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Amtsblatt
der Europäischen Union

DE

Reihe C


C/2025/4205

20.8.2025

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Die Zukunft der EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen nach 2025

(Initiativstellungnahme)

(C/2025/4205)

Berichterstatter:

Ioannis VARDAKASTANIS

Berater

Haydn HAMMERSLEY (für den Berichterstatter, Gruppe III)

Beschluss des Plenums

27.2.2025

Rechtsgrundlage

Artikel 52 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Zuständiges Arbeitsorgan

Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme im Arbeitsorgan

22.5.2025

Verabschiedung im Plenum

18.6.2025

Plenartagung Nr.

597

Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

117/1/0

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Die EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030 befindet sich nunmehr in der zweiten Hälfte ihres Umsetzungszeitraums; alle bis hierher geplanten Maßnahmen und Leitinitiativen wurden abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) die Zusage der Europäischen Kommission, neue Maßnahmen für den Zeitraum 2025–2030 auszuarbeiten. Der EWSA weist zudem auf die wichtige, unlängst vom Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorgenommene Bewertung des Berichts der EU in diesem Bereich hin. Darin fordert der VN-Ausschuss, die Maßnahmen in der zweiten Hälfte der Strategie fortzusetzen.

1.2.

Nach Ansicht des EWSA gab es in der ersten Hälfte der Umsetzung der Strategie eine Reihe wichtiger Erfolge zu verbuchen. Es gab aber auch Bereiche, in denen zusätzliche Anstrengungen erforderlich sind und wo die im Zeitraum 2021–2025 durchgeführten Maßnahmen lückenhaft blieben. Der EWSA zeigt in dieser Stellungnahme die Maßnahmen und Leitinitiativen auf, auf die sich die Europäische Kommission bis 2030 konzentrieren sollte.

1.3.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission nachdrücklich auf, sich jetzt zügig an die Ausarbeitung ihres Aktionsplans für die letzten fünf Jahre der Strategie zu machen und dazu Menschen mit Behinderungen und ihre Vertretungsorganisationen eingehend zu konsultieren.

1.4.

Er ersucht die Kommission vor allem, verbindlichere Maßnahmen und Initiativen als im Zeitraum 2021–2025 vorzuschlagen, die für die Menschen mit Behinderungen konkret etwas bewirken. Im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen sollten Haushaltsmittel für die Umsetzung dieser Maßnahmen vorgesehen werden, um eine starke Kohäsionspolitik und Unterstützung für die Vertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen sicherzustellen.

1.5.

In Abschnitt 4 dieser Stellungnahme schlägt der EWSA Maßnahmen vor, die auf Folgendes abzielen:

Entwicklung einer praktikablen Alternative zur horizontalen Gleichbehandlungsrichtlinie,

Lehren aus dem Beschäftigungspaket für Menschen mit Behinderungen,

Schließung der trotz EU-Behindertenausweis verbleibenden Lücken bei der Freizügigkeit,

Barrierefreiheit stärker in den Mittelpunkt rücken und über das Zentrum „AccessibleEU“ hinausgehen,

Fortschritte beim Schutz von Frauen und Mädchen mit Behinderungen, wo dies mit EU-Rechtsvorschriften nicht erreicht wird,

die Wohnungsnot für Menschen mit Behinderungen angehen,

Einrichtung eines gemeinsamen Mechanismus für die länderübergreifende gegenseitige Zertifizierung von Unterstützungstechnologien,

Lösung anhaltender Probleme, mit denen Menschen mit Behinderungen bei Reisen in der EU konfrontiert sind,

aktiverer und ganzheitlicher Ansatz für die Deinstitutionalisierung,

Schutz von Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierung durch künstliche Intelligenz,

mehr Kohärenz zwischen auswärtigem Handeln und interner Politik der EU in Bezug auf die Achtung der Rechte von Menschen mit Behinderungen.

2.   EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021-2030 — Hintergrund

2.1.

Die EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen wurde im Jahr 2021 mit einer Laufzeit von zehn Jahren (bis 2030) aufgelegt.

2.2.

Bei der Einführung der Strategie im Jahr 2021 schlug die Kommission 64 Maßnahmen vor, darunter sieben Leitinitiativen, die bis Ende 2024 konzipiert waren. Zur Halbzeit der Strategie müssen nun neue Leitinitiativen und Maßnahmen entwickelt werden.

2.3.

Die neue Europäische Kommission beabsichtigt nach eigener Aussage, die Strategie fortzuführen und durch eine Reihe neuer Initiativen zu aktualisieren.

2.4.

Am 21. März 2025 legte der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen seine Schlussbemerkungen zum (kombinierten) zweiten und dritten regelmäßigen Bericht der Europäischen Union als Vertragsstaat des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vor. In Ziffer 13 dieser Schlussbemerkungen wird empfohlen, dass die EU „ein Verfahren zur Annahme neuer spezifischer Aktionen, Maßnahmen und Zeitpläne für die Umsetzung der Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen für den Zeitraum 2025–2030“ festlegt.

2.5.

Der EWSA hat die Strategie für die erste Hälfte der Laufzeit inhaltlich maßgeblich mitgestaltet. So legte er 2019 eine Initiativstellungnahme (1) dazu vor. In den Maßnahmen der endgültigen Strategie wurden die Empfehlungen des EWSA eindeutig aufgegriffen.

2.6.

Die neuen Maßnahmen werden nun unter völlig veränderten Rahmenbedingungen als in der ersten Hälfte der Strategie eingeführt, da die Strategie während der COVID-19-Pandemie entstand. Nun besteht angesichts der eilig beschlossenen Aufstockungen der Verteidigungshaushalte und der finanziellen Sorgen im Zusammenhang mit den von der US-Regierung verhängten Handelszöllen die Gefahr, dass die Unterstützung der EU für marginalisierte Gruppen in Europa in den Hintergrund gerät und zu Unrecht als weniger dringlich behandelt wird.

2.7.

Am 23. Mai 2024 kamen mehr als 700 Delegierte mit Behinderungen aus ganz Europa zum 5. Europäischen Parlament der Menschen mit Behinderungen zusammen und nahmen ein Manifest zu den Europawahlen 2024 als Richtschnur für die Programme der künftigen Europäischen Kommission und des neuen Europäischen Parlaments an (2). Die in diesem Manifest angesprochenen Punkte wurden als Grundlage für diese Stellungnahme des EWSA herangezogen. Der EWSA betont, dass Menschen mit Behinderungen und ihre Vertretungsorganisationen bei der Entwicklung von Maßnahmen im Rahmen der Strategie weiterhin bzw. noch umfassender konsultiert werden müssen.

3.   Bewertung der bisherigen Strategie durch den EWSA

3.1.

Der EWSA begrüßt den gewissenhaften und konsultationsbasierten Ansatz, den die Europäische Kommission bei der Festlegung ihrer Leitinitiativen und Maßnahmen für die erste Hälfte der Strategie verfolgt hat. Durch den Überwachungsrahmen (3) wurde in Bezug auf den Stand der Maßnahmen und deren Verknüpfung mit den Endergebnissen für Transparenz gesorgt.

3.2.

Der EWSA begrüßt die Qualität der mit den Maßnahmen der Strategie erreichten Ergebnisse sowie die Tatsache, dass dabei die Beiträge von Menschen mit Behinderungen und ihren Vertretungsorganisationen maßgeblich berücksichtigt wurden.

3.3.

Positiv zu verbuchen sind insbesondere die Einigung über den EU-Behindertenausweis und den EU-Parkausweis (4), die EU-Leitlinien für eine eigenständige Lebensführung und die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in die Gemeinschaft (5) sowie die Einrichtung bzw. der Ausbau eines Zentrums „AccessibleEU“ (6).

3.4.

Der EWSA weist darauf hin, dass die Qualität der geleisteten Arbeit in einigen Fällen unter der Unverbindlichkeit der Maßnahmen leidet, was eventuell dazu führen könnte, dass die Vorteile Menschen mit Behinderungen nicht unmittelbar zugutekommen. Dies gilt z. B. für das Beschäftigungspaket für Menschen mit Behinderungen (7), mit dem zwar äußerst nützliche, aber völlig unverbindliche Informationen und Leitlinien für Arbeitgeber und nationale Behörden vorgeschlagen wurden. Die EU-Leitlinien für eine eigenständige Lebensführung und die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in die Gemeinschaft enthalten ebenfalls klare Vorgaben, aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlage sind die nationalen Verwaltungsbehörden jedoch nicht daran gebunden.

3.5.

Andere Initiativen bleiben hinter den Forderungen des EWSA zurück. Das „AccessibleEU“-Zentrum ist eine stark abgespeckte Version einer voll entwickelten EU-Agentur für Barrierefreiheit, wie sie der EWSA empfohlen hatte. In der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt blieb das in einigen Mitgliedstaaten vorhandene Problem der Zwangssterilisierung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen außen vor.

3.6.

Der EWSA stellt ferner fest, dass die Kommission keine Fortschritte auf dem Weg zu einer Einigung über die horizontale Gleichbehandlungsrichtlinie erzielen konnte. Er bedauert den Beschluss der Kommission, die vorgeschlagene Richtlinie aus ihrem Arbeitsprogramm für 2025 zu streichen.

4.   Prioritäten für die zweite Hälfte der Laufzeit der EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen

4.1.

Angesichts der weiteren Laufzeit von fünf Jahren fordert der EWSA die Kommission nachdrücklich auf, weiter ehrgeizig und proaktiv neue Leitinitiativen und Maßnahmen für die Strategie vorzuschlagen und umzusetzen. Ausgehend von einer Zwischenbilanz sollten diese neuen Maßnahmen auf den Ergebnissen aufbauen, die in der ersten Hälfte der laufenden Strategie und während der Strategie 2010–2020 erreicht wurden. Etwaige Defizite und Mängel sollten dabei behoben werden.

4.2.

Entwicklung einer praktikablen Alternative zur horizontalen Gleichbehandlungsrichtlinie: Vor dem Hintergrund der Entscheidung der Kommission, das wichtige Richtlinienprojekt (2008/0140/APP) fallen zu lassen, weist der EWSA darauf hin, dass dringend ein neuer Legislativvorschlag für die Wahrung der Rechte von Menschen mit Behinderungen und anderer benachteiligter Gruppen ausgearbeitet werden muss. Dafür hat sich auch der VN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Ziffer 19A seiner Schlussbemerkungen ausgesprochen.

4.3.

Lehren aus dem Beschäftigungspaket für Menschen mit Behinderungen: Der EWSA fordert die Kommission auf, die Ergebnisse des Beschäftigungspakets in eine praktische Initiative einfließen zu lassen, die sich unmittelbar auf die Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt auswirkt. Der EWSA unterstützt die Einführung einer Beschäftigungs- und Kompetenzgarantie für Menschen mit Behinderungen, die ähnlich wie die Jugendgarantie (8) funktionieren soll. Dafür soll der Europäische Sozialfonds eingesetzt werden. Menschen mit Behinderungen aller Altersgruppen sollen bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, einer Ausbildung oder beim lebenslangen Lernen unterstützt werden, während Arbeitgeber und Bildungseinrichtungen dabei unterstützt werden sollen, Menschen mit Behinderungen zu integrieren und ihnen die erforderlichen Unterstützungsdienste zu bieten. Dies sollte mit einer verstärkten EU-Unterstützung für eine hochwertige inklusive Bildung einhergehen, die die persönliche Entwicklung und die für den ersten Arbeitsmarkt erforderlichen Kompetenzen fördert.

4.4.

Schließung der trotz EU-Behindertenausweis verbleibenden Lücken bei der Freizügigkeit: Der EWSA fordert die Kommission auf, die in der endgültigen Einigung über den EU-Behindertenausweis enthaltene Zusage einzuhalten und weitere Hindernisse für die Freizügigkeit von Menschen mit Behinderungen in der EU aus dem Weg zu räumen. Er weist darauf hin, dass sich aus den Ziffern 47A und 47B der Schlussbemerkungen des VN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen eine Aufforderung an die Kommission ableiten lässt, die Möglichkeit einer Richtlinie über die Freizügigkeit von Menschen mit Behinderungen zu prüfen. Er weist ferner darauf hin, dass in einer solchen Richtlinie eine gemeinsame Verantwortung der Mitgliedstaaten festgelegt werden könnte, bei einem Umzug von Menschen mit Behinderung in einen anderen Mitgliedstaat diesen so lange Unterstützungsdienste und finanzielle Leistungen zu gewähren, bis ihre Behinderung im neuen Wohnsitzland offiziell anerkannt worden ist.

4.5.

Barrierefreiheit stärker in den Mittelpunkt rücken und über das Zentrum „AccessibleEU“ hinausgehen: Der EWSA bekräftigt die in seiner diesbezüglichen Stellungnahme (9) vorgebrachten ehrgeizigen Forderungen und wiederholt nachdrücklich seine Empfehlung, eine voll entwickelte EU-Agentur für Barrierefreiheit einzurichten. Diese Agentur sollte über ein umfassenderes Mandat verfügen als das „AccessibleEU“-Zentrum. Sie sollte die Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften über Barrierefreiheit wirksam überwachen und die Kommission bei künftigen Rechtsvorschriften und Initiativen beraten.

4.6.

Fortschritte beim Schutz von Frauen und Mädchen mit Behinderungen, wo dies mit EU Rechtsvorschriften nicht gelungen ist: Der EWSA weist darauf hin, dass die Zwangssterilisierung in der Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt nicht als Straftatbestand eingestuft wurde. In der EU-Strategie sollte zu dieser Frage klar Stellung bezogen werden, ohne Ausnahmen aufgrund von Behinderung oder fehlender Rechtsfähigkeit. Dabei müssen Maßnahmen auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten durchgesetzt werden, um Zwangssterilisierungen zu verhindern, den gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, zur Justiz und zur Opferentschädigung zu gewährleisten und die Ratifizierung des Übereinkommens von Istanbul durch alle EU-Mitgliedstaaten zu erreichen. Die EU-Organe könnten auf EU-Ebene eine Kampagne gegen Zwangssterilisierung durchführen. Für diese Maßnahmen hat sich der VN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in den Ziffern 43, 44 und 45 seiner Schlussbemerkungen ausgesprochen.

4.7.

Anpassung an die aktuellen Prioritäten vor dem Hintergrund der Wohnungsnot: Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Barrierefreiheit bei ihren Arbeiten im Bereich erschwinglicher Wohnraum durchgängig zu berücksichtigen. Der EWSA unterstützt die Forderung nach einem Fonds für barrierefreien Wohnraum im Rahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens. Damit könnte sowohl der Bau von neuem barrierefreiem Wohnraum, der den mit dem demografischen Wandel in der EU aufkommenden Bedürfnissen gerecht wird, gefördert als auch bestehender Wohnraum im Rahmen der Möglichkeiten und Erfordernisse barrierefrei angepasst werden. Für diese Maßnahmen hat sich auch der VN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Ziffer 67C seiner Schlussbemerkungen ausgesprochen.

4.8.

Erschwingliche Unterstützungstechnologien für diejenigen, die sie benötigen: Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, Rechtsvorschriften auszuarbeiten, die die Verfügbarkeit und die Erschwinglichkeit von Unterstützungstechnologien für Menschen mit Behinderungen im EU-Binnenmarkt garantieren, und die in seiner Stellungnahme (10)„Inklusion von Menschen mit Behinderungen im Zusammenhang mit neuen Technologien und KI“ enthaltenen Empfehlungen zu berücksichtigen. Mit diesen Rechtsvorschriften sollte das Problem der nationalen Zertifizierungssysteme angegangen werden, die Menschen mit Behinderungen den Zugang zu den für sie am besten geeigneten Unterstützungstechnologien erschweren. Zudem gilt es sicherzustellen, dass die Wirtschaftsakteure und Nutzer dabei die Vorteile des EU-Binnenmarkts in vollem Umfang nutzen und vom freien Waren- und Dienstleistungsverkehr profitieren können. Ein gemeinsamer Mechanismus für die länderübergreifende gegenseitige Zertifizierung einschlägiger Unterstützungstechnologien sollte eingerichtet werden. Für diese Maßnahmen hat sich auch der VN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Ziffer 53D seiner Schlussbemerkungen ausgesprochen.

4.9.

Lösung anhaltender Probleme, mit denen Menschen mit Behinderungen bei Reisen in der EU konfrontiert sind: Der EWSA fordert die EU auf, endlich den mitunter chaotischen Bedingungen ein Ende zu setzen, denen Reisende mit Behinderungen in der EU nur allzu oft ausgesetzt sind. Für die zweite Hälfte der Laufzeit der EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen sollte eine eingehende Überarbeitung sowohl der Verordnung über die Rechte von behinderten Flugreisenden (11) als auch der Verordnung über die Zugänglichkeit des Eisenbahnsystems der Union für Menschen mit Behinderungen (12) vorgesehen werden. Für diese Maßnahmen hat sich auch der VN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Ziffer 51A seiner Schlussbemerkungen ausgesprochen.

4.10.

Ein aktiverer und ganzheitlicher Ansatz für die Deinstitutionalisierung: Der EWSA fordert die Kommission auf, eine ganzheitliche EU-Strategie für den Übergang weg von institutioneller Betreuung hin zu einer eigenständigen Lebensführung und gemeindenahen Diensten zu entwickeln. Dazu gehören auch Verbesserungen bei der Datenerhebung über Personen, die EU-weit in Einrichtungen leben, und in Bezug auf die Verwendung von EU-Mitteln zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei diesem Übergang, die Schulung der Assistenzkräfte für eine persönliche Assistenz im Einklang mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und die Stärkung des Dienstleistungssektors für Menschen mit Behinderungen und pflegende Angehörige im Hinblick auf die Vermeidung einer Heimunterbringung. Nach Ansicht des EWSA ist es zudem notwendig, dass die Kommission ihre neuen Leitlinien für eine eigenständige Lebensführung und die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in die Gemeinschaft in den Finanzierungsverordnungen für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen verankert, insbesondere im Europäischen Sozialfonds, dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen. Dafür spricht sich auch der VN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Ziffer 19A seiner Schlussbemerkungen aus.

4.11.

Schutz von Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierung durch künstliche Intelligenz (KI): Der EWSA weist auf die besonderen Bedrohungen hin, die von der KI für Menschen mit Behinderungen ausgehen können, wie auch in der Verordnung über künstliche Intelligenz (13) anerkannt wird. KI-gestützte Anwendungen für die Einstellung und Beurteilung von Arbeitnehmern können diskriminierend sein, wenn sie die besonderen Umstände und üblichen Hindernisse in Bezug auf Bildung und Beschäftigung, mit denen Menschen mit Behinderungen konfrontiert sind, nicht berücksichtigen. Mit Blick auf künftige Rechtsvorschriften, die, wie berichtet wird, von der Kommission bereits erwogen werden (14), betont der EWSA die Notwendigkeit, dafür zu sorgen, dass mit diesen Rechtsvorschriften die Risiken der Diskriminierung von Bewerbern und Arbeitnehmern mit Behinderungen ganz klar beseitigt werden. Für diese Maßnahmen hat sich auch der VN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Punkt 54 seiner Schlussbemerkungen ausgesprochen.

4.12.

Kohärenz beim auswärtigen Handeln der EU in Bezug auf ihre Arbeit im Bereich Behinderungen: Der EWSA hält es für dringend erforderlich, dass die Europäische Kommission den Kürzungen der US-Finanzierung für internationale Entwicklung und humanitäre Hilfe rasch etwas entgegensetzt. Daher sollte die Kommission seiner Auffassung nach im Rahmen des auswärtigen Handelns der EU und der EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen einen Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen ausarbeiten. Dieser Aktionsplan sollte fünf Themenschwerpunkte abdecken: Wahrung und durchgängige Berücksichtigung der Rechte von Menschen mit Behinderungen, Einrichtung von Finanzierungsmechanismen und klare Überwachung, Gewährleistung der uneingeschränkten und wirksamen Teilhabe und Barrierefreiheit, Entwicklung und Umsetzung vollinklusiver Strategien und Programme, Stärkung einer internen und externen Zusammenarbeit, Koordinierung und Partnerschaft unter Berücksichtigung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Für diese Maßnahmen hat sich auch der VN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in den Ziffern 21D, 23A und 57 seiner Schlussbemerkungen ausgesprochen.

4.13.

Zusätzliche Anstrengungen für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den EU-Institutionen: Der EWSA betont, dass die Kommission und die anderen EU-Institutionen inklusiver werden müssen, insbesondere wenn es um Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen in den EU-Institutionen geht. Auch für Praktikantinnen und Praktikanten mit Behinderungen, die an den Praktikumsprogrammen der EU-Institutionen teilnehmen, muss mehr Unterstützung vorgesehen werden.

4.14.

Analyse und Bewertung der in der ersten Hälfte der Laufzeit der Strategie und im Rahmen der Vorläufer-Strategie durchgeführten Maßnahmen: Der EWSA fordert die Kommission einerseits nachdrücklich auf, den Blick in die Zukunft zu richten, weist anderseits aber auch darauf hin, dass die Umsetzung der in der ersten Hälfte der Laufzeit der Strategie und der vor 2021 eingeführten Maßnahmen sorgfältig bewertet werden muss. Dies ist besonders wichtig im Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinien über den EU-Behindertenausweis und den EU-Parkausweis sowie für die Bewertung der Umsetzung des EU-Rechtsakts zur Barrierefreiheit (Richtlinie (EU) 2019/882) (15) und der Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu Websites (EU) 2016/2102 (16). Die Kommission sollte bis 2027 in einer umfassenden Bewertung ermitteln, ob eine Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen für die Zeit nach 2030 notwendig ist und welche Probleme darin angegangen werden sollten.

4.15.

Lösungen für andere größere Hindernisse für Menschen mit Behinderungen in der EU: Hier sollten Maßnahmen vorgesehen werden, die sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen ihr Wahlrecht ausüben können und dass die Wahl zum Europäischen Parlament 2028 barrierefrei sein wird. Der Fokus sollte dabei auf die Stigmatisierung im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit gelegt werden, die es zu verringern gilt. Es geht zudem um die Darstellung und Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen in den Medien, Maßnahmen gegen Hetze und Online-Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen sowie um die Gewährleistung des Schutzes und der Sicherheit von Menschen mit Behinderungen.

4.16.

Ein solider Haushalt für die Kohäsionspolitik: Der EWSA weist darauf hin, dass die Umsetzung dieser Leitinitiativen und Maßnahmen und die Einhaltung der Verpflichtungen der EU im Rahmen des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen von einer soliden und ehrgeizigen Finanzierung der Kohäsionspolitik im Rahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens abhängen.

Brüssel, den 18. Juni 2025

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Oliver RÖPKE


(1)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Gestaltung der EU-Agenda für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2020-2030: Beitrag des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses“ (Initiativstellungnahme) ( ABl. C 97 vom 24.3.2020, S. 41).

(2)   https://www.edf-feph.org/content/uploads/2023/05/EDF-Manifesto-on-the-European-Elections-2024-German.docx.

(3)   Überwachungsrahmen.

(4)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des Europäischen Behindertenausweises und des Europäischen Parkausweises für Menschen mit Behinderungen“ (COM(2023) 512 final — 2023/0311 (COD)) (ABl. C, C/2024/1595, 5.3.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2024/1595/oj).

(5)   Leitlinien für eine eigenständige Lebensführung und die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in die Gemeinschaft im Rahmen einer Finanzierung durch die EU.

(6)   AccessibleEU Centre.

(7)   Beschäftigungspaket für Menschen mit Behinderungen.

(8)   Die verstärkte Jugendgarantie.

(9)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Gestaltung der EU-Agenda für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2020-2030: Beitrag des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses“ (Initiativstellungnahme) ( ABl. C 97 vom 24.3.2020, S. 41).

(10)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — Inklusion von Menschen mit Behinderungen vor dem Hintergrund der Entwicklung von neuen Technologien und KI — Möglichkeiten, Herausforderungen, Risiken und Chancen (Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des polnischen Ratsvorsitzes) (ABl. C, C/2025/2959, 16.6.2025, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2025/2959/oj).

(11)  Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität (ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 1, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2006/1107(1)/oj).

(12)  Verordnung (EU) Nr. 1300/2014 der Kommission vom 18. November 2014 über die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität bezüglich der Zugänglichkeit des Eisenbahnsystems der Union für Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität (ABl. L 356 vom 12.12.2014, S. 110, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2014/1300/oj).

(13)   https://digital-strategy.ec.europa.eu/de/policies/regulatory-framework-ai.

(14)   EU-Kommission: Regulierung für Algorithmus-Management von Arbeitnehmern - Euractiv.

(15)  Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen ( ABl. L 151 vom 7.6.2019, S. 70).

(16)  Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen ( ABl. L 327 vom 2.12.2016, S. 1).


ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2025/4205/oj

ISSN 1977-088X (electronic edition)