügenden Unternehmen gewährt wird.

7. Wenn die Mitgliedstaaten Versorgungssicherheitsstandards einführen und einem Marktteilnehmer, der in einem anderen Mitgliedstaaten ansässig und registriert ist, Verpflichtungen auferlegen, berücksichtigen sie in gebührender Weise Maßnahmen, die der Marktteilnehmer bereits zur Erfuellung der Versorgungssicherheitskriterien in diesem Mitgliedstaat getroffen hat.

Artikel 5

1. In dem von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel [4 Buchstabe a)] der Richtlinie XX/YY/EC [vorgeschlagene neue Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 96/92/EG und 98/30/EG über Vorschriften für den Elektrizitäts- und den Erdgasbinnenmarkt] veröffentlichten Bericht behandeln diese insbesondere die folgenden Punkte:

a) die wettbewerblichen Auswirkungen der gemäß Artikel 3 und 4 dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen auf Unternehmen mit geringem Marktanteil oder seit kurzem am Markt beteiligte Unternehmen und insbesondere die Wirksamkeit der von Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 Absatz 6 getroffenen Maßnahmen zur Beseitigung von Wettbewerbsbeschränkungen oder Behinderungen des Marktzugangs dieser Unternehmen,

b) Ausgewogenheit von Angebot und Nachfrage auf ihrem Gebiet,

c) Umfang der voraussichtlichen künftigen Nachfrage und des verfügbaren Angebots,

d) geplante oder im Bau befindliche zusätzliche Kapazität,

e) vorhandenes Instrumentarium für Krisen- und unvorhergesehene Situationen, um einer plötzlich auftretenden Marktkrise entgegenzuwirken,

f) Umfang der Gasvorräte und die zur Einhaltung der indikativen Zielvorgaben für die Bevorratung getroffenen oder zu treffenden Maßnahmen und

g) Anteil langfristiger Verträge, die von den auf ihrem Gebiet ansässigen und registrierten Unternehmen geschlossen worden sind.

Ferner sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass geeignete Maßnahmen getroffen werden, damit die ordnungspolitischen und fiskalischen Rahmenbedingungen für Förderung und Produktion sowie Speicherung und Transport von Erdgas entsprechende Anreize für neue Investitionen bieten.

2. In dem von der Kommission gemäß Artikel [28] der Richtlinie XX/YY/EG [vorgeschlagene neue Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 96/92/EG und 98/30/EG über Vorschriften für den Elektrizitäts- und den Erdgasbinnenmarkt] vorgelegten Bericht behandelt die Kommission

a) Themen im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit in der Gemeinschaft, insbesondere der bestehenden und voraussichtlichen Ausgewogenheit zwischen Angebot und Nachfrage, einschließlich der Frage, ob Anreize für Investitionen in neue Gasversorgungsinfrastrukturen zweckmäßig sind;

b) den Spielraum für die Harmonisierung von Versorgungssicherheits maßnahmen, die auf ein besseres Funktionieren des europäischen Gasbinnenmarkts abzielen,

c) die Lage hinsichtlich des Umfangs der Speicherung im Vergleich zu den vorläufigen Zielvorgaben für die Bevorratung;

d) Angaben über den Anteil langfristiger Verträge an der Gasversorgung und die praktischen Auswirkungen dieser Verträge auf die künftige Sicherstellung neuer Gaslieferungen in angemessenem Umfang an die Europäische Union.

Dieser Bericht enthält gegebenenfalls Empfehlungen.

Artikel 6

1. Im Hinblick auf die langfristige, kontinuierliche Sicherheit der Versorgung der Gemeinschaft mit Erdgas und die allmähliche Errichtung eines liquideren Gasbinnenmarkts überwacht die Kommission sorgfältig, wie viele langfristige neue Gaseinfuhrverträge mit Nicht-EU-Ländern abgeschlossen werden, ob angemessen liquide Gaslieferungen erfolgen und die Gaspreisbildung innerhalb der Gemeinschaft in transparenter Weise vorgenommen wird, um langfristig eine stabile Gasversorgung zu fördern. Die Kommission kann Empfehlungen für Maßnahmen abgeben, die diesbezüglich von den Mitgliedstaaten zu treffen sind. Die Empfehlungen dürfen sich nur auf ein unzureichendes Ausmaß solcher Verträge auf Gemeinschaftsebene beziehen. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über die Art und Weise, in der die Empfehlungen umgesetzt werden. Bei solchen Empfehlungen berücksichtigt die Kommission besonders die möglichen Auswirkungen, die solche Maßnahmen auf Unternehmen mit geringem Marktanteil und auf seit kurzem am Markt beteiligte Unternehmen haben können.

2. Erweisen sich die von den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Empfehlungen in Absatz 1 getroffenen Maßnahmen als unzureichend für die langfristige Gasversorgungssicherheit, kann die Kommission durch Beschluss nach dem Verfahren des Artikels 9 Absatz 3 die betreffenden Mitgliedstaaten verpflichten, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass in den auf das Inkrafttreten der Richtlinie folgenden fünf Jahren ein entsprechender Mindestanteil neuer Gaslieferungen aus Nicht-EU-Ländern durch langfristige Verträge abgesichert wird, die zu einer hinreichend liquiden Gasversorgung führen, und die Gaspreisbildung innerhalb der Gemeinschaft in transparenter Weise vorgenommen wird, um langfristig eine stabile Gasversorgung zu fördern. Bei solchen Entscheidungen berücksichtigt die Kommission besonders die möglichen Auswirkungen, die solche Maßnahmen auf Unternehmen mit geringem Marktanteil und auf seit kurzem am Markt beteiligte Unternehmen haben können.

3. Binnen fünf Jahren nach Inkrafttreten dieser Richtlinie legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Analysebericht über die Erfahrungen mit der Anwendung dieses Artikels vor, damit das Europäische Parlament und der Rat zu gegebener Zeit eine Anpassung der Richtlinie in Erwägung ziehen können.

Artikel 7

Im Hinblick auf eine bessere Liquidität von Erdgas treffen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen, um diskriminierungsfreie Genehmigungsverfahren für den Bau von Speicheranlagen und LNG-Anlagen zu gewährleisten und eventuelle Hindernisse, die dem Bau dieser Anlagen entgegenstehen, zu beseitigen. Diese Verfahren gelten für Erdgasunternehmen der EU und für Gasversorgungsunternehmen aus Drittländern gleichermaßen.

Artikel 8

1. Die Kommission kann nach dem Verfahren des Artikels 9 Absatz 2 im Fall außergewöhnlicher Gasversorgungssituationen, einschließlich einer größeren Unterbrechung der Gasversorgung durch einen der Hauptgasversorger der Europäischen Union, Empfehlungen an die Mitgliedstaaten für die erforderlichen Maßnahmen zur Unterstützung derjenigen Mitgliedstaaten, die von der Unterbrechung der Gasversorgung besonders betroffen sind, abgeben. Dazu können u.a. die folgenden Maßnahmen gehören:

a) Freigabe von Gasvorräten,

b) Bereitstellung von Fernleitungskapazität, um das Gas in die betroffenen Regionen leiten zu können,

c) Unterbrechung der unterbrechbaren Nachfrage, um die Neuverteilung von Gas und die Flexibilität des Netzes zu ermöglichen.

2. Die Mitgliedstaaten setzen die Kommission über die Umsetzung der Empfehlungen in Kenntnis.

3. Sind die von den Mitgliedstaaten getroffenen Maßnahmen angesichts der Marktentwicklung unangemessen und/oder führt die außergewöhnliche Gasversorgungslage zu gravierenden Folgen, kann die Kommission durch Beschluss nach dem Verfahren des Artikels 9 Absatz 3 die Mitgliedstaaten verpflichten, besondere Maßnahmen zu ergreifen, um diejenigen Mitgliedstaaten, die von der Unterbrechung der Gasversorgung besonders betroffen sind, zu unterstützen. Diese Maßnahmen können die in Absatz 1 Buchstaben a), b) und c) genannten Maßnahmen umfassen, sind jedoch nicht auf diese beschränkt.

4. Die gemäß diesem Artikel abzugebenden Empfehlungen und zu treffenden Entscheidungen dürfen den Wettbewerb so wenig wie möglich einschränken. Die Kommission stellt sicher, dass dieser Grundsatz während des gesamten Anwendungszeitraums der Maßnahmen eingehalten wird.

Artikel 9

1. Die Kommission wird durch einen Ausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, und in dem ein Vertreter der Kommission den Vorsitz innehat.

2. Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 3 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates hinsichtlich der Bestimmungen des Artikels 8 dieses Beschlusses des Rates.

3. Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 5 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates hinsichtlich der Bestimmungen des Artikels 8 dieses Beschlusses des Rates.

Die in Artikel 5 Absatz 6 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vorgesehene Frist beträgt eine Woche.

4. Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.

Artikel 10

1. Spätestens am 1. Januar 2004 trifft die Kommission die notwendigen Vorkehrungen zur Einrichtung einer europäischen Stelle zur Beobachtung der Versorgung mit Kohlenwasserstoffen, die die Aufgabe hat, sich an der Ausarbeitung und Umsetzung der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft im Bereich der Erdgasversorgung zu beteiligen, deren Anwendung zu überwachen und bei der Bewertung der Wirksamkeit der geltenden Maßnahmen und ihrer Auswirkungen auf das Funktionieren des Erdgasbinnenmarkts zu helfen. Die Kommission stellt sicher, dass entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden, um die in dieser Richtlinie vorgesehene wirksame Überwachung der Maßnahmen zur Gewährleistung der Gasversorgungssicherheit zu ermöglichen.

2. Die europäische Stelle zur Beobachtung der Versorgung mit Kohlenwasserstoffen wird von der Kommission verwaltet, die zu den Sitzungen Vertreter der Mitgliedstaaten sowie Vertreter der betroffenen Sektoren einlädt. Sie stellt der Kommission die erforderliche technische Unterstützung zur Formulierung und Bewertung von bezüglich der Anwendung dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen zur Verfügung und trägt zu einem besseren Verständnis der Entwicklung des Binnenmarkts und des internationalen Gasmarkts sowie der diese Märkte bestimmenden Faktoren bei.

3. Die europäische Stelle zur Beobachtung der Versorgung mit Kohlenwasserstoffen führt im Bereich Erdgas die folgenden technischen Arbeiten durch:

a) Überwachung des Funktionierens des Binnenmarkts und des internationalen Gasmarkts,

b) Beitrag zur Umsetzung eines physischen Überwachungssystems der innerhalb und außerhalb der Europäischen Union bestehenden Gasinfrastrukturen, die zur Gasversorgungssicherheit beitragen,

c) Überwachung der Gasversorgung und der Verfahren zur Gewährleistung der Gasversorgungssicherheit in Krisenfällen,

d) Überwachung des Umfangs strategischer Gasvorräte und der Verfahren für deren Nutzung sowie der Verfahren, die in Bezug auf den Zugang zu den Speicheranlagen Anwendung finden, einschließlich der Aspekte einer marktbeherrschenden Stellung hinsichtlich des Zugangs zu den Speicheranlagen,

e) Schaffung einer Grundlage objektiver, zuverlässiger und vergleichbarer Daten für die Erfuellung dieser Aufgaben.

Artikel 11

Die Art und Weise, in der die Mitgliedstaaten diese Richtlinie umsetzen, insbesondere die Vereinbarkeit der in Bezug auf Artikel 4 getroffenen Maßnahmen und deren Auswirkungen auf den Erdgasbinnenmarkt und die Entwicklung des Wettbewerbs innerhalb der Europäischen Union werden von der Kommission genau überwacht. Die Kommission achtet darauf, dass der Zugang Dritter zu den Speicheranlagen unbefristet und zu diskriminierungsfreien Bedingungen gewährleistet ist. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Überwachung legt die Kommission erforderlichenfalls spätestens am 1. Januar 2004 Vorschläge für weitere Maßnahmen zur Gewährleistung des wirksamen Zugangs zu Speicheranlagen vor.

Gegebenenfalls legt die Kommission Empfehlungen oder entsprechende Vorschläge vor.

Artikel 12

Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens am 1. Januar 2004 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

Artikel 13

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.

Artikel 14

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den [...]

Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates

Der Präsident Der Präsident

ANHANG

Speicherkapazität der EU - nationale indikative Zielvorgaben

In der nachstehenden Tabelle werden die Gasspeicherkapazitäten in absoluten Werten sowie als Prozentsatz des Verbrauchs veranschaulicht.

Speicherkapazität am 1. Januar 2001

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