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Amtsblatt
der Europäischen Union

DE

Serie C


C/2023/1392

22.12.2023

BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION

Leitfaden zum Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger und ihrer Familien

(Text von Bedeutung für den EWR)

(C/2023/1392)

Inhaltsverzeichnis

1

Einführung 4

2

Berechtigte (Artikel 2 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG) 6

2.1

Unionsbürger 6

2.1.1

Allgemeine Vorschriften 6

2.1.2

Zurückkehrende Staatsangehörige 6

2.1.3

Grenzgänger und grenzüberschreitend tätige Selbstständige und Dienstleistungserbringer 7

2.1.4

Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit 7

2.2

Familienangehörige und andere Berechtigte 10

2.2.1

Allgemeine Erwägungen 10

2.2.2

Nahe Familienangehörige 10

2.2.3

Familienangehörige im weiteren Sinne 16

2.2.4

Nachweisdokumente für die familiäre Beziehung mit dem Unionsbürger 21

3

Recht auf Ausreise und Einreise (Artikel 4 und 5 der Richtlinie 2004/38/EG) 22

3.1

Recht auf Ausreise und Einreise 22

3.1.1

Für Unionsbürger 22

3.1.2

Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind 22

3.1.3

Anforderungen an die Reisedokumente 23

3.1.4

Format der Personalausweise für Unionsbürger 23

3.1.5

Handbuch für Grenzschutzbeamte (Schengen-Handbuch) 23

3.1.6

Fehlende Reisedokumente 23

3.1.7

Ablehnung der Einreise bzw. Ausreise 24

3.2

Visa-Ausnahmen für Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind 24

3.3

Visa-Regeln 26

4

Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten (Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG) 27

5

Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate für Unionsbürger und Verwaltungsformalitäten (Artikel 7, 8, 14 und 22 der Richtlinie 2004/38/EG) 28

5.1

Arbeitnehmer und Selbstständige 28

5.1.1

Definition der Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Selbstständiger“ 28

5.1.2

Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbstständiger 29

5.1.3

Unionsbürger, die für internationale Organisationen oder mit diplomatischem/konsularischem Status arbeiten 30

5.2

Studierende und wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger 30

5.2.1

Ausreichende Existenzmittel 30

5.2.2

Umfassender Krankenversicherungsschutz 34

5.2.3

Studierende 35

5.2.4

Hauptbetreuungspersonen von minderjährigen Unionsbürgern 36

5.3

Nachweisdokumente für die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung 36

5.4

Bearbeitungszeiten für die Ausstellung von Anmeldebescheinigungen 37

5.5

Systeme zur Einwohnerregistrierung 37

6

Recht auf Aufenthalt für Arbeitsuchende (Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG) 38

7

Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate und Verwaltungsvorschriften für Familienangehörige ohne Unionsbürgerschaft sowie Recht auf Arbeit (Artikel 7, 9 bis 11, 22 und 23 der Richtlinie 2004/38/EG) 39

7.1

Nachweisdokumente für die Ausstellung von Aufenthaltskarten 39

7.2

Bearbeitungszeiten für die Ausstellung von Aufenthaltskarten 41

8

Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen bei Tod oder Wegzug des Unionsbürgers sowie bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder bei Beendigung der eingetragenen Partnerschaft (Artikel 12 und 13 der Richtlinie 2004/38/EG) 42

8.1

Situationen, in denen ein Anspruch auf Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts besteht 42

8.2

Erhalten bleibendes Recht 42

8.3

Bedingungen für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts 42

9

Daueraufenthalt (Artikel 16 bis 21 der Richtlinie 2004/38/EG) 44

9.1

Das Erfordernis des rechtmäßigen Aufenthalts 44

9.2

Berechnung des ununterbrochenen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalts 45

9.3

Verlust des Rechts auf Daueraufenthalt 46

9.4

Nachweisdokumente 46

9.5

Bearbeitungszeiten 47

10

Recht auf Arbeit (Artikel 23 der Richtlinie 2004/38/EG) 47

11

Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG) 48

11.1

Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu Sozialhilfe: Leistungen und Bedingungen 49

11.1.1

Leistungen der Sozialhilfe 49

11.1.2

Personengruppen, die Anspruch auf dieselben Sozialhilfeleistungen haben wie Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats 49

11.1.3

Personengruppen, denen verwehrt werden kann, dieselben Sozialhilfeleistungen zu erhalten wie Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats 50

11.2

Verbindung zwischen Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG und der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 51

11.3

Verhältnis zwischen Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG und der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit 52

11.4

Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung: Leistungen und Bedingungen 54

12

Aufenthaltsdokumente (Artikel 8, 10, 19, 20 und 25 der Richtlinie 2004/38/EG) 55

12.1

Anmeldebescheinigungen und Dokumente zur Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts, die Unionsbürgern ausgestellt werden (Artikel 8 und 19 der Richtlinie 2004/38/EG und Artikel 6 der Verordnung (EU) 2019/1157): Format, Mindestangaben und Gültigkeitsdauer 55

12.2

Aufenthaltskarten und Daueraufenthaltskarten für Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind (Artikel 10 und 20 der Richtlinie 2004/38/EG und Artikel 7 und 8 der Verordnung (EU) 2019/1157): Format und Gültigkeitsdauer 55

12.3

Arten und Wirkungen der Aufenthaltsdokumente (Artikel 25 der Richtlinie 2004/38/EG) 56

12.4

Mehrfacher Aufenthalts-/Einwanderungsstatus von Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind 57

13

Beschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 27, 28 und 29 der Richtlinie 2004/38/EG) 57

13.1

Beschränkungen des Einreise- und Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit 58

13.1.1

Öffentliche Ordnung und Sicherheit 58

13.1.2

Persönliches Verhalten und Gefährdung 59

13.1.3

Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips 61

13.1.4

Präventionsmaßnahmen 64

13.2

Auf Gründen der öffentlichen Gesundheit basierende Beschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt 65

14

Beschränkungen aus anderen Gründen als der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 15 der Richtlinie 2004/38/EG) 67

15

Verfahrensgarantien (Artikel 30 bis 33 der Richtlinie 2004/38/EG) 68

16

Betrug und Rechtsmissbrauch (Artikel 35 der Richtlinie 2004/38/EG) 70

16.1

Allgemeine Erwägungen 70

16.2

Betrug 71

16.3

Rechtsmissbrauch 71

16.4

Scheinehen 72

16.5

Rechtsmissbrauch durch zurückkehrende Staatsangehörige 72

16.6

Maßnahmen und Sanktionen gegen Rechtsmissbrauch und Betrug 72

17

Verbreitung von Informationen (Artikel 34 der Richtlinie 2004/38/EG) 72

18

Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen zurückkehrender Staatsangehöriger 73

19

Rechtsprechung in der Rechtssache Ruiz Zambrano 76

19.1

Tatsächlicher Genuss des Kernbestands der Rechte als Unionsbürger 77

19.2

Abhängigkeitsverhältnis 78

19.3

Aufenthalte auf der Grundlage von Artikel 20 AEUV und Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts 80

19.4

Möglichkeit der Beschränkung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts nach Artikel 20 AEUV 80

1   Einführung

Gemäß Artikel 20 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden „AEUV“) hat jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, den Status der Unionsbürgerschaft. Dieser Bestimmung zufolge haben die Unionsbürger die in den Verträgen vorgesehenen Rechte und Pflichten. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden „Gerichtshof“) ist die Unionsbürgerschaft dazu bestimmt, „der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten“  (1) zu sein.

Nach Artikel 21 Absatz 1 AEUV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften festgelegten Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Die betreffenden Beschränkungen und Bedingungen sind der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zu entnehmen (Richtlinie 2004/38/EG) (2). Da im AEUV auch die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Artikel 45), die Niederlassungsfreiheit (Artikel 49) und der freie Dienstleistungsverkehr (Artikel 56) verankert sind, werden diese Freiheiten auch durch die Richtlinie 2004/38/EG umgesetzt.

Darüber hinaus ist das Recht, sich frei zu bewegen und aufzuhalten, ein Grundrecht, das in Artikel 45 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Grundrechtecharta“) verankert ist.

Wie im Bericht über die Unionsbürgerschaft 2020 (3) angekündigt, besteht der Zweck der vorliegenden Leitlinien (im Folgenden „Bekanntmachung“) darin, zu einer wirksameren und einheitlicheren Anwendung der Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit in der gesamten EU beizutragen und dadurch den Unionsbürgern, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben, mehr Rechtssicherheit zu bieten.

Der Schwerpunkt dieser Bekanntmachung liegt in erster Linie auf der Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG.

Darüber hinaus gibt es Umstände, in denen die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG zwar nicht unmittelbar für den Sachverhalt eines Einzelfalls gelten, sie aber dennoch entsprechend in Verbindung mit den Artikeln 20 und 21 AEUV anwendbar sind.

Darüber hinaus hat der Gerichtshof in seinem Urteil zur Rechtssache Ruiz Zambrano (4) anerkannt, dass Artikel 20 AEUV bei Kindern mit Unionsbürgerschaft eine besondere Grundlage dafür sein kann, ihren Eltern und Betreuungspersonen, die Nicht-Unionsbürger sind, ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat der Staatsangehörigkeit dieser Kinder zu gewähren, wenn die Kinder von ihrem Recht auf Freizügigkeit nicht Gebrauch gemacht haben.

Angesichts dieser Entwicklungen bietet diese Bekanntmachung daher auch einige Orientierungshilfen für die Anwendung der Artikel 20 und 21 AEUV.

Gegebenenfalls werden auch einige Leitlinien und Verweise auf einschlägige Dokumente der Europäischen Kommission zur Freizügigkeit von Arbeitnehmern, Selbstständigen und Dienstleistungserbringern aufgenommen.

Diese Bekanntmachung baut auf der Hilfestellung von 2009 bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG (5) sowie auf der Mitteilung der Kommission von 2013 mit dem Titel „Freizügigkeit der EU-Bürger und ihrer Familien: fünf grundlegende Maßnahmen“  (6) auf. Sofern in dieser Bekanntmachung nicht anders bestimmt, ersetzt sie auch die Mitteilung der Kommission von 1999 zu den Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (7).

Mit dieser Bekanntmachung sollen auch alle interessierten Parteien aktualisierte Orientierungshilfen erhalten, und es soll die Arbeit der nationalen Behörden, Gerichte und Angehörigen der Rechtsberufe unterstützt werden.

Bei Zitaten aus dem Text der Richtlinie 2004/38/EG oder aus Urteilen des Gerichtshofs, die visuelle Hervorhebungen enthalten, hat die Kommission diese Hervorhebungen ergänzt.

Es wird vorausgeschickt, dass die Richtlinie 2004/38/EG im Einklang mit den Grundrechten auszulegen und anzuwenden ist; dies gilt insbesondere für das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, die Rechte des Kindes und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, wie sie durch die Grundrechtecharta und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), soweit anwendbar, garantiert werden. (8) Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten im Rahmen der Rechte des Kindes bei der Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG stets das Wohl des Kindes als vorrangige Erwägung berücksichtigen, wie es in der Grundrechtecharta und dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 vorgesehen ist.

Vor diesem Hintergrund sollen die nationalen Behörden bei der Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung – unter anderem, aber nicht ausschließlich – besonders auf Angehörige ethnischer oder rassischer Minderheiten achten und die einschlägigen Instrumente – siehe z. B. die Richtlinie zur Rassengleichheit (9), den EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020-2025 (10) der Kommission, den Strategischen Rahmen der Kommission zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma (11) und die Empfehlung des Rates von 2021 zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma (12) – berücksichtigen.

Die Kommission erinnert die Mitgliedstaaten ferner daran, dass diese Grundrechte – insbesondere das Recht auf Privat- und Familienleben, die Rechte des Kindes und das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung – auch Bürgerinnen und Bürger, die LGBTIQ (13) sind, und ihre Familienangehörigen gleichermaßen schützen. In der Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen der Kommission wurde angekündigt, dass diese Bekanntmachung die Vielfalt der Familien widerspiegeln und dazu beitragen würde, allen Familien einschließlich der Regenbogenfamilien die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit zu erleichtern. Diese Bekanntmachung wird die strikte Anwendung der Freizügigkeitsvorschriften durch die nationalen Behörden – unabhängig von der sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität/geschlechtlichen Ausdrucksform und den Geschlechtsmerkmalen – im Einklang mit der Strategie der Kommission für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025 (14) unterstützen.

Da die Richtlinie 2004/38/EG in das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) aufgenommen wurde, ist diese Bekanntmachung auch für die Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG in den Beziehungen zu Island, Liechtenstein und Norwegen relevant. (15) Bezugnahmen auf die EU, die Europäische Union oder die Union sollten daher so verstanden werden, dass sie sich gegebenenfalls auch auf diese Staaten und ihre Staatsangehörigen erstrecken.

Diese Bekanntmachung ist lediglich als Leitfaden gedacht; rechtsverbindlich ist ausschließlich der Wortlaut der Rechtsvorschriften der EU in der Auslegung durch den Gerichtshof. In dieser Bekanntmachung werden die bis 2. Oktober 2023 veröffentlichten Urteile des Gerichtshofs berücksichtigt, und die Leitlinien können zu einem späteren Zeitpunkt angesichts der weiteren Entwicklungen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geändert werden.

Die in diesem Dokument vertretenen Auffassungen berühren nicht den Standpunkt der Kommission vor dem Gerichtshof. Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen sind lediglich allgemeiner Art und befassen sich nicht speziell mit bestimmten Personen, Einrichtungen oder Unternehmen. Weder die Kommission noch Personen, die im Auftrag der Kommission handeln, können für die Verwendung dieser Informationen verantwortlich gemacht werden.

2   Berechtigte (Artikel 2 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG)

2.1   Unionsbürger

2.1.1   Allgemeine Vorschriften

Die Richtlinie 2004/38/EG (16) gilt nur für Unionsbürger, die sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, begeben oder sich dort aufhalten, sowie für ihre Familienangehörigen, die sie begleiten oder ihnen nachziehen.

Beispiel:

T. ist nicht Unionsbürgerin und hält sich in einem Mitgliedstaat auf. Sie möchte, dass ihr Ehemann, der ebenfalls nicht Unionsbürger ist, ihr nachzieht. Da keiner der beiden die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats besitzt, kann das Paar nicht die in der Richtlinie 2004/38/EG enthaltenen Rechte in Anspruch nehmen.

Unionsbürger mit Wohnsitz in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, können die durch die Unionsvorschriften über die Freizügigkeit gewährten Rechte normalerweise nicht in Anspruch nehmen; ihre Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, unterliegen dem einzelstaatlichen Einwanderungsrecht. (17)

Beispiele:

P. hält sich in dem Mitgliedstaat auf, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Er hat noch nie in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt. Er hat eine Nicht-Unionsbürgerin geheiratet und will, dass sie zu ihm zieht. In diesem Fall ist die Richtlinie 2004/38/EG nicht anwendbar. Die Regelung des Nachzugsrechts von Ehegatten, die nicht Unionsbürger sind, ist allein Sache des betreffenden Mitgliedstaats.

L. besitzt die Staatsangehörigkeit von Mitgliedstaat A. Er lebt seit fünf Jahren in einem Drittstaat. Er reist nun in den Mitgliedstaat B, in dem er sich niederlassen möchte. Hier findet die Richtlinie 2004/38/EG Anwendung.

Wie nachstehend erläutert, können sich jedoch Unionsbürger, die in den Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit zurückkehren, nachdem sie sich eine Zeit lang in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben (18), sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch Unionsbürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt haben, ohne sich dort länger aufzuhalten (19) (beispielsweise durch Erbringung von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat, ohne dort Aufenthalt genommen zu haben), auf die Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit berufen (siehe Abschnitte 2.1.2 – Zurückkehrende Staatsangehörige und 2.1.3 – Grenzgänger und grenzüberschreitend tätige Selbstständige und Dienstleistungserbringer). Besondere Vorschriften gelten auch für Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit (siehe Abschnitt 2.1.4 – Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit).

2.1.2   Zurückkehrende Staatsangehörige

Der Gerichtshof hat entschieden, dass das Unionsrecht nicht nur für Unionsbürger gilt, die von ihrem Recht Gebrauch machen, sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Staatsangehörigkeit frei zu bewegen und aufzuhalten, und ihnen Rechte verleiht, sondern auch für Unionsbürger, die in den Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit zurückkehren, nachdem sie ihr Recht auf Freizügigkeit durch Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt haben. (20)

Während für die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern in den bzw. im Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit das nationale Recht gilt, kann den Familienangehörigen eines zurückkehrenden Unionsbürgers auf der Grundlage der Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat gewährt werden, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt. Wie dies jedoch in der Rechtsprechung entwickelt worden ist, hängt diese Möglichkeit von der Erfüllung der in Abschnitt 18 – Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen zurückkehrender Staatsangehörige näher erläuterten Bedingungen ab.

2.1.3   Grenzgänger und grenzüberschreitend tätige Selbstständige und Dienstleistungserbringer

a)   Wenn Grenzgänger oder Selbstständige, die grenzüberschreitend tätig sind, nicht die Staatsangehörigkeit des Wohnmitgliedstaats besitzen

Bei Grenzgängern handelt es sich um EU-Arbeitnehmer, die ihren Wohnsitz nicht in dem Mitgliedstaat haben, in dem sie arbeiten, und bei Selbstständigen, die grenzüberschreitend tätig sind, um Unionsbürger, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit in einem Mitgliedstaat ausüben, aber in einem anderen Mitgliedstaat wohnen.

Diese Unionsbürger fallen, wenn sie eine andere Staatsangehörigkeit als die ihres Wohnmitgliedstaats besitzen, in beiden Ländern unter das Unionsrecht (als mobiler Arbeitnehmer/Selbstständiger im Mitgliedstaat der Beschäftigung/Selbstständigkeit und auf der Grundlage der Richtlinie 2004/38/EG als wirtschaftlich unabhängige Person im Wohnmitgliedstaat).

b)   Wenn Grenzgänger oder grenzüberschreitend tätige Dienstleistungserbringer ihren Wohnsitz in dem Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit haben

Grenzüberschreitend tätige Dienstleistungserbringer und Grenzgänger mit Wohnsitz in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, fallen nicht unter die Richtlinie 2004/38/EG, können sich jedoch auf Artikel 56 bzw. 45 AEUV berufen. Konkret hat der Gerichtshof in der Rechtssache Carpenter für Dienstleistungserbringer aus der Union, die in dem Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit ansässig sind, aber Dienstleistungen für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Dienstleistungsempfänger erbringen, entschieden (21), dass sie sich auf den freien Dienstleistungsverkehr (Artikel 56 AEUV) berufen können, um für ihren Ehegatten ein Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit zu erlangen. Obwohl die Richtlinie 2004/38/EG in einem solchen Fall nicht anwendbar ist, vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht gewährt werden kann, wenn die Verweigerung eines solchen Rechts die Dienstleistungserbringer aus der EU von der Ausübung ihrer Rechte abhalten würde. (22) Die Rechtsprechung in der Rechtssache Carpenter wurde auf der Grundlage der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Artikel 45 AEUV) auf die Situation von Unionsbürgern ausgedehnt, die Grenzgänger sind und ihren Wohnsitz in dem Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit haben. (23)

Das bedeutet, dass in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob die Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts an Familienangehörige eines Unionsbürgers erforderlich ist, um zu gewährleisten, dass „der Unionsbürger die garantierte Grundfreiheit tatsächlich ausüben kann“ (Freizügigkeit von Arbeitnehmern oder freier Dienstleistungsverkehr). (24) Es ist daher Sache der zuständigen Behörden, zu prüfen, ob eine Verweigerung einen Unionsbürger davon abhalten würde, diese Freiheiten tatsächlich auszuüben. (25)

2.1.4   Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit

Aus der vorliegenden Rechtsprechung lassen sich Fälle ermitteln, in denen eine Person mit doppelter Staatsangehörigkeit und ihre Familienangehörigen unter die Richtlinie 2004/38/EG fallen, sowie die Fälle, in denen ihre Situation dem nationalen Recht unterliegt.

a)   Personen mit doppelter EU-Staatsangehörigkeit oder doppelter EU-/Nicht-EU-Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Staatsangehörigkeit

Diese Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit fallen in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38/EG.

Beispiele:

A. besitzt die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats A und des Mitgliedstaats B und hält sich in Mitgliedstaat C auf. A. fällt in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38/EG.

L. besitzt die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats A. Sie besitzt auch die Staatsangehörigkeit eines Nicht-EU-Landes. Sie hält sich in Mitgliedstaat B auf. L. fällt in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38/EG.

b)   Personen mit doppelter EU-Staatsangehörigkeit, sei es durch Geburt oder durch Einbürgerung, die sich in einen Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit begeben haben, um sich dort aufzuhalten

Unionsbürger, die sich in einen Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit begeben, um sich dort aufzuhalten, können sich nicht auf die Richtlinie 2004/38/EG berufen; ihr Aufenthalt unterliegt dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaats. Diejenigen, die von ihrem Freizügigkeitsrecht nach Artikel 21 AEUV Gebrauch gemacht haben, indem sie sich für ihren Aufenthalt in den Aufnahmemitgliedstaat begeben haben, dessen Staatsangehörigkeit sie ebenfalls besitzen, haben jedoch weiterhin das Recht, dort zusammen mit ihren Familienangehörigen ein normales Familienleben zu führen. Die Richtlinie 2004/38/EG gilt daher entsprechend für ihre Familienangehörigen. (26)

Beispiele:

Y. besitzt von Geburt an sowohl die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats A als auch die des Mitgliedstaats B. Sie wohnte bis 2020 im Mitgliedstaat A. Im Jahr 2020 zog sie mit ihrem Ehegatten, der nicht Unionsbürger ist, in den Mitgliedstaat B. Seitdem arbeitet sie im Mitgliedstaat B. Im Mitgliedstaat B fällt Y. nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38/EG. Ihr Aufenthalt unterliegt dem innerstaatlichen Recht. Die Richtlinie 2004/38/EG gilt jedoch entsprechend für ihren Ehegatten.

Z. besitzt von Geburt an die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats A. 2010 zog er in den Mitgliedstaat B, in dem er gemäß den in der Richtlinie 2004/38/EG festgelegten Bedingungen wohnte. Im Jahr 2017 erwarb er die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats B, behielt aber auch die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats A bei, und fällt daher in Mitgliedstaat B nicht mehr in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38/EG. Im Jahr 2020 heiratete er eine Nicht-Unionsbürgerin. Die Richtlinie 2004/38/EG gilt entsprechend für seine Ehefrau.

c)   Personen mit doppelter EU-/Nicht-EU-Staatsangehörigkeit, die als Nicht- Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind und später eingebürgert wurden, und bei denen das Land ihrer ursprünglichen Staatsangehörigkeit der EU beigetreten ist

Für diese Bürger, die die Staatsangehörigkeit ihres Aufnahmemitgliedstaats erworben haben, reicht es nicht aus, dass das Land ihrer anderen Staatsangehörigkeit der EU beigetreten ist, um sich im Aufnahmemitgliedstaat auf die Richtlinie 2004/38/EG zu berufen. Ihr Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat unterliegt weiterhin dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaats.

Da sie jedoch – ab dem Zeitpunkt des Beitritts des Landes ihrer anderen Staatsangehörigkeit zur EU – Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind und sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten, fällt ihre Situation in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. (27) Sie genießen auf der Grundlage von Artikel 21 AEUV das Recht, zusammen mit ihren Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat ein normales Familienleben zu führen. Die Richtlinie 2004/38/EG gilt daher entsprechend für ihre Familienangehörigen. (28)

Beispiel:

M. besitzt von Geburt an die Staatsangehörigkeit des Staates A (ein Drittstaat). Bis 2007 wohnte sie im Staat A. Im Jahr 2007 verlegte sie ihren Wohnsitz in den Mitgliedstaat B und war als Selbstständige tätig. Im Jahr 2009 heiratete sie eine Nicht-Unionsbürgerin. Bis 2012 lebte sie als Nicht-Unionsbürgerin gemäß dessen nationalem Recht in Mitgliedstaat B. Im Jahr 2012 erwarb sie die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats B und wurde Unionsbürgerin (doppelte EU-/Nicht-EU-Staatsangehörigkeit). Im Jahr 2013 trat Staat A der EU bei, und M. wurde eine Person mit doppelter EU-Staatsangehörigkeit. Der Aufenthalt von M. in Mitgliedstaat B unterliegt nicht der Richtlinie. Die Richtlinie 2004/38/EG gilt jedoch entsprechend für ihre Ehefrau.

d)   Personen mit doppelter EU-/Nicht-EU-Staatsangehörigkeit, die sich als Nicht-Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begeben haben, und bei denen das Land ihrer ursprünglichen Staatsangehörigkeit der EU beigetreten ist und die später in den Aufnahmemitgliedstaat eingebürgert wurden

Gibt es in der einschlägigen Beitrittsakte keine Übergangsbestimmung für die Anwendung der Unionsvorschriften über die Personenfreizügigkeit auf den neuen Mitgliedstaat, so können sich diese Bürger ab dem Zeitpunkt des Beitritts des Staates ihrer ursprünglichen Staatsangehörigkeit zur EU auf die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG in Bezug auf Aufenthaltszeiten vor dem Beitritt berufen, sofern sie während ihres Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat als Nicht-Unionsbürger die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt haben. Die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG können auf die gegenwärtigen und künftigen Wirkungen von Sachverhalten dieser Bürger und ihrer Familienangehörigen angewandt werden, die vor dem Beitritt dieses Staates zur Union entstanden sind. (29)

Sobald sie jedoch die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats erworben haben, fallen diese Bürger nicht mehr unter die Richtlinie 2004/38/EG, und ihr Aufenthalt unterliegt dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaats. Da sie in dem Aufnahmemitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nun ebenfalls besitzen, von ihrem Freizügigkeitsrecht nach Artikel 21 AEUV Gebrauch gemacht haben, genießen sie jedoch das Recht, dort zusammen mit ihren Familienangehörigen ein normales Familienleben zu führen. Die Richtlinie 2004/38/EG gilt daher entsprechend für ihre Familienangehörigen. (30)

Beispiel:

L. besitzt von Geburt an die Staatsangehörigkeit von Staat A (ein Drittstaat). Bis 2007 hielt er sich im Staat A auf. Seit 2009 lebt er als Arbeitnehmer im Mitgliedstaat B. 2013 trat Staat A der EU bei. Im Jahr 2014 erwarb er die Staatsangehörigkeit von Mitgliedstaat B (und wurde eine Person mit doppelter EU-Staatsangehörigkeit). Im Jahr 2022 wollte seine unterhaltsbedürftige Mutter, die Nicht-Unionsbürgerin ist, zu ihm in den Mitgliedstaat B ziehen. Sowie er die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats B erlangt hat, fällt der Aufenthalt von L. in Mitgliedstaat B nicht mehr unter die Richtlinie 2004/38/EG. Die Richtlinie 2004/38/EG gilt jedoch entsprechend für seine unterhaltsbedürftige Mutter.

e)   Personen mit doppelter EU-Staatsangehörigkeit, die sich stets im Mitgliedstaat ihrer eigenen Staatsangehörigkeit aufgehalten und nie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben

Diese Bürger fallen nicht unter die Richtlinie 2004/38/EG. (31) Es handelt sich um eine rein interne Situation.

Beispiel:

Y. besitzt von Geburt an sowohl die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats A als auch die des Mitgliedstaats B. Sie ist mit einem Nicht-Unionsbürger verheiratet. Sie hat sich stets in Mitgliedstaat A aufgehalten. Die Richtlinie 2004/38/EG gilt nicht für den Aufenthalt des Paares im Mitgliedstaat A.

f)   Personen mit doppelter EU-/Nicht-EU-Staatsangehörigkeit, die sich als Nicht-Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begeben haben und später in diesen Aufnahmemitgliedstaat eingebürgert wurden

Diese Bürger fallen nicht unter die Richtlinie 2004/38/EG. Es handelt sich um eine rein interne Situation.

Beispiel:

Y. ist Nicht-Unionsbürger. Er hielt sich seit 2015 in Mitgliedstaat A auf. Im Jahr 2020 erwarb er die Staatsangehörigkeit von Mitgliedstaat A. 2022 wollte seine 16-jährige Tochter, die Nicht-Unionsbürgerin ist, zu ihm in den Mitgliedstaat A ziehen. Die Richtlinie 2004/38/EG gilt nicht für ihren Aufenthalt in Mitgliedstaat A.

2.2   Familienangehörige und andere Berechtigte

2.2.1   Allgemeine Erwägungen

Familienangehörige im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG (auch wenn sie nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats besitzen) fallen unter die Richtlinie 2004/38/EG.

Das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit hätte keinen praktischen Nutzen, wenn nicht durch dazugehörige Bestimmungen sichergestellt würde, dass Unionsbürger dabei von ihren Familien begleitet werden können. (32) Die Richtlinie 2004/38/EG sieht daher ein abgeleitetes Recht auf Freizügigkeit für Familienangehörige von Unionsbürgern vor.

Grundsätzlich gilt die Richtlinie 2004/38/EG ausschließlich für Unionsbürger, die sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, begeben oder sich bereits dort aufhalten (d. h. für Unionsbürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben oder bereits ausgeübt haben). (33) Das bedeutet, dass zur Beurteilung der Frage, ob ein Familienangehöriger unter die Richtlinie 2004/38/EG fällt, zunächst geprüft werden muss, ob sich der Unionsbürger, von dem der Familienangehörige Rechte ableiten kann, in einer Situation befindet, die unter die Richtlinie fällt.

Wie vom Gerichtshof in Bezug auf den Nachweis des Personenstands klargestellt wurde, sind „die Behörden und Gerichte eines Mitgliedstaats verpflichtet, von den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten ausgestellte Urkunden und ähnliche Schriftstücke über den Personenstand zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich infrage gestellt ist“. (34) Dies gilt für Urkunden, die einen Unionsbürger betreffen oder eine familiäre Beziehung zu einem Unionsbürger belegen. Diese Anerkennung erfordert keine förmliche Anerkennung der familiären Beziehung nach dem Recht der anderen Mitgliedstaaten. (35) Dies gilt auch für die Zwecke der Richtlinie 2004/38/EG. Bindungen wie gleichgeschlechtliche Ehen und gleichgeschlechtliche Elternschaft, die durch eine von einem Mitgliedstaat ausgestellte Urkunde ordnungsgemäß bescheinigt werden, müssen daher von den anderen Mitgliedstaaten für die Zwecke der Richtlinie 2004/38/EG und des Unionsrechts anerkannt werden, auch wenn solche Bindungen im nationalen Recht nicht gesetzlich vorgesehen sind. (36) Die im Recht des Aufnahmemitgliedstaats festgelegten Anforderungen, einschließlich des Besitzes einer nach diesem Recht ausgestellten Geburtsurkunde, können gleichgeschlechtlichen Paaren und ihren Kindern, die ihre aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte ausüben wollen, nicht auferlegt werden. (37)

2.2.2   Nahe Familienangehörige

Die in Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten „nahen“ Familienangehörigen haben unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit automatisch ein Recht auf Einreise und Aufenthalt. Folgende Personen sind in Artikel 2 Nummer 2 aufgeführt:

der Ehegatte,

der Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger auf der Grundlage der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist, sofern nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt ist,

die Verwandten in gerader absteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners im Sinne von Buchstabe b, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder denen von diesen Unterhalt gewährt wird,

die Verwandten in gerader aufsteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners im Sinne von Buchstabe b, denen von diesen Unterhalt gewährt wird.

Die unter die Richtlinie 2004/38/EG fallenden „Familienangehörigen“ entsprechen den „Familienangehörigen“, die unter die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer fallen. (38) Das bedeutet, dass Familienangehörige von Arbeitnehmern und Selbstständigen nicht nur von der Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG profitieren, sondern auch von der Anwendung der Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (39) (weitere Informationen sind Abschnitt 11.2 – Verbindung zwischen Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG und der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 zu entnehmen).

Neben den in Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten Personen muss nach der Rechtsprechung auch Nicht-Unionsbürgern, die die Hauptbetreuungspersonen von minderjährigen Unionsbürgern sind, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben (sie sind nicht von dem minderjährigen Unionsbürger abhängig, sondern sind die Personen, die dem minderjährigen Unionsbürger Unterhalt gewähren) ein Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat zuerkannt werden, da andernfalls dem Aufenthaltsrecht des Kindes jede praktische Wirksamkeit genommen würde (siehe Abschnitt 2.2.2.5 – Hauptbetreuungspersonen von minderjährigen Unionsbürgern).

2.2.2.1   Ehegatten

Rechtsgültig geschlossene Ehen sind grundsätzlich unabhängig vom Ort der Eheschließung für die Zwecke der Richtlinie 2004/38/EG anzuerkennen. Zwangsehen, die gegen den Willen oder ohne Zustimmung eines oder beider Ehegatten geschlossen worden sind, sind weder völkerrechtlich (40) noch unionsrechtlich geschützt. Zwangsehen sind weder mit arrangierten Ehen gleichzusetzen, wo beide Parteien der Ehe uneingeschränkt und aus freien Stücken zustimmen, obwohl der Ehepartner von einer dritten Person ausgesucht worden ist, noch mit Scheinehen, auf die in Abschnitt 16.4 – Scheinehen näher eingegangen wird.

Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, in einem Drittstaat rechtmäßig geschlossene Vielehen (41) anzuerkennen, die im Widerspruch zu ihrer eigenen Rechtsordnung stehen. (42) Die Pflicht, dem Wohl der Kinder aus solchen Ehen Rechnung zu tragen, bleibt hiervon unberührt.

Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Coman klargestellt, dass der Begriff „Ehegatte“ im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG geschlechtsneutral ist und auch Ehegatten in gleichgeschlechtlichen Ehen umfasst. (43) Das Unionsrecht untersagt den Behörden eines Mitgliedstaats daher, dem gleichgeschlechtlichen Ehegatten eines Unionsbürgers aufgrund der Nichtanerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe in dem Mitgliedstaat die Einreise- und Aufenthaltsrechte zu versagen. In seinem Urteil bezog sich der Gerichtshof ausdrücklich auf gleichgeschlechtliche Ehen, die im Aufnahmemitgliedstaat geschlossen wurden.

Der Gerichtshof stellte in der Rechtssache Coman auch klar, dass ein gleichgeschlechtlicher Ehegatte als Familienangehöriger eines mobilen Unionsbürgers in den Genuss der Einreise- und Aufenthaltsrechte sowie aller sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte (44) (wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Gleichbehandlung (45)) kommen muss. Die zwingende Anerkennung des Ehegatten als Familienangehörigen im Rahmen der Freizügigkeit ist dabei ausreichend. Gleichgeschlechtliche Ehen müssen im nationalen Recht nicht anerkannt werden (weitere Informationen sind den Abschnitten 2.2.1 – Allgemeine Erwägungen und 2.2.4 – Nachweisdokumente für die familiäre Beziehung mit dem Unionsbürger zu entnehmen).

In der Rechtssache Coman beschränkte der Gerichtshof seine Prüfung nicht nur auf die Bestimmungen über die Freizügigkeit. Er prüfte auch die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG im Lichte des in der Grundrechtecharta verankerten Grundrechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Auf dieser Grundlage kam der Gerichtshof zu folgendem Schluss: „Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann aber die von einem homosexuellen Paar geführte Beziehung genauso unter die Begriffe ‚Privatleben‘ und ‚Familienleben‘ fallen wie die Beziehung eines in derselben Situation befindlichen verschiedengeschlechtlichen Paares.“  (46) Der Schutz des Privatlebens und des Familienlebens sind wichtige, zu berücksichtigende Elemente, um eine ordnungsgemäße Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch Paare mit einem LGBTIQ-Mitglied zu gewährleisten.

Der Gerichtshof hat ferner klargestellt, dass die Ehegatten, um in den Genuss eines Aufenthaltsrechts im Aufnahmemitgliedstaat kommen zu können, im selben Aufnahmemitgliedstaat wohnen müssen, dass die Ehegatten jedoch nicht verpflichtet sind, in derselben Wohnung zusammenzuleben. (47)

Darüber hinaus kann eine eheliche Beziehung nicht als aufgelöst angesehen werden, solange sie nicht von der zuständigen Behörde beendet wurde – selbst wenn die Ehegatten getrennt leben. (48)

2.2.2.2   Eingetragene Lebenspartner

Derzeit gibt es keine Rechtsprechung zur Auslegung von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG.

Damit ein eingetragener Lebenspartner als „naher Familienangehöriger“ angesehen werden kann, muss die eingetragene Partnerschaft alle drei der folgenden Voraussetzungen erfüllen:

a)   Die eingetragene Partnerschaft muss „auf der Grundlage der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats“ geschlossen werden

Eingetragene Partnerschaften, die außerhalb der EU geschlossen wurden, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38/EG.

b)   Im Aufnahmemitgliedstaat ist die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt

Ein Aufnahmemitgliedstaat, der in seinen nationalen Rechtsvorschriften keine eingetragene Partnerschaft vorsieht, muss eine eingetragene Partnerschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat geschlossen wurde, nicht als der Ehe gleichgestellt anerkennen.

c)   Die eingetragene Partnerschaft erfüllt die in den einschlägigen Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats festgelegten Voraussetzungen

Die Mitgliedstaaten verfügen über einen gewissen Ermessensspielraum bei der Festlegung, welche eingetragenen Partnerschaften sie als einer Ehe gleichgestellt ansehen. Eine bestimmte eingetragene Partnerschaft könnte daher in einem Mitgliedstaat für die Zwecke der Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG anerkannt sein, nicht aber in einem anderen Mitgliedstaat.

Um mehr Rechtssicherheit zu schaffen, fordert die Kommission die einzelnen Mitgliedstaaten auf, eine Liste der in einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen eingetragenen Partnerschaften zu erstellen, die sie als einer Ehe gleichgestellt betrachten, diese Liste auf der Website „Your Europe“  (49) zu veröffentlichen und sie auf dem neuesten Stand zu halten.

Erfüllt eine eingetragene Partnerschaft diese drei Voraussetzungen nicht, sollte das mögliche Recht des Partners auf Einreise und Aufenthalt nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG geprüft werden.

Beispiel:

T. ist Nicht-Unionsbürger und P. Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats A. Im Jahr 2020 haben sie eine eingetragene Partnerschaft auf der Grundlage der Rechtsvorschriften von Mitgliedstaat A geschlossen. Sie beabsichtigen nun, in Mitgliedstaat B umzuziehen, in dessen nationalem Recht keine eingetragene Partnerschaft vorgesehen ist. Mitgliedstaat B muss die eingetragene Partnerschaft nicht anerkennen. Es sollte jedoch das mögliche Recht von T. auf Einreise und Aufenthalt nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG geprüft werden.

2.2.2.3   Verwandte in absteigender und aufsteigender Linie

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass der Begriff „Verwandter in gerader absteigender Linie“ eines Unionsbürgers dahin zu verstehen ist, dass darunter jedes Abstammungsverhältnis, unabhängig davon, ob es biologischer oder rechtlicher Art ist, fällt und somit sowohl jedes leibliche als auch jedes adoptierte Kind eines Unionsbürgers. (50) Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe c bezieht sich auch auf die „Verwandten in gerader absteigender Linie“ des Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners des Unionsbürgers. Ebenso erfasst Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe d die Verwandten in aufsteigender Linie des Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners des Unionsbürgers, denen von diesem Unterhalt gewährt wird.

Das Konzept von Verwandten in gerader absteigender und aufsteigender Linie erstreckt sich somit auch auf Adoptionsverhältnisse.

In Bezug auf Kinder gleichgeschlechtlicher Eltern, die ihre Freizügigkeitsrechte ausüben, hat der Gerichtshof klargestellt, dass, wenn ein Elternteil Unionsbürger ist, alle Mitgliedstaaten das Abstammungsverhältnis, wie es in der von einem Mitgliedstaat ausgestellten Geburtsurkunde für die Zwecke der Ausübung der aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte festgestellt wurde, ohne weitere Formalitäten anerkennen müssen. Das gilt unabhängig vom Status eines solchen Verhältnisses nach dem Recht anderer Mitgliedstaaten und insbesondere des Mitgliedstaats/der Mitgliedstaaten, dessen Staatsangehörigkeit das Kind besitzt. Es bedeutet nicht, „dass der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger das Kind ist, in seinem nationalen Recht die Elternschaft von Personen gleichen Geschlechts vorsehen müsste oder das Abstammungsverhältnis zwischen dem Kind und den Personen, die in der von den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ausgestellten Geburtsurkunde als seine Eltern genannt sind, zu anderen Zwecken als der Ausübung der diesem Kind aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte anerkennen müsste“  (51). Anders ausgedrückt ist die zwingende Anerkennung der Elternschaft im Rahmen der Freizügigkeit ausreichend. Die gleichgeschlechtliche Elternschaft muss im nationalen Recht nicht zu anderen Zwecken anerkannt werden. (52)

In der Rechtssache VMA betonte der Gerichtshof auch die Bedeutung der Grundrechte, insbesondere des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens und der Rechte des Kindes: „In der Situation, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, sind das in Art. 7 der Charta gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie die in Art. 24 der Charta gewährleisteten Rechte des Kindes, insbesondere das Recht auf Berücksichtigung seines Wohls als eine vorrangige Erwägung bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen sowie der Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, von grundlegender Bedeutung“  (53). Der Gerichtshof schloss seine Prüfung ab, indem er den Schwerpunkt auf die Grundrechte legte und erläuterte, dass es gegen die Artikel 7 und 24 der Grundrechtecharta verstoßen würde, einem Kind die Beziehung zu einem seiner Elternteile vorzuenthalten oder ihm im Rahmen der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit diese Beziehung übermäßig zu erschweren. (54) Darüber hinaus kann nach dem Unionsrecht die Anerkennung eines Abstammungsverhältnisses für die Zwecke der Rechte, die das Kind aus dem Unionsrecht erlangt, nicht unter Berufung auf die öffentliche Ordnung mit der Begründung verweigert werden, dass die Eltern gleichgeschlechtlich sind. (55)

In Bezug auf den Umfang der Anerkennung einer gleichgeschlechtlichen Elternschaft hat der Gerichtshof in der Rechtssache VMA (56) entschieden, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Elternschaft für die Zwecke der diesem Kind aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte anzuerkennen. Einige Beispiele für solche Rechte, auf die sich der Gerichtshof ausdrücklich bezogen hat, sind der Zugang zu Bildung (57), Stipendien (58) und ermäßigten Tarifen öffentlicher Verkehrsmittel für kinderreiche Familien (59).

Es gibt keine Einschränkung in Bezug auf den Grad der Verwandtschaft zwischen Unionsbürgern und ihren Verwandten in aufsteigender oder absteigender Linie. Dies bedeutet beispielsweise, dass Enkelkinder und unterhaltsbedürftige Großeltern erfasst sind. Die nationalen Behörden können einen Nachweis der familiären Beziehung verlangen (siehe Abschnitt 2.2.4 – Nachweisdokumente für die familiäre Beziehung mit dem Unionsbürger).

Es sei darauf hingewiesen, dass ein Rechtsverhältnis zwischen einem mobilen Unionsbürger und einem Minderjährigen, das kein Abstammungsverhältnis ist (z. B. im Fall von gesetzlichen Vormunden und Pflegekindern), bei dem aber ein tatsächliches Familienleben geschaffen wird, von der Richtlinie 2004/38/EG geschützt wird, sofern dieses Verhältnis ordnungsgemäß bescheinigt werden kann. Das Kind genießt in einem solchen Fall kein automatisches Einreise- und Aufenthaltsrecht, aber die Einreise und der Aufenthalt des Kindes müssen vom Aufnahmemitgliedstaat gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG erleichtert werden (60) (weitere Informationen sind Abschnitt 2.2.3 – Familienangehörige im weiteren Sinne zu entnehmen).

2.2.2.4   Unterhaltsgewährung von Verwandten in gerader absteigender Linie und in gerader aufsteigender Linie

Nach der geltenden Rechtsprechung (61) des Gerichtshofs ergibt sich die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem „Unterhalt gewährt“ wird, aus einer tatsächlichen Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der erforderliche Unterhalt des Familienangehörigen vom Unionsbürger oder seinem Ehegatten/Partner materiell sichergestellt wird. Die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem Unterhalt gewährt wird, setzt keinen Unterhaltsanspruch voraus, und die Gründe für die Abhängigkeit sind unerheblich. (62) Es braucht nicht geprüft zu werden, ob der betreffende Familienangehörige theoretisch in der Lage wäre, seinen Lebensunterhalt beispielsweise durch Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit zu bestreiten. Der Umstand, dass der Familienangehörige gute Voraussetzungen dafür mitbringt, eine Arbeit zu finden, und auch beabsichtigt, eine Arbeit im Aufnahmemitgliedstaat aufzunehmen, ändert nichts an der Auslegung des Erfordernisses „denen … Unterhalt gewährt wird“. (63)

In seinen Urteilen zum Begriff des Unterhaltsbedarfs nahm der Gerichtshof zur Bestimmung des Bedarfs an finanzieller Unterstützung durch den Unionsbürger nicht auf einen bestimmten Lebensstandard Bezug.

Die Richtlinie 2004/38/EG schreibt weder eine Mindestdauer für die Gewährung des Unterhalts noch eine Mindesthöhe für die geleistete materielle Unterstützung vor. Es muss sich lediglich um einen echten strukturbedingten Unterstützungsbedarf handeln.

Um zu ermitteln, ob einem Familienangehörigen Unterhalt gewährt wird, muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Person in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation nicht in der Lage ist, ihre Grundbedürfnisse im Heimat- oder Herkunftsstaat (d. h. nicht im Aufnahmemitgliedstaat, in dem der Unionsbürger wohnt) selbst zu decken . Die Feststellung, ob einer Person von einem Unionsbürger „Unterhalt gewährt“ wird, muss auf der Beurteilung der Situation basieren, die zu dem Zeitpunkt besteht, zu dem der Familienangehörige den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen möchte. (64)

Auf Unterstützung angewiesene Familienangehörige müssen einen schriftlichen Nachweis beibringen, dass sie unterhaltsbedürftig sind. Der Nachweis kann laut dem Gerichtshof mit jedem geeigneten Mittel geführt werden. (65) Ist der betreffende Familienangehörige in der Lage, das Unterstützungsverhältnis mit anderen Mitteln als einer Bescheinigung der zuständigen Behörde des Heimat- oder Herkunftsstaats nachzuweisen, darf der Aufnahmemitgliedstaat die Anerkennung seiner Rechte nicht verweigern. Dagegen reicht die bloße Verpflichtungserklärung des Unionsbürgers, dem betroffenen Familienangehörigen Unterhalt zu gewähren, nicht als Nachweis dafür aus, dass dieser tatsächlich unterhaltsbedürftig ist. Zur Bewertung der Nachweisdokumente siehe Abschnitt 7.1 – Nachweisdokumente für die Ausstellung von Aufenthaltskarten.

Beispiele für den Nachweis der Unterhaltsbedürftigkeit:

ein Dokument der zuständigen Behörde des Heimat- oder Herkunftsstaats des unterhaltsbedürftigen Familienangehörigen, das das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses bestätigt,  (66)

ein Nachweis regelmäßiger Geldzahlungen des Unionsbürgers an den unterhaltsbedürftigen Familienangehörigen während eines beachtlichen Zeitraums, die der unterhaltsbedürftige Familienangehörige zur Deckung seiner Grundbedürfnisse im Heimat- oder Herkunftsstaat benötigt  (67) (d. h., es muss nachgewiesen werden, dass regelmäßige Zahlungen geleistet werden und dass die Zahlungen zur Unterstützung des Familienangehörigen erforderlich sind),

ein Nachweis regelmäßiger Zahlungen von Grundkosten (z. B. für Schule, Unterkunft, Strom und Wasser), die der Unionsbürger während eines beachtlichen Zeitraums direkt leistet, die der unterhaltsberechtigte Familienangehörige zur Deckung seiner Grundbedürfnisse im Heimat- oder Herkunftsstaat benötigt (d. h., es muss nachgewiesen werden, dass regelmäßige Zahlungen geleistet werden und dass die Zahlungen zur Unterstützung des Familienangehörigen erforderlich sind).

Beispiele für Nachweise, die nicht verlangt werden können:

Bescheinigungen, aus denen hervorgeht, dass der unterhaltsbedürftige Familienangehörige vergeblich versucht hat, im Heimat- oder Herkunftsstaat des Antragstellers eine Beschäftigung zu finden oder eine Sozialleistung zu erhalten, und/oder auf andere Weise versucht hat, seine Grundbedürfnisse zu decken,  (68)

(wenn sich der Unionsbürger bereits im Aufnahmemitgliedstaat aufhält) Nachweis, dass der Familienangehörige kurz vor oder zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat niedergelassen hat, von ihm abhängig war.  (69)

Es ist nicht notwendig, dass sich der Familienangehörige in demselben Staat aufgehalten hat wie der Unionsbürger oder dass ihm von diesem kurz vor oder zu dem Zeitpunkt von dessen Niederlassung im Aufnahmemitgliedstaat Unterhalt gewährt worden ist. (70)

Beispiel:

R. ist Nicht-Unionsbürger. Er hat sich stets in einem Drittstaat aufgehalten. Seine Tochter M. ist Unionsbürgerin, die die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats A besitzt. Sie hielt sich in Mitgliedstaat A auf, bis sie 2016 in den Mitgliedstaat B umzog. M. zahlt seit 2018 monatlich einen Geldbetrag an R. zur Deckung seiner Lebenshaltungskosten. Im Jahr 2020 zog R. in Mitgliedstaat B um und beantragte eine Aufenthaltskarte als „Verwandter in aufsteigender Linie, dem Unterhalt gewährt wird“ gemäß Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe d. R. kann die Aufenthaltskarte nicht mit der Begründung verwehrt werden, dass er nicht im selben Staat wie seine Tochter gelebt habe. Außerdem kann ihm die Aufenthaltskarte nicht mit der Begründung verwehrt werden, dass er kurz vor oder zu dem Zeitpunkt, zu dem sich seine Tochter im Mitgliedstaat B niederließ, nicht von seiner Tochter abhängig war.

Familienangehörige, deren Aufenthaltsrecht daraus abgeleitet wird, dass sie von einem mobilen Unionsbürger abhängig sind, fallen auch dann weiter unter den Anwendungsbereich der Richtlinie, wenn sie nicht mehr unterhaltsberechtigt sind, indem sie beispielsweise von ihren Rechten nach Artikel 23 Gebrauch machen, um eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat aufzunehmen. (71)

Ebenso fallen Verwandte in absteigender Linie, deren Aufenthaltsrecht daraus abgeleitet wird, dass sie das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, weiterhin unter die Richtlinie 2004/38/EG, wenn sie 21 Jahre alt werden.

Beispiel:

M. ist Nicht-Unionsbürger. Er wohnte und studierte seit September 2018 in einem Drittstaat. Seine Mutter, Nicht-Unionsbürgerin, und sein Vater, Unionsbürger, wohnen im Mitgliedstaat A. Im Januar 2020 begannen sie mit monatlichen Zahlungen an ihren Sohn zur Deckung seiner Studien- und Aufenthaltskosten. M. zog im Oktober 2020, als er 22 Jahre alt war, in den Mitgliedstaat A und beantragte als unterhaltsbedürftiger Verwandter in gerader absteigender Linie eines Unionsbürgers eine Aufenthaltskarte (Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe c). Im Dezember 2020 erhielt er seine Aufenthaltskarte. Im Februar 2021 begann er im Mitgliedstaat A zu arbeiten und zog aus der Wohnung seiner Eltern in eine Mietwohnung im Mitgliedstaat A. Das Aufenthaltsrecht von M. kann nicht dadurch infrage gestellt werden, dass M. nach seinem Umzug in den Mitgliedstaat A aufgrund seiner Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gemäß Artikel 23 der Richtlinie nicht mehr von seinen Eltern abhängig ist.

2.2.2.5   Hauptbetreuungspersonen von minderjährigen Unionsbürgern

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass minderjährige Unionsbürger das Recht auf uneingeschränkte Freizügigkeit genießen, obwohl sie nicht selbst entscheiden können, wo sie sich aufhalten oder wohin sie reisen möchten: Die Fähigkeit eines Unionsbürgers, Inhaber der durch den AEUV und das abgeleitete Recht auf dem Gebiet der Freizügigkeit gewährleisteten Rechte zu sein, kann nicht von der Bedingung abhängen, dass der Betreffende das Alter erreicht hat, ab dem er rechtlich in der Lage ist, diese Rechte selbst auszuüben, oder von einer Bedingung in Bezug auf ein Mindestalter. (72) Solche Entscheidungen treffen die Eltern/Hauptbetreuungspersonen, die das Sorgerecht für den minderjährigen Unionsbürger besitzen.

Dementsprechend hat der Gerichtshof entschieden, dass in Fällen, in denen minderjährige Unionsbürger ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben, über die in Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten Personen hinaus auch ihren Hauptbetreuungspersonen ohne Unionsbürgerschaft (die nicht von dem minderjährigen Unionsbürger abhängig sind, sondern dem minderjährigen Unionsbürger Unterhalt gewähren) ein Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat zuerkannt werden muss, da andernfalls dem Aufenthaltsrecht des Kindes jede praktische Wirksamkeit genommen würde. (73) Die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG gelten entsprechend für solche Hauptbetreuungspersonen.

Beispiel:

A. ist eine minderjährige Unionsbürgerin, die die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats A besitzt, in dem sie geboren wurde. Sechs Monate nach ihrer Geburt zog sie mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester, die Nicht-Unionsbürger sind, in den Mitgliedstaat B. Alle vier wohnen in Mitgliedstaat B. Die Bestimmungen über die Freizügigkeit gelten für ihre Eltern als Hauptbetreuungspersonen, und auch ihre Schwester kann in den Genuss dieser Rechte kommen.

Weitere Informationen über das Aufenthaltsrecht minderjähriger Unionsbürger und ihrer Hautbetreuungspersonen, das sich über mehr als drei Monate und weniger als fünf Jahre erstreckt, sind Abschnitt 5.2.4 – Hauptbetreuungspersonen von minderjährigen Unionsbürgern zu entnehmen.

2.2.3   Familienangehörige im weiteren Sinne

Die Mitgliedstaaten müssen im Einklang mit ihren nationalen Rechtsvorschriften Familienangehörigen von Unionsbürgern „im weiteren Sinne“ die Einreise und den Aufenthalt erleichtern.

Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG bezieht sich auf:

alle (nicht unter Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 2004/38/EG fallenden) Familienangehörigen,

die unterhaltsbedürftig sind,

die mit dem Unionsbürger in häuslicher Gemeinschaft leben,

bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Unionsbürger zwingend erforderlich machen oder

Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger eine ordnungsgemäß bescheinigte dauerhafte Beziehung eingegangen ist.

Der Begriff „Familienangehörige“ in Artikel 3 Absatz 2 ist in der gesamten EU autonom und einheitlich auszulegen. Der Verweis auf „innerstaatliche Rechtsvorschriften“ betrifft nicht die Definition der in dieser Bestimmung genannten Personen, sondern die Voraussetzungen, unter denen der Aufnahmemitgliedstaat die Einreise und den Aufenthalt dieser Personen erleichtern muss. (74)

Die Richtlinie 2004/38/EG enthält bei der Formulierung „jedes … Familienangehörigen“ keinerlei Beschränkungen in Bezug auf den Verwandtschaftsgrad.

Gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG haben die Familienangehörigen im weiteren Sinne Anspruch darauf, dass ihnen die Einreise nach Maßgabe der innerstaatlichen Rechtsvorschriften erleichtert wird. Anders als die nahen Familienangehörigen kommen die Familienangehörigen im weiteren Sinne nicht automatisch in den Genuss des Einreise- und Aufenthaltsrechts. Dies bedeutet, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, jedem Antrag auf Einreise oder Aufenthalt von Personen, die unter diese Kategorie fallen, stattzugeben. (75) Die Mitgliedstaaten sind jedoch verpflichtet, solche Anträge gegenüber den Anträgen anderer Drittstaatsangehöriger in gewisser Weise bevorzugt zu behandeln. (76)

Um die Einheit der Familie im weiteren Sinne zu wahren, muss im innerstaatlichen Recht eine eingehende Prüfung der persönlichen Umstände des Antragstellers vorgesehen sein, wobei nach Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 2004/38/EG dessen Beziehung zu dem Unionsbürger sowie anderen Aspekten, wie seiner finanziellen oder physischen Abhängigkeit von dem Unionsbürger, Rechnung zu tragen ist. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, müssen die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften Kriterien für diese Erleichterung festlegen, die es den Antragstellern ermöglichen, einen auf einer umfassenden Prüfung der persönlichen Umstände basierenden Beschluss über ihren Antrag zu erhalten, der im Falle einer Ablehnung auch die Gründe dafür enthält. (77) Die Mitgliedstaaten verfügen über einen gewissen Ermessensspielraum bei der Festlegung von Kriterien in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die bei der Entscheidung über die Gewährung der Rechte aus der Richtlinie 2004/38/EG an Familienangehörige „im weiteren Sinne“ zu berücksichtigen sind, sofern diese Kriterien der normalen Bedeutung des Begriffs „Erleichterung“ entsprechen und der Bestimmung nicht ihre Wirksamkeit nehmen. (78)

Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ihrer Verpflichtung nach Artikel 3 Absatz 2, die Einreise und den Aufenthalt „jedes … Familienangehörigen“ zu erleichtern, von ihrem Ermessen „im Licht und unter Beachtung“ der Bestimmungen der Grundrechtecharta, einschließlich des Rechts auf Achtung des Familienlebens (Artikel 7) und des Wohles des Kindes (Artikel 24), Gebrauch machen. (79) Sie müssen daher „alle aktuellen und relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung sämtlicher in Rede stehenden Interessen, insbesondere der des betreffenden Kindes, ausgewogen und sachgerecht würdigen“. (80)

Gestützt auf das Urteil in der Rechtssache Coman, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass der Begriff „Ehegatte“ im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG geschlechtsneutral ist (81), gibt es keinen Grund, andere Begriffe in der Richtlinie 2004/38/EG (z. B. „jedes … Familienangehörigen“ (Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a) und „Lebenspartner“ (Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b) als nicht geschlechtsneutral auszulegen.

Sobald ihr Status als Familienangehöriger anerkannt ist, können sich die unter Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG fallenden Familienangehörigen im weiteren Sinne auf alle Bestimmungen der Richtlinie (einschließlich des Rechts auf Arbeit) berufen. Diese Anerkennung erfolgt in der Regel über die Ausstellung der Aufenthaltskarte gemäß Artikel 10 der Richtlinie 2004/38/EG, kann aber auch im Rahmen eines anderen Verfahrens erfolgen (z. B. die Ausstellung eines Visums für visumpflichtige Staatsangehörige).

Eine ablehnende Entscheidung (insbesondere die Einreiseverweigerung, die Verweigerung eines Visums und/oder die Verweigerung einer Aufenthaltskarte) unterliegt den in der Richtlinie vorgesehenen materiell- und verfahrensrechtlichen Garantien. Dazu gehört der Zugang zu rechtlichen Verfahren, durch die es „für das nationale Gericht möglich sein muss, zu überprüfen, ob die ablehnende Entscheidung auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht und ob die Verfahrensgarantien gewahrt wurden“  (82). Eine ablehnende Entscheidung muss schriftlich und rechtsmittelfähig begründet werden.

2.2.3.1   Situationen, auf die Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a zutrifft: finanzielle Abhängigkeit, physische Abhängigkeit und häusliche Gemeinschaft

Die drei in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a erfassten Situationen (finanzielle Abhängigkeit, physische Abhängigkeit und häusliche Gemeinschaft) müssen nicht kumulativ vorliegen. Das bedeutet, dass für eine Person die Bestimmungen von Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a infrage kommen, wenn sie sich in einer dieser drei Situationen befindet. (83)

Familienangehörige im weiteren Sinne müssen gemäß Artikel 8 Absatz 5 Buchstabe e und Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe e ein durch die zuständige Behörde des Ursprungs- oder Herkunftslands ausgestelltes Dokument vorlegen, aus dem hervorgeht, dass die Betroffenen vom Unionsbürger Unterhalt beziehen oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder den Nachweis schwerwiegender gesundheitlicher Gründe, die die persönliche Pflege des Familienangehörigen durch den Unionsbürger zwingend erforderlich machen. (84)

Der Begriff „denen … Unterhalt gewährt wird“ betrifft „eine Situation der finanziellen Abhängigkeit“ (85)

Die Mitgliedstaaten können, wenn sie von diesem Ermessensspielraum Gebrauch machen, in ihren Regelungen besondere Voraussetzungen hinsichtlich der Art und der Dauer der Abhängigkeit vorsehen, und zwar insbesondere, um sich davon zu überzeugen, dass die genannte Abhängigkeit tatsächlich besteht und von Dauer ist und nicht allein mit dem Ziel herbeigeführt worden ist, in den Aufnahmemitgliedstaat einreisen und sich dort aufhalten zu dürfen. (86)

Diese Voraussetzungen müssen sich jedoch mit der gewöhnlichen Bedeutung des Begriffes „erleichtern“ und der in Artikel 3 Absatz 2 in Bezug auf die Abhängigkeit verwendeten Begriffe vereinbaren lassen und dürfen dieser Bestimmung nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen. (87)

Die Abhängigkeit des Familienangehörigen im weiteren Sinne muss in seinem Herkunftsland bestehen (und nicht in dem Land, in dem sich der Unionsbürger vor der Niederlassung im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat). (88) Die Feststellung, ob einer Person von einem Unionsbürger „Unterhalt gewährt“ wird, muss auf der Beurteilung der Situation basieren, die zu dem Zeitpunkt besteht, zu dem der Familienangehörige den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen möchte. Es ist nicht notwendig, dass sich der Familienangehörige in demselben Staat aufgehalten hat wie der Unionsbürger oder dass ihm von diesem kurz vor oder zu dem Zeitpunkt von dessen Niederlassung im Aufnahmemitgliedstaat Unterhalt gewährt worden ist. (89) Das heißt, wenn sich der Unionsbürger bereits im Aufnahmemitgliedstaat aufhält, kann von dem unterhaltsbedürftigen Familienangehörigen nicht verlangt werden, einen Nachweis zu erbringen, dass ihm kurz vor oder zu dem Zeitpunkt der Niederlassung des Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat von diesem Unterhalt gewährt worden ist. (90)

Familienangehörige im weiteren Sinne, denen Unterhalt gewährt wird, fallen auch dann weiterhin unter den Anwendungsbereich der Richtlinie, wenn sie nicht mehr unterhaltsberechtigt sind, indem sie beispielsweise von ihren Rechten nach Artikel 23 Gebrauch machen, um eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat aufzunehmen. (91)

Der Begriff „in häuslicher Gemeinschaft leben“ bezieht sich auf Personen, die mit dem Unionsbürger in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, das auf „engen und festen, im selben Haushalt im Rahmen einer häuslichen Lebensgemeinschaft entstandenen persönlichen Beziehungen beruht, die über ein bloßes vorübergehendes Zusammenwohnen aus reinen Zweckmäßigkeitsgründen“  (92) hinausgehen.

Haushaltsmitglieder müssen enge und feste Beziehungen zum Unionsbürger nachweisen, „die eine Situation echter Abhängigkeit zwischen diesen beiden Personen und eine häusliche Lebensgemeinschaft belegt, die nicht mit dem Ziel herbeigeführt wurde, in den Mitgliedstaat einreisen und sich dort aufhalten zu dürfen.“  (93)

Bei der Beurteilung des Vorliegens solcher Beziehungen sind u. a. der Verwandtschaftsgrad und, je nach den besonderen Umständen des Einzelfalls, „die Nähe der fraglichen familiären Beziehung sowie die Gegenseitigkeit und die Intensität der zwischen beiden Personen bestehenden Beziehung“  (94) zu berücksichtigen. Diese Beziehung muss so beschaffen sein, dass dann, wenn der Familienangehörige daran gehindert wäre, mit dem Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat in häuslicher Gemeinschaft zu leben, „zumindest eine der beiden Personen dadurch beeinträchtigt würde“  (95). Es ist jedoch nicht erforderlich, nachzuweisen, dass der Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausüben würde, wenn dem Familienangehörigen keine Einreise und kein Aufenthalt gewährt würde. (96) Auch die Dauer der häuslichen Lebensgemeinschaft stellt einen wesentlichen Gesichtspunkt dar, und in diesem Zusammenhang ist auch der Zeitraum vor dem Erwerb der Unionsbürgerschaft durch die betroffene Person zu berücksichtigen. (97) Der Unionsbürger und der Familienangehörige im weiteren Sinne müssen in derselben häuslichen Gemeinschaft leben, der Unionsbürger muss jedoch nicht der Haushaltsvorstand sein. (98)

Besteht zwischen einem Unionsbürger und den Kindern seines dauerhaften Lebenspartners ein tatsächliches Familienleben, so kann Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a auch die Situation der Kinder des dauerhaften Lebenspartners abdecken, auch im Falle gleichgeschlechtlicher Partnerschaften.

Beispiel:

Y. ist Unionsbürgerin aus dem Mitgliedstaat A. Sie ist mit O. verheiratet, einem Nicht-Unionsbürger. In den letzten fünf Jahren lebten sie mit Y.s Schwester L., einer Nicht-Unionsbürgerin, im Mitgliedstaat A. Im Jahr 2022 beschließen alle drei, in den Mitgliedstaat B. umzuziehen. L. könnte als Person, die mit Y. in häuslicher Gemeinschaft lebt, unter die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG fallen.

Ein rechtliches Verhältnis zwischen einem Unionsbürger, der sein Recht auf Freizügigkeit ausübt, und einem Minderjährigen, das kein Eltern-Kind-Verhältnis ist, aber zur Schaffung eines tatsächlichen Familienlebens führt, ist nach Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG geschützt. (99) Das kann insbesondere für Minderjährige, die sich in der Obhut eines ständigen gesetzlichen Vormunds befinden, und für Pflegekinder gelten. In solchen Fällen müssen die nationalen Behörden „alle aktuellen und relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung sämtlicher in Rede stehenden Interessen, insbesondere der des betreffenden Kindes, ausgewogen und sachgerecht würdigen“  (100). Wird nach der Würdigung festgestellt, dass das Kind und sein Vormund dazu berufen sind, ein tatsächliches Familienleben zu führen, und dass das Kind von seinem Vormund abhängig ist, so verlangen die Anforderungen im Zusammenhang mit dem Grundrecht der Achtung des Familienlebens und der Berücksichtigung des Kindeswohls grundsätzlich die Gewährung eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt des Kindes im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 2004/38/EG gelesen im Licht von Artikel 7 und Artikel 24 Absatz 2 der Grundrechtecharta, um es dem Kind zu ermöglichen, mit seinem Vormund in dessen Aufnahmemitgliedstaat zu leben. (101)

Zu den bei der Würdigung zu berücksichtigenden Faktoren zählen unter anderem das Alter des Kindes zum Zeitpunkt der Begründung des rechtlichen Verhältnisses, das Bestehen einer Lebensgemeinschaft des Kindes mit dem Unionsbürger, der Grad der gefühlsmäßigen Beziehungen, die sich zwischen dem Kind und dem Unionsbürger entwickelt haben, sowie der Grad der Abhängigkeit des Kindes von dem Unionsbürger (soweit dieser die elterliche, die rechtliche und die Vermögenssorge für das Kind ausübt). (102)

Ferner ist auch „möglichen konkreten und individualisierten Gefahren Rechnung zu tragen, dass das betreffende Kind Opfer von Missbrauch, Ausbeutung oder Menschenhandel sein könnte“  (103). Solche Gefahren können jedoch nicht allein aufgrund des Umstands vermutet werden, dass das Verfahren über die Begründung eines entsprechenden rechtlichen Verhältnisses weniger umfassend ist als das im Aufnahmemitgliedstaat für eine Adoption oder Betreuung eines Kindes vorgesehene Verfahren, noch aufgrund des Umstands, dass das Verfahren nach dem Haager Übereinkommen von 1996 über die elterliche Verantwortung und den Schutz von Kindern (104) im konkreten Fall nicht anwendbar war. (105) Solche Umstände müssen gegen die übrigen relevanten tatsächlichen Gesichtspunkte abgewogen werden. (106)

In Bezug auf Familienangehörige, bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Unionsbürger erforderlich machen (Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a), gibt es derzeit keine Rechtsprechung, die sich speziell auf diese Familienangehörigen bezieht. Der Gerichtshof hat jedoch betont, dass sich solche Fälle auf eine Situation der „physischen Abhängigkeit“  (107) beziehen. Dies erfordert jedoch eine umfassende Beurteilung, die im jeweiligen Einzelfall vorzunehmen ist und den jeweiligen Umständen Rechnung tragen muss.

2.2.3.2   Situationen, auf die Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b zutrifft: dauerhafte Partnerschaften

Die Richtlinie gilt gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b für einen Lebenspartner, mit dem ein Unionsbürger eine ordnungsgemäß bescheinigte dauerhafte Beziehung eingegangen ist. Diese Kategorie umfasst sowohl Beziehungen zwischen Männern und Frauen als auch gleichgeschlechtliche Beziehungen. Von Personen, die ihre Rechte aus der Richtlinie 2004/38/EG von einer dauerhaften Beziehung zu einem Unionsbürger ableiten, kann ein schriftlicher Nachweis verlangt werden, dass sie Lebenspartner eines Unionsbürgers sind und dass es sich um eine dauerhafte Beziehung handelt. Der Nachweis kann in jeder geeigneten Form erfolgen.

Die folgenden Elemente können das Bestehen einer ordnungsgemäß bescheinigten dauerhaften Beziehung belegen:

Nachweis, dass die Paarbeziehung schon seit Langem besteht,

Nachweis der gemeinsamen elterlichen Verantwortung für ein oder mehrere Kinder und gleichberechtigte Beteiligung an der Ausübung dieser Verantwortung,

Nachweis, dass das Paar eine rechtliche/finanzielle Verpflichtung von gewisser Tragweite eingegangen ist (z. B. Aufnahme einer Hypothek für den Kauf eines Hauses oder Unterlagen, die die Gründung einer eingetragenen Lebensgemeinschaft belegen),

Nachweis eines gemeinsamen Wohnsitzes/Haushalts,

wenn die Partner nicht zusammenleben, Nachweis der Regelmäßigkeit und Häufigkeit ihrer gegenseitigen Besuche.

Das Erfordernis der Dauerhaftigkeit der Beziehung muss im Hinblick auf das Ziel der Richtlinie 2004/38/EG, die Einheit der Familie im weiteren Sinne zu wahren, geprüft werden. (108) Das einzelstaatliche Recht über die Dauerhaftigkeit von Partnerschaften, das im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit festgelegt wird, kann als Kriterium für die Dauerhaftigkeit einer Beziehung eine bestimmte Mindestdauer festlegen. In diesem Fall muss das einzelstaatliche Recht jedoch vorsehen, dass auch andere Aspekte (wie beispielsweise die oben genannten) berücksichtigt werden.

Das einzelstaatliche Recht kann vorschreiben, dass es sich um eine ausschließliche Partnerschaft handeln muss (d. h. die Anforderung ist zulässig, dass weder der Unionsbürger noch der Lebenspartner mit einer dritten Person verheiratet oder eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist); im einzelstaatlichen Recht müssen jedoch gegebenenfalls andere Faktoren berücksichtigt werden.

Bei der Anwendung dieser Bestimmung sollte besonderes Augenmerk auf die Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren gerichtet werden, die keine Ehe schließen oder keine eingetragene Partnerschaft eingehen konnten und daher nicht die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllen können.

2.2.4   Nachweisdokumente für die familiäre Beziehung mit dem Unionsbürger

Bei der Beantragung eines Aufenthaltsdokuments oder eines Einreisevisums gemäß der Richtlinie 2004/38/EG haben Antragsteller das Recht, den Nachweis zu wählen, mit dem sie belegen möchten, dass sie unter die Richtlinie 2004/38/EG fallen (d. h. Nachweis der familiären Bindung, der Unterhaltsgewährung usw.). Die Mitgliedstaaten können die Vorlage bestimmter Dokumente verlangen (z. B. einer Heiratsurkunde als Nachweis für die Eheschließung), sollten aber andere Beweismittel nicht ablehnen. Beispielsweise ist die Vorlage einer Heiratsurkunde nicht die einzige zulässige Möglichkeit zum Nachweis familiärer Bindungen.

Familienangehörige, die ein Aufenthaltsdokument oder ein Einreisevisum gemäß der Richtlinie 2004/38/EG beantragen, müssen eine „Bescheinigung über das Bestehen einer familiären Beziehung“ vorlegen. Das bedeutet, dass nicht von ihnen verlangt werden darf, das entsprechende Dokument oder die Beziehung zuerst in dem Mitgliedstaat der Staatsangehörigkeit des Unionsbürgers oder im Aufnahmemitgliedstaat des Unionsbürgers eintragen zu lassen. Die Vorgabe einer solchen Eintragung behindert die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit in unangemessener Weise, denn sie dürfte die Antragsbearbeitung erheblich verzögern oder in manchen Fällen sogar unmöglich machen, da einige Mitgliedstaaten über kein System für die Eintragung von Dokumenten über ausländische familiäre Beziehungen verfügen.

Bei minderjährigen Verwandten in absteigender Linie können Erwägungen zum Wohlergehen des Kindes, wie sie in Artikel 24 der Grundrechtecharta verankert sind, insbesondere die Überprüfung rechtfertigen, ob die Freizügigkeit konsequent im Einklang mit den geltenden Sorgerechtsvorschriften erfolgt. Mögliche Anforderungen in dieser Hinsicht müssen mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Diskriminierungsverbot, im Einklang stehen. (109)

a)   Von einem EU-Mitgliedstaat ausgestellte Dokumente

Von einem Mitgliedstaat ausgestellte Dokumente, die eine familiäre Beziehung belegen, müssen vom Aufnahmemitgliedstaat ohne weitere verwaltungstechnische Schritte anerkannt werden. Wie in Abschnitt 2.2.1 – Allgemeine Erwägungen näher erläutert, kann die Anerkennung dieser Urkunden und der durch diese Urkunden bestätigten familiären Beziehungen für die Zwecke der Richtlinie 2004/38/EG und des Unionsrechts im Allgemeinen nicht von der förmlichen Anerkennung durch die anderen Mitgliedstaaten abhängig gemacht werden. (110)

Darüber hinaus sind gemäß der Verordnung (EU) 2016/1191 (111) bestimmte öffentliche Urkunden, die eine familiäre Beziehung belegen, wie Heiratsurkunden, Lebenspartnerschaftsurkunden, Geburtsurkunden und bestimmte notarielle Urkunden und Urteile (z. B. über Elternschaft oder Adoption), die von einem Mitgliedstaat ausgestellt wurden, von der Legalisation oder Apostille ausgenommen. Bei einigen Dokumenten (insbesondere Geburtsurkunden, Heiratsurkunden oder Lebenspartnerschaftsurkunden) muss der ausstellende Mitgliedstaat auf Antrag der betreffenden Person das entsprechende mehrsprachige Formular ausstellen. In diesem Zusammenhang sollte ein Mitgliedstaat keine beglaubigte Übersetzung der Geburts-, Heirats- oder Lebenspartnerschaftsurkunde verlangen, wenn das Original von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde und ihm ein mehrsprachiges Standardformular beigefügt ist. In Ausnahmefällen kann die Behörde eines Mitgliedstaats, dem die öffentliche Urkunde vorgelegt wird, eine Übersetzung verlangen, wenn sie der Auffassung ist, dass die in dem Dokument enthaltenen Informationen für die Bearbeitung des Dokuments nicht ausreichen (dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Freitextfeld in einem mehrsprachigen Standardformular in einer anderen Sprache als der Amtssprache der empfangenden Behörde ausgefüllt wurde und diese Informationen für die Bearbeitung des Dokuments erforderlich sind). Für andere Arten von Dokumenten (z. B. Adoptions- oder Staatsangehörigkeitsnachweise) steht kein mehrsprachiges Standardformular zur Verfügung. In dem Fall können die Behörden des empfangenden Mitgliedstaats eine beglaubigte Übersetzung einer vom Bürger vorgelegten öffentlichen Urkunde verlangen. Sie müssen jedoch auch eine beglaubigte Übersetzung akzeptieren, die in einem anderen Mitgliedstaat (d. h. nicht nur im empfangenden Mitgliedstaat) angefertigt wurde.

b)   Von einem Drittstaat ausgestellte Dokumente

Ist das Originaldokument in einer Sprache abgefasst, die von den Behörden des betreffenden Mitgliedstaats nicht verstanden wird, so kann der Mitgliedstaat verlangen, dass die relevanten Dokumente übersetzt werden. Bestehen Zweifel an der Echtheit des Dokuments (z. B. hinsichtlich der ausstellenden Behörde und der Richtigkeit der Angaben auf dem Dokument)‚ kann ein Mitgliedstaat verlangen, dass das Dokument notariell beglaubigt, legalisiert oder überprüft wird (z. B. durch eine Apostille). Dabei muss es sich jedoch um einen konkreten Verdacht handeln, der ein bestimmtes Dokument eines einzelnen Antragstellers betrifft, da es unverhältnismäßig wäre, in allen Fällen grundsätzlich die Überprüfung und/oder Legalisation sämtlicher Nachweisdokumente zu verlangen.

In Fällen, in denen aufgrund einer von einem Mitgliedstaat durchgeführten Würdigung auf objektiven Daten beruhende, hinreichend stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein bestimmtes Dokument (z. B. eine Heiratsurkunde), das von einem bestimmten Drittstaat ausgestellt wurde, unzuverlässig ist (insbesondere aufgrund einer hohen Zahl gefälschter oder in betrügerischer Absicht erlangter Dokumente), könnten die nationalen Behörden dieses Mitgliedstaats in einem bestimmten Fall eine Überprüfung oder Legalisierung des betreffenden Dokuments verlangen. Eine solche Maßnahme muss sich auf die Arten von Dokumenten des ausstellenden Drittstaates beschränken, für die es Anhaltspunkte gibt, die diese Maßnahme rechtfertigen. Weitere Informationen zur Bekämpfung von Missbrauch und Betrug sind Abschnitt 16 – Betrug und Rechtsmissbrauch (Artikel 35 der Richtlinie 2004/38/EG) zu entnehmen.

3   Recht auf Ausreise und Einreise (Artikel 4 und 5 der Richtlinie 2004/38/EG)

3.1   Recht auf Ausreise und Einreise

3.1.1   Für Unionsbürger

Unbeschadet der Anwendung der Beschränkungen nach Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG sehen Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG vor, dass Unionsbürger, die einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mit sich führen, das Recht haben, einen Mitgliedstaat zu verlassen und in einen anderen Mitgliedstaat einzureisen. Es können keine weiteren Formalitäten verlangt werden.

Die Mitgliedstaaten sind daher verpflichtet, ihren eigenen Staatsangehörigen gemäß ihren einzelstaatlichen Rechtsvorschriften einen Reisepass oder einen Personalausweis auszustellen.

Die Mitgliedstaaten müssen den Familiennamen eines Kindes, wie er im Geburts- und Wohnsitzmitgliedstaat des Kindes bestimmt und eingetragen ist, anerkennen. (112) In dem von dem Mitgliedstaat seiner Staatsangehörigkeit ausgestellten Reisepass oder Personalausweis müssen der Vor- und Nachname des Kindes, wie sie in der von einem Mitgliedstaat ausgestellten Geburtsurkunde angegeben sind, eingetragen sein. (113) Dies gilt auch für Unionsbürger, die Kinder gleichgeschlechtlicher Eltern sind. Darüber hinaus muss der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit diese Kinder besitzen, einen Reisepass oder Personalausweis ausstellen, ohne die vorherige Ausstellung einer Geburtsurkunde durch seine nationalen Behörden zu verlangen. (114)

Damit ein Kind mit Unionsbürgerschaft sein Recht, sich mit jedem seiner beiden Elternteile im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, tatsächlich ausüben kann, sind die Eltern außerdem berechtigt, über ein Dokument zu verfügen, in dem sie als zur Reise mit diesem Kind berechtigte Personen aufgeführt sind (dieses Dokument kann eine Geburtsurkunde sein). Die übrigen Mitgliedstaaten sind zur Anerkennung dieses Dokuments verpflichtet. (115) .

3.1.2   Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind

Nicht-Unionsbürger, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, benötigen einen gültigen Reisepass. Es kann auch sein, dass sie über ein Visum verfügen müssen, wenn es sich um visumpflichtige Drittstaatsangehörige handelt (siehe Abschnitt 3.3 – Visa-Regeln). Zur Befreiung von der Visumpflicht siehe Abschnitt 3.2 – Visa-Ausnahmen für Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind.

3.1.3   Anforderungen an die Reisedokumente

Abgesehen von den Anforderungen, die sich aus der Verordnung (EU) 2019/1157 über Personalausweise von Unionsbürgern und aus der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates über Pässe von Unionsbürgern (116) ergeben, besteht die einzige Anforderung in Bezug auf Reisedokumente von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen darin, dass sie gültig sein müssen (Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG). Insbesondere dürfen die Mitgliedstaaten ein Reisedokument nicht verweigern, wenn

es keine bestimmte künftige Gültigkeit hat – es reicht aus, dass das Reisedokument am Tag der Einreise in das Hoheitsgebiet gültig ist,

es ein altes Dokument ohne die neuesten Sicherheitsmerkmale ist.

3.1.4   Format der Personalausweise für Unionsbürger

Mit der Verordnung (EU) 2019/1157 (117), die seit dem 2. August 2021  (118) gilt, wurden Mindestsicherheits- und Formatstandards für von den Mitgliedstaaten ausgestellte Personalausweise (119) eingeführt. Die Verordnung (EU) 2019/1157 sieht auch die schrittweise Abschaffung von Personalausweisen vor, die nicht ihren Anforderungen entsprechen. Letztere verlieren ihre Gültigkeit mit Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer oder am 3. August 2031 (je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt). (120)

3.1.5   Handbuch für Grenzschutzbeamte (Schengen-Handbuch)

Für die EU-Mitgliedstaaten, die den Schengen-Besitzstand in Bezug auf die Außengrenzen anwenden, sowie für die assoziierten Schengen-Länder (121) bietet ein Handbuch für Grenzschutzbeamte (Schengen-Handbuch) (122) gemeinsame Leitlinien, bewährte Verfahren und Empfehlungen für Grenzkontrollen und berücksichtigt die Besonderheiten, die sich aus dem Besitzstand im Bereich der Freizügigkeit ergeben (siehe insbesondere Teil II Abschnitt I: Unterabschnitt 2, der sich mit der Kontrolle von Personen befasst, die nach Unionsrecht das Freizügigkeitsrecht in Anspruch nehmen dürfen, Unterabschnitt 6.2 über das Abstempeln von Reisedokumenten und Unterabschnitt 8.3, der sich mit der Einreiseverweigerung im Hinblick auf Personen befasst, die nach Unionsrecht das Freizügigkeitsrecht in Anspruch nehmen dürfen).

3.1.6   Fehlende Reisedokumente

Verfügt ein Unionsbürger oder ein Familienangehöriger aus einem Drittstaat, der den Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, nicht über die erforderlichen Reisedokumente oder gegebenenfalls die erforderlichen Visa, so hat der betreffende Mitgliedstaat dieser Person jede angemessene Möglichkeit zu gewähren, sich die erforderlichen Dokumente in einer angemessenen Frist zu beschaffen oder übermitteln zu lassen oder sich mit anderen Mitteln bestätigen zu lassen oder nachzuweisen, dass sie das Recht auf Freizügigkeit hat, bevor er eine Zurückweisung verfügt (Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie 2004/38/EG). Unter diesen Umständen liegt die Beweislast bei dem Unionsbürger oder dem drittstaatsangehörigen Familienangehörigen für den Nachweis, dass die betreffende Person ein Berechtigter nach der Richtlinie ist.

Es wird jedoch immer dringend empfohlen, im Besitz der erforderlichen Reisedokumente (Reisepass oder Personalausweis) oder Visa zu sein, damit sich Unionsbürger und ihre Familienangehörigen bei Bedarf (bei Anhalten durch die Polizei, bei Reiseantritt per Flugzeug usw.) identifizieren können. Die Mitgliedstaaten können nationale Vorschriften erlassen, durch die Personen, die sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, verpflichtet sind, im Besitz von Unterlagen und Dokumenten zu sein oder diese mit sich zu führen, und es können Sanktionen verhängt werden, wenn diese Verpflichtung nicht erfüllt wird.

3.1.7   Ablehnung der Einreise bzw. Ausreise

Das Unionsrecht ermöglicht es den Mitgliedstaaten, Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen die Einreise in ihr Hoheitsgebiet und die Ausreise aus ihrem Hoheitsgebiet zu untersagen, wenn sie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne des Kapitels VI der Richtlinie 2004/38/EG darstellen, oder im Falle von Missbrauch oder Betrug (siehe Abschnitt 13 – Beschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 27, 28 und 29 der Richtlinie 2004/38/EG) und Abschnitt 16 – 16 – Betrug und Rechtsmissbrauch (Artikel 35 der Richtlinie 2004/38/EG)).

3.2   Visa-Ausnahmen für Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind

Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG entbindet der Besitz einer gültigen Aufenthaltskarte nach Artikel 10 der Richtlinie 2004/38/EG Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, von der Visumpflicht. (123)

a)   Aufenthaltskarten mit von der Visumpflicht entbindender Wirkung gemäß der Richtlinie 2004/38/EG

Die folgenden Aufenthaltskarten entbinden gemäß der Richtlinie 2004/38/EG von der Visumpflicht:

Aufenthaltskarten nach Artikel 10, die Familienangehörigen eines Unionsbürgers ausgestellt werden, der in einen anderen Mitgliedstaat als den seiner Staatsangehörigkeit gezogen ist,

Daueraufenthaltskarten, die gemäß Artikel 20 der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellt wurden (als Ersatz für die gemäß Artikel 10 der Richtlinie 2004/38/EG für fünf Jahre ausgestellte Aufenthaltskarte).

Der Besitz einer nach Artikel 10 und Artikel 20 der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellten Aufenthaltskarte (124) ist ein ausreichender Nachweis dafür, dass der Inhaber dieser Karte ein Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist. (125) Die Aufenthaltskarte hat in jedem Mitgliedstaat eine von der Visumpflicht entbindende Wirkung, auch im Mitgliedstaat der Staatsangehörigkeit des Unionsbürgers (126) und unabhängig von der Teilnahme des ausstellenden oder besuchten Mitgliedstaats am Schengen-Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen (im Folgenden „Schengen-Raum“) (127).

Die in Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG verankerte Befreiung von der Visumpflicht gilt für Familienangehörige, die im Besitz einer Aufenthaltskarte oder einer Daueraufenthaltskarte sind – sowohl im Fall, dass die Aufenthaltskarte von einem nicht zum Schengen-Raum gehörenden Mitgliedstaat ausgestellt worden ist, als auch im Fall, dass der Mitgliedstaat zum Schengen-Raum gehört. (128)

Aufenthaltskarten gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG entbinden ihre Inhaber von der Visumpflicht, unabhängig davon, ob der Inhaber der Karte den Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht. Im Gegensatz zu anderen Artikeln der Richtlinie 2004/38/EG (z. B. Artikel 6 oder 7) besteht nämlich nach Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG keine Verpflichtung, den mobilen Unionsbürger zu begleiten oder ihm nachzuziehen.

Beispiele:

R. ist eine Unionsbürgerin, die die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats A besitzt und mit ihrem chinesischen Ehemann M. in Mitgliedstaat B wohnt, der nicht zum Schengen-Raum gehört.  (129) M. verfügt über eine Aufenthaltskarte, die vom Mitgliedstaat B gemäß Artikel 10 der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellt wurde. R. und M. reisen in den Mitgliedstaat C, der zum Schengen-Raum gehört. M. verfügt über eine Aufenthaltskarte, die gemäß Artikel 10 der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellt wurde, sodass er nach der Richtlinie von der Visumpflicht befreit ist, auch wenn er in den Mitgliedstaat C, der zum Schengen-Raum gehört, reist.

T. ist ein Unionsbürger, der die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats B besitzt und mit seiner indischen Ehefrau S. in Mitgliedstaat D wohnt, der zum Schengen-Raum gehört. S. verfügt über eine Aufenthaltskarte, die vom Mitgliedstaat D gemäß Artikel 10 der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellt wurde. S. reist in den Mitgliedstaat E, der nicht zum Schengen-Raum gehört. S. verfügt über eine Aufenthaltskarte, die gemäß Artikel 10 der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellt wurde, sodass sie nach der Richtlinie von der Visumpflicht befreit ist, auch wenn sie allein in den Mitgliedstaat E, der nicht zum Schengen-Raum gehört, reist.

P. ist ein Unionsbürger, der die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats A besitzt. Er wohnt mit seiner chinesischen Ehefrau L. in Mitgliedstaat B, der nicht zum Schengen-Raum gehört. L. ist Inhaberin einer von Mitgliedstaat B gemäß Artikel 20 der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellten Aufenthaltskarte. L. reist allein in den Mitgliedstaat C, der Teil des Schengen-Raums ist, und dann in den Mitgliedstaat E, der nicht Teil des Schengen-Raums ist. Die Aufenthaltskarte hat in Mitgliedstaat C und in Mitgliedstaat E eine von der Visumpflicht entbindende Wirkung, auch wenn L. allein reist.

Y. ist ein Unionsbürger, der die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats A besitzt, der nicht zum Schengen-Raum gehört. Er wohnt mit seiner indischen Ehefrau T. in Mitgliedstaat C, der zum Schengen-Raum gehört. T. ist Inhaberin einer von Mitgliedstaat C gemäß Artikel 20 der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellten Aufenthaltskarte. Die Aufenthaltskarte hat in Mitgliedstaat A eine von der Visumpflicht entbindende Wirkung. Dies ist auch der Fall, wenn T. allein reist.

Zum Format der Aufenthaltskarten siehe Abschnitt 12.2 – Aufenthaltskarten und Daueraufenthaltskarten für Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind (Artikel 10 und 20 der Richtlinie 2004/38/EG und Artikel 7 und 8 der Verordnung (EU) 2019/1157): Format und Gültigkeitsdauer.

Darüber hinaus gilt die Befreiung von der Visumpflicht auch für:

(Dauer-)Aufenthaltskarten für Eltern entsprechend dem Urteil in der Rechtssache Zhu und Chen (siehe Abschnitt 2.2.2.5 – Hauptbetreuungspersonen von minderjährigen Unionsbürgern),

(Dauer-)Aufenthaltskarten für Familienangehörige von Unionsbürgern, die in den Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit zurückgekehrt sind (siehe Abschnitt 18 – Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen zurückkehrender Staatsangehöriger) und

(Dauer-)Aufenthaltskarten, die Familienangehörigen von Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit ausgestellt wurden, wenn die Richtlinie 2004/38/EG entsprechend auf diese Familienangehörigen Anwendung findet (siehe Abschnitt 2.1.4 – Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit).

Wie in Abschnitt 12.2 – Aufenthaltskarten und Daueraufenthaltskarten für Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind (Artikel 10 und 20 der Richtlinie 2004/38/EG und Artikel 7 und 8 der Verordnung (EU) 2019/1157): Format und Gültigkeitsdauer näher erläutert, sollte diesen drei Kategorien von Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, auch eine (Dauer-)Aufenthaltskarte nach der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellt werden, da diese Richtlinie entsprechend auf sie Anwendung findet.

b)   Aufenthaltsdokumente ohne von der Visumpflicht entbindende Wirkung gemäß der Richtlinie 2004/38/EG

Alle anderen Aufenthaltsdokumente, die Familienangehörigen von Unionsbürgern ausgestellt wurden, befreien ihre Inhaber nicht von der Visumpflicht gemäß der Richtlinie 2004/38/EG.

Es sei darauf hingewiesen, dass Aufenthaltsdokumente, die nach nationalem Recht in einer rein innerstaatlichen Situation (Familienzusammenführung mit Staatsangehörigen des Ausstellungsmitgliedstaats, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt haben) ausgestellt werden, nicht Personen betreffen, die die Freizügigkeitsbestimmungen anwenden. Diese Aufenthaltsdokumente sind dementsprechend von den Mitgliedstaaten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 auszustellen. (130) Wird der Aufenthaltstitel von einem Mitgliedstaat ausgestellt, der Teil des Schengen-Raums ist, so haben nach der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 ausgestellte Aufenthaltstitel eine von der Visumpflicht entbindende Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten, die Teil des Schengen-Raums sind.

Aufenthaltsdokumente, die nicht nach der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellt wurden, können jedoch nach den Schengen-Bestimmungen den Inhaber von der Visumpflicht befreien. (131) Weitere Informationen hierzu sind dem Leitfaden für Grenzschutzbeamte (Schengen-Handbuch) zu entnehmen.

Beispiel:

Mitgliedstaat A ist Teil des Schengen-Raums. Ein Unionsbürger aus Mitgliedstaat A wohnt mit seiner Ehefrau, die Nicht-Unionsbürgerin ist, in Mitgliedstaat A. Sie reisen in einen anderen Mitgliedstaat, der ebenfalls dem Schengen-Raum angehört. Da die Ehefrau, die nicht Unionsbürgerin ist, einen nach den nationalen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, der Teil des Schengen-Raums ist, ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt, benötigt sie nach den Schengen-Bestimmungen kein Einreisevisum.

3.3   Visa-Regeln

Gemäß Artikel 5 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten von Familienangehörigen, die Nicht-Unionsbürger sind, die mit einem Unionsbürger, für den die Richtlinie 2004/38/EG gilt, umziehen oder ihm nachziehen, ein Einreisevisum gemäß der Verordnung (EU) 2018/1806 (132) oder – im Falle Irlands – gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften fordern. Diese Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats und das Recht auf ein Einreisevisum(133) Dies unterscheidet sie von anderen Nicht-Unionsbürgern, die dieses Recht nicht haben.

Das Recht auf Erhalt eines Visums gilt unabhängig vom Reisezweck – sofern der drittstaatsangehörige Familienangehörige den Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht (z. B., um sich im Aufnahmemitgliedstaat niederzulassen oder um als Tourist in den Aufnahmemitgliedstaat zu reisen).

Gemäß Artikel 5 Absatz 2 müssen die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um diesen Personen die Beschaffung der erforderlichen Visa zu erleichtern, und die Visa so bald wie möglich nach einem beschleunigten Verfahren unentgeltlich erteilen.

Die Richtlinie 2004/38/EG enthält jedoch keine anderen Vorschriften für die Verfahren im Zusammenhang mit der Erteilung von Visa.

Für die Mitgliedstaaten, die den Schengen-Besitzstand im Bereich der gemeinsamen Visumpolitik vollständig anwenden (134), wurde im Wege eines Durchführungsbeschlusses der Kommission im Rahmen des Visakodex ein Handbuch für die Bearbeitung von Visumanträgen und die Änderung von bereits erteilten Visa angenommen. (135) Ein ganzer Abschnitt des Handbuchs (Teil III) befasst sich mit den spezifischen Bestimmungen für die Bearbeitung von Visumanträgen von Familienangehörigen von Unionsbürgern und berücksichtigt die Besonderheiten, die sich aus dem Besitzstand im Bereich der Freizügigkeit ergeben. Der Visakodex und das Handbuch gelten nicht für Irland, Bulgarien, Zypern und Rumänien, aber die meisten operativen Anweisungen in Teil III des Visa-Handbuchs sind auch für diese EU-Mitgliedstaaten von Bedeutung.

Zu einer Bearbeitungszeit für Visumanträge von drittstaatsangehörigen Familienangehörigen, die 15 Tage überschreitet, sollte es „nur in begründeten Ausnahmefällen“ kommen, und Verzögerungen von mehr als vier Wochen sind nicht angemessen.

Die Behörden der Mitgliedstaaten sollten die Familienangehörigen beraten, welche Art von Visum sie beantragen sollen (z. B. ein Visum für den kurzfristigen Aufenthalt). Sie dürfen von ihnen nicht verlangen, dass sie ein Langzeitvisum, eine Aufenthaltskarte oder ein Visum zur Familienzusammenführung beantragen.

Sie können Servicerufnummern einrichten oder die Leistungen eines externen Unternehmens zur Vereinbarung von Terminen in Anspruch nehmen. Sie müssen drittstaatsangehörigen Familienangehörigen aber auch die Möglichkeit bieten, sich direkt an das Konsulat zu wenden.

Familienangehörige, die Nicht-Unionsbürger sind, sollten so bald wie möglich Termine mit den externen Dienstleistern oder Konsulaten erhalten können, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich von einem beschleunigten Verfahren profitieren können.

Wenn Familienangehörige beschließen, ihr Recht, den Antrag direkt beim Konsulat einzureichen, nicht zu nutzen, sondern die Dienste eines externen Unternehmens oder zusätzliche Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, können sie zur Zahlung dieser Dienstleistungen verpflichtet werden (jedoch nicht für die Gebühr für das Visum selbst). Wird der Visumantrag hingegen direkt beim Konsulat gestellt, sollte er kostenfrei bearbeitet werden.

Da sich der Anspruch auf Ausstellung eines Einreisevisums aus dem Familienverhältnis zum Unionsbürger ableitet, dürfen die Mitgliedstaaten nur die Vorlage eines gültigen Reisepasses und der Dokumente zum Nachweis der folgenden Gegebenheiten verlangen:

a)

Es gibt einen Unionsbürger, von dem der Antragsteller Rechte ableiten kann.

Der Beweislast wird Genüge getan, indem Belege für die Identität und Staatsangehörigkeit des Unionsbürgers (z. B. ein gültiger Personalausweis oder Reisepass) vorgelegt werden.

b)

Der Visumantragsteller ist ein Familienangehöriger eines solchen Unionsbürgers.

Der Beweislast wird Genüge getan, indem Belege für die familiären Bindungen (z. B. eine Heirats- oder Geburtsurkunde) vorgelegt werden und ggf. nachgewiesen wird, dass die sonstigen Bedingungen von Artikel 2 Nummer 2 oder Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG (z. B. Unterhaltsverhältnis, Leben in häuslicher Gemeinschaft, schwerwiegende gesundheitliche Gründe oder Dauerhaftigkeit der Partnerschaft) erfüllt sind.

c)

Der Antragsteller wird einen Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm dorthin nachziehen.

Die Vorlage weiterer Dokumente wie Wohnungsnachweis, Bescheinigung über ausreichende Mittel zum Lebensunterhalt, Einladungsschreiben, Rückreiseticket oder Reisekrankenversicherung dürfen nicht verlangt werden.

Für die Ablehnung eines Visumantrags gelten die in Abschnitt 15 – Verfahrensgarantien (Artikel 30 bis 33 der Richtlinie 2004/38/EG) erläuterten einschlägigen Verfahrensgarantien.

4   Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten (Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG)

Gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG hat ein Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten. Er muss lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein und braucht ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen oder Formalitäten zu erledigen. Drittstaatsangehörige Familienangehörige, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, müssen nur im Besitz eines gültigen Reisepasses sein.

In den ersten drei Monaten gilt Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG für alle Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, unabhängig von der Absicht, mit der sie in den Aufnahmemitgliedstaat einreisen wollen (z. B. Tourismus, Arbeitsuche oder die Bestrebung, sich im Aufnahmemitgliedstaat aufzuhalten), und es kann keine andere Bedingung für den Aufenthalt als den Besitz eines gültigen Ausweises verlangt werden. (136)

Unionsbürger und ihre Familienangehörigen können nicht verpflichtet werden, sich während eines Mindestzeitraums (z. B. von drei Monaten) außerhalb des Aufnahmemitgliedstaats aufzuhalten, um sich auf ein neuerliches Aufenthaltsrecht im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats nach Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG berufen zu können. (137)

Die Einhaltung von Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG darf nicht systematisch kontrolliert werden. Eine Person, die ein Aufenthaltsrecht nach Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG beansprucht, profitiert grundsätzlich davon, dass angenommen wird, dass dieser Aufenthalt unter Artikel 6 fällt. Die Person kann nur dann aufgefordert werden, Nachweise dafür vorzulegen, dass sie sich in einer Situation im Sinne des Artikels 6 befindet, wenn begründete Zweifel daran bestehen, ob die Person tatsächlich unter Artikel 6 fällt (138) (das kann der Fall sein, wenn die Person über einen Zeitraum von mehr als drei aufeinanderfolgenden Monaten mehrmals mit den nationalen Behörden in Kontakt kommt).

Die Beurteilung der Dauer eines Aufenthalts (ob dieser drei Monate oder länger beträgt) erfordert eine individuelle Prüfung. Diese sollte auf objektiven Faktoren beruhen und muss auch der Absicht der betroffenen Person und den einschlägigen Nachweisen Rechnung tragen.

Wenn ein Unionsbürger oder seine drittstaatsangehörigen Familienangehörigen Gegenstand einer Ausweisungsverfügung sind, die von einem Mitgliedstaat nach Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG ergangen ist, weil sie kein Aufenthaltsrecht mehr nach Artikel 7 der Richtlinie 2004/38/EG haben, können sie ein neues Aufenthaltsrecht in diesem Hoheitsgebiet nach Artikel 6 der Richtlinie nur unter bestimmten Voraussetzungen geltend machen (weitere Informationen sind Abschnitt 14 – Beschränkungen aus anderen Gründen als der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 15 der Richtlinie 2004/38/EG) zu entnehmen).

5   Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate für Unionsbürger und Verwaltungsformalitäten (Artikel 7, 8, 14 und 22 der Richtlinie 2004/38/EG)

Gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG haben Unionsbürger ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten, wenn sie die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

a)

Sie sind Arbeitnehmer oder Selbstständige im Aufnahmemitgliedstaat (Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a),

b)

sie verfügen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat (Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b),

c)

sie sind zur Absolvierung einer Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat eingeschrieben und verfügen dort über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz (Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c) oder

d)

sie sind Familienangehörige, die einem Unionsbürger nachziehen oder ihn begleiten, der eine der oben genannten Voraussetzungen erfüllt (Artikel 7 Absatz 2).

Nach Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG kann der Aufnahmemitgliedstaat von einem Unionsbürger verlangen, sich für einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten bei den zuständigen Behörden anzumelden. Die Mitgliedstaaten, die eine solche Verpflichtung nicht umgesetzt haben, sind nicht verpflichtet, Unionsbürgern Anmeldebescheinigungen auszustellen. In diesen Mitgliedstaaten könnten mobile Unionsbürger, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38/EG fallen, ihren Status als Berechtigte der Richtlinie 2004/38/EG durch jedes geeignete Mittel nachweisen.

Das Recht auf Aufenthalt und die Kontinuität des rechtmäßigen Aufenthalts werden nicht berührt, wenn sich die dem Recht zugrunde liegende Bestimmung der Richtlinie 2004/38/EG ändert. Es ist auch möglich, unterschiedliche Bestimmungen über das Recht auf Aufenthalt gleichzeitig zu erfüllen und somit mehrere Status zu haben (z. B. ein Student, der gleichzeitig Arbeitnehmer ist). (139) Eine Änderung des Status erfordert weder die Ausstellung eines neuen Aufenthaltsdokuments noch muss sie den nationalen Behörden gemeldet werden.

Die Mitgliedstaaten können die Integration der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, durch das Angebot von Sprachkursen oder anderen auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Kursen, die auf freiwilliger Teilnahme basieren, fördern. (140) Die Ablehnung, an solchen Kursen teilzunehmen, darf für den Betroffenen keine nachteiligen Konsequenzen haben.

5.1   Arbeitnehmer und Selbstständige

5.1.1   Definition der Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Selbstständiger“

Die Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Selbstständiger“ sind weder im Primär- noch im Sekundärrecht der EU definiert.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat der Begriff „Arbeitnehmer“ für die Zwecke der Freizügigkeit innerhalb der EU eine bestimmte Bedeutung (141) und ist daher weit auszulegen (142). Es ist nicht zulässig, abweichende nationale Definitionen (z. B. die Bestimmung des Arbeitnehmerbegriffs im innerstaatlichen Arbeitsrecht) anzuwenden, die enger wären.

Nach der Definition des Gerichtshofs ist ein „Arbeitnehmer“ jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit für einen anderen nach dessen Weisung ausübt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. (143) Die wesentlichen Merkmale eines Arbeitsverhältnisses bestehen darin, dass

eine Person während einer bestimmten Zeit Leistungen erbringt, (144)

für eine andere Person und nach deren Weisung, (145)

für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (Sachleistungen gelten ebenfalls als Vergütung). (146)

Weitere Informationen sind der Mitteilung der Kommission von 2010 „Bekräftigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer: Rechte und wesentliche Entwicklungen“  (147) zu entnehmen. Die Voraussetzung, dass ein Unterordnungsverhältnis bestehen muss, unterscheidet den „Arbeitnehmer“ vom „Selbstständigen“. Kennzeichnend für Arbeit im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses ist, dass der Arbeitgeber die auszuübende Tätigkeit, das Entgelt und die Arbeitsbedingungen bestimmt. (148)

Bei Selbstständigen kann zwar der Nachweis einer selbstständigen Erwerbstätigkeit verlangt werden, doch rechtfertigt dies keine übermäßigen Anforderungen an die Nachweiserbringung. Ähnlich dürfen nationale Anforderungen nicht zu Situationen führen, in denen die Registrierung zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Voraussetzung für die Erlangung einer Anmeldebescheinigung für den Wohnsitz ist und gleichzeitig der Besitz einer Anmeldebescheinigung für den Wohnsitz eine Voraussetzung für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ist.

5.1.2   Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbstständiger

In Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 2004/38/EG ist vorgesehen, dass Unionsbürgern in bestimmten Situationen die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbstständiger erhalten bleibt, auch wenn sie nicht mehr erwerbstätig sind (und sie haben somit Anspruch auf Gleichbehandlung, siehe Abschnitt 11 – Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG)). Im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs (149) ist die Liste der Umstände in Artikel 7 Absatz 3, unter denen die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten bleiben kann, nicht erschöpfend.

Damit die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer gemäß Artikel 7 Absatz 3 Buchstaben b und c erhalten bleibt, müssen sich Arbeitnehmer oder Selbstständige, die ihre Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben, bei den zuständigen Arbeitsämtern als Arbeitsuchende registrieren. (150) Der Aufnahmemitgliedstaat kann auch andere Anforderungen an Arbeitsuchende stellen, sofern diese Anforderungen auch für seine eigenen Staatsangehörigen gelten, wie beispielsweise die Bedingung, dass sie dem Arbeitsamt und seinen Dienststellen zur Verfügung stehen müssen (z. B. für Beratung, Profilerstellung, Ausbildungen, die Zusendung von Bewerbungen nach Informationen über verfügbare Stellen, die Teilnahme an Vorstellungsgesprächen, die Einhaltung der Bestimmungen der Vereinbarung über die Eingliederung in den Arbeitsmarkt (falls zutreffend) usw.).

Unionsbürger, denen die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer nicht mehr erhalten bleibt, können weiterhin nach Arbeit suchen, müssen aber nachweisen, „dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden“  (151). Der Aufnahmemitgliedstaat kann ihnen gemäß Artikel 24 Absatz 2 der Richtlinie jegliche Sozialhilfeleistung verweigern (152) (siehe auch Abschnitt 11 – Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG)).

5.1.3   Unionsbürger, die für internationale Organisationen oder mit diplomatischem/konsularischem Status arbeiten

Nach der ständigen Rechtsprechung (153) fallen Unionsbürger, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Staatsangehörigkeit für eine internationale Organisation arbeiten, unter die Bestimmungen der Unionsverträge über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, und ihre Rechte nach dem Unionsrecht über die Freizügigkeit von Arbeitnehmern können ihnen nicht allein deshalb aberkannt werden, weil sie für eine internationale Organisation arbeiten.

Dies gilt unabhängig davon, dass sie

auch von einer Aufnahmevereinbarung zwischen ihrer Organisation und dem Aufnahmemitgliedstaat profitieren (die sie von Einwanderungskontrollen befreien kann),

im Besitz eines besonderen Aufenthaltsdokuments sein können, das im Rahmen einer solchen Aufnahmevereinbarung ausgestellt wurde, oder

in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, um bei dieser internationalen Organisation zu arbeiten (sodass sie sich vor Beginn der Beschäftigung noch nicht in dem Staat aufgehalten haben).

Gleiches gilt für Unionsbürger, die gemäß dem Wiener Übereinkommen in einem Mitgliedstaat den Status eines diplomatischen oder konsularischen Vertreters haben. (154)

5.2   Studierende und wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger

Studierende und wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger müssen für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügen, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen. Außerdem müssen sie über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz für sich und ihre Familienangehörigen verfügen. (155)

Die Richtlinie 2004/38/EG schließt nicht aus, dass ein Unionsbürger ein „Aufenthaltsrecht“ in dem Mitgliedstaat hat, in dem er arbeitet oder in dem er selbstständig tätig ist, und gleichzeitig in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er Zeit verbringt (z. B. Wochenenden und Feiertage), wenn die entsprechenden Bedingungen erfüllt sind. So kann der Unionsbürger in dem Mitgliedstaat, in dem er als Studierender oder wirtschaftlich nicht aktive Person wohnt, ein „Aufenthaltsrecht“ erwerben oder behalten, wenn die Voraussetzungen für ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz erfüllt sind und er gegebenenfalls als Studierender eingeschrieben ist.

Beispiel:

P. ist Staatsangehörige des Mitgliedstaats A. Sie arbeitet in Mitgliedstaat B, wo sie sich in der Regel während der Arbeitswoche aufhält. Sie verbringt jedoch jedes Wochenende und mehrere Monate pro Jahr in Mitgliedstaat C, wo sie ein Strandhaus besitzt. Sie hat als Arbeitnehmerin ein Aufenthaltsrecht in Mitgliedstaat B, kann aber auch ein Aufenthaltsrecht im Mitgliedstaat C in Anspruch nehmen.

5.2.1   Ausreichende Existenzmittel

Der Begriff „ausreichende Existenzmittel“ muss im Hinblick auf das Ziel der Richtlinie 2004/38/EG, d. h. die Erleichterung der Freizügigkeit, ausgelegt werden, solange die Aufenthaltsberechtigten die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen.

Als erstes Kriterium für das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel ist zu prüfen, ob der Unionsbürger (und Familienangehörige, die ihr Aufenthaltsrecht von ihm ableiten) im Aufnahmemitgliedstaat die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe erfüllt.

Unionsbürger verfügen über ausreichende Existenzmittel, wenn diese über der im Aufnahmemitgliedstaat geltenden Sozialhilfegrenze liegen oder diesem Schwellenwert entsprechen. Ist dieses Kriterium nicht anwendbar, sollte die Mindestrente der Sozialversicherung herangezogen werden.

Die Mitgliedstaaten dürfen nach Artikel 8 Absatz 4 weder direkt noch indirekt für die Existenzmittel, die sie als „ausreichend“ betrachten, einen festen Betrag festlegen, bei dessen Unterschreiten das Aufenthaltsrecht automatisch versagt werden darf. Die Behörden der Mitgliedstaaten müssen die persönliche Situation des Betroffenen berücksichtigen.

Die Mitgliedstaaten können sich weigern, wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgern, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben und nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, um ein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage der Richtlinie 2004/38/EG geltend zu machen, Sozialleistungen zu gewähren(156) Daher ist bei der Prüfung, ob das Erfordernis ausreichender Existenzmittel nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt ist, „eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen, ohne die beantragten Sozialleistungen zu berücksichtigen“  (157). Mit Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b soll nämlich verhindert werden, dass wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger „das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts“ in Anspruch nehmen.  (158)

Der Rechtsprechung in der Rechtssache Brey zufolge kann der Umstand, dass ein wirtschaftlich nicht aktiver Unionsbürger zum Bezug einer Sozialleistung berechtigt ist, „einen Anhaltspunkt dafür darstellen“, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt, um die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe b in Anspruch zu nehmen. (159)

Die nationalen Behörden können erforderlichenfalls prüfen, ob reguläre (160), ausreichende Existenzmittel vorhanden sind. Diese Prüfungen können durchgeführt werden, wenn Unionsbürger ihren Wohnsitz registrieren möchten oder wenn ihre Familienangehörigen ein Aufenthaltsdokument beantragen.

Nach Ausstellung des Aufenthaltsdokuments darf diese Überprüfung gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG nicht systematisch durchgeführt werden, sondern nur in bestimmten Fällen, in denen begründete Zweifel daran bestehen, dass die Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen die Voraussetzung der ausreichenden Existenzmittel erfüllen.

Der Gerichtshof hat bestätigt, dass Artikel 14 Absatz 2 auch für die Gewährung von Sozialleistungen gilt. (161) Wie vom Gerichtshof festgestellt wurde, steht es mit dieser Bestimmung im Einklang, ein System vorzusehen, in dem der Antragsteller für jede der in Rede stehenden Sozialleistungen auf dem Antragsformular eine Reihe von Angaben machen muss, aus denen sich ergibt, ob ein Aufenthaltsrecht in diesem Mitgliedstaat besteht; diese Angaben werden dann von den für die Gewährung der betreffenden Leistung zuständigen Behörden überprüft, und nur in Einzelfällen wird von den Antragstellern der Nachweis dafür verlangt, dass sie tatsächlich entsprechend ihrer Angabe ein Aufenthaltsrecht besitzen. (162)

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass die Voraussetzungen des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG eng auszulegen sind (163), wobei die durch das Unionsrecht gesetzten Grenzen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (164) zu beachten sind und die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2004/38/EG nicht beeinträchtigt werden darf (165). Der Umstand, dass in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen ist, dass die Aufenthaltsberechtigten die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats nicht über Gebühr belasten dürfen, bringt ein gewisses Maß an finanzieller Solidarität mit sich, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind. (166)

Vor diesem Hintergrund sollte der Tatsache gebührend Rechnung getragen werden, dass sich die Situation eines Unionsbürgers durch Erschließung neuer Einkommensquellen im Laufe der Zeit ändern kann. So könnten beispielsweise Unionsbürger, die zu Beginn ihres Aufenthalts wirtschaftlich nicht aktiv sind, später eine Beschäftigung finden.

Darüber hinaus darf die Art der für den Nachweis ausreichender Existenzmittel zulässigen Beweismittel nicht begrenzt werden. (167) Die Mitgliedstaaten dürfen daher nicht vorschreiben, dass bestimmte Arten von Dokumenten der einzige annehmbare Nachweis ausreichender Existenzmittel sind und damit ausschließen, dass Unionsbürger ihre Einkünfte mit anderen Mitteln nachweisen.

Was die Form und Herkunft dieser Mittel betrifft, so brauchen diese nicht in Form einer regelmäßigen Zahlung vorzuliegen. Es kann sich auch um angespartes Kapital handeln.

Darüber hinaus hat der Gerichtshof klargestellt, dass der Ausdruck „über ausreichende Existenzmittel verfügt“ in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG „dahin auszulegen ist, dass es ausreicht, wenn dem Unionsbürger diese Mittel zur Verfügung stehen“  (168). Unionsbürger müssen nicht nachweisen, dass sie selbst über ausreichende Existenzmittel verfügen, da „das Unionsrecht in Bezug auf die Herkunft der Mittel … keine Anforderungen enthält“  (169). Von einem Dritten stammende Mittel zum Lebensunterhalt müssen daher anerkannt werden. (170)

Der Gerichtshof vertrat ferner die Ansicht, dass das Erfordernis ausreichender Existenzmittel durch Einkünfte aus der Beschäftigung, der der Elternteil des Unionsbürgers nach Ablauf seiner Aufenthaltskarte nachgegangen war, in einer Situation erfüllt sein kann, in der auf diese Einkünfte Steuern und Sozialversicherungsabgaben entrichtet wurden, und diese Einkünfte es dem Unionsbürger und den Familienangehörigen seit zehn Jahren erlauben, seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu bestreiten, ohne Sozialhilfeleistungen dieses Mitgliedstaats in Anspruch nehmen zu müssen. (171)

Beispiele für den Nachweis der Existenzmittel:

Kontoauszüge oder Bankquittungen zum Nachweis von Geldmitteln. Der Aufnahmemitgliedstaat darf es nicht ablehnen, Bankunterlagen zu berücksichtigen, weil diese aus einem anderen Mitgliedstaat stammen, und die nationalen Behörden können von dem Unionsbürger auch nicht verlangen, ein Bankkonto im Aufnahmemitgliedstaat zu eröffnen und dort Gelder einzuzahlen.

Rentenbescheinigungen

Nachweis von Einkünften aus der Vermietung von Immobilien

Nachweis von Kapitalerträgen

Nachweis von Einkünften oder Geldern, die von Familienangehörigen des Unionsbürgers stammen (z. B. vom Ehegatten, Lebenspartner, Elternteil, Betreuer usw.)

Nachweis von Einkünften aus einer wirtschaftlichen Tätigkeit, unabhängig davon, wo diese ausgeübt wurde

Nachweis von Vermögen aus Erbschaft

Wenn eine nationale Behörde ein Aufenthaltsrecht verweigert/beendet oder gegebenenfalls eine Ausweisungsverfügung mit der Begründung erlässt, dass der Unionsbürger das Erfordernis ausreichender Existenzmittel nicht erfüllt, ist eine gründliche Verhältnismäßigkeits- und Einzelfallprüfung erforderlich.  (172) Darüber hinaus sollten die in der Charta der Grundrechte garantierten Grundrechte berücksichtigt werden. Insbesondere die Bedeutung der Freizügigkeit als Grundrecht gemäß Artikel 45 der Charta der Grundrechte sollte bei der Prüfung, ob die Maßnahme mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht und geeignet und erforderlich ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen, berücksichtigt werden. (173)

In jedem Fall sieht Artikel 14 Absatz 3 der Richtlinie 2004/38/EG vor, dass die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen durch einen Unionsbürger oder einen seiner Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat „nicht automatisch zu einer Ausweisung führen“ darf.

Für die Beurteilung können die Mitgliedstaaten beispielsweise eine Punkte-Skala als Indikator erstellen. In Erwägungsgrund 16 der Richtlinie 2004/38/EG sind drei Beurteilungskriterien vorgesehen:

1)

Dauer

Wie lange werden die Leistungen schon gewährt?

Prognose: Ist damit zu rechnen, dass der Unionsbürger in nächster Zeit keine Sozialhilfeleistungen mehr in Anspruch nehmen wird?

Wie lange hält sich der Unionsbürger bereits im Aufnahmemitgliedstaat auf?

2)

Persönliche Umstände

Inwieweit sind der Unionsbürger und seine Familienangehörigen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats integriert?

Gibt es andere Aspekte wie Alter, Gesundheitszustand, familiäre und wirtschaftliche Situation, denen Rechnung zu tragen ist?

3)

Betrag

Wie hoch ist der Betrag der insgesamt gewährten Sozialhilfe?

Hat der Unionsbürger in der Vergangenheit bereits in hohem Maß Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen?

Hat der Unionsbürger in der Vergangenheit Sozialversicherungsbeiträge im Aufnahmemitgliedstaat gezahlt?

Solange die Aufenthaltsberechtigten die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen, dürfen sie nicht allein deshalb ausgewiesen werden, weil sie Sozialhilfe erhalten. (174)

Für die Beurteilung, ob eine Person Sozialhilfeleistungen unangemessen in Anspruch nimmt, sind die Mittel relevant, die zur Sicherung des Existenzminimums gewährt werden.

Gemäß Artikel 14 Absatz 4 der Richtlinie 2004/38/EG darf gegen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden, wenn sie Arbeitnehmer oder Selbstständige sind (es sei denn, sie beruht auf Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit). Gleiches gilt für Arbeitsuchende, die in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, um Arbeit zu suchen, sowie für diejenigen, die ihre Erwerbstätigkeit eingestellt und den Arbeitnehmerstatus nicht behalten haben, solange sie nachweisen können, „dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden“  (175) (siehe Abschnitt 6 – Recht auf Aufenthalt für Arbeitsuchende (Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG)).

Zum Verhältnis zwischen dem Besitz ausreichender Existenzmittel und der Gleichbehandlung gemäß Artikel 24 siehe Abschnitt 11 – Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG).

5.2.2   Umfassender Krankenversicherungsschutz

Wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger (einschließlich Studierende) und ihre Familienangehörigen müssen im Aufnahmemitgliedstaat über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen. (176)

Diese Voraussetzung ist sowohl erfüllt, wenn der Unionsbürger über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt, der seine Familienangehörigen abdeckt, als auch im gegenteiligen Fall, in dem dieser Familienangehörige über einen solchen Schutz verfügt, der den Unionsbürger abdeckt. (177) .

Jede bei einer öffentlichen oder privaten Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat oder anderswo abgeschlossene Versicherung ist grundsätzlich anzuerkennen, sofern sie einen umfassenden Schutz bietet und die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats nicht belastet. Die Mitgliedstaaten müssen den Umfang des Krankenversicherungsschutzes im Interesse des Schutzes ihrer öffentlichen Finanzen innerhalb der durch das Gemeinschaftsrecht gesetzten Grenzen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips prüfen. (178)

Rentner erfüllen die Anforderungen, wenn sie nach dem Recht des Mitgliedstaats, der ihre Rente zahlt, Anspruch auf medizinische Versorgung haben. (179) Insbesondere Rentner, die im Besitz eines portablen Dokuments S1 (PD S1) sind, haben Zugang zur Gesundheitsversorgung im Wohnmitgliedstaat und erfüllen die Voraussetzung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes. (180)

Wenn der betreffende Unionsbürger seinen Wohnsitz im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nicht in den Aufnahmemitgliedstaat verlegt und beabsichtigt, zurückzukehren (z. B. Studium oder Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat), belegt die vom Herkunftsmitgliedstaat ausgestellte Europäische Krankenversicherungskarte (im Folgenden „EKVK“) einen solchen umfassenden Versicherungsschutz (siehe Abschnitt 11.4 – Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung: Leistungen und Bedingungen und zum Begriff des Wohnorts im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Abschnitt 11.3 – Verhältnis zwischen Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG und der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit).

Wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger können die vom Herkunftsmitgliedstaat ausgestellte EKVK (in anderen als den oben genannten Fällen) jedoch nicht als Nachweis dafür verwenden, dass sie über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, wenn sie die beiden folgenden kumulativen Bedingungen erfüllen:

sie üben ihr Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG und vor Erwerb des Daueraufenthalts aus,

sie verlegen ihren Wohnsitz im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in den Aufnahmemitgliedstaat (siehe Abschnitt 11.3 – Verhältnis zwischen Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG und der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) und sind daher nicht mehr im System der sozialen Sicherheit ihres Herkunftsmitgliedstaats versichert.

Unionsbürger, auf die letztere Situation zutrifft, haben jedoch das Recht, auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dem öffentlichen Krankenversicherungssystem des Aufnahmemitgliedstaats beizutreten. (181)

Unter diesen Umständen kann der Aufnahmemitgliedstaat jedoch vorsehen, dass der Zugang zu diesem System für den Unionsbürger bis zum Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt nicht unentgeltlich ist, um zu vermeiden, dass wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger die öffentlichen Finanzen dieses Mitgliedstaats unangemessen in Anspruch nehmen. (182)

Folglich kann der Aufnahmemitgliedstaat vorbehaltlich der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Zugehörigkeit eines wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgers zu seinem öffentlichen Krankenversicherungssystem von Voraussetzungen abhängig machen, die sicherstellen sollen, dass der Unionsbürger die öffentlichen Finanzen nicht unangemessen in Anspruch nimmt. Zu diesen Bedingungen kann gehören, dass der Unionsbürger eine umfassende private Krankenversicherung abschließt oder aufrechterhält, sodass dem Mitgliedstaat seine Aufwendungen im Gesundheitsbereich zugunsten dieses Bürgers erstattet werden können, oder dass der Unionsbürger einen Beitrag zum öffentlichen Krankenversicherungssystem dieses Mitgliedstaats zahlt. (183) Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass der Aufnahmemitgliedstaat dafür Sorge tragen muss, „dass es für diesen Bürger nicht übermäßig schwierig ist, diese Voraussetzungen zu erfüllen“. (184)

In jedem Fall verfügt ein Unionsbürger, sobald er im Aufnahmemitgliedstaat einem solchen öffentlichen Krankenversicherungssystem beigetreten ist, über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe b (185), und es kann keine zusätzliche private Versicherung verlangt werden.

Darüber hinaus kann der Aufnahmemitgliedstaat die Mitgliedschaft in seinem öffentlichen Krankenversicherungssystem von zusätzlichen Bedingungen abhängig machen (z. B. einjähriger Aufenthalt in der EU), sofern diese auch für seine eigenen Staatsangehörigen gelten und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

Beispiele:

C. ist Staatsangehöriger des Mitgliedstaats A, in dem er an der Universität eingeschrieben ist. Er begibt sich vorübergehend in Mitgliedstaat B, um dort einige Monate als Erasmus-Student zu verbringen. Die von Mitgliedstaat A ausgestellte EKVK ist ein ausreichender Nachweis eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes im Mitgliedstaat B.

P. ist Staatsangehöriger des Mitgliedstaats A, in dem er sich aufgehalten hat. Er kauft ein Haus im Mitgliedstaat B und zieht dorthin, um seiner Frau und seinem Sohn nachzuziehen und von seinen Ersparnissen zu leben. Er beendet den Mietvertrag für seine Wohnung in Mitgliedstaat A und bringt alle seine persönlichen Gegenstände mit ihm in den Mitgliedstaat B. Er erklärt, dass er nicht beabsichtigt, in Mitgliedstaat A zurückzukehren. Er kann die von seinem Herkunftsmitgliedstaat A ausgestellte EKVK nicht zum Nachweis eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes in Mitgliedstaat B verwenden.

M. ist Staatsangehörige des Mitgliedstaats A. Sie zieht dauerhaft in den Mitgliedstaat B um, um ihrem Ehemann, der Staatsangehöriger des Mitgliedstaats B ist, nachzuziehen. Sie ist wirtschaftlich nicht aktiv. Mitgliedstaat B verfügt über ein System staatlich finanzierter medizinischer Versorgung, das Personen gewährt wird, die unter die in den nationalen Rechtsvorschriften definierten Kategorien von Leistungsempfängern fallen, ohne dass eine individuelle und ermessensabhängige Prüfung der persönlichen Bedürfnisse erfolgt. M. erfüllt alle Voraussetzungen für die Mitgliedschaft, die von Staatsangehörigen des Mitgliedstaats B zu erfüllen sind. Daher hat sie das Recht, dem öffentlichen Krankenversicherungssystem des Mitgliedstaats B beizutreten. Mitgliedstaat B ist nicht verpflichtet, eine solche Versicherung kostenlos zu gewähren, doch müssen alle Voraussetzungen dafür verhältnismäßig sein und sicherstellen, dass es für die Unionsbürgerin nicht übermäßig schwierig ist, sie zu erfüllen.

Sobald der Unionsbürger ein Recht auf Daueraufenthalt erwirbt, gilt für ihn und seine Familienangehörigen nicht mehr das Erfordernis eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes. (186)

Weitere Informationen sind Abschnitt 11.3 – Verhältnis zwischen Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG und der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zu entnehmen.

5.2.3   Studierende

Für mobile EU-Studierende können die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c Folgendes vorschreiben:

den Nachweis, dass sie bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat anerkannt wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben sind,

den Nachweis, dass sie über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen (siehe Abschnitt 5.2.2 – Umfassender Krankenversicherungsschutz),

eine Erklärung (oder ein anderes gleichwertiges Mittel), dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügen, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen.

5.2.4   Hauptbetreuungspersonen von minderjährigen Unionsbürgern

Wie in Abschnitt 2.2.2.5 – Hauptbetreuungspersonen von minderjährigen Unionsbürgern erläutert, hat der Gerichtshof entschieden, dass in Fällen, in denen minderjährige Unionsbürger ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben, neben den in Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten Personen auch ihre drittstaatsangehörigen Hauptbetreuungspersonen ein Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat erhalten müssen.

Das Aufenthaltsrecht minderjähriger Unionsbürger und ihrer Hautbetreuungspersonen von mehr als drei Monaten und weniger als fünf Jahren ist an Bedingungen geknüpft. Minderjährige üben in der Regel ihr Recht auf Freizügigkeit aus, ohne einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Daher ist zu prüfen, ob Kinder mit Unionsbürgerschaft, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, die Bedingungen erfüllen, dass 1) für sie und ihre Hautbetreuungspersonen ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen, um während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen zu müssen, und dass sie 2) über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz für sich selbst und ihre Hautbetreuungspersonen verfügen (Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG, siehe Abschnitt 5.2.1 – Ausreichende Existenzmittel und Abschnitt 5.2.2 – Umfassender Krankenversicherungsschutz). (187) In diesem Zusammenhang ist Folgendes zu berücksichtigen:

minderjährige Unionsbürger können das Erfordernis der ausreichenden Existenzmittel durch ihre drittstaatsangehörigen Hauptbetreuungspersonen erfüllen (188) (weitere Informationen, insbesondere zur Form und Herkunft der Existenzmittel, sind Abschnitt 5.2.1 – Ausreichende Existenzmittel zu entnehmen),

die Anforderung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes kann auf beide der folgenden Weisen erfüllt werden:

indem ein minderjähriger Unionsbürger über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt, der seine Hauptbetreuungspersonen abdeckt,

durch den umgekehrten Fall, dass die Hauptbetreuungspersonen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, der den minderjährigen Unionsbürger abdeckt. (189)

Sobald ein minderjähriger Unionsbürger ein Recht auf Daueraufenthalt erwirbt, unterliegen er und seine Hauptbetreuungspersonen nicht mehr den Anforderungen an ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz. (190)

Es sei darauf hingewiesen, dass die Hauptbetreuungspersonen von Kindern ein Aufenthaltsrecht auch aus Artikel 12 Absatz 3 der Richtlinie 2004/38/EG ableiten können, wenn sich das Kind im Aufnahmemitgliedstaat aufhält und in einer Bildungseinrichtung zu Ausbildungszwecken eingeschrieben ist (191) (siehe Abschnitt 8 – Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen bei Tod oder Wegzug des Unionsbürgers sowie bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder bei Beendigung der eingetragenen Partnerschaft (Artikel 12 und 13 der Richtlinie 2004/38/EG)).

5.3   Nachweisdokumente für die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung

Nach Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG kann der Aufnahmemitgliedstaat von einem Unionsbürger verlangen, sich für einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten bei den zuständigen Behörden anzumelden. Die Entscheidung liegt daher bei den einzelnen Mitgliedstaaten, ob sie diese Verpflichtung mobilen Unionsbürgern auferlegen möchten (weitere Informationen zu Anmeldebescheinigungen sind Abschnitt 12.1 – Anmeldebescheinigungen und Dokumente zur Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts, die Unionsbürgern ausgestellt werden (Artikel 8 und 19 der Richtlinie 2004/38/EG und Artikel 6 der Verordnung (EU) 2019/1157): Format, Mindestangaben und Gültigkeitsdauer zu entnehmen).

Die Liste der Dokumente  (192), die zusammen mit dem Antrag auf eine Anmeldebescheinigung vorzulegen sind, ist erschöpfend. Es dürfen keine weiteren Dokumente verlangt werden.

Beispiele:

M. ist ein mobiler EU-Arbeitnehmer. Er muss nicht nachweisen, dass er das Erfordernis ausreichender Existenzmittel erfüllt.

L. ist eine Unionsbürgerin, die mit einem mobilen EU-Arbeitnehmer verheiratet ist. Sie reicht einen Antrag auf Anmeldebescheinigung als Ehegattin eines mobilen EU-Arbeitnehmers ein. Von ihr kann nicht verlangt werden, dass sie Nachweise für ihre Erwerbstätigkeit vorlegt oder dafür, dass sie das Erfordernis der ausreichenden Existenzmittel erfüllt.

R. ist ein Unionsbürger, der mit einem drittstaatsangehörigen Arbeitnehmer verheiratet ist. Er reicht einen Antrag auf Anmeldebescheinigung als wirtschaftlich nicht aktiver Unionsbürger ein. Er weist nach, dass er und sein drittstaatsangehöriger Ehemann (durch dessen Einkommen) über ausreichende Einkünfte verfügen und dass sie beide umfassend krankenversichert sind (durch ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung des Aufnahmemitgliedstaats). R. muss nicht nachweisen, dass er erwerbstätig ist.

Bei Arbeitnehmern und Selbstständigen kann der Aufnahmemitgliedstaat jedoch im Falle von Zweifeln an der Echtheit oder Richtigkeit der vorgelegten Dokumente verlangen, dass die Angaben durch zusätzliche Nachweise (z. B. in Form von Gehaltsabrechnungen) bestätigt werden.

In jedem Fall sind in der Richtlinie 2004/38/EG die erforderlichen Nachweisdokumente nicht für alle möglichen Situationen festgelegt (z. B. Aufenthaltsdokumente, die Arbeitsuchenden oder Familienangehörigen ausgestellt werden, die das Aufenthaltsrecht nach Artikel 12 oder 13 der Richtlinie 2004/38/EG behalten).

Zu den Ablehnungen von Anmeldebescheinigungen siehe Abschnitt 15 – Verfahrensgarantien (Artikel 30 bis 33 der Richtlinie 2004/38/EG).

Eine Anmeldebescheinigung hat nur deklaratorische Wirkung und Beweisfunktion (siehe Abschnitt 12.3 – Arten und Wirkungen der Aufenthaltsdokumente (Artikel 25 der Richtlinie 2004/38/EG)). Sie bescheinigt das Aufenthaltsrecht und ist keine Voraussetzung für die Ausübung anderer Rechte, auf die der Unionsbürger Anspruch hat.

5.4   Bearbeitungszeiten für die Ausstellung von Anmeldebescheinigungen

Gemäß Artikel 8 Absatz 2 sind die Anmeldebescheinigungen „unverzüglich“ auszustellen. In Mitgliedstaaten, die Anmeldesysteme für Unionsbürger eingerichtet haben (siehe Abschnitt 12 – Aufenthaltsdokumente (Artikel 8, 10, 19, 20 und 25 der Richtlinie 2004/38/EG)), ist diese Anforderung besonders relevant, da diese Bescheinigungen die Ausübung der Rechte des Unionsbürgers und seine Integration im Aufnahmemitgliedstaat erleichtern könnten.

Kann die Anmeldebescheinigung nicht vor Ort ausgestellt werden, wenn der Antrag und die entsprechenden Nachweise übergeben werden, sollte dies innerhalb der darauffolgenden Tage erfolgen (z. B. nach sieben bis zehn Tagen). Im Falle laufender Ermittlungen in einem mutmaßlichen Missbrauchs- oder Betrugsfall kann die Ausstellung aufgeschoben werden, wobei der Effektivitätsgrundsatz und das mit der Richtlinie 2004/38/EG untrennbar verbundene Ziel einer zügigen Bearbeitung von Anträgen zu wahren sind. (193)

5.5   Systeme zur Einwohnerregistrierung

Einige Mitgliedstaaten verlangen von Unionsbürgern, sich in einem nationalen (oder regionalen/lokalen) Einwohnermelderegister anzumelden und eine persönliche Identifikationsnummer zu erhalten. Die Eintragung in das Einwohnermelderegister unterscheidet sich in der Regel von der Wohnsitzregistrierung gemäß der Richtlinie 2004/38/EG und fällt in die Zuständigkeit des einzelstaatlichen Rechts.

Der Gerichtshof hat bestätigt, dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, ein Einwohnermelderegister zu verwenden, um die für die Anwendung der Rechtsvorschriften über das Aufenthaltsrecht zuständigen Behörden zu unterstützen. (194)

Bei der Anwendung der einzelstaatlichen Vorschriften über Einwohnermelderegister muss jedoch das Unionsrecht eingehalten werden.

Insbesondere dürfen die Eintragung in das nationale Einwohnermelderegister und der Besitz einer persönlichen Identifikationsnummer keine Vorbedingungen dafür sein, dass einem Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat das Recht auf Arbeit gewährt wird, und sie dürfen kein Hindernis für die Ausübung der Freizügigkeitsrechte eines Unionsbürgers darstellen. (195)

Ist die persönliche Identifikationsnummer im Aufnahmemitgliedstaat im Alltag erforderlich, und können Unionsbürger sie jedoch nicht erhalten (z. B., weil sich die Bedingungen für die Erlangung einer solchen Nummer von den Bedingungen für die Aufenthaltsregistrierung unterscheiden), sollten diesen Unionsbürgern Alternativen zu einer solchen Nummer angeboten werden. Aufgrund des Rechts auf Gleichbehandlung im Unionsrecht ist es den Mitgliedstaaten untersagt, Maßnahmen zu ergreifen, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten unmittelbar diskriminieren. Die Mitgliedstaaten dürfen auch keine indirekten Maßnahmen ergreifen, bei denen zwar nicht nach der Staatsangehörigkeit unterscheiden wird, von denen jedoch mobile Unionsbürger stärker betroffen sind als Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, sodass folglich die Gefahr besteht, dass mobile Unionsbürger durch solche Maßnahmen in besonderer Weise benachteiligt werden, ohne dass dies objektiv gerechtfertigt ist. (196)

Die Aufnahmemitgliedstaaten können von Unionsbürgern, die sich in Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, verlangen, dass sie eine bestimmte Steuer-Identifikationsnummer erlangen. Diese Nummer kann ein grundlegendes Kontrollelement für die nationalen Steuerbehörden sein. Auch hier darf die Verpflichtung zur Erlangung einer Steuer-Identifikationsnummer im Aufnahmemitgliedstaat nicht zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten führen. Darüber hinaus sollten die zur Erlangung einer solchen Nummer eingeführten Verfahren nicht zu einer Beeinträchtigung der Grundfreiheiten führen oder den Geschäftsverkehr behindern.

6   Recht auf Aufenthalt für Arbeitsuchende (Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG)

Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b gilt für Unionsbürger, die in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, um Arbeit zu suchen, sowie für diejenigen, die ihre Erwerbstätigkeit eingestellt und den Arbeitnehmerstatus nicht behalten haben, solange sie nachweisen können, „dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden“  (197).

Nach Artikel 45 AEUV und Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG muss der Aufnahmemitgliedstaat dem Unionsbürger „einen angemessenen Zeitraum“ für die Arbeitsuche einräumen; dieser beginnt, falls der Unionsbürger beschließt, sich im Aufnahmemitgliedstaat als Arbeitsuchender registrieren zu lassen, mit dem Zeitpunkt der Registrierung. Dieser angemessene Zeitraum sollte es dem Arbeitsuchenden „ermöglichen, von Stellenangeboten, die für ihn in Betracht kommen, Kenntnis zu nehmen und die für eine Einstellung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.“ Während dieses Zeitraums kann der Aufnahmemitgliedstaat vom Arbeitsuchenden den Nachweis verlangen, dass er auf der Suche nach Arbeit ist.“ (198) Ein Zeitraum von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Registrierung erscheint „grundsätzlich nicht als unzureichend“  (199).

„Somit muss der Arbeitsuchende erst nach Ablauf dieses angemessenen Zeitraums nachweisen, dass er nicht nur weiterhin Arbeit sucht, sondern auch, dass er eine begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden.“  (200)

Wenn ein Unionsbürger in einen Aufnahmemitgliedstaat einreist, um dort Arbeit zu suchen, fällt sein Aufenthaltsrecht während der ersten drei Monate auch unter Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG. Daher darf dem Bürger während dieses Zeitraums von drei Monaten keine andere Bedingung als das Erfordernis des Besitzes eines gültigen Ausweisdokuments auferlegt werden. (201)

Bei der Beurteilung der Situation des Arbeitsuchenden können die Behörden insbesondere folgende Faktoren berücksichtigen: (202)

In Bezug auf die Tatsache, dass die Person Arbeit sucht:

die Registrierung als Arbeitsuchender bei der für Arbeitsuchende zuständigen nationalen Stelle

regelmäßige Bewerbungsschreiben an potenzielle Arbeitgeber oder Teilnahme an Vorstellungsgesprächen

In Bezug auf die begründete Aussicht, eingestellt zu werden:

die Lage in dem Bereich des nationalen Arbeitsmarkts, der den persönlichen Qualifikationen des betreffenden Arbeitsuchenden entspricht

der Umstand, dass der Arbeitsuchende Stellenangebote abgelehnt hat, die seinen beruflichen Qualifikationen nicht entsprechen, kann nicht berücksichtigt werden

der Umstand, dass der Arbeitsuchende nie im Aufnahmemitgliedstaat gearbeitet hat, kann nicht berücksichtigt werden

Weitere Informationen sind der Mitteilung der Kommission von 2010 „Bekräftigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer: Rechte und wesentliche Entwicklungen“ sowie Abschnitt 11 – Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG) zu entnehmen.

7   Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate und Verwaltungsvorschriften für Familienangehörige ohne Unionsbürgerschaft sowie Recht auf Arbeit (Artikel 7, 9 bis 11, 22 und 23 der Richtlinie 2004/38/EG)

7.1   Nachweisdokumente für die Ausstellung von Aufenthaltskarten

Die Liste der Dokumente  (203), die zusammen mit dem Antrag auf Ausstellung der Aufenthaltskarte vorzulegen sind, ist, wie in Erwägungsgrund 14 bestätigt wird, abschließend festgelegt. Die nationalen Behörden können keine zusätzlichen Dokumente anfordern. (204)

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur Ausstellung einer Aufenthaltskarte müssen die nationalen Behörden nur prüfen, ob der Familienangehörige, der Nicht-Unionsbürger ist, „anhand der in Artikel 10 Absatz 2 dieser Richtlinie angegebenen Dokumente nachweisen kann, dass er unter den Begriff ‚Familienangehöriger‘ eines Unionsbürgers im Sinne der Richtlinie 2004/38 fällt, damit er in den Genuss der Aufenthaltskarte gelangt“  (205). Daher müssen Nicht-Unionsbürger, die nachweisen, dass sie unter die Definition des Begriffs „Familienangehöriger“ eines Unionsbürgers im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG fallen, „die Aufenthaltskarte, die diese Eigenschaft nachweist, in kürzester Zeit“  (206) erhalten.

Dementsprechend wird der Status als Berechtigter der Richtlinie 2004/38/EG durch Vorlage von Dokumenten festgestellt, mit denen Folgendes nachgewiesen werden kann:

a)

Es gibt einen Unionsbürger, von dem der Antragsteller ein Aufenthaltsrecht ableiten kann.

Der Beweislast wird Genüge getan, indem Belege für die Identität und Staatsangehörigkeit des Unionsbürgers (z. B. ein gültiges Reisedokument) vorgelegt werden.

b)

Der Antragsteller für die Aufenthaltskarte ist ein Familienangehöriger dieses Unionsbürgers.

Der Beweislast wird Genüge getan, indem Belege für die Identität des Familienangehörigen (z. B. ein gültiges Reisedokument) und für die familiären Bindungen (z. B. eine Heirats- oder Geburtsurkunde) vorgelegt werden und ggf. nachgewiesen wird, dass die sonstigen Bedingungen von Artikel 2 Nummer 2 oder Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG (z. B. Unterhaltsverhältnis, schwerwiegende gesundheitliche Gründe oder Dauerhaftigkeit der Partnerschaft) erfüllt sind. Siehe Abschnitt 2.2 – Familienangehörige und andere Berechtigte.

c)

Der Unionsbürger hält sich gemäß der Richtlinie 2004/38/EG im Aufnahmemitgliedstaat auf.

Der Umfang der erforderlichen Belege hängt von der Grundlage des Aufenthalts des Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat ab.

Bei Aufenthalten von mehr als drei Monaten müssen Unionsbürger die Bedingungen erfüllen, die in der Richtlinie 2004/38/EG für das Aufenthaltsrecht festgelegt sind, und die Mitgliedstaaten können verlangen, dass sie im Besitz von Anmeldebescheinigungen sind.

Der Beweislast wird Genüge getan, indem die Anmeldebescheinigung oder – in Ermangelung einer solchen – ein anderer Nachweis über den Aufenthalt des Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat gemäß den in der Richtlinie 2004/38/EG festgelegten Bedingungen vorgelegt wird (siehe Abschnitt 5 – Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate für Unionsbürger und Verwaltungsformalitäten (Artikel 7, 8, 14 und 22 der Richtlinie 2004/38/EG)).

Für den Daueraufenthalt (Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG) müssen Unionsbürger keine zusätzlichen Voraussetzungen erfüllen.

Der Beweislast wird Genüge getan, indem das Dokument zur Bescheinigung des Daueraufenthalts oder in Ermangelung eines solchen Dokuments ein anderer Nachweis für den Daueraufenthalt des Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat gemäß den in der Richtlinie 2004/38/EG festgelegten Bedingungen vorgelegt wird (siehe Abschnitt 9 – Daueraufenthalt (Artikel 16 bis 21 der Richtlinie 2004/38/EG)).

In jedem Fall sind in der Richtlinie 2004/38/EG die erforderlichen Nachweisdokumente nicht für alle möglichen Situationen festgelegt (z. B. Aufenthaltsdokumente, die Familienangehörigen ausgestellt werden, die das Aufenthaltsrecht nach Artikel 12 oder 13 der Richtlinie 2004/38/EG behalten).

Beispiele:

M. ist ein mobiler EU-Arbeitnehmer. Seine Ehefrau Y., die Nicht-Unionsbürgerin ist, möchte ihm in den Aufnahmemitgliedstaat nachziehen. Y. muss nicht nachweisen, dass ihr EU-Ehemann für sie beide über ausreichende Existenzmittel verfügt.

T. ist Nicht-Unionsbürgerin und mit J., einem mobilen EU-Arbeitnehmer, verheiratet. T. reicht einen Antrag auf eine Aufenthaltskarte als Ehefrau eines mobilen EU-Arbeitnehmers ein. T. legt den Nachweis für die Erwerbstätigkeit ihres Ehegatten vor; sie muss jedoch weder nachweisen, dass sie selbst arbeitet, noch dass sie über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt.

R. ist Nicht-Unionsbürger, der mit W. verheiratet ist, einer EU-Rentnerin, die über ausreichende Existenzmittel verfügt. Während die ausreichenden Existenzmittel und der umfassende Krankenversicherungsschutz nachgewiesen werden müssen, muss R. keinen Nachweis über sein Einreisevisum vorlegen.

L. ist drittstaatsangehöriger Vater von M., einer mobilen EU-Arbeitnehmerin. L. beantragt eine Aufenthaltskarte und legt Dokumente vor, aus denen seine finanzielle Abhängigkeit von seiner Tochter M. hervorgeht. L. muss weder den Nachweis erbringen, dass er und seine Tochter in seinem Herkunftsland in demselben Haushalt lebten, noch dafür, dass seine Tochter ihm aufgrund seines Gesundheitszustands Hilfe leisten muss.

Die Mitgliedstaaten können eine Übersetzung, notarielle Beglaubigung oder Legalisation des betreffenden Dokuments nur verlangen, wenn die zuständige nationale Behörde nicht der Sprache mächtig ist, in der ein Dokument abgefasst ist, oder Zweifel an der Echtheit eines Dokuments bestehen (z. B. in Bezug auf die ausstellende Behörde und die Richtigkeit der Daten auf einem Dokument). Weitere Informationen sind Abschnitt 2.2.4 – Nachweisdokumente für die familiäre Beziehung mit dem Unionsbürger zu entnehmen.

7.2   Bearbeitungszeiten für die Ausstellung von Aufenthaltskarten

Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, können unmittelbar nach ihrer Ankunft im Aufnahmemitgliedstaat eine Aufenthaltskarte beantragen, wenn sie beabsichtigen, sich länger als drei Monate im Aufnahmemitgliedstaat aufzuhalten.

Gemäß Artikel 10 Absatz 1 muss die Aufenthaltskarte innerhalb von sechs Monaten nach Antragstellung ausgestellt werden.

Diese Anforderung ist von besonderer Bedeutung, da die Aufenthaltskarte es den Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, erleichtert, ihr Aufenthaltsrecht auszuüben und sich im Aufnahmemitgliedstaat zu integrieren. Der Besitz einer gültigen Aufenthaltskarte befreit den Inhaber von der Visumpflicht für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten. (207) Diese Karte könnte Drittstaatsangehörigen in der Praxis auch die Ausübung ihres Rechts auf Arbeit im Aufnahmemitgliedstaat erleichtern, das ihnen nach Artikel 23 zuerkannt wird. Daher ist es wichtig, dass die nationalen Behörden diese Karte innerhalb der in der Richtlinie festgelegten Frist ausstellen.

Der Begriff „Ausstellung“ impliziert, dass „die zuständigen nationalen Behörden innerhalb der Sechsmonatsfrist ab dem Zeitpunkt der Antragstellung den Antrag prüfen, eine Entscheidung erlassen und dem Antragsteller, wenn er die Voraussetzungen für das Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 erfüllt, diese Aufenthaltskarte ausstellen [müssen]“  (208) .

Die Verpflichtung, die Aufenthaltskarte innerhalb der vorgeschriebenen Frist von sechs Monaten auszustellen, erfordert zwangsläufig, „dass vor Ablauf dieser Frist eine Entscheidung erlassen und dem Betroffenen bekannt gegeben wird“  (209). „Das Gleiche gilt, wenn die zuständigen nationalen Behörden es ablehnen, … die Aufenthaltskarte auszustellen“  (210) (siehe Abschnitt 15 – Verfahrensgarantien (Artikel 30 bis 33 der Richtlinie 2004/38/EG)). Während dieses Zeitraums von sechs Monaten können daher „die zuständigen nationalen Behörden zum Erlass einer positiven oder einer negativen Entscheidung gelangen“. (211)

Abschließend hat der Gerichtshof klargestellt, dass das Unionsrecht „die automatische Eröffnung einer neuen Sechsmonatsfrist nach der gerichtlichen Nichtigerklärung einer ersten Entscheidung, mit der die Ausstellung einer Aufenthaltskarte abgelehnt wird“, verbietet. „Die Behörden sind zum Erlass einer neuen Entscheidung in angemessener Frist verpflichtet, die jedenfalls nicht die Frist des Artikels 10 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38 überschreiten darf.“  (212) Nach der gerichtlichen Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der die Ausstellung einer Aufenthaltskarte abgelehnt wird, sollten die nationalen Behörden daher innerhalb einer angemessenen Frist, die in keinem Fall sechs Monate überschreiten darf, eine neue Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte erlassen.

Darüber hinaus ist nach Artikel 10 Absatz 1 die Bescheinigung über die Einreichung des Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte „unverzüglich“ auszustellen.

Haben die nationalen Behörden ein System für die Vergabe von Terminen für die Beantragung einer Aufenthaltskarte eingeführt, so sollte die Verwaltung dieses Systems sicherstellen, dass diese Termine unverzüglich verfügbar sind.

In einigen Fällen kann die Dauer der Ausstellung einer Aufenthaltskarte die Gültigkeitsdauer des Einreisevisums überschreiten, mit dem der drittstaatsangehörige Familienangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist ist. In diesen Fällen, in denen das Einreisevisum abläuft, bevor eine Aufenthaltskarte ausgestellt wird, müssen drittstaatsangehörige Familienangehörige nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren, um ein neues Einreisevisum zu erlangen. Für die Dauer des Aufenthalts von Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, gelten keinerlei Fristen, solange diese Familienangehörigen und der Unionsbürger, dem sie nachziehen oder den sie begleiten, die einschlägigen Aufenthaltsbedingungen erfüllen.

Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, dürfen nicht infolge des Ablaufs ihres Visums ausgewiesen werden. (213)

Um die Schwierigkeiten zu überwinden, mit denen Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, während der Bearbeitungszeit ihres Aufenthaltsantrags konfrontiert sein könnten, wird empfohlen, dass in der Antragsbescheinigung oder einem anderen Dokument ausdrücklich das Recht des drittstaatsangehörigen Familienangehörigen auf Aufenthalt und Erwerbstätigkeit während der Bearbeitung seines Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte anerkannt wird.

Darüber hinaus könnten Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, während der Bearbeitungszeit ihrer Anträge auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte mit praktischen Schwierigkeiten bei Reisen konfrontiert sein (insbesondere bei der Rückkehr in den Aufnahmemitgliedstaat, in dem sie sich jetzt aufhalten), da sie – ohne die Aufenthaltskarte – noch nicht von der Visumpflicht für die Einreise befreit sind und ihr Einreisevisum möglicherweise abgelaufen ist. Es sollte ihnen das Reisen außerhalb des Aufnahmemitgliedstaats und die Rückkehr in den Aufnahmemitgliedstaat erleichtert werden, insbesondere wenn die Aufenthaltskarte aufgrund von Verzögerungen seitens des ausstellenden Mitgliedstaats noch nicht ausgestellt wurde und (wenn auch nicht ausschließlich) in einer Notsituation (z. B., um zur Beerdigung eines nahen Verwandten zu fahren). Ein für ihre Rückkehr erforderliches Dokument sollte die betreffende Person nach Möglichkeit noch vor ihrer Ausreise aus dem Aufnahmemitgliedstaat erhalten können. In jedem Fall sollten alle Erleichterungen für einen neuen Visumantrag gewährt werden (siehe Abschnitt 3.3 – Visa-Regeln).

Eine Aufenthaltskarte hat nur deklaratorische Wirkung und Beweisfunktion (siehe Abschnitt 12.3 – Arten und Wirkungen der Aufenthaltsdokumente (Artikel 25 der Richtlinie 2004/38/EG)). Sie bescheinigt das Aufenthaltsrecht und ist keine Voraussetzung für andere Rechte, auf die der Familienangehörige Anspruch hat.

8   Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen bei Tod oder Wegzug des Unionsbürgers sowie bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder bei Beendigung der eingetragenen Partnerschaft (Artikel 12 und 13 der Richtlinie 2004/38/EG)

Die Artikel 12 und 13 zielen darauf ab, das Familienleben und die menschliche Würde der Familienangehörigen zu achten, indem unter bestimmten Voraussetzungen sichergestellt ist, dass Familienangehörigen, die sich bereits im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhalten, das Aufenthaltsrecht ausschließlich auf persönlicher Grundlage erhalten bleibt. Daran sind nichtsdestotrotz einige Bedingungen geknüpft.

8.1   Situationen, in denen ein Anspruch auf Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts besteht

Artikel 12 gilt für Fälle, in denen es keinen Unionsbürger mehr gibt, von dem sich Rechte ableiten lassen (weil der Unionsbürger verstorben oder aus dem Aufnahmemitgliedstaat weggezogen ist).

Artikel 13 bezieht sich auf Situationen, in denen die familiäre Bindung (Ehe oder eingetragene Partnerschaft) zwischen dem Unionsbürger und dem Familienangehörigen wegfällt. In Bezug auf Partnerschaften bezieht sich Artikel 13 nur auf „eingetragene“ Partnerschaften.

Familienangehörige, denen gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b ein Aufenthaltsrecht als dauerhafter Lebenspartner eines Unionsbürgers gewährt wurde, können sich nicht auf Artikel 13 berufen. (214) Auf der Grundlage von Artikel 37 der Richtlinie 2004/38/EG haben die Mitgliedstaaten jedoch die Möglichkeit, die Bestimmungen des Artikels 13 auf Fälle auszuweiten, in denen weder eine Ehe noch eine eingetragene Partnerschaft geschlossen wurde, insbesondere in Fällen häuslicher Gewalt (bei einem Aufenthaltsrecht, das aufgrund von günstigeren Bestimmungen gewährt wird, kann aber nicht angenommen werden, dass es aufgrund der Richtlinie 2004/38/EG gewährt worden wäre (215)).

Wenn der Unionsbürger aus dem Aufnahmemitgliedstaat weggezogen ist, können nur Familienangehörige, die Unionsbürger sind, und Familienangehörige, die unter Artikel 12 Absatz 3 fallen, ein Aufenthaltsrecht behalten.

8.2   Erhalten bleibendes Recht

In Fällen, auf die Artikel 12 und 13 zutreffen, behalten die Familienangehörigen ihre Rechte auf persönlicher Grundlage (216), was bedeutet, dass es sich nicht um ein vom Unionsbürger abgeleitetes Aufenthaltsrecht handelt.

8.3   Bedingungen für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts

Wenn die Familienangehörigen vor oder zu dem Zeitpunkt, zu dem das Ereignis eintritt (Tod oder Wegzug des Unionsbürgers, Scheidung usw.), ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erworben haben, kommen keine Bedingungen zum Tragen.

In den Fällen nach Artikel 12 Absatz 3 sind weder für die in Ausbildung befindlichen Kinder noch für den Elternteil, der die elterliche Sorge tatsächlich wahrnimmt, Bedingungen anzuwenden: Sie unterliegen nicht der Voraussetzung ausreichender Existenzmittel und eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes. (217) Dies gilt solange, bis die Kinder ihre Ausbildung abgeschlossen haben. (218)

Die übrigen Situationen sind an Bedingungen geknüpft.

Vor dem Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt müssen Familienangehörige, die Unionsbürger sind und auf die eine der in den Artikeln 12 und 13 genannten Situationen zutrifft, die Bedingungen des Artikels 7 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllen.

Ebenso müssen Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind und auf die eine der in den Artikeln 12 und 13 genannten Situationen zutrifft, vor dem Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt die Voraussetzungen des Artikels 7 Absatz 1 Buchstaben a, b oder d der Richtlinie 2004/38/EG erfüllen oder Angehörige der bereits im Aufnahmemitgliedstaat gegründeten Familie einer Person sein, die diese Bedingungen erfüllt. Nicht-Unionsbürgern gestattet die Erfüllung der Bedingungen des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe c (Personen, die zu Ausbildungszwecken in einer privaten oder öffentlichen Einrichtung eingeschrieben sind) nicht, ihr Aufenthaltsrecht zu behalten.

Die Richtlinie 2004/38/EG enthält keine Klarstellung hinsichtlich des Zeitpunkts, ab dem diese Bedingungen erfüllt sein müssen. Das Ziel der Artikel 12 und 13 der Richtlinie 2004/38 ist es jedoch, rechtliche Garantien für Familienangehörige im Falle des Todes oder des Wegzugs des Unionsbürgers sowie im Fall der Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder bei Beendigung der eingetragenen Partnerschaft vorzusehen. (219) Daher sollten, im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die Bestimmungen über die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts nicht in einer Weise angewandt werden, die diesem Ziel zuwiderläuft. (220) Vielmehr müssen diese Bestimmungen so angewandt werden, dass ihnen nicht ihre praktische Wirksamkeit genommen wird.

Darüber hinaus gelten für Familienangehörige, die Nicht-Unionsbürger sind, je nach dem Ereignis, das zum Verlust des abgeleiteten Aufenthaltsrechts geführt hat, besondere Bedingungen (Artikel 12 Absatz 2 Unterabsatz 1 und Artikel 13 Absatz 2 Buchstaben a, b, c und d). Diese Bedingungen betreffen die Dauer des Aufenthalts in dem Mitgliedstaat, die Dauer der Ehe, die Bindung zu den Kindern oder „besonders schwierige Umstände“.

Beispiele:

Z. ist Staatsangehöriger des Mitgliedstaats A. Er arbeitet und wohnt seit drei Jahren im Mitgliedstaat B. Seine Ehefrau M. ist Nicht-Unionsbürgerin. Sie wohnt seit drei Jahren mit Z. in Mitgliedstaat B. Z. stirbt und M. erbt einen großen Geldbetrag. So wird davon ausgegangen, dass sie über ausreichende Existenzmittel verfügt und auch durch einen umfassenden Krankenversicherungsschutz abgedeckt ist. M. hat nach Artikel 12 Absatz 2 ein Aufenthaltsrecht im Mitgliedstaat B. Als sie nach zwei Jahren dann ein Recht auf Daueraufenthalt erwirbt, ist ihr Aufenthaltsrecht nicht mehr an Bedingungen geknüpft.

P. ist Staatsangehöriger des Mitgliedstaats A. Er arbeitet und wohnt seit drei Jahren im Mitgliedstaat B. Seine Ehefrau M. ist Nicht-Unionsbürgerin. Sie wohnt seit drei Jahren als Ehefrau von P. in Mitgliedstaat B. Sie ist erwerbstätig. P. verlegt seinen Wohnsitz ohne M. zurück in Mitgliedstaat A. M. behält nach der Richtlinie 2004/38/EG kein Aufenthaltsrecht im Mitgliedstaat B, da sie die Ehefrau ohne Unionsbürgerschaft ist und der Wegzug des Unionsbürgers nicht zur Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts nach Artikel 12 der Richtlinie 2004/38/EG führt.

In Fällen, auf die Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 2004/38/EG zutrifft, d. h., wenn die Ehe mindestens drei Jahre und davon mindestens ein Jahr im Aufnahmemitgliedstaat bestanden hat, setzt die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts des drittstaatsangehörigen Familienangehörigen nach einer Scheidung voraus, dass der Unionsbürger bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens im Aufnahmemitgliedstaat bleibt. (221)

Wenn jedoch eine Person, die Nicht-Unionsbürgerin ist, Opfer häuslicher Gewalt durch ihren EU-Ehegatten geworden ist, kann sich diese Person auf die Aufrechterhaltung ihres Aufenthaltsrechts gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe c berufen, solange das gerichtliche Scheidungsverfahren innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Wegzug des Unionsbürgers aus dem Aufnahmemitgliedstaat eingeleitet wird. (222)

Beispiele:

C. ist Staatsangehörige des Mitgliedstaats A. Sie ist seit zwei Jahren mit D. (Nicht-Unionsbürger) verheiratet und in Mitgliedstaat B wohnhaft, als sie ein gerichtliches Scheidungsverfahren einleitet. D. behält sein Aufenthaltsrecht im Mitgliedstaat B gemäß der Richtlinie 2004/38/EG nicht, weil die Ehe nicht mindestens drei Jahre gedauert hat.

K. ist Staatsangehöriger des Mitgliedstaats A. Er arbeitet und wohnt seit zwei Jahren im Mitgliedstaat B. Seine eingetragene Partnerin N. ist Nicht-Unionsbürgerin. In diesen zwei Jahren wohnte und arbeitete N. als eingetragene Partnerin von K. in Mitgliedstaat B. Sie war Opfer häuslicher Gewalt, die K. während ihrer eingetragenen Partnerschaft begangen hat. K. verlässt den Mitgliedstaat B und kehrt ohne N. in den Mitgliedstaat A zurück. Zwei Monate nach dem Wegzug von K. leitet N. das Verfahren zur Beendigung der eingetragenen Partnerschaft ein. N. arbeitet nach wie vor in Mitgliedstaat B. N. behält aufgrund von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe c das Aufenthaltsrecht gemäß der Richtlinie 2004/38/EG im Mitgliedstaat B.

9   Daueraufenthalt (Artikel 16 bis 21 der Richtlinie 2004/38/EG)

Im Einklang mit Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG hat jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten. Dieses Recht unterliegt nicht den in Kapitel III der Richtlinie 2004/38/EG über das Aufenthaltsrecht vorgesehenen Voraussetzungen. Gemäß Artikel 16 Absatz 2 gilt dieses Recht auch für Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind und die sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben.

Im Einklang mit Artikel 17 der Richtlinie kann das Recht auf Daueraufenthalt unter ganz bestimmten Umständen vor Ablauf des ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren erworben werden. (223)

Das Recht auf Daueraufenthalt wird kraft Gesetzes erworben. Das bedeutet, dass Unionsbürger und Familienangehörige, die Nicht-Unionsbürger sind, dieses Recht erwerben, wenn sie die einschlägigen wesentlichen Voraussetzungen erfüllen. (224) Dokumente zur Bescheinigung des Daueraufenthalts haben deklaratorischen und nicht rechtsbegründenden Charakter. (225)

9.1   Das Erfordernis des rechtmäßigen Aufenthalts

Generell gilt, dass der Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt einen rechtmäßigen ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren im Aufnahmemitgliedstaat voraussetzt.

Rechtmäßiger Aufenthalt bedeutet, dass der Aufenthalt im Einklang mit den Bedingungen der Richtlinie 2004/38/EG  (226) und ihren Vorgängerbestimmungen steht.  (227) In diesem Zusammenhangsind drei Punkte hervorzuheben:

Aufenthalte, die im Einklang mit Rechtsgrundlagen stehen, die der Richtlinie 2004/38/EG vorausgingen, können für die Zwecke des Rechts auf Daueraufenthalt nicht berücksichtigt werden, wenn nicht auch die in der Richtlinie 2004/38/EG festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. (228)

Die Dauer eines Aufenthalts, die im Einklang mit anderen EU-Vorschriften steht (z. B. der Verordnung (EU) Nr. 492/2011) oder mit dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats, kann für die Zwecke des Rechts auf Daueraufenthalt nicht berücksichtigt werden, wenn die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38/EG nicht erfüllt sind. (229)

Im Falle des Beitritts eines neuen Mitgliedstaats zur EU und falls es keine Übergangsbestimmung gibt, die die Anwendung der Unionsvorschriften über die Freizügigkeit in der betreffenden Beitrittsakte einschränkt, muss die Aufenthaltszeit von Staatsangehörigen des neuen Mitgliedstaats vor dem EU-Beitritt in einem Aufnahmemitgliedstaat für die Zwecke des Erwerbs des Rechts auf Daueraufenthalt berücksichtigt werden, soweit der Aufenthalt im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38/EG festgelegten Voraussetzungen stand. (230)

In jedem Fall wirkt sich eine Änderung des Status (z. B. vom Studierenden zum Arbeitnehmer) nicht auf die Kontinuität des rechtmäßigen Aufenthalts und damit auf den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt aus, solange der Aufenthalt die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt (siehe Abschnitt 5 – Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate für Unionsbürger und Verwaltungsformalitäten (Artikel 7, 8, 14 und 22 der Richtlinie 2004/38/EG)).

Darüber hinaus bewirkt der Besitz eines gültigen Aufenthaltsdokuments nicht, dass der Aufenthalt rechtmäßig ist, auch nicht für die Zwecke des Erwerbs des Rechts auf Daueraufenthalt (231) (siehe Abschnitt 12.3 – Arten und Wirkungen der Aufenthaltsdokumente (Artikel 25 der Richtlinie 2004/38/EG)).

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass, sobald ein Unionsbürger das Recht auf Daueraufenthalt erwirbt, die Voraussetzungen des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe a bis c nicht mehr gelten, und zwar weder für den Unionsbürger noch für seine Familienangehörigen, einschließlich der Hauptbetreuungsperson eines mobilen minderjährigen Unionsbürgers. (232)

9.2   Berechnung des ununterbrochenen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalts

Der für den Erwerb des Aufenthaltsrechts erforderliche Zeitraum muss nicht unmittelbar vor dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Rechts auf Daueraufenthalt liegen. (233) Zeiten des ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalts verleihen das Recht auf Daueraufenthalt „von dem Zeitpunkt an, zu dem sie zurückgelegt sind“  (234).

Für den Erwerb eines Daueraufenthalts anrechenbare Aufenthaltszeiten sind Zeiten, die die in der Richtlinie 2004/38/EG, insbesondere in Artikel 7, Artikel 12 Absatz 2 und Artikel 13 Absatz 2, festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Mehrere aufeinanderfolgende Aufenthalte für einen kurzen Zeitraum auf der Grundlage von Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG können für diesen Zweck, selbst wenn sie zusammen betrachtet werden, nicht berücksichtigt werden. (235)

Unionsbürger und ihre Familienangehörigen können für eine gewisse Zeit in dem Aufnahmemitgliedstaat abwesend sein, ohne die Kontinuität ihres Aufenthalts in diesem Mitgliedstaat zu unterbrechen. Gemäß Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 2004/38/EG wird die Kontinuität des Aufenthalts nicht durch die folgenden vorübergehenden Abwesenheiten unterbrochen:

Abwesenheiten (eine oder mehrere) von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr,

längere Abwesenheiten (eine oder mehrere) wegen der Erfüllung militärischer Pflichten,

eine Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinanderfolgenden Monaten aus wichtigen Gründen, z. B. (Hinweis: diese Aufzählung ist nicht erschöpfend): a) Schwangerschaft und Niederkunft, b) schwere Krankheit, c) Studium oder Berufsausbildung, oder d) berufliche Entsendung ins Ausland.

In den ersten beiden Fällen müssen die Abwesenheiten nicht aufeinanderfolgen. Mehrere nicht aufeinanderfolgende Abwesenheiten sind kumulativ zu berücksichtigen.

Der Zeitraum für die sechsmonatige Abwesenheit ist für jedes Jahr des Aufenthalts zu berechnen. Jedes Jahr beginnt mit dem Jahrestag des Beginns des Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat im Einklang mit den Aufenthaltsbedingungen der Richtlinie 2004/38/EG (236) (siehe Abschnitt 9.1 – Das Erfordernis des rechtmäßigen Aufenthalts). Folglich können Unionsbürger und ihre Familienangehörigen in den Jahren bis zum Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt eine vorübergehende Abwesenheit in Anspruch nehmen, die insgesamt sechs Monate pro Jahr nicht übersteigt. Zeiten des ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalts verleihen das Recht auf Daueraufenthalt „von dem Zeitpunkt an, zu dem sie zurückgelegt sind“  (237).

Eine gegen den Betroffenen rechtmäßig vollstreckte Ausweisungsverfügung bewirkt eine Unterbrechung der Kontinuität des Aufenthalts (im Wesentlichen ist das Aufenthaltsrecht als solches durch eine gegen den Betroffenen ordnungsgemäß vollstreckte Ausweisungsverfügung beendet).

Durch eine Haftzeit, bevor das Recht auf Daueraufenthalt erworben wird, wird die Berechnung des Zeitraums an den Anfang gesetzt, und es muss ein neuer ununterbrochener Aufenthalt von fünf Jahren zurückgelegt werden. (238)

9.3   Verlust des Rechts auf Daueraufenthalt

Gemäß Artikel 16 Absatz 4 führt, wenn das Recht auf Daueraufenthalt erworben wurde, nur die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat, die zwei aufeinanderfolgende Jahre überschreitet, zu seinem Verlust.

Jede physische Anwesenheit – auch für nur wenige Tage – im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats während eines Zeitraums von zwei aufeinanderfolgenden Jahren reicht aus, um den Verlust des Daueraufenthalts zu verhindern. (239) Die dadurch gegebene Situation (d. h. wenn eine Person, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben hat, einige Tage pro Jahr im Aufnahmemitgliedstaat verbracht hat und somit nicht während eines Zeitraums von zwei aufeinanderfolgenden Jahren abwesend war) ist von der Situation zu unterscheiden, in der Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein solche Person einen Rechtsmissbrauch begangen hat. (240)

9.4   Nachweisdokumente

Um beurteilen zu können, ob ein Recht auf Daueraufenthalt erworben wurde, sind die Mitgliedstaaten berechtigt, Folgendes zu prüfen:

die Kontinuität des Aufenthalts,

die Dauer des Aufenthalts,

ob der Aufenthalt als „rechtmäßig“ angesehen werden kann (siehe Abschnitt 9.1 – Das Erfordernis des rechtmäßigen Aufenthalts).

In den meisten Fällen umfasst der Nachweis des rechtmäßigen Aufenthalts den Nachweis eines ununterbrochenen Aufenthalts. In Artikel 21 der Richtlinie 2004/38/EG ist klargestellt, dass „die Kontinuität des Aufenthalts durch eines der im Aufenthaltsmitgliedstaat üblichen Beweismittel nachgewiesen“ wird.

Beispiele:

L., eine Unionsbürgerin, hat sich in den letzten fünf Jahren ununterbrochen in Mitgliedstaat A aufgehalten. Sie weist nach, dass sie über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügte und legt Kontoauszüge vor, aus denen hervorgeht, dass sie während ihres Aufenthalts über ausreichende Existenzmittel verfügte. Sie muss keinen Nachweis dafür erbringen, dass sie erwerbstätig war, noch, dass sie in der Zeit nach dem Erwerb ihres Rechts auf Daueraufenthalt eine Beschäftigung finden oder weiterhin über ausreichende Existenzmittel verfügen wird.

N., ein Unionsbürger, weist hinreichend nach, dass er während seines fünfjährigen Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat einen Arbeitnehmerstatus hatte. Er muss keinen Nachweis dafür erbringen, dass er während seines Aufenthalts über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügte.

L., eine Unionsbürgerin, ist als Studentin in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist. Während des zweiten und dritten Studienjahrs hat sie außerdem in einem Geschäft gearbeitet. Nach Abschluss ihres Studiums gründete sie ein Unternehmen. Die Tatsache, dass sie Dokumente vorlegt, die unterschiedliche Status belegen, und dass einige dieser Dokumente eine Überschneidung zwischen ihrem Studenten- und dem Arbeitnehmerstatus belegen, hat keinen Einfluss auf die Prüfung ihres Antrags, da die Behörden den Schwerpunkt auf die Kontinuität und Rechtmäßigkeit des Aufenthalts setzen sollten.

G., ein Nicht-Unionsbürger, wohnte fünf Jahre lang mit seiner Ehefrau L., einer mobilen EU-Arbeitnehmerin, in Mitgliedstaat B. Als Familienangehöriger einer mobilen EU-Arbeitnehmerin muss der Nicht-Unionsbürger nicht nachweisen, dass er während seines fünfjährigen Aufenthalts erwerbstätig war.

T., eine Unionsbürgerin, wohnt seit 2014 ununterbrochen als mobile EU-Arbeitnehmerin in Mitgliedstaat A. Ihr drittstaatsangehöriger Ehemann L. lebt seit 2016 mit ihr in Mitgliedstaat A, hat aber in Mitgliedstaat A nie gearbeitet. L. kann sein Recht auf Daueraufenthalt ab 2021 erwerben.

9.5   Bearbeitungszeiten

Gemäß Artikel 19 Absatz 2 der Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten das Dokument zur Bescheinigung des Daueraufenthalts den Unionsbürgern auf Antrag „so bald wie möglich“ aus.

Kann das Dokument zur Bescheinigung des Daueraufenthalts nicht vor Ort ausgestellt werden, wenn der Antrag und die entsprechenden Nachweise übergeben werden, sollte dies innerhalb der darauffolgenden Tage erfolgen (z. B. nach sieben bis zehn Tagen). Im Falle laufender Ermittlungen in einem mutmaßlichen Missbrauchs- oder Betrugsfall kann die Ausstellung aufgeschoben werden, wobei der Effektivitätsgrundsatz und das mit der Richtlinie 2004/38/EG untrennbar verbundene Ziel einer zügigen Bearbeitung von Anträgen zu wahren sind. (241)

Für Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, beträgt die Frist für die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte gemäß Artikel 20 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG sechs Monate ab Einreichung des Antrags.

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs in Bezug auf die Bearbeitungszeit für die Ausstellung von Aufenthaltskarten gemäß Artikel 10 der Richtlinie 2004/38/EG (siehe Abschnitt 7.2 – Bearbeitungszeiten für die Ausstellung von Aufenthaltskarten) ist für die Ausstellung von Daueraufenthaltskarten maßgeblich.

Wie in Abschnitt 12.3 – Arten und Wirkungen der Aufenthaltsdokumente (Artikel 25 der Richtlinie 2004/38/EG) näher erläutert, haben Dokumente zur Bescheinigung des Daueraufenthalts und Daueraufenthaltskarten keinen rechtsbegründenden Charakter, sondern dienen dazu, das Bestehen von Rechten nach dem EU-Freizügigkeitsrecht zu bescheinigen.

10   Recht auf Arbeit (Artikel 23 der Richtlinie 2004/38/EG)

Gemäß Artikel 23 der Richtlinie haben Familienangehörige eines Unionsbürgers, die das Recht auf Aufenthalt in einem Aufnahmemitgliedstaat genießen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit das Recht, im Aufnahmemitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger aufzunehmen. Dieses Recht gilt für Familienangehörige im Sinne des Artikels 2 Nummer 2 der Richtlinie 2004/38/EG und für Familienangehörige „im weiteren Sinne“ gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG.

In diesem Zusammenhang umfasst das Recht auf Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat auch Familienangehörige von Unionsbürgern, denen Unterhalt gewährt wird und die auch nach Beendigung ihrer Unterhaltsbedürftigkeit weiterhin ein Aufenthaltsrecht haben können. (242)

Das Recht von Familienangehörigen auf Arbeit kann nicht vom Besitz eines gültigen Visums, einer gültigen Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte oder einer gültigen Bescheinigung über die Beantragung einer Aufenthaltskarte als Familienangehöriger abhängig gemacht werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Berechtigungen mit jedem geeigneten Beweismittel nachgewiesen werden können. Diese Dokumente haben keinen rechtsbegründenden Charakter im Hinblick auf das Aufenthaltsrecht, sondern dienen lediglich dazu, bestehende, unmittelbar durch das Unionsrecht verliehene Rechte zu bescheinigen. (243)

11   Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG)

Dem Gerichtshof zufolge erfasst das Diskriminierungsverbot „nicht nur unmittelbare Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle Formen der mittelbaren Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen“  (244). Eine unmittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn dies im Unionsrecht ausdrücklich vorgesehen ist. Es wäre „eine mittelbare Schlechterbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhte und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck stünde, der mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgt würde“  (245).

In Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG wird das in Artikel 18 AEUV sowie in Artikel 21 Absatz 2 der Grundrechtecharta verankerte Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Bezug auf Unionsbürger, die von ihrem Recht Gebrauch machen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (246), konkretisiert.

Gemäß Artikel 24 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG genießt jeder Unionsbürger, der sich auf der Grundlage der Richtlinie 2004/38/EG im Aufnahmemitgliedstaat aufhält, im Anwendungsbereich der Verträge die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. (247) Gleiches gilt für ihre Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind und gemäß der Richtlinie 2004/38/EG ein Aufenthaltsrecht oder ein Daueraufenthaltsrecht haben.

Das in Artikel 24 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG verankerte Diskriminierungsverbot gilt jedoch nur für Personen, die sich unter Einhaltung der in der Richtlinie 2004/38/EG festgelegten Voraussetzungen für den Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten, und hängt daher von der Erfüllung dieser Voraussetzungen ab.

Darüber hinaus bestehen Garantien, um die Aufnahmemitgliedstaaten vor unangemessenen finanziellen Belastungen zu schützen. In diesem Sinne lässt Artikel 24 Absatz 2 spezifische Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung zu. Dadurch ist für den Aufnahmemitgliedstaat Folgendes zulässig:

a)

Er kann Unionsbürgern während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts oder während des längeren Aufenthalts bei Arbeitsuchenden, die ihr Recht von Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG ableiten, keine Sozialhilfe gewähren. Diese Ausnahmeregelung gilt jedoch nicht für Unionsbürger, die Arbeitnehmer oder Selbstständige sind, und ihre Familienangehörigen (siehe Abschnitte 11.1 – Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu Sozialhilfe: Leistungen und Bedingungen und 11.2 – Verbindung zwischen Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG und der Verordnung (EU) Nr. 492/2011).

Diese Ausnahmeregelung gilt nur für „Sozialhilfeleistungen“ und erstreckt sich nicht auf andere Arten von Leistungen, insbesondere auf Leistungen der sozialen Sicherheit. Familienleistungen, die unabhängig vom individuellen Bedürfnis des Begünstigten gewährt werden und nicht zur Deckung des Lebensunterhalts, sondern zum Ausgleich von Familienlasten bestimmt sind, fallen nicht unter den Begriff „Sozialhilfe“ im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG. Dies gilt insbesondere für Familienleistungen, die Familien automatisch gewährt werden, wenn sie bestimmte objektive Kriterien erfüllen, insbesondere hinsichtlich ihrer Größe, ihres Einkommens und ihrer Kapitalmittel, ohne dass eine individuelle und ermessensabhängige Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit erfolgt. (248) Diese Leistungen können jedoch von anderen Bedingungen abhängig gemacht werden, insbesondere von der Prüfung des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts (siehe Abschnitt 11.3 – Verhältnis zwischen Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG und der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit).

b)

Er kann vor dem Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Unionsbürgern, die wirtschaftlich nicht aktive Personen, Studierende oder Arbeitsuchende sind (einschließlich Arbeitsuchende, die noch nicht im Aufnahmemitgliedstaat gearbeitet haben oder bei denen der Unionsbürger ein Arbeitsuchender ist, der nach einer Erwerbstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat dort nicht mehr den Status eines Arbeitnehmers behält), sowie ihren Familienangehörigen keine Studienbeihilfe (Stipendien oder Studiendarlehen), einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, gewähren.

11.1   Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu Sozialhilfe: Leistungen und Bedingungen

11.1.1   Leistungen der Sozialhilfe

Sozialhilfe gewährt ein Mitgliedstaat in der Regel Personen, die nicht über ausreichende Mittel zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse verfügen. Der Gerichtshof hat entschieden, dass Sozialhilfe sich auf „sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme bezieht, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann“  (249). Die Sozialhilfe darf jedoch nicht anhand von formalen Kriterien bestimmt werden, sondern ist anhand des mit dieser Bestimmung verfolgten Ziels zu festzulegen. Finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, können nicht als Sozialhilfeleistungen angesehen werden. (250) Wenn jedoch eine Leistung andere Funktionen erfüllt, fällt sie unter die Definition der Sozialhilfe, sofern ihre überwiegende Funktion darin besteht, das Minimum an Existenzmitteln zu gewährleisten, das erforderlich ist, um ein Leben zu führen, das der Menschenwürde entspricht. (251)

Je nach ihrer überwiegenden Funktion, die von Fall zu Fall zu beurteilen ist, könnten beispielsweise die folgenden Leistungen als „Sozialhilfeleistungen“ angesehen werden:

eine zum steuerfinanzierten System des sozialen Schutzes gehörende Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts, bei deren Gewährung es u. a. auf die Mittel ankommt, über die die betreffende Person verfügt, und deren Ziel darin besteht, andere Sozialleistungen zu ersetzen wie die auf dem Einkommen beruhende Leistung für Arbeitssuchende, die auf dem Einkommen beruhende Leistung bei Beschäftigung und zur Unterstützung, die Beihilfe zum Einkommen, die Steuergutschrift für erwerbstätige Personen, die Steuergutschrift für Kinder und das Wohngeld (252),

Mietzuschüsse für Personen mit kurzfristigem Wohnbedarf, die in privaten Mietwohnungen leben und ihre Miete nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können.

11.1.2   Personengruppen, die Anspruch auf dieselben Sozialhilfeleistungen haben wie Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats

Die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats nach Artikel 24 Absatz 1 kann nur verlangt werden, wenn der Aufenthalt des Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt. (253)

Dies bedeutet, dass folgende Personengruppen Anspruch auf dieselben Sozialhilfeleistungen haben wie Staatsangehörige:

Unionsbürger, die Arbeitnehmer oder Selbstständige sind (oder Personen, die diesen Status behalten (254)) und ihre Familienangehörigen. Diese Personengruppen haben ab Beginn ihres Aufenthalts Anspruch auf Gleichbehandlung. (255)

Unionsbürger, die im Aufnahmemitgliedstaat das Recht auf Daueraufenthalt erworben haben, und ihre Familienangehörigen.

Beispiel:

Y. ist ein Unionsbürger, der mit einer mobilen EU-Arbeitnehmerin verheiratet ist. Y. hat seinen Arbeitsplatz verloren und verfügt nicht mehr über den Status als Arbeitnehmer. Er beantragt Sozialhilfe. Der Aufnahmemitgliedstaat kann ihm die Gewährung der Sozialhilfe nicht mit der Begründung verweigern, dass er ein wirtschaftlich nicht aktiver Unionsbürger sei und nicht über ausreichende Existenzmittel verfüge. Als Ehegatte einer EU-Arbeitnehmerin hat er Anspruch auf dieselben Sozialhilfeleistungen wie Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats.

M. ist ein mobiler EU-Arbeitnehmer und hat einen gleichgeschlechtlichen Ehepartner. Das Paar hat einen Sohn. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf dieselben Sozialhilfeleistungen für seine Familienangehörigen wie Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, auch wenn die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats eine solche Elternschaft und/oder die Ehe nicht anerkennen.

Wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger sind zwar nicht ausdrücklich von der Gleichbehandlung bei der Sozialhilfe ausgeschlossen, doch kann ihr Recht auf Gleichbehandlung in dieser Hinsicht in der Praxis eingeschränkt werden, bis sie ein Recht auf Daueraufenthalt erwerben (siehe nachstehenden Abschnitt über Personengruppen, denen es verwehrt werden kann, dieselben Sozialhilfeleistungen zu erhalten wie Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats).

11.1.3   Personengruppen, denen verwehrt werden kann, dieselben Sozialhilfeleistungen zu erhalten wie Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats

Während der ersten drei Monate des Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat können Unionsbürgern, die keine Arbeitnehmer, Selbstständige oder Personen sind, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen Sozialhilfeleistungen verweigert werden, ohne eine individuelle Prüfung der Umstände des Betreffenden vorzunehmen. (256)

Während des anschließenden Aufenthalts von bis zu fünf Jahren kann der Aufnahmemitgliedstaat die Gewährung von Sozialhilfeleistungen an nicht erwerbstätige Unionsbürger und EU-Studierende verweigern, die nicht über ausreichende Existenzmittel für sich und ihre Familienangehörigen verfügen und sich daher nicht im Einklang mit der Richtlinie 2004/38/EG (Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c) im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten. (257) Dies bedeutet, dass wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger in der Praxis kaum Anspruch auf Sozialhilfeleistungen haben, da sie für den Erwerb des Aufenthaltsrechts den nationalen Behörden nachgewiesen haben müssten, dass sie über ausreichende Existenzmittel verfügen, die ungefähr gleich oder höher als die Einkommensgrenze sind, bis zu der Sozialhilfe gewährt wird. Unter diesen Umständen „ist bei der Beurteilung der Frage, ob ein Unionsbürger gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38 über ausreichende Existenzmittel verfügt und sich daher im Aufnahmemitgliedstaat auf das Diskriminierungsverbot des Artikel 24 Absatz 1 der Richtlinie berufen kann, … eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen, bei der die beantragten Sozialhilfeleistungen außer Betracht bleiben“  (258).

Für Arbeitsuchende und ehemalige Arbeitnehmer, die ihren Arbeitnehmerstatus verloren haben (d. h. wenn a) der Unionsbürger ein Arbeitsuchender ist, der noch nicht im Aufnahmemitgliedstaat gearbeitet hat, oder b) der Unionsbürger ein Arbeitsuchender ist, der zuvor beschäftigt war, aber dem der Arbeitnehmerstatus im Aufnahmemitgliedstaat nicht erhalten bleibt (siehe Abschnitt 5.1.2 – Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbstständiger), können die zuständigen Behörden die Gewährung von Sozialhilfeleistungen verweigern, ohne eine individuelle Prüfung der Umstände der Person vorzunehmen. (259) Weitere Informationen in Bezug auf Arbeitsuchende sind Abschnitt 6 – Recht auf Aufenthalt für Arbeitsuchende (Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG) und Teil II der Mitteilung der Kommission von 2010 „Bekräftigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer: Rechte und wesentliche Entwicklungen“ zu entnehmen.

Mit dieser Ausschlussregelung soll sichergestellt werden, dass die Sozialhilfesysteme des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen belastet werden.

Findet Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG keine Anwendung, weil sich der Unionsbürger nicht im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG, sondern auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts rechtmäßig im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, dürfen die zuständigen nationalen Behörden einen Antrag auf Sozialhilfe nur ablehnen, wenn sie sich vergewissert haben, dass diese Ablehnung den mobilen Unionsbürger nicht einem konkreten und gegenwärtigen Risiko der Verletzung seiner in der Grundrechtecharta verbürgten Grundrechte aussetzt. (260)

Beispiele:

M. ist Staatsangehörige des Mitgliedstaats A. Sie ist in Mitgliedstaat B umgezogen, um dort eine Arbeit zu suchen. Die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats B können M. die Gewährung von Sozialhilfeleistungen verweigern.

T. ist Staatsangehöriger des Mitgliedstaats A. Er ist in den Mitgliedstaat B umgezogen, wo er für eine bestimmte Zeit gearbeitet hat. Er hat seinen Arbeitsplatz verloren, aber seinen Arbeitnehmerstatus behalten (siehe Abschnitt 5.1.2 – Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbstständiger). Er beantragte Sozialhilfe. T. hat Anspruch auf Sozialhilfeleistungen auf derselben Grundlage wie Staatsangehörige des Mitgliedstaats B.

R. ist Staatsangehörige des Mitgliedstaats A. Sie ist in den Mitgliedstaat B umgezogen, wo sie als Selbstständige arbeitet. R. hat Anspruch auf Sozialhilfeleistungen auf derselben Grundlage wie Staatsangehörige des Mitgliedstaats B.

11.2   Verbindung zwischen Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG und der Verordnung (EU) Nr. 492/2011

In der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 sind die Rechte festgelegt, die für mobile EU-Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen gelten. Gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs (261) können sich selbstständig erwerbstätige Unionsbürger, auf die Artikel 49 AEUV zutrifft, auf ihre Rechte aus der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 berufen, die entsprechend gilt.

In Bezug auf die Wechselwirkung zwischen Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG und der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 sind zwei Aspekte hervorzuheben.

Erstens genießen mobile EU-Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen bestimmte und unabhängige Rechte, die in der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 (262)festgelegt sind. Diese Rechte können nicht durch Artikel 24 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG infrage gestellt werden. So können die Ausnahmeregelungen des Artikels 24 Absatz 2 beispielsweise nicht auf Personen angewandt werden, die gemäß Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 ein Aufenthaltsrecht und Zugang zu Sozialhilfeleistungen als Hauptbetreuungspersonen für in Ausbildung befindliche Kinder haben. (263)

Zweitens entsprechen die unter die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 fallenden „Familienangehörigen“ den von der Richtlinie 2004/38/EG erfassten „Familienangehörigen“. (264) Das bedeutet, dass Familienangehörige von Arbeitnehmern und Selbstständigen von der Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG profitieren, aber auch von der Anwendung der Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Gleichbehandlung. Diese Familienangehörigen können sich daher auf diese Verordnung berufen, um die Gleichbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat in Bezug auf alle sozialen und steuerlichen Vergünstigungen geltend zu machen. (265) Einige Beispiele für solche Rechte sind die Gleichbehandlung bei Stipendien, die aufgrund einer Vereinbarung des Aufnahmemitgliedstaats in einem Bereich vergeben werden, der nicht in den Anwendungsbereich des AEUV fällt (266), bei Preisvergünstigungen für öffentliche Verkehrsmittel bei kinderreichen Familien (267) und beim Anspruch auf Sozialleistungen (268). Darüber hinaus sollte gemäß der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 auch das Kind eines Arbeitnehmers/Selbstständigen in den Genuss der Gleichbehandlung bei der Zulassung zur Bildung kommen, wenn das Kind in dem Mitgliedstaat wohnt, in dem der Arbeitnehmer/Selbstständige erwerbstätig ist.

Beispiel:

Ein drittstaatsangehöriger gleichgeschlechtlicher Ehegatte eines erwerbstätigen/selbstständigen mobilen Unionsbürgers, auf den Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe a der Richtlinie 2004/38/EG  (269) zutrifft, hat Anspruch auf dieselben sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, selbst wenn im Recht des Aufnahmemitgliedstaats gleichgeschlechtliche Ehen nicht anerkannt sind.

11.3   Verhältnis zwischen Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG und der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

Die Sozialversicherungsansprüche mobiler Unionsbürger auf EU-Ebene sind in den Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 (270) und Nr. 987/2009 (271) (im Folgenden „Koordinierungsverordnungen“) geregelt.

In den Koordinierungsverordnungen sind „Kollisionsnormen“ festgelegt, um zu bestimmen, welche einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit auf eine Person in einer grenzüberschreitenden Situation anwendbar sind. (272) Das Unionsrecht in diesem Bereich sorgt für die Koordinierung und nicht die Vereinheitlichung der Systeme der sozialen Sicherheit. Das bedeutet, dass jeder Mitgliedstaat sein System der sozialen Sicherheit – unter anderem die Art und die Berechnung der Leistungen, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme und die Höhe der Beiträge – selbst festsetzt. Daher unterscheiden sich in den einzelnen Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für den Anspruch auf Sozialleistungen.

Typische Leistungen der sozialen Sicherheit umfassen Altersrenten, Hinterbliebenenrenten, Leistungen bei Invalidität, Leistungen bei Krankheit (einschließlich Gesundheitsversorgung), Mutterschafts- und Vaterschaftsleistungen, Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Familienleistungen.

Nach den Koordinierungsverordnungen sind Arbeitnehmer oder Selbstständige und ihre Familienangehörigen dem System der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats angeschlossen, in dem ihre Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. (273) Für sie gelten dieselben Bedingungen wie für die Staatsangehörigen des Mitgliedstaats.

Wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger unterliegen grundsätzlich den Sozialversicherungsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Wohnsitz haben. Um Anspruch auf Leistungen zu haben, die nach den Koordinierungsverordnungen koordiniert sind, müssen sie die in den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen. Es sei darauf hingewiesen, dass der Begriff „Wohnsitz“ in der Richtlinie 2004/38/EG nicht im Sinne der Koordinierungsverordnungen zu verstehen ist. Den Koordinierungsverordnungen zufolge kann eine Person nur einen einzigen Wohnsitz haben. Dieser entspricht dem Mitgliedstaat, in dem die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat und in dem sich der gewöhnliche Mittelpunkt ihrer Interessen befindet. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die familiäre Situation der betroffenen Person, die Gründe, die sie zu einem Wohnortwechsel veranlasst haben, die Dauer und Kontinuität ihres Aufenthalts, die Tatsache (sofern zutreffend), dass die Person in einem stabilen Beschäftigungsverhältnis steht, sowie der sich aus den Begleitumständen ergebende Wille der Person zu berücksichtigen. (274)

Im Gegensatz dazu behalten Personen, die nur vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat umziehen, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ihrem Herkunftsmitgliedstaat und fallen somit unter das System der sozialen Sicherheit des Herkunftsmitgliedstaats (z. B. fällt ein Studierender, der vorübergehend aus seinem Herkunftsmitgliedstaat umgezogen ist, um in einem anderen Mitgliedstaat zu studieren, unter das System des Herkunftsmitgliedstaats und nicht das des Mitgliedstaats, in dem er studiert).

Weitere Beispiele in Bezug auf die Bestimmung des Ortes des gewöhnlichen Aufenthalts sind dem Praktischen Leitfaden der Kommission zum anwendbaren Recht in der EU, im EWR und in der Schweiz (Teil III) (275) zu entnehmen.

Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die Merkmale sowohl von Leistungen der sozialen Sicherheit als auch von Sozialhilfe aufweisen, fallen in den Anwendungsbereich sowohl der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (276) als auch der Richtlinie 2004/38/EG (277). Das bedeutet, dass der Aufnahmemitgliedstaat wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgern solche Leistungen verweigern kann, wenn sie die Anforderung nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie, über ausreichende Existenzmittel zu verfügen, nicht erfüllen (siehe Abschnitt 11.1 – Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu Sozialhilfe: Leistungen und Bedingungen). (278)

In der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ist der Begriff „Familienangehöriger“ nicht harmonisiert. Bei der Anwendung der Verordnung setzen die nationalen Behörden jedoch das Unionsrecht im Sinne von Artikel 51 Absatz 1 der Grundrechtecharta um. Sie müssen daher Artikel 21 Absatz 1 der Grundrechtecharta (der sich insbesondere auf die Nichtdiskriminierung aus Gründen der sexuellen Ausrichtung bezieht), Artikel 24 der Grundrechtecharta (Wohlergehen des Kindes) und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes achten. (279) Das bedeutet, dass die von den Mitgliedstaaten für „Familienangehörige“ verwendeten Definitionen nicht zu einer Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung führen dürfen. Auf dieser Grundlage kann einem mobilen gleichgeschlechtlichen Paar der Zugang zu einer Leistung der sozialen Sicherheit (z. B. einer Hinterbliebenenrente) nicht mit der Begründung verweigert werden, dass seine familiäre Beziehung nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats nicht anerkannt wird. (280) In gleicher Weise kann dem Kind eines gleichgeschlechtlichen Paares der Zugang zu einer Leistung der sozialen Sicherheit (z. B. Beitritt zum öffentlichen Krankenversicherungssystem) nicht mit der Begründung verweigert werden, dass diese Elternschaft nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats nicht anerkannt wird. Die zwingende Anerkennung der familiären Beziehung im Rahmen der Freizügigkeit ist ausreichend. Die familiäre Beziehung muss nicht in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats anerkannt sein.

11.4   Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung: Leistungen und Bedingungen

„Staatlich finanzierte Leistungen der medizinischen Versorgung, die ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit Personen gewährt werden, die unter die in den nationalen Rechtsvorschriften definierten Kategorien von Empfängern fallen,“ stellen „Leistungen bei Krankheit“ im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dar. (281)

Wie oben erläutert, sind EU-Arbeitnehmer oder -Selbstständige und ihre Familienangehörigen im Mitgliedstaat der Beschäftigung/Selbstständigkeit sozialversichert. (282) Wohnen ein EU-Arbeitnehmer oder -Selbstständiger und seine Familienangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beschäftigungsmitgliedstaat, so haben sie an ihrem Wohnort auf der Grundlage des PD S1 unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige des Wohnsitzmitgliedstaats Zugang zur Gesundheitsversorgung für Rechnung des Beschäftigungsmitgliedstaats. (283)

Studierende, die vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat studieren, haben Anspruch auf eine medizinisch notwendige Behandlung im Aufnahmemitgliedstaat auf der Grundlage der Europäischen Krankenversicherungskarte (EKVK). (284)

Rentner, die im Ausland in den Ruhestand treten, bleiben weiterhin im öffentlichen Krankenversicherungssystem des für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaats. Sie haben auch Anspruch auf Gesundheitsversorgung im Wohnmitgliedstaat auf der Grundlage des PD S1 unter denselben Bedingungen wie Personen, die in diesem Mitgliedstaat für Rechnung des für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaats versichert sind. (285)

Andere wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger, die in einen anderen Mitgliedstaat umziehen und ihr Aufenthaltsrecht gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten ausüben, haben das Recht, dem öffentlichen Krankenversicherungssystem des Aufnahmemitgliedstaats beizutreten. Dieses Recht ergibt sich insbesondere aus Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, mit dem u. a. verhindert werden soll, „dass Personen, die in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallen, der Schutz im Bereich der sozialen Sicherheit vorenthalten wird, weil keine Rechtsvorschriften auf sie anwendbar sind“. (286) Vor dem Erwerb des Daueraufenthaltsrechts kann der Aufnahmemitgliedstaat jedoch vorsehen, dass der Zugang zum öffentlichen Krankenversicherungssystem nicht unentgeltlich ist, um zu vermeiden, dass die betreffende Person die öffentlichen Finanzen dieses Mitgliedstaats unangemessen in Anspruch nimmt (siehe Abschnitt 5.2.2 – Umfassender Krankenversicherungsschutz). (287) Sobald sie ihr Recht auf Daueraufenthalt erworben haben, kann ihnen diese Bedingung nicht mehr auferlegt werden. (siehe Abschnitt 9 – Daueraufenthalt (Artikel 16 bis 21 der Richtlinie 2004/38/EG)).

Personen, die sich vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat als dem aufhalten, in dem sie versichert sind (z. B. aufgrund von Urlaub, Geschäftsreise oder Studium), haben Anspruch auf eine medizinisch notwendige Behandlung auf der Grundlage der EKVK. (288)

Zusätzlich zu der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 können Personen gemäß der Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung auch Gesundheitsdienstleistungen in einem anderen EU-Land als dem, in dem sie wohnen, in Anspruch nehmen und sich die Kosten für die Behandlung im Ausland erstatten lassen. (289) Während die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 den Zugang zur Gesundheitsversorgung durch öffentliche und vertraglich gebundene Leistungserbringer regelt, gilt die Richtlinie 2011/24/EU für alle (privaten und öffentlichen) Gesundheitsdienstleister, unabhängig von ihrer Beziehung zum öffentlichen Gesundheitssystem. In diesem Rahmen sind in der Richtlinie 2011/24/EU die Bedingungen festgelegt, unter denen ein Patient in ein anderes EU-Land reisen darf, um medizinische Versorgung und Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen. Sie deckt die Kosten der Gesundheitsversorgung sowie die Verschreibung und Lieferung von Medikamenten und medizinischen Geräten bis zu dem Betrag ab, den die Behandlung im Wohnsitzland gekostet hätte.

12   Aufenthaltsdokumente (Artikel 8, 10, 19, 20 und 25 der Richtlinie 2004/38/EG)

12.1   Anmeldebescheinigungen und Dokumente zur Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts, die Unionsbürgern ausgestellt werden (Artikel 8 und 19 der Richtlinie 2004/38/EG und Artikel 6 der Verordnung (EU) 2019/1157): Format, Mindestangaben und Gültigkeitsdauer

Gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG können die Mitgliedstaaten von mobilen Unionsbürgern für Aufenthalte von über drei Monaten verlangen, dass sie sich bei den zuständigen Behörden anmelden. Die Entscheidung liegt daher bei den einzelnen Mitgliedstaaten, ob sie diese Verpflichtung mobilen Unionsbürgern auferlegen möchten (siehe Abschnitt 5 – Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate für Unionsbürger und Verwaltungsformalitäten (Artikel 7, 8, 14 und 22 der Richtlinie 2004/38/EG)).

Während das Format von Anmeldebescheinigungen und von Dokumenten zur Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts für Unionsbürger nicht harmonisiert ist, sind in der Verordnung (EU) 2019/1157, die seit dem 2. August 2021 gilt, die Mindestangaben festgelegt, die diese Dokumente enthalten müssen. Dazu gehören beispielsweise der Titel des Dokuments in der Amtssprache oder den Amtssprachen des betreffenden Mitgliedstaats und in mindestens einer weiteren Amtssprache der Organe der Union sowie ein eindeutiger Vermerk, dass das Dokument für einen Unionsbürger gemäß der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellt wird. Den Mitgliedstaaten können jedoch das Format frei wählen, in dem diese Dokumente ausgestellt werden.

Die Richtlinie enthält zwar keine Angaben zur Gültigkeitsdauer von Anmeldebescheinigungen und Dokumenten zur Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts für Unionsbürger, doch spricht angesichts ihrer ähnlichen Funktion nichts dagegen, dass ihre Gültigkeitsdauer zumindest die gleiche sein sollte wie die der entsprechenden Dokumente, die drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von Unionsbürgern ausgestellt werden. Dementsprechend sollten die in Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen Anmeldebescheinigungen eine Gültigkeitsdauer von mindestens fünf Jahren ab dem Datum ihrer Ausstellung haben. Das in Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehene Dokument zur Bescheinigung des Daueraufenthalts sollte eine Gültigkeitsdauer von mindestens zehn Jahren ab dem Datum der Ausstellung haben.

Darüber hinaus sollte die Gültigkeitsdauer dieser Dokumente unter keinen Umständen mit der Gültigkeitsdauer der EKVK oder anderen Bedingungen, wie der Dauer des Studiums oder des Arbeitsvertrags, verknüpft werden.

12.2   Aufenthaltskarten und Daueraufenthaltskarten für Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind (Artikel 10 und 20 der Richtlinie 2004/38/EG und Artikel 7 und 8 der Verordnung (EU) 2019/1157): Format und Gültigkeitsdauer

In der Verordnung (EU) 2019/1157 sind harmonisierte Formate für Aufenthaltskarten und Daueraufenthaltskarten, die für drittstaatsangehörige Familienangehörige von Unionsbürgern ausgestellt wurden, vorgesehen. Seit dem 2. August 2021 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, solche Aufenthaltskarten oder Daueraufenthaltskarten unter Zugrundlegung derselben einheitlichen Gestaltung auszustellen, die auch für Aufenthaltstitel verwendet wird. Sie müssen die Aufschrift „Aufenthaltskarte“ oder „Daueraufenthaltskarte“ tragen und den standardisierten Code „EU-Familienangehöriger Art 10 RL 2004/38/EG“ oder „EU-Familienangehöriger Art 20 RL 2004/38/EG“ enthalten. (290)

Aufenthaltskarten oder Daueraufenthaltskarten, die bis zum 2. August 2021 ausgestellt wurden, müssen kein bestimmtes Format haben. Für diese Karten sieht die Verordnung (EU) 2019/1157 eine schrittweise Auslaufphase vor. (291) Das bedeutet, dass noch einige Jahre Aufenthaltskarten oder Daueraufenthaltskarten in unterschiedlichen Formaten im Umlauf sein werden (im Sinne der Verordnung (EU) 2019/1157 ausgestellte Karten und jene, die vor dem 2. August 2021 nicht in einem harmonisierten Format ausgestellt wurden). In jedem Fall sollten Karten, die nach dem 2. August 2021 ausgestellt wurden und der einheitlichen Gestaltung noch nicht vollständig entsprechen, von den anderen Mitgliedstaaten bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit akzeptiert werden. Wenn sie jedoch den in der Verordnung (EU) 2019/1157 festgelegten Mindestsicherheitsstandards nicht entsprechen, verlieren sie je nach ihrem Sicherheitsniveau am 3. August 2023 oder am 3. August 2026 ihre Gültigkeit.

Die in der Verordnung (EU) 2019/1157 festgelegte harmonisierte Gestaltung muss auch für Aufenthaltskarten verwendet werden, die i) drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von zurückkehrenden Staatsangehörigen (siehe Abschnitt 18 – Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen zurückkehrender Staatsangehöriger und ii) drittstaatsangehörigen Hauptbetreuungspersonen minderjähriger Unionsbürger ausgestellt werden (siehe Abschnitt 2.2.2.5 – Hauptbetreuungspersonen von minderjährigen Unionsbürgern). Dies liegt daran, dass die Richtlinie 2004/38/EG (und damit deren Artikel 10) entsprechend auf sie Anwendung findet. In gleicher Weise muss das in der Verordnung (EU) 2019/1157 festgelegte harmonisierte Format auch für Aufenthaltskarten verwendet werden, die drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit, für die die Richtlinie 2004/38/EG entsprechend gilt, ausgestellt werden (siehe Abschnitt 2.1.4 – Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit). In all diesen Fällen müssen die Mitgliedstaaten die standardisierten Codes gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2019/1157 verwenden.

Im Unterschied dazu können die Mitgliedstaaten, da die Richtlinie 2004/38/EG weder unmittelbar noch entsprechend darauf anwendbar ist, die in der Verordnung (EU) 2019/1157 festgelegte harmonisierte Gestaltung für die Aufenthaltsdokumente folgender Personen nicht verwenden:

Berechtigte im Sinne der Rechtsprechung in der Rechtssache Ruiz Zambrano (siehe Abschnitt 19 – Rechtsprechung in der Rechtssache Ruiz Zambrano);

Familienangehörige, die ein Aufenthaltsrecht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung in den Rechtssachen Carpenter sowie S. und G. ableiten (siehe Abschnitt 2.1.3 – Grenzgänger und grenzüberschreitend tätige Selbstständige und Dienstleistungserbringer).

In solchen Fällen sollten die Mitgliedstaaten Aufenthaltstitel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 ausstellen.

Es sei darauf hingewiesen, dass Aufenthaltsdokumente, die nach nationalem Recht in einer rein innerstaatlichen Situation (Familienzusammenführung mit Staatsangehörigen des Ausstellungsmitgliedstaats, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt haben) ausgestellt werden, nicht Personen betreffen, die die Freizügigkeitsbestimmungen anwenden. Diese Aufenthaltsdokumente sind dementsprechend von den Mitgliedstaaten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 auszustellen. Wird der Aufenthaltstitel von einem Mitgliedstaat ausgestellt, der Teil des Schengen-Raums ist (292), so haben nach der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 ausgestellte Aufenthaltstitel eine von der Visumpflicht entbindende Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten, die Teil des Schengen-Raums sind.

Die Aufenthaltskarte gemäß Artikel 10 Absatz 1 gilt für fünf Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausstellung oder für die geplante Aufenthaltsdauer des Unionsbürgers, wenn diese weniger als fünf Jahre beträgt. Insoweit bleibt die Mindestgültigkeitsdauer von fünf Jahren die allgemeine Regel. Wenn die „geplante Aufenthaltsdauer“ in einem bestimmten Fall von Bedeutung ist, sollte sie in einem weiten Sinne ausgelegt werden, bei dem sich die „vorgesehene“ Aufenthaltsdauer auf den Zeitraum bezieht, in dem die Unionsbürger beabsichtigen, im Aufnahmemitgliedstaat zu leben und ihre Lebensplanung vorzunehmen.

Die Daueraufenthaltskarte nach Artikel 20 Absatz 1 gilt ab dem Tag ihrer Ausstellung zehn Jahre lang.

12.3   Arten und Wirkungen der Aufenthaltsdokumente (Artikel 25 der Richtlinie 2004/38/EG)

Unionsbürger und ihre Familienangehörigen genießen von Rechts wegen alle in der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen oder unmittelbar auf Artikel 21 AEUV gestützten Rechte, wenn sie die einschlägigen wesentlichen Voraussetzungen für den Aufenthalt erfüllen. Aufenthaltsdokumente haben deklaratorischen Charakter (293), d. h. sie begründen keine Rechte, sondern dienen dazu, das Bestehen von Rechten nach den EU-Freizügigkeitsvorschriften zu bescheinigen. Die Einhaltung von Verwaltungsverfahren oder der Besitz eines Aufenthaltsdokuments ist somit keine Voraussetzung für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Einklang mit den EU-Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen. (294)

Die Ausstellung eines Aufenthaltsdokuments durch einen Mitgliedstaat gemäß der Richtlinie 2004/38/EG stellt jedoch eine förmliche Feststellung der tatsächlichen und rechtlichen Situation der betreffenden Person im Hinblick auf die Richtlinie 2004/38/EG zum Zeitpunkt der Ausstellung dar. (295) Eine von einem Mitgliedstaat ausgestellte (Dauer-)Aufenthaltskarte dient daher als ausreichender Nachweis dafür, dass der Inhaber Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist. (296)

Da sich jedoch die Situation eines Unionsbürgers oder eines Familienangehörigen nach Ausstellung des Aufenthaltsdokuments ändern kann, bedeutet der Besitz eines Aufenthaltsdokuments für sich genommen nicht, dass der Aufenthalt des Inhabers zwangsläufig im Einklang mit dem Unionsrecht steht. (297) Entscheidend ist, ob der betreffende Unionsbürger oder der betreffende Familienangehörige zu einem bestimmten Zeitpunkt die wesentlichen Voraussetzungen für den Aufenthalt nach den Unionsvorschriften über die Freizügigkeit von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen erfüllt.

Unter Berücksichtigung bestimmt Artikel 25, dass der Besitz eines Aufenthaltsdokuments unter keinen Umständen eine Voraussetzung für die Ausübung eines Rechts oder die Erledigung von Verwaltungsformalitäten sein darf. Gemäß Artikel 25 können Berechtigungen (z. B. Inanspruchnahme der Unterstützung durch öffentliche Arbeitsagenturen, Beitritt zum öffentlichen Krankenversicherungssystem) durch ein anderes Beweismittel nachgewiesen werden. Insoweit könnten insbesondere, aber nicht erschöpfend, die in Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 10 Absatz 2 aufgezählten Dokumente relevant sein.

12.4   Mehrfacher Aufenthalts-/Einwanderungsstatus von Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind

Sofern dies nach EU-Recht nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, sind drittstaatsangehörige Familienangehörige von Unionsbürgern, die ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38/EG haben und die auch die Voraussetzungen für den Aufenthalt nach Instrumenten des EU-Rechts für legale Migration erfüllen, auch berechtigt, Rechte aus diesen anderen Instrumenten auszuüben, d. h. gleichzeitig mehrere Status zu besitzen. (298)

Wenn drittstaatsangehörige Familienangehörige mehrere Status besitzen, sollte ihnen für jeden Status ein Aufenthaltstitel ausgestellt werden (z. B. die Aufenthaltskarte und zusätzlich eine Blaue Karte EU (299) oder ein langfristiger Aufenthaltstitel (300)), damit sie ihre unterschiedlichen Status nachweisen können.

13   Beschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 27, 28 und 29 der Richtlinie 2004/38/EG)

Der nachfolgende Abschnitt stützt sich auf Abschnitt 3 der Mitteilung von 1999 (301) zu den Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (im Folgenden „Mitteilung von 1999“). In diesem Abschnitt wird die Mitteilung von 1999 aus der Sicht der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs dargestellt, und es wird einer Reihe von Fragen nachgegangen, die bei der Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG aufgetreten sind. In Anbetracht der aus der COVID-19-Pandemie gewonnenen Erkenntnisse wird jedoch Abschnitt 13.2 – Auf Gründen der öffentlichen Gesundheit basierende Beschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt an die Stelle des Abschnitts 3.1.3 der Mitteilung von 1999 treten.

Die Freizügigkeit gehört zu den Grundpfeilern der EU. Hieraus folgt, dass die Bestimmungen, auf deren Grundlage die Freizügigkeit gewährt wird, weit auszulegen sind, während Ausnahmen davon eng ausgelegt werden müssen. (302) Das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU gilt jedoch nicht unbeschränkt. Es begründet für die Berechtigten auch Pflichten, zu denen unter anderem die Pflicht gehört, die Gesetze des Aufnahmemitgliedstaats zu befolgen.

Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG kann nicht als eine Bedingung für den Erwerb und die Aufrechterhaltung des Einreise- und Aufenthaltsrechts verstanden werden, sondern ausschließlich als eine Möglichkeit, in begründeten Fällen die Ausübung eines unmittelbar aus dem EG-Vertrag abgeleiteten Rechts zu beschränken. (303)

13.1   Beschränkungen des Einreise- und Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit

13.1.1   Öffentliche Ordnung und Sicherheit

Die Mitgliedstaaten können die Freizügigkeit von Unionsbürgern aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einschränken. Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG gilt für jede aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit getroffene Maßnahme, die das Recht der unter die Richtlinie 2004/38/EG fallenden Personen berührt, unter den gleichen Bedingungen wie die Angehörigen des Aufnahmemitgliedstaats in diesen Mitgliedstaat frei einzureisen und sich dort frei aufzuhalten. (304)

Es steht den Mitgliedstaaten frei, nach ihren Bedürfnissen, die je nach Mitgliedstaat und Zeitpunkt unterschiedlich sein können, zu bestimmen, was die öffentliche Ordnung und Sicherheit erfordern. Diese Anforderungen müssen jedoch bei der Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG eng ausgelegt werden. (305)

Die Mitgliedstaaten müssen genau festlegen, welche Interessen der Gesellschaft es zu schützen gilt, und dabei deutlich zwischen öffentlicher Ordnung und öffentlicher Sicherheit unterscheiden. Die öffentliche Sicherheit kann nicht für Maßnahmen in Anspruch genommen werden, die mit Anforderungen der öffentlichen Ordnung begründet werden müssten. (306)

Öffentliche Sicherheit wird allgemein so verstanden, dass damit sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit (307) im Sinne der Wahrung der territorialen Integrität der Mitgliedstaaten und ihrer Institutionen gemeint ist. Öffentliche Ordnung meint demgegenüber die gesellschaftliche Ordnung, deren Störung es zu verhindern gilt. (308)

Unionsbürger können dem EuGH (309) zufolge nur wegen eines Verhaltens ausgewiesen werden, das im Aufnahmemitgliedstaat unter Strafe steht oder dem gegenüber anderen tatsächlichen und effektiven Maßnahmen zur Bekämpfung dieses Verhaltens ergriffen worden sind.

Ein Verstoß gegen Meldepflichten kann für sich genommen kein die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdendes Verhalten darstellen und vermag daher für sich allein keine Ausweisung der betreffenden Person rechtfertigen. (310)

Ein Unionsbürger kann sich gegenüber seinem Herkunftsmitgliedstaat auf Artikel 27 der Richtlinie 2004/38/EG berufen, wenn dieser Mitgliedstaat sein Recht auf Ausreise aus seinem Hoheitsgebiet einschränkt. (311)

13.1.2   Persönliches Verhalten und Gefährdung

Restriktive Maßnahmen können nur nach einer Einzelfallprüfung getroffen werden, in der festgestellt wird, dass das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats berührt. (312) Restriktive Maßnahmen dürfen nicht allein auf Erwägungen gestützt werden, die ein anderer Mitgliedstaat in Bezug auf den Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit geltend macht. (313) Das schließt allerdings nicht aus, dass solche Gründe bei der Beurteilung durch die nationalen Behörden, die für den Erlass der die Freizügigkeit beschränkenden Maßnahme zuständig ist, berücksichtigt werden. (314)

Eine Entscheidung, mit der ein Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedstaat oder die Einreise in einen Mitgliedstaat nach anderen Vorschriften als dem Besitzstand der Union im Bereich der Freizügigkeit verweigert wird (z. B. die Verweigerung des Flüchtlingsstatus), kann nicht automatisch zu dem Schluss führen, dass die Anwesenheit der Person eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats berührt. Bei der nach der Richtlinie 2004/38/EG vorzunehmenden gesonderten Beurteilung der tatsächlichen, gegenwärtigen und hinreichend schweren Gefahr können jedoch die Tatsachenfeststellungen aus der vorangegangenen Entscheidung und die Faktoren, auf denen diese Entscheidung beruhte, berücksichtigt werden. (315)

Das Unionsrecht schließt restriktive Maßnahmen aus generalpräventiven Gründen aus. (316) Restriktiven Maßnahmen muss eine tatsächliche Gefährdung zugrunde liegen; eine allgemeine Gefahrenlage reicht hierzu nicht aus. (317) Restriktive Maßnahmen im Anschluss an eine strafrechtliche Verurteilung dürfen nicht automatisch erfolgen, sondern müssen dem persönlichen Verhalten des Straftäters und der Gefahr Rechnung tragen, die von diesem Verhalten für die öffentliche Ordnung ausgeht. (318)

Außerdem „darf die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten auch keinen systematischen und automatischen Zusammenhang zwischen einer strafrechtlichen Verurteilung und der nachfolgenden Ausweisung vorsehen, und die zuständigen Stellen dürfen eine solche Entscheidung nicht automatisch fällen. Ein „automatisches“ System ist jede nationale Bestimmung, deren Wortlaut den nationalen Behörden oder dem nationalen Gericht keinen Beurteilungsspielraum lässt oder individuelle Umstände berücksichtigt. (319) Dessen ungeachtet können die Mitgliedstaaten bei einer strafrechtlichen Verurteilung prüfen, ob Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergriffen werden sollen. Das nationale Gericht kann bei derselben Gelegenheit eine strafrechtliche Verurteilung und eine Ausweisung anordnen, oder das Gericht oder die Verwaltungsbehörden können zu einem späteren Zeitpunkt entweder während der Haftzeit oder nach Entlassung aus der Haft eine Ausweisung anordnen.“  (320)

Gründe, die nichts mit dem persönlichen Verhalten der Person zu tun haben, dürfen nicht angeführt werden. Eine automatische Ausweisung ist nach der Richtlinie 2004/38/EG nicht zulässig. (321)

Die Rechte einer Person dürfen nur dann eingeschränkt werden, wenn ihr persönliches Verhalten eine Gefahr darstellt, d. h., wenn das Verhalten die Wahrscheinlichkeit einer ernsten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erkennen lässt.

Einer früheren strafrechtlichen Verurteilung kann Rechnung getragen werden, sofern die Umstände, die zu der Verurteilung führten, ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. (322) Die Behörden müssen ihre Entscheidung auf eine Einschätzung des künftigen Verhaltens der betreffenden Person stützen. Dabei sind Art und Anzahl bisheriger Verurteilungen ein entscheidendes Kriterium. Besonders zu berücksichtigen sind darüber hinaus Schwere und Häufigkeit der begangenen Straftaten. Ferner kommt es maßgeblich auf die Wiederholungsgefahr an, wobei die vage Möglichkeit der Begehung neuer Straftaten nicht ausreicht. (323)

Beispiele:

A. und I. wurden wegen Raub zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die sie jetzt verbüßt haben. Die Behörden prüfen, ob das persönliche Verhalten der beiden Freunde eine Gefährdung darstellt, d. h. ob die Wahrscheinlichkeit einer neuen, schwerwiegenden Störung der öffentlichen Ordnung besteht:

Bei A. handelte es sich um ihre erste Verurteilung. Sie hat sich in der Haftanstalt gut geführt. Nach ihrer Entlassung hat sie eine Stelle gefunden. Die Behörden können an ihrem Verhalten nichts feststellen, was eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr darstellt.

Bei I. hingegen handelte es sich bereits um die vierte Verurteilung. Seine Straftaten wurden im Laufe der Zeit immer gravierender. Sein Verhalten in der Haftanstalt war alles andere als vorbildlich und seine beiden Anträge auf Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung wurden abgelehnt. Nicht einmal zwei Wochen nach seiner Entlassung wird er bei der Planung eines neuen Raubüberfalls festgenommen. Die Behörden kommen zu dem Schluss, dass I.s Verhalten eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt.

Es muss sich um eine gegenwärtige Gefährdung handeln. Ein Verhalten in der Vergangenheit darf nur dann berücksichtigt werden, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die betreffende Person erneut straffällig wird. (324) Im Allgemeinen bedeutet die Feststellung einer tatsächlichen, gegenwärtigen und hinreichend schweren Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, „dass bei dem Betroffenen die Neigung besteht, das eine solche Gefahr darstellende Verhalten in der Zukunft zu wiederholen“. (325) Eine Gefährdung, die auf einer bloßen Vermutung beruht, stellt keine tatsächliche Gefahr dar.

Es ist jedoch möglich, dass „ein Verhalten allein in der Vergangenheit eine solche Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellen kann“. (326) Insoweit kann das Verhalten einer Person, das das Fortbestehen einer den Grundwerten der Union wie der Menschenwürde und den Menschenrechten feindseligen Gesinnung, wie sie durch frühere Verbrechen oder Handlungen gezeigt wurde, zeigt, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, auch wenn die in der Vergangenheit begangenen Verbrechen oder Handlungen außerhalb ihres spezifischen historischen und sozialen Kontexts wahrscheinlich nicht wieder begangen werden können. (327)

Eine Strafaussetzung spielt für die Beurteilung der Gefahrenlage eine wichtige Rolle, da die Strafaussetzung nahelegt, dass von der betreffenden Person keine konkrete Gefahr mehr ausgeht.

Die Gefahr muss zu dem Zeitpunkt existieren, zu dem die restriktiven Maßnahmen von den nationalen Behörden getroffen oder von einem Gericht geprüft werden. (328)

Der Umstand, dass eine Person zu dem Zeitpunkt, an dem ihre Ausweisung verfügt wird, inhaftiert ist und ihre Entlassung nicht in naher Zukunft zu erwarten ist, schließt nicht aus, dass ihr Verhalten eine gegenwärtige und tatsächliche Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats darstellen kann. Die Mitgliedstaaten können eine Ausweisungsverfügung gegen eine inhaftierte Person erlassen. (329)

Einer bestehenden Mitgliedschaft in einer Organisation kann Rechnung getragen werden, wenn sich die betreffende Person an den Aktivitäten der Organisation beteiligt und mit deren Zielen oder Absichten identifiziert. (330) Die Mitgliedstaaten brauchen die Aktivitäten einer Organisation nicht unter Strafe zu stellen oder zu verbieten, um die auf der Grundlage Richtlinie 2004/38/EG gewährten Rechte einschränken zu können, solange verwaltungsrechtliche Maßnahmen vorhanden sind, um den Aktivitäten dieser Organisation Einhalt zu gebieten. Eine frühere Mitgliedschaft (331) in solchen Vereinigungen kann im Allgemeinen gegenwärtig keine Gefahr darstellen.

In manchen Fällen kann eine Vielzahl kleinerer Straftaten, die für sich allein genommen nicht geeignet sind, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung im oben genannten Sinn zu begründen, eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellen. Die nationalen Behörden müssen darlegen, dass das persönliche Verhalten des Betreffenden eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. (332) Dabei müssen sie insbesondere folgenden Faktoren Rechnung tragen:

Art der Straftaten

Rückfallhäufigkeit

Art und Umfang des Schadens

Die Tatsache, dass die Person bereits mehrfach verurteilt worden ist, reicht als solche nicht aus.

Das bloße Bestehen einer Abgabenschuld einer Person oder einer Verbindlichkeit dieser Person gegenüber einer juristischen Person ohne Berücksichtigung des persönlichen Verhaltens dieser Person reicht nicht aus, um eine Gefahr darzustellen. (333)

Eine Beschränkung, die ein Mitgliedstaat einer Person auferlegt, gegen die in der Vergangenheit eine Entscheidung ergangen ist, mit der sie von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen wurde, weil schwerwiegende Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Person ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat oder Handlungen begangen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, kann unter den Begriff der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG fallen. (334)

13.1.3   Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips

Haben die Behörden festgestellt, dass das persönliche Verhalten der Person eine Gefahr darstellt, die ernst genug ist, um restriktive Maßnahmen zu rechtfertigen, müssen sie die Verhältnismäßigkeit solcher Maßnahmen prüfen, um zu entscheiden, ob der Person aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit die Einreise verweigert wird oder ob sie ausgewiesen werden kann.

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit soll festgestellt werden, ob die restriktive Maßnahme geeignet ist, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. (335)

Die nationalen Behörden müssen die Merkmale der in Rede stehenden allgemeinen restriktiven Maßnahme prüfen und auf dieser Grundlage ihre Verhältnismäßigkeit bewerten. Dabei sind die folgenden Faktoren zu berücksichtigen: (336)

Ist die restriktive Maßnahme geeignet, die Erreichung des damit verfolgten Ziels zu gewährleisten, und ist die Maßnahme zu diesem Zweck erforderlich (z. B. ist ein Ausreiseverbot geeignet, um die Beitreibung von Schulden zu sichern)?

Gibt es andere Maßnahmen, die ebenso wirksam gewesen wären, um das Ziel zu erreichen, ohne zwangsläufig die Freizügigkeit der Person einzuschränken (z. B. Möglichkeiten, die das einzelstaatliche Recht bietet, um die Beitreibung von Schulden zu sichern)?

Welche Modalitäten gelten für die Anwendung der Maßnahme?

Ist die Maßnahme mit Ausnahmen verbunden?

Ist die Maßnahme mit einer zeitlichen Beschränkung verbunden?

Ist die Maßnahme mit der Möglichkeit einer regelmäßigen Überprüfung der ihr zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Umstände verbunden?

Außerdem müssen die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats „den Schutz des in Rede stehenden Grundinteresses der Gesellschaft gegen die Interessen des Betroffenen an der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt als Unionsbürger und an seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens abwägen“. (337)

Die nationalen Behörden müssen die geschützten Interessen der in Rede stehenden Gesellschaft ermitteln. Im Hinblick auf diese Interessen müssen sie feststellen, woraus die Gefährdung im Einzelnen besteht. Folgende Faktoren können dabei berücksichtigt werden:

Grad der gesellschaftlichen Gefährdung, die von der Anwesenheit der betreffenden Person im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats ausgeht,

Art und Schwere der strafbaren Handlungen, ihre Häufigkeit, durch die Häufigkeit bedingte Gefährdung und Schaden,

Grad der Beteiligung an der kriminellen Tätigkeit,

Vorliegen mildernder Umstände,

mögliche Strafen sowie verhängte und vollstreckte Strafen,

seit den begangenen Taten verstrichene Zeit,

Wiederholungsgefahr,

anschließendes Verhalten der betroffenen Person (Anmerkung: auch ein gutes Verhalten im Gefängnis und eine mögliche bedingte Haftentlassung könnten in Betracht gezogen werden).

Darüber hinaus müssen die nationalen Behörden dem Risiko Rechnung tragen, dass die Resozialisierung des Unionsbürgers in dem Aufnahmemitgliedstaat, in den er sich tatsächlich integriert hat, beeinträchtigt wird, da dies im allgemeinen Interesse der Europäischen Union ist. (338)

Den Grundrechten und insbesondere dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Artikel 7 der Charta der Grundrechte und Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sollte gebührend Rechnung getragen werden. (339)

Die persönliche und familiäre Situation der Person muss sorgfältig geprüft werden, um festzustellen, ob die beabsichtigte Maßnahme geeignet ist, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels unbedingt erforderlich ist, und ob es weniger einschneidende Mittel gibt, um dieses Ziel zu erreichen. Dabei sollten die nachstehenden Faktoren, die in Artikel 28 Absatz 1 beispielhalber aufgeführt sind, berücksichtigt werden: (340)

Auswirkung der Ausweisung auf die wirtschaftliche, persönliche und familiäre Lage des Betroffenen (sowie auf andere Familienangehörige, die zum Verbleib im Aufnahmemitgliedstaat berechtigt wären),

gegebenenfalls Berücksichtigung des Kindeswohls, für das die Maßnahme erhebliche Auswirkungen haben könnte; (341)

Grad der Schwierigkeiten, denen der Lebens-/Ehepartner des Betroffenen und dessen Kinder im Herkunftsstaat ausgesetzt wären,

Stärke der Bindung (Verwandte, Besuche, Sprachkenntnisse) – bzw. mangelnde Bindung – zum Herkunfts- und zum Aufnahmemitgliedstaat (z. B. der Betroffene ist im Aufnahmemitgliedstaat geboren oder lebt dort seit frühester Kindheit),

Dauer des Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat (bei einem Touristen ist die Lage anders als bei einer Person, die seit vielen Jahren im Aufnahmemitgliedstaat lebt) sowie gegebenenfalls die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der Person im Aufnahmemitgliedstaat,

Alter und Gesundheitszustand.

Erhöhter Schutz vor Ausweisung (Artikel 28 Absatz 2 und Artikel 28 Absatz 3 der Richtlinie 2004/38/EG)

Mit der Richtlinie 2004/38/EG wurde ein System zum Schutz vor Ausweisung eingeführt, das auf dem Grad der Integration der betroffenen Personen im Aufnahmemitgliedstaat beruht.

Dementsprechend sieht die Richtlinie 2004/38/EG drei Stufen für den Schutz vor Ausweisung vor: 1) einen grundlegenden Schutz für alle Begünstigten der Richtlinie, 2) ein mittleres Schutzniveau, das zur Verfügung steht, wenn die betreffende Person ein Recht auf Daueraufenthalt hat, und 3) ein höheres Schutzniveau, wenn sich der betreffende Unionsbürger in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat.

Mittleres Schutzniveau für Personen, die ein Recht auf Daueraufenthalt haben (Artikel 28 Absatz 2):

Unionsbürger und deren Familienangehörige, die im Aufnahmemitgliedstaat das Recht auf Daueraufenthalt genießen (siehe Abschnitt 9 – Daueraufenthalt (Artikel 16 bis 21 der Richtlinie 2004/38/EG)), dürfen nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgewiesen werden. So fällt beispielsweise der Handel mit Betäubungsmitteln als Teil einer organisierten Gruppe unter diesen Begriff. (342)

Darüber hinaus zählen alle Straftaten, die die Ausweisung einer Person rechtfertigen können, die sich in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat (nachstehende Kategorie), auch zu den Straftaten, die die Ausweisung einer Person mit Daueraufenthaltsrecht rechtfertigen.

Zeiten einer Haftstrafe im Aufnahmemitgliedstaat nach dem Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt berühren nicht das Recht auf Daueraufenthalt. (343)

Im Gegensatz dazu können Zeiten einer Haftstrafe im Aufnahmemitgliedstaat vor dem Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt nicht für die Zwecke des Daueraufenthaltsrechts berücksichtigt werden. Außerdem „unterbrechen“ sie die Kontinuität des rechtmäßigen Aufenthalts. Infolgedessen muss nach der Haft eine neue Aufenthaltsdauer von fünf Jahren ohne Unterbrechung angesammelt werden, um ein Recht auf Daueraufenthalt zu erlangen (siehe Abschnitt 9 - Daueraufenthalt (Artikel 16 bis 21 der Richtlinie 2004/38/EG)). (344)

Höheres Schutzniveau für Unionsbürger, die sich in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben oder minderjährig sind (Artikel 28 Absatz 3):

Gegen Unionsbürger, die sich in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben, und minderjährige Unionsbürger darf eine Ausweisung nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit (d. h. nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung) verfügt werden. Es muss klar zwischen „normalen“, „schwerwiegenden“ und „zwingenden“ Ausweisungsgründen unterschieden werden.

Kriminalitätsbereiche im Sinne von Artikel 83 Absatz 1 Unterabsatz 2 AEUV (d. h. Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung, illegaler Drogenhandel, illegaler Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität) stellen eine besonders schwere Bedrohung für ein Grundinteresse der Gesellschaft dar, durch die die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar bedroht werden können. Sie fallen somit unter den Begriff „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“, die eine Ausweisungsmaßnahme gegen Personen, die unter den verstärkten Schutz nach Artikel 28 Absatz 3 fallen, rechtfertigen können, „sofern die Art und Weise der Begehung solcher Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist.“  (345)

Um in den Genuss des verstärkten Ausweisungsschutzes auf der Grundlage der letzten zehn Jahre des Aufenthalts zu kommen, muss der Aufenthalt von zehn Jahren „grundsätzlich ununterbrochen“ sein und „vom Zeitpunkt der Verfügung der Ausweisung der betreffenden Person an“ zurückgerechnet werden. (346)

Der verstärkte Ausweisungsschutz auf der Grundlage eines zehnjährigen Aufenthalts kann nur von einem EU-Bürger in Anspruch genommen werden, der ein Recht auf Daueraufenthalt hat. (347)

Zeiten von Haftstrafen unterbrechen grundsätzlich die Kontinuität des Aufenthalts, der erforderlich ist, um den in Artikel 28 Absatz 3 vorgesehenen verstärkten Schutz zu erlangen. Solche Haftstrafen können jedoch nicht als automatische Unterbrechung des geknüpften Bandes der Integration zum Aufnahmemitgliedstaat betrachtet werden. Die nationalen Behörden müssen solche Bande prüfen. (348) Zu diesem Zweck ist von ihnen „eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt. Im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung sind die Zeiträume der Verbüßung einer Haftstrafe zusammen mit allen anderen Anhaltspunkten zu berücksichtigen, die die Gesamtheit der im Einzelfall relevanten Gesichtspunkte ausmachen, wozu gegebenenfalls der Umstand zählt, dass der Betroffene in den letzten zehn Jahren vor seiner Inhaftierung seinen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat hatte.“  (349)

Um festzustellen, ob Abwesenheiten vom Aufnahmemitgliedstaat während der zehnjährigen Aufenthaltsdauer einen Unionsbürger daran hindern, in den Genuss des verstärkten Schutzes zu kommen, müssen die nationalen Behörden eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen zu dem Zeitpunkt vornehmen, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt, um zu prüfen, ob die fraglichen Abwesenheiten bedeuten, dass sich der Mittelpunkt der persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen des Betroffenen in einen anderen Mitgliedstaat verlagert hat. In jedem Einzelfall sind alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere die Dauer jeder der Abwesenheiten, ihre kumulative Dauer und Häufigkeit sowie die Gründe für die Abwesenheiten. (350)

13.1.4   Präventionsmaßnahmen

Da das Unionsrecht keine Vorschriften über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Ausweisung von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen enthält, ist es Sache der Mitgliedstaaten, diesbezüglich nationale Vorschriften festzulegen.

Die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften können sich auf die Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie (351) stützen, um in Bezug auf mobile Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, gegen die eine Ausweisungsverfügung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergangen ist, Maßnahmen zur Verhinderung ihrer Flucht während der Frist der freiwilligen Ausreise sowie Maßnahmen zu ihrer Inhaftnahme im Fall der Nichteinhaltung einer Ausweisungsverfügung zu erlassen.

Da durch diese nationalen Rechtsvorschriften für Präventionsmaßnahmen jedoch die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit mobiler Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen eingeschränkt wird, müssen sie die folgenden Bedingungen erfüllt und gegebenenfalls entsprechend angepasst werden:

Sie müssen im Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG über Beschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit (insbesondere Artikel 27) stehen,

sie müssen ein legitimes Ziel verfolgen, auf objektiven Erwägungen beruhen und verhältnismäßig sein und

sie dürfen nicht strenger sein als die nationalen Bestimmungen zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie, die für Nicht-Unionsbürger gelten(352)

Was insbesondere die Haftmaßnahmen betrifft, die für mobile Unionsbürger und ihre Familienangehörigen gelten, die einer aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erlassenen Ausweisungsverfügung nicht nachgekommen sind, sollte bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der für sie geltenden Höchsthaftdauer besonders berücksichtigt werden, dass sich mobile Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht in einer mit der von Drittstaatsangehörigen vergleichbaren Situation befinden, insbesondere unter Berücksichtigung der Erleichterungen, die für die Organisation einer Ausweisung zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. (353)

13.2   Auf Gründen der öffentlichen Gesundheit basierende Beschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt

Wie in Artikel 27 Absatz 1 festgelegt, können die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit von Unionsbürgern aus Gründen der öffentlichen Gesundheit einschränken. Als Krankheiten, die eine die Freizügigkeit beschränkende Maßnahme rechtfertigen, gelten nach Artikel 29 Absatz 1 jedoch ausschließlich Krankheiten mit epidemischem Potenzial, die von den einschlägigen Instrumenten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als solche eingestuft werden, und sonstige übertragbare, durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten, sofern gegen diese Krankheiten Maßnahmen zum Schutz der Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats getroffen werden.

Die derzeitigen einschlägigen Rechtsinstrumente der WHO sind die Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005). (354) Darin ist festgelegt, dass der Generaldirektor der WHO entscheidet, ob ein Ereignis eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite darstellt und wann eine solche Notlage beendet ist. So hat die WHO beispielsweise am 30. Januar 2020 wegen des weltweiten Ausbruchs des Schweren Akuten Atemwegsyndroms Coronavirus 2 (SARSCoV2), das die Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID19) verursacht, eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen. (355)

Darüber hinaus kann gemäß der Verordnung (EU) 2022/2371 zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren eine Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit auf Unionsebene anerkannt und erklärt werden. (356)

In Artikel 29 Absätze 2 und 3 sind spezifische Vorschriften für Unionsbürger und Familienangehörige enthalten, die sich bereits im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten. Gemäß Absatz 2 dürfen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die sich seit mehr als drei Monaten in dem Mitgliedstaat aufgehalten haben, vom Wohnsitzmitgliedstaat nicht mehr aus Gründen der öffentlichen Gesundheit ausgewiesen werden. Das schließt auch aus, dass die Aufnahmemitgliedstaaten Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die sich seit mehr als drei Monaten in ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten haben, die Wiedereinreise verweigern, da ansonsten das Verbot nach Artikel 29 Absatz 2 umgangen würde. Erwägungen der Verhältnismäßigkeit und der Verwaltungseffizienz sollten in der Regel dazu führen, dass die Mitgliedstaaten die Wiedereinreise unabhängig von der Dauer des vorherigen Aufenthalts gestatten. (357)

Nach Artikel 29 Absatz 3 können Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die sich weniger als drei Monate im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben, bei Vorliegen ernsthafter Anhaltspunkte dazu verpflichtet werden, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, um feststellen zu lassen, dass sie nicht an einer Krankheit im Sinne von Artikel 29 Absatz 1 leiden. Solche Untersuchungen, mit denen festgestellt werden soll, ob das Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Gesundheit zu versagen ist, müssen kostenlos sein und dürfen nicht routinemäßig verlangt werden, da dies den abschließenden Charakter der in den Artikeln 8 und 10 enthaltenen Listen der von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen vorzulegenden Unterlagen beeinträchtigen würde.

Die Bestimmungen des Artikels 29 Absätze 2 und 3 über Einzelmaßnahmen, die sich an Personen richten können, die bereits in einem Mitgliedstaat wohnhaft sind, sind von den im nationalen Recht vorgesehenen außerordentlichen Maßnahmen im Bereich der allgemeinen öffentlichen Gesundheit zu unterscheiden, die die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit innerhalb der EU einschränken; dazu zählen etwa die während der COVID-19-Pandemie ergriffenen Maßnahmen (358). In diesem Zusammenhang können Beschränkungen der Freizügigkeit je nach Krankheit auch unterschiedliche Formen annehmen, z. B. die Anforderung, dass EU-Bürger und ihre Familienangehörigen vor oder nach der Reise einen Nachweis für ärztliche Untersuchungen vorlegen, sich nach der Ankunft in Quarantäne begeben oder Reiseformulare oder ähnliche Unterlagen vorlegen müssen. (359)

Solche Beschränkungen müssen auf Krankheiten begrenzt sein, die in den Anwendungsbereich von Artikel 29 Absatz 1 fallen – wie Krankheiten, für die die WHO eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat – und im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung, angewandt werden. Die getroffenen Maßnahmen müssen daher in ihrem Umfang und in ihrer Dauer (360) streng begrenzt sein und dürfen nicht über das für den Schutz der öffentlichen Gesundheit unbedingt erforderliche Maß hinausgehen. (361) Dies kann beispielsweise spezifische Ausnahmen für Reisende, die aus zwingenden Gründen reisen, einschließlich Arbeitnehmern und Selbstständigen in systemrelevanten Berufen (362)oder Transitpassagieren, sowie für Grenzregionen erfordern. (363) Die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die die Ausübung des Rechts, sich innerhalb der EU frei zu bewegen, beschränken, kann auch davon abhängen, ob der betreffende Mitgliedstaat vergleichbare Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit auf nationaler Ebene einführt. Schließlich sollten die Mitgliedstaaten klare, umfassende und zeitnahe Informationen über solche allgemeinen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit bereitstellen.

Bei der Beurteilung der Notwendigkeit solcher Maßnahmen müssen die Mitgliedstaaten auch prüfen, ob das angestrebte Ziel im Bereich der öffentlichen Gesundheit nicht durch Alternativen erreicht werden kann, die weniger stark in das Recht auf Freizügigkeit eingreifen(364) Diesbezüglich hängen die Maßnahmen und möglichen Alternativen, die ergriffen werden können, zwangsläufig von der Art der konkreten Gefahr für die öffentliche Gesundheit ab. Während der COVID-19-Pandemie waren etwa reisebezogene Test- oder Quarantänevorschriften in der Regel Maßnahmen, die weniger Interferenzen verursachten als ein pauschales Ein- oder Ausreiseverbot. (365) Die Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen sowie die Option weniger restriktiver Maßnahmen, z. B. infolge neuer wissenschaftlicher Entwicklungen, müssen regelmäßig neu bewertet werden. Dennoch können die Mitgliedstaaten nicht gebietsansässigen Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen als letztes Mittel die Einreise aus Gründen der öffentlichen Gesundheit verweigern. Grundsätzlich müssen alle Maßnahmen, die die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit innerhalb der EU aus Gründen der öffentlichen Gesundheit einschränken, so bald wie möglich aufgehoben werden. (366)

Insbesondere während einer Pandemie können die Mitgliedstaaten infolge ein und derselben Krankheit, die in den Anwendungsbereich von Artikel 29 Absatz 1 fällt, Beschränkungen der Freizügigkeit einführen. In einer solchen Situation können koordinierte Anstrengungen auf EU-Ebene erforderlich werden, um bei fehlender Koordinierung einseitige Maßnahmen zu vermeiden, die zusätzliche praktische Hindernisse für die Freizügigkeit schaffen, selbst wenn diese Maßnahmen, einzeln geprüft, im Einklang mit dem Unionsrecht stehen. Diese Koordinierungsbemühungen können rechtsverbindliche Instrumente (367) oder nicht verbindliche Rechtsakte wie Empfehlungen (368) umfassen.

Zusammenfassend kann Folgendes festgestellt werden:

Zu den Krankheiten, die Maßnahmen rechtfertigen, die die Freizügigkeit beschränken, zählen ausschließlich:

a)

Krankheiten mit epidemischem Potenzial im Sinne der einschlägigen Rechtsinstrumente der WHO

b)

andere ansteckende oder übertragbare parasitäre Krankheiten und Leiden, sofern gegen diese Krankheiten Maßnahmen zum Schutz der Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats getroffen werden

Unionsbürger und ihre Familienangehörigen mit Aufenthalt von mehr als drei Monaten

Sie können vom Wohnsitzmitgliedstaat nicht aus Gründen der öffentlichen Gesundheit ausgewiesen werden.

Ihnen kann die Wiedereinreise vom Wohnsitzmitgliedstaat nicht verweigert werden.

Unionsbürger und ihre Familienangehörigen mit Aufenthalt von weniger als drei Monaten

Von ihnen kann bei Vorliegen ernsthafter Anhaltspunkte verlangt werden, dass sie sich einer ärztlichen Untersuchung unterziehen, um feststellen zu lassen, dass sie nicht an der betreffenden Krankheit leiden.

Diese ärztlichen Untersuchungen dürfen nicht systematisch angeordnet werden.

Ihnen sollte normalerweise die Wiedereinreise vom Wohnsitzmitgliedstaat nicht verweigert werden.

Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die noch keinen Wohnsitz im Mitgliedstaat haben

Die Beschränkungen müssen im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung, angewandt werden.

Die getroffenen Maßnahmen müssen daher in ihrem Umfang und in ihrer Dauer streng begrenzt sein und dürfen nicht über das für den Schutz der öffentlichen Gesundheit unbedingt erforderliche Maß hinausgehen.

Die Mitgliedstaaten müssen prüfen, ob das angestrebte Ziel der öffentlichen Gesundheit nicht durch Alternativen erreicht werden kann, die weniger stark in das Recht auf Freizügigkeit eingreifen.

Die Einreiseverweigerung ist als letztes Mittel möglich.

14   Beschränkungen aus anderen Gründen als der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 15 der Richtlinie 2004/38/EG)

Artikel 15 betrifft Ausweisungsverfügungen aus Gründen, die nichts mit einer Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zu tun haben. (369) Artikel 15 erlaubt es dem Aufnahmemitgliedstaat somit, Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, die in der Vergangenheit ein Aufenthaltsrecht von bis zu drei Monaten (gemäß Artikel 6) oder von mehr als drei Monaten (gemäß Artikel 7) hatten, aber die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nicht mehr erfüllen, aus seinem Hoheitsgebiet auszuweisen. (370) Das könnte beispielsweise folgende Fälle betreffen:

ein Familienangehöriger, der nach dem Wegzug des Unionsbürgers aus dem Aufnahmemitgliedstaat nicht mehr über ein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38/EG verfügt,

eine Person, die nicht mehr Familienangehörige eines Unionsbürgers ist und die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsrechts gemäß der Richtlinie 2004/38/EG nicht erfüllt

ein wirtschaftlich nicht aktiver Unionsbürger, der die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nimmt.

In einem solchen Fall sind die in den Artikeln 30 und 31 der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen Garantien analog anwendbar, wenn eine solche Ausweisungsverfügung erlassen wird, und es ist mit einer derartigen Verfügung unter keinen Umständen möglich, ein Einreiseverbot in das Hoheitsgebiet zu verhängen. (371)

Wenn der Unionsbürger kein Aufenthaltsrecht nach Artikel 7 der Richtlinie 2004/38/EG mehr besitzt und gegen ihn eine Ausweisungsverfügung nach Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG ergeht, reicht die physische Ausreise der betreffenden Person aus dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats nicht aus, um der Ausweisungsverfügung vollständig nachzukommen. Der EU-Bürger muss seinen Aufenthalt dort nach Artikel 7 tatsächlich und wirksam beendet haben. (372)

Erst wenn diese Unionsbürger ihren Aufenthalt tatsächlich und wirksam beendet haben, können sie ihr Aufenthaltsrecht nach Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG im selben Aufnahmemitgliedstaat wieder ausüben, da ihr neuer Aufenthalt nicht als tatsächliche Fortsetzung ihres vorherigen Aufenthalts in diesem Hoheitsgebiet angesehen werden kann. (373)

Um anhand einer Gesamtbeurteilung aller Umstände festzustellen, ob der Unionsbürger und die Familienangehörigen ihren Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats tatsächlich und wirksam beendet haben, müssen die zuständigen nationalen Behörden in solchen Fällen folgende Faktoren berücksichtigen: (374)

a)

die Dauer des Aufenthalts außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats – je länger die Abwesenheit der betroffenen Person vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats dauert, desto eher belegt sie nämlich die tatsächliche und wirksame Beendigung ihres Aufenthalts; dagegen deutet eine bloß sehr kurze Abwesenheit von einigen Tagen oder sogar einigen Stunden eher darauf hin, dass der Aufenthalt nicht beendet wurde,

b)

Umstände, die eine Lösung der Bindungen zwischen dem betreffenden Unionsbürger und dem Mitgliedstaat erkennen lassen (z. B. ein Antrag auf Löschung in einem Einwohnermelderegister, die Kündigung eines Mietvertrags oder eines Vertrags über die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen wie Wasser oder Strom, ein Umzug, die Abmeldung von einem Dienst zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt oder die Beendigung sonstiger Beziehungen, die mit einer gewissen Integration in diesen Mitgliedstaat einhergehen),

die Relevanz solcher Gesichtspunkte, die je nach Umständen variieren kann, ist von den Behörden anhand aller konkreten Umstände zu beurteilen, die die besondere Situation des Betroffenen kennzeichnen (es sind der Grad seiner Integration in den Aufnahmemitgliedstaat, die Dauer seines Aufenthalts in dessen Hoheitsgebiet unmittelbar vor Erlass der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung sowie seine familiäre und wirtschaftliche Situation zu berücksichtigen),

c)

die Merkmale des Wohnsitzes der betreffenden Person außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats während der Abwesenheit von diesem Mitgliedstaat, um festzustellen, ob die Person während dieses Zeitraums den Mittelpunkt ihrer persönlichen, beruflichen oder familiären Interessen in einen anderen Staat verlegt hat.

Wird einer solchen Ausweisungsverfügung nicht nachgekommen, so ist der Mitgliedstaat nicht verpflichtet, eine neue Entscheidung zu erlassen, sondern kann sich auf die ursprüngliche Entscheidung berufen, um den Betroffenen zum Verlassen seines Hoheitsgebiets zu zwingen. (375)

Eine wesentliche Änderung der Umstände, die es dem Unionsbürger ermöglicht, die Voraussetzungen für das Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate nach Artikel 7 zu erfüllen (z. B. wenn der Unionsbürger Arbeitnehmer wird), würde der Ausweisungsverfügung jedoch jede Wirkung nehmen und trotz der Nichtbefolgung dieser Entscheidung erfordern, dass der Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats als rechtmäßig anzusehen ist. (376)

Schließlich steht eine Ausweisungsverfügung nach Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG der Ausübung des in Artikel 5 der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen Rechts auf Einreise nicht entgegen, wenn sich der Unionsbürger „zu anderen Zwecken als zum dortigen Aufenthalt punktuell in dieses Hoheitsgebiet begeben möchte“. Daher kann die Ausweisungsverfügung gegen den Betroffenen nicht vollstreckt werden, solange seine Anwesenheit im Aufnahmemitgliedstaat nach Artikel 5 der Richtlinie 2004/38/EG gerechtfertigt ist. (377)

15   Verfahrensgarantien (Artikel 30 bis 33 der Richtlinie 2004/38/EG)

Die Verfahrensgarantien der Richtlinie 2004/38/EG sind im Einklang mit den Anforderungen auszulegen, die sich aus Artikel 47 der Charta der Grundrechte über das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf ergeben. (378)

Die Verfahrensgarantien nach Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG gelten für alle Fälle, in denen die Einreise- und Aufenthaltsrechte gemäß der Richtlinie 2004/38/EG eingeschränkt oder verweigert werden (einschließlich Ablehnung eines Visumantrags, Einreiseverweigerung, Ablehnung eines Antrags auf eine Aufenthaltskarte, Verweigerung der Aufenthaltsbescheinigung, Entzug der Aufenthaltskarte usw.) und unabhängig von den Gründen, auf denen die Maßnahme beruht, d. h.

Rechtsmissbrauch und Betrug (Artikel 35 der Richtlinie 2004/38/EG),

öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit,

Maßnahmen aus allen anderen Gründen (Artikel 15 der Richtlinie 2004/38/EG), z. B. wenn ein Visum, ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte oder eine Registrierung abgelehnt wird, weil der Antragsteller die an das Aufenthaltsrecht geknüpften Bedingungen nicht erfüllt, oder Entscheidungen, die mit der Begründung getroffen wurden, dass die betreffende Person die mit dem Aufenthaltsrecht verbundenen Bedingungen nicht mehr erfüllt (z. B. wenn ein nicht erwerbstätiger Unionsbürger die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nimmt). (379)

Mit Ausnahme der im nationalen Recht vorgesehenen allgemeinen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die die Ausübung des Rechts, sich innerhalb der EU frei zu bewegen, einschränken, und bei denen die spezifische Situation jedes Einzelnen nicht geprüft werden muss (z. B. Maßnahmen, die während der COVID-19-Pandemie ergriffen wurden: siehe Abschnitt 13.2 – Auf Gründen der öffentlichen Gesundheit basierende Beschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt), muss die betroffene Person stets schriftlich über etwaige restriktive Maßnahmen unterrichtet werden. In der Entscheidung muss angegeben werden, bei welchem Gericht oder welcher Verwaltungsbehörde die betreffende Person innerhalb welcher Frist einen Rechtsbehelf einlegen kann.

In der Begründung ist auf alle tatsächlichen und rechtlichen Umstände einzugehen, sodass der Betroffene konkrete Schritte zu seiner Verteidigung (380) unternehmen kann und die Entscheidung von einem nationalen Gericht entsprechend dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, das ein in Artikel 47 der EU-Grundrechtecharta verankertes Grundrecht ist, nachgeprüft werden kann. (381) Zur Unterrichtung des Betroffenen über die Entscheidung können Vordrucke verwendet werden, die jedoch so beschaffen sein müssen, dass eine ausführliche Begründung der Entscheidung möglich ist (das Ankreuzen einer oder mehrerer Alternativen auf dem Vordruck reicht nicht aus).

Die Rechtsbehelfsverfahren müssen eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen über die Beschränkung der Freizügigkeit sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht ermöglichen und sicherstellen, dass die betreffende Entscheidung nicht unverhältnismäßig ist. (382)

Die Fristen für die Durchführung von Rechtsbehelfsverfahren sind zwar in der Richtlinie 2004/38/EG nicht festgelegt, doch ist gemäß Artikel 47 der Grundrechtecharta ein faires und öffentliches Verfahren „innerhalb angemessener Frist“ erforderlich.

Nach der gerichtlichen Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der die Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers abgelehnt wird, ist die zuständige nationale Behörde verpflichtet, innerhalb einer angemessenen Frist, die in keinem Fall die in Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG genannte Frist (sechs Monate nach Einreichung des Antrags) überschreiten darf, eine neue Entscheidung zu erlassen. (383) Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, „steht die automatische Eröffnung einer neuen Sechsmonatsfrist nach der gerichtlichen Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der die Ausstellung einer Aufenthaltskarte abgelehnt wird, offensichtlich in keinem angemessenen Verhältnis zum Zweck des Verwaltungsverfahrens nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 sowie zum Ziel dieser Richtlinie.“  (384)

Die Mitgliedstaaten sind nach Artikel 30 der Richtlinie 2004/38/EG verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, damit der Betroffene den Inhalt und die Auswirkungen einer nach Artikel 27 erlassenen Entscheidung versteht; sie sind jedoch nicht dazu verpflichtet, dass diese Entscheidung ihnen in einer Sprache mitgeteilt wird, die sie verstehen oder bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie sie verstehen, wenn die Person keinen entsprechenden Antrag gestellt hat. (385)

Außer in ordnungsgemäß begründeten dringenden Fällen muss die Frist zum Verlassen des Hoheitsgebiets gemäß Artikel 30 Absatz 3 mindestens einen Monat betragen. Die Ausweisung muss dringend geboten und verhältnismäßig sein. (386) Wenn die Behörden in dringenden Fällen prüfen, ob die Frist zu verkürzen ist, müssen sie den Auswirkungen einer umgehenden oder dringend gebotenen Abschiebung auf die persönlichen und familiären Umstände des Betroffenen Rechnung tragen (z. B. Notwendigkeit, den Arbeitgeber zu unterrichten, die Wohnung zu kündigen, den Umzug zu organisieren, eine Schule für die Kinder zu finden usw.). Der Erlass einer Ausweisungsverfügung aus zwingenden oder schwerwiegenden Gründen bedeutet nicht unbedingt, dass Eile geboten ist. Die Dringlichkeit muss gesondert und konkret begründet werden.

Wiedereinreiseverbote (387) können nur dann zusammen mit einer Ausweisungsverfügung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verhängt werden, wenn nachgewiesen ist, dass der Betroffene auch in Zukunft eine ernsthafte und tatsächliche Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellen könnte. Sie können nicht automatisch auf eine strafrechtliche Verurteilung folgen. (388) Personen, gegen die ein Wiedereinreiseverbot verhängt wurde, können nach Ablauf einer angemessenen Frist deren Aufhebung beantragen. (389)

Ausweisungsverfügungen und Wiedereinreiseverbote können zwar gleichzeitig erlassen werden, doch sollten die beiden Entscheidungen und ihre Begründungen klar voneinander abgegrenzt werden. In der Praxis kann jedoch jede Ausweisungsentscheidung Anlass zur Prüfung der Frage sein, ob ein Wiedereinreiseverbot gerechtfertigt ist.

In Fällen, in denen das Recht auf Freizügigkeit missbraucht oder in betrügerischer Absicht erlangt wurde, hängt es von der Schwere der Straftat ab, ob die Personen als ernsthafte Gefahr für die öffentliche Ordnung angesehen werden können, wodurch in einigen Fällen ein Wiedereinreiseverbot gerechtfertigt sein kann.

Betrug im Bereich der sozialen Sicherheit kann im Rahmen der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten zwar auch mit strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen geahndet werden, doch stellt er für sich genommen keinen Rechtsmissbrauch oder Betrug in Bezug auf die Freizügigkeit im Sinne des Artikels 35 der Richtlinie 2004/38/EG dar. Erhält jedoch ein mobiler Unionsbürger mit rechtmäßigem Aufenthalt in betrügerischer Weise Vorteile aufgrund falscher Erklärungen, ist die Ausweisung und Verhängung eines Wiedereinreiseverbots nach den allgemeinen Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG möglich, wenn der Unionsbürger im Einklang mit dem oben genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung angesehen werden kann.

Bei einer Ausweisungsverfügung aus allen anderen Gründen (Artikel 15 der Richtlinie 2004/38/EG) ist es unter keinen Umständen möglich, mit einer solchen Entscheidung ein Wiedereinreiseverbot in das Hoheitsgebiet zu verhängen. (390)

16   Betrug und Rechtsmissbrauch (Artikel 35 der Richtlinie 2004/38/EG)

16.1   Allgemeine Erwägungen

Bei Rechtsmissbrauch kann das Unionsrecht nicht in Anspruch genommen werden(391) Die Mitgliedstaaten können nach Artikel 35 die Maßnahmen erlassen, die notwendig sind, um wirksam gegen Rechtsmissbrauch und Betrug in den Bereichen vorzugehen, für die das Freizügigkeitsrecht der EU maßgebend ist, und können die durch diese Richtlinie verliehenen Rechte im Falle von Rechtsmissbrauch oder Betrug – wie z. B. durch Eingehung von Scheinehen – verweigern, aufheben oder widerrufen. Solche Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein und unterliegen den Verfahrensgarantien der Richtlinie. (392)

Das Unionsrecht fördert die Mobilität der Unionsbürger und schützt all jene, die von ihr Gebrauch machen(393) Wenn ein Unionsbürger und seine Familienangehörigen auf der Grundlage des Unionsrechts ein Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedstaat erwerben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, nutzen sie einen Rechtsvorteil, der Bestandteil des durch den EG-Vertrag geschützten Rechts auf Freizügigkeit ist (394); hier liegt unabhängig vom Beweggrund ihres Umzugs in diesen Mitgliedstaat kein Rechtsmissbrauch vor. (395)

Seltsames oder ungewöhnliches Verhalten an sich stellt keinen Rechtsmissbrauch oder Betrug dar.

Ausführliche Erläuterungen – einschließlich operativer Leitlinien – zur Bekämpfung von Missbrauch und Betrug und zur geltenden Beweislast sind im Handbuch für Scheinehen (396) enthalten. Im Zusammenhang mit Visumanträgen enthält Teil III Abschnitt 5 des Visa-Handbuchs operative Anweisungen, die sich unmittelbar aus Artikel 35 der Richtlinie 2004/38/EG ergeben und für alle EU-Mitgliedstaaten relevant sind.

16.2   Betrug

Im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG lässt sich Betrug als das Verhalten einer Person definieren, die versucht, gegen das Gesetz zu verstoßen, indem sie gefälschte Unterlagen vorlegt, die vorgeben, dass die formalen Voraussetzungen ordnungsgemäß erfüllt sind, oder wenn diese Unterlagen aufgrund einer falschen Darstellung einer wesentlichen Tatsache in Bezug auf die mit dem Aufenthaltsrecht verbundenen Voraussetzungen ausgestellt wurden. Beispielsweise würde es sich bei der Vorlage einer gefälschten Heiratsurkunde zwecks Erlangung eines Einreise- und Aufenthaltsrechts nach der Richtlinie 2004/38/EG um einen Fall von Betrug und nicht um einen Rechtsmissbrauch handeln, da in Wirklichkeit keine Ehe geschlossen wurde.

Die durch diese Richtlinie verliehenen Rechte können verweigert, aufgehoben oder widerrufen werden, wenn Personen eine Aufenthaltsberechtigung allein durch eine Täuschung erwirkt haben, wegen der sie bestraft worden sind (siehe Abschnitt 16.6 - Maßnahmen und Sanktionen gegen Rechtsmissbrauch und Betrug). (397)

16.3   Rechtsmissbrauch

Rechtsmissbrauch im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG lässt sich als Verhalten definieren, das allein dem Zweck dient, das unionsrechtlich garantierte Aufenthalts- und Freizügigkeitsrecht zu erlangen, und das zwar formal den unionsrechtlichen Kriterien genügt, aber nicht mit dem Zweck dieser Vorschriften vereinbar ist. (398)

Bei der Auslegung des Missbrauchsbegriffs im Kontext der Richtlinie 2004/38/EG muss dem Status des Unionsbürgers Rechnung getragen werden. Entsprechend dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts muss die Prüfung, ob Unionsrecht missbraucht worden ist, im Rahmen des Unionsrechts erfolgen und nicht auf der Grundlage des einzelstaatlichen Einwanderungsrechts. Die Richtlinie 2004/38/EG hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, im Einzelfall Nachprüfungen anzustellen, wenn ein begründeter Verdacht auf Rechtsmissbrauch besteht. Systematische Überprüfungen lässt das Unionsrecht jedoch nicht zu. (399) Die Mitgliedstaaten können sich auf frühere Analysen und Erfahrungen stützen, die einen deutlichen Zusammenhang zwischen erwiesenen Missbrauchsfällen und bestimmten Merkmalen solcher Fälle erkennen lassen.

16.4   Scheinehen

Für die Zwecke der EU-Freizügigkeitsvorschriften bezeichnet der Begriff „Scheinehe“ eine Ehe, die nur geschlossen wird, damit ein Ehepartner das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht nach den EU-Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit von Unionsbürgern erlangt, auf das dieser andernfalls keinen Anspruch hätte. (400) Die Qualität der Beziehung ist für die Anwendung von Artikel 35 unerheblich.

Ein Rechtsmissbrauch kann grundsätzlich auch in Form anderer Scheinverhältnisse erfolgen, aber es können alle Leitlinien in Bezug auf Scheinehen entsprechend angewandt werden. Beispiele für solche Scheinverhältnisse sind (eingetragene) Scheinpartnerschaften, Scheinadoptionen oder eine Vaterschaftserklärung eines Unionsbürgers zugunsten eines Kindes ohne Unionsbürgerschaft, um dem Kind seine Staatsangehörigkeit zu geben und dem Kind und der Mutter ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen, in dem Wissen, dass er nicht der Vater des Kindes ist, und auch nicht bereit ist, die elterliche Verantwortung zu übernehmen; auch Scheinabhängigkeiten sind ein Beispiel dafür.

Laufende Ermittlungen bei Verdacht auf Scheinehe rechtfertigen keine Ausnahmen von den in Richtlinie 2004/38/EG verbrieften Rechten für Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, wie beispielsweise durch das Verbot des Rechts auf Arbeit, den Einzug des Reisepasses oder die Nichteinhaltung der Sechsmonatsfrist bei Ausstellung der Aufenthaltskarte. Diese Rechte können allerdings jederzeit nach Abschluss der Ermittlungen entzogen werden, wenn sich der Verdacht bestätigt hat.

16.5   Rechtsmissbrauch durch zurückkehrende Staatsangehörige

Siehe Abschnitt 18 – Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen zurückkehrender Staatsangehöriger.

16.6   Maßnahmen und Sanktionen gegen Rechtsmissbrauch und Betrug

Die von den nationalen Behörden auf der Grundlage von Artikel 35 der Richtlinie 2004/38/EG erlassenen Maßnahmen müssen auf einer Prüfung des Einzelfalls beruhen. Dies bedeutet, dass Maßnahmen zur allgemeinen Prävention bei weitverbreiteten Fällen von Rechtsmissbrauch oder Betrug nicht dazu führen dürfen, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG nicht angewandt werden. (401)

Nach Artikel 35 sind die Mitgliedstaaten berechtigt, bei Rechtsmissbrauch oder Betrug die notwendigen Maßnahmen zu erlassen. Diese Maßnahmen können jederzeit erlassen werden und können Folgendes zum Gegenstand haben:

die Verweigerung von Rechten, die sich aus den Unionsvorschriften über die Freizügigkeit ergeben (z. B. Ausstellung eines Einreisevisums oder einer Aufenthaltskarte);

Aufhebung oder Widerruf von Rechten, die sich aus den Unionsvorschriften über die Freizügigkeit ergeben (z. B. Aufhebung der Gültigkeit einer Aufenthaltskarte und Ausweisung der betroffenen Person, die die Rechte durch Rechtsmissbrauch oder Betrug erlangt hat).

Das Unionsrecht sieht derzeit keine besonderen Sanktionen vor, die Mitgliedstaaten im Falle von Rechtsmissbrauch oder Betrug verhängen können. Die Mitgliedstaaten können zivilrechtliche Sanktionen (z. B. Aufhebung der Wirkungen einer nachweislichen Scheinehe auf das Aufenthaltsrecht), verwaltungsrechtliche oder strafrechtliche Sanktionen (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe) vorsehen, die wirksam, nichtdiskriminierend und verhältnismäßig sein müssen.

17   Verbreitung von Informationen (Artikel 34 der Richtlinie 2004/38/EG)

Nach Artikel 34 der Richtlinie 2004/38/EG sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Informationen hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen in den von der Richtlinie 2004/38/EG erfassten Bereichen zu verbreiten. Dazu gehört insbesondere die Durchführung von Sensibilisierungskampagnen über nationale und lokale Medien und andere Kommunikationsmittel.

Es ist von größter Bedeutung, dass den Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen korrekte Informationen zur Verfügung stehen, um ihnen die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu ermöglichen.

Beispiele für nachahmenswerte Vorgehensweisen:

Bereitstellung von Informationen über eine zentrale Website, um eine Fragmentierung und Doppelung von einander widersprechenden und zu Verwirrung führenden Quellen zu vermeiden. Wenn alle relevanten Informationen über einen einzigen Kanal angeboten werden, ist es für die Bürgerinnen und Bürger einfacher, umfassende Informationen zu finden, und die nationalen Behörden können leichter sicherstellen, dass die verfügbaren Informationen kohärent und auf dem neuesten Stand sind.

Erstellung und Aktualisierung von FAQ.

Die Gewährleistung der Verfügbarkeit von Informationen ist auch eine Verpflichtung gemäß der Verordnung (EU) 2018/1724 (402) über die Einrichtung eines zentralen digitalen Zugangstors („Ihr Europa“), wonach die Mitgliedstaaten und die Kommission sicherstellen müssen, dass Unionsbürger sowie Unternehmen einen einfachen Online-Zugang zu Informationen über Rechte, Pflichten und Vorschriften haben, die in den in Anhang I der Verordnung aufgeführten Bereichen gelten. Hierzu zählen:

Dokumente, die von Unionsbürgern, ihren Familienangehörigen, die keine Unionsbürger sind, allein reisenden Minderjährigen und Nicht-Unionsbürgern bei grenzüberschreitenden Reisen innerhalb der Union verlangt werden (Personalausweis, Visum, Pass),

Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat, einschließlich Informationen über den vorübergehenden oder dauerhaften Umzug in einen anderen Mitgliedstaat und über Anforderungen in Bezug auf Aufenthaltskarten für Unionsbürger und ihre Familienmitglieder.

Auf der Website „Ihr Europa“  (403) finden Unionsbürger und ihre Familienangehörigen Informationen über ihre Rechte gemäß der Richtlinie 2004/38/EG und können über EU-Unterstützungsdienste wie SOLVIT spezifischen Rat einholen.

SOLVIT (404) ist ein EU-weites Netz nationaler Verwaltungen, mit dem grenzübergreifende Probleme im Zusammenhang mit dem EU-Binnenmarkt, einschließlich der Richtlinie 2004/38/EG, gelöst werden sollen. Es ermöglicht den Mitgliedstaaten, gemeinsam und kostenlos außergerichtliche Lösungen für Probleme zu finden, die auf behördliche Verstöße gegen das Unionsrecht zurückzuführen sind.

Werden von SOLVIT wiederkehrende Probleme im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG festgestellt, meldet es diese der Kommission, damit die Ursache des Problems angegangen werden kann. Die SOLVIT-Stellen arbeiten somit Hand in Hand mit ihren eigenen nationalen Behörden, um individuelle Probleme zu lösen und zur ordnungsgemäßen Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG beizutragen.

18   Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen zurückkehrender Staatsangehöriger

Der Gerichtshof hat die Rechte, die das Unionsrecht Unionsbürgern gewährt, die von ihrem Recht Gebrauch machen, sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Staatsangehörigkeit frei zu bewegen und aufzuhalten, so ausgelegt, dass sie sich auch auf Unionsbürger erstrecken, die in den Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit zurückkehren, nachdem sie ihr Recht auf Freizügigkeit durch Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt haben. (405)

Infolgedessen kann den Familienangehörigen von zurückkehrenden Unionsbürgern auf der Grundlage der Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht im Mitgliedstaat gewährt werden, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt. In solchen Fällen gilt analog die Richtlinie 2004/38/EG. (406)

Wie dies jedoch in der Rechtsprechung entwickelt worden ist, hängt diese Möglichkeit von der Erfüllung der folgenden Bedingungen ab:

a)   In Bezug auf den Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, aus dem der Unionsbürger zurückkehrt

–   Der Unionsbürger muss sich im Einklang mit den in Artikel 7 Absatz 1 oder Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG genannten Voraussetzungen tatsächlich in diesem Mitgliedstaat niedergelassen haben.

Im Wesentlichen erfüllen der Unionsbürger und der Familienangehörige diese Voraussetzung, wenn der Unionsbürger während seines Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat

Arbeitnehmer oder Selbstständiger war,

über ausreichende Existenzmittel und einen Krankenversicherungsschutz (auch bei Studierenden gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c) verfügte

Familienangehöriger eines Unionsbürgers war, der diese Voraussetzungen erfüllt, oder

bereits das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat (das an keine Voraussetzungen mehr geknüpft ist).

Kumulierte Kurzaufenthalte, wie Mehrfachaufenthalte an Wochenenden oder Feiertagen fallen in den Anwendungsbereich von Artikel 6 der Richtlinie 2004/38/EG und erfüllen diese Voraussetzungen nicht. (407)

Wie der Gerichtshof bestätigt hat, deutet ein Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat gemäß und unter den oben genannten Voraussetzungen grundsätzlich „auf ein sich Niederlassen des Unionsbürgers in diesem Mitgliedstaat und damit auf einen Aufenthalt von einer gewissen Dauer hin, womit die Entwicklung oder Festigung eines Familienlebens im Aufnahmemitgliedstaat einhergehen kann“. (408)

In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, dass die zugrunde liegenden Voraussetzungen im Aufnahmemitgliedstaat erfüllt waren, unabhängig davon, ob man im Besitz eines Aufenthaltsdokuments war oder nicht. (409)

Die bloße Aufrechterhaltung einer Bindung zum Mitgliedstaat der Staatsangehörigkeit durch den Unionsbürger lässt nicht den Schluss zu, dass der Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat nur zum Schein und nicht tatsächlich besteht. Dies gilt auch dann, wenn der betreffende Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat keine gesicherte Stellung hat (z. B. bei einem befristeten Arbeitsvertrag).

–   Der Unionsbürger muss sein Familienleben in diesem Mitgliedstaat mit dem betreffenden Familienangehörigen begründet oder gestärkt haben.

Der Familienangehörige des Unionsbürgers muss sich auch gemäß Artikel 7 bzw. Artikel 16 der Richtlinie 2004/38/EG im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben. (410)

Beispiele:

Beispiel 1

J. kehrt mit S., seiner Ehefrau, die Nicht-Unionsbürgerin ist, aus einem anderen Mitgliedstaat zurück, nachdem er dort zusammen mit S. eineinhalb Jahre lang als Arbeitnehmer gewohnt hat.

Als rückkehrender Staatsangehöriger kann sich J. für seine Ehefrau S. auf das Unionsrecht berufen, um für sie ein Aufenthaltsrecht im Mitgliedstaat seiner Staatsangehörigkeit abzuleiten. Gemäß Artikel 10 der Richtlinie 2004/38/EG, der entsprechend gilt, kann seine Ehefrau S. als Nicht-Unionsbürgerin eine Aufenthaltskarte beantragen, die innerhalb von sechs Monaten ausgestellt werden sollte.

Es ist unerheblich, dass S. vor ihrem Umzug in den anderen Mitgliedstaat zweimal erfolglos versucht hat, ein Aufenthaltsrecht im Mitgliedstaat von J. zu erlangen.

Beispiel 2

J. kehrt mit S., seiner Ehefrau, die Nicht-Unionsbürgerin ist, aus einem anderen Mitgliedstaat in den Mitgliedstaat seiner Staatsangehörigkeit zurück. In der Zeit, in der J. seinen Aufenthalt angeblich in einem anderen Mitgliedstaat hatte, ging er im Mitgliedstaat seiner Staatsangehörigkeit weiter seiner Arbeit nach.

Die Behörden setzen sich mit den Behörden im Aufnahmemitgliedstaat in Verbindung und finden heraus, dass J. bereits nach drei Wochen wieder in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückgekehrt ist. Das Ehepaar hatte drei Wochen in einem Hotel verbracht, das sie im Voraus bezahlt hatten.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände können sich J. und S. nicht auf die Richtlinie 2004/38/EG berufen.

b)   In Bezug auf den Wohnsitz des Unionsbürgers in dem Mitgliedstaat seiner Staatsangehörigkeit:

Da Rückkehrer Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, die sich in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben und sich nun in dem Mitgliedstaat aufhalten, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, fällt ihre Situation in den Anwendungsbereich von Artikel 21 AEUV, wonach sie zusammen mit ihren Familienangehörigen das Recht haben, in dem Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit ein normales Familienleben zu führen.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass das Unionsrecht dem nicht entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat dem Familienangehörigen eines Unionsbürgers, der nach einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückgekehrt ist, ein Aufenthaltsrecht verweigert, wenn der Familienangehörige nicht in einer natürlichen Verlängerung zu der Rückkehr des Unionsbürgers einreist oder einen Antrag auf ein Aufenthaltsrecht stellt. In diesem Fall sind jedoch bei der Gesamtwürdigung auch andere relevante Faktoren zu berücksichtigen, um nachzuweisen, dass das im Aufnahmemitgliedstaat entwickelte und gefestigte Familienleben trotz der Zeit zwischen der Rückkehr des Unionsbürgers in diesen Mitgliedstaat und der Einreise des Familienangehörigen in denselben Mitgliedstaat nicht beendet ist. (411)

Beispiel:

J. ist Staatsangehöriger des Mitgliedstaats A. Nach einem Aufenthalt in Mitgliedstaat B mit seiner Ehefrau T., die Nicht-Unionsbürgerin ist, kehrt J. in den Mitgliedstaat A zurück. T. begleitet ihn nicht und bleibt in Mitgliedstaat B, um ihr Hochschulstudium abzuschließen. T. möchte J. später in Mitgliedstaat A nachziehen. Bei der Feststellung, ob T. ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht im Mitgliedstaat A hat, kann der Umstand berücksichtigt werden, dass seit der Rückkehr von J. in den Mitgliedstaat A ein erheblicher Zeitraum vergangen ist; es ist aber darüber hinaus zu prüfen, ob ihr Familienleben fortgesetzt wurde.

Der Gerichtshof hat bestätigt, dass seine Rechtsprechung zu Rückkehrern auf „Familienangehörige im weiteren Sinne“ von Artikel 3 Absatz 2 Anwendung findet, die somit Anspruch auf Erleichterung des Rechts auf Einreise und Aufenthalt haben, wenn sie zurückkehren. (412)

Schließlich wurde klargestellt, dass gleichgeschlechtliche Ehegatten bei in der EU geschlossenen Ehen unter diese Rechtsprechung fallen und somit in den Mitgliedstaat zurückkehren können, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, unabhängig davon, ob dieser Mitgliedstaat die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Personen zulässt oder nicht. (413) Der Gerichtshof erläuterte, dass diese Entscheidung den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, nicht verpflichtet, die gleichgeschlechtliche Ehe in seinen nationalen Rechtsvorschriften vorzusehen, dass er aber im Hinblick auf das Einreise- und Aufenthaltsrecht des Familienangehörigen sowie alle sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte Ehen anerkennen muss, die in einem anderen Mitgliedstaat geschlossen wurden. (414)

c)   es liegt kein Rechtsmissbrauch vor:

Ein Verhalten kann nur dann missbräuchlich sein, wenn (415)

eine Kombination objektiver Umstände darauf schließen lässt, dass das Ziel von Unionsvorschriften nicht erreicht wurde, obwohl die in diesen Vorschriften festgelegten Bedingungen formal eingehalten wurden,

ein subjektives Element besteht, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden.

Abgesehen von Scheinehen hatte der Gerichtshof noch keine Gelegenheit zu klären, welche anderen Formen des Missbrauchs unter diesen Begriff fallen könnten. (416)

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Beweggründe eines Unionsbürgers für die Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit – sei es als erwerbstätiger oder nicht erwerbstätiger Unionsbürger – irrelevant, sofern er die Aufenthaltsvoraussetzungen des EU-Freizügigkeitsrechts erfüllt. (417) Daraus folgt, dass es in Fällen, in denen Familienangehörige aufgrund der Anwendung nationaler Einwanderungsvorschriften, die dies verhindern, Unionsbürgern in deren Herkunftsmitgliedstaat nicht nachziehen können, nicht missbräuchlich ist, ihr Recht auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat allein zu dem Zweck auszuüben, sich bei der Rückkehr in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, auf ihre Rechte als rückkehrende Staatsangehörige nach dem Unionsrecht zu berufen. (418) Dies setzt jedoch voraus, dass die betreffenden Personen die Voraussetzungen für die Anwendung der Rückkehrbestimmungen erfüllen.

Im Falle einer Ablehnung ist es daher wichtig, dass die nationalen Behörden in ihren Entscheidungen zwischen den Fällen, in denen die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, und den Fällen, in denen ein Rechtsmissbrauch vorlag, unterscheiden.

Ein Missbrauch durch einen zurückkehrenden Staatsangehörigen kann sich per definitionem nur in dem Mitgliedstaat manifestieren, dessen Staatsangehörigkeit der zurückkehrende Unionsbürger besitzt.

19   Rechtsprechung in der Rechtssache Ruiz Zambrano

Die Richtlinie 2004/38/EG gilt für Unionsbürger, die sich in einen anderen als den Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit begeben oder sich dort aufhalten, sowie für ihre Familienangehörigen, die sie in diesen Mitgliedstaat begleiten oder ihnen dorthin nachziehen.

EU-Bürger, die nie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben und sich stets in einem Mitgliedstaat aufgehalten haben, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, fallen nicht unter die Richtlinie 2004/38/EG. (419) Sie gelten daher als „statische“ Unionsbürger. Auch ihre Familienangehörigen fallen nicht unter die Richtlinie, da es sich bei den ihnen verliehenen Rechten nicht um eigenständige, sondern um abgeleitete Rechte handelt, die durch ihren Status als Familienangehörige eines mobilen EU-Bürgers erworben wurden. (420)

Aus diesem Grund findet die Richtlinie 2004/38/EG keine Anwendung auf drittstaatsangehörige Familienangehörige „statischer“ Unionsbürger, weshalb diese folglich kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht auf der Grundlage der Richtlinie 2004/38/EG erwerben können.

In Fällen, in denen die Bedingungen der Richtlinie 2004/38/EG nicht erfüllt sind, hat der Gerichtshof jedoch anerkannt, dass diese Nicht-Unionsbürger in ganz bestimmten Situationen ein Aufenthaltsrecht erwerben könnten, das von dem „statischen“ Unionsbürger abgeleitet wird. Der Gerichtshof hat dieses Recht auf der Grundlage von Artikel 20 AEUV anerkannt, mit dem eine Unionsbürgerschaft eingeführt wurde. Der Gerichtshof betrachtet die Unionsbürgerschaft als den grundlegenden Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten. (421)

Der Gerichtshof hat dieses Recht erstmals in der Rechtssache Ruiz Zambrano (422) in Bezug auf einen Elternteil anerkannt, der nicht Unionsbürger ist und minderjährige Kinder hat, die Unionsbürger sind.

Der Gerichtshof vertrat die Auffassung, dass ein Mitgliedstaat einem Drittstaatsangehörigen mit unterhaltsberechtigten minderjährigen EU-Kindern, die ihr Recht auf Freizügigkeit nie ausgeübt haben, ein Aufenthaltsrecht gewähren muss, wenn die Verweigerung eines solchen Rechts diese Kinder zwingen würde, das Hoheitsgebiet der Union gemeinsam mit ihren Eltern zu verlassen. (423) Eine solche Verweigerung würde diesen Unionsbürgern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands ihrer Rechte als Unionsbürger gemäß Artikel 20 AEUV nehmen. (424)

Die Richtlinie 2004/38/EG gilt nicht entsprechend für solche Situationen. Das bedeutet insbesondere, dass die Mitgliedstaaten keine Aufenthaltskarten gemäß den Artikeln 10 und 20 der Richtlinie 2004/38/EG für Berechtigte der Rechtsprechung in der Rechtssache Ruiz Zambrano ausstellen können. Stattdessen stellen sie Aufenthaltstitel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 aus. Wird der Aufenthaltstitel von einem Mitgliedstaat ausgestellt, der Teil des Schengen-Raums ist, (425) haben nach der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 ausgestellte Aufenthaltstitel eine von der Visumpflicht entbindende Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten, die Teil des Schengen-Raums sind.

Die Aufenthaltserlaubnisse, die Begünstigten der Ruiz-Zambrano- Rechtsprechung ausgestellt werden, müssen ihnen das Recht auf Arbeit verleihen. (426)

19.1   Tatsächlicher Genuss des Kernbestands der Rechte als Unionsbürger

Der Gerichtshof erkennt ein Aufenthaltsrecht von Nicht-Unionsbürgern, die Familienangehörige von Unionsbürgern sind, auf der Grundlage von Artikel 20 AEUV an, wenn die Verweigerung eines solchen Rechts diesen Unionsbürgern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der durch die Unionsbürgerschaft verliehenen Rechte verwehren würde.

Das würde in folgenden Fällen gelten:

wenn der Unionsbürger nicht nur das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, sondern auch das Hoheitsgebiet der gesamten EU verlassen muss, um einen Familienangehörigen aus einem Drittstaat zu begleiten. (427)

wenn dies die Wirksamkeit der Unionsbürgerschaft untergraben würde. In diesem Zusammenhang zwingt die Wirksamkeit der Unionsbürgerschaft die Mitgliedstaaten dazu, Anträge auf Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts auch dann zu prüfen, wenn gegen den Drittstaatsangehörigen ein Einreiseverbot verhängt wird. (428) Ebenso können die Mitgliedstaaten solche Anträge nicht allein deshalb automatisch ablehnen, weil der betreffende Unionsbürger nicht über ausreichende Mittel verfügt. (429)

Einem Nicht-Unionsbürger, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, wird jedoch kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht allein deshalb zuerkannt, weil es für den Unionsbürger aus wirtschaftlichen Gründen oder für den Zusammenhalt der Familie in der EU wünschenswert erscheinen könnte, dass sich der drittstaatsangehörige Familienangehörige mit dem Unionsbürger in der EU aufhalten kann. (430)

Darüber hinaus war der Gerichtshof der Auffassung, dass Artikel 20 AEUV dem nicht entgegensteht, dass ein drittstaatsangehöriger Elternteil eines minderjährigen EU-Kindes, das die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und seit seiner Geburt nie in der Union gewohnt hat, in den Genuss eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts nach Artikel 20 AEUV kommt, sofern feststeht, dass dieses Kind in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit es besitzt, einreisen und sich dort gemeinsam mit diesem Elternteil aufhalten wird. Umgekehrt hätte in einer Situation, in der der drittstaatsangehörige Elternteil allein in der EU wohnt und das Kind in einem Drittland verbleibt, eine Entscheidung, mit der diesem Elternteil das Aufenthaltsrecht in der EU verweigert wird, keinen Einfluss auf die Ausübung der dem Kind durch die Unionsbürgerschaft verliehenen Rechte. (431)

Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten die Gewährung des abgeleiteten Aufenthaltsrechts auf der Grundlage von Artikel 20 AEUV aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verweigern (siehe Abschnitt 19.4 - Möglichkeit der Beschränkung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts nach Artikel 20 AEUV). (432)

19.2   Abhängigkeitsverhältnis

Ein entscheidendes Element für die Feststellung, ob ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht auf der Grundlage von Artikel 20 AEUV gewährt werden sollte, ist das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem Nicht-Unionsbürger und dem Familienangehörigen, der Unionsbürger ist. Diese Beziehung muss so beschaffen sein, dass sie den Unionsbürger zwingen würde, den Nicht-Unionsbürger zu begleiten und das Hoheitsgebiet der gesamten EU zu verlassen. (433)

Es ist wahrscheinlicher, dass ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen minderjährigen Unionsbürgern und ihren drittstaatsangehörigen Eltern besteht. Ein Erwachsener ist in der Regel in der Lage, fern von seinen Familienangehörigen ein eigenständiges Leben zu führen. Auf dieser Grundlage würde ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen einem Nicht-Unionsbürger und einem erwachsenen Unionsbürger, das ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Artikel 20 AEUV rechtfertigt, nur in Ausnahmefällen vorhanden sein, in denen eine Trennung des betreffenden Unionsbürgers von dem drittstaatsangehörigen Familienangehörigen nicht möglich wäre. (434)

In Bezug auf das Abhängigkeitsverhältnis ist ein relevanter Gesichtspunkt, dass eine rechtliche, finanzielle oder affektive Sorge für das Kind von dem drittstaatsangehörigen Elternteil ausgeübt wird. In diesem Zusammenhang ist eine Blutsverwandtschaft nicht erforderlich. (435) Darüber hinaus reicht das Bestehen einer – natürlichen oder rechtlichen – familiären Bindung zu diesem Drittstaatsangehörigen nicht aus, um ein solches Abhängigkeitsverhältnis zu begründen. (436) Die Tatsache, dass der drittstaatsangehörige Elternteil die alleinige elterliche Verantwortung für das minderjährige Kind trägt, ist ein relevanter, aber nicht ausschlaggebender Faktor. (437) Eine rechtliche Verpflichtung der Ehegatten, zum Zusammenleben stellt kein Abhängigkeitsverhältnis dar. (438)

Es gibt eine Reihe von Gesichtspunkten, die bei der Feststellung des Bestehens eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen einem minderjährigen Unionsbürger und seinem drittstaatsangehörigen Elternteil hilfreich sein können. Zu diesen Faktoren gehören das Alter des Kindes, die körperliche und emotionale Entwicklung des Kindes, das Ausmaß der emotionalen Bindungen des Kindes zu dem Elternteil, der Unionsbürger ist, und zu dem, der nicht Unionsbürger ist, sowie die Risiken, die eine Trennung von dem Elternteil aus einem Drittstaat für das innere Gleichgewicht des Kindes mit sich bringt. (439) Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass im Interesse des Kindeswohls alle Umstände des Falles berücksichtigt werden. (440)

Der Gerichtshof hat einige Klarstellungen zum Umfang der Verpflichtung, das Wohl des Kindes zu berücksichtigen, vorgenommen. Bei der Bearbeitung eines Antrags auf Aufenthalt gemäß Artikel 20 AEUV müssen die zuständigen Behörden das Wohl des betreffenden Kindes nur dahin gehend berücksichtigen, um zu beurteilen, ob ein Abhängigkeitsverhältnis besteht oder welche Folgen sich aus einer Abweichung vom abgeleiteten Aufenthaltsrecht nach diesem Artikel aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ergeben. Dieses Wohl könne „nicht geltend gemacht werden, um einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abzulehnen, sondern vielmehr, um den Erlass einer Entscheidung zu verhindern, die dieses Kind zum Verlassen des Gebiets der Union zwingt“. Somit können die zuständigen nationalen Behörden nicht bestimmen, ob der Umzug des Kindes in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit es besitzt, dem Wohl des Kindes dient. Folglich können sie einen Antrag auf ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht eines Drittstaatsangehörigen, von dem ein minderjähriges EU-Kind, das sich nie in der Union aufgehalten hat, abhängig ist, nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Umzug in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit das Kind besitzt, nicht im tatsächlichen oder glaubhaft erscheinenden Interesse dieses Kindes liege. (441)

In jedem Fall könnte das Abhängigkeitsverhältnis zwischen einem EU-Kind und einem Familienangehörigen aus einem Drittstaat auch dann bestehen, wenn der andere Elternteil, der Unionsbürger ist, in der Lage und willens ist, die alleinige Verantwortung für die elterliche Sorge für das Kind zu übernehmen, und der Nicht-Unionsbürger nicht mit dem EU-Kind zusammenlebt. (442)

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass Anlass zur widerlegbaren Vermutung eines Abhängigkeitsverhältnisses in Bezug auf ein Kind mit Unionsbürgerschaft, das sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hat, besteht, wenn sein drittstaatsangehöriger Elternteil dauerhaft mit dem anderen Elternteil, der Unionsbürger ist, zusammenlebt und sich diese daher täglich das Sorgerecht sowie die rechtliche, finanzielle und affektive Sorge für das Kind teilen. Das Abhängigkeitsverhältnis kann unabhängig davon vermutet werden, dass der andere Elternteil ein uneingeschränktes Recht auf Verbleib in dem Mitgliedstaat hat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. (443)

Bei der Beurteilung, ob ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, müssen die zuständigen Behörden die Situation berücksichtigen, wie sie sich zu dem Zeitpunkt darstellt, zu dem sie zu entscheiden haben (auch nationale Gerichte, die über einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung dieser Behörden zu entscheiden haben, müssen Tatsachen berücksichtigen, die sich nach dieser Entscheidung ergeben haben). (444) Daher kann der Umstand, dass der drittstaatsangehörige Elternteil zuvor nicht über einen längeren Zeitraum die tägliche Betreuung des betreffenden Kindes übernommen hat, nicht als ausschlaggebend angesehen werden, da sich diese Situation möglicherweise weiterentwickelt hat und zu dem Zeitpunkt, zu dem die nationalen Behörden den Antrag auf Aufenthalt oder die Gerichte einen damit verbundenen Rechtsbehelf bearbeiten, dieser Elternteil tatsächlich die Verantwortung für die Betreuung übernimmt. (445)

Darüber hinaus befasste sich der Gerichtshof mit der Situation eines minderjährigen drittstaatsangehörigen Geschwisterteils eines minderjährigen Unionsbürgers, dessen Elternteil ohne Unionsbürgerschaft ein Aufenthaltsrecht nach Artikel 20 AEUV genießt. Er kam zu dem Schluss, dass ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das die Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts für das minderjährige Kind ohne Unionsbürgerschaft des drittstaatsangehörigen Ehegatten eines Unionsbürgers rechtfertigen kann, der nie von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, wenn i) die Ehe zwischen diesem Unionsbürger und dem drittstaatsangehörigen Ehegatten ein Kind hervorgebracht hat, das Unionsbürger ist und nie von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, und ii) dieses Kind gezwungen wäre, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, wenn das minderjährige Kind ohne Unionsbürgerschaft gezwungen wäre, das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu verlassen.

In einer solchen Situation könnte der drittstaatsangehörige Elternteil gezwungen sein, das minderjährige Geschwisterteil, das nicht Unionsbürger ist, zu begleiten. Dies wiederum könnte auch das Kind, das Unionsbürger ist, zwingen, dieses Gebiet zu verlassen. (446)

Beispiele:

Beispiel 1

M. ist eine im Mitgliedstaat A lebende Nicht-Unionsbürgerin. Sie ist alleinerziehende Mutter und alleinige Betreuungsperson ihrer minderjährigen Tochter D., die Staatsangehörige des Mitgliedstaats A ist und nie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat. Zwischen D. und M. besteht ein Abhängigkeitsverhältnis, sodass D., wenn M. ein Aufenthaltsrecht verweigert würde, gezwungen wäre, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, um ihre Mutter M. zu begleiten. In einem solchen Fall hat M. nach der Ruiz-Zambrano-Rechtsprechung ein Recht, sich im Mitgliedstaat A aufzuhalten und zu arbeiten.

Beispiel 2

W. ist Nicht-Unionsbürgerin, die sich nach nationalem Recht in Mitgliedstaat A aufgehalten hat, aber aus Gründen, die durch das nationale Recht bedingt sind, ist ihr rechtmäßiger Aufenthalt abgelaufen. Sie heiratet H., einen Staatsangehörigen des Mitgliedstaats A, der nie von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat. Sie möchten in Mitgliedstaat A bleiben, da H. dort ein Haus besitzt und das Leben für die beiden dort kostengünstiger wäre. Die bloße Tatsache, dass es für H. aus wirtschaftlichen Gründen wünschenswert erscheinen könnte, dass W. mit ihm in der EU zusammen wohnen kann, reicht für sich genommen nicht aus, um die Annahme zu stützen, dass H. gezwungen wäre, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, würde ein solches Recht nicht gewährt. Daher gibt es keine Grundlage dafür, W. ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht im Mitgliedstaat A auf der Grundlage der Ruiz-Zambrano-Rechtsprechung zu gewähren. Da ein Erwachsener grundsätzlich in der Lage ist, ein von seinen Familienangehörigen unabhängiges Leben zu führen, ist die Feststellung eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen zwei erwachsenen Familienangehörigen, das nach der Ruiz-Zambrano-Rechtsprechung ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht begründen kann, nur in Ausnahmefällen denkbar, in denen es unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände keine Form der Trennung der betroffenen Person von dem Familienangehörigen geben könnte, von dem sie abhängig ist. Dies gilt unabhängig von anderen Rechten, die W. nach nationalem recht haben könnte.

Beispiel 3

M. ist Nicht-Unionsbürgerin. Sie ist mit F. verheiratet, einem Staatsangehörigen des Mitgliedstaats A, der nie von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat. Sie leben im Mitgliedstaat A. Sie haben eine minderjährige Tochter D., die ebenfalls Staatsangehörige des Mitgliedstaats A ist und nie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat.

D. lebt bei beiden Elternteilen auf einer stabilen Grundlage, sodass die Betreuung von D. und die rechtliche, finanzielle und affektive Sorge für sie täglich von den beiden Elternteilen geteilt werden. In einem solchen Fall besteht Anlass zur widerlegbaren Vermutung, dass zwischen der Mutter M., die Nicht-Unionsbürgerin ist, und der Tochter D. ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das die Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts an M. im Mitgliedstaat A nach der Ruiz Zambrano-Rechtsprechung rechtfertigen kann. Dies kann nicht dadurch infrage gestellt werden, dass der Vater F. als Staatsangehöriger des Mitgliedstaats A über ein nicht an Bedingungen geknüpftes Recht verfügt, in dem Mitgliedstaat zu bleiben.

Die Behörden erkennen für M. ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht an, da ein Wegzug von M. praktisch auch D. aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen D. und M. zwingen würde, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen.

19.3   Aufenthalte auf der Grundlage von Artikel 20 AEUV und Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts

Der Gerichtshof prüfte (447) die Möglichkeit eines Aufenthalts auf der Grundlage von Artikel 20 AEUV, der zum Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt gemäß der Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Nicht-Unionsbürger („Drittstaatsangehörige“) führt. (448)

Der Gerichtshof stellte fest, dass „der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats nach Artikel 20 AEUV einen ‚ausschließlich vorübergehenden‘ Aufenthalt im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe e der Richtlinie 2003/109 darstellt“.

Der Gerichtshof erläuterte sodann, dass ein Drittstaatsangehöriger, der sich gemäß Artikel 20 AEUV in einem Mitgliedstaat aufhält, die Voraussetzungen der Artikel 4 (Dauer des Aufenthalts) und 5 (ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherung sowie Nachweis der Integration in den Mitgliedstaat, sofern das nationale Recht des Aufnahmemitgliedstaats dies verlangt) erfüllen muss, um die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten gemäß der Richtlinie 2003/109/EG in Anspruch nehmen zu können. (449)

19.4   Möglichkeit der Beschränkung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts nach Artikel 20 AEUV

Die Mitgliedstaaten können sich auf eine Ausnahme aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit berufen, um das Einreise- oder Aufenthaltsrecht nach Artikel 20 AEUV zu beschränken. (450)

Bei der Beurteilung der Situation des drittstaatsangehörigen Elternteils müssen die zuständigen Behörden jedoch das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Artikel 7 der Grundrechtecharta in Verbindung mit der in Artikel 24 Absatz 2 der Grundrechtecharta verankerten Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kindeswohls beachten.

Diese Beurteilung muss auch dann erfolgen, wenn die nationalen Behörden den Erlass einer Entscheidung in Erwägung ziehen, mit der die Einreise und der Aufenthalt des drittstaatsangehörigen Elternteils verboten werden und deren Auswirkungen eine „europäische“ Dimension haben. Mit dieser Entscheidung wird dem drittstaatsangehörigen Elternteil nämlich das Recht entzogen, sich im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten aufzuhalten. (451)

Darüber hinaus sind die Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „öffentliche Sicherheit“ wie im Rahmen der Richtlinie 2004/38/EG (siehe Abschnitt 13 - Beschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 27, 28 und 29 der Richtlinie 2004/38/EG)) als Rechtfertigung für eine Abweichung vom Aufenthaltsrecht der Unionsbürger oder ihrer Familienangehörigen eng auszulegen, sodass ihre Tragweite nicht ohne Kontrolle durch die Organe der Union einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden darf. Der Begriff „öffentliche Ordnung“ setzt jedenfalls voraus, dass außer der Störung der sozialen Ordnung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. In Bezug auf die „öffentliche Sicherheit“ ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dieser Begriff sowohl die innere Sicherheit eines Mitgliedstaats als auch seine äußere Sicherheit umfasst und dass folglich eine Bedrohung für das Funktionieren der Organe und wesentlichen öffentlichen Dienste und für das Überleben der Bevölkerung, die Gefahr einer schwerwiegenden Störung der Außenbeziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Nationen oder eine Gefahr für die militärischen Interessen die öffentliche Sicherheit beeinträchtigen können. (452)


(1)  Zunächst im Urteil des Gerichtshofs vom 20. September 2001, Grzelczyk, C-184/99, ECLI:EU:C:2001:458, Rn. 31.

(2)  Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77).

(3)  Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Bericht über die Unionsbürgerschaft 2020: Stärkung der Bürgerteilhabe und Schutz der Bürgerrechte, COM(2020) 730 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52020DC0730.

(4)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano, C-34/09, ECLI:EU:C:2011:124.

(5)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, KOM(2009) 313 endg., https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52009DC0313&qid=1674553368591.

(6)  COM(2013) 837 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A52013DC0837.

(7)  KOM(1999) 372 endg., https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A51999DC0372.

(8)  Siehe beispielsweise die folgenden Rechtssachen:

Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 47–50,

Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 64–67,

Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Orfanopoulos and Oliveri, C-482/01 und C-493/01, ECLI:EU:C:2004:262, Rn. 97 und 98,

Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juli 2008, Metock u. a., C-127/08, ECLI:EU:C:2008:449, Rn. 79.

(9)  Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22).

(10)  COM(2020) 565 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52020DC0565.

(11)  COM(2020) 620 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=COM:2020:620:FIN.

(12)  Empfehlung des Rates vom 12. März 2021 zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma, (ABl. C 93 vom 19.3.2021, S. 1), https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=OJ%3AJOC_2021_093_R_0001.

(13)  Lesbische, schwule, bisexuelle, Transgender-, nichtbinäre, intersexuelle und queere Personen.

(14)  COM(2020) 698 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52020DC0698.

(15)  Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 158/2007 vom 7. Dezember 2007 (ABl. L 124 vom 8.5.2008, S. 20).

(16)  Artikel 3 Absatz 1.

(17)  Siehe Abschnitt 19 – Rechtsprechung in der Rechtssache Ruiz Zambrano.

(18)  Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juli 1992, Singh, C-370/90, ECLI:EU:C:1992:296, und Urteil des Gerichtshofs vom 11. Dezember 2007, Eind, C-291/05, ECLI:EU:C:2007:771.

(19)  Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 2002, Carpenter, C-60/00, ECLI:EU:C:2002:434.

(20)  Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juli 1992, Singh, C-370/90, ECLI:EU:C:1992:296; Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 2002, D’Hoop, C-224/98, ECLI:EU:C:2002:432; Urteil des Gerichtshofs vom 23. September 2003, Akrich, C-109/01, ECLI:EU:C:2003:491; Urteil des Gerichtshofs vom 11. Dezember 2007, Eind, C-291/05, ECLI:EU:C:2007:771; Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 2014, O., C-456/12, ECLI:EU:C:2014:135; Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2018, Banger, C-89/17, ECLI:EU:C:2018:570, oder Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Altiner und Ravn, C-230/17, ECLI:EU:C:2018:497.

(21)  Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 2002, Carpenter, C-60/00, ECLI:EU:C:2002:434.

(22)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 2014, S. und G., C-457/12, ECLI:EU:C:2014:136.

(23)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 2014, S. und G., C-457/12, ECLI:EU:C:2014:136, Rn. 40.

(24)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 2014, S. und G., C-457/12, ECLI:EU:C:2014:136, Rn. 42.

(25)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 2014, S. und G., C-457/12, ECLI:EU:C:2014:136, Rn. 42.

(26)  Siehe beispielsweise in Fällen von Einbürgerung die folgenden Rechtssachen: Urteil des Gerichtshofs vom 14. November 2017, Lounes, C-165/16, ECLI:EU:C:2017:862, Rn. 51, 52 und 61, und Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juni 2017, Freitag, C-541/15, ECLI:EU:C:2017:432, Rn. 34.

(27)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juni 2017, Freitag, C-541/15, ECLI:EU:C:2017:432, Rn. 34, wo der Gerichtshof festgestellt hat, dass bei Personen, die Angehörige eines Mitgliedstaats sind und sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten, dessen Staatsangehörigkeit sie ebenfalls besitzen, ein Bezug zum Unionsrecht besteht.

(28)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juni 2017, Freitag, C-541/15, ECLI:EU:C:2017:432, Rn. 34, in Verbindung mit:

Urteil des Gerichtshofs vom 14. November 2017, Lounes, C-165/16, ECLI:EU:C:2017:862, Rn. 51 und 61,

Urteil des Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, ECLI:EU:C:2011:866,

Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2012, Czop und Punakova, C-147/11 und C-148/11, ECLI:EU:C:2012:538.

(29)  Urteil des Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, ECLI:EU:C:2011:866, und Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2012, Czop und Punakova, C-147/11 und C-148/11, ECLI:EU:C:2012:538.

(30)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. November 2017, Lounes, C-165/16, ECLI:EU:C:2017:862, Rn. 51 und 61.

(31)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Mai 2011, McCarthy, C-434/09, ECLI:EU:C:2011:277, Rn. 36–43.

(32)  Siehe Erwägungsgründe 5 und 6 der Richtlinie 2004/38/EG.

(33)  Siehe jedoch Abschnitt 2.1 – Unionsbürger, in dem andere Situationen erläutert werden, in denen die Richtlinie 2004/38/EG anwendbar sein könnte.

(34)  Urteil des Gerichtshofs vom 2. Dezember 1997, Dafeki, C-336/94, ECLI:EU:C:1997:579, Rn. 19, und Urteil des Gerichtshofs vom 8. Dezember 2022, Caisse nationale d’assurance pension, C-731/21, ECLI:EU:C:2022:969.

(35)  Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 15. April 2021, VMA, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:296, Rn. 160.

(36)  Für eingetragene Partnerschaften gelten jedoch besondere Vorschriften. Diese fallen unter die Richtlinie 2004/38/EG, sofern nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt ist und die in den einschlägigen Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind.

(37)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, VMA, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008.

(38)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Dezember 2016, Depesme u. a., C-401/15 bis C-403/15, ECLI:EU:C:2016:955, Rn. 51.

(39)  Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1).

(40)  Vgl. u. a. Artikel 16 Absatz 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte oder Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau.

(41)  Es sei darauf hingewiesen, dass Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe a auf den „Ehegatten“ im Singular Bezug nimmt.

(42)  Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 6. Januar 1992, Alilouch El Abasse/Niederlande, Beschwerde Nr. 14501/89.

(43)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 35, 48–51 und 56.

(44)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 45.

(45)  Weitere Informationen sind den Abschnitten 10 – Recht auf Arbeit (Artikel 23 der Richtlinie 2004/38/EG) und 11 – Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG) zu entnehmen.

(46)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 50.

(47)  Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 1985, Diatta, C-267/83, ECLI:EU:C:1985:67, Rn. 18, Urteil des Gerichtshofs vom 8. November 2012, Iida, C-40/11, ECLI:EU:C:2012:691, Rn. 58, und Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juli 2008, Ogieriakhi u. a., C-244/13, ECLI:EU:C:2014:2068, Rn. 37.

(48)  Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 1985, Diatta, C-267/83, ECLI:EU:C:1985:67, Rn. 20, Urteil des Gerichtshofs vom 8. November 2012, Iida, C-40/11, ECLI:EU:C:2012:691, Rn. 58, und Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juli 2008, Ogieriakhi u. a., C-244/13, ECLI:EU:C:2014:2068, Rn. 37.

(49)  https://europa.eu/youreurope

(50)  Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 54.

(51)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, VMA, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008, Rn. 47–49, 52, 57, 67 und 68.

Da sich Schwierigkeiten aus der mangelnden Anerkennung in einigen Bereichen ergeben können, die nicht unter die „sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte“ fallen (z. B. Erbsachen, Unterhalt usw.), nahm die Kommission am 7. Dezember 2022 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Harmonisierung der Vorschriften des internationalen Privatrechts in Bezug auf die Elternschaft auf EU-Ebene an (COM(2022) 695 final: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A52022PC0695). Dieser Vorschlag stützt sich auf Artikel 81 Absatz 3 AEUV betreffend Maßnahmen zum Familienrecht mit grenzüberschreitendem Bezug.

(52)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, VMA, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008, Rn. 52.

(53)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, VMA, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008, Rn. 59.

(54)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, VMA, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008, Rn. 65.

(55)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, VMA, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008, Rn. 56.

(56)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, VMA, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008, Rn. 57.

(57)  Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juli 1974, Casagrande/Landeshauptstadt München, C-9/74, ECLI:EU:C:1974:74.

(58)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. September 1988, Matteucci, 235/87, ECLI:EU:C:1988:460.

(59)  Urteil des Gerichtshofs vom 30. September 1975, Cristini/S.N.C.F., C-32/75, ECLI:EU:C:1975:120. Weitere Rechte können sich aus dem Recht auf Gleichbehandlung in Bezug auf soziale und steuerliche Vergünstigungen ergeben, die Kinder oder deren Eltern in der EU bei der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit genießen (siehe Abschnitt 11 – Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG).

(60)  Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 57.

(61)  Urteil des Gerichtshofs vom 18. Januar 1987, Lebon, C-316/85, ECLI:EU:C:1987:302, Rn. 22, Urteil des Gerichtshofs vom 9. Januar 2007, Jia, C-1/05, ECLI:EU:C:2007:1, Rn. 37 und 38, und Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Reyes, C-423/12, ECLI:EU:C:2014:16, Rn. 21.

(62)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Reyes, C-423/12, ECLI:EU:C:2014:16, Rn. 23.

(63)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Reyes, C-423/12, ECLI:EU:C:2014:16, Rn. 28 und 33.

(64)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Reyes, C-423/12, ECLI:EU:C:2014:16, Rn. 22, und Urteil des Gerichtshofs vom 9. Januar 2007, Jia, C-1/05, ECLI:EU:C:2007:1, Rn. 37 und 43.

(65)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. Februar 2005, Oulane, C-215/03, ECLI:EU:C:2005:95, Rn. 53, und Urteil des Gerichtshofs vom 9. Januar 2007, Jia, C-1/05, ECLI:EU:C:2007:1, Rn. 41 und 42.

(66)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Reyes, C-423/12, ECLI:EU:C:2014:16, Rn. 27.

(67)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Reyes, C-423/12, ECLI:EU:C:2014:16, Rn. 24.

(68)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Reyes, C-423/12, ECLI:EU:C:2014:16, Rn. 28.

(69)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Reyes, C-423/12, ECLI:EU:C:2014:16, Rn. 22.

(70)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. September 2012, Rahman, C-83/11, ECLI:EU:C:2012:519, Rn. 33. Der Gerichtshof könnte diesbezüglich weitere Klarstellungen in der Rechtssache Belgischer Staat, C-607/21, vornehmen.

(71)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Reyes, C-423/12, ECLI:EU:C:2014:16, Rn. 31–32. Es sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof in der Rechtssache Chief Appeals Officer u. a., C-488/21, diesbezüglich weitere Klarstellungen geben könnte.

(72)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. Oktober 2004, Zhu und Chen, C-200/02, ECLI:EU:C:2004:639, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung.

(73)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. Oktober 2004, Zhu und Chen, C-200/02, ECLI:EU:C:2004:639, Rn. 45 und 46.

(74)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2022, Minister for Justice and Equality, C-22/21, ECLI:EU:C:2022:683, Rn. 18 und 19.

(75)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. September 2012, Rahman, C-83/11, ECLI:EU:C:2012:519, Rn. 18.

(76)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. September 2012, Rahman, C-83/11, ECLI:EU:C:2012:519, Rn. 21.

(77)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. September 2012, Rahman, C-83/11, ECLI:EU:C:2012:519, Rn. 21–24.

(78)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. September 2012, Rahman, C-83/11, ECLI:EU:C:2012:519, Rn. 24, Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2018, Banger, C-89/17, ECLI:EU:C:2018:570, Rn. 40, und Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 63.

(79)  Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 64–67.

(80)  Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 68.

(81)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 35.

(82)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2018, Banger, C-89/17, ECLI:EU:C:2018:570, Rn. 52.

(83)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2022, Minister for Justice and Equality, C-22/21, ECLI:EU:C:2022:683, Rn. 23.

(84)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. September 2012, Rahman, C-83/11, ECLI:EU:C:2012:519, Rn. 30 und 43.

(85)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2022, Minister for Justice and Equality, C-22/21, ECLI:EU:C:2022:683, Rn. 23.

(86)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. September 2012, Rahman, C-83/11, ECLI:EU:C:2012:519, Rn. 38.

(87)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. September 2012, Rahman, C-83/11, ECLI:EU:C:2012:519, Rn. 39.

(88)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. September 2012, Rahman, C-83/11, ECLI:EU:C:2012:519, Rn. 35.

(89)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. September 2012, Rahman, C-83/11, ECLI:EU:C:2012:519, Rn. 33 und 35. Der Gerichtshof könnte diesbezüglich weitere Klarstellungen in der Rechtssache Belgischer Staat, C-607/21, vornehmen.

(90)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. September 2012, Rahman, C-83/11, ECLI:EU:C:2012:519, Rn. 33 und 35.

(91)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Reyes, C-423/12, ECLI:EU:C:2014:16, Rn. 31 und 32. Der Gerichtshof könnte diesbezüglich in der Rechtssache Chief Appeals Officer u. a., C-488/21, weitere Klarstellungen geben.

(92)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2022, Minister for Justice and Equality, C-22/21, ECLI:EU:C:2022:683, Rn. 30.

(93)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2022, Minister for Justice and Equality, C-22/21, ECLI:EU:C:2022:683, Rn. 26.

(94)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2022, Minister for Justice and Equality, C-22/21, ECLI:EU:C:2022:683, Rn. 27.

(95)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2022, Minister for Justice and Equality, C-22/21, ECLI:EU:C:2022:683, Rn. 27.

(96)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2022, Minister for Justice and Equality, C-22/21, ECLI:EU:C:2022:683, Rn. 28.

(97)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2022, Minister for Justice and Equality, C-22/21, ECLI:EU:C:2022:683, Rn. 29.

(98)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2022, Minister for Justice and Equality, C-22/21, ECLI:EU:C:2022:683, Rn. 22.

(99)  Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 56 und 57.

(100)  Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 68.

(101)  Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 69–73.

(102)  Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 69.

(103)  Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 70.

(104)  Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern, unterzeichnet am 19. Oktober 1996 in Den Haag.

(105)  Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 70.

(106)  Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2019, SM, C-129/18, ECLI:EU:C:2019:248, Rn. 70.

(107)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2022, Minister for Justice and Equality, C-22/21, ECLI:EU:C:2022:683, Rn. 23.

(108)  Erwägungsgrund 6.

(109)  Vgl. entsprechend das Urteil des Gerichtshofs vom 19. November 2020, ZW, C-454/19, ECLI:EU:C:2020:947, Rn. 36, 40 und 42.

(110)  Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 15. April 2021, VMA, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:296, Rn. 160.

(111)  Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, (ABl. L 200 vom 26.7.2016, S. 1).

(112)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Oktober 2008, Grunkin und Paul, C-353/06, ECLI:EU:C:2008:559, Rn. 39.

(113)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, VMA, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008, Rn. 44.

(114)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, VMA, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008, Rn. 69.

(115)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2021, VMA, C-490/20, ECLI:EU:C:2021:1008, Rn. 50.

(116)  Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten (ABl. L 385 vom 29.12.2004, S. 1).

(117)  Verordnung (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben (ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 67).

(118)  Die Verordnung (EU) 2019/1157 ist von Bedeutung für den EWR und muss in das EWR-Abkommen integriert werden (das Verfahren dafür ist im Gange).

(119)  Wie in Erwägungsgrund 11 der Verordnung (EU) 2019/1157 dargelegt, sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, Personalausweise oder Aufenthaltsdokumente einzuführen, wenn diese nach nationalem Recht nicht vorgesehen sind.

(120)  Artikel 5 Absatz 2 sieht jedoch zwei Ausnahmen vor. Personalausweise, die den Mindestsicherheitsstandards des Teils 2 des ICAO-Dokuments 9303 nicht entsprechen oder die keinen funktionalen maschinenlesbaren Bereich enthalten, verlieren ihre Gültigkeit mit Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer oder am 3. August 2026, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt. Personalausweise für Personen, die am 2. August 2021 mindestens 70 Jahre alt sind, die den Mindestsicherheitsstandards des Teils 2 des ICAO-Dokuments 9303 entsprechen und die einen funktionalen maschinenlesbaren Bereich enthalten, verlieren ihre Gültigkeit mit Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer.

(121)  Alle EU-Mitgliedstaaten (außer Irland) sowie Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein.

(122)  Empfehlung der Kommission über ein gemeinsames „Handbuch für Grenzschutzbeamte (Schengen-Handbuch)“, das von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Grenzkontrollen bei Personen heranzuziehen ist, und zur Ersetzung der Empfehlung C(2019) 7131 final, C(2022) 7591 final, https://ec.europa.eu/transparency/documents-register/detail?ref=C(2022)7591&lang=de.

(123)  Obwohl die Schweiz die Richtlinie 2004/38/EG nicht anwendet, gewährt sie ebenfalls eine Visa-Ausnahme im Fall von Aufenthaltskarten, die von den Mitgliedstaaten ausgestellt wurden, mit Ausnahme der von Bulgarien, Irland, Zypern oder Rumänien ausgestellten Aufenthaltskarten.

(124)  Aufenthaltskarten, die Berechtigten nach Artikel 2 Nummer 2 und Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellt wurden.

(125)  Urteil des Gerichtshofs vom 18. Juni 2020, Ryanair Designated Activity Company, C-754/18, ECLI:EU:C:2020:478, Rn. 55.

(126)  Urteil des Gerichtshofs vom 18. Dezember 2014, Sean McCarthy u. a., C-202/13, ECLI:EU:C:2014:2450, Rn. 41.

(127)  Alle Mitgliedstaaten außer Bulgarien, Irland, Zypern und Rumänien.

(128)  Urteil des Gerichtshofs vom 18. Juni 2020, Ryanair Designated Activity Company, C-754/18, ECLI:EU:C:2020:478, Rn. 41–47.

(129)  In diesen Beispielen bezieht sich dies auf Mitgliedstaaten, die nicht dem Schengen-Raum angehören, d. h. Bulgarien, Irland, Zypern und Rumänien.

(130)  Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 des Rates vom 13. Juni 2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige (ABl. L 157 vom 15.6.2002, S. 1).

(131)  Artikel 6 der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1).

(132)  Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39).

(133)  Urteil des Gerichtshofs vom 31. Januar 2006, Kommission/Spanien, C-503/03, ECLI:EU:C:2006:74, Rn. 42.

(134)  Belgien, Tschechien, Dänemark, Deutschland, Estland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Kroatien, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Ungarn, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien, Slowakei, Finnland und Schweden.

(135)  Anhang des Durchführungsbeschlusses der Kommission zur Änderung des Beschlusses K(2010) 1620 endgültig hinsichtlich der Ersetzung des Handbuchs für die Bearbeitung von Visumanträgen und die Änderung von bereits erteilten Visa (Visakodex-Handbuch I), C(2020) 395 final,

https://ec.europa.eu/home-affairs/system/files/2020-06/visa_code_handbook_consolidated_en.pdf

(136)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020, G.M.A., C-710/19, ECLI:EU:C:2020:1037, Rn. 28, 35 und 36.

(137)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-719/19, ECLI:EU:C:2021:506, Rn. 89.

(138)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-719/19, ECLI:EU:C:2021:506, Rn. 100.

(139)  Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 2013, LN, C-46/12, ECLI:EU:C:2013:97.

(140)  Siehe Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Mehrsprachigkeit: Trumpfkarte Europas, aber auch gemeinsame Verpflichtung, KOM(2008) 566 endg.

(141)  Z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juli 1986, Lawrie-Blum, C-66/85, ECLI:EU:C:1986:284.

(142)  Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juni 1986, Kempf, C-139/85, ECLI:EU:C:1986:223.

(143)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. März 2004, Collins, C-138/02, ECLI:EU:C:2004:172, Rn. 26; Urteil des Gerichtshofs vom 7. September 2004, Trojani, C-456/02, ECLI:EU:C:2004:488, Rn. 15, oder Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 2013, LN, C-46/12, ECLI:EU:C:2013:97, Rn. 40–42.

(144)  Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juni 1986, Kempf, C-139/85, ECLI:EU:C:1986:223, Urteil des Gerichtshofs vom 31. Mai 1989, Bettray, C-344/87, ECLI:EU:C:1989:226, Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 1989, Rinner-Kühn, C-171/88, ECLI:EU:C:1989:328. Urteil des Gerichtshofs vom 26. November 1998, Birden, C-1/97, ECLI:EU:C:1998:568 und Urteil des Gerichtshofs vom 13. Dezember 1989, Ruzius-Wilbrink, C-102/88, ECLI:EU:C:1989:639.

(145)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. Februar 1974, Sotgiu, C-152/73, ECLI:EU:C:1974:13, Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 1988, Steymann, C-196/87, ECLI:EU:C:1988:475 und Urteil des Gerichtshofs vom 31. Mai 1989, Bettray, C-344/87, ECLI:EU:C:1989:226, und Urteil des Gerichtshofs vom 15. Dezember 2005, Nadin, C-151/04, ECLI:EU:C:2005:775.

(146)  Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 1988, Steymann, C-196/87, ECLI:EU:C:1988:475 und Urteil des Gerichtshofs vom 31. Mai 1989, Bettray, C-344/87, ECLI:EU:C:1989:226. Urteil des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Hostellerie Le Manoir, C-27/91, ECLI:EU:C:1991:441, und Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2014, Haralambidis, C-270/13, ECLI:EU:C:2014:2185.

(147)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Bekräftigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer: Rechte und wesentliche Entwicklungen“, 13. Juli 2010, KOM(2010) 373 endg., https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2010:0373:FIN:DE:PDF.

(148)  Urteil des Gerichtshofs vom 20. November 2001, Jany, C-268/99, ECLI:EU:C:2001:616.

(149)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. Juni 2014, Saint Prix, C-507/12, ECLI:EU:C:2014:2007, Rn. 38; Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2019, Dakneviciute u. a., C-544/18, ECLI:EU:C:2019:761, Rn. 28.

(150)  Urteil des Gerichtshofs vom 11. April 2019, Tarola, C-483/17, ECLI:EU:C:2019:309, Rn. 54.

(151)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2015, Alimanovic, C-67/14, ECLI:EU:C:2015:597, Rn. 52 und 56.

(152)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2015, Alimanovic, C-67/14, ECLI:EU:C:2015:597, Rn. 58.

(153)  Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juli 2013, Gardella, C-233/12, ECLI:EU:C:2013:449.

(154)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 26. April 2007, Alevizos, C-392/05, ECLI:EU:C:2007:251.

(155)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, A, C-535/19, ECLI:EU:C:2021:595, Rn. 55, und Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2022, VI, C-247/20, ECLI:EU:C:2022:177, Rn. 63.

(156)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C-709/20, ECLI:EU:C:2021:602, Rn. 78; siehe auch Abschnitt 11.1 – Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu Sozialhilfe: Leistungen und Bedingungen.

(157)  Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 2014, Dano, C-333/13, ECLI:EU:C:2014:2358, Rn. 80, und Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C-709/20, ECLI:EU:C:2021:602, Rn. 79.

(158)  Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 2014, Dano, C-333/13, ECLI:EU:C:2014:2358, Rn. 76.

(159)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2013, Brey, C-140/12, ECLI:EU:C:2013:565, Rn. 63.

(160)  Siehe jedoch Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2019, Bajratari, C-93/18, ECLI:EU:C:2019:809, Rn. 42.

(161)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juni 2016, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-308/14, ECLI:EU:C:2016:436, Rn. 81 und 82.

(162)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juni 2016, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-308/14, ECLI:EU:C:2016:436, Rn. 83 und 84.

(163)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2013, Brey, C-140/12, ECLI:EU:C:2013:565, Rn. 70.

(164)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2013, Brey, C-140/12, ECLI:EU:C:2013:565, Rn. 70, und Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2019, Bajratari, C-93/18, ECLI:EU:C:2019:809, Rn. 35.

(165)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2013, Brey, C-140/12, ECLI:EU:C:2013:565, Rn. 71.

(166)  Urteil des Gerichtshofs vom 20. September 2001, Grzelczyk, C-184/99, ECLI:EU:C:2001:458, Rn. 44.

(167)  Urteil des Gerichtshofs vom 25. Mai 2000, Kommission/Italien, C-424/98, ECLI:EU:C:2000:287, Rn. 37.

(168)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 2015, Singh u. a., C-218/14, ECLI:EU:C:2015:476, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung.

(169)  Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2019, Bajratari, C-93/18, ECLI:EU:C:2019:809, Rn. 30; siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 2015, Singh u. a., C-218/14, ECLI:EU:C:2015:476‚ Rn. 74; Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2016, Rendón Marín, C-165/14, ECLI:EU:C:2016:675, Rn. 48, und Urteil des Gerichtshofs vom 10. Oktober 2013, Alokpa, C-86/12, ECLI:EU:C:2013:645, Rn. 27.

(170)  Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 23. März 2006, Kommission/Belgien, C-408/03, ECLI:EU:C:2006:192, Rn. 40 ff; Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 2015, Singh u. a., C-218/14, ECLI:EU:C:2015:476; Urteil des Gerichtshofs vom 19. Oktober 2004, Zhu und Chen, C-200/02, ECLI:EU:C:2004:639; Urteil des Gerichtshofs vom 10. Oktober 2013, Alokpa, C-86/12, ECLI:EU:C:2013:645, und Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2016, Rendón Marín, C-165/14, ECLI:EU:C:2016:675.

(171)  Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2019, Bajratari, C-93/18, ECLI:EU:C:2019:809.

(172)  Für die Zwecke des Zugangs zu Sozialhilfeleistungen hat der Gerichtshof jedoch bei der Beurteilung der Belastung, die ein Sozialhilfeantrag mit sich bringen könnte, anerkannt, dass eine solche Inanspruchnahme „den betreffenden Mitgliedstaat nicht infolge eines einzelnen Antrags, sondern nur nach Aufsummierung sämtlicher bei ihm gestellten Einzelanträge belasten “ kann (siehe Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2015, Alimanovic, C-67/14, ECLI:EU:C:2015:597, Rn. 62, und Urteil des Gerichtshofs vom 25. Februar 2016, García-Nieto, C-299/14, ECLI:EU:C:2016:114, Rn. 50).

(173)  Gemäß Artikel 52 Absatz 1 der Grundrechtecharta.

(174)  Artikel 14 Absatz 3 und Erwägungsgrund 16.

(175)  Siehe Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b; siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 26. Februar 1991, Antonissen, C-292/89, ECLI:EU:C:1991:80, Rn. 22; Urteil des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2020, Jobcenter Krefeld, C-181/19, ECLI:EU:C:2020:794, Rn. 69, und Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020, G.M.A., C-710/19, ECLI:EU:C:2020:1037, Rn. 33.

(176)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, A, C-535/19, ECLI:EU:C:2021:595, Rn. 55, und Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2022, VI, C-247/20, ECLI:EU:C:2022:177, Rn. 63.

(177)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2022, VI, C-247/20, ECLI:EU:C:2022:177, Rn. 67.

(178)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. September 2002, Baumbast, C-413/99, ECLI:EU:C:2002:493, Rn. 89–94.

(179)  Rentner, die bei einer privaten Versicherung versichert sind, die Teil eines gesetzlichen Versicherungssystems ist und vom Versicherer bescheinigt wird, erfüllen diese Voraussetzung ebenfalls, wenn eine solche Versicherung Teil der allgemeinen Gesundheitspolitik des Mitgliedstaats für seine Bürger oder bestimmte Gruppen von Bürgern ist.

(180)  Artikel 17, 23, 24 und 25 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1).

(181)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, A, C-535/19, ECLI:EU:C:2021:595, Rn. 50 und 51.

(182)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, A, C-535/19, ECLI:EU:C:2021:595, Rn. 58.

(183)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, A, C-535/19, ECLI:EU:C:2021:595, Rn. 59, und Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2022, VI, C-247/20, ECLI:EU:C:2022:177, Rn. 69.

(184)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, A, C-535/19, ECLI:EU:C:2021:595, Rn. 59.

(185)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2022, VI, C-247/20, ECLI:EU:C:2022:177, Rn. 69.

(186)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2022, VI, C-247/20, ECLI:EU:C:2022:177, Rn. 59 und 60.

(187)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, A, C-535/19, ECLI:EU:C:2021:595, Rn. 55, und Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2022, VI, C-247/20, ECLI:EU:C:2022:177, Rn. 63.

(188)  Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2019, Bajratari, C-93/18, ECLI:EU:C:2019:809, Rn. 30 und 31, und Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2016, Rendón Marín, C-165/14, ECLI:EU:C:2016:675, Rn. 48.

(189)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2022, VI, C-247/20, ECLI:EU:C:2022:177, Rn. 67.

(190)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2022, VI, C-247/20, ECLI:EU:C:2022:177, Rn. 59 und 60.

(191)  Ähnliche Bestimmungen gelten für Eltern von Unionsbürgern, deren Aufenthaltsrecht sich auf Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 und die einschlägige Rechtsprechung stützt (für weitere Informationen siehe Urteil des Gerichtshofs vom 8. Mai 2013, Alarape, C-529/11, ECLI:EU:C:2013:290).

(192)  Artikel 8 Absatz 3, Artikel 8 Absatz 5 und Erwägungsgrund 14.

(193)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 69.

(194)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 2008, Huber, C-524/06, ECLI:EU:C:2008:724, Rn. 58.

(195)  Das Recht auf Freizügigkeit wird durch den AEUV unmittelbar und unabhängig von der Erfüllung einer Formalität gewährt. Siehe beispielsweise im Hinblick auf Aufenthaltsdokumente das Urteil des Gerichtshofs vom 21. Juli 2011, Dias, C-325/09, ECLI:EU:C:2011:498, Rn. 48, 49 und 54; Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 48 und 49; Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 2014, O. und B., C-456/12, ECLI:EU:C:2014:135, Rn. 60. Zum Thema Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit siehe Urteil des Gerichtshofs vom 10. Dezember 1974, Royer, C-48/75, ECLI:EU:C:1976:57.

(196)  Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 27. November 1997, Meints, C-57/96, ECLI:EU:C:1997:564, Rn. 44 und 45.

(197)  Siehe Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b und Urteil des Gerichtshofs vom 26. Februar 1991, Antonissen, C-292/89, ECLI:EU:C:1991:80, Rn. 22, Urteil des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2020, Jobcenter Krefeld, C-181/19, ECLI:EU:C:2020:794, Rn. 69, und Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020, G.M.A., C-710/19, ECLI:EU:C:2020:1037, Rn. 33.

(198)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020, G.M.A., C-710/19, ECLI:EU:C:2020:1037, Rn. 51.

(199)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020, G.M.A., C-710/19, ECLI:EU:C:2020:1037, Rn. 42. Siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 26. Februar 1991, Antonissen, C-292/89, ECLI:EU:C:1991:80, Rn. 21.

(200)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020, G.M.A., C-710/19, ECLI:EU:C:2020:1037, Rn. 46.

(201)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020, G.M.A., C-710/19, ECLI:EU:C:2020:1037, Rn. 35 und 36. Siehe auch Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2004/38/EG. Andererseits beginnt der „angemessene Zeitraum“ zu dem Zeitpunkt, zu dem der betreffende Unionsbürger beschlossen hat, sich im Aufnahmemitgliedstaat als Arbeitsuchender registrieren zu lassen.

(202)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020, G.M.A., C-710/19, ECLI:EU:C:2020:1037, Rn. 47.

(203)  Artikel 10 Absatz 2.

(204)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juli 2008, Metock u. a., C-127/08, ECLI:EU:C:2008:449, in dem der Gerichtshof klargestellt hat, dass drittstaatsangehörige Familienangehörige von Unionsbürgern das Recht haben, den Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat zu begleiten, ihm nachzuziehen und mit ihm zusammenzuleben, unabhängig davon, ob sie sich zuvor rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben, und unabhängig von dem Datum oder den Umständen ihrer Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat. Der Gerichtshof betonte ferner, dass sie als Familienangehörige eines Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat aufenthaltsberechtigt sind, unabhängig davon, ob sie zum Zeitpunkt des Umzugs des Unionsbürgers in den Aufnahmemitgliedstaat bereits Familienangehörige waren oder erst nach dem Umzug des Unionsbürgers in den Aufnahmemitgliedstaat dessen Familienangehörige wurden. Vgl. ferner Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juli 2002, MRAX, C-459/99, ECLI:EU:C:2002:461.

(205)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 63.

(206)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 65.

(207)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 66 und 67.

(208)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 36. Es ist jedoch nicht der Fall, dass die nationalen Behörden „wenn die in Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Sechsmonatsfrist überschritten ist, dem Betroffenen von Amts wegen eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers auszustellen haben, ohne zuvor festzustellen, dass der Betroffene die Voraussetzungen für den Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat nach dem Unionsrecht tatsächlich erfüllt“ (Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 56).

(209)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 38.

(210)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 39.

(211)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 40.

(212)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 69.

(213)  Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juli 2002, MRAX, C-459/99, ECLI:EU:C:2002:461, Rn. 90.

(214)  Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juni 2013, Hadj Ahmed, C-45/12, ECLI:EU:C:2013:390, Rn. 37.

(215)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C-709/20, ECLI:EU:C:2021:602, Rn. 83.

(216)  Urteil des Gerichtshofs vom 30. Juni 2016, NA, C-115/15, ECLI:EU:C:2016:487, Rn. 45.

(217)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. Februar 2010, Ibrahim, C-310/08, ECLI:EU:C:2010:80, Rn. 56, und Urteil des Gerichtshofs vom 23. Februar 2010, Teixeira, C-480/08, ECLI:EU:C:2010:83, Rn. 68.

(218)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. Februar 2010, Ibrahim, C-310/08, ECLI:EU:C:2010:80, Rn. 57, und Urteil des Gerichtshofs vom 23. Februar 2010, Teixeira, C-480/08, ECLI:EU:C:2010:83, Rn. 68.

(219)  Siehe Erwägungsgrund 15.

(220)  Urteil des Gerichtshofs vom 2. September 2021, Belgischer Staat, C-930/19, ECLI:EU:C:2021:657, Rn. 42.

(221)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 2015, Singh u. a., C-218/14, ECLI:EU:C:2015:476, Rn. 70.

(222)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 2. September 2021, Belgischer Staat, C-930/19, ECLI:EU:C:2021:657, Rn. 43 und 45, in dem klargestellt wird, dass die Einleitung eines gerichtlichen Scheidungsverfahrens fast drei Jahre, nachdem der EU-Ehegatte den Aufnahmemitgliedstaat verlassen hat, offenbar keine angemessene Zeit darstellt.

(223)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Januar 2020, Pensionsversicherungsanstalt, C-32/19, ECLI:EU:C:2020:25.

(224)  Urteil des Gerichtshofs vom 21. Juli 2011, Dias, C-325/09, ECLI:EU:C:2011:498, Rn. 57.

(225)  Urteil des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2009, Wolzenburg, C-123/08, ECLI:EU:C:2009:616, Rn. 51.

(226)  Urteil des Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, ECLI:EU:C:2011:866, Rn. 46.

(227)  Urteil des Gerichtshofs vom 7. Oktober 2010, Lassal, C-162/09, ECLI:EU:C:2010:592, Rn. 59.

(228)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. Mai 2013, Alarape und Tijani, C-529/11, ECLI:EU:C:2013:290, Rn. 48.

(229)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. Mai 2013, Alarape und Tijani, C-529/11, ECLI:EU:C:2013:290, Rn. 48, und Urteil des Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, ECLI:EU:C:2011:866, Rn. 47.

(230)  Urteil des Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, ECLI:EU:C:2011:866, Rn. 63, und Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2012, Czop und Punakova, C-147/11 und C-148/11, ECLI:EU:C:2012:538, Rn. 40.

(231)  Urteil des Gerichtshofs vom 21. Juli 2011, Dias, C-325/09, ECLI:EU:C:2011:498, Rn. 55.

(232)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2022, VI, C-247/20, ECLI:EU:C:2022:177, Rn. 59 und 60.

(233)  Urteil des Gerichtshofs vom 7. Oktober 2010, Lassal, C-162/09, ECLI:EU:C:2010:592, Rn. 59.

(234)  Urteil des Gerichtshofs vom 21. Juli 2011, Dias, C-325/09, ECLI:EU:C:2011:498, Rn. 57.

(235)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-719/19, ECLI:EU:C:2021:506, Rn. 77.

(236)  Die Zählung ist nicht auf einer Zwölfmonats-Basis vorzunehmen. Es gilt Artikel 3 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (ABl. L 124 vom 8.6.1971, S. 1).

(237)  Urteil des Gerichtshofs vom 21. Juli 2011, Dias, C-325/09, ECLI:EU:C:2011:498, Rn. 57.

(238)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Onuekwere, C-378/12, ECLI:EU:C:2014:13, Rn. 32.

(239)  Urteil des Gerichtshofs vom 20. Januar 2022, ZK, C-432/20, ECLI:EU:C:2022:39, Rn. 47. Während es in diesem Urteil um die Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen geht, hat der Gerichtshof in Rn. 43 ausgeführt: „Auch wenn sich die Richtlinien 2003/109 und 2004/38 durch ihren Gegenstand und ihre Ziele voneinander unterscheiden, können sich die Bestimmungen dieser Richtlinien, wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 40 bis 43 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, für eine vergleichende Analyse eignen und gegebenenfalls in ähnlicher Weise ausgelegt werden, was insbesondere im Fall von Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 2003/109 und von Artikel 16 Absatz 4 der Richtlinie 2004/38, denen dieselbe Logik zugrunde liegt, gerechtfertigt ist.“

(240)  Urteil des Gerichtshofs vom 20. Januar 2022, ZK, C-432/20, ECLI:EU:C:2022:39, Rn. 46.

(241)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 69.

(242)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Reyes, C-423/12, ECLI:EU:C:2014:16, Rn. 31 und 32.

(243)  Urteil des Gerichtshofs vom 20. Februar 1997, Kommission/Belgien, C-344/95, ECLI:EU:C:1997:81; Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juli 2002, MRAX, C-459/99, ECLI:EU:C:2002:461, und Urteil des Gerichtshofs vom 17. Februar 2005, Oulane, C-215/03, ECLI:EU:C:2005:95.

(244)  Urteil des Gerichtshofs vom 13. April 2010, Bressol, C-73/08, ECLI:EU:C:2010:181, Rn. 40. Siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2012, Kommission/Österreich, C-75/11, ECLI:EU:C:2012:605, Rn. 49.

(245)  Urteil des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2012, Kommission/Österreich, C-75/11, ECLI:EU:C:2012:605, Rn. 52.

(246)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C-709/20, ECLI:EU:C:2021:602, Rn. 66.

(247)  Für den Anspruch auf soziale Vergünstigungen könnten die Artikel 21, 45, 49, 56 und 63 AEUV herangezogen werden; er ist (neben anderen Faktoren) abhängig vom Status der Person (Arbeitnehmer, Selbstständiger, wirtschaftlich nicht aktive Person, Studierender). Unionsbürger, die Arbeitnehmer, Selbstständige, wirtschaftlich nicht aktive Personen oder Studierende sind, genießen in Bezug auf soziale Vergünstigungen die gleiche Behandlung wie Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, d. h. alle Vorteile, die die Mobilität von Unionsbürgern erleichtern (z. B. ermäßigte Eintrittsgebühren für Museen im Aufnahmemitgliedstaat, Hypothekendarlehen zu Vorzugskonditionen, Erwerb von Immobilien im Aufnahmemitgliedstaat usw.). Wirtschaftlich nicht aktive Bürger und Studierende können einen solchen Zugang in Anspruch nehmen, sofern die betreffende Vergünstigung nicht als „Sozialhilfe“ (siehe Abschnitt 11.1 – Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu Sozialhilfe: Leistungen und Bedingungen) oder als „Studienbeihilfe“ in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens einzustufen ist (siehe jedoch Urteil des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2012, Kommission/Österreich, C-75/11, ECLI:EU:C:2012:605, hinsichtlich Leistungen, die nicht als Studienbeihilfen gelten).

(248)  Urteil des Gerichtshofs vom 1. August 2022, Familienkasse Niedersachsen-Bremen, C-411/20, ECLI:EU:C:2022:602, Rn. 34, 35, 47, 48, 53 und 55.

(249)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2013, Brey, C-140/12, ECLI:EU:C:2013:565, Rn. 61. Siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C-709/20, ECLI:EU:C:2021:602, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung.

(250)  Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juni 2009, Vatsouras und Koupatantze, C-22/08 und C-23/08, ECLI:EU:C:2009:344, Rn. 45.

(251)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2015, Alimanovic, C-67/14, ECLI:EU:C:2015:597, Rn. 45 und 46.

(252)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C-709/20, ECLI:EU:C:2021:602, Rn. 69–71.

(253)  Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 2014, Dano, C-333/13, ECLI:EU:C:2014:2358, Rn. 69; Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2015, Alimanovic, C-67/14, ECLI:EU:C:2015:597, Rn. 49, und Urteil des Gerichtshofs vom 25. Februar 2016, García-Nieto, C-299/14, ECLI:EU:C:2016:114, Rn. 38.

(254)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2015, Alimanovic, C-67/14, ECLI:EU:C:2015:597, Rn. 53 und 54.

(255)  Urteil des Gerichtshofs vom 25. Februar 2016, García-Nieto, C-299/14, ECLI:EU:C:2016:114, Rn. 44. Siehe auch Abschnitt 11.2 – Verbindung zwischen Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG und der Verordnung (EU) Nr. 492/2011.

(256)  Urteil des Gerichtshofs vom 25. Februar 2016, García-Nieto, C-299/14, ECLI:EU:C:2016:114, Rn. 44–48.

(257)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C-709/20, ECLI:EU:C:2021:602, Rn. 78.

(258)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C-709/20, ECLI:EU:C:2021:602, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung.

(259)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2015, Alimanovic, C-67/14, ECLI:EU:C:2015:597, Rn. 57–62. Dies gilt unbeschadet etwaiger unabhängiger Rechte, die sich aus der Verordnung (EU) Nr. 492/2011, insbesondere aus Artikel 10 dieser Verordnung, in Bezug auf die Hauptbetreuungspersonen von in Ausbildung befindlichen Kindern ergeben.

(260)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C-709/20, ECLI:EU:C:2021:602, Rn. 93.

(261)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Januar 1988, Kommission/Italien, C-63/86, ECLI:EU:C:1988:9.

(262)  Insbesondere die sich aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 ergebenden Rechte in Bezug auf Hauptbetreuungspersonen für in Ausbildung befindliche Kinder.

(263)  Urteil des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2020, Jobcenter Krefeld, C-181/19, ECLI:EU:C:2020:794, Rn. 64 und 69.

(264)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Dezember 2016, Depesme u. a., C-401/15 bis C-403/15, ECLI:EU:C:2016:955, Rn. 51.

(265)  Urteil des Gerichtshofs vom 30. September 1975, Cristini/S.N.C.F., C-32/75, ECLI:EU:C:1975:120. Der Gerichtshof verwies in Rn. 13 darauf, dass die Gleichbehandlung von Familienangehörigen von EU-Arbeitnehmern „alle sozialen und steuerlichen Vergünstigungen umfasst – ob diese nun an den Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht“ . Der EuGH hat „soziale Vergünstigungen“ als solche definiert, „die – ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht – den inländischen Arbeitnehmern hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnorts im Inland gewährt werden und deren Ausdehnung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der EU zu erleichtern“ (Urteil des Gerichtshofs vom 31. Mai 1979, Even, C-207/78, ECLI:EU:C:1979:144, Rn. 22).

(266)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. September 1988, Matteucci, 235/87, ECLI:EU:C:1988:460.

(267)  Urteil des Gerichtshofs vom 30. September 1975, Cristini/S.N.C.F., C-32/75, ECLI:EU:C:1975:120.

(268)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 1984, Castelli, C-261/83, ECLI:EU:C:1984:280, Rn. 11, Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 2020, Caisse pour l‘avenir des enfants, C-802/18, ECLI:EU:C:2020:269, Rn. 45. Hinsichtlich weiterer Beispiele sozialer und steuerlicher Vergünstigungen siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2005, Ioannidis, C-258/04, ECLI:EU:C:2005:559, Urteil des Gerichtshofs vom 18. Dezember 2019, UB, C-447/18, ECLI:EU:C:2019:1098, oder Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juni 2022, Kommission/Österreich, C-328/20, ECLI:EU:C:2022:468.

(269)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 35.

(270)  Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1).

(271)  Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 284 vom 30.10.2009, S. 1).

(272)  Siehe beispielsweise Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2013, Brey, C-140/12, ECLI:EU:C:2013:565, Rn. 39; Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, A, C-535/19, ECLI:EU:C:2021:595, Rn. 45.

(273)  Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 enthält jedoch einige Ausnahmen von diesem allgemeinen Grundsatz.

(274)  Diese Auflistung ist nicht erschöpfend. Siehe Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 und Europäische Kommission, GD EMPL, „Praktischer Leitfaden zum anwendbaren Recht in der Europäischen Union (EU), im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und in der Schweiz“, 2014, https://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=11366&langId=de.

(275)  Siehe: https://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=11366&langId=de.

(276)  Siehe Artikel 70 und Anhang X der Verordnung (EG) Nr. 883/2004.

(277)  Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 2014, Dano, C-333/13, ECLI:EU:C:2014:2358, Rn. 63; Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2015, Alimanovic, C-67/14, ECLI:EU:C:2015:597, Rn. 44, und Urteil des Gerichtshofs vom 25. Februar 2016, García-Nieto, C-299/14, ECLI:EU:C:2016:114, Rn. 51 und 52.

(278)  In Anhang X der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sind die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen aufgeführt.

(279)  Urteil des Gerichtshofs vom 29. Oktober 2020, Veselības ministrija, C-243/19, ECLI:EU:C:2020:872, Rn. 82–84.

(280)  Auch wird darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass Artikel 45 AEUV und Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 Rechtsvorschriften eines Aufnahmemitgliedstaats entgegenstehen, nach denen dem überlebenden Lebenspartner einer in einem anderen Mitgliedstaat wirksam eingegangenen und eingetragenen Lebenspartnerschaft eine Hinterbliebenenpension, die ihm wegen der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit durch den verstorbenen Lebenspartner im Aufnahmemitgliedstaat zusteht, nur gewährt wird, wenn die Lebenspartnerschaft zuvor in ein von diesem Staat geführtes Register eingetragen wurde (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Dezember 2022, Caisse nationale d’assurance pension, C-731/21, ECLI:EU:C:2022:969).

(281)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, A, C-535/19, ECLI:EU:C:2021:595, Rn. 38.

(282)  Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 enthält jedoch einige Ausnahmen von diesem allgemeinen Grundsatz.

(283)  Artikel 17 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004.

(284)  Siehe Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004.

(285)  Siehe Artikel 23, 24 und 25 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004.

(286)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, A, C-535/19, ECLI:EU:C:2021:595, Rn. 46.

(287)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2021, A, C-535/19, ECLI:EU:C:2021:595, Rn. 58 und 59.

(288)  https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=559&langId=de

(289)  Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (ABl. L 88 vom 4.4.2011, S. 1).

(290)  Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2019/1157.

(291)  Nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/1157 verlieren nicht den Anforderungen von Artikel 7 entsprechende Aufenthaltskarten von Familienangehörigen von Unionsbürgern, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, ihre Gültigkeit mit Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer oder am 3. August 2026, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt. Artikel 8 Absatz 2 sieht für Aufenthaltskarten, die den Mindestsicherheitsstandards des Teils 2 des ICAO-Dokuments 9303 nicht entsprechen oder die keinen funktionalen maschinenlesbaren Bereich gemäß Teil 3 des ICAO-Dokuments 9303 aufweisen, eine Abweichung von Artikel 8 Absatz 1 vor. Letztere verlieren ihre Gültigkeit mit Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer oder am 3. August 2023, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt.

(292)  Alle Mitgliedstaaten außer Bulgarien, Irland, Zypern und Rumänien.

(293)  Zum Thema Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit siehe Urteil des Gerichtshofs vom 10. Dezember 1976, Royer, C-48/75, ECLI:EU:C:1976:57.

(294)  Siehe auch Erwägungsgrund 11 der Richtlinie 2004/38/EG.

(295)  Urteil des Gerichtshofs vom 18. Juni 2020, Ryanair Designated Activity Company, C-754/18, ECLI:EU:C:2020:478, Rn. 52 und 53. Siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 21. Juli 2011, Dias, C-325/09, ECLI:EU:C:2011:498, Rn. 48; Urteil des Gerichtshofs vom 18. Dezember 2014, McCarthy u. a., C-202/13, ECLI:EU:C:2014:2450, Rn. 49, Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 48.

(296)  Urteil des Gerichtshofs vom 18. Juni 2020, Ryanair Designated Activity Company, C-754/18, ECLI:EU:C:2020:478, Rn. 54, und Urteilstenor.

(297)  Urteil des Gerichtshofs vom 21. Juli 2011, Dias, C-325/09, ECLI:EU:C:2011:498, Rn. 48–55.

(298)  Die Möglichkeit für drittstaatsangehörige Familienangehörige, Mehrfachaufenthaltsstatus zu besitzen, wenn dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, ergibt sich aus einer kombinierten Lesart der verschiedenen EU-Rechtsakte über legale Migration und Freizügigkeit.

(299)  Siehe Erwägungsgrund 18 und Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2021/1883 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2021 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hoch qualifizierten Beschäftigung und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/50/EG des Rates (ABl. L 382 vom 28.10.2021, S. 1).

(300)  Siehe Artikel 3 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. L 16 vom 23.1.2004, S. 44).

(301)  KOM(1999) 372 endg., https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A51999DC0372. Der Inhalt der Mitteilung von 1999 (Abschnitt 3) ist nach wie vor allgemein gültig, auch wenn er auf die Richtlinie 64/221 (Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt ist (ABl. 56 vom 4.4.1964, S. 850)) verweist, die durch die Richtlinie 2004/38/EG aufgehoben wurde.

(302)  Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juni 1986, Kempf, C-139/85, ECLI:EU:C:1986:223, Rn. 13., und Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juli 2008, Jipa, C-33/07, ECLI:EU:C:2008:396, Rn. 23.

(303)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. April 1989, Kommission/Belgien, C-321/87, ECLI:EU:C:1989:176, Rn. 10.

(304)  Urteil des Gerichtshofs vom 28. Oktober 1975, Rutili, C-36/75, ECLI:EU:C:1975:137, Rn. 8–21, und Urteil des Gerichtshofs vom 27. Oktober 1977, Bouchereau, C-30/77, ECLI:EU:C:1977:172, Rn. 6–24.

(305)  Urteil des Gerichtshofs vom 28. Oktober 1975, Rutili, C-36/75, ECLI:EU:C:1975:137, Rn. 27, Urteil des Gerichtshofs vom 27. Oktober 1977, Bouchereau, C-30/77, ECLI:EU:C:1977:172, Rn. 33, Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juli 2008, Jipa, C-33/07, ECLI:EU:C:2008:396, Rn. 23, und Urteil des Gerichtshofs vom 2. Mai 2018, K. und H., C-331/16 und C-366/16, ECLI:EU:C:2018:296, Rn. 40, und die dort angeführte Rechtsprechung.

(306)  Siehe jedoch Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, ECLI:EU:C:2010:708, Rn. 50, in Abschnitt 13.1.3 - Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips.

(307)  Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 2000, Albore, C-423/98, ECLI:EU:C:2000:401, Rn. 18 ff., und Urteil des Gerichtshofs vom 11. Januar 2000, Kreil, C-285/98, ECLI:EU:C:2000:2, Rn. 15.

(308)  Das Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, ECLI:EU:C:2010:708, Rn. 43–47 ist zu beachten.

(309)  Urteil des Gerichtshofs vom 18. Mai 1982, Adoui und Cornuaille, C-115/81 und C-116/81, ECLI:EU:C:1982:183, Rn. 5–9, und Urteil des Gerichtshofs vom 20. November 2001, Jany, C-268/99, ECLI:EU:C:2001:616, Rn. 61.

(310)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. April 1976, Royer, C-48/75, ECLI:EU:C:1976:57, Rn. 51.

(311)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. November 2011, Gaydarov, C-430/10, ECLI:EU:C:2011:749, und Urteil des Gerichtshofs vom 17. November 2011, Aladzhov, C-434/10, ECLI:EU:C:2011:750.

(312)  Alle Kriterien müssen kumulativ vorliegen.

(313)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juli 2008, Jipa, C-33/07, ECLI:EU:C:2008:396, Rn. 25, und Urteil des Gerichtshofs vom 31. Januar 2006, Kommission/Spanien, C-503/03, ECLI:EU:C:2006:74, Rn. 62.

(314)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juli 2008, Jipa, C-33/07, ECLI:EU:C:2008:396, Rn. 25.

(315)  Urteil des Gerichtshofs vom 2. Mai 2018, K. und H., C-331/16 und C-366/16, ECLI:EU:C:2018:296, Rn. 51–54.

(316)  Urteil des Gerichtshofs vom 26. Februar 1975, Bonsignore, C-67/74, ECLI:EU:C:1975:34, Rn. 5–7.

(317)  Auf generalpräventive Maßnahmen in besonderen Fällen, z. B. bei Sportveranstaltungen, wird in der Mitteilung von 1999 eingegangen (vgl. Ziff. 3.3).

(318)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. Januar 1999, Calfa, C-348/96, ECLI:EU:C:1999:6, Rn. 17–27 und Urteil des Gerichtshofs vom 26. Februar 1975, Bonsignore, C-67/74, ECLI:EU:C:1975:34, Rn. 5–7.

(319)  Automatische Prüfungen in diesem Sinne wurden in manchen Fällen vorgenommen, in denen die Person schwere Straftaten beging und eine bestimmte Mindeststrafe erhielt (siehe Rechtssache C-348/96, Donatella Calfa).

(320)  Siehe Abschnitt 3.3.2 der Mitteilung von 1999.

(321)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. März 2006, Kommission/Belgien, C-408/03, ECLI:EU:C:2006:192, Rn. 68–72.

(322)  Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Orfanopoulos und Oliveri, C-482/01 und C-493/01, ECLI:EU:C:2004:262, Rn. 82 und 100, und Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 2007, Kommission/Niederlande, C-50/06, ECLI:EU:C:2007:325, Rn. 42–45.

(323)  So wird z. B. die Wiederholungsgefahr bei Drogenabhängigkeit als eher größer angesehen, wenn die Gefahr besteht, dass zur Finanzierung des Drogenkonsums weitere Straftaten begangen werden: Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl, Orfanopoulos und Oliveri, C-482/01 und C-493/01, ECLI:EU:C:2003:455.

(324)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Oktober 1977, Bouchereau, C-30/77, ECLI:EU:C:1977:172, Rn. 25–30.

(325)  Urteil des Gerichtshofs vom 2. Mai 2018, K. und H., C-331/16 und C-366/16, ECLI:EU:C:2018:296, Rn. 56.

(326)  Urteil des Gerichtshofs vom 2. Mai 2018, K. und H., C-331/16 und C-366/16, ECLI:EU:C:2018:296, Rn. 56.

(327)  Urteil des Gerichtshofs vom 2. Mai 2018, K. und H., C-331/16 und C-366/16, ECLI:EU:C:2018:296, Rn. 60.

(328)  Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Orfanopoulos and Oliveri, C-482/01 und C-493/01, ECLI:EU:C:2004:262, Rn. 82.

(329)  Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 2017, E, C-193/16, ECLI:EU:C:2017:542, Rn. 23–27.

(330)  Urteil des Gerichtshofs vom 4. Dezember 1974, van Duyn, C-41/74, ECLI:EU:C:1974:133, Rn. 17 ff.

(331)  Urteil des Gerichtshofs vom 4. Dezember 1974, van Duyn, C-41/74, ECLI:EU:C:1974:133, Rn. 17 ff.

(332)  Urteil des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2007, Polat, C-349/06, ECLI:EU:C:2007:581, Rn. 35.

(333)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. November 2011, Aladzhov, C-434/10, ECLI:EU:C:2011:750, Rn. 43, und Urteil des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2012, Byankov, C-249/11, ECLI:EU:C:2012:608, Rn. 37–42.

(334)  Urteil des Gerichtshofs vom 2. Mai 2018, K. und H., C-331/16 und C-366/16, ECLI:EU:C:2018:296, Rn. 43–47.

(335)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. November 2011, Gaydarov, C-430/10, ECLI:EU:C:2011:749, Rn. 40, und Urteil des Gerichtshofs vom 2. Mai 2018, K. und H., C-331/16 und C-366/16, ECLI:EU:C:2018:296, Rn. 61.

(336)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. November 2011, Aladzhov, C-434/10, ECLI:EU:C:2011:750, Rn. 47, und Urteil des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2012, Byankov, C-249/11, ECLI:EU:C:2012:608, Rn. 44–47.

(337)  Siehe insbesondere Urteil des Gerichtshofs vom 2. Mai 2018, K. und H., C-331/16 und C-366/16, ECLI:EU:C:2018:296, Rn. 67. Vgl. ferner Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, ECLI:EU:C:2010:708, Rn. 50.

(338)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, ECLI:EU:C:2010:708, Rn. 50.

(339)  Urteil des Gerichtshofs vom 2. Mai 2018, K. und H., C-331/16 und C-366/16, ECLI:EU:C:2018:296, Rn. 63, und Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, ECLI:EU:C:2010:708, Rn. 52, sowie die dort angeführte Rechtsprechung.

(340)  Zu den Grundrechten siehe die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den Rechtssachen Berrehab/Niederlande, Beschwerde Nr. 10730/84, Urteil vom 21. Juni 1988; Moustaquim/Belgien, Beschwerde Nr. 12313/86, Urteil vom 18. Februar 1991, Beldjoudi/Frankreich, Beschwerde Nr. 12083/86, Urteil vom 26. März 1992, Boujlifa/Frankreich, Beschwerde Nr. 25404/94, Urteil vom 21. Oktober 1997, El Boujaïdi/Frankreich, Beschwerde Nr. 25613/94, Urteil vom 26. September 1997 und Dalia/Frankreich, Beschwerde Nr. 26102/95, Urteil vom 19. Februar 1988.

(341)  Urteil des Gerichtshofs vom 11. März 2021, M.A., C-112/20, ECLI:EU:C:2021:197, Rn. 36.

(342)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, ECLI:EU:C:2010:708, Rn. 56.

(343)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, ECLI:EU:C:2010:708.

(344)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, Onuekwere, C-378/12, ECLI:EU:C:2014:13, Rn. 27 und 32.

(345)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Mai 2012, P.I., C-348/09, ECLI:EU:C:2012:300, Rn. 33.

(346)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Januar 2014, M.G., C-400/12 ECLI:EU:C:2014:9, Rn. 27 und 24, und Urteil des Gerichtshofs vom 17. April 2018, B und Vomero, C-316/16 und C-424/16, ECLI:EU:C:2018:256, Rn. 65 und 66.

(347)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. April 2018, B und Vomero, C-316/16 und C-424/16, ECLI:EU:C:2018:256, Rn. 49.

(348)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. April 2018, B und Vomero, C-316/16 und C-424/16, ECLI:EU:C:2018:256, Rn. 70.

(349)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. April 2018, B und Vomero, C-316/16 und C-424/16, ECLI:EU:C:2018:256, Rn. 70. Weitere Informationen zu den bei dieser Beurteilung zu berücksichtigenden Faktoren finden sich auch in den Rn. 72–75.

(350)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, ECLI:EU:C:2010:708, Rn. 32 und 33.

(351)  Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98).

(352)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Ordre des barreaux francophones und germanophone u. a., C-718/19, ECLI:EU:C:2021:505, Rn. 44, 47–51, 57, 60 und 73.

(353)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Ordre des barreaux francophones und germanophone u. a., C-718/19, ECLI:EU:C:2021:505, Rn. 64–73.

(354)  https://www.who.int/health-topics/international-health-regulations

(355)  https://www.who.int/news/item/30-01-2020-statement-on-the-second-meeting-of-the-international-health-regulations-(2005)-emergency-committee-regarding-the-outbreak-of-novel-coronavirus-(2019-ncov)

(356)  Artikel 23 der Verordnung (EU) 2022/2371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. November 2022 zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 1082/2013/EU (ABl. L 314 vom 6.12.2022, S. 26).

(357)  Siehe beispielsweise Nummer 21 der Leitlinien für Grenzmanagementmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Gewährleistung der Verfügbarkeit von Waren und wesentlichen Dienstleistungen (ABl. C 86I vom 16.3.2020, S. 1) und Nummer 5 der Empfehlung (EU) 2020/1475 des Rates vom 13. Oktober 2020 für eine koordinierte Vorgehensweise bei der Beschränkung der Freizügigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie (ABl. L 337 vom 14.10.2020, S. 3).

(358)  Siehe z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Emiliou, C-128/22, NORDIC INFO, ECLI:EU:C:2023:645.

(359)  Siehe auch Artikel 11 der Verordnung (EU) 2021/953 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2021 über einen Rahmen für die Ausstellung, Überprüfung und Anerkennung interoperabler Zertifikate zur Bescheinigung von COVID-19-Impfungen und -Tests sowie der Genesung von einer COVID-19-Infektion (digitales COVID-Zertifikat der EU) mit der Zielsetzung der Erleichterung der Freizügigkeit während der COVID-19-Pandemie (ABl. L 211 vom 15.6.2021, S. 1).

(360)  Beispielsweise ist die Verordnung (EU) 2021/953 sowohl in ihrem Umfang als auch in ihrer Dauer auf die COVID-19-Pandemie begrenzt.

(361)  Erwägungsgrund 6 der Verordnung (EU) 2021/953. Siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 18. Juli 2006, De Cuyper, C-406/04, ECLI:EU:C:2006:491, Rn. 42.

(362)  Siehe beispielsweise Leitlinien der Kommission zur Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte während des COVID-19-Ausbruchs (ABl. C 102I vom 30.3.2020, S. 12).

(363)  Siehe beispielsweise Nummern 19 und 19b der Empfehlung (EU) 2020/1475 des Rates.

(364)  Siehe etwa Urteil des Gerichtshofs vom 18. Juli 2006, De Cuyper, C-406/04, ECLI:EU:C:2006:491, Rn. 44.

(365)  Siehe Nummer 17 der Empfehlung (EU) 2020/1475 des Rates und Nummer 11 der Empfehlung (EU) 2022/107 des Rates vom 25. Januar 2022 für eine koordinierte Vorgehensweise zur Erleichterung der sicheren Ausübung der Freizügigkeit während der COVID-19-Pandemie und zur Ersetzung der Empfehlung (EU) 2020/1475 (ABl. L 18 vom 27.1.2022, S. 110). Gemäß der Verordnung (EU) 2021/953 waren Mitgliedstaaten, die ein negatives Testergebnis, eine Impfung oder einen Nachweis der Genesung verlangten, verpflichtet, Zertifikate, die dieser Verordnung entsprechen, unter denselben Bedingungen anzuerkennen.

(366)  Siehe Nummer 2 der Empfehlung (EU) 2022/107 des Rates.

(367)  Beispielsweise die Verordnung (EU) 2021/953 und die auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsakte.

(368)  Beispielsweise die Empfehlung (EU) 2020/1475 des Rates und die Empfehlung (EU) 2022/107 des Rates.

(369)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2019, Chenchooliah, C-94/18, ECLI:EU:C:2019:693, Rn. 73.

(370)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2019, Chenchooliah, C-94/18, ECLI:EU:C:2019:693, Rn. 74, und Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-719/19, ECLI:EU:C:2021:506, Rn. 66.

(371)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2019, Chenchooliah, C-94/18, ECLI:EU:C:2019:693, Rn. 86–89, und Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-719/19, ECLI:EU:C:2021:506, Rn. 67 und 68.

(372)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-719/19, ECLI:EU:C:2021:506, Rn. 81.

(373)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-719/19, ECLI:EU:C:2021:506, Rn. 81.

(374)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-719/19, ECLI:EU:C:2021:506, Rn. 90–93.

(375)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-719/19, ECLI:EU:C:2021:506, Rn. 94.

(376)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-719/19, ECLI:EU:C:2021:506, Rn. 95.

(377)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-719/19, ECLI:EU:C:2021:506, Rn. 102 und 103.

(378)  Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juni 2013, ZZ, C-300/11, ECLI:EU:C:2013:363, Rn. 50.

(379)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2019, Chenchooliah, C-94/18, ECLI:EU:C:2019:693, Rn. 80–89, in dem klargestellt wird, welche Bestimmungen im Falle einer Ausweisung nach Beendigung des abgeleiteten Aufenthaltsrechts relevant sein können.

(380)  Urteil des Gerichtshofs vom 28. Oktober 1975, Rutili, C-36/75, ECLI:EU:C:1975:137, Rn. 37–39.

(381)  Siehe jedoch Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juni 2013, ZZ, C-300/11, ECLI:EU:C:2013:363, Rn. 49, in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass Artikel 30 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG die Mitgliedstaaten nur als Ausnahme ermächtigt, „die dem Betroffenen übermittelten Informationen aus Gründen der Sicherheit des Staates zu begrenzen.“ Der Gerichtshof vertrat ferner die Auffassung, dass diese Bestimmung als Abweichung eng auszulegen ist, ohne dass ihr jedoch ihre praktische Wirksamkeit genommen würde. Der Gerichtshof erläuterte, inwieweit es nach Artikel 30 Absatz 2 und Artikel 31 der Richtlinie 2004/38/EG zulässig ist, die Gründe für eine nach Artikel 27 der Richtlinie getroffene Entscheidung nicht genau und umfassend mitzuteilen. Der Gerichtshof kam zu dem Schluss (Rn. 69), dass Artikel 30 Absatz 2 und Artikel 31 der Richtlinie 2004/38 im Licht von Artikel 47 der Grundrechtecharta dahin auszulegen sind, dass „das zuständige nationale Gericht nach diesen Vorschriften dafür zu sorgen hat, dass die Nichtoffenlegung der genauen und umfassenden Gründe, auf denen eine in Anwendung von Artikel 27 dieser Richtlinie getroffene Entscheidung beruht, und der entsprechenden Beweise durch die zuständige nationale Behörde gegenüber dem Betroffen auf das unbedingt Erforderliche beschränkt bleibt und dass dem Betroffenen jedenfalls der wesentliche Inhalt dieser Gründe in einer Weise mitgeteilt wird, die die erforderliche Geheimhaltung der Beweise gebührend berücksichtigt“.

(382)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2019, Chenchooliah, C-94/18, ECLI:EU:C:2019:693, Rn. 85. Siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2018, Banger, C-89/17, ECLI:EU:C:2018:570, Rn. 48, und Urteil des Gerichtshofs vom 17. November 2011, Gaydarov, C-430/10, ECLI:EU:C:2011:749, Rn. 41.

(383)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 69.

(384)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Diallo, C-246/17, ECLI:EU:C:2018:499, Rn. 68.

(385)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. September 2017, Petrea, C-184/16, ECLI:EU:C:2017:684, Rn. 72.

(386)  Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl, Urteil des Gerichtshofs vom 27. April 2006, Kommission/Deutschland, C-441/01, ECLI:EU:C:2005:337.

(387)  Der Begriff „Wiedereinreiseverbot“ bezieht sich auf „Aufenthaltsverbot“ gemäß Artikel 32 der Richtlinie 2004/38/EG.

(388)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. Januar 1999, Calfa, C-348/96, ECLI:EU:C:1999:6, Rn. 27 und 28.

(389)  Artikel 32 Absatz 1 der Richtlinie 2004/38/EG und Urteil des Gerichtshofs vom 18. Mai 1982, Adoui und Cornuaille, C-115/81 und C-116/81, ECLI:EU:C:1982:183, Rn. 12.

(390)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2019, Chenchooliah, C-94/18, ECLI:EU:C:2019:693, Rn. 89, und Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-719/19, ECLI:EU:C:2021:506, Rn. 67 und 68.

(391)  Urteil des Gerichtshofs vom 3. Dezember 1974, van Binsbergen, C-33/74, ECLI:EU:C:1974:131, Rn. 13, Urteil des Gerichtshofs vom 7 Juli 1992, Singh, C-370/90, ECLI:EU:C:1992:296, Rn. 24, und Urteil des Gerichtshofs vom 9. März 1999, Centros, C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126, Rn. 24 und 25.

(392)  Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juli 2008, Metock, C-127/08, ECLI:EU:C:2008:449, Rn. 74 und 75.

(393)  Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juli 1992, Singh, C-370/90, ECLI:EU:C:1992:296; Urteil des Gerichtshofs vom 11. Dezember 2007, Eind, C-291/05, ECLI:EU:C:2007:771, und Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 2002, Carpenter, C-60/00, ECLI:EU:C:2002:434.

(394)  Urteil des Gerichtshofs vom 9. März 1999, Centros, C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126, Rn. 27, und Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juli 2005, Kommission/Österreich, C-147/03, ECLI:EU:C:2005:427, Rn. 67 und 68.

(395)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. September 2003, Akrich, C-109/01, ECLI:EU:C:2003:491, Rn. 55, und Urteil des Gerichtshofs vom 9. Januar 2007, Jia, C-1/05, ECLI:EU:C:2007:1, Rn. 31.

(396)  Siehe Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD(2014) 284 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52014SC0284%20&from=IT und COM(2014) 604 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52014DC0604&rid=1.

(397)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 1997, Kol, C-285/95, ECLI:EU:C:1997:280, Rn. 29, und Urteil des Gerichtshofs vom 27. September 2001, Gloszczuk, C-63/99, ECLI:EU:C:2001:488, Rn. 75.

(398)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke, C-110/99, ECLI:EU:C:2000:695, Rn. 52 ff., und Urteil des Gerichtshofs vom 9. März 1999, Centros, C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126, Rn. 25.

(399)  Verboten ist nicht nur eine Überprüfung der Migranten insgesamt, sondern auch eine Überprüfung, die sich auf eine bestimmte Gruppe von Migranten beschränkt (z. B. Migranten, die einer bestimmten Ethnie angehören).

(400)  Siehe Erwägungsgrund 28.

(401)  Urteil des Gerichtshofs vom 18. Dezember 2014, Sean McCarthy u. a., C-202/13, ECLI:EU:C:2014:2450, Rn. 52–58.

(402)  Verordnung (EU) 2018/1724 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Oktober 2018 über die Einrichtung eines einheitlichen digitalen Zugangstors zu Informationen, Verfahren, Hilfs- und Problemlösungsdiensten und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 1–38).

(403)  https://europa.eu/youreurope/index_de.htm

(404)  https://ec.europa.eu/solvit/index_de.htm

(405)  Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 7 Juli 1992, Singh, C-370/90, ECLI:EU:C:1992:296. Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 2002, D’Hoop, C-224/98, ECLI:EU:C:2002:432; Urteil des Gerichtshofs vom 23. September 2003, Akrich, C-109/01, ECLI:EU:C:2003:491; Urteil des Gerichtshofs vom 11. Dezember 2007, Eind, C-291/05, ECLI:EU:C:2007:771; Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 2014, O., C-456/12, ECLI:EU:C:2014:135; Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2018, Banger, C-89/17, ECLI:EU:C:2018:570, Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Altiner und Ravn, C-230/17, ECLI:EU:C:2018:497, oder Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018, Coman, C-673/16, ECLI:EU:C:2018:385.

(406)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018, Coman, C-673/16, ECLI:EU:C:2018:385, Rn. 25, und die dort angeführte Rechtsprechung.

(407)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 2014, O. & B., C-456/12, ECLI:EU:C:2014:135, Rn. 59.

(408)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 2014, O. & B., C-456/12, ECLI:EU:C:2014:135, Rn. 53.

(409)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 2014, O. & B., C-456/12, ECLI:EU:C:2014:135, Rn. 60.

(410)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. März 2014, O. & B., C-456/12, ECLI:EU:C:2014:135, Rn. 56.

(411)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Juni 2018, Deha Altiner und Ravn, C-230/17, ECLI:EU:C:2018:497, Rn. 31–35.

(412)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2018, Banger, C-89/17, ECLI:EU:C:2018:570.

(413)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 51.

(414)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C-673/16, EU:C:2018:385, Rn. 45.

(415)  Urteil des Gerichtshofs vom 18. Dezember 2014, Sean McCarthy u. a., C-202/13, ECLI:EU:C:2014:2450, Rn. 54, und die dort angeführte Rechtsprechung.

(416)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. September 2003, Akrich, C-109/01, ECLI:EU:C:2003:491, Rn. 57.

(417)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. September 2003, Akrich, C-109/01, ECLI:EU:C:2003:491, Rn. 55 und 56. Urteil des Gerichtshofs vom 24. Januar 2008, Payir u. a., C-294/06, ECLI:EU:C:2008:36, Rn. 46; Urteil des Gerichtshofs vom 23. März 1982, Levin, C-53/81, ECLI:EU:C:1982:105, Rn. 21. Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed vom 11. November 2004, Bidar, C-209/03, ECLI:EU:C:2004:715, Rn. 19; Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 2013, L. N., C-46/12, ECLI:EU:C:2013:97, Rn. 46 und 47; Urteil des Gerichtshofs vom 9. März 1999, Centros, C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126, Rn. 27.

(418)  Urteil des Gerichtshofs vom 23. September 2003, Akrich, C-109/01, ECLI:EU:C:2003:491, Rn. 55 und 56.

(419)  Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 15. November 2011, Dereci u. a., C-256/11, ECLI:EU:C:2011:734‚ Rn. 54.

(420)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 15. November 2011, Dereci u. a., C-256/11, ECLI:EU:C:2011:734‚ Rn. 56.

(421)  Urteil des Gerichtshofs vom 20. September 2001, Grzelczyk, C-184/99, ECLI:EU:C:2001:458, Rn. 31; Urteil des Gerichtshofs vom 17. September 2002, Baumbast und R, C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 82.

(422)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano, C-34/09, ECLI:EU:C:2011:124.

(423)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano, C-34/09, ECLI:EU:C:2011:124, Rn. 44.

(424)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano, C-34/09, ECLI:EU:C:2011:124, Rn. 42.

(425)  Alle Mitgliedstaaten außer Bulgarien, Irland, Zypern und Rumänien.

(426)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano, C-34/09, ECLI:EU:C:2011:124, Rn. 44.

(427)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. November 2011, Dereci u. a., C-256/11, ECLI:EU:C:2011:734, Rn. 65–67, Urteil des Gerichtshofs vom 6. Dezember 2012, O. u. a., C-356/11 und C-357/11, ECLI:EU:C:2012:776, Rn. 56, und Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2017, Chavez-Vilchez, C-133/15, ECLI:EU:C:2017:354, Rn. 69.

(428)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. Mai 2018, K.A., C-82/16, ECLI:EU:C:2018:308, Rn. 56 und 57.

(429)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Februar 2020, Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real, C-836/18, ECLI:EU:C:2020:119, Rn. 48–53.

(430)  Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 15. November 2011, Dereci u. a., C-256/11, ECLI:EU:C:2011:734, Rn. 68, und Urteil des Gerichtshofs vom 6. Dezember 2012, O. u. a., C-356/11 und C-357/11, ECLI:EU:C:2012:776, Rn. 52.

(431)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2023, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-459/20, EU:C:2023:499, Rn. 33–38.

(432)  Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2016, Rendón Marín, C-165/14, ECLI:EU:C:2016:675, Rn. 84. Urteil des Gerichtshofs vom 8. Mai 2018, K.A., C-82/16, ECLI:EU:C:2018:308, Rn. 92.

(433)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. November 2011, Dereci u. a., C-256/11, ECLI:EU:C:2011:734, Rn. 65 und 67, Urteil des Gerichtshofs vom 6. Dezember 2012, O. u. a., C-356/11 und C-357/11, ECLI:EU:C:2012:776, Rn. 56, und Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2017, Chavez-Vilchez, C-133/15, ECLI:EU:C:2017:354, Rn. 69.

(434)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. Mai 2018, K.A., C-82/16, ECLI:EU:C:2018:308, Rn. 76.

(435)  Urteil des Gerichtshofs vom 6. Dezember 2012, O. u. a., C-356/11 und C-357/11, ECLI:EU:C:2012:776, Rn. 55 und 56.

(436)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. Mai 2018, K.A., C-82/16, ECLI:EU:C:2018:308, Rn. 76.

(437)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2023, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-459/20, EU:C:2023:499, Rn. 60.

(438)  Urteil des Gerichtshofs vom 27. Februar 2020, Subdelegación del Gobierno en Ciudad Real, C-836/18, ECLI:EU:C:2020:119, Rn. 61.

(439)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. Mai 2018, K.A., C-82/16, ECLI:EU:C:2018:308, Rn. 76.

(440)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Mai 2022, Subdelegación del Gobierno en Toledo, C-451/19 und C-532/19, ECLI:EU:C:2022:354, Rn. 67.

(441)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2023, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-459/20, EU:C:2023:499, Rn. 39–45.

(442)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2018, K.A., C-82/16, ECLI:EU:C:2018:308, Rn. 72 und 73, und Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-459/20, EU:C:2023:499, Rn. 56–59.

(443)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Mai 2022, Subdelegación del Gobierno en Toledo, C-451/19 und C-532/19, ECLI:EU:C:2022:354, Rn. 69.

(444)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, ECLI:EU:C:2023:499, Rn. 52.

(445)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2023, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, C-459/20, EU:C:2023:499, Rn. 53.

(446)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Mai 2022, Subdelegación del Gobierno en Toledo, C-451/19 und C-532/19, ECLI:EU:C:2022:354, Rn. 83–86.

(447)  Urteil des Gerichtshofs vom 7. September 2022, E.K., C-624/20, ECLI:EU:C:2022:639.

(448)  Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. L 16 vom 23.1.2004, S. 44).

(449)  Urteil des Gerichtshofs vom 7. September 2022, E.K., C-624/20, ECLI:EU:C:2022:639, Rn. 49.

(450)  Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2016, Rendón Marín, C-165/14, ECLI:EU:C:2016:675, Rn. 81. Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2016, CS, C-304/14, ECLI:EU:C:2016:674, Rn. 36, und Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2015, M.D., C-528/21, ECLI:EU:C:2023:341, Rn. 67 und 68.

(451)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2015, M.D., C-528/21, ECLI:EU:C:2023:341, Rn. 62–64.

(452)  Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2016, Rendón Marín, C-165/14, ECLI:EU:C:2016:675, Rn. 83, und die dort angeführte Rechtsprechung.


ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/1392/oj

ISSN 1977-088X (electronic edition)