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Amtsblatt
der Europäischen Union

DE

Serie C


C/2023/1355

1.12.2023

STELLUNGNAHME DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

vom 13. Oktober 2023

zu einem Vorschlag für eine Verordnung über Euro-Banknoten und Euro-Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel

(CON/2023/31)

(C/2023/1355)

Einleitung und Rechtsgrundlage

Am 27. Juli 2023 bzw. am 11. September 2023 wurde die Europäische Zentralbank (EZB) vom Europäischen Parlament bzw. vom Rat der Europäischen Union um Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Euro-Banknoten und Euro-Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel (1) (nachfolgend der „Verordnungsvorschlag“) ersucht.

Die Zuständigkeit der EZB zur Abgabe einer Stellungnahme beruht auf Artikel 133 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der vorsieht, dass das Europäische Parlament und der Rat unbeschadet der Befugnisse der EZB die Maßnahmen erlassen, die für die Verwendung des Euro als einheitliche Währung erforderlich sind, und dass solche Maßnahmen nach Anhörung der EZB erlassen werden. Diese Stellungnahme wurde gemäß Artikel 17.5 Satz 1 der Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank vom EZB-Rat verabschiedet.

1.   Allgemeine Anmerkungen

1.1.

Die EZB begrüßt den Vorschlag für eine Verordnung, die in den Mitgliedstaaten gelten wird, deren Währung der Euro ist. Die EZB unterstützt nachdrücklich den Erlass von Vorschriften zum Status von Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel im gesamten Euro-Währungsgebiet im Sekundärrecht der Union. Solche Vorschriften werden die erforderliche Rechtssicherheit in Bezug auf den Begriff „gesetzliches Zahlungsmittel“ im Unionsrecht fördern, bei dem es sich um den Status handelt, der Euro-Banknoten im Primärrecht der Union und Euro-Münzen im Sekundärrecht der Union zugewiesen wird (2). Die im Verordnungsvorschlag festgelegten Vorschriften werden, unter Berücksichtigung der Unterschiede, auch die Kohärenz mit dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des digitalen Euro (3) (nachfolgend der „Verordnungsvorschlag zum digitalen Euro“) gewährleisten, der Vorschriften über den Status des digitalen Euro als gesetzliches Zahlungsmittel enthält. Der Verordnungsvorschlag wird dazu beitragen, sicherzustellen, dass der digitale Euro, wenn er ausgegeben wird, die Euro-Banknoten und -Münzen ergänzt, aber nicht ersetzt.

1.2.

Die EZB begrüßt insbesondere die im Verordnungsvorschlag vorgesehenen Maßnahmen, wonach die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, einen hinreichenden und wirksamen Zugang zu Bargeld sicherstellen müssen. Die EZB hat Entwürfe innerstaatlicher Rechtsvorschriften zum Schutz der Verfügbarkeit von Bargeld stets begrüßt (4). Die EZB teilt uneingeschränkt die Auffassung, dass der Zugang zu Bargeld erforderlich ist, um die Wirksamkeit seines Status als gesetzliches Zahlungsmittel zu wahren. Wenn Bürger keinen Zugang zu Bargeld haben, können sie es nicht als Zahlungsmittel und Wertaufbewahrungsmittel nutzen (5).

1.3.

Gemäß AEUV hat die EZB das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Euro-Banknoten innerhalb der Union zu genehmigen (6). Die von der EZB und den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, ausgegebenen Euro-Banknoten sind die einzigen Banknoten, die im Euro-Währungsgebiet als gesetzliches Zahlungsmittel gelten (7). Der Status von Euro-Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel ist im Sekundärrecht der Union geregelt (8). Im Sekundärrecht der Union gibt es jedoch keine rechtsverbindliche Definition des Begriffs „gesetzliches Zahlungsmittel“.

1.4.

Der Gerichtshof hat sich mit dem Begriff „gesetzliches Zahlungsmittel“ in einem Urteil unter Bezugnahme auf die Empfehlung 2010/191/EU der Kommission (9) befasst, in der festgelegt ist, dass, wenn eine Zahlungsverpflichtung besteht, der Status der Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel Folgendes beinhalten sollte: a) Die verpflichtende Annahme dieser Banknoten und Münzen (10), b) deren Annahme zum vollen Nennwert und c) die Entlastung von Zahlungsverpflichtungen.

1.5.

Der Gerichtshof stellte ferner klar, dass der Begriff „gesetzliches Zahlungsmittel“ in Artikel 128 Absatz 1 AEUV ein unionsrechtlicher Begriff ist, der in der gesamten Union autonom und einheitlich ausgelegt werden muss (11). Artikel 133 AEUV ermächtigt allein den Unionsgesetzgeber, die gesetzlichen Bestimmungen über den Status von auf Euro lautenden Banknoten und Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel zu erlassen, soweit sich dies für die Verwendung des Euro als einheitliche Währung als erforderlich erweist. Eine solche ausschließliche Zuständigkeit schließt jede Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in diesem Bereich aus, es sei denn, sie handeln aufgrund einer Ermächtigung durch die Union zum Erlass solcher Vorschriften oder wenn dies für die Durchführung der Rechtsakte der Union erforderlich ist (12).

1.6.

Wie in der Begründung zum Verordnungsvorschlag (13) erwähnt, bestätigten die Diskussionen innerhalb der Sachverständigengruppe für den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel (Euro Legal Tender Expert Group – ELTEG), dass hinsichtlich des Status von Euro-Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel Rechtsunsicherheit besteht und die entsprechenden Grundsätze im Euro-Währungsgebiet unterschiedlich angewandt werden. Sie offenbarten auch Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen der Reduzierung der geografischen Verteilung von Geldautomaten und des Rückgangs von Bargelddienstleistungen in Bankfilialen auf den Zugang zu Bargeld (14).

1.7.

Der Verordnungsvorschlag wird dazu beitragen, dass Euro-Bargeld, auch in Randregionen, verfügbar bleibt und im gesamten Euro-Währungsgebiet für Zahlungen akzeptiert wird, wodurch die Bargeldstrategie des Eurosystems gestärkt wird (15). Trotz der Digitalisierung der Wirtschaft der Union und der zunehmenden Nutzung elektronischer Zahlungsmittel spielt Bargeld in der Gesellschaft nach wie vor eine wichtige Rolle (16). Die Möglichkeit der Bargeldzahlung bleibt besonders wichtig für bestimmte Gruppen der Gesellschaft, die aus unterschiedlichen legitimen Gründen eher Bargeld als andere Zahlungsinstrumente verwenden oder keinen Zugang zu Bankdienstleistungen und elektronischen Zahlungsmitteln haben. Zu diesen Gruppen zählen Bürger mit Behinderungen, Einwanderer, sozial benachteiligte Bürger, ältere Personen, Minderjährige und andere Personen mit eingeschränktem oder keinem Zugang zu digitalen Zahlungsdiensten (17).

1.8

Darüber hinaus ist Bargeld als Zahlungsinstrument nützlich, weil es weitgehend anerkannt wird, schnell ist und dem Zahlenden die Kontrolle über die Ausgaben erleichtert. Ferner ist es gegenwärtig das einzige Zahlungsinstrument, das es Bürgern ermöglicht, eine Transaktion in Zentralbankgeld abzuwickeln, die darüber hinaus sofort abgewickelt wird und während gleichzeitig den Datenschutz gewährleistet (18). Als Zentralbankgeld gewährleistet Euro-Bargeld die Konvertierbarkeit von Geschäftsbankgeld und gibt den Bürgern Sicherheit in Bezug auf die Nutzbarkeit von Geschäftsbankgeld als Zahlungsmittel und seine Funktion als Wertaufbewahrungsmittel. Somit trägt Euro-Bargeld zur Wahrung der Finanzstabilität und der Transmission der Geldpolitik bei.

2.   Ausdrückliches Verbot einseitiger Ex-ante-Ausschlüsse von Bargeld

2.1.

Die EZB teilt die im Verordnungsvorschlag geäußerten Bedenken bezüglich „einseitiger Ex-ante-Ausschlüsse von Bargeld“ durch Einzelhändler oder Dienstleister. Die Ausbreitung solcher Situationen würde den Status von Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel ernsthaft untergraben (19). In den Verordnungsvorschlag sollte eine neue Bestimmung aufgenommen werden, aus der eindeutig hervorgeht, dass einseitige Ex-ante-Ausschlüsse von Bargeld verboten sind.

2.2.

Die EZB schlägt ferner vor, die Definition von einseitigen Ex-ante-Ausschlüssen von Bargeld im Verordnungsvorschlag (20) zu ändern, um klarzustellen, dass sie „kein Bargeld“-Praktiken (z. B. Schilder mit der Aufschrift „Keine Barzahlung“ an Eingängen oder Verkaufsstellen) sowie Vertragsbedingungen, die nicht individuell ausgehandelt wurden (z. B. vorformulierte Standardverträge), umfasst. Darüber hinaus sollte in der im Verordnungsvorschlag enthaltenen Bestimmung über die Ausnahmen vom Grundsatz der obligatorischen Annahme von Euro-Banknoten und -Münzen (21) festgelegt werden, dass die Beweislast dafür, dass zwischen Zahler und Zahlungsempfänger eine vorherige Vereinbarung über ein anderes Zahlungsmittel als Bargeld bestand, beim Zahlungsempfänger liegt.

2.3.

Im Verordnungsvorschlag ist vorgesehen, dass einseitige Ex-ante-Ausschlüsse von Bargeld in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen (22). Darin sind „einseitige Ex-ante-Ausschlüsse von Bargeld“ definiert als Fälle, in denen Einzelhändler und Dienstleister Bargeld einseitig als Zahlungsmethode ausschließen und Zahler und Zahlungsempfänger nicht freiwillig ein Zahlungsmittel für einen Kauf vereinbaren (23). Somit handelt es sich bei einseitigen Ex-ante-Ausschlüssen von Bargeld nicht um Fälle, in denen zwischen Zahler und Zahlungsempfänger zuvor eine im Einzelnen ausgehandelte Vereinbarung über ein anderes Zahlungsmittel als Bargeld besteht, was eine gültige Ausnahme vom Grundsatz der obligatorischen Annahme darstellen würde (24). Während zuvor vereinbarte Ausschlüsse von Bargeld eine echte Verhandlung erfordern, umfassen einseitige Ex-ante-Ausschlüsse von Bargeld eine nicht verhandelbare Bedingung für den Zahler, eine Geldschuld gegenüber dem Zahlungsempfänger zu begleichen.

2.4.

Im Verordnungsvorschlag ist jedoch auch vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten den Umfang des einseitigen Ex-ante-Ausschlusses von Barzahlungen in ihrem gesamten Hoheitsgebiet überwachen müssen (25). In den Erwägungsgründen des Verordnungsvorschlags heißt es, dass ein Mitgliedstaat, wenn er zu dem Schluss kommt, dass einseitige Ex-ante-Ausschlüsse von Barzahlungen den Grundsatz der obligatorischen Annahme von Euro-Banknoten und -Münzen untergraben, Maßnahmen ergreifen sollte, um Abhilfe zu schaffen. Solche Maßnahmen können ein Verbot einseitiger Ex-ante-Ausschlüsse von Barzahlungen in seinem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon umfassen (26).

2.5.

Daher scheinen einige Bestimmungen des Verordnungsvorschlags darauf hinzuweisen, dass ein einseitiger Ex-ante-Ausschluss von Bargeld keine vorherige Vereinbarung zwischen Zahler und Zahlungsempfänger über die Verwendung eines anderen Zahlungsmittels als Bargeld darstellt, sodass der Grundsatz der obligatorischen Annahme gelten würde (27). In einer dieser Bestimmungen (28) ist eindeutig festgelegt, dass Zahler und Zahlungsempfänger in Fällen, in denen ein Einzelhändler oder Dienstleister Bargeld einseitig als Zahlungsmethode ausschließt, z. B. durch die Einführung eines Schildes mit der Aufschrift „Keine Barzahlung“, nicht freiwillig ein Zahlungsmittel vereinbaren. Dies lässt darauf schließen, dass einseitige Ex-ante-Ausschlüsse von Bargeld nicht vom Grundsatz der obligatorischen Annahme von Euro-Banknoten und -Münzen ausgenommen wären. Sie würden daher Verstöße gegen den Verordnungsvorschlag darstellen.

2.6.

Diese Auslegung ist jedoch schwer vereinbar mit der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, den Umfang der einseitigen Ex-ante-Ausschlüsse von Bargeld in ihrem gesamten Hoheitsgebiet zu überwachen und sie in ihrem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon zu verbieten, wenn der Umfang der Annahme von Barzahlungen in ihrem Hoheitsgebiet oder Teilen davon den Grundsatz der obligatorischen Annahme von Euro-Bargeld untergräbt. Wenn einseitige Ex-ante-Ausschlüsse von Bargeld gegen die Verordnung verstoßen, sollten die Mitgliedstaaten darauf reagieren und die Einhaltung der Verordnung durchsetzen, indem sie unter anderem Vorschriften über Sanktionen festlegen und Sanktionen gegen solche Ausschlüsse von Euro-Bargeld verhängen (29), anstatt zu überwachen, wie weit diese rechtswidrigen Situationen in ihrem Hoheitsgebiet verbreitet sind.

2.7.

Das ausdrückliche Verbot einseitiger Ex-ante-Ausschlüsse von Bargeld würde dann die den Mitgliedstaaten auferlegte Pflicht ersetzen, den Umfang des einseitigen Ex-ante-Ausschlusses von Barzahlungen in ihrem Hoheitsgebiet zu überwachen, und den Geltungsbereich und die Auswirkungen des Status von Euro-Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel klar definieren (30).

3.   Einseitige Ex-ante-Ausschlüsse von Bargeld durch öffentliche Stellen

3.1.

Der Verordnungsvorschlag schließt bestimmte Kategorien von Zahlern oder Zahlungsempfängern nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung aus (31). Gleichzeitig wird in den Erwägungsgründen anerkannt, dass die Mitgliedstaaten, wie der Gerichtshof festgestellt hat (32), die Verpflichtung zur Annahme von Bargeld im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und unter bestimmten Bedingungen (z. B. Gründe des öffentlichen Interesses, Verhältnismäßigkeit) grundsätzlich einschränken können, (33). In diesem Zusammenhang geht die EZB davon aus, dass „kein Bargeld“-Praktiken von öffentlichen Stellen (z. B. öffentliche Krankenhäuser und öffentliche Museen) als solche keine gültigen, von den Mitgliedstaaten in ihrem Zuständigkeitsbereich eingeführten Ausnahmen von der obligatorischen Annahme von Euro-Banknoten und -Münzen sind. Soweit es sich bei diesen Praktiken nicht um die in den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geregelten Modalitäten der Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen (34), sondern um einseitige Praktiken handelt, stellen die von öffentlichen Stellen angewandten „kein Bargeld“-Praktiken einen einseitigen Ex-ante-Ausschluss von Bargeld im Sinne des Verordnungsvorschlags dar (35). Daher sollten die Erwägungsgründe des Verordnungsvorschlags (36) angepasst werden, um klarzustellen, dass „kein Bargeld“-Praktiken öffentlicher Stellen ebenfalls in den Geltungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung fallen und daher verboten sind.

4.   Sonstiges

4.1.

Nach dem Verordnungsvorschlag gilt die Verordnung für „die Begleichung von Geldschulden, die ganz oder teilweise bar zu begleichen sind, wenn [...] eine Zahlungsverpflichtung besteht.“ (37). Die EZB geht davon aus, dass sich die Formulierung „die [...] in bar zu begleichen sind“ auf den Anspruch des Zahlers bezieht, mit Bargeld zu zahlen, wenn andere Zahlungsmittel zur Verfügung stehen. Diese Formulierung könnte jedoch auch als unbestimmte Einschränkung des Grundsatzes der obligatorischen Annahme verstanden werden (38). Sie könnte so verstanden werden, dass nur bestimmte Geldschulden bar beglichen werden können. Aus Gründen der Rechtsklarheit schlägt die EZB daher vor, den Verordnungsvorschlag in dieser Hinsicht zu ändern.

4.2.

Darüber hinaus sieht der Verordnungsvorschlag in Bezug auf Ausnahmen vom Grundsatz der obligatorischen Annahme von Euro-Banknoten und -Münzen vor, dass ein Zahlungsempfänger berechtigt ist, Euro-Bargeld abzulehnen, wenn „die Ablehnung [...] in gutem Glauben, aus legitimen und vorübergehenden Gründen, im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und angesichts konkreter Umstände, auf die der Zahlungsempfänger keinen Einfluss hat“, erfolgt (39). Die EZB geht davon aus, dass für die Anwendung der in gutem Glauben erfolgenden Ausnahme mehrere kumulative Bedingungen aufgestellt wurden, um hohe Anforderungen an einen Zahlungsempfänger zu stellen, der sich auf diese Ausnahme beruft, um die Verweigerung der Annahme von Bargeld zu rechtfertigen. Die EZB begrüßt diesen Ansatz.

4.3.

Die EZB geht davon aus, dass es einen sehr spezifischen „legitimen Grund“ für die Ablehnung von Euro-Banknoten und -Münzen darstellt, kein Wechselgeld zur Verfügung zu haben (40) und dass dieser nicht zum allgemeinen Verständnis der in gutem Glauben erfolgenden Ausnahme beiträgt. Dieser spezifische Grund kann jedoch nicht herangezogen werden, um zu bestimmen, was unter „konkrete[n] Umständen, auf die der Zahlungsempfänger keinen Einfluss hat“, in anderen Situationen zu verstehen ist. Tatsächlich ist es fraglich, ob ein solcher Umstand außerhalb des Einflussbereichs des Zahlungsempfängers liegt, und es würde im Widerspruch zur generellen Absicht des Gesetzgebers stehen, hohe Anforderungen an die Inanspruchnahme der im Verordnungsvorschlag vorgesehenen in gutem Glauben erfolgenden Ausnahme zu stellen, wenn man ihn als indikatives Beispiel betrachten würde.

4.4.

Darüber hinaus wird der Kommission nach dem Verordnungsvorschlag die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte mit allgemeiner Geltung zu einer Reihe gemeinsamer Indikatoren zu erlassen, die die Mitgliedstaaten verwenden müssen, um die Annahme von Barzahlungen und den Zugang zu Bargeld in allen Regionen ihres Hoheitsgebiets zu überwachen (41). Darin heißt es ausdrücklich, dass die Kommission die EZB bei der Ausarbeitung der maßgeblichen Durchführungsrechtsakte konsultieren wird. Soweit möglich sollten die bisherigen Arbeiten des Eurosystems in diesem Bereich als Referenz für die Festlegung gemeinsamer Indikatoren dienen. Nach dem Verordnungsvorschlag wird der Kommission auch die Befugnis übertragen, an einen Mitgliedstaat gerichtete Durchführungsrechtsakte zu erlassen, wenn sie der Auffassung ist, dass die von dem Mitgliedstaat vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen unzureichend sind oder dass die Annahme von Barzahlungen oder der Zugang zu Bargeld nicht angemessen gewährleistet sind (42). In letzterem Fall fehlt jedoch ein ähnlicher Hinweis auf die Konsultation der EZB. Die Pflicht zur Anhörung der EZB ergibt sich daraus, dass die maßgeblichen Rechtsakte, soweit sie die vorgeschlagene Verordnung umsetzen, auf Artikel 133 AEUV gestützt würden. Dieser verweist ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer Anhörung der EZB. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, sollte im Verordnungsvorschlag ausdrücklich auf die Pflicht verwiesen werden, die EZB zu konsultieren, bevor die Kommission an einen bestimmten Mitgliedstaat gerichtete Durchführungsrechtsakte erlässt.

4.5.

Schließlich begrüßt die EZB den Verweis auf die Konvertierbarkeit zum Nennwert zwischen Euro-Banknoten und -Münzen und dem digitalen Euro im Verordnungsvorschlag (43). Diese Konvertierbarkeit ist eine natürliche Folge des Status von Euro-Bargeld und des digitalen Euro als gesetzliche Zahlungsmittel. Die EZB schlägt jedoch vor, anstelle von „Konvertierbarkeit“ den Begriff „Fungibilität“ zu verwenden, da er besser widerspiegelt, dass Euro-Bargeld und der digitale Euro dieselbe Währung (d. h. der Euro) sind, wenn auch in zwei verschiedenen Formen. Die EZB nimmt zur Kenntnis, dass der maßgebliche Artikel des Verordnungsvorschlags zum digitalen Euro dem entsprechenden Artikel des Verordnungsvorschlags in dieser Hinsicht entspricht (44), und weist die Mitgesetzgeber darauf hin, dass diese beiden Bestimmungen während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens aufeinander abgestimmt werden müssen.

Sofern die EZB Änderungen des Verordnungsvorschlags empfiehlt, ist ein spezifischer Redaktionsvorschlag mit Begründung in einem gesonderten technischen Arbeitsdokument aufgeführt. Das technische Arbeitsdokument steht in englischer Sprache auf EUR-Lex zur Verfügung.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 13. Oktober 2023.

Die Präsidentin der EZB

Christine LAGARDE


(1)  COM(2023) 364 final.

(2)  Artikel 128 Absatz 1 Satz 3 AEUV und Artikel 16 Satz 3 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (nachfolgend die „ESZB-Satzung“); Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro (ABl. L 139, 11.5.1998, S. 1).

(3)  COM(2023) 369 final.

(4)  Siehe beispielsweise Nummer 3.3 der Stellungnahme CON/2022/40, Nummer 7.2 der Stellungnahme CON/2021/9, Nummer 2.4 der Stellungnahme CON/2020/21 sowie Nummer 9.2 der Stellungnahme CON/2020/13. Sämtliche Stellungnahmen der EZB sind auf EUR-Lex abrufbar.

(5)  Siehe Abschnitt 1, Seite 1 und Abschnitt 3, Seite 5 der Begründung des Verordnungsvorschlags sowie Grundsatz 6 der ELTEG III im Abschlussbericht der Euro Legal Tender Expert Group (ELTEG) vom 6. Juli 2022, abrufbar auf der Website der Kommission unter www.ec.europa.eu

(6)  Artikel 128 Absatz 1 Satz 1 AEUV und Artikel 16 Satz 1 der ESZB-Satzung.

(7)  Artikel 128 Absatz 1 Satz 3 AEUV und Artikel 16 Satz 3 der ESZB-Satzung.

(8)  Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 974/98.

(9)  Empfehlung 2010/191/EU der Kommission vom 22. März 2010 über den Geltungsbereich und die Auswirkungen des Status der Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel (ABl. L 83, 30.3.2010, S. 70).

(10)  Der Gerichtshof stellte weiter klar, dass der Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels nicht etwa eine absolute, sondern nur eine grundsätzliche Annahme von Euro-Banknoten und -Münzen erfordert. Die Mitgliedstaaten können die Verpflichtung zur Annahme von Euro-Banknoten und -Münzen einschränken, wenn sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und unter bestimmten Bedingungen handeln. Siehe Urteil des Gerichtshofes vom 26. Januar 2021, Hessischer Rundfunk, C-422/19 und C-423/19, ECLI:EU:C:2021:63, Rn. 55-56 und 67-70. Vor diesem Hintergrund verfolgt die EZB aufmerksam jede Entwicklung im nationalen Recht, die darauf gerichtet ist, die Barzahlungsmöglichkeiten einzuschränken, und damit in das Recht der Bürger auf Barzahlung eingreift. Siehe beispielsweise Stellungnahme CON/2023/13, Stellungnahme CON/2022/43, Stellungnahme CON/2020/33 und Stellungnahme CON/2019/39.

(11)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 26. Januar 2021, Hessischer Rundfunk, C-422/19 und C-423/19, ECLI:EU:C:2021:63 (nachfolgend das „Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-422/19 und C-423/19“), Rn. 45.

(12)  Siehe Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-422/19 und C-423/19, Rn. 50-52.

(13)  Siehe Abschnitt 3, Seite 4 der Begründung des Verordnungsvorschlags sowie den Abschlussbericht der Euro Legal Tender Expert Group (ELTEG) vom 6. Juli 2022, abrufbar auf der Website der Kommission unter www.ec.europa.eu

(14)  Siehe Grundsatz 6 der ELTEG III im Abschlussbericht der Euro Legal Tender Expert Group (ELTEG) vom 6. Juli 2022, abrufbar auf der Website der Kommission unter www.ec.europa.eu

(15)  Siehe „The Eurosystem cash strategy“, abrufbar auf der Website der EZB unter www.ecb.europa.eu

(16)  Siehe zum Beispiel Nummern 2.4 und 2.7 der Stellungnahme CON/2019/46, Nummern 2.1 und 2.2 der Stellungnahme CON/2021/18 sowie Nummer 4.7 der Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 16. Februar 2022 zu einem Vorschlag für eine Richtlinie und eine Verordnung zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung CON/2022/5 (ABl. C 210 vom 25.5.2022, S. 15.). Die EZB hat ihre Neutralität in Bezug auf verschiedene Zahlungsmittel erklärt, was bedeutet, dass sie kein Instrument gegenüber einem anderen bevorzugt. Siehe Nummer 2.1 der Stellungnahme CON/2015/55.

(17)  Siehe beispielsweise Nummer 2.10 der Stellungnahme CON/2022/9.

(18)  Siehe Nummer 2.4 der Stellungnahme CON/2017/8, Nummer 2.1 der Stellungnahme CON/2019/41, Nummer 9.2.1 der Stellungnahme CON/2020/13, Nummer 2.3 der Stellungnahme CON/2020/21, Nummer 7.2.1 der Stellungnahme CON/2021/9 sowie Nummer 2.1 der Stellungnahme CON/2021/18.

(19)  Siehe das Schreiben der EZB-Präsidentin an Herrn Chris MacManus, Mitglied des Europäischen Parlaments, zur Rechtmäßigkeit der einseitigen Weigerung von Händlern, Bargeldzahlungen in einem Business-to-Customer-Kontext anzunehmen (L/CL/23/130) vom 23. Juni 2023, abrufbar auf der Website der EZB unter www.ecb.europa.eu

(20)  Siehe Artikel 3 Nummer 4 des Verordnungsvorschlags.

(21)  Siehe Artikel 5 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags.

(22)  Siehe Artikel 2 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags.

(23)  Siehe Artikel 3 Nummer 4 des Verordnungsvorschlags.

(24)  Siehe Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b des Verordnungsvorschlags.

(25)  Siehe Artikel 7 des Verordnungsvorschlags.

(26)  Siehe Erwägungsgrund 6 des Verordnungsvorschlags.

(27)  Siehe Artikel 3 Nummer 4 und Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b des Verordnungsvorschlags.

(28)  Siehe Artikel 3 Nummer 4 des Verordnungsvorschlags.

(29)  Siehe Artikel 12 und Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b des Verordnungsvorschlags.

(30)  Siehe Artikel 7 und 9 des Verordnungsvorschlags.

(31)  Siehe Artikel 2 des Verordnungsvorschlags.

(32)  Siehe Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-422/19 und C-423/19, Rn. 55-56 und 67-70.

(33)  Siehe Erwägungsgründe 4 und 11 des Verordnungsvorschlags.

(34)  Siehe Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-422/19 und C-423/19, Rn. 56 und 58.

(35)  Siehe Artikel 3 Nummer 4 des Verordnungsvorschlags.

(36)  Siehe insbesondere Erwägungsgrund 11 des Verordnungsvorschlags.

(37)  Siehe Artikel 2 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags.

(38)  Siehe Artikel 4 des Verordnungsvorschlags.

(39)  Siehe Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a des Verordnungsvorschlags.

(40)  Siehe Artikel 5 Absatz 2 Ziffer ii des Verordnungsvorschlags.

(41)  Siehe Artikel 9 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags.

(42)  Siehe Artikel 9 Absatz 5 des Verordnungsvorschlags.

(43)  Siehe Artikel 15 des Verordnungsvorschlags.

(44)  Siehe Artikel 12 des Verordnungsvorschlags zum digitalen Euro und Artikel 15 des Verordnungsvorschlags.


ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/1355/oj

ISSN 1977-088X (electronic edition)