ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 248

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

65. Jahrgang
30. Juni 2022


Inhalt

Seite

 

II   Mitteilungen

 

MITTEILUNGEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

 

Europäische Kommission

2022/C 248/01

Mitteilung der Kommission — BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION — Leitlinien für vertikale Beschränkungen

1

 

Rat

2022/C 248/02

Erklärung der Kommission zur ausschließlichen Zuständigkeit gemäß der Verordnung (EU) 2022/1031 des Europäischen Parlaments und des Rates

86


 

III   Vorbereitende Rechtsakte

 

EUROPÄISCHE ZENTRALBANK

2022/C 248/03

Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 27. April 2022 zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf Aufsichtsbefugnisse, Sanktionen, Zweigstellen aus Drittländern sowie Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken (CON/2022/16)

87


 

IV   Informationen

 

INFORMATIONEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

 

Rat

2022/C 248/04

Schlussfolgerungen des Rates zur Bewältigung der externen Dimension einer sich stetig wandelnden terroristischen und gewaltextremistischen Bedrohungslage

97

 

Europäische Kommission

2022/C 248/05

Euro-Wechselkurs — 29. Juni 2022

104

 

INFORMATIONEN DER MITGLIEDSTAATEN

2022/C 248/06

Bekanntmachung der Kommission gemäß Artikel 16 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft — Änderung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Linienflugverkehr ( 1 )

105

2022/C 248/07

Bekanntmachung der Kommission gemäß Artikel 16 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft — Änderung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Linienflugverkehr ( 1 )

106


 

V   Bekanntmachungen

 

VERFAHREN BEZÜGLICH DER DURCHFÜHRUNG DER GEMEINSAMEN HANDELSPOLITIK

 

Europäische Kommission

2022/C 248/08

Bekanntmachung der Einleitung eines auf Zhejiang Hailide New Material Co. Ltd beschränkten Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China sowie der Einleitung einer Überprüfung der Antidumpingmaßnahmen betreffend die Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China

107

2022/C 248/09

Bekanntmachung der Einleitung einer Überprüfung wegen des bevorstehenden Außerkrafttretens der Antisubventionsmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von bestimmtem gestrichenem Feinpapier mit Ursprung in der Volksrepublik China

119

2022/C 248/10

Bekanntmachung der Einleitung einer Überprüfung wegen des bevorstehenden Außerkrafttretens der Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von bestimmtem gestrichenem Feinpapier mit Ursprung in der Volksrepublik China

130

2022/C 248/11

Bekanntmachung der Einleitung einer Interimsüberprüfung der Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China

142

2022/C 248/12

Bekanntmachung der Wiederaufnahme der Antidumpinguntersuchung betreffend die Durchführungsverordnung (EU) 2017/763 der Kommission zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von bestimmtem leichtgewichtigem Thermopapier mit Ursprung in der Republik Korea infolge des Urteils des Gerichts vom 2. April 2020 in der Rechtssache T-383/17, bestätigt durch den Gerichtshof in der Rechtssache C-260/20 P

152

 

VERFAHREN BEZÜGLICH DER DURCHFÜHRUNG DER WETTBEWERBSPOLITIK

 

Europäische Kommission

2022/C 248/13

Vorherige Anmeldung eines Zusammenschlusses (Sache M.10778 – TA ASSOCIATES / CLEARLAKE / KOFAX) — Für das vereinfachte Verfahren infrage kommender Fall ( 1 )

156


 


 

(1)   Text von Bedeutung für den EWR.

DE

 


II Mitteilungen

MITTEILUNGEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

Europäische Kommission

30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/1


MITTEILUNG DER KOMMISSION

BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION

Leitlinien für vertikale Beschränkungen

(2022/C 248/01)

INHALTSVERZEICHNIS

1.

Einleitung 3

1.1.

Zweck und Aufbau dieser Leitlinien 3

1.2.

Anwendbarkeit des Artikels 101 AEUV auf vertikale Vereinbarungen 4

2.

Auswirkungen vertikaler Vereinbarungen 6

2.1.

Positive Auswirkungen 6

2.2.

Negative Auswirkungen 9

3.

Grundsätzlich nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallende vertikale Vereinbarungen 10

3.1.

Keine Beeinträchtigung des Handels, Vereinbarungen von geringer Bedeutung und kleine und mittlere Unternehmen 10

3.2.

Handelsvertreterverträge 11

3.2.1.

Handelsvertreterverträge, die nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen 11

3.2.2.

Anwendung des Artikels 101 Absatz 1 AEUV auf Handelsvertreterverträge 15

3.2.3.

Handelsvertretung und Online-Plattformwirtschaft 16

3.3.

Zuliefervereinbarungen 17

4.

Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2022/720 17

4.1.

Durch die Verordnung (EU) 2022/720 geschaffener geschützter Bereich 17

4.2.

Definition vertikaler Vereinbarungen 18

4.2.1.

Einseitiges Verhalten fällt nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2022/720 18

4.2.2.

Die Unternehmen sind auf verschiedenen Stufen der Produktions- oder Vertriebskette tätig 19

4.2.3.

Die Vereinbarung bezieht sich auf den Bezug, Verkauf oder Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen 19

4.3.

Vertikale Vereinbarungen in der Online-Plattformwirtschaft 20

4.4.

Grenzen des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) 2022/720 21

4.4.1.

Vereinigungen von Einzelhändlern 21

4.4.2.

Vertikale Vereinbarungen mit Bestimmungen zum Schutz geistigen Eigentums 22

4.4.3.

Vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern 25

4.4.4.

Vertikale Vereinbarungen mit Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten, die eine Hybridstellung innehaben 28

4.5.

Verhältnis zu anderen Gruppenfreistellungsverordnungen 30

4.6.

Spezielle Arten von Vertriebssystemen 30

4.6.1.

Alleinvertriebssysteme 31

4.6.2.

Selektive Vertriebssysteme 35

4.6.3.

Franchising 40

5.

Marktabgrenzung und Berechnung der Marktanteile 42

5.1.

Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes 42

5.2.

Berechnung der Marktanteile nach der Verordnung (EU) 2022/720 42

5.3.

Berechnung der Marktanteile nach der Verordnung (EU) 2022/720 43

6.

Anwendung der Verordnung (EU) 2022/720 43

6.1.

Kernbeschränkungen nach der Verordnung (EU) 2022/720 43

6.1.1.

Preisbindung der zweiten Hand 45

6.1.2.

Kernbeschränkungen nach Artikel 4 Buchstaben b, c, d und e der Verordnung (EU) 2022/720 49

6.1.3.

Beschränkungen des Verkaufs von Ersatzteilen 57

6.2.

Beschränkungen, die von der Verordnung (EU) 2022/720 ausgenommen sind 57

6.2.1.

Wettbewerbsverbote, die eine Dauer von fünf Jahren überschreiten 58

6.2.2.

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 58

6.2.3.

Wettbewerbsverbote, die den Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegt werden 59

6.2.4.

Plattformübergreifende Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen 59

7.

Entzug und Nichtanwendung 59

7.1.

Entzug des Rechtsvorteils der Verordnung (EU) 2022/720 59

7.2.

Nichtanwendung der Verordnung (EU) 2022/720 62

8.

Durchsetzung im Einzelfall 63

8.1.

Grundlagen der Prüfung 63

8.1.1.

Maßgebliche Faktoren für die Prüfung nach Artikel 101 Absatz 1 AEUV 64

8.1.2.

Maßgebliche Faktoren für die Prüfung nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV 66

8.2.

Prüfung von spezifischen vertikalen Beschränkungen 67

8.2.1.

Markenzwang 68

8.2.2.

Alleinbelieferung 72

8.2.3.

Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung von Online-Marktplätzen 74

8.2.4.

Beschränkungen der Nutzung von Preisvergleichsdiensten 75

8.2.5.

Paritätsverpflichtungen 77

8.2.6.

Vorauszahlungen für den Zugang 82

8.2.7.

Produktgruppenmanagement-Vereinbarungen 83

8.2.8.

Kopplungsbindung 83

1.   EINLEITUNG

1.1.   Zweck und Aufbau dieser Leitlinien

(1)

In diesen Leitlinien werden die Grundsätze für die Prüfung vertikaler Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen im Sinne des Artikels 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (1) und der Verordnung (EU) 2022/720 der Kommission (2) dargelegt. Sofern nicht anders angegeben, schließt in diesen Leitlinien der Begriff „Vereinbarung“ auch abgestimmte Verhaltensweisen ein (3).

(2)

Diese Leitlinien der Kommission sollen Unternehmen Orientierungshilfen für die Selbstprüfung von vertikalen Vereinbarungen nach Maßgabe der EU-Wettbewerbsvorschriften an die Hand geben und die Durchsetzung des Artikels 101 AEUV erleichtern. Sie sollten jedoch nicht schematisch angewendet werden, da jede Vereinbarung unter Berücksichtigung des jeweiligen Sachverhalts bewertet werden muss (4). Diese Leitlinien berühren außerdem nicht die Rechtsprechung des Gerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden „Europäischer Gerichtshof“).

(3)

Vertikale Vereinbarungen können für Zwischen- oder Endprodukte (Waren und Dienstleistungen geschlossen werden. Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich diese Leitlinien auf sämtliche Arten von Waren und Dienstleistungen und auf alle Handelsstufen. Des Weiteren schließt der Begriff „Endverbraucher“, sofern nichts anderes angegeben ist, Unternehmen und sonstige Endverbraucher (natürliche Personen, die zu Zwecken handeln, die nicht ihrer geschäftlichen, gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit entsprechen) ein.

(4)

Diese Leitlinien sind wie folgt gegliedert:

Dieser erste Abschnitt ist eine Einführung, in der erläutert wird, aus welchen Gründen und in welchem Umfang die Kommission Orientierungshilfen für vertikale Vereinbarungen gibt. Ferner wird dargelegt, welche Ziele mit Artikel 101 AEUV verfolgt werden, inwiefern Artikel 101 AEUV für vertikale Vereinbarungen gilt und worin die wichtigsten Schritte einer Prüfung vertikaler Vereinbarungen nach Artikel 101 AEUV bestehen.

Der zweite Abschnitt gibt einen Überblick über die positiven und negativen Auswirkungen vertikaler Vereinbarungen. Die Verordnung (EU) 2022/720, diese Leitlinien und die von der Kommission verfolgte Vorgehensweise zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts im Einzelfall beruhen auf der Abwägung dieser Auswirkungen.

Der dritte Abschnitt behandelt vertikale Vereinbarungen, die grundsätzlich nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen. Auch wenn die Verordnung (EU) 2022/720 auf die betreffenden Vereinbarungen keine Anwendung findet, ist es erforderlich, Orientierungshilfen zu den Bedingungen bereitzustellen, unter denen vertikale Vereinbarungen möglicherweise nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen.

Der vierte Abschnitt enthält weitere Hinweise zum Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2022/720, einschließlich Erläuterungen zu dem durch die Verordnung geschaffenen geschützten Bereich („Safe Harbour“) und zur Definition vertikaler Vereinbarungen. Dieser Abschnitt gibt auch Orientierungshilfen zu vertikalen Vereinbarungen in der Online-Plattformwirtschaft, die beim Vertrieb von Waren und Dienstleistungen eine immer wichtigere Rolle spielt. Des Weiteren enthält dieser Abschnitt Erläuterungen zu den Grenzen des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) 2022/720 gemäß Artikel 2 Absätze 2, 3 und 4 der Verordnung. Hierzu zählen auch die spezifischen Beschränkungen, die nach Artikel 2 Absatz 5 der Verordnung für den Informationsaustausch zwischen einem Anbieter und einem Abnehmer bei einem zweigleisigen Vertrieb gelten; ebenfalls erläutert werden die Beschränkungen, die nach Artikel 2 Absatz 6 der Verordnung für Vereinbarungen in Bezug auf die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten gelten, bei denen der Anbieter der Online-Vermittlungsdienste eine Hybridstellung innehat. Im vierten Abschnitt wird auch erläutert, wie die Verordnung (EU) 2022/720 in Fällen anzuwenden ist, in denen eine vertikale Vereinbarung in den Anwendungsbereich einer anderen Gruppenfreistellungsverordnung fällt, wie in Artikel 2 Absatz 7 der Verordnung geregelt. Und schließlich enthält dieser Abschnitt eine Beschreibung bestimmter häufiger Arten von Vertriebssystemen, die Gegenstand der in Artikel 4 vorgesehenen besonderen Bestimmungen in Bezug auf Kernbeschränkungen sind.

Im fünften Abschnitt werden unter Bezugnahme auf die Bekanntmachung über die Marktdefinition (5) die Abgrenzung der relevanten Märkte und die Berechnung der Marktanteile behandelt. Dies ist von Bedeutung, weil vertikale Vereinbarungen nur dann unter die in der Verordnung (EU) 2022/720 vorgesehene Gruppenfreistellung fallen können, wenn die an der betreffenden Vereinbarung beteiligten Unternehmen die in Artikel 3 der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegten Marktanteilsschwellen nicht überschreiten.

Der sechste Abschnitt behandelt die in Artikel 4 Verordnung (EU) 2022/720 genannten Kernbeschränkungen sowie die nicht freigestellten Beschränkungen nach Artikel 5 der Verordnung und erklärt, weshalb die Einordnung als Kernbeschränkung oder nicht freigestellte Beschränkung von Bedeutung ist.

Der siebte Abschnitt enthält Orientierungshilfen über die Befugnisse der Kommission und der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zum Entzug des Rechtsvorteils der Verordnung (EU) 2022/720 in Einzelfällen nach Artikel 29 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates (6) und Artikel 6 der Verordnung (EU) 2022/720; ferner enthält der Abschnitt Orientierungshilfen zur Befugnis der Kommission Verordnungen anzunehmen, in denen die Verordnung (EU) 2022/720 nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2022/720 für nicht anwendbar erklärt wird.

Im achten Abschnitt wird die Vorgehensweise der Kommission bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts im Einzelfall beschrieben. Zu diesem Zweck werden Erläuterungen gegeben, wie vertikale Vereinbarungen, die nicht von der Verordnung (EU) 2022/720 erfasst werden, nach Artikel 101 Absätze 1 und 3 AEUV geprüft werden; außerdem werden Orientierungshilfen zu verschiedenen häufigen Arten vertikaler Beschränkungen gegeben.

1.2.   Anwendbarkeit des Artikels 101 AEUV auf vertikale Vereinbarungen

(5)

Artikel 101 AEUV soll sicherstellen, dass Unternehmen keine Vereinbarungen, ob horizontale oder vertikale (7), zur Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Markt und damit letztlich zum Nachteil der Verbraucher einsetzen (8). Artikel 101 AEUV verfolgt auch das weitergehende Ziel der Schaffung eines integrierten Binnenmarktes, der den Wettbewerb in der Union stärkt. Unternehmen dürfen vertikale Vereinbarungen nicht dazu verwenden, neue Schranken zwischen Mitgliedstaaten zu errichten, wo staatliche Barrieren erfolgreich abgebaut worden sind.

(6)

Artikel 101 AEUV findet Anwendung auf vertikale Vereinbarungen und Beschränkungen in vertikalen Vereinbarungen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verhindern, einschränken oder verfälschen (9). Die Vorschrift schafft einen Rechtsrahmen für die Beurteilung vertikaler Beschränkungen (10), der die Unterscheidung zwischen wettbewerbswidrigen und wettbewerbsfördernden Auswirkungen berücksichtigt. In Artikel 101 Absatz 1 AEUV werden Vereinbarungen, die den Wettbewerb spürbar einschränken oder verfälschen, verboten. Dieses Verbot gilt jedoch nicht für Vereinbarungen, die die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen, insbesondere wenn die Vereinbarung, wie in den Leitlinien zur Anwendung des Artikels 101 Absatz 3 (11) dargelegt, genügend Vorteile bietet, um ihre wettbewerbswidrigen Auswirkungen auszugleichen.

(7)

Bei der Prüfung von vertikalen Vereinbarungen muss keine Reihenfolge zwingend eingehalten werden, die Prüfung umfasst jedoch grundsätzlich die folgenden Schritte:

Zunächst müssen die beteiligten Unternehmen die Marktanteile des Anbieters und des Abnehmers auf dem relevanten Markt ermitteln, auf dem sie die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen bzw. beziehen.

Liegt weder der Marktanteil des Anbieters noch der des Abnehmers über der in Artikel 3 der Verordnung (EU) 2022/720 aufgeführten Marktanteilsschwelle von 30 %, so fällt die betreffende vertikale Vereinbarung in den durch diese Verordnung geschaffenen Safe Harbour, sofern sie weder Kernbeschränkungen im Sinne des Artikels 4 der Verordnung noch nicht freigestellte Beschränkungen im Sinne des Artikels 5 der Verordnung enthält, die sich nicht vom übrigen Teil der Vereinbarung abtrennen lassen.

Übersteigt der Anteil des Anbieters oder des Abnehmers am relevanten Markt die 30 %-Schwelle oder enthält die Vereinbarung eine oder mehrere Kernbeschränkungen bzw. nicht freigestellte Beschränkungen, die sich nicht abtrennen lassen, so ist zu prüfen, ob die vertikale Vereinbarung unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt.

Fällt die vertikale Vereinbarung unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV, so muss untersucht werden, ob sie die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV erfüllt.

(8)

Nachhaltige Entwicklung ist ein Grundprinzip des Vertrags über die Europäische Union und bildet ebenso wie die Digitalisierung und der resiliente Binnenmarkt (12) ein vorrangiges Ziel der Politik der Union (13). Unter den Begriff der Nachhaltigkeit fällt unter anderem die Bekämpfung des Klimawandels (beispielsweise durch die Verringerung der Treibhausgasemissionen), die Begrenzung der Nutzung natürlicher Ressourcen, die Senkung des Abfallaufkommens und die Gewährleistung des Tierwohls (14). Die Ziele der Union auf den Gebieten der Nachhaltigkeit, Resilienz und Digitalisierung werden durch effiziente Liefer- und Vertriebsvereinbarungen zwischen Unternehmen vorangebracht. Vertikale Vereinbarungen, die Nachhaltigkeitsziele verfolgen oder einen Beitrag zu einem digitalen und resilienten Binnenmarkt leisten, stellen nach dem Wettbewerbsrecht der Union keine eigene Kategorie vertikaler Vereinbarungen dar. Vereinbarungen dieser Art müssen daher unter Berücksichtigung des spezifischen Nachhaltigkeitsziels, das sie verfolgen, nach den in diesen Leitlinien dargelegten Grundsätzen geprüft werden. Dementsprechend gilt die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 vorgesehene Freistellung für vertikale Vereinbarungen, mit denen Ziele der Nachhaltigkeit, Resilienz und Digitalisierung verfolgt werden, sofern sie die Voraussetzungen der Verordnung erfüllen. Zur Veranschaulichung der Bewertung vertikaler Vereinbarungen, mit denen Nachhaltigkeitsziele verfolgt werden, umfassen diese Leitlinien Beispiele (15).

(9)

In Fällen, in denen vertikale Vereinbarungen den Wettbewerb im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV beschränken und in denen die Verordnung (EU) 2022/720 nicht gilt, können die betreffenden Vereinbarungen trotzdem die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Artikel 101 Absatz 3 erfüllen (16). Dies trifft auch für vertikale Vereinbarungen zu, die Nachhaltigkeitsziele verfolgen oder einen Beitrag zu einem digitalen, resilienten Binnenmarkt leisten. Während Abschnitt 8 unter anderem Orientierungshilfen bezüglich der Einzelfallprüfung solcher vertikalen Vereinbarungen enthält, können auch andere Leitlinien der Kommission maßgeblich sein. Hierzu zählen die Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 Absatz 3, die Horizontalleitlinien (17) sowie Orientierungshilfen, die in künftigen Fassungen der genannten Leitlinien gegeben werden. Insbesondere können diese Leitlinien Hinweise zu den Umständen geben, unter denen Nachhaltigkeits-, Digitalisierungs- oder Resilienzvorteile als qualitative oder quantitative Effizienzgewinne im Sinne des Artikels 101 Absatz 3 AEUV berücksichtigt werden können.

2.   AUSWIRKUNGEN VERTIKALER VEREINBARUNGEN

(10)

Bei der Beurteilung vertikaler Vereinbarungen nach Artikel 101 AEUV und der Anwendung der Verordnung (EU) 2022/720 sind alle relevanten Wettbewerbsparameter wie Preise, Produktion im Hinblick auf Produktmengen, Produktqualität und -bandbreite und Innovation zu berücksichtigen. Außerdem ist in die Beurteilung einzubeziehen, dass vertikale Vereinbarungen zwischen auf unterschiedlichen Stufen der Produktions- oder Vertriebskette tätigen Unternehmen in der Regel weniger schädlich sind als horizontale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die substituierbare Waren oder Dienstleistungen anbieten (18). In erster Linie ist dies darin begründet, dass die durchgeführten Tätigkeiten der an einer vertikalen Vereinbarung beteiligten Unternehmen zu einander komplementär sind, was in der Regel mit sich bringt, dass wettbewerbsfördernde Maßnahmen eines der beteiligten Unternehmen dem anderen an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen, und damit letztlich den Verbrauchern, zugutekommen. Im Unterschied zu horizontalen Vereinbarungen haben die an einer vertikalen Vereinbarung beteiligten Unternehmen tendenziell einen Anreiz, niedrigere Preise und ein höheres Dienstleistungsniveau zu vereinbaren, was auch den Verbrauchern zugutekommt. Ebenso besteht für ein an einer vertikalen Vereinbarung beteiligtes Unternehmen gewöhnlich ein Anreiz, sich Maßnahmen des anderen beteiligten Unternehmens zu widersetzen, die Verbraucher benachteiligen, da solche Maßnahmen in der Regel auch die Nachfrage nach den von dem ersten beteiligten Unternehmen gelieferten Waren oder erbachten Dienstleistungen senken. Dass die Tätigkeiten der an einer vertikalen Vereinbarung beteiligten Unternehmen bei der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen zu einander komplementär sind, bedeutet darüber hinaus auch, dass vertikale Beschränkungen größere Effizienzgewinne ermöglichen, zum Beispiel durch die Optimierung der Herstellungs- und Vertriebsprozesse und Dienstleistungen. Beispiele für solche positiven Auswirkungen werden in Abschnitt 2.1 beschrieben.

(11)

Nichtsdestotrotz könnten Unternehmen mit Marktmacht in bestimmten Fällen vertikale Beschränkungen einsetzen, um wettbewerbswidrige Zwecke zu verfolgen, die letztlich den Verbrauchern schaden. Wie in Abschnitt 2.2 noch näher erläutert wird, können vertikale Beschränkungen insbesondere zu Abschottung, Abschwächung des Wettbewerbs oder Kollusion führen. Marktmacht ist die Fähigkeit, über einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum die Preise oberhalb des Wettbewerbsniveaus bzw. die Produktion im Hinblick auf Produktmengen, -qualität und -bandbreite oder Innovation unterhalb des Wettbewerbsniveaus zu halten (19). Für die Feststellung einer Zuwiderhandlung im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV muss ein geringeres Maß an Marktmacht vorliegen als für die Feststellung der Marktbeherrschung nach Artikel 102 AEUV.

2.1.   Positive Auswirkungen

(12)

Vertikale Vereinbarungen können positive Auswirkungen wie niedrigere Preise, die Förderung eines nicht über den Preis ausgetragenen Wettbewerbs oder die Verbesserung der Qualität der Dienstleistungen hervorbringen. Einfache vertragliche Vereinbarungen zwischen einem Anbieter und einem Abnehmer, bei denen lediglich der Preis und die Menge für ein bestimmtes Geschäft vereinbart werden, können oft zu einem suboptimalen Investitions- und Absatzniveau führen, da die Externalitäten, die sich aus den sich gegenseitig ergänzenden Tätigkeiten des Anbieters und seiner Händler ergeben, nicht berücksichtigt werden. Diese Externalitäten lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: vertikale Externalitäten und horizontale Externalitäten.

(13)

Vertikale Externalitäten ergeben sich daraus, dass die auf unterschiedlichen Stufen der Produktions- oder Vertriebskette getroffenen Entscheidungen und ergriffenen Maßnahmen bestimmte Aspekte des Verkaufs von Waren oder Dienstleistungen wie beispielsweise Preis, Qualität, verbundene Dienstleistungen und Vermarktung festlegen, die sich nicht nur auf das die Entscheidung treffende Unternehmen auswirken, sondern auch auf andere Unternehmen auf anderen Stufen der Produktions- oder Vertriebskette. Beispielsweise kann es sein, dass ein Händler nicht alle Vorteile aus seinen Anstrengungen zur Absatzsteigerung für sich gewinnt, da einige dieser Vorteile dem Anbieter zugutekommen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei jeder Einheit, die ein Händler durch Senkung seines Weiterverkaufspreises oder durch verstärkte Verkaufsanstrengungen zusätzlich verkauft, auch der Anbieter profitiert, wenn sein Großhandelspreis über seinen Produktionsgrenzkosten liegt. Dies stellt eine positive Externalität dar, die dem Anbieter durch die absatzfördernden Maßnahmen des Händlers zugutekommt. Umgekehrt kann es Situationen geben, in denen der Händler aus der Sicht des Anbieters zu hohe Preise verlangt (20) oder unzureichende Verkaufsanstrengungen unternimmt oder in denen beides zutrifft.

(14)

Horizontale Externalitäten können sich insbesondere zwischen Händlern derselben Waren oder Dienstleistungen ergeben, wenn es einem Händler nicht gelingt, den vollen Gewinn aus seinen Verkaufsanstrengungen zu ziehen. Wenn beispielsweise nachfragefördernde Kundenbetreuungsleistungen vor dem Verkauf, wie individuelle Beratung zu bestimmten Waren oder Dienstleistungen, von einem Händler erbracht werden, kann dies zu Absatzsteigerungen konkurrierender Händler führen, die dieselben Waren oder Dienstleistungen anbieten, und somit unter Händlern Anreize zum „Trittbrettfahren“ schaffen, bei dem Händler von den kostspieligen Leistungen anderer profitieren. In einem Vertriebsumfeld, in dem alle Kanäle (online und offline) genutzt werden, kann Trittbrettfahren in beide Richtungen vorkommen (21). Zum Beispiel können Kunden einen physischen Verkaufspunkt besuchen, um Waren oder Dienstleistungen zu testen oder weitere für ihre Verkaufsentscheidung nützliche Informationen zu erhalten, aber das Produkt dann online bei einem anderen Händler bestellen. Umgekehrt können Kunden in der Phase vor dem Kauf Informationen bei einem Online-Shop einholen und dann einen physischen Verkaufspunkt besuchen, die online eingeholten Informationen nutzen, um bestimmte Waren oder Dienstleistungen auszuwählen und zu testen, und sie letztendlich offline bei einem physischen Verkaufspunkt kaufen. Wenn solches Trittbrettfahren möglich ist und der Händler, der Kundenbetreuungsleistungen vor dem Verkauf erbringt, nicht in der Lage ist, den vollen Gewinn daraus zu ziehen, kann dies dazu führen, dass diese dem Verkauf vorausgehenden Leistungen nicht in optimaler Quantität oder Qualität erbracht werden.

(15)

Sind solche Externalitäten gegeben, haben Anbieter einen Anreiz, bestimmte Aspekte der Tätigkeiten ihrer Händler zu kontrollieren, und umgekehrt. Insbesondere können vertikale Vereinbarungen dazu genutzt werden, solche Externalitäten zu internalisieren, den gemeinsamen Gewinn der vertikalen Liefer- und Vertriebskette zu steigern sowie unter bestimmten Umständen das Verbraucherwohl zu erhöhen.

(16)

Mit diesen Leitlinien wird zwar angestrebt, einen umfassenden Überblick zu darüber geben, wann vertikale Beschränkungen begründbar sind, es wird jedoch kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Zu den Gründen, die den Rückgriff auf bestimmte vertikale Beschränkungen rechtfertigen können, zählen unter anderem:

a)

Angehen des Problems der „vertikalen Externalitäten“. Dass ein Händler einen zu hohen Preis festlegt, ohne die Auswirkung seiner Entscheidungen auf den Anbieter zu berücksichtigen, kann vermieden werden, indem der Anbieter dem Händler eine Obergrenze für den Höchstweiterverkaufspreis vorgibt. Ebenso kann der Anbieter zur Steigerung der Verkaufsanstrengungen des Händlers auf den selektiven Vertrieb oder den Alleinvertrieb zurückgreifen.

b)

Angehen des „Trittbrettfahrer-Problems“. Zu Trittbrettfahren unter Abnehmern kann es auf Großhandels- und auf Einzelhandelsstufe kommen, insbesondere, wenn es dem Anbieter nicht möglich ist, allen Abnehmern tatsächliche Verpflichtungen in Bezug auf verkaufsfördernde Maßnahmen oder Service-Anforderungen aufzuerlegen. Trittbrettfahren unter Abnehmern ist lediglich bei der Kundenberatung vor dem Verkauf und bei verkaufsfördernden Maßnahmen möglich, nicht jedoch beim Kundendienst nach dem Verkauf, den der Händler seinen Kunden einzeln in Rechnung stellen kann. Kundenberatungsleistungen vor dem Verkauf, bei denen Trittbrettfahren vorkommen kann, können zum Beispiel wichtig sein, wenn die Waren oder Dienstleistungen relativ neu, technisch komplex oder hochwertig sind oder wenn der Ruf der Waren oder Dienstleistungen ein wichtiger Faktor für die Nachfrage ist (22). Beschränkungen in Alleinvertriebssystemen oder selektiven Vertriebssystemen bieten sich ebenso wie andere Beschränkungen an, um ein solches Trittbrettfahren zu vermeiden oder zu verringern. Trittbrettfahrer gibt es auch unter Anbietern, wenn z. B. ein Hersteller in Verkaufsförderungsmaßnahmen in den Räumlichkeiten des Abnehmers investiert, die auch Kunden für die Wettbewerber des betreffenden Herstellers anziehen. In diesem Fall können Beschränkungen in Form eines Wettbewerbsverbots einen Betrag zur Lösung des Problems des Trittbrettfahrens unter Anbietern leisten (23).

c)

Erschließen neuer Märkte bzw. Einstieg in neue Märkte. Will ein Anbieter in einen neuen räumlich relevanten Markt eintreten, also z. B. seine Produkte in ein anderes Land ausführen, so muss der Händler unter Umständen besondere irreversible Investitionen tätigen, um die betreffende Marke auf dem Markt zu etablieren. Um einen Händler vor Ort von diesen Investitionen zu überzeugen, muss ihm gegebenenfalls ein Gebietsschutz gewährt werden, damit der Händler seine Investitionen wieder hereinholen kann. In diesem Fall kann es gerechtfertigt sein, Händler auf anderen räumlich relevanten Märkten am Absatz auf dem neuen Markt zu hindern (siehe auch die Randnummern (118), (136) und (137)). Hierbei handelt es sich um einen Sonderfall des unter Buchstabe b beschriebenen Trittbrettfahrer-Problems.

d)

Angehen des Problems der „Gütesiegel-Trittbrettfahrer“. In einigen Branchen haben bestimmte Händler den Ruf, nur Qualitätswaren zu führen bzw. nur Qualitätsdienstleistungen anzubieten (sogenannte „Premiumhändler“). In diesem Fall kann der Absatz über solche Händler für die erfolgreiche Einführung eines neuen Produkts von entscheidender Bedeutung sein. Kann der Anbieter nicht sicherstellen, dass sich der Vertrieb seiner Produkte auf solche Premiumhändler beschränkt, läuft er Gefahr, dass diese Händler ihn nicht listen. Unter diesen Umständen kann der Einsatz von Alleinvertriebs- oder selektiven Vertriebsregelungen gerechtfertigt sein.

e)

Angehen des „Hold-up“-Problems. Möglicherweise muss der Anbieter oder der Abnehmer vertragsspezifische Investitionen (beispielsweise für eine spezielle Ausrüstung oder Schulung) tätigen, die irreversible Investitionen sind und die außerhalb der betreffenden vertikalen Beziehung keinen oder nur einen geringen Wert haben. Es kann beispielsweise sein, dass ein Hersteller von Bauteilen bestimmte Maschinen bauen muss, um die Anforderungen eines seiner Kunden erfüllen zu können, die Maschinen aber nicht für andere Kunden genutzt und vielleicht auch nicht weiterverkauft werden können. Ohne eine Vereinbarung wird sich die investierende Partei, sobald sie die vertragsspezifische Investition vorgenommen hat, in einer schwachen Verhandlungsposition befinden, denn sie riskiert, dass man sie während der Verhandlungen mit ihrem Handelspartner „in der Luft hängen lässt“ und sie Opfer eines „Hold-up“ wird. Die Gefahr einer solchen opportunistischen Vorgehensweise kann zu suboptimalen Investitionen seitens der investierenden Partei führen. Vertikale Vereinbarungen können den Spielraum für „Hold-ups“ beseitigen (insbesondere dann, wenn die Investitionen in vollem Umfang vertraglich vereinbart werden können und alle künftigen Eventualitäten vorhersehbar sind) oder ihn einengen. Beispielsweise können Wettbewerbsverbote, Mengenvorgaben oder Alleinbezugsverpflichtungen das „Hold-up“-Problem verringern, wenn die vertragsspezifische Investition vom Anbieter vorgenommen wird, während Alleinvertrieb, Kundenbeschränkungen oder Alleinbelieferungsvereinbarungen zu einer Minderung des „Hold-up“-Problems beitragen können, wenn der Abnehmer die Investition tätigt.

f)

Angehen des „Hold-Up“-Problems bei der Übertragung von wesentlichem Know-how. Es kann sein, dass das beteiligte Unternehmen, das das Know-how überträgt, nicht möchte, dass das Know-how, beispielsweise im Franchising, von seinen Wettbewerbern genutzt wird oder diesen zugutekommt. Die Übertragung von Know-how, das dem Abnehmer nicht frei zugänglich war und das für die Durchführung der betreffenden Vereinbarung wesentlich und unerlässlich ist, kann eine Beschränkung in Form eines Wettbewerbsverbots rechtfertigen, die in der Regel in solchen Fällen nicht unter das Verbot des Artikels 101 Absatz 1 AEUV fallen würde.

g)

Erzielen von Größenvorteilen beim Vertrieb. Ein Hersteller, der Größenvorteile erzielen und auf diese Weise den Einzelhandelspreis für seine Waren oder Dienstleistungen senken möchte, wird möglicherweise versuchen, den Weiterverkauf seiner Waren oder Dienstleistungen auf eine begrenzte Anzahl von Händlern zu beschränken. Dies könnte er über Vertragsklauseln erreichen, die einen Alleinvertrieb, Mengenvorgaben in Form von Mindestbezugsmengen, einen selektiven Vertrieb mit der Vorgabe von Mindestbezugsmengen oder einen Alleinbezug vorsehen.

h)

Sicherstellen von Einheitlichkeit und Qualität. Vertikale Beschränkungen können auch zur Schaffung oder Förderung eines Markenimages beitragen, indem den Händlern bestimmte Standards zur Sicherung der Produkteinheitlichkeit und -qualität auferlegt werden. Dadurch kann der Ruf der Marke geschützt, die Attraktivität der betreffenden Waren oder Dienstleistungen für Endverbraucher erhöht und der Absatz gesteigert werden. Eine solche Standardisierung kann beispielsweise durch selektiven Vertrieb oder Franchising erreicht werden.

i)

Beheben von Unzulänglichkeiten der Kapitalmärkte. Die Bereitstellung von Kapital durch Anbieter wie Banken oder Aktienmärkte kann unzulänglich sein, wenn deren Kenntnisse über die Bonität des Darlehensnehmers oder die Grundlagen zur Sicherung des Darlehens unzureichend sind. Der Abnehmer oder der Anbieter verfügt gegebenenfalls über bessere Informationen und – dank einer Geschäftsbeziehung mit Ausschließlichkeitsbindung – über zusätzliche Sicherheiten für seine Investitionen. Gewährt der Anbieter dem Abnehmer ein Darlehen, so kann es sein, dass er ihm auch ein Wettbewerbsverbot oder eine Mengenvorgabe auferlegt. Wenn umgekehrt der Abnehmer dem Anbieter ein Darlehen gewährt, kann er dies mit einer Alleinbelieferungsverpflichtung oder Mengenvorgabe verbinden.

(17)

Die verschiedenen vertikalen Beschränkungen sind in hohem Maß austauschbar, was bedeutet, dass ein und dasselbe Effizienzproblem durch unterschiedliche vertikale Beschränkungen behoben werden kann. So lassen sich z. B. Größenvorteile im Vertrieb erreichen, indem man auf den Alleinvertrieb, den selektiven Vertrieb, Mengenvorgaben oder den Alleinbezug zurückgreift. Die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb können jedoch je nach gewählter vertikaler Beschränkung unterschiedlich sein. Dies wird der Beurteilung der Unerlässlichkeit im Sinne des Artikels 101 Absatz 3 AEUV berücksichtigt.

2.2.   Negative Auswirkungen

(18)

Durch das Wettbewerbsrecht der Union sollen insbesondere die folgenden negativen Auswirkungen vertikaler Beschränkungen auf den Markt verhindert werden:

a)

wettbewerbswidriger Ausschluss anderer Anbieter oder anderer Abnehmer vom Markt durch Errichtung von Schranken für Marktzutritt oder Expansion,

b)

Abschwächung des Wettbewerbs zwischen dem Anbieter und seinen Wettbewerbern und/oder Erleichterung der ausdrücklichen oder stillschweigenden Kollusion zwischen konkurrierenden Anbietern, häufig auch als Verringerung des Markenwettbewerbs bezeichnet,

c)

Abschwächung des Wettbewerbs zwischen dem Abnehmer und seinen Wettbewerbern oder Erleichterung der ausdrücklichen oder stillschweigenden Kollusion zwischen konkurrierenden Abnehmern, häufig auch als Verringerung des markeninternen Wettbewerbs, d. h. des Wettbewerbs zwischen Händlern von Waren oder Dienstleistungen desselben Anbieters, bezeichnet (24),

d)

Behinderung der Marktintegration, insbesondere Einschränkung der Möglichkeiten für die Verbraucher, Waren oder Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat ihrer Wahl zu beziehen.

(19)

Marktabschottung, Abschwächung des Wettbewerbs und Kollusion auf Anbieterebene können den Verbrauchern insbesondere dadurch schaden,

a)

dass die den Abnehmern von Waren oder Dienstleistungen in Rechnung gestellten Preise steigen, was wiederum zu höheren Einzelhandelspreisen führen kann,

b)

dass die Auswahl an Waren oder Dienstleistungen geringer wird,

c)

dass die Qualität der Waren oder Dienstleistungen sinkt,

d)

dass Innovationen und Dienstleistungen auf Anbieterebene zurückgehen.

(20)

Marktabschottung, Abschwächung des Wettbewerbs und Kollusion auf Händlerebene können den Verbrauchern insbesondere dadurch schaden,

a)

dass die Einzelhandelspreise von Waren oder Dienstleistungen steigen,

b)

dass die Auswahl an Preis-Dienstleistungskombinationen und Vertriebsformen geringer wird,

c)

dass die Verfügbarkeit und Qualität der Einzelhandelsdienstleistungen sinkt,

d)

dass die Innovation auf der Vertriebsebene zurückgeht.

(21)

Wenn ein starker Markenwettbewerb (d. h. Wettbewerb zwischen Händlern von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlicher Anbieter) herrscht, wird eine Abnahme des markeninternen Wettbewerbs (d. h. des Wettbewerbs zwischen Händlern von Waren oder Dienstleistungen desselben Anbieters) wahrscheinlich keine negativen Auswirkungen auf die Verbraucher haben (25). Insbesondere auf Märkten, auf denen einzelne Einzelhändler nur die Marke(n) eines Anbieters vertreiben, führt eine Abnahme des Wettbewerbs zwischen den Händlern derselben Marke zu einer Abnahme des markeninternen Wettbewerbs zwischen diesen Händlern, hat aber möglicherweise keine negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen den Händlern im Allgemeinen.

(22)

Die möglichen negativen Auswirkungen vertikaler Beschränkungen werden noch verstärkt, wenn mehrere Anbieter und deren Abnehmer ihre Geschäfte in ähnlicher Weise organisieren, was zu sogenannten kumulativen Auswirkungen führt (26).

3.   GRUNDSÄTZLICH NICHT UNTER ARTIKEL 101 ABSATZ 1 AEUV FALLENDE VERTIKALE VEREINBARUNGEN

3.1.   Keine Beeinträchtigung des Handels, Vereinbarungen von geringer Bedeutung und kleine und mittlere Unternehmen

(23)

Bevor auf den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2022/720, ihre Anwendung und generell die Beurteilung vertikaler Vereinbarungen nach Artikel 101 Absätze 1 und 3 AEUV eingegangen wird, sei daran erinnert, dass die Verordnung (EU) 2022/720 nur für Vereinbarungen gilt, die unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen.

(24)

Vereinbarungen, die nicht geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen (keine Auswirkung auf den Handel) oder die den Wettbewerb nicht spürbar einzuschränken (Vereinbarungen von geringer Bedeutung), fallen nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV (27). Die Kommission hat in den Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des Handels (28) Orientierungshilfen zu den Auswirkungen auf den Handel gegeben und in der De-minimis-Bekanntmachung (29) gibt sie Hinweise zu Vereinbarungen von geringer Bedeutung. Die vorliegenden Leitlinien lassen die Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des Handels und die De-minimis-Bekanntmachung sowie künftige diesbezügliche Leitlinien der Kommission unberührt.

(25)

In den Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des Handels sind die Grundsätze dargelegt, die von den Gerichten der Union in Bezug auf die Auslegung des Begriffs der Beeinträchtigung des Handels entwickelt wurden, und es wird darauf verwiesen, wann Vereinbarungen nicht geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Sie beinhalten eine widerlegbare Negativvermutung, die für alle Vereinbarungen im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV, unabhängig von der Art der darin enthaltenen Beschränkungen, gilt und somit auch auf Vereinbarungen, die Kernbeschränkungen enthalten, anzuwenden ist (30). Gemäß dieser Vermutung sind vertikale Vereinbarungen grundsätzlich nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen, wenn

a)

der gemeinsame Marktanteil der beteiligten Unternehmen auf keinem von der Vereinbarung betroffenen relevanten Markt in der Union 5 % überschreitet, und

b)

der gesamte Jahresumsatz des Anbieters mit den von der Vereinbarung erfassten Waren in der Union den Betrag von 40 Mio. EUR nicht überschreitet oder wenn im Fall von Vereinbarungen, die zwischen einem Abnehmer und mehreren Anbietern geschlossen wurden, die zusammengefassten Käufe der von den Vereinbarungen erfassten Waren durch den Abnehmer den Betrag von 40 Mio. EUR nicht überschreiten (31). Die Kommission kann die Vermutung widerlegen, falls eine Prüfung der Merkmale der Vereinbarung und des wirtschaftlichen Zusammenhangs das Gegenteil beweist.

(26)

Wie in der De-minimis-Bekanntmachung dargelegt, werden von Nichtwettbewerbern eingegangene vertikale Vereinbarungen im Allgemeinen als nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallend eingestuft, wenn der von jedem der beteiligten Unternehmen gehaltene Marktanteil auf keinem der von der Vereinbarung betroffenen relevanten Märkte 15 % überschreitet (32). Zu dieser allgemeinen Regel gibt es zwei Ausnahmen. Erstens ist Artikel 101 Absatz 1 AEUV auch dann auf bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen anwendbar, wenn der von jedem der beteiligten Unternehmen gehaltene Marktanteil 15 % nicht überschreitet (33). Dies ist darin begründet, dass eine Vereinbarung, die geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und die einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, ihrer Natur nach und unabhängig von konkreten Auswirkungen eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung darstellen kann (34). Zweitens wird die Marktanteilsschwelle von 15 % auf 5 % herabgesetzt, wenn der Wettbewerb auf einem relevanten Markt durch die kumulative Wirkung von nebeneinander bestehenden Netzen von Vereinbarungen beschränkt wird. Die Randnummern (257) bis (261) behandeln die kumulativen Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Entzug des Rechtsvorteils der Verordnung (EU) 2022/720. In der De-minimis-Bekanntmachung wird klargestellt, dass bei einzelnen Anbietern oder Händlern mit einem Marktanteil, der 5 % nicht überschreitet, in der Regel nicht davon auszugehen ist, dass sie wesentlich zu dem kumulativen Abschottungseffekt beitragen (35).

(27)

Es wird außerdem nicht davon ausgegangen, dass vertikale Vereinbarungen, die von Unternehmen geschlossen werden, von denen eines oder mehrere einen jeweiligen Marktanteil haben, der 15 % überschreitet, automatisch unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen. Auch solche Vereinbarungen haben unter Umständen keine spürbaren Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten bzw. stellen möglicherweise keine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs dar (36). Sie sind deshalb in ihrem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang zu prüfen. Die vorliegenden Leitlinien enthalten Kriterien für die individuelle Beurteilung solcher in Abschnitt 8 beschriebenen Vereinbarungen.

(28)

Die Kommission ist ferner der Auffassung, dass vertikale Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen („KMU“) (37) selten geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Die Kommission vertritt auch die Ansicht, dass derartige Vereinbarungen selten den Wettbewerb im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV (gemäß der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union) spürbar beschränken, sofern sie keine bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV enthalten. Deshalb fallen vertikale Vereinbarungen zwischen KMU in der Regel nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV. In Fällen, in denen solche Vereinbarungen dennoch den Verbotstatbestand des Artikels 101 Absatz 1 AEUV erfüllen, wird die Kommission in der Regel wegen des mangelnden Interesses für die Union kein Prüfverfahren einleiten, sofern die betreffenden Unternehmen nicht in einem wesentlichen Teil des Binnenmarktes einzeln oder gemeinsam eine marktbeherrschende Stellung innehaben.

3.2.   Handelsvertreterverträge

3.2.1.   Handelsvertreterverträge, die nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen

(29)

Ein Handelsvertreter ist eine juristische oder natürliche Person, die damit betraut ist, im Auftrag einer anderen Person (des „Auftraggebers“) entweder im eigenen Namen oder im Namen des Auftraggebers Verträge über den Bezug von Waren oder Dienstleistungen durch den Auftraggeber oder den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen durch den Auftraggeber auszuhandeln und/oder zu schließen.

(30)

Artikel 101 AEUV gilt für Vereinbarungen zwischen zwei oder mehr Unternehmen. Unter bestimmten Umständen kann die Beziehung zwischen einem Handelsvertreter und seinem Auftraggeber als solche eingestuft werden, in welcher der Handelsvertreter nicht mehr als unabhängiger Marktteilnehmer handelt. Dies trifft dann zu, wenn der Handelsvertreter bezüglich der Verträge, die er im Namen des Auftraggebers schließt oder aushandelt, nur unbedeutende finanzielle oder wirtschaftliche Risiken trägt, wie in den Randnummern (31) bis (34) näher ausgeführt wird (38). In einem solchen Fall fällt der Handelsvertretervertrag in Teilen oder zur Gänze nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV (39). Da dies eine Ausnahme von der allgemeinen Anwendbarkeit des Artikels 101 AEUV auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen darstellt, sind die Voraussetzungen für die Einstufung einer Vereinbarung als Handelsvertretervertrag, der nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt, eng auszulegen. Beispielsweise ist die Einstufung eines Handelsvertretervertrags als nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallend weniger wahrscheinlich, wenn der Handelsvertreter Verträge im Namen einer großen Zahl von Auftraggebern aushandelt bzw. schließt (40). Wie die Vereinbarung durch die Unterzeichner oder einzelstaatliches Recht eingestuft wird, ist für die wettbewerbsrechtliche Würdigung nicht von Bedeutung.

(31)

Im Hinblick auf die Einstufung einer Vereinbarung als Handelsvertretervertrag, der nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt, sind drei Arten finanzieller oder wirtschaftlicher Risiken von wesentlicher Bedeutung, nämlich:

a)

Vertragsspezifische Risiken, die – wie die Finanzierung von Lagerbeständen – unmittelbar mit den Verträgen zusammenhängen, die der Vertreter für den Auftraggeber geschlossen und/oder ausgehandelt hat.

b)

Risiken, die marktspezifische Investitionen betreffen. Dies sind Investitionen, die für die Art der vom Vertreter auszuführenden Tätigkeit erforderlich sind, das heißt, die dieser benötigt, um eine bestimmte Art von Vertrag zu schließen und/oder auszuhandeln. Solche Investitionen stellen irreversible Investitionen dar, weil sie nach Aufgabe des betreffenden Geschäftsfelds nicht für andere Geschäfte genutzt oder nur mit erheblichem Verlust veräußert werden können.

c)

Risiken in Verbindung mit anderen Tätigkeiten auf demselben sachlich relevanten Markt, soweit der Auftraggeber im Rahmen des Vertreterverhältnisses vom Handelsvertreter verlangt, diese nicht im Namen des Auftraggebers, sondern auf eigenes Risiko des Handelsvertreters durchzuführen.

(32)

Eine Vereinbarung wird dann als nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallender Handelsvertretervertrag eingestuft, wenn der Handelsvertreter keine der in Randnummer (31) aufgeführten Arten von Risiken trägt oder wenn dies nur in unerheblichem Umfang zutrifft. Für die Beurteilung der Bedeutung der vom Handelsvertreter getragenen Risiken ist grundsätzlich die Vergütung zugrunde zu legen, die der Handelsvertreter durch die Erbringung der Handelsvertreterleistungen erzielt (beispielsweise seine Provision), und nicht die Erträge, die durch den Verkauf der Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Handelsvertretervertrags sind, erzielt werden. Risiken, die mit der Erbringung von Handelsvertreterleistungen im Allgemeinen zusammenhängen, beispielsweise die Abhängigkeit des Einkommens des Handelsvertreters von seinem Erfolg als Vertreter oder von allgemeinen Investitionen in Geschäftsräume oder Angestellte, die für Tätigkeiten jeder Art eingesetzt werden könnten, sind für die Beurteilung nicht von Bedeutung.

(33)

Vor diesem Hintergrund wird eine Vereinbarung in der Regel als nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallender Handelsvertretervertrag eingestuft, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)

Der Handelsvertreter erwirbt kein Eigentum an den im Rahmen des Handelsvertretervertrags ge- oder verkauften Waren und erbringt die im Rahmen des Handelsvertretervertrags ge- oder verkauften Dienstleistungen nicht selbst. Die Tatsache, dass der Handelsvertreter unter Umständen für eine sehr kurze Zeit das Eigentum an den Vertragswaren erwirbt, während er diese im Namen des Auftraggebers verkauft, schließt nicht aus, dass es sich um einen nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallenden Handelsvertretervertrag handelt, sofern der Handelsvertreter keine Kosten oder Risiken im Zusammenhang mit dem Eigentumsübergang trägt.

b)

Der Handelsvertreter beteiligt sich nicht an den Kosten, einschließlich Beförderungskosten, die mit der Lieferung/Erbringung oder dem Erwerb der Vertragswaren oder -dienstleistungen verbunden sind. Dies schließt nicht aus, dass der Handelsvertreter Beförderungsleistungen erbringt, sofern die Kosten vom Auftraggeber übernommen werden.

c)

Der Handelsvertreter hält nicht auf eigene Kosten oder eigenes Risiko Lagerbestände der Vertragswaren, was die Kosten für die Finanzierung der Lagerbestände und für den Verlust von Lagerbeständen einschließt. Dem Handelsvertreter sollte es möglich sein, unverkaufte Waren unentgeltlich an den Auftraggeber zurückzugeben, sofern kein Verschulden des Handelsvertreters vorliegt, weil er es beispielsweise versäumt, zumutbare Anforderungen an Sicherheitsmaßnahmen oder Diebstahlsicherungen zu erfüllen, um den Verlust von Lagerbeständen zu vermeiden.

d)

Der Handelsvertreter übernimmt keine Haftung dafür, dass die Kunden ihre Vertragspflichten nicht erfüllen, mit Ausnahme des Verlustes der Provision des Handelsvertreters,sofern dieser nicht für Verschulden haftet (wenn er es beispielsweise versäumt, zumutbare Anforderungen an Sicherheitsmaßnahmen oder Diebstahlsicherungen zu erfüllen oder weil er keine angemessenen Maßnahmen trifft, dem Auftraggeber oder der Polizei Diebstähle zu melden oder weil er es unterlässt, dem Auftraggeber alle ihm bekannten Informationen hinsichtlich der Zahlungsverlässlichkeit der Kunden zu übermitteln.

e)

Der Handelsvertreter übernimmt gegenüber Kunden oder anderen Dritten keine Haftung für Verluste oder Schäden, die durch die Lieferung bzw. die Erbringung der Vertragswaren oder -dienstleistungen verursacht wurden, es sei denn, es liegt ein Verschulden des Handelsvertreters vor.

f)

Der Handelsvertreter ist weder unmittelbar noch mittelbar verpflichtet, in verkaufsfördernde Maßnahmen zu investieren und sich z. B. an den Werbeaufwendungen des Auftraggebers oder an Werbe- oder Verkaufsförderungsmaßnahmen, die sich speziell auf die Vertragswaren oder -dienstleistungen beziehen, zu beteiligen, es sei denn, diese Kosten werden vom Auftraggeber vollständig erstattet.

g)

Der Handelsvertreter tätigt keine marktspezifischen Investitionen in Ausrüstungen, Räumlichkeiten, Mitarbeiterschulungen oder Werbung, beispielsweise in einen Kraftstofftank beim Kraftstoffeinzelhandel, spezielle Software für den Verkauf von Policen bei Versicherungsvermittlern oder Werbung für Strecken oder Zielorte bei Reisebüros, die Flüge oder Hotelunterkünfte verkaufen, es sei denn, diese Kosten werden vom Auftraggeber vollständig erstattet.

h)

Der Handelsvertreter nimmt keine anderen Tätigkeiten auf Verlangen des Auftraggebers im Rahmen des Handelsvertretervertrags auf demselben sachlich relevanten Markt wahr (z. B. die Lieferung der Waren), es sei denn, diese Kosten werden vom Auftraggeber vollständig erstattet.

(34)

Die Aufstellung in Randnummer (33) ist zwar nicht erschöpfend, aber immer dann, wenn dem Handelsvertreter eines oder mehrere der in den Randnummern (31) bis (33) dieser Leitlinien genannten Risiken bzw. Kosten entstehen, wird die Vereinbarung zwischen dem Handelsvertreter und dem Auftraggeber nicht als Handelsvertretervertrag eingestuft, der nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt (41). Die Frage des Risikos muss im Einzelfall beantwortet werden, wobei vorzugsweise auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten und weniger auf die rechtliche Ausgestaltung der Vereinbarung abzustellen ist. Aus praktischen Erwägungen sollten bei der Beurteilung der Risiken zuerst die vertragsspezifischen Risiken geprüft werden. Hat der Vertreter vertragsspezifische Risiken zu tragen, die nicht unerheblich sind, so lässt sich daraus schließen, dass er ein unabhängiger Händler ist. Gehen die vertragsspezifischen Risiken nicht zulasten des Handelsvertreters, so ist zu prüfen, wer die Risiken trägt, die mit marktspezifischen Investitionen verbunden sind. Sofern der Handelsvertreter weder vertragsspezifische Risiken noch mit marktspezifischen Investitionen verbundene Risiken zu tragen hat, sind die Risiken in Verbindung mit anderen auf demselben sachlich relevanten Markt erforderlichen Tätigkeiten im Rahmen des Handelsvertreterverhältnisses zu prüfen.

(35)

Ein Auftraggeber kann verschiedene Methoden anwenden, um die relevanten Risiken abzudecken, solange diese Methoden sicherstellen, dass der Handelsvertreter keine erheblichen Risiken der unter den Randnummern (31) bis (33) genannten Art trägt. Der Auftraggeber kann zum Beispiel die genauen Kosten, die entstanden sind, übernehmen, die Kosten über einen Pauschalbetrag decken oder dem Handelsvertreter einen festen Prozentsatz der Erlöse zahlen, die mit dem Verkauf der Waren oder Dienstleistungen im Rahmen des Handelsvertretervertrags erzielt wurden. Um sicherzustellen, dass alle relevanten Risiken und Kosten gedeckt sind, sollte die vom Auftraggeber angewendete Methode dem Handelsvertreter die einfache Unterscheidung zwischen dem Betrag bzw. den Beträgen, mit denen die relevanten Risiken und Kosten gedeckt werden sollen, und anderen Beträgen, die dem Handelsvertreter gezahlt werden und beispielsweise als Vergütung des Handelsvertreters für die Bereitstellung seiner Dienstleistungen gedacht sind, ermöglichen. Andernfalls kann der Handelsvertreter möglicherweise nicht überprüfen, ob die vom Auftraggeber gewählte Methode seine Kosten deckt. Möglicherweise kann es auch erforderlich sein, ein einfaches Verfahren vorzusehen, nach dem der Handelsvertreter Kosten, die über den vereinbarten Pauschalbetrag oder festen Prozentsatz hinausgehen, melden und ihre Erstattung beantragen kann. Auch kann es erforderlich sein, dass der Auftraggeber systematisch alle Änderungen der relevanten Kosten überwacht und den Pauschalbetrag bzw. den festen Prozentsatz entsprechend anpasst. Wenn die relevanten Kosten über einen Prozentsatz des Preises der auf Grundlage des Handelsvertretervertrags verkauften Produkte erstattet werden, hat der Auftraggeber auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass dem Handelsvertreter selbst dann relevante marktspezifische Kosten für Investitionen entstehen können, wenn er für einen bestimmten Zeitraum nur geringe oder keine Verkäufe erzielt. Diese Kosten sind vom Auftraggeber zu erstatten.

(36)

Ein unabhängiger Händler für einige Waren oder Dienstleistungen eines Anbieters kann auch als Handelsvertreter für andere Waren oder Dienstleistungen desselben Anbieters auftreten, sofern die unter den Handelsvertretervertrag fallenden Tätigkeiten und Risiken klar abgegrenzt werden können (zum Beispiel, weil sie Waren oder Dienstleistungen mit zusätzlichen Funktionen oder neuen Merkmalen betreffen). Damit eine Vereinbarung als nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallender Handelsvertretervertrag eingestuft werden kann, muss der unabhängige Händler eine echte Entscheidungsmöglichkeit haben, ob er den Handelsvertretervertrag abschließt (zum Beispiel darf das Handelsvertreterverhältnis dem Händler nicht de facto aufgezwungen werden, indem der Auftraggeber droht, die Vertriebsbeziehung zu beenden oder schlechtere Bedingungen einzuführen). Ebenso darf der Auftraggeber dem Handelsvertreter weder unmittelbar noch mittelbar eine Tätigkeit als unabhängiger Händler aufzwingen, sofern der Auftraggeber eine solche Tätigkeit nicht in vollem Umfang vergütet, wie in Randnummer (33) Buchstabe h dargelegt. Darüber hinaus müssen alle relevanten Risiken im Zusammenhang mit den im Rahmen des Vertreterverhältnisses verkauften Waren oder Dienstleistungen, einschließlich marktspezifischer Investitionen, wie unter den Randnummern (31) bis (33) ausgeführt, vom Auftraggeber übernommen werden.

(37)

Nimmt ein Handelsvertreter für denselben Anbieter andere, von dem betreffenden Anbieter nicht verlangte Tätigkeiten auf eigenes Risiko wahr, werden dessen Verkaufsanreize und Entscheidungsfreiheit beim Verkauf von Produkten als unabhängiger Händler möglicherweise durch die Verpflichtungen, die dem Handelsvertreter im Zusammenhang mit seiner Vertretungstätigkeit auferlegt wurden, beeinflusst bzw. eingeschränkt. Insbesondere besteht die Möglichkeit, dass die Preisgestaltung des Auftraggebers für die im Rahmen des Handelsvertretervertrags verkauften Produkte Einfluss haben wird auf die Anreize des Handelsvertreters/Händlers, die Preise für die Produkte, die er als unabhängiger Händler verkauft, unabhängig davon festzulegen. Darüber hinaus wird es bei einer Kombination aus Handelsvertretung und unabhängigem Vertrieb für denselben Anbieter schwierig, zwischen Investitionen und Kosten, die sich auf die Vertretungsfunktion beziehen, einschließlich marktspezifischer Investitionen, und solchen, die sich ausschließlich auf die unabhängige Tätigkeit beziehen, zu unterscheiden. In solchen Fällen kann daher die Beurteilung, ob ein Vertretungsverhältnis die unter den Randnummern (30) bis (33) genannten Bedingungen erfüllt, besonders komplex sein (42).

(38)

Die unter Randnummer (37) beschriebenen Schwierigkeiten werden eher auftreten, wenn der Handelsvertreter für denselben Auftraggeber auf demselben relevanten Markt weitere Tätigkeiten als unabhängiger Händler wahrnimmt. Umgekehrt ist mit dem Auftreten dieser Schwierigkeiten weniger zu rechnen, wenn sich die weiteren Tätigkeiten, die der Handelsvertreter als unabhängiger Händler ausübt, auf einen anderen relevanten Markt beziehen (43). Je weniger austauschbar die im Rahmen des Handelsvertretervertrags verkauften Produkte und die vom Handelsvertreter eigenständig verkauften Produkte sind, desto geringer ist im Allgemeinen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten solcher Schwierigkeiten. Sind die objektiven Unterschiede zwischen den Merkmalen der Produkte (beispielsweise höhere Qualität, neuartige Merkmale oder zusätzliche Funktionen) unbedeutend, könnte die Abgrenzung den beiden Tätigkeiten des Handelsvertreters schwieriger sein und ein erhebliches Risiko bestehen, dass der Handelsvertreter bei den Produkten, die er unabhängig vertreibt, durch die Bedingungen des Handelsvertretervertrags, insbesondere hinsichtlich der Preisgestaltung, beeinflusst wird.

(39)

Um die marktspezifischen Investitionen zu ermitteln, die vom Auftraggeber im Fall des Abschlusses eines Handelsvertretervertrags mit einem seiner unabhängigen Händler, der bereits am relevanten Markt tätig ist, zu erstatten sind, muss der Auftraggeber die hypothetische Situation eines Handelsvertreters zugrunde legen, der noch nicht am relevanten Markt tätig ist, um zu beurteilen, welche Investitionen für die Art der vom Handelsvertreter auszuführenden Tätigkeit von Belang sind. Der Auftraggeber müsste marktspezifische Investitionen tragen, die erforderlich sind, um auf dem relevanten Markt tätig zu werden; dies schließt Investitionen ein, die auch differenzierte Produkte betreffen, die außerhalb des Anwendungsbereichs des Handelsvertretervertrags vertrieben werden, aber nicht ausschließlich mit dem Verkauf solcher differenzierter Produkte zusammenhängen. Der Auftraggeber müsste marktspezifische Investitionen auf dem relevanten Markt nur dann nicht übernehmen, wenn sich diese Investitionen ausschließlich auf den Verkauf von differenzierten Produkten beziehen, die nicht auf der Grundlage des Handelsvertretervertrags verkauft, sondern unabhängig vertrieben werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Handelsvertreter für eine Tätigkeit auf dem Markt alle marktspezifischen Kosten zu tragen hätte, dass ihm aber die ausschließlich mit dem Verkauf der differenzierten Produkte verbundenen marktspezifischen Kosten dann nicht entstehen würden, wenn er nicht auch als unabhängiger Händler für die betreffenden Produkte tätig wäre (sofern er am relevanten Markt tätig sein kann, ohne die in Rede stehenden differenzierten Produkte zu verkaufen). Soweit die relevanten Investitionen bereits abgeschrieben wurden (z. B. Investitionen in Ausrüstungsgegenstände, die speziell für die Tätigkeit benötigt werden), kann die Erstattung in einem angemessenen Verhältnis angepasst werden. Ebenso kann die Erstattung angepasst werden, wenn die von dem unabhängigen Händler getätigten marktspezifischen Investitionen erheblich höher sind als die marktspezifischen Investitionen, die ein Handelsvertreter aufgrund seiner Tätigkeit als unabhängiger Händler für die Aufnahme seiner Tätigkeit auf dem relevanten Markt tätigen muss.

(40)

Beispiel für die Kostenzuordnung für den Fall, dass ein Händler für denselben Anbieter auch als Handelsvertreter für bestimmte Produkte tätig ist.

Die Produkte A, B und C werden in der Regel von demselben Händler bzw. denselben Händlern verkauft. Die Produkte A und B gehören zu demselben sachlich und räumlich relevanten Markt, sind jedoch differenzierte Produkte und weisen objektiv unterschiedliche Merkmale auf. Produkt C gehört einem anderen sachlich relevanten Markt an.

Ein Anbieter, der seine Produkte in der Regel über unabhängige Händler vertreibt, möchte für den Vertrieb seines Produkts A, das sich durch eine neue Funktionalität auszeichnet, einen Handelsvertretervertrag nutzen. Er bietet seinen unabhängigen Händlern (für Produkt B), die bereits in demselben sachlich und räumlich relevanten Markt tätig sind, diesen Handelsvertretervertrag an, ohne von ihnen rechtlich oder faktisch den Abschluss dieses Vertrags zu verlangen.

Damit der Handelsvertretervertrag nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt und die Voraussetzungen unter den Randnummern (30) bis (33) erfüllt, muss der Auftraggeber alle für die Tätigkeit des Verkaufs sowohl des Produkts A als auch des Produkts B (und nicht nur des Produkts A) relevanten Investitionen übernehmen, da diese zu demselben sachlich und räumlich relevanten Markt gehören. Zum Beispiel gelten die Kosten für die Anpassung oder Möblierung eines Ladengeschäfts, in dem die Produkte A und B ausgestellt und verkauft werden, wahrscheinlich als marktspezifisch. Ebenso sind wahrscheinlich auch die Kosten für die Schulung des Personals für den Verkauf der Produkte A und B und die Kosten im Zusammenhang mit spezifischen Lagereinrichtungen, die möglicherweise für die Produkte A und B benötigt werden, marktspezifisch. Diese relevanten Investitionen, die normalerweise für den Markteinstieg eines Handelsvertreters und den Verkaufsstart der Produkte A und B erforderlich sind, sollten vom Auftraggeber in der Regel auch dann übernommen werden, wenn der betreffende Handelsvertreter an dem relevanten Markt bereits als unabhängiger Händler etabliert ist.

Die Investitionen im Zusammenhang mit dem Verkauf des Produkts C, das nicht zum gleichen sachlich relevanten Markt wie die Produkte A und B gehört, müssten dagegen nicht vom Auftraggeber übernommen werden. Sind für den Verkauf des Produkts B besondere Investitionen erforderlich, die für den Verkauf des Produkts A nicht benötigt werden, beispielsweise eine spezielle Ausrüstung oder Mitarbeiterschulungen, so sind diese nicht relevant und müssten daher nicht vom Auftraggeber übernommen werden, sofern ein Händler auf dem relevanten, die Produkte A und B umfassenden Markt tätig sein kann, wenn er nur Produkt A verkauft.

Was Werbung betrifft, würden im Gegensatz zu Investitionen für speziell auf Produkt A ausgerichtete Werbung Investitionen in Werbung für das Ladengeschäft des Handelsvertreters an sich sowohl dem Ladengeschäft des Handelsvertreters im Allgemeinen als auch dem Verkauf der Produkte A, B und C zugutekommen, während nur Produkt A auf der Grundlage des Handelsvertretervertrags verkauft wird. Diese Kosten wären daher nur teilweise für die Beurteilung des Handelsvertretervertrags relevant, nämlich nur insoweit, als sie sich auf den Verkauf des Produkts A beziehen, das auf der Grundlage des Handelsvertretervertrags verkauft wird. Die Kosten einer Werbekampagne, die sich ausschließlich auf die Produkte B oder C bezieht, wären dagegen nicht relevant und müssten folglich nicht vom Auftraggeber übernommen werden, sofern ein Händler auf dem relevanten Markt tätig sein kann, wenn er nur Produkt A verkauft.

Dieselben Grundsätze gelten auch für Investitionen in eine Website oder einen Online-Shop, denn ein Teil dieser Investitionen wäre nicht relevant, da er auch unabhängig von den im Rahmen des Handelsvertretervertrags verkauften Produkten getätigt worden wäre. Der Auftraggeber müsste daher allgemeine Investitionen in das Design einer Website nicht erstatten, soweit die Website als solche auch für den Verkauf anderer Produkte als derjenigen, die zum sachlich relevanten Markt gehören (d. h. Produkt C bzw. generell andere Produkte als die Produkte A und B), genutzt werden kann. Investitionen im Zusammenhang mit Verkaufs- oder Werbetätigkeiten für die Produkte auf dem sachlich relevanten Markt, d. h. sowohl Produkt A als auch Produkt B, auf der Website wären dagegen relevant. Je nach dem Umfang der Investitionen, die für Werbung und Verkauf der Produkte A und B auf der Website erforderlich sind, würde der Auftraggeber daher einen Teil der Kosten für die Einrichtung der Website bzw. den Betrieb des Online-Shops übernehmen müssen. Investitionen, die sich speziell auf die Werbung für oder den Verkauf von Produkt B beziehen, müssten nicht übernommen werden, sofern ein Händler auf dem relevanten Markt tätig sein kann, wenn er nur Produkt A verkauft.

3.2.2.   Anwendung des Artikels 101 Absatz 1 AEUV auf Handelsvertreterverträge

(41)

Erfüllt eine Vereinbarung die Voraussetzungen für die Einstufung als Handelsvertretervertrag, der nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt, sind die Ankaufs- und die Verkaufsfunktionen des Vertreters Teil der Tätigkeiten des Auftraggebers. Da der Auftraggeber die geschäftlichen und finanziellen Risiken trägt, die mit dem Verkauf und Ankauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen verbunden sind, fallen sämtliche dem Handelsvertreter auferlegten Verpflichtungen bezüglich der im Namen des Auftraggebers geschlossenen und/oder ausgehandelten Verträge nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV. Die Übernahme der in dieser Randnummer aufgeführten Verpflichtungen durch den Handelsvertreter wird als untrennbarer Bestandteil eines Handelsvertretervertrags angesehen, da diese Verpflichtungen die Befugnis des Auftraggebers betreffen, den Umfang der Tätigkeiten des Vertreters in Bezug auf die Vertragswaren oder -dienstleistungen festzulegen. Dies ist entscheidend, wenn der Auftraggeber die Risiken in Verbindung mit den vom Handelsvertreter im Namen des Auftraggebers geschlossenen und/oder ausgehandelten Verträgen übernehmen soll. Der Auftraggeber ist somit in der Lage, die Geschäftsstrategie in folgenden Bereichen festzulegen:

a)

Beschränkungen hinsichtlich des Gebiets, in dem der Vertreter die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen darf,

b)

Beschränkungen hinsichtlich der Kunden, an die der Vertreter die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen darf,

c)

die Preise und die Bedingungen, zu denen der Vertreter die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen oder beziehen muss.

(42)

Trägt der Handelsvertreter hingegen eines oder mehrere der unter den Randnummern (31) bis (33) dieser Leitlinien beschriebenen relevanten Risiken, stellt die Vereinbarung zwischen dem Handelsvertreter und dem Auftraggeber keinen Handelsvertretervertrag dar, der nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt. In einer solchen Situation wird der Handelsvertreter als unabhängiges Unternehmen behandelt und die Vereinbarung zwischen ihm und dem Auftraggeber fällt wie jede andere vertikale Vereinbarung ebenfalls unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV. Aus diesem Grund stellt Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe k der Verordnung (EU) 2022/720 klar, dass ein Unternehmen, das auf der Grundlage einer unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallenden Vereinbarung Waren oder Dienstleistungen für Rechnung eines anderen Unternehmens verkauft, Abnehmer ist.

(43)

Selbst wenn der Handelsvertreter keine bedeutenden Risiken der unter den Randnummern (31) bis (33) beschriebenen Art trägt, bleibt er ein vom Auftraggeber getrenntes Unternehmen, und die Klauseln, die das Verhältnis zwischen dem Handelsvertreter und dem Auftraggeber regeln, können unabhängig davon, ob sie Bestandteil der Vereinbarung über den Verkauf oder Ankauf von Waren oder Dienstleistungen sind oder eine getrennte Vereinbarung bilden, unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen. Für solche Klauseln kann die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 vorgesehene Freistellung gelten, sofern die Voraussetzungen der Verordnung erfüllt sind. Außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) 2022/720 erfordern solche Klauseln eine Einzelprüfung nach Artikel 101 AEUV, wie sie in Abschnitt 8.1 beschrieben wird; sie dient insbesondere zur Feststellung, ob die betreffenden Klauseln wettbewerbsbeschränkende Wirkungen im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV hervorrufen, und wenn ja, ob sie die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen. Dies gilt zum Beispiel, wenn Handelsvertreterverträge Klauseln enthalten, die den Auftraggeber daran hindern, andere Vertreter für eine bestimmte Art von Geschäft, Kunden oder Gebiet zu ernennen (Alleinvertreterklauseln), oder Klauseln, die den Handelsvertreter daran hindern, als Vertreter oder Händler für Unternehmen tätig zu werden, die mit dem Auftraggeber im Wettbewerb stehen (Markenzwangklauseln). Alleinvertreterklauseln dürften in der Regel keine wettbewerbsschädigenden Auswirkungen entfalten. Markenzwangklauseln und Wettbewerbsverbote für die Zeit nach Vertragsablauf, hingegen betreffen den Wettbewerb zwischen verschiedenen Marken und können den Wettbewerb im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV beschränken, wenn sie allein oder kumulativ zur Abschottung des relevanten Marktes beitragen, auf dem die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkauft oder bezogen werden (siehe insbesondere die Abschnitte 6.2.2 und 8.2.1).

(44)

Ein Handelsvertretervertrag kann aber auch in Fällen, in denen der Auftraggeber alle relevanten finanziellen und wirtschaftlichen Risiken übernimmt, unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen, wenn er kollusive Verhaltensweisen fördert. Dies dürfte u. a. dann der Fall sein, wenn mehrere Auftraggeber die Dienste derselben Handelsvertreter in Anspruch nehmen und gemeinsam andere davon abhalten, diese Handelsvertreter ebenfalls in Anspruch zu nehmen, oder wenn sie die Handelsvertreter zur Kollusion bei der Marketingstrategie oder zum Austausch vertraulicher Marktdaten untereinander benutzen.

(45)

Im Falle eines unabhängigen Händlers, der auch als Handelsvertreter für bestimmte Waren oder Dienstleistungen desselben Anbieters tätig ist, muss streng geprüft werden, ob die unter den Randnummern (36) bis (39) genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist notwendig, um einen Missbrauch des Handelsvertreterkonzepts in Szenarien auszuschließen, in denen der Anbieter nicht mittels des Handelsvertretervertrags auf der Einzelhandelsstufe aktiv wird und alle diesbezüglichen geschäftlichen Entscheidungen trifft und alle damit verbundenen Risiken gemäß den unter den Randnummern (30) bis (33) ausgeführten Grundsätzen übernimmt, sondern vielmehr das Handelsvertreterkonzept als Mittel zum Zweck wählt, um die Einzelhandelspreise für Produkte, die hohe Weiterverkaufsmargen ermöglichen, zu kontrollieren. Da Preisbindungen der zweiten Hand, wie in Abschnitt 6.1.1 erläutert, nach Artikel 4 der Verordnung (EU) 2022/720 eine Kernbeschränkung und nach Artikel 101 Absatz 1 AEUV eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen, darf das Vertretungsverhältnis von Anbietern nicht dazu missbraucht werden, die Anwendung des Artikels 101 Absatz 1 AEUV zu umgehen.

3.2.3.   Handelsvertretung und Online-Plattformwirtschaft

(46)

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die in der Online-Plattformwirtschaft tätig sind, erfüllen in der Regel nicht die Voraussetzungen für eine Einstufung als Handelsvertreterverträge, die nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen. Solche Unternehmen handeln im Allgemeinen als unabhängige Wirtschaftsteilnehmer und nicht als Teil der Unternehmen, für die sie Dienstleistungen erbringen. Unternehmen, die in der Online-Plattformwirtschaft tätig sind, bedienen oft eine sehr große Zahl von Verkäufern, was sie daran hindert, tatsächlich Teil eines Unternehmens der Verkäufer zu werden. Darüber hinaus können starke Netzwerkeffekte und andere Merkmale der Online-Plattformwirtschaft zu deutlichen Ungleichgewichten bei der Größe und der Verhandlungsmacht der Vertragsparteien führen. Dies kann zu einer Situation führen, in der die Bedingungen, zu denen die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkauft werden, sowie die Geschäftsstrategie von dem in der Online-Plattformwirtschaft tätigen Unternehmen bestimmt werden und nicht von den Verkäufern der Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus leisten in der Online-Plattformwirtschaft tätige Unternehmen in der Regel bedeutende marktspezifische Investitionen, zum Beispiel in Software, Werbung und Kundendienst, woraus sich schließen lässt, dass diese Unternehmen in Verbindung mit den Transaktionen, die sie vermitteln, erhebliche finanzielle oder wirtschaftliche Risiken tragen.

3.3.   Zuliefervereinbarungen

(47)

Zulieferverträge werden in der Bekanntmachung über Zulieferverträge (44) als Verträge definiert, durch die ein Unternehmen, der „Auftraggeber“, – gegebenenfalls nach Eingang einer Bestellung von dritter Seite – ein anderes Unternehmen, den „Zulieferer“, beauftragt, nach seinen Weisungen Erzeugnisse herzustellen, Dienstleistungen zu erbringen oder Arbeiten zu verrichten, die für den Auftraggeber bestimmt sind oder für seine Rechnung ausgeführt werden. Zulieferverträge fallen grundsätzlich nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV. Die Bekanntmachung über Zulieferverträge enthält weitere Erläuterungen zur Anwendung dieser allgemeinen Regel. Insbesondere fallen der Bekanntmachung über Zulieferverträge zufolge Klauseln, mit denen die Verwendung von Technologien oder Ausrüstung beschränkt wird, die der Auftraggeber einem Zulieferer zur Verfügung stellt, unter der Voraussetzung nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV, dass die Technologie oder Ausrüstung für den Zulieferer unerlässlich ist, um die betroffenen Produkte herstellen zu können (45). In der Bekanntmachung über Zulieferverträge wird ferner der Anwendungsbereich dieser allgemeinen Regel klargestellt, insbesondere, dass andere dem Zulieferer auferlegte Beschränkungen, wie der Verzicht auf eigene Forschung und Entwicklung oder die Nutzung ihrer Ergebnisse oder die Verpflichtung, grundsätzlich nicht für Dritte zu produzieren, unter Artikel 101 AEUV fallen können (46).

4.   ANWENDUNGSBEREICH DER VERORDNUNG (EU) 2022/720

4.1.   Durch die Verordnung (EU) 2022/720 geschaffener Safe Harbour

(48)

Mit der Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 wird ein Safe Harbour für vertikale Vereinbarungen im Sinne der Verordnung geschaffen, sofern die Anteile des Anbieters und des Abnehmers an den relevanten Märkten die in Artikel 3 der Verordnung festgelegten Schwellen nicht überschreiten (siehe Abschnitt 5.2) und sofern die Vereinbarung keine der Kernbeschränkungen des Artikels 4 der Verordnung enthält (siehe Abschnitt 6.1) (47) . Der Safe Harbour gilt, solange der Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung nicht im Einzelfall durch die Kommission oder eine zuständige nationale Behörde nach Artikel 29 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 entzogen wurde (siehe Abschnitt 7.1). Die Tatsache, dass für eine vertikale Vereinbarung der Safe Harbour nicht gilt, bedeutet nicht, dass die betreffende Vereinbarung unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt oder dass sie die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV nicht erfüllt.

(49)

Nutzt ein Anbieter ein- und dieselbe vertikale Vereinbarung, um mehrere Arten von Waren oder Dienstleistungen zu vertreiben, kann die Anwendung der in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 aufgeführten Marktanteilsschwellen zur Folge haben, dass die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung für einige Waren und Dienstleistungen, nicht aber für andere, gilt. Hinsichtlich der Waren oder Dienstleistungen, für die Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung nicht gilt, ist eine Einzelprüfung nach Artikel 101 AEUV erforderlich.

4.2.   Definition vertikaler Vereinbarungen

(50)

Artikel 101 Absatz 1 AEUV bezieht sich auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen. Es erfolgt keine Unterscheidung dahingehend, ob diese Unternehmen auf derselben Stufe oder verschiedenen Stufen der Produktions- oder Vertriebskette tätig sind. Artikel 101 Absatz 1 AEUV gilt folglich sowohl für horizontale als auch für vertikale Vereinbarungen (48).

(51)

Gemäß der der Kommission durch Artikel 1 der Verordnung Nr. 19/65/EWG übertragenen Befugnis, durch Verordnung zu erklären, dass Artikel 101 Absatz 1 AEUV auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen zwischen Unternehmen nicht anwendbar ist, definiert Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 vertikale Vereinbarungen als „eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen zwei oder mehr Unternehmen, die für die Zwecke der Vereinbarung oder der abgestimmten Verhaltensweise jeweils auf einer anderen Stufe der Produktions- oder Vertriebskette tätig sind und die die Bedingungen betrifft, zu denen die beteiligten Unternehmen Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen“ (49).

4.2.1.   Einseitiges Verhalten fällt nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2022/720

(52)

Die Verordnung (EU) 2022/720 gilt nicht für einseitiges Verhalten von Unternehmen. Einseitiges Verhalten kann jedoch unter Artikel 102 AEUV fallen, in dem der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung untersagt wird (50).

(53)

Die Verordnung (EU) 2022/720 gilt für vertikale Vereinbarungen. Eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 101 AEUV liegt bereits dann vor, wenn die Beteiligten ihrer gemeinsamen Absicht Ausdruck verliehen haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (sogenannte Willensübereinstimmung). Hierbei ist die Form, in der dies zum Ausdruck gebracht wird, unerheblich, sofern sie den Willen der beteiligten Unternehmen getreu wiedergibt (51).

(54)

Gibt es keine explizite Vereinbarung über eine Willensübereinstimmung der Beteiligten, obliegt es der Partei oder Behörde, die eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 AEUV vorbringt, nachzuweisen, dass das einseitige Handeln eines Unternehmens mit Zustimmung der übrigen beteiligten Unternehmen erfolgte. Was vertikale Vereinbarungen betrifft, so kann die Zustimmung zu einem bestimmten einseitigen Handeln ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen:

a)

Die ausdrückliche Zustimmung lässt sich aus den Befugnissen ableiten, die den beteiligten Unternehmen im Rahmen einer vorab getroffenen generellen Vereinbarung übertragen werden. Wenn in den Bestimmungen einer solchen Vereinbarung vorgesehen ist oder einem beteiligten Unternehmen die Befugnis eingeräumt wird, nachfolgend ein bestimmtes einseitiges Verhalten zu verfolgen, das für ein anderes beteiligtes Unternehmen bindend ist, so kann hieraus die Zustimmung dieses Unternehmens zu dem Verhalten abgeleitet werden (52).

b)

Für eine stillschweigende Zustimmung ist darzulegen, dass ein beteiligtes Unternehmen die Mitwirkung des anderen Unternehmens bei der Verwirklichung seines einseitigen Handelns ausdrücklich oder stillschweigend verlangt und dass das andere beteiligte Unternehmen dieser Forderung nachgekommen ist, indem es dieses einseitige Verhalten in die Praxis umgesetzt hat (53). Beispielsweise ist von einer stillschweigenden Zustimmung zum einseitigen Handeln eines Anbieters auszugehen, wenn dieser einseitig eine Lieferverringerung ankündigt, um parallelen Handel auszuschließen, und die Händler ihre Aufträge unverzüglich verringern und sich aus dem parallelen Handel zurückziehen. Ein solcher Schluss kann allerdings nicht gezogen werden, wenn die Händler weiterhin parallelen Handel betreiben oder nach neuen Möglichkeiten für parallelen Handel suchen.

(55)

Vor diesem Hintergrund stellt die Auferlegung allgemeiner Geschäftsbedingungen durch ein beteiligtes Unternehmen eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV dar, wenn diese allgemeinen Geschäftsbedingungen von dem anderen beteiligten Unternehmen stillschweigend akzeptiert worden sind (54).

4.2.2.   Die Unternehmen sind auf verschiedenen Stufen der Produktions- oder Vertriebskette tätig

(56)

Die Verordnung (EU) 2022/720 gilt für Vereinbarungen zwischen zwei oder mehr Unternehmen unabhängig von deren Geschäftsmodell. Die Verordnung gilt nicht für Vereinbarungen mit natürlichen Personen, die zu Zwecken handeln, die nicht ihrer geschäftlichen, gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, da solche Personen keine Unternehmen sind.

(57)

Damit eine Vereinbarung als vertikale Vereinbarung im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 bezeichnet werden kann, muss sie zwischen Unternehmen geschlossen werden, die für die Zwecke der Vereinbarung auf verschiedenen Stufen der Produktions- oder Vertriebskette tätig sind. Eine vertikale Vereinbarung liegt zum Beispiel vor, wenn ein Unternehmen einen Rohstoff erzeugt oder eine Dienstleistung erbringt und an ein anderes Unternehmen verkauft, das diesen Rohstoff bzw. diese Dienstleistung als Vorleistung verwendet, oder wenn ein Hersteller ein Produkt an einen Großhändler verkauft, der es an einen Einzelhändler weiterverkauft. Ebenso liegt eine vertikale Vereinbarung vor, wenn ein Unternehmen Waren oder Dienstleistungen an ein anderes Unternehmen verkauft, bei dem es sich um den Endverbraucher der Waren oder Dienstleistungen handelt.

(58)

Da sich die Definition in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 auf den Zweck der spezifischen Vereinbarung bezieht, schließt die Tatsache, dass eines der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen auf mehr als einer Stufe der Produktions- oder Vertriebskette tätig ist, die Anwendung der Verordnung (EU) 2022/720 nicht aus. Wird eine vertikale Vereinbarung jedoch zwischen Wettbewerbern geschlossen, so gilt die Verordnung (EU) 2022/720 nur dann, wenn die Voraussetzungen des Artikels 2 Absatz 4 der Verordnung erfüllt sind (siehe die Abschnitte 4.4.3. und 4.4.4.).

4.2.3.   Die Vereinbarung bezieht sich auf den Bezug, Verkauf oder Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen

(59)

Damit eine Vereinbarung als vertikale Vereinbarung im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 bezeichnet werden kann, muss sie sich auf die Bedingungen beziehen, zu denen die beteiligten Unternehmen „bestimmte Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen“. Gemäß dem Zweck der Gruppenfreistellungsverordnungen, nämlich für Rechtssicherheit zu sorgen, ist Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 weit auszulegen, d. h. als auf alle vertikalen Vereinbarungen anwendbar, unabhängig davon, ob sie Zwischenprodukte oder Endprodukte oder Dienstleistungen betreffen. Hinsichtlich der Anwendung der Verordnung auf eine bestimmte Vereinbarung werden sowohl die vom Anbieter bereitgestellten Waren oder Dienstleistungen als auch im Fall von Zwischenprodukten (Waren oder Dienstleistungen) die daraus resultierenden Endprodukte als Vertragswaren oder -dienstleistungen angesehen.

(60)

Vertikale Vereinbarungen in der Online-Plattformwirtschaft, darunter Vereinbarungen, die mit Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2022/720 geschlossen werden, fallen unter Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720. Bei vertikalen Vereinbarungen in Bezug auf die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten gelten sowohl die Online-Vermittlungsdienste als auch die Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand der dadurch vermittelten Transaktionen sind, für die Zwecke der Anwendung der Verordnung (EU) 2022/720 auf die Vereinbarung als Vertragswaren oder -dienstleistungen.

(61)

Die Verordnung (EU) 2022/720 gilt nicht für vertikale Beschränkungen, die sich nicht auf die Bedingungen beziehen, zu denen Waren oder Dienstleistungen bezogen, verkauft oder weiterverkauft werden dürfen. Solche Beschränkungen sind daher einer Einzelfallprüfung zu unterziehen, um festzustellen, ob sie unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen, und wenn ja, ob sie die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen. Zum Beispiel ist die Verordnung (EU) 2022/720 nicht auf eine Verpflichtung anwendbar, die das Recht der beteiligten Unternehmen einschränkt, eigenständige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durchzuführen, auch wenn sie dies gegebenenfalls in ihre vertikale Vereinbarung aufgenommen haben. Ein weiteres Beispiel sind Miet- und Pachtverträge. Obschon die Verordnung (EU) 2022/720 für Vereinbarungen über den Verkauf und Bezug von Waren zum Zweck der Vermietung an Dritte gilt, fallen Miet- und Pachtverträge als solche nicht unter die Verordnung, weil in ihrem Fall kein Verkauf oder Bezug von Waren stattfindet.

4.3.   Vertikale Vereinbarungen in der Online-Plattformwirtschaft

(62)

In der Online-Plattformwirtschaft tätige Unternehmen spielen eine immer wichtigere Rolle im Vertrieb von Waren und Dienstleistungen. Sie ermöglichen neue Geschäftsmodelle, deren Zuordnung anhand der herkömmlich auf vertikale Vereinbarungen im stationären Handel angewandten Konzepte mitunter nicht einfach ist.

(63)

In der Online-Plattformwirtschaft tätige Unternehmen werden im Vertrags- oder Handelsrecht häufig als Handelsvertreter eingestuft. Diese Einstufung ist jedoch für die Einordnung ihrer Vereinbarungen unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV nicht von Bedeutung (55). Vertikale Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die in der Online-Plattformwirtschaft tätig sind, werden nur dann als nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallende Handelsvertreterverträge eingestuft, wenn sie die in Abschnitt 3.2 aufgeführten Voraussetzungen erfüllen. Aufgrund der in Abschnitt 3.2.3 genannten Faktoren werden Vereinbarungen, die von in der Online-Plattformwirtschaft tätigen Unternehmen, geschlossen werden, diese Voraussetzungen in der Regel nicht erfüllen.

(64)

Erfüllt eine vertikale Vereinbarung eines in der Online-Plattformwirtschaft tätigen Unternehmens nicht die Voraussetzungen für eine Einstufung als Handelsvertretervertrag, der nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt, so ist zu prüfen, ob sich die Vereinbarung auf die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten bezieht. In Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2022/720 werden Online-Vermittlungsdienste als Dienste der Informationsgesellschaft (56) definiert, die es Unternehmen ermöglichen, anderen Unternehmen oder Endverbrauchern Waren oder Dienstleistungen anzubieten, indem sie die Einleitung direkter Transaktionen zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und Endverbrauchern vermitteln, und zwar unabhängig davon, ob bzw. wo die Transaktionen letztlich abgeschlossen werden (57). Beispiele für Online-Vermittlungsdienste sind Online-Marktplätze, Stores für Software-Anwendungen, Preisvergleichsinstrumente und Social-Media-Dienste, die von Unternehmen genutzt werden.

(65)

Um als Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten zu gelten, muss ein Unternehmen die Einleitung direkter Transaktionen zwischen zwei anderen beteiligten Unternehmen vermitteln. Grundsätzlich müssen die von einem Unternehmen wahrgenommenen Funktionen für jede von dem betreffenden Unternehmen geschlossene vertikale Vereinbarung einzeln geprüft werden, da in der Online-Plattformwirtschaft tätige Unternehmen häufig in unterschiedlichen Branchen oder sogar innerhalb einer Branche unterschiedliche Geschäftsmodelle einsetzen. So können solche Unternehmen nicht nur Online-Vermittlungsdienste anbieten, sondern darüber hinaus auch Waren oder Dienstleistungen beziehen und weiterverkaufen, wobei sie in einigen Fällen beide Funktionen gegenüber einer einzigen Gegenpartei wahrnehmen.

(66)

Der Umstand, dass ein Unternehmen Zahlungen für von ihm vermittelte Transaktionen einzieht oder zusätzlich zu seinen Vermittlungsdiensten Nebenleistungen wie Werbedienstleistungen, Rating-Dienstleistungen, Versicherungen oder Garantien für Schadensfälle anbietet, schließt nicht aus, dass das Unternehmen als Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten eingestuft wird (58).

(67)

Für die Anwendung der Verordnung (EU) 2022/720 werden an vertikalen Vereinbarungen beteiligte Unternehmen entweder als Anbieter oder als Abnehmer eingestuft. Nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung wird ein Unternehmen, das Online-Vermittlungsdienste im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung erbringt, im Hinblick auf diese Dienstleistungen als Anbieter eingestuft, und ein Unternehmen, das Waren oder Dienstleistungen unter Nutzung von Online-Vermittlungsdiensten anbietet oder verkauft, wird in Bezug auf diese Online-Vermittlungsdienste als Abnehmer eingestuft, unabhängig davon, ob es für die Nutzung der Online-Vermittlungsdienste etwas bezahlt (59). Für die Anwendung der Verordnung (EU) 2022/720 hat dies folgende Konsequenzen:

a)

Das Unternehmen, das die Online-Vermittlungsdienste erbringt, kann in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen, die von Dritten über die betreffenden Online-Vermittlungsdienste angeboten werden, nicht als Abnehmer im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe k der Verordnung eingestuft werden.

b)

Für die Anwendung der in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung festgelegten Marktanteilsschwellen wird der Marktanteil des Unternehmens, das die Online-Vermittlungsdienste erbringt, auf dem für die Erbringung dieser Dienste relevanten Markt berechnet. Der Umfang des relevanten Marktes hängt von den Umständen des jeweiligen Falles ab, insbesondere vom Grad der Substituierbarkeit zwischen Online- und Offline-Vermittlungsdiensten, zwischen Vermittlungsdiensten, die für verschiedene Kategorien von Waren oder Dienstleistungen genutzt werden, sowie zwischen Vermittlungsdiensten und direkten Vertriebskanälen.

c)

Beschränkungen, die das Unternehmen, das die Online-Vermittlungsdienste erbringt, den Abnehmern dieser Dienste hinsichtlich eines möglichen Verkaufs der vermittelten Waren oder Dienstleistungen in Bezug auf den Verkaufspreis, die Gebiete oder die Kunden auferlegt und die auch Beschränkungen in Bezug auf Online-Werbung oder Online-Verkauf einschließen, unterliegen den Bestimmungen des Artikels 4 der Verordnung (Kernbeschränkungen). Nach Artikel 4 Buchstabe a der Verordnung gilt beispielsweise die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung vorgesehene Freistellung nicht für Vereinbarungen, in denen der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten einen Fest- oder Mindestverkaufspreis für die von ihm vermittelte Transaktion vorschreibt.

d)

Nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung gilt die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung vorgesehene Freistellung nicht für plattformübergreifende Einzelhandel-Paritätsverpflichtungen, die den Abnehmern dieser Dienste durch das die Online-Vermittlungsdienste erbringende Unternehmen auferlegt werden.

e)

Nach Artikel 2 Absatz 6 der Verordnung gilt die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung vorgesehene Freistellung nicht für Vereinbarungen in Bezug auf die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten, bei denen der Anbieter der Dienste ein Wettbewerber auf dem relevanten Markt für den Verkauf der vermittelten Waren oder Dienstleistungen ist (Hybridstellung). Wie in Abschnitt 4.4.4 dargelegt, müssen Vereinbarungen dieser Art im Hinblick auf mögliche Kollusionseffekte im Rahmen der Horizontalleitlinien und im Hinblick auf vertikale Beschränkungen im Rahmen von Abschnitt 8 dieser Leitlinien geprüft werden.

(68)

Unternehmen, die in der Online-Plattformwirtschaft tätig sind und keine Online-Vermittlungsdienste im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2022/720 erbringen, können für die Zwecke der Anwendung der Verordnung entweder als Anbieter oder als Abnehmer eingestuft werden. Diese Unternehmen können beispielsweise als Anbieter vorgelagerter Input-Dienstleistungen oder nachgelagert als (Wieder-)Verkäufer von Waren oder Dienstleistungen eingestuft werden. Diese Einstufung kann sich für die Zwecke der Anwendung der in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung festgelegten Marktanteilsschwellen, die Anwendbarkeit des Artikels 4 der Verordnung (Kernbeschränkungen) und die Anwendbarkeit des Artikels 5 der Verordnung (nicht freigestellte Beschränkungen) insbesondere auf die Definition des relevanten Marktes auswirken.

4.4.   Grenzen des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) 2022/720

4.4.1.   Vereinigungen von Einzelhändlern

(69)

Nach Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2022/720 können vertikale Vereinbarungen von Unternehmensvereinigungen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, in den Safe Harbour fallen, womit alle übrigen vertikalen Vereinbarungen von anderen Unternehmensvereinigungen von dem Safe Harbour ausgeschlossen sind. Genauer gesagt, fallen vertikale Vereinbarungen zwischen einer Unternehmensvereinigung und einzelnen Mitgliedern oder zwischen einer solchen Vereinigung und einzelnen Anbietern nur dann unter die Verordnung (EU) 2022/720, wenn alle Mitglieder der Vereinigung Einzelhändler sind, die Waren (nicht Dienstleistungen) an sonstige Endverbraucher verkaufen, und kein Mitglied mehr als 50 Mio. EUR Umsatz erzielt (60). Die kartellrechtliche Würdigung nach Artikel 101 AEUV wird jedoch in der Regel nicht anders ausfallen, wenn der Umsatz einer begrenzten Anzahl von Mitgliedern einer solchen Unternehmensvereinigung über der genannten Umsatzschwelle von 50 Mio. EUR liegt und wenn auf diese Mitglieder insgesamt weniger als 15 % des Gesamtumsatzes aller Mitglieder der Vereinigung entfällt.

(70)

Unternehmensvereinigungen können sowohl horizontale als auch vertikale Vereinbarungen schließen. Horizontale Vereinbarungen sind nach den Grundsätzen der Horizontalleitlinien zu prüfen. Ergibt diese Prüfung, dass eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen im Bereich des Einkaufs oder Verkaufs insbesondere aus dem Grund keinen Anlass zu Bedenken gibt, da sie die Voraussetzungen erfüllt, die in den genannten Leitlinien für Einkaufs- und/oder Vermarktungsvereinbarungen festgelegt sind, dann sind weiterhin die vertikalen Vereinbarungen zwischen der Vereinigung und einzelnen Anbietern oder einzelnen Mitgliedern zu untersuchen. Diese weitere Prüfung hat nach den Regeln der Verordnung (EU) 2022/720 zu erfolgen, insbesondere nach den Bedingungen, die in den Artikeln 3, 4 und 5 der genannten Verordnung und in diesen Leitlinien festgelegt sind. So sind horizontale Vereinbarungen, die zwischen den Mitgliedern einer Vereinigung geschlossen wurden, oder Entscheidungen der Vereinigung, wie z. B. jene, die Mitglieder zum Einkauf bei der Vereinigung verpflichten oder mit denen den Mitgliedern Gebiete mit Ausschließlichkeitsbindung zugewiesen werden, zunächst als horizontale Vereinbarungen zu würdigen. Nur wenn diese Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass eine horizontale Vereinbarung oder Entscheidung nicht wettbewerbswidrig ist, wird es notwendig, die vertikalen Vereinbarungen zwischen der Vereinigung und einzelnen Mitgliedern oder zwischen der Vereinigung und einzelnen Anbietern zu untersuchen.

4.4.2.   Vertikale Vereinbarungen mit Bestimmungen zu Rechten des geistigen Eigentums

(71)

Nach Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2022/720 kann für vertikale Vereinbarungen, die Bestimmungen bezüglich der Übertragung oder Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums enthalten, unter bestimmten Voraussetzungen die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung vorgesehene Freistellung gelten. Dementsprechend gilt die Verordnung (EU) 2022/720 nicht für andere vertikale Vereinbarungen, die Bestimmungen zu Rechten des geistigen Eigentums enthalten.

(72)

Die Verordnung (EU) 2022/720 gilt für vertikale Vereinbarungen mit Bestimmungen zu Rechten des geistigen Eigentums, wenn alle nachstehend genannten Bedingungen erfüllt sind:

a)

Die Bestimmungen zu Rechten des geistigen Eigentums müssen Bestandteil einer vertikalen Vereinbarung sein, also einer Vereinbarung, die die Voraussetzungen enthält, unter denen die Vertragsparteien bestimmte Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen.

b)

Die Rechte des geistigen Eigentums müssen dem Abnehmer übertragen werden oder es muss ihm eine Lizenz zu deren Nutzung erteilt werden.

c)

Die Bestimmungen zu Rechten des geistigen Eigentums dürfen nicht den Hauptgegenstand der Vereinbarung bilden.

d)

Die Bestimmungen zu Rechten des geistigen Eigentums müssen unmittelbar die Nutzung, den Verkauf oder den Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen durch den Abnehmer oder dessen Kunden betreffen. Bei Franchiseverträgen, bei denen der Zweck der Nutzung der Rechte des geistigen Eigentums in der Vermarktung liegt, werden die Waren oder Dienstleistungen vom Hauptfranchisenehmer bzw. von den Franchisenehmern angeboten.

e)

Die Bestimmungen zu Rechten des geistigen Eigentums dürfen im Verhältnis zu den Vertragswaren oder -dienstleistungen keine Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, die denselben Zweck wie vertikale Beschränkungen haben, die nicht durch die Verordnung (EU) 2022/720 freigestellt sind.

(73)

Durch solche Bedingungen ist sichergestellt, dass die Verordnung (EU) 2022/720 nur für vertikale Vereinbarungen gilt, mit denen sich die Nutzung, der Verkauf oder der Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen durch die Übertragung oder Lizenzierung von Rechten des geistigen Eigentums für den Abnehmer effizienter gestalten lässt. Beschränkungen hinsichtlich der Übertragung oder Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums können somit unter die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung vorgesehene Freistellung fallen, wenn die betreffende Vereinbarung den Bezug oder den Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen zum Hauptgegenstand hat.

(74)

Die erste, in Randnummer (72) Buchstabe a aufgeführte Voraussetzung stellt klar, dass die fraglichen Rechte des geistigen Eigentums im Rahmen einer Vereinbarung über den Bezug oder Vertrieb von Waren bzw. den Bezug oder die Erbringung von Dienstleistungen gewährt werden müssen, nicht jedoch im Rahmen einer Vereinbarung über die Übertragung oder Lizenzierung von Rechten des geistigen Eigentums für die Herstellung von Waren oder im Rahmen einer reinen Lizenzvereinbarung. Die Verordnung (EU) 2022/720 gilt beispielsweise nicht für:

a)

Vereinbarungen, in denen ein beteiligtes Unternehmen einem anderen ein Rezept überlässt und eine Lizenz für die Herstellung eines Getränks anhand dieses Rezepts erteilt,

b)

reine Lizenzverträge für die Nutzung einer Marke oder eines Zeichens zu Merchandising-Zwecken,

c)

Sponsorenverträge über das Recht, sich selbst als offiziellen Sponsor einer Veranstaltung zu nennen,

d)

Urheberrechtslizenzen im Rundfunkbereich im Zusammenhang mit dem Recht, Veranstaltungen aufzunehmen oder zu übertragen.

(75)

Aus der zweiten, in Randnummer (72) Buchstabe b dargelegten Voraussetzung folgt, dass die Verordnung (EU) 2022/720 nicht gilt, wenn der Abnehmer dem Anbieter die Rechte des geistigen Eigentums überlässt, und zwar unabhängig davon, ob die Rechte die Art der Herstellung oder des Vertriebs betreffen. Vereinbarungen über die Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums auf den Anbieter, die gegebenenfalls Einschränkungen im Hinblick auf den Absatz des Anbieters enthalten, fallen nicht unter die Verordnung (EU) 2022/720. Das bedeutet, dass die Vergabe von Unteraufträgen, die mit der Übertragung von Know-how an einen Unterauftragnehmer verbunden sind, nicht unter die Verordnung (EU) 2022/720 fallen (siehe auch Abschnitt 3.3). Dagegen fallen vertikale Vereinbarungen, bei denen der Abnehmer dem Anbieter lediglich Spezifikationen zur Verfügung stellt, mit denen die zu liefernden Waren oder Dienstleistungen beschrieben werden, unter die Verordnung (EU) 2022/720.

(76)

Die dritte, in Randnummer (72) Buchstabe c aufgeführte Voraussetzung schreibt vor, dass die Übertragung oder Lizenzierung von Rechten des geistigen Eigentums nicht Hauptgegenstand der Vereinbarung sein darf. Eigentlicher Gegenstand der Vereinbarung muss der Bezug, der Verkauf oder Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen sein, und etwaige Bestimmungen über Rechte des geistigen Eigentums dürfen lediglich der Durchführung der vertikalen Vereinbarung dienen.

(77)

Die in Randnummer (72) Buchstabe d aufgeführte vierte Voraussetzung erfordert, dass die Bestimmungen zu Rechten des geistigen Eigentums die Nutzung bzw. den Verkauf oder Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen für den Abnehmer oder dessen Kunden erleichtern. Die Waren oder Dienstleistungen für die Nutzung oder den Weiterverkauf werden üblicherweise vom Lizenzgeber geliefert, können aber auch vom Lizenznehmer bei einem dritten Anbieter gekauft werden. Die Bestimmungen zu Rechten des geistigen Eigentums betreffen im Allgemeinen die Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen. Das ist beispielsweise der Fall bei Franchisevereinbarungen, bei denen der Franchisegeber dem Franchisenehmer Waren zum Weiterverkauf verkauft und ihm für die Vermarktung der Waren eine Lizenz zur Nutzung seiner Marke und seines Know-hows erteilt. Dies trifft ebenfalls zu, wenn der Anbieter eines Konzentrats dem Abnehmer eine Lizenz zur Verdünnung des Konzentrats und zur Abfüllung der daraus hergestellten Flüssigkeit zum Verkauf als Getränk erteilt.

(78)

Die in Randnummer (72) Buchstabe e aufgeführte fünfte Voraussetzung erfordert, dass die Bestimmungen zu Rechten des geistigen Eigentums nicht denselben Zweck haben dürfen, wie die Kernbeschränkungen, die in Artikel 4 der Verordnung (EU) 2022/720 aufgeführt sind, bzw. wie die Beschränkungen, die nach Artikel 5 der Verordnung nicht freistellungsfähig sind (siehe Abschnitt 6).

(79)

Rechte des geistigen Eigentums, die für die Durchführung vertikaler Vereinbarungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2022/720 maßgeblich sind, betreffen hauptsächlich drei Bereiche: Marken, Urheberrechte und Know-how.

4.4.2.1.   Marken

(80)

Markenlizenzen werden Händlern u. a. für den Vertrieb von Produkten des Lizenzgebers in einem bestimmten Gebiet erteilt. Handelt es sich um eine ausschließliche Lizenz, so stellt der betreffende Vertrag eine Alleinvertriebsvereinbarung dar.

4.4.2.2.   Urheberrechte

(81)

Wiederverkäufer von Waren oder Dienstleistungen, für die ein Urheberrecht besteht (z. B. Bücher und Software), können vom Inhaber des Rechts dazu verpflichtet werden, nur unter der Voraussetzung weiterzuverkaufen, dass der Abnehmer – sei es ein anderer Wiederverkäufer oder der Endverbraucher – das Urheberrecht nicht verletzt. Soweit derartige Verpflichtungen für den Wiederverkäufer unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen, werden sie von der Verordnung (EU) 2022/720 erfasst.

(82)

Wie in Erwägungsgrund 62 der Leitlinien für Technologietransfers (61) erwähnt wird, fällt die Lizenzierung von Software-Urheberrechten für die reine Vervielfältigung und den reinen Vertrieb eines geschützten Werks nicht unter die Verordnung (EU) Nr. 316/2014 der Kommission (62); stattdessen gelten für sie die Verordnung (EU) 2022/720 und diese Leitlinien analog.

(83)

Des Weiteren sind Vereinbarungen über die Lieferung von Kopien einer Software auf einem physischen Träger zum Zweck des Weiterverkaufs, mit denen der Wiederverkäufer keine Lizenz für Rechte an der Software erwirbt, sondern lediglich das Recht, die Hartkopien weiterzuverkaufen, im Hinblick auf die Anwendung der Verordnung (EU) 2022/720 als Vereinbarungen über die Lieferung von Waren zum Weiterverkauf anzusehen. Bei dieser Art des Vertriebs wird die die Software betreffende Lizenzvereinbarung nur zwischen dem Inhaber der Urheberrechte und dem Nutzer der Software geschlossen. Dies kann in Form einer „Schutzhüllenlizenz“ (Shrink Wrap License) erfolgen, bei der davon ausgegangen wird, dass der Endverbraucher mit dem Öffnen der Verpackung eine Reihe von Bedingungen, die in der Verpackung eines physischen Datenträgers enthalten sind, automatisch akzeptiert.

(84)

Abnehmer von Hardware, die mit urheberrechtlich geschützter Software geliefert wird, können vom Urheberrechtsinhaber dazu verpflichtet werden, nicht gegen das Urheberrecht zu verstoßen, und daher die Software nicht zu kopieren oder weiterzuverkaufen oder in Verbindung mit einer anderen Hardware zu verwenden. Soweit derartige Nutzungsbeschränkungen unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen, werden sie von der Verordnung (EU) 2022/720 erfasst.

4.4.2.3.   Know-how

(85)

Ein Beispiel für die Weitergabe von Know-how an den Abnehmer zu Marketingzwecken sind – mit Ausnahme von Herstellungsfranchising – Franchisevereinbarungen (63). Sie enthalten Lizenzen zur Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums an Marken oder Zeichen und von Know-how zum Zwecke der Nutzung und des Vertriebs von Waren bzw. der Erbringung von Dienstleistungen. Neben der Lizenz für die Nutzung dieser Rechte des geistigen Eigentums gewährt der Franchisegeber dem Franchisenehmer in der Regel während der Laufzeit der Vereinbarung geschäftliche oder technische Unterstützung, z. B. in Form von Beschaffungsleistungen, Schulungsmaßnahmen, Immobilienberatung und Finanzplanung. Die Lizenz und die Unterstützung sind Bestandteile des Franchising-Geschäftskonzepts.

(86)

Lizenzbestimmungen in Franchisevereinbarungen fallen unter die Verordnung (EU) 2022/720, wenn alle fünf unter Randnummer (72) genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies trifft auf die meisten Franchisevereinbarungen (einschließlich Verträgen mit Hauptfranchisenehmern) zu, da der Franchisegeber dem Franchisenehmer Waren und/oder Dienstleistungen bereitstellt und insbesondere kommerzielle und technische Unterstützung gewährt. Die überlassenen Rechte des geistigen Eigentums helfen dem Franchisenehmer, die Produkte, die ihm entweder der Franchisegeber selbst oder ein von diesem beauftragtes Unternehmen liefert, weiterzuverkaufen oder zu nutzen und die daraus resultierenden Waren oder Dienstleistungen weiterzuverkaufen. Franchisevereinbarungen, die ausschließlich oder in erster Linie die Vergabe von Lizenzen für die Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums betreffen, fallen nicht unter die Verordnung (EU) 2022/720; die Kommission wird in der Regel aber auch auf diese Vereinbarungen die in der Verordnung (EU) 2022/720 und in diesen Leitlinien dargelegten Grundsätze anwenden.

(87)

Die folgenden Verpflichtungen des Franchisenehmers in Bezug auf Rechte des geistigen Eigentums werden grundsätzlich als zum Schutz des geistigen Eigentums des Franchisegebers notwendig angesehen und werden von der Verordnung (EU) 2022/720 erfasst, soweit sie unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen:

a)

die Verpflichtung des Franchisenehmers, weder unmittelbar noch mittelbar in einem ähnlichen Geschäftsbereich tätig zu werden,

b)

die Verpflichtung des Franchisenehmers, keine Anteile am Kapital eines Wettbewerbers zu erwerben, sofern dies dem Franchisenehmer ermöglichen würde, das geschäftliche Verhalten des betreffenden Unternehmens zu beeinflussen,

c)

die Verpflichtung des Franchisenehmers, das vom Franchisegeber mitgeteilte Know-how nicht an Dritte weiterzugeben, solange dieses Know-how nicht öffentlich zugänglich ist,

d)

die Verpflichtung, dem Franchisegeber alle bei der Nutzung der Franchise gewonnenen Erfahrungen mitzuteilen und ihm sowie anderen Franchisenehmern die nichtausschließliche Nutzung des auf diesen Erfahrungen beruhenden Know-hows zu gestatten,

e)

die Verpflichtung, dem Franchisegeber Verletzungen seiner Rechte des geistigen Eigentums mitzuteilen, für die er Lizenzen gewährt hat, gegen Rechtsverletzer selbst rechtliche Schritte einzuleiten oder den Franchisegeber in einem Rechtsstreit gegen Verletzer zu unterstützen,

f)

die Verpflichtung, das vom Franchisegeber mitgeteilte Know-how nicht für andere Zwecke als die Nutzung der Franchise zu verwenden,

g)

die Verpflichtung, Rechte und Pflichten aus der Franchisevereinbarung nur mit Erlaubnis des Franchisegebers auf Dritte zu übertragen.

4.4.3.   Vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern

(88)

Was vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern betrifft, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach Artikel 2 Absatz 7 der Verordnung (EU) 2022/720, auf den in Abschnitt 4.5 genauer eingegangen wird, die Verordnung nicht für vertikale Vereinbarungen gilt, deren Gegenstand in den Anwendungsbereich einer anderen Gruppenfreistellungsverordnung fällt, es sei denn, in dieser anderen Verordnung ist etwas anderes bestimmt.

(89)

Artikel 2 Absatz 4 Satz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 enthält die allgemeine Regel, dass die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung nicht für vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern gilt.

(90)

Ein Wettbewerber ist nach der Definition in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2022/720 ein tatsächlicher oder potenzieller Wettbewerber. Zwei Unternehmen gelten als tatsächliche Wettbewerber, wenn sie auf demselben (sachlich und räumlich) relevanten Markt tätig sind. Ein Unternehmen gilt als potenzieller Wettbewerber eines anderen Unternehmens, wenn wahrscheinlich ist, dass es, sofern zwischen den Unternehmen keine vertikale Vereinbarung geschlossen wird, innerhalb kurzer Zeit (in der Regel binnen höchstens eines Jahres) die notwendigen Zusatzinvestitionen durchführen bzw. die notwendigen Kosten auf sich nehmen würde, um in den relevanten Markt, auf dem das andere Unternehmen tätig ist, einzutreten. Diese Einschätzung muss auf realistischen Annahmen beruhen und die Marktstruktur sowie das wirtschaftliche und rechtliche Umfeld berücksichtigen. Die rein theoretische Möglichkeit eines Marktzutritts reicht nicht aus. Es müssen reale und konkrete Möglichkeiten bestehen, dass das Unternehmen in den Markt eintreten kann und es dürfen keine unüberwindbare Hindernisse für den Markteintritt bestehen. Es ist hingegen nicht erforderlich, sicher nachzuweisen, dass das Unternehmen tatsächlich in den betreffenden Markt eintreten wird und dass es in der Lage sein wird, seinen Platz auf dem Markt zu behaupten (64).

(91)

Vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die nicht unter die in Artikel 2 Absatz 4 Satz 2 der Verordnung (EU) 2022/720 genannten Ausnahmen fallen und zu denen in den Randnummern (93) bis (95) Orientierungshilfen enthalten sind, sind einer Einzelfallprüfung nach Artikel 101 AEUV zu unterziehen. Diese Leitlinien sind für die Beurteilung vertikaler Beschränkungen in solchen Vereinbarungen maßgeblich. Die Horizontalleitlinien können einschlägige Orientierungshilfen für die Beurteilung möglicher Kollusionseffekte bieten.

(92)

Ein Groß- oder Einzelhändler, der einem Hersteller für die Produktion von Waren zum Verkauf unter dem Markennamen dieses Groß- oder Einzelhändlers Spezifikationen zur Verfügung stellt, gilt für die Zwecke der Anwendung des Artikels 2 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 nicht als Hersteller solcher Eigenmarkenwaren und folglich nicht als Wettbewerber des Herstellers. Daher kann die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung auf eine vertikale Vereinbarung zwischen einem Groß- oder Einzelhändler, der von einem Dritten (und nicht von ihm selbst) hergestellte Eigenmarkenwaren verkauft, und einem Hersteller konkurrierender Markenwaren Anwendung finden (65). Dagegen werden Groß- und Einzelhändler, die selbst Waren zum Verkauf unter ihrem eigenen Markennamen herstellen, als Hersteller betrachtet, sodass die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung nicht für vertikale Vereinbarungen gilt, die solche Groß- oder Einzelhändler mit Herstellern konkurrierender Markenwaren schließen.

(93)

Artikel 2 Absatz 4 Satz 2 der Verordnung (EU) 2022/720 enthält zwei Ausnahmen von der allgemeinen Regel, dass die Gruppenfreistellung nicht für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern gilt. Insbesondere sieht Satz 2 des Artikels 2 Absatz 4 vor, dass die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung vorgesehene Freistellung auf nicht wechselseitige vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die die Voraussetzungen nach Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe a oder Buchstabe b der Verordnung erfüllen, Anwendung findet. Unter „nicht wechselseitig“ ist insbesondere zu verstehen, dass der Abnehmer der Vertragswaren oder -dienstleistungen dem Anbieter keine konkurrierenden Waren oder Dienstleistungen liefert.

(94)

Beide Ausnahmen nach Artikel 2 Absatz 4 Satz 2 der Verordnung (EU) 2022/720 betreffen Szenarios des zweigleisigen Vertriebs, also Szenarios, in denen ein Anbieter von Waren oder Dienstleistungen auch auf der nachgelagerten Stufe tätig ist und damit mit seinen unabhängigen Händlern im Wettbewerb steht. Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung betrifft ein Szenario, bei dem der Anbieter die Vertragswaren auf mehreren Handelsstufen verkauft, nämlich auf der vorgelagerten Stufe als Hersteller, Importeur oder Großhändler und auf der nachgelagerten Stufe als Importeur, Groß- oder Einzelhändler, während der Abnehmer die Vertragswaren auf der nachgelagerten Stufe als Importeur, Groß- oder Einzelhändler verkauft und auf der vorgelagerten Stufe, auf der er die Vertragswaren bezieht, kein Wettbewerber ist. Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung betrifft ein Szenario, bei dem der Anbieter Dienstleistungen erbringt und auf mehreren Handelsstufen tätig ist, während der Abnehmer Dienstleistungen auf Einzelhandelsstufe erbringt und auf der Handelsstufe, auf der er die Vertragsdienstleistungen bezieht, kein Wettbewerber ist.

(95)

Der Sinn und Zweck für die Ausnahmen nach Artikel 2 Absatz 4 Buchstaben a und b der Verordnung (EU) 2022/720 besteht darin, dass in einem Szenario des zweigleisiger Vertriebs die potenziellen negativen Auswirkungen der vertikalen Vereinbarung auf die Wettbewerbsbeziehungen zwischen dem Anbieter und dem Abnehmer auf der nachgelagerten Stufe als weniger bedeutend angesehen werden als die potenziellen positiven Auswirkungen der vertikalen Vereinbarung auf den Wettbewerb im Allgemeinen auf der vor- oder nachgelagerten Stufe. Da Artikel 2 Absatz 4 Buchstaben a und b Ausnahmen zu der allgemeinen Regel enthält, dass die Verordnung (EU) 2022/720 nicht für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern gilt, sind diese Ausnahmen eng auszulegen.

(96)

Sind die Voraussetzungen nach Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe a oder b der Verordnung (EU) 2022/720 erfüllt, so gilt die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung für alle Aspekte der betreffenden vertikalen Vereinbarung, wobei dies generell auch den Informationsaustausch zwischen den beteiligten Unternehmen bezüglich der Umsetzung der Vereinbarung einschließt (66). Informationsaustausch kann zu den wettbewerbsfördernden Auswirkungen vertikaler Vereinbarungen beitragen, einschließlich der Optimierung der Produktions- und Vertriebsprozesse. Dies gilt auch in Szenarios des zweigleisigen Vertriebs. Allerdings ist nicht jeder Informationsaustausch zwischen einem Anbieter und einem Abnehmer in einem Szenario mit zweigleisigem Vertrieb effizienzsteigernd. Aus diesem Grund sieht Artikel 2 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2022/720 vor, dass die Ausnahmen nach Artikel 2 Absatz 4 Buchstaben a und b nicht für den Informationsaustausch zwischen Anbietern und Abnehmern gelten, der entweder nicht direkt die Umsetzung der vertikalen Vereinbarung betrifft oder nicht zur Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs der Vertragswaren oder -dienstleistungen erforderlich ist oder keine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt. Artikel 2 Absatz 5 der Verordnung und die Orientierungshilfen in den Randnummern (96) bis (103) betreffen nur den Informationsaustausch in einem Szenario des zweigleisigen Vertriebs, also den zwischen den an einer vertikalen Vereinbarung beteiligten Unternehmen stattfindenden Informationsaustausch, der die Voraussetzungen des Artikels 2 Absatz 4 Buchstabe a oder b der Verordnung erfüllt.

(97)

Für die Zwecke der Anwendung des Artikels 2 Absatz 5 der Verordnung und dieser Leitlinien umfasst der Informationsaustausch jede Mitteilung von Informationen durch ein an der vertikalen Vereinbarung beteiligtes Unternehmen an das andere, unabhängig von den Merkmalen des Austauschs, beispielsweise unabhängig davon, ob die Informationen von nur einem beteiligten Unternehmen oder von beiden beteiligten Unternehmen mitgeteilt werden oder ob die Informationen schriftlich oder mündlich ausgetauscht werden. Unerheblich ist auch, ob Form und Inhalt des Informationsaustausches in der vertikalen Vereinbarung ausdrücklich vereinbart wurden oder ob dieser informell stattfindet und beispielsweise ein an der vertikalen Vereinbarung beteiligtes Unternehmen Informationen übermittelt, ohne dass das andere beteiligte Unternehmen diese angefordert hat.

(98)

Ob ein Informationsaustausch in einem Szenario des zweigleisigen Vertriebs einen direkten Bezug zur Umsetzung der vertikalen Vereinbarung hat und zur Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs der Vertragswaren oder -dienstleistungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2022/720 erforderlich ist, kann vom jeweiligen Vertriebsmodell abhängen. So kann es beispielsweise im Rahmen einer Alleinvertriebsvereinbarung erforderlich sein, dass die beteiligten Unternehmen Informationen über Verkaufstätigkeiten in bestimmten Gebieten oder bei bestimmten Kundengruppen austauschen. Im Rahmen einer Franchisevereinbarung kann es erforderlich sein, dass Franchisegeber und Franchisenehmer Informationen über die Anwendung eines einheitlichen Geschäftsmodells im Franchisenetz austauschen (67). In einem selektiven Vertriebssystem kann es erforderlich sein, dass der Händler dem Anbieter Informationen bezüglich der Einhaltung der Auswahlkriterien und der Beschränkungen des Verkaufs an nicht zugelassene Händler zugänglich macht.

(99)

Die nachfolgende Liste enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen für Informationen, die – abhängig von den jeweiligen Umständen – einen direkten Bezug zur Umsetzung der vertikalen Vereinbarung haben und zur Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs der Vertragswaren oder -dienstleistungen erforderlich sein können (68):

a)

Technische Informationen im Zusammenhang mit den Vertragswaren oder -dienstleistungen, wie Informationen über die Registrierung, Zertifizierung, Handhabung Verwendung, Wartung, Instandsetzung, Modernisierung oder das Recycling der Vertragswaren oder -dienstleistungen, insbesondere wenn diese Informationen zur Einhaltung von Regulierungsmaßnahmen erforderlich sind, sowie Informationen, die es dem Anbieter oder Abnehmer ermöglichen, die Vertragswaren oder -dienstleistungen an die Anforderungen des Auftraggebers anzupassen,

b)

Logistische Informationen über die Produktion und den Vertrieb der Vertragswaren oder -dienstleistungen auf der vor- oder nachgelagerten Stufe, einschließlich Informationen in Bezug auf Produktionsprozesse, Inventar und Lagerbestände und, vorbehaltlich der Randnummer (100) Buchstabe b, über Verkaufsmengen und Rücksendungen,

c)

Vorbehaltlich der Randnummer (100) Buchstabe b Informationen über Kundenkäufe der Vertragswaren oder -dienstleistungen sowie Präferenzen und Rückmeldungen der Kunden, sofern der Austausch solcher Informationen nicht zur Beschränkung des Gebiets oder der Kunden, in das bzw. an die der Abnehmer die Vertragswaren oder -dienstleistungen im Sinne des Artikels 4 Buchstabe b, c oder d der Verordnung (EU) 2022/720 verkaufen darf, genutzt wird,

d)

Informationen über die Preise, zu denen der Anbieter die Vertragswaren oder -dienstleistungen an den Abnehmer verkauft,

e)

Vorbehaltlich Randnummer (100) Buchstabe a Informationen über die Weiterverkaufspreisempfehlungen oder Höchstweiterverkaufspreise des Anbieters für die Vertragswaren oder -dienstleistungen sowie Informationen über die Preise, zu denen der Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen weiterverkauft, sofern dieser Informationsaustusch nicht zur Beschränkung der Möglichkeit des Abnehmers zur Festlegung seines Verkaufspreise oder zur Durchsetzung eines Fest- oder Mindestverkaufspreises im Sinne des Artikels 4 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 genutzt wird (69),

f)

Vorbehaltlich Randnummer (100) sowie Buchstabe e dieser Randnummer Informationen über die Vermarktung der Vertragswaren oder -dienstleistungen, einschließlich Informationen über Werbekampagnen und Informationen über neue Waren oder Dienstleistungen, die im Rahmen der vertikalen Vereinbarung geliefert werden sollen,

g)

Leistungsbezogene Informationen einschließlich zusammengefasster Informationen, die der Anbieter dem Abnehmer in Bezug auf die Vermarktungs- und Verkaufstätigkeiten anderer Abnehmer der Vertragswaren oder -dienstleistungen mitteilt, sofern dies den Abnehmer nicht in die Lage versetzt, die Tätigkeiten bestimmter konkurrierender Abnehmer zu ermitteln, sowie Informationen über die Menge oder den Wert der Verkäufe der Vertragswaren oder -dienstleistungen durch den Abnehmer im Verhältnis zu seinen Verkäufen konkurrierender Waren oder Dienstleistungen.

(100)

Die nachstehenden Beispiele betreffen Informationen, bei denen es dann, wenn sie in einem Szenario des zweigleisigen Vertriebs zwischen einem Anbieter und einem Abnehmer ausgetauscht werden, in der Regel unwahrscheinlich ist, dass die zwei in Artikel 2 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind:

a)

Informationen über die künftigen Preise, zu denen der Anbieter oder Abnehmer die Vertragswaren oder -dienstleistungen nachgelagert zu verkaufen beabsichtigt,

b)

Informationen über identifizierte Endverbraucher der Vertragswaren oder -dienstleistungen, es sei denn, der Austausch dieser Informationen ist erforderlich,

1.

um den Anbieter oder Abnehmer in die Lage zu versetzen, die Anforderungen eines bestimmten Endverbrauchers zu erfüllen, beispielsweise die Vertragswaren oder -dienstleistungen an die besonderen Bedingungen des Endverbrauchers anzupassen, dem Endverbraucher Sonderkonditionen zu gewähren, u. a. im Rahmen einer Regelung zur Kundenbindung, oder um Kundenberatungsdienste vor dem Kauf und Kundendienstleistungen nach dem Kauf zu erbringen, was auch Garantiedienstleistungen einschließt,

2.

um eine selektive Vertriebsvereinbarung bzw. eine Alleinvertriebsvereinbarung, in deren Rahmen einem Anbieter oder Abnehmer bestimmte Endverbraucher zugewiesen werden, umzusetzen oder deren Einhaltung verfolgen.

c)

Informationen über Waren, die ein Abnehmer unter seinem eigenen Markennamen verkauft, die zwischen dem Abnehmer und einem Hersteller konkurrierender Markenwaren ausgetauscht werden, es sei denn, der Hersteller ist auch der Hersteller der betroffenen Eigenmarkenwaren.

(101)

Die unter den Randnummern (99) und (100) aufgeführten Beispiele sollen Unternehmen bei ihrer Selbsteinschätzung unterstützen. Die Aufnahme einer bestimmten Art von Informationen in Randnummer (99) bedeutet jedoch nicht, dass beim Austausch von Informationen dieser Art die beiden in Artikel 2 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2022/720 aufgeführten Voraussetzungen in jedem Fall erfüllt sind. Ebenso lässt sich aus der Aufnahme einer bestimmten Art von Informationen in Randnummer (100) nicht schließen, dass der Austausch dieser Art von Informationen diese beiden Voraussetzungen nie erfüllen wird. Unternehmen müssen daher die Voraussetzungen des Artikels 2 Absatz 5 der Verordnung auf die besonderen Sachverhalte ihrer jeweiligen vertikalen Vereinbarung anwenden.

(102)

Tauschen die an einer die Voraussetzungen des Artikels 2 Absatz 4 Buchstabe a oder b der Verordnung (EU) 2022/720 erfüllenden vertikalen Vereinbarung beteiligten Unternehmen Informationen aus, die entweder nicht die Umsetzung ihrer vertikalen Vereinbarung direkt betreffen, nicht zu Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs der Vertragswaren oder -dienstleistungen erforderlich sind, oder keine der beiden Voraussetzungen erfüllen, ist der Informationsaustausch einer Einzelfallprüfung nach Artikel 101 AEUV zu unterziehen. Ein solcher Austausch verstößt nicht zwingend gegen Artikel 101 AEUV. Darüber hinaus können die sonstigen Bestimmungen der vertikalen Vereinbarung unter der Voraussetzung, dass die Vereinbarung ansonsten den in der Verordnung aufgeführten Voraussetzungen entspricht, weiterhin von der Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung profitieren.

(103)

Schließen Wettbewerber eine vertikale Vereinbarung und nehmen an einem Informationsaustausch teil, der nicht unter die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (70) vorgesehene Freistellung fällt, können sie Vorkehrungen zur Minimierung des Risikos treffen, dass der Informationsaustausch Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken gibt (71). So können sie beispielsweise nur Informationen in aggregierter Form austauschen oder eine angemessene Verzögerung zwischen der Erzeugung der Informationen und ihrem Austausch gewährleisten. Ferner können sie technische oder administrative Maßnahmen wie Firewalls einsetzen, um sicherzustellen, dass die vom Abnehmer übermittelten Informationen nur dem für die vorgelagerten Tätigkeiten des Anbieters verantwortlichen Personal zugänglich sind und nicht dem Personal, das für die nachgelagerten Direktvertriebstätigkeiten des Anbieters verantwortlich ist. Das Treffen solcher Vorkehrungen kann jedoch nicht dazu führen, dass ein Informationsaustausch unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fällt, der ansonsten nicht unter diese Freistellung fallen würde.

4.4.4.   Vertikale Vereinbarungen mit Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten, die eine Hybridstellung innehaben

(104)

Nach Artikel 2 Absatz 6 der Verordnung (EU) 2022/720 gelten die in Artikel 2 Absatz 4 Buchstaben a und b der Verordnung aufgeführten Ausnahmen für den zweigleisigen Vertrieb nicht für vertikale Vereinbarungen, die die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten betreffen, wenn der Anbieter der Online-Vermittlungsdienste eine Hybridstellung innehat, d. h. dass er auch Wettbewerber auf dem relevanten Markt für den Verkauf der vermittelten Waren oder Dienstleistungen ist (72). Artikel 2 Absatz 6 der Verordnung (EU) 2022/720 gilt für vertikale Vereinbarungen, die die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten „betreffen“, ungeachtet dessen, ob die Vereinbarung die Erbringung dieser Dienste für ein an der Vereinbarung beteiligtes Unternehmen oder für Dritte betrifft.

(105)

Vertikale Vereinbarungen in Bezug auf die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten, die zwischen Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten geschlossen werden, die eine solche Hybridstellung innehaben, entsprechen nicht Sinn und Zweck betreffend die in Artikel 2 Absatz 4 Buchstaben a und b der Verordnung (EU) 2022/720 dargelegten Ausnahmen für den zweigleisigen Vertrieb. Diese Anbieter können einen Anreiz haben, ihren eigenen Absatz zu begünstigen, und in der Lage sein, das Ergebnis des Wettbewerbs zwischen Unternehmen, die ihre Online-Vermittlungsdienste nutzen, zu beeinflussen. Solche vertikalen Vereinbarungen können daher generell Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken auf den relevanten Märkten für den Verkauf der vermittelten Waren oder Dienstleistungen geben.

(106)

Artikel 2 Absatz 6 der Verordnung (EU) 2022/720 gilt für vertikale Vereinbarungen in Bezug auf die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten, bei denen der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten ein tatsächlicher oder potenzieller Wettbewerber auf dem relevanten Markt für den Verkauf der vermittelten Waren oder Dienstleistungen ist. Insbesondere muss es wahrscheinlich sein, dass der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten innerhalb kurzer Zeit (in der Regel nicht länger als ein Jahr) die zusätzlichen Investitionen tätigen oder andere Kosten auf sich nehmen würde, die erforderlich wären, um in den relevanten Markt für den Verkauf der vermittelten Waren oder Dienstleistungen einzutreten (73).

(107)

Vereinbarungen in Bezug auf die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten, die nach Artikel 2 Absatz 6 der Verordnung (EU) 2022/720 nicht unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung fallen, sind nach Artikel 101 AEUV einzeln zu prüfen. Solche Vereinbarungen beschränken nicht zwingend den Wettbewerb im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV; auch erfüllen sie möglicherweise die Voraussetzungen für eine Einzelfreistellung nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV. Halten die beteiligten Unternehmen geringe Anteile an dem relevanten Markt für die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten und dem relevanten Markt für den Verkauf der vermittelten Waren oder Dienstleistungen, kann die De-minimis-Bekanntmachung gelten (74). Die Horizontalleitlinien können einschlägige Orientierungshilfen für die Beurteilung möglicher Kollusionseffekte bieten. Diese Leitlinien können auch Orientierungshilfen für die Beurteilung vertikaler Beschränkungen bieten.

(108)

Liegen keine bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen vor, sind spürbare wettbewerbswidrige Auswirkungen unwahrscheinlich, wenn der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten auf dem relevanten Markt für Online-Vermittlungsdienste keine Marktmacht besitzt, weil er beispielsweise erst kürzlich in den Markt eingetreten ist (Start-up-Phase). In der Plattformwirtschaft können die von einem Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten erwirtschafteten Einnahmen (z. B. Provisionen) nur ein erster Näherungswert für das Ausmaß seiner Marktmacht sein, und es kann darüber hinaus erforderlich sein, alternative Parameter wie die Zahl der vom Anbieter vermittelten Transaktionen, die Zahl der Nutzer der Online-Vermittlungsdienste (Verkäufer und/oder Käufer) und den Umfang, in dem diese Nutzer die Dienste anderer Anbieter nutzen, zu berücksichtigen. Auch ist es unwahrscheinlich, dass ein Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten Marktmacht besitzt, wenn er nicht von spürbaren unmittelbaren oder mittelbaren Netzwerkeffekten profitiert.

(109)

Wenn keine bezweckten Beschränkungen oder signifikante Marktmacht vorliegen, ist es unwahrscheinlich, dass die Kommission Durchsetzungsmaßnahmen in Bezug auf vertikale Vereinbarungen, die die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten betreffen, Vorrang einräumen wird, wenn der Anbieter eine Hybridstellung innehat. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn ein Anbieter in einem zweigleisigen Vertriebsszenario den Abnehmern seiner Waren oder Dienstleistungen gestattet, seine Website für den Vertrieb der Waren oder Dienstleistungen zu nutzen, aber nicht zulässt, dass die Website dazu verwendet wird, konkurrierende Waren- oder Dienstleistungsmarken anzubieten, und wenn er nicht anderweitig auf dem für die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen relevanten Markt tätig ist.

4.5.   Verhältnis zu anderen Gruppenfreistellungsverordnungen

(110)

Wie in den Abschnitten 4.1 und 4.2 erläutert, gilt die Verordnung (EU) 2022/720 für vertikale Vereinbarungen. Diese sind ausschließlich nach der Verordnung (EU) 2022/720 und diesen Leitlinien zu prüfen, sofern in den vorliegenden Leitlinien nichts anderes bestimmt ist. Solche Vereinbarungen können in den durch die Verordnung (EU) 2022/720 geschaffenen Safe Harbour fallen.

(111)

Nach Artikel 2 Absatz 7 der Verordnung (EU) 2022/720 gilt die Verordnung nicht für vertikale Vereinbarungen, deren Gegenstand in den Anwendungsbereich einer anderen Gruppenfreistellungsverordnung fällt, es sei denn, in einer solchen Verordnung ist etwas anderes bestimmt. Es ist daher wichtig, von vornherein zu prüfen, ob eine vertikale Vereinbarung in den Anwendungsbereich einer anderen Gruppenfreistellungsverordnung fällt.

(112)

Die Verordnung (EU) 2022/720 gilt nicht für vertikale Vereinbarungen, die von den nachstehend genannten Gruppenfreistellungsverordnungen oder künftigen Gruppenfreistellungsverordnungen, die sich auf die in dieser Randnummer genannten Arten von Vereinbarungen beziehen, erfasst werden, es sei denn, in der betreffenden Verordnung ist etwas anderes bestimmt:

Verordnung (EU) Nr. 316/2014 der Kommission,

Verordnung (EU) Nr. 1217/2010 der Kommission (75),

Verordnung (EU) Nr. 1218/2010 der Kommission (76).

(113)

Die Verordnung (EU) 2022/720 gilt nicht für die in den Horizontalleitlinien genannten Arten von Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, es sei denn, in den Horizontalleitlinien ist etwas anderes bestimmt.

(114)

Die Verordnung (EU) 2022/720 gilt für vertikale Vereinbarungen, die den Bezug, Verkauf oder Weiterverkauf von Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge und die Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Kraftfahrzeuge betreffen. Solche Vereinbarungen profitierten nur dann von dem durch die Verordnung (EU) 2022/720 geschaffenen Safe Harbour, wenn sie neben den in der Verordnung (EU) 2022/720 vorgesehenen Voraussetzungen auch die Voraussetzungen erfüllen, die in der Verordnung (EU) Nr. 461/2010 der Kommission (77) und den zugehörigen Leitlinien festgelegt sind.

4.6.   Spezielle Arten von Vertriebssystemen

(115)

Einem Anbieter steht es frei, den Vertrieb seiner Waren oder Dienstleistungen nach eigenem Ermessen zu gestalten. Der Anbieter kann sich zum Beispiel für die vertikale Integration entscheiden, und zwar, dass er seine Waren oder Dienstleistungen direkt an die Endverbraucher verkauft oder sie über seine vertikal integrierten Händler vertreibt, die verbundene Unternehmen im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2022/720 sind. Diese Art von Vertriebssystem betrifft ein einziges Unternehmen und fällt somit nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV.

(116)

Der Anbieter kann auch beschließen, auf unabhängige Händler zurückzugreifen. Zu diesem Zweck kann er ein oder mehrere Arten von Vertriebssystemen nutzen. Bestimmte Arten von Vertriebssystemen, nämlich der selektive Vertrieb und der Alleinvertrieb, werden in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe g bzw. h der Verordnung (EU) 2022/720 definiert. In den Abschnitten 4.6.1 und 4.6.2 werden Erläuterungen zum Alleinvertrieb bzw. zum selektiven Vertrieb gegeben (78). Der Anbieter kann seine Waren und Dienstleistungen auch ohne Rückgriff auf selektiven Vertrieb oder Alleinvertrieb vertreiben. Diese anderen Vertriebsarten werden für die Zwecke der Anwendung der Verordnung als freier Vertrieb eingestuft (79).

4.6.1.   Alleinvertriebssysteme

4.6.1.1.   Definition von Alleinvertriebssystemen

(117)

In einem Alleinvertriebssystem, wie es in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung (EU) 2022/720 definiert wird, weist der Anbieter ein Gebiet oder eine Kundengruppe einem Abnehmer oder einer begrenzten Anzahl von Abnehmern exklusiv zu, während er allen anderen Abnehmern in der Union Beschränkungen hinsichtlich des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Kundengruppen auferlegt, die er exklusiv zugewiesen hat (80).

(118)

Oft greifen Anbieter auf Alleinvertriebssysteme zurück, um Händlern Anreize zu bieten, die finanziellen und nichtfinanziellen Investitionen zu tätigen, die erforderlich sind, um ihre Marke in einem Gebiet zu entwickeln, in dem diese noch wenig bekannt ist, oder um ein neues Produkt in ein bestimmtes Gebiet oder an eine bestimmte Kundengruppe zu verkaufen oder auch um Händlern Anreize zu geben, den Schwerpunkt ihrer Verkaufs- und Werbetätigkeiten auf ein bestimmtes Produkt zu legen. Den Händlern kann der Schutz, der ihnen das Alleinvertriebssystem gewährt, die Möglichkeit bieten, sich ein bestimmtes Geschäftsvolumen und eine Marge zu sichern, der ihre Investitionsaufwendungen rechtfertigt.

4.6.1.2.   Anwendung des Artikels 101 AEUV auf Alleinvertriebssysteme

(119)

In einem Vertriebssystem, in dem der Anbieter ein Gebiet oder eine Kundengruppe ausschließlich einem oder mehreren Abnehmern zuweist, bestehen die möglichen Wettbewerbsrisiken hauptsächlich in einer Marktaufteilung, die Preisdiskriminierungen erleichtern kann, sowie in einem verringerten markeninternen Wettbewerb. Wenn die meisten oder alle der stärksten Anbieter auf einem Markt ein Alleinvertriebssystem betreiben, kann es auch leichter zu einer Abschwächung des Wettbewerbs zwischen den Marken und zu Kollusion kommen, und zwar sowohl auf Anbieter- als auch auf Händlerebene. Außerdem kann der Alleinvertrieb zum Ausschluss anderer Händler und somit zu einer Reduzierung des Markenwettbewerbs und des markeninternen Wettbewerbs auf der Vertriebsstufe führen.

(120)

Alleinvertriebsvereinbarungen können unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen, sofern der Marktanteil des Anbieters und des Abnehmers 30 % nicht übersteigt, die Vereinbarung keine Kernbeschränkungen im Sinne des Artikels 4 der Verordnung (EU) 2022/720 enthält und je exklusiv zugewiesenem Gebiet oder exklusiv zugewiesener Kundengruppe nicht mehr als fünf Händler benannt wurden. Alleinvertriebsvereinbarungen können selbst dann in den durch die Verordnung (EU) 2022/720 geschaffenen Safe Harbour fallen, wenn sie auch andere vertikale Beschränkungen, die keine Kernbeschränkungen sind, wie z. B. Wettbewerbsverbote von höchstens fünf Jahren Dauer, Mengenvorgaben oder Alleinbezugsverpflichtungen enthalten.

(121)

Die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 vorgesehene Freistellung ist auf höchstens fünf Händler pro exklusiv zugewiesenem Gebiet oder exklusiv zugewiesener Kundengruppe begrenzt, um den Anreiz für die Händler zu erhalten, in die Verkaufsförderung und den Verkauf der Waren oder Dienstleistungen des Anbieters zu investieren, und gleichzeitig dem Anbieter ausreichende Flexibilität für die Gestaltung seines Vertriebssystems einzuräumen. Wird diese Zahl überschritten, besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich die Alleinvertriebshändler die Investitionen der anderen als Trittbrettfahrer zunutze machen und damit die Effizienz, die durch den Alleinvertrieb erreicht werden soll, zunichtegemacht wird.

(122)

Damit das Alleinvertriebssystem unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fällt, müssen die benannten Händler vor aktiven Verkäufen durch alle anderen Abnehmer des Anbieters in das exklusiv zugewiesene Gebiet oder an die exklusiv zugewiesene Kundengruppe geschützt werden. Benennt ein Anbieter für ein exklusiv zugewiesenes Gebiet oder eine exklusiv zugewiesene Kundengruppe mehrere Händler, müssen alle diese Händler vor aktiven Verkäufen sämtlicher anderen Abnehmer des Anbieters in dieses Gebiet bzw. an diese Kundengruppe geschützt werden, wobei aktive und passive Verkäufe durch diese Händler innerhalb des exklusiv zugewiesenen Gebiets bzw. innerhalb der exklusiv zugewiesenen Kundengruppe nicht beschränkt werden können. Wenn das exklusiv zugewiesene Gebiet bzw. die exklusiv zugewiesene Kundengruppe aus praktischen Gründen und nicht mit dem Ziel, den Parallelhandel zu verhindern, vorübergehend nicht vor aktiven Verkäufen durch bestimmte Abnehmer geschützt ist, weil der Anbieter beispielsweise das Alleinvertriebssystems ändert und Zeit benötigt, um mit bestimmten Abnehmern Beschränkungen des aktiven Verkaufs neu auszuhandeln, kann das Alleinvertriebssystem weiterhin unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen.

(123)

In den für den Alleinvertrieb genutzten vertikalen Vereinbarungen sollten die Gebiete oder Kundengruppen, die exklusiv zugewiesen werden, klar festgelegt sein. Das exklusiv zugewiesene Gebiet kann beispielsweise dem Gebiet eines Mitgliedstaates oder einem größeren bzw. kleineren Gebiet entsprechen. Eine exklusiv zugewiesene Kundengruppe kann zum Beispiel auf der Grundlage eines oder mehrerer Kriterien, wie des Berufs oder der Tätigkeit der Kunden oder mittels einer Liste ermittelter Kunden, definiert werden. Je nach den angewandten Kriterien kann sich die Kundengruppe unter Umständen auf einen einzigen Kunden beschränken.

(124)

Wurde ein Gebiet oder eine Kundegruppe nicht exklusiv einem oder mehreren Händlern zugewiesen, kann sich der Anbieter das Gebiet bzw. die Kundengruppe selbst vorbehalten; in diesem Fall muss er alle seine Händler davon in Kenntnis setzen. Dies setzt nicht voraus, dass der Anbieter im reservierten Gebiet oder in Bezug auf die reservierte Kundengruppe gewerblich tätig ist. So könnte sich der Anbieter das Gebiet oder die Kundengruppe vorbehalten wollen, um es künftig anderen Vertriebshändlern zuzuweisen.

4.6.1.3.   Orientierungshilfe zur Einzelfallprüfung von Alleinvertriebsvereinbarungen

(125)

Außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) 2022/720 ist die Marktstellung des Anbieters und seiner Wettbewerber von größter Bedeutung, weil ein Verlust an markeninternem Wettbewerb nur dann Probleme aufwirft, wenn der Markenwettbewerb auf Anbieter- oder Händlerebene eingeschränkt ist (81). Je stärker die Markstellung des Anbieters, insbesondere oberhalb der Schwelle von 30 %, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Markenwettbewerb schwach ist, und desto größer das Wettbewerbsrisiko aufgrund der Verringerung des markeninternen Wettbewerbs.

(126)

Die Marktstellung der Wettbewerber des Anbieters kann in zweifacher Hinsicht von Belang sein. Gibt es starke Wettbewerber, weist dies im Allgemeinen darauf hin, dass ein Verlust an markeninternem Wettbewerb durch ausreichenden Markenwettbewerb ausgeglichen wird. Sind am Markt jedoch nur wenige Anbieter tätig, die – gemessen an den Faktoren Marktanteil, Kapazität und Vertriebsnetz – auch noch eine ähnliche Position haben, besteht die Gefahr der Kollusion und/oder einer Abschwächung des Wettbewerbs. Diese Gefahr kann durch den Verlust an markeninternem Wettbewerb noch größer werden, und zwar insbesondere dann, wenn mehrere Anbieter gleichartige Vertriebssysteme betreiben.

(127)

Alleinvertrieb mehrerer Marken – mehrere Anbieter überlassen dem- bzw. denselben Händler(n) den Alleinvertrieb in einem bestimmten Gebiet – kann die Kollusionsgefahr und die Gefahr einer Abschwächung des Wettbewerbs auf der Anbieter- und der Händlerebene weiter erhöhen. Erhalten ein oder mehrere Händler das ausschließliche Recht zum Vertrieb von zwei oder mehr konkurrierenden und starken Produkten im selben Gebiet, könnte dadurch der Wettbewerb zwischen den betreffenden Marken erheblich eingeschränkt werden. Je größer der kumulative Marktanteil der Marken, die von den Alleinvertriebshändlern vertrieben werden, desto größer ist die Gefahr der Kollusion und/oder der Abschwächung des Wettbewerbs und desto stärker ist die Einschränkung des Markenwettbewerbs. Liegt der Alleinvertrieb mehrerer Marken bei einem oder mehreren Einzelhändlern, besteht die Gefahr, dass die Senkung des Großhandelspreises, die ein Anbieter bei seinem Markenprodukt vornimmt, von den betreffenden Einzelhändlern nicht an die Verbraucher weitergegeben wird, da dies ihren Absatz und Gewinn in Bezug auf die übrigen Markenprodukte schmälern würde. Im Vergleich zu einer Situation, in der keine Vereinbarungen über den Alleinvertrieb mehrerer Marken bestehen, ist der Anreiz für die Anbieter gering, in einen Preiswettbewerb zu treten. Liegen die Marktanteile der einzelnen Anbieter und Abnehmer unter der 30 %-Schwelle, können diese kumulativen Auswirkungen ein Grund sein, den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 zu entziehen.

(128)

Marktzutrittsschranken, die Anbieter unter Umständen daran hindern, ein eigenes integriertes Vertriebsnetz zu gründen oder alternative Händler einzuschalten, sind für die Beurteilung etwaiger wettbewerbswidriger Auswirkungen von Alleinvertriebsvereinbarungen weniger wichtig. Ein Ausschluss anderer Anbieter vom Markt ist nur gegeben, wenn der Alleinvertrieb mit einem Markenzwang verknüpft wird, wodurch der Händler verpflichtet ist oder veranlasst wird, seine Bestellungen für ein bestimmtes Produkt auf einen Anbieter zu konzentrieren. Die Verknüpfung von Alleinvertrieb und Markenzwang kann es anderen Anbietern erschweren, alternative Händler zu finden; dies trifft insbesondere dann zu, wenn der Markenzwang für ein dichtes Netz von Alleinvertriebshändlern gilt, die jeweils nur ein kleines Gebiet abdecken, oder wenn eine kumulative wettbewerbswidrige Wirkung besteht. In einem solchen Szenario sollten die Grundsätze zum Markenzwang in Abschnitt 8.2.1 angewandt werden.

(129)

Die Verknüpfung von Alleinvertrieb und Alleinbezug, die die Alleinvertriebshändler zwingt, die betreffende Marke direkt beim Anbieter zu beziehen, erhöht die Gefahr des Verlusts an markeninternem Wettbewerb und einer Aufteilung von Märkten. Alleinvertrieb als solcher engt schon die Möglichkeiten der Kunden ein, Preisunterschiede auszunutzen, weil er die Zahl der Vertriebshändler begrenzt, die in dem betreffenden Gebiet aktiv verkaufen können. Der Alleinbezug nimmt zudem den Alleinvertriebshändlern etwaige Möglichkeiten, Preisunterschiede auszunutzen, da er sie am Bezug der Produkte bei anderen, dem Alleinvertriebssystem angeschlossenen Händlern hindert. Dadurch werden die Möglichkeiten des Anbieters erhöht, den markeninternen Wettbewerb zu begrenzen und gleichzeitig unterschiedliche Verkaufsbedingungen zum Nachteil der Verbraucher anzuwenden, es sei denn, die Verknüpfung von Alleinvertrieb und Alleinbezug ermöglicht Effizienzgewinne, die den Verbrauchern zugutekommen.

(130)

Der Marktausschluss anderer Händler ist nicht problematisch, wenn der das Alleinvertriebssystem betreibende Anbieter in ein und demselben relevanten Markt eine große Zahl an Alleinvertriebshändlern benennt und diesen keine Beschränkungen im Hinblick auf den Verkauf an andere, nicht benannte Händler auferlegt. Der Ausschluss anderer Händler kann jedoch zum Problem werden, wenn die Abnehmer auf dem nachgelagerten Markt Marktmacht haben, wie dies insbesondere bei sehr großen Gebieten der Fall ist, in denen der Alleinvertriebshändler der einzige Abnehmer auf dem gesamten Markt ist. Ein Beispiel hierfür wäre eine Supermarktkette, die im Lebensmitteleinzelhandel eines Landes als einziger Händler für eine führende Marke übrigbleibt. Der Marktausschluss anderer Händler vom Markt kann sich im Falle des Alleinvertriebs mehrerer Marken verschärfen.

(131)

Nachfragemacht kann auch die Gefahr einer Kollusion unter den Abnehmern erhöhen, wenn nämlich wichtige Abnehmer, die gegebenenfalls in verschiedenen Gebieten operieren, einem oder mehreren Anbietern Alleinvertriebsklauseln auferlegen.

(132)

Die Einschätzung der Marktdynamik ist wichtig, denn in einem Markt mit wachsender Nachfrage, immer neuen Techniken und sich verändernden Marktstellungen der Unternehmen sind negative Auswirkungen von Alleinvertriebssystemen weniger wahrscheinlich als in reifen Märkten.

(133)

Die Beschaffenheit des Produkts kann für die Beurteilung etwaiger wettbewerbswidriger Auswirkungen des Alleinvertriebs ebenfalls relevant sein. Diese Auswirkungen werden in Branchen, in denen Online-Verkäufe häufiger vorkommen, weniger ausgeprägt sein, da der Online-Verkauf den Bezug bei Händlern außerhalb des exklusiv zugewiesene Gebiet bzw. der exklusiv zugewiesenen Kundengruppe erleichtern kann.

(134)

Die Handelsstufe ist bedeutsam, da es bei den möglichen negativen Auswirkungen Unterschiede zwischen der Großhandels- und der Einzelhandelsstufe geben kann. Alleinvertrieb wird hauptsächlich beim Absatz von Endprodukten (Waren oder Dienstleistungen) angewandt. Ein Verlust an markeninternem Wettbewerb ist im Einzelhandel besonders wahrscheinlich, wenn die exklusiv zugewiesenen Gebiete groß sind, da die Verbraucher dann wenig Möglichkeiten haben dürften, bei einer namhaften Marke zwischen einem Händler, der zu hohem Preis hochwertigen Service bietet, und einem Händler, der zu einem niedrigen Preis wenig Service bietet, zu wählen.

(135)

Ein Hersteller, der einem Großhändler den Alleinvertrieb überlässt, wird dies normalerweise für ein größeres Gebiet tun, z. B. für einen ganzen Mitgliedstaat. Solange der Großhändler das Produkt ohne Einschränkungen an Einzelhändler auf dem nachgelagerten Markt verkaufen darf, sind keine spürbaren wettbewerbswidrigen Wirkungen zu erwarten. Etwaige Verluste an markeninternem Wettbewerb auf der Großhandelsstufe können leicht durch Effizienzgewinne bei Logistik und Verkaufsförderung aufgewogen werden, vor allem wenn der Hersteller in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Allerdings entstehen im Alleinvertrieb mehrerer Marken auf der Großhandelsstufe größere Risiken für den Markenwettbewerb als auf der Einzelhandelsstufe. Wird ein Großhändler der Alleinvertriebshändler für eine große Zahl von Anbietern, besteht nicht nur die Gefahr einer Verringerung des Wettbewerbs zwischen diesen Marken, sondern es nimmt auch das Abschottungsrisiko auf der Großhandelsstufe zu.

(136)

Ein Alleinvertriebssystem, das den Wettbewerb im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV einschränkt, kann dennoch Effizienzgewinne schaffen, die die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen. So kann beispielsweise Exklusivität erforderlich sein, um den Händlern Anreize zu bieten, in die Entwicklung der Marke des Anbieters oder in die Erbringung nachfragesteigernder Dienstleistungen zu investieren. Ist die Verordnung (EU) 2022/720 nicht anwendbar, ist von Folgendem auszugehen: je höher die Zahl der für ein bestimmtes Gebiet benannten Alleinvertriebshändler, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass für sie genügend Anreize zu Investitionen in die Verkaufsförderung für die Produkte des Anbieters und die Entwicklung seiner Marke bestehen, da sich die anderen Alleinvertriebshändler im gleichen Gebiet diese Investitionsaufwendungen als Trittbrettfahrer zunutze machen können.

(137)

Die Beschaffenheit des Produkts ist für die Beurteilung der Effizienzgewinne von Bedeutung. Objektive Effizienzgewinne sind am ehesten zu erwarten bei neuen und bei komplexen Produkten sowie bei Produkten, deren Qualitätseigenschaften vor dem Verbrauch (sogenannte Erfahrungsgüter) oder sogar nach dem Verbrauch (sogenannte Vertrauensgüter) schwierig zu beurteilen sind. Der Alleinvertrieb kann außerdem Einsparungen bei den Logistikkosten mit sich bringen, da bei Transport und Vertrieb Größenvorteile genutzt werden können. Alleinvertrieb in Verbindung mit Markenzwang kann zu einer Erhöhung der Anreize für den oder die Alleinvertriebshändler führen, seine bzw. ihre Anstrengungen auf eine bestimmte Marke zu konzentrieren.

(138)

Für die Beurteilung von Alleinvertriebssystemen, bei denen der Anbieter eine Kundengruppe einem oder mehreren Abnehmern exklusiv zuweist, sind weiterhin die unter den Randnummern (125) bis (137) genannten Faktoren relevant. Außerdem sollten für die Beurteilung dieser Art von Alleinvertriebssystem die unter den Randnummern (139) bis (140) aufgeführten zusätzlichen Faktoren berücksichtigt werden.

(139)

Ähnlich wie bei der exklusiven Zuweisung eines Gebiets erschwert auch die exklusive Zuweisung einer Kundengruppe den Abnehmern in der Regel die Ausnutzung von Preisunterschieden. Da jeder benannte Händler für seine eigene Kundengruppe da ist, kann sich für Abnehmer, die keiner solchen Gruppe angehören, die Beschaffung der Produkte des Anbieters als schwierig erweisen. Folglich ist der Spielraum solcher Abnehmer für die Ausnutzung von Preisunterschieden eingeengt.

(140)

Zusätzlich zu den unter Randnummer (136) genannten Arten von Effizienzgewinnen kann die exklusive Zuweisung von Kunden zu Effizienzgewinnen führen, wenn Investitionen der Händler in besondere Ausrüstungen oder Fertigkeiten oder in spezielles Know-how erforderlich sind, um den Anforderungen einer bestimmen Kundenkategorie gerecht zu werden, oder wenn durch diese Investitionen Größen- oder Verbundvorteile in der Logistik erzielt werden (82). Die Abschreibungsdauer bei solchen Investitionen bietet einen Hinweis darauf, für welchen Zeitraum die exklusive Zuweisung von Kunden gerechtfertigt sein kann. Eine exklusive Zuweisung von Kunden ist grundsätzlich am ehesten dort vertretbar, wo es sich um neue oder komplexe Produkte oder um Produkte handelt, die an die Bedürfnisse eines bestimmten Kunden angepasst werden müssen. Feststellbare unterschiedliche Bedürfnisse sind bei Zwischenprodukten wahrscheinlicher, das heißt bei Produkten, die an verschiedene Arten gewerblicher Abnehmer verkauft werden. Die Zuweisung von Verbrauchern dürfte dagegen kaum zu Effizienzgewinnen führen.

(141)

Es folgt ein Beispiel für die Wirkung des Alleinvertriebs mehrerer Marken auf einem oligopolistischen Markt.

Auf einem nationalen Markt für ein Endprodukt gibt es vier Marktführer mit einem Marktanteil von jeweils rund 20 %. Alle vier verkaufen ihr Produkt über Alleinvertriebshändler auf der Einzelhandelsstufe. Die Einzelhändler erhalten für die Stadt bzw. den Stadtteil, in der/dem ihre Verkaufsstätte liegt, Gebietsschutz. In den meisten Gebieten überlassen die vier Marktführer den Alleinvertrieb ein und demselben Einzelhändler (im Folgenden „Alleinvertrieb mehrerer Marken“), der sich auf das relevante Produkt spezialisiert hat und dessen Verkaufsstätten sich häufig in zentraler Lage befinden. Die restlichen 20 % des nationalen Marktes entfallen auf kleine inländische Hersteller, von denen der größte landesweit einen Marktanteil von 5 % besitzt. Diese inländischen Hersteller setzen ihre Produkte in der Regel über andere Einzelhändler ab, weil die Alleinvertriebshändler der vier großen Anbieter im Allgemeinen kaum Interesse daran zeigen, preisgünstigere Produkte weniger bekannter Marken zu vertreiben. Auf dem Markt besteht eine starke Marken- und Produktdifferenzierung. Die vier Marktführer veranstalten große landesweite Werbekampagnen und verfügen jeweils über ein solides Markenimage, während die kleineren Hersteller für ihre Produkte nicht landesweit werben. Der Markt ist eher als reif anzusehen und durch eine stabile Nachfrage sowie keine nennenswerte Produktinnovation und technische Entwicklung gekennzeichnet. Das Produkt ist verhältnismäßig einfach.

Auf einem solchen oligopolistischen Markt besteht die Gefahr der Kollusion unter den vier Marktführern, die durch den Alleinvertrieb mehrerer Marken erhöht wird. Der markeninterne Wettbewerb ist durch den Gebietsschutz begrenzt. Wettbewerb zwischen den vier führenden Marken findet auf der Einzelhandelsstufe nur in begrenztem Umfang statt, da in jedem Gebiet nur ein Einzelhändler den Preis für alle vier Marken festlegt. Der Alleinvertrieb mehrerer Marken bringt es mit sich, dass der Einzelhändler nicht unbedingt daran interessiert sein wird, Preissenkungen, die ein Hersteller bei seinem Markenprodukt vornimmt, an den Verbraucher weiterzugeben, da dies seinen Absatz und Gewinn in Bezug auf die übrigen Markenprodukte schmälern würde. Den Herstellern ist somit wenig an einem Preiswettbewerb untereinander gelegen. Preiswettbewerb zwischen Marken gibt es im Wesentlichen nur bei den Produkten der unbedeutenderen Hersteller, die kein so ausgeprägtes Markenimage haben. Es gibt nicht viele Argumente, die für potenzielle Effizienzgewinne eines (gemeinsamen) Alleinvertriebs sprechen, da das Produkt relativ einfach ist, der Weiterverkauf keine besonderen Investitionen oder Schulungsmaßnahmen erfordert und Werbung in erster Linie auf der Herstellerebene betrieben wird.

Obwohl der Marktanteil von jedem der Marktführer unter dem zulässigen Wert liegt, sind die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV möglicherweise nicht erfüllt, sodass gegebenenfalls bei Vereinbarungen mit Händlern, deren Anteil am Beschaffungsmarkt unter 30 % liegt, der Entzug des Rechtsvorteils der Gruppenfreistellung notwendig sein kann.

(142)

Es folgt ein Beispiel für eine Kundenbeschränkung.

Ein Unternehmen hat eine technisch anspruchsvolle Sprinkleranlage entwickelt. Derzeit hat es auf dem Markt für Sprinkleranlagen einen Anteil von 40 %. Als es mit dem Verkauf der neuen Anlage begann, hielt es mit einem älteren Produkt einen Marktanteil von 20 %. Die Installation des neuen Sprinklertyps hängt von der Art und dem Verwendungszweck des Gebäudes (z. B. Bürogebäude, Chemiefabrik oder Krankenhaus) ab. Das Unternehmen hat mehrere Händler für den Verkauf und die Installation der technisch anspruchsvollen Sprinkleranlage benannt. Jeder Händler musste seine Beschäftigten im Hinblick auf die allgemeinen und besonderen Anforderungen an den Einbau der technisch anspruchsvollen Sprinkleranlage bei einer bestimmten Gruppe von Kunden schulen. Um sicherzustellen, dass sich die Händler entsprechend spezialisieren, wies das Unternehmen jedem Händler eine bestimmte Kundengruppe zu und untersagte ihm aktive Verkäufe an die anderen Händlern exklusiv zugewiesenen Kundengruppen. Nach fünf Jahren dürfen die Alleinvertriebshändler aktiv an sämtliche Kundengruppen verkaufen, d. h., die Kundenbeschränkung entfällt. Der Anbieter darf dann seinerseits auch an neue Händler verkaufen. Der Markt ist recht dynamisch: Zwei Unternehmen sind erst kürzlich in den Markt eingetreten, und es gibt verschiedene technische Neuerungen. Die Wettbewerber haben Marktanteile zwischen 5 % und 25 % und modernisieren zudem ihre Produkte.

Da der Alleinvertrieb von begrenzter Dauer ist und den Händlern hilft, ihre Investitionen zu amortisieren und ihre ersten Verkaufsanstrengungen auf eine bestimmte Kundengruppe zu konzentrieren, um das Geschäft kennenzulernen, und da mögliche wettbewerbswidrige Auswirkungen in einem dynamischen Markt begrenzt erscheinen, dürften die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV in diesem Fall erfüllt sein.

4.6.2.   Selektive Vertriebssysteme

4.6.2.1.   Definition von selektiven Vertriebssystemen

(143)

In einem selektiven Vertriebssystem nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe g der Verordnung (EU) 2022/720 verpflichtet sich der Anbieter, die Vertragswaren oder -dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar nur an Händler zu verkaufen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt werden. Diese Händler verpflichten sich, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen sind.

(144)

Die vom Anbieter für die Auswahl der Händler angewandten Kriterien können qualitativer und/oder quantitativer Art sein. Mit quantitativen Kriterien wird die Zahl der Händler unmittelbar begrenzt, indem beispielsweise eine feste Zahl von Händlern vorgeschrieben wird. Qualitative Kriterien begrenzen die Zahl der Händler mittelbar durch Bedingungen, die nicht von allen Händlern erfüllt werden können und die sich beispielsweise auf die Palette der zu verkaufenden Produkte, die Schulung des Verkaufspersonals, die an der Verkaufsstelle zu erbringenden Dienstleistungen, die Werbung für das Produkt sowie dessen Darstellung beziehen. Qualitative Kriterien können sich auf die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen wie Bekämpfung des Klimawandels, Umweltschutz oder Begrenzung des Verbrauchs natürlicher Ressourcen beziehen. Anbieter könnten beispielsweise von den Händlern verlangen, dass sie in ihren Verkaufsstellen Ladestationen oder Recyclingeinrichtungen anbieten oder dafür sorgen, dass die Auslieferung der Waren auf nachhaltige Weise, beispielsweise per Lastenfahrrad statt Kraftfahrzeug, erfolgt.

(145)

Selektive Vertriebssysteme sind mit Alleinvertriebssystemen insoweit vergleichbar, als sie die Anzahl der zugelassenen Händler und die Möglichkeiten des Weiterverkaufs beschränken. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Arten von Vertriebssystemen besteht in der Art des Schutzes, der dem Händler gewährt wird. In einem Alleinvertriebssystem ist der Händler vor aktiven Verkäufen von außerhalb des ihm exklusiv zugewiesenen Gebiets geschützt, während er in einem selektiven Vertriebssystem vor aktiven und passiven Verkäufe durch nicht zum Vertrieb zugelassene Händler geschützt ist.

4.6.2.2.   Anwendung des Artikels 101 AEUV auf selektive Vertriebssysteme

(146)

Zu den möglichen Gefahren für den Wettbewerb zählen bei selektiven Vertriebssystemen ein Verlust an markeninternem Wettbewerb und – vor allem bei Vorliegen einer kumulativen Wirkung – der Ausschluss bestimmter Arten von Händlern sowie die Abschwächung des Wettbewerbs und die Erleichterung von Kollusion unter Anbietern oder Abnehmern, da die Anzahl der Abnehmer begrenzt wird.

(147)

Um die Vereinbarkeit eines selektiven Vertriebssystems mit Artikel 101 AEUV beurteilen zu können, muss zunächst festgestellt werden, ob das System unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt. Hierfür muss eine Unterscheidung getroffen werden zwischen rein qualitativem Selektivvertrieb und quantitativem Selektivvertrieb.

(148)

Ein rein qualitativer Selektivvertrieb fällt unter Umständen nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV, sofern die vom Gerichtshof der Europäischen Union im Metro-Urteil (83) festgelegten drei Voraussetzungen (sogenannte „Metro-Kriterien“) erfüllt sind. Sind diese Kriterien erfüllt, kann davon ausgegangen werden, dass die mit dem selektiven Vertrieb verknüpfte Beschränkung des markeninternen Wettbewerbs durch eine Verbesserung des Qualitätswettbewerbs zwischen den Marken ausgeglichen wird (84).

(149)

Die drei Metro-Kriterien lassen sich wie folgt zusammenfassen: Erstens muss die Beschaffenheit der fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen selektiven Vertrieb notwendig machen. Das heißt, ein solches Vertriebssystem muss ein legitimes Erfordernis zur Wahrung der Qualität und zur Sicherstellung des richtigen Gebrauchs des betreffenden Produkts sein. So kann beispielsweise bei hochwertigen oder hochtechnologischen Produkten (85) oder Luxuswaren der Einsatz eines selektiven Vertriebs gerechtfertigt sein (86). Die Qualität derartiger Waren kann sich nicht nur aus ihren Materialeigenschaften, sondern auch aus ihrer luxuriösen Ausstrahlung ergeben. Daher kann die Errichtung eines selektiven Vertriebssystems, das sicherstellen soll, dass die Waren in einer Weise dargeboten werden, die zu ihrer luxuriösen Ausstrahlung beiträgt, zur Wahrung ihrer Qualität notwendig sein (87). Zweitens müssen die Wiederverkäufer aufgrund objektiver Kriterien qualitativer Art ausgewählt werden, die einheitlich für alle infrage kommenden Wiederverkäufer festzulegen und unterschiedslos anzuwenden sind. Drittens dürfen die aufgestellten Kriterien nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist (88).

(150)

Bei der Prüfung, ob die Metro-Kriterien erfüllt sind, ist nicht nur eine allgemeine Beurteilung der fraglichen selektiven Vertriebsvereinbarungen erforderlich, sondern es ist auch jede potenziell einschränkende Klausel der Vereinbarung separat zu untersuchen (89). Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die einschränkende Klausel im Hinblick auf das Ziel des selektiven Vertriebssystems verhältnismäßig ist oder ob sie über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinausgeht (90). Kernbeschränkungen erfüllen diese Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht. Umgekehrt kann es beispielsweise verhältnismäßig sein, wenn ein Anbieter von Luxuswaren seinen zugelassenen Händlern die Nutzung von Online-Marktplätzen untersagt, solange dies einen zugelassenen Händler nicht indirekt an einer wirksamen Nutzung des Internets für den Verkauf der Waren in bestimmte Gebiete oder an bestimmte Kunden hindert (91). Ein solches Verbot der Nutzung von Online-Marktplätzen schränkt Verkäufe in bestimmte Gebiete oder an bestimmte Kunden insbesondere dann nicht ein, wenn es dem zugelassenen Händler weiterhin freisteht, seinen eigenen Online-Shop zu betreiben und online zu werben, um auf seine Online-Aktivitäten aufmerksam zu machen und potenzielle Kunden anzuziehen (92). In diesem Fall fällt die einschränkende Klausel, sofern sie verhältnismäßig ist, nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV und eine weitere Prüfung ist nicht erforderlich.

(151)

Qualitative und/oder quantitative selektive Vertriebsvereinbarungen können ungeachtet dessen, ob sie die Metro-Kriterien erfüllen, unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen, sofern die Marktanteile des Anbieters und des Abnehmers 30 % nicht übersteigen und die Vereinbarung keine Kernbeschränkungen enthält (93). Der Rechtsvorteil der Freistellung geht nicht verloren, wenn der selektive Vertrieb mit anderen vertikalen Beschränkungen – mit Ausnahme von Kernbeschränkungen – wie Wettbewerbsverboten gemäß der Definition in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung (EU) 2022/720 verbunden werden. Die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung gilt ungeachtet der Beschaffenheit der betroffenen Produkte und der Art der Auswahlkriterien. Darüber hinaus ist der Anbieter nicht zur Veröffentlichung seiner Auswahlkriterien verpflichtet (94).

(152)

Schränkt in einem bestimmten Fall eine selektive Vertriebsvereinbarung, die unter die Gruppenfreistellung fällt, auf der Anbieter- oder Händlerstufe den Wettbewerb spürbar ein und erzeugt sie keine Effizienzgewinne, die die Auswirkungen der Wettbewerbsbeschränkung aufwiegen, weil beispielsweise zwischen den Auswahlkriterien und den Produktmerkmalen keine Verbindung besteht, oder weil sie zur Verbesserung des Produktvertriebs nicht erforderlich sind, kann ihr der Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung entzogen werden.

4.6.2.3.   Hinweise zur Einzelfallprüfung selektiver Vertriebsvereinbarungen

(153)

Außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) 2022/720 ist die Marktstellung des Anbieters und seiner Wettbewerber für die Würdigung möglicher wettbewerbswidriger Auswirkungen von größter Bedeutung, da der Verlust an markeninternem Wettbewerb grundsätzlich nur dann zu einem Problem wird, wenn der Wettbewerb zwischen den Marken begrenzt ist (95). Je stärker die Marktstellung des Anbieters, insbesondere über der Schwelle von 30 %, desto größer ist die Gefahr für den Wettbewerb durch den Verlust an markeninternem Wettbewerb. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Anzahl der selektiven Vertriebsnetze, die in ein und demselben relevanten Markt bestehen. Bedient sich nur ein Anbieter auf dem Markt eines selektiven Vertriebssystems, hat der quantitative Selektivvertrieb gewöhnlich keine wettbewerbswidrigen Auswirkungen. In der Praxis wird diese Vertriebsmethode allerdings häufig gleichzeitig von mehreren Anbietern in einem bestimmten Markt angewandt (kumulative Wirkung).

(154)

Im Falle einer kumulativen Wirkung ist die Marktstellung der Anbieter zu berücksichtigen, die selektiven Vertrieb betreiben. Wird selektiver Vertrieb von der Mehrheit der führenden Anbieter auf einem Markt genutzt, kann dies zum Ausschluss bestimmter Arten von Händlern wie beispielsweise Discountern führen. Die Gefahr, dass leistungsfähigere Händler vom Markt ausgeschlossen werden, ist beim selektiven Vertrieb größer als beim Alleinvertrieb, da in einem selektiven Vertriebssystem der Verkauf an nicht zugelassene Händler Beschränkungen unterliegt. Diese Beschränkung soll selektiven Vertriebssystemen einen geschlossenen Charakter verleihen, in dem nur die zugelassenen Händler, die die Kriterien erfüllen, Zugang zum Produkt haben und das nicht zugelassenen Händlern die Beschaffung des Produkts unmöglich macht. Deshalb ist der selektive Vertrieb ein besonders geeignetes Mittel, um dem Wettbewerbsdruck zu entgehen, den Discountbetriebe (ob Offline- oder reine Online-Händler) auf die Gewinnspannen des Herstellers und der Vertragshändler ausüben. Der Ausschluss solcher Vertriebsformate, ob aufgrund kumulativer Anwendung des selektiven Vertriebs oder aufgrund dessen Anwendung durch einen einzelnen Anbieter mit einem Marktanteil von über 30 %, reduziert Möglichkeiten der Verbraucher, die mit diesen Vertriebsformaten verbundenen Vorteile wie niedrigere Preise, mehr Transparenz und besserer Zugang zum Produkt in Anspruch zu nehmen.

(155)

Soweit einzelne selektive Vertriebsnetze unter die in der Verordnung (EU) 2022/720 vorgesehene Freistellung fallen, kann der Entzug der Gruppenfreistellung oder die Nichtanwendung der Verordnung (EU) 2022/720 in Betracht gezogen werden, wenn solche Netze kumulative wettbewerbswidrige Auswirkungen hervorrufen. Solche kumulativen wettbewerbswidrigen Auswirkungen sind jedoch unwahrscheinlich, wenn solche Systeme weniger als 50 % eines Marktes abdecken. Wettbewerbsrechtliche Bedenken sind auch dann unwahrscheinlich, wenn die Marktabdeckung 50 % übersteigt, der gemeinsame Marktanteil der fünf größten Anbieter jedoch nicht höher als 50 % ist. Werden beide Schwellen – 50 % Marktanteil der fünf größten Anbieter und 50 % Marktabdeckungsquote – überschritten, richtet sich die Bewertung danach, ob alle fünf Anbieter selektiven Vertrieb anwenden. Je stärker die Wettbewerber sind, die sich nicht des selektiven Vertriebs bedienen, desto unwahrscheinlicher ist der Ausschluss anderer Vertriebshändler vom Markt. Wettbewerbsrechtliche Bedenken können dann entstehen, wenn sich alle fünf großen Anbieter des selektiven Vertriebs bedienen. Dies wäre wahrscheinlich dann der Fall, wenn die von den größten Anbietern geschlossenen Vereinbarungen quantitative Auswahlkriterien enthalten, die die Zahl der zugelassenen Händler unmittelbar begrenzen, oder wenn die angewandten qualitativen Kriterien bestimmte Vertriebsformate ausschließen (z. B. die Bedingung, dass der Händler über eine oder mehrere physische Verkaufsstätten verfügen oder bestimmte Dienstleistungen erbringen muss, die üblicherweise nur im Rahmen einer bestimmten Vertriebsform erbracht werden können).

(156)

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV erfüllt werden, ist eher gering, wenn die zur kumulativen Wirkung beitragenden Selektivvertriebssysteme den Zugang neuer Vertriebshändler (insbesondere Discounter oder reine Internethändler, die den Verbrauchern niedrigere Preise anbieten), die in der Lage sind, die fraglichen Produkte angemessen zu verkaufen, zum Markt verwehren und dadurch den Vertrieb zugunsten bestimmter bestehender Vertriebskanäle und zum Schaden der Endverbraucher einschränken. Indirektere Formen des quantitativen Selektivvertriebs, die sich z. B. aus der Verknüpfung rein qualitativer Kriterien mit der Vorgabe eines Mindestwerts für die jährliche Bezugsmengen der Händler ergeben, dürften insbesondere dann mit weniger negativen Auswirkungen verbunden sein, wenn der vorgegebene Mindestwert keinen erheblichen Teil des vom Händler erzielten Umsatzes aus dem Verkauf des betreffenden Produkts ausmacht und nicht über das hinausgeht, was für den Anbieter notwendig ist, um seine vertragsspezifischen Investitionen zu amortisieren und/oder Größenvorteile im Vertrieb zu erzielen. Bei Anbietern mit einem Marktanteil von weniger als 5 % wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass sie keinen erheblichen Beitrag zu einer kumulativen Wirkung leisten.

(157)

Marktzutrittsschranken sind hauptsächlich beim Marktausschluss von nicht zugelassenen Händlern von Bedeutung. Sie dürften in der Regel hoch sein, wenn selektiver Vertrieb von Markenproduktherstellern praktiziert wird, da es im Allgemeinen viel Zeit und erhebliche Investitionen seitens der vom selektiven Vertriebssystem ausgeschlossenen Händler erfordert, eigene Marken auf den Markt zu bringen oder ihren Bedarf bei konkurrierenden Quellen zu decken.

(158)

Nachfragemacht kann das Risiko der Kollusion zwischen Händlern erhöhen. Händler mit einer starken Marktposition können die Anbieter anhalten, Auswahlkriterien anzuwenden, die neue und leistungsfähigere Händler vom Zugang zum Markt ausschließen. Nachfragemacht kann folglich bei der Beurteilung möglicher wettbewerbswidriger Wirkungen des selektiven Vertriebs stark ins Gewicht fallen. Zu einem Ausschluss leistungsfähigerer Händler vom Markt kann es kommen, wenn eine gut aufgestellte Händlerorganisation einem Anbieter Kriterien aufdrängt, um den Vertrieb zum Vorteil ihrer Mitglieder einzuschränken.

(159)

Nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2022/720 darf der Anbieter den Vertragshändlern weder unmittelbar noch mittelbar untersagen, die Marken bestimmter konkurrierender Anbieter zu verkaufen. Mit dieser Bestimmung soll einer Kollusion auf horizontaler Ebene entgegengewirkt werden, die bezweckt, dass führende Anbieter durch die Schaffung einer exklusiven Gruppe von Marken bestimmte Marken vom Markt ausschließen. Es ist unwahrscheinlich, dass eine solche Verpflichtung freistellungsfähig ist, wenn der gemeinsame Marktanteil der fünf größten Anbieter 50 % oder mehr beträgt, es sei denn, keiner der Anbieter, die eine Verpflichtung dieser Art auferlegen, gehört zu den fünf größten Anbietern auf dem Markt.

(160)

Wettbewerbsrechtliche Bedenken bezüglich des Ausschlusses anderer Anbieter stellen sich im Allgemeinen nicht, solange es anderen Anbietern nicht verwehrt wird, dieselben Händler einzusetzen; dies kann zum Beispiel eintreten, wenn ein selektives Vertriebssystem mit Markenzwang einhergeht. Bei einem dichten Vertragshändlernetz oder im Falle einer kumulativen Wirkung kann eine Kombination aus selektivem Vertrieb und Wettbewerbsverbot den Ausschluss anderer Anbieter vom Markt bewirken. In diesem Fall gelten die in Abschnitt 8.2.1 aufgeführten Hinweise zum Markenzwang. Selbst wenn selektiver Vertrieb nicht mit einem Wettbewerbsverbot verknüpft ist, kann der Ausschluss konkurrierender Anbieter vom Markt Probleme aufwerfen. Dies ist der Fall, wenn die führenden Anbieter nicht nur rein qualitative Auswahlkriterien anwenden, sondern ihren Händlern auch bestimmte zusätzliche Verpflichtungen auferlegen, in deren Rahmen diese beispielsweise den Produkten der Anbieter ein Minimum an Regalfläche vorbehalten oder gewährleisten müssen, dass ein bestimmter Anteil am Gesamtumsatz des Händlers auf den Absatz ihrer Produkte entfällt. Das Problem dürfte sich nicht stellen, wenn nicht mehr als 50 % des Marktes durch selektive Vertriebssysteme abgedeckt sind oder – im Falle einer höheren Abdeckungsquote – die Summe der Marktanteile der fünf größten Anbieter nicht mehr als 50 % beträgt.

(161)

Die Einschätzung der Marktdynamik ist wichtig, denn in einem Markt mit wachsender Nachfrage, immer neuen Techniken und sich verändernden Marktstellungen der Unternehmen sind negative Auswirkungen weniger wahrscheinlich als in reifen Märkten.

(162)

Selektiver Vertrieb kann effizient sein, wenn aufgrund von Größenvorteilen beim Transport Logistikkosten eingespart werden können, und zwar unabhängig von der Beschaffenheit des Produkts (siehe Randnummer (16), Buchstabe g)). Diese Art von Effizienz ist jedoch in selektiven Vertriebssystemen in der Regel nur geringfügig gegeben. Für die Beurteilung, ob selektiver Vertrieb gerechtfertigt ist, um das Trittbrettfahrerproblem zwischen Händlern zu lösen (siehe Randnummer 16 Buchstabe b) oder zur Schaffung oder Wahrung eines Markenimages beizutragen (siehe Randnummer 16 Buchstabe h), ist vor allem die Beschaffenheit des Produkts von Bedeutung. Im Allgemeinen dürfte der Einsatz selektiver Vertriebssysteme zur Erzielung von Effizienzgewinnen dieser Art am ehesten bei neuen und bei komplexen Produkten sowie bei Produkten, deren Qualitätseigenschaften vor dem Verbrauch (sogenannte Erfahrungsgüter) oder sogar nach dem Verbrauch (sogenannte Vertrauensgüter) schwierig zu beurteilen sind, gerechtfertigt sein. Die Verknüpfung von selektivem Vertrieb mit einer Standortklausel, die einen Vertragshändler vor dem Wettbewerb anderer Vertragshändler schützen soll, die ein Geschäft in dessen Nähe eröffnen, dürfte vor allem dann die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen, wenn sie zum Schutz erheblicher vertragsspezifischer Investitionen des Vertragshändlers erforderlich ist (siehe Randnummer 16 Buchstabe e). Damit jeweils die Beschränkung angewandt wird, die den Wettbewerb am wenigsten beeinträchtigt, ist zu prüfen, ob sich dieselben Effizienzgewinne bei vergleichbarem Kostenaufwand nicht auch auf andere Weise – beispielsweise allein durch Service-Anforderungen – erzielen lassen.

(163)

Es folgt ein Beispiel für einen quantitativen selektiven Vertrieb.

Auf einem Markt für langlebige Konsumgüter verkauft Markenhersteller A, der Marktführer mit einem Marktanteil von 35 % ist, sein Produkt über ein selektives Vertriebssystem an die Verbraucher. Seine Vertragshändler müssen mehrere Kriterien erfüllen: Sie müssen geschultes Personal beschäftigen und Kundenbetreuung vor dem Verkauf bieten, in den Geschäftsräumen muss es einen besonderen Bereich für den Verkauf des Produkts und ähnlicher Spitzentechnologieprodukte geben und es muss im Geschäft eine breite Palette von Modellen des Anbieters angeboten und auf ansprechende Weise aufgestellt werden. Darüber hinaus ist die Anzahl der Händler, die zu dem Vertriebssystem zugelassen werden können, insofern direkt beschränkt, als eine Höchstzahl von Händlern je Einwohnerzahl eines Bezirks oder eines Stadtgebiets festgelegt wurde. Hersteller A hat sechs Wettbewerber auf dem Markt. Seine größten Wettbewerber sind die Markenhersteller B, C und D mit Marktanteilen von 25 %, 15 % bzw. 10 %, während die anderen Hersteller kleinere Marktanteile haben. A ist der einzige Hersteller, der sich des selektiven Vertriebs bedient. Die Vertragshändler für Marke A bieten stets auch einige konkurrierende Marken an. Diese werden aber auch in sehr vielen Geschäften verkauft, die nicht dem selektiven Vertriebssystem des Herstellers A angeschlossen sind. Die Vertriebswege sind dabei unterschiedlich: Die Marken B und C werden beispielsweise hauptsächlich in den von A zugelassenen Läden verkauft, aber auch in anderen Geschäften, die hochwertigen Service bieten, sowie in Verbrauchergroßmärkten. Marke D wird hauptsächlich in Geschäften mit hochwertigem Service verkauft. Die Technologie entwickelt sich auf diesem Markt recht schnell, und die großen Anbieter sichern ihren Produkten durch Werbung ein wirksames Qualitätsimage.

Das selektive Vertriebssystem deckt hier 35 % des Markts ab. Der Markenwettbewerb wird durch das Vertriebssystem von A nicht unmittelbar beeinträchtigt. Der markeninterne Wettbewerb in Bezug auf Marke A ist möglicherweise reduziert; die Verbraucher haben aber Zugang zu Einzelhändlern mit wenig Service und niedrigen Preisen, die die Marken B und C anbieten, deren Qualitätsimage mit dem von Marke A vergleichbar ist. Auch ist anderen Marken der Zugang zu Einzelhändlern mit hoher Serviceleistung nicht verschlossen, da die Möglichkeiten für zugelassene Händler, konkurrierende Marken anzubieten, nicht eingeschränkt sind und die aufgrund quantitativer Kriterien vorgenommene Begrenzung der Anzahl der Händler für Marke A dazu führt, dass für konkurrierende Marken andere Einzelhändler mit hochwertigem Service zur Verfügung stehen. In Anbetracht der Service-Anforderungen und der Effizienzgewinne, die diese wahrscheinlich hervorbringen, sowie angesichts der begrenzten Auswirkungen auf den markeninternen Wettbewerb sind die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV wahrscheinlich erfüllt.

(164)

Es folgt ein Beispiel für den selektiven Vertrieb mit kumulativen Auswirkungen.

Auf einem Markt für einen bestimmten Sportartikel gibt es sieben Hersteller mit einem Marktanteil von 25 %, 20 %, 15 %, 15 %, 10 %, 8 % bzw. 7 %. Während die fünf größten Hersteller ihre Produkte im Wege des selektiven Vertriebs absetzen, bedienen sich die beiden kleinsten Hersteller anderer Vertriebssysteme, sodass 85 % des Marktes durch selektiven Vertrieb abgedeckt werden. Die Kriterien für die Zulassung zu den selektiven Vertriebssystemen der einzelnen Hersteller sind einheitlich: Die Händler müssen über eine oder mehrere physische Verkaufsstätten verfügen; diese Geschäfte müssen geschultes Personal beschäftigen und Kundenberatung vor dem Verkauf bieten; es muss im Geschäft einen besonderen Bereich für den Verkauf des betreffenden Produkts geben, der eine bestimmte Mindestgröße haben muss. Darüber hinaus muss in dem Geschäft eine breite Palette von Produkten der fraglichen Marke angeboten und das Produkt auf ansprechende Weise dargeboten werden; das Geschäft muss in einer Geschäftsstraße liegen, und die betreffende Produktart muss mindestens 30 % des Gesamtumsatzes des Geschäfts ausmachen. Im Allgemeinen ist ein und derselbe Händler Vertragshändler für alle fünf Marken. Die beiden Hersteller, die ohne Selektivvertrieb arbeiten, nutzen in der Regel weniger spezialisierte Einzelhändler mit wenig Service für den Verkauf ihrer Produkte. Der Markt ist sowohl angebots- als auch nachfrageseitig stabil; Produktdifferenzierung und Markenimage sind sehr ausgeprägt. Während die fünf Marktführer über ein gutes Markenimage verfügen, das durch Werbung und Sponsoring aufgebaut wurde, zielt die Absatzstrategie der beiden kleinen Hersteller auf preisgünstigere Produkte ohne besonderes Markenimage ab.

Auf diesem Markt ist allgemeinen Discountern und reinen Internethändlern der Zugang zu den fünf führenden Marken verwehrt. Der Grund hierfür ist, dass die Vorgabe, dass das Produkt mindestens 30 % der Tätigkeit des Händlers ausmacht, und die Kriterien in Bezug auf Präsentation und Kundenbetreuung vor dem Verkauf die meisten Discounter vom Vertragshändlernetz ausschließen. Außerdem schließt die Bedingung, dass Händler über eine oder mehrere physische Verkaufsstätten verfügen müssen, reine Internethändler vom Händlernetz aus. Die Verbraucher haben infolgedessen nur die Wahl, die fünf führenden Marken in Läden mit hoher Serviceleistung und hohen Preisen zu kaufen. Dies hat einen Verlust an Wettbewerb zwischen den fünf führenden Marken zur Folge. Der Umstand, dass die Marken der zwei kleinsten Hersteller in Läden mit wenig Service und niedrigen Preisen gekauft werden können, fängt den Verlust nicht auf, weil die Marken der fünf Marktführer ein viel besseres Image haben. Der Markenwettbewerb wird auch dadurch eingeschränkt, dass ein und derselbe Händler gleichzeitig mehrere Marken vertreibt. Obwohl markeninterner Wettbewerb bis zu einem gewissen Grad vorhanden und die Anzahl der Händler nicht direkt begrenzt ist, sind die Kriterien doch so streng, dass für den Vertrieb der fünf führenden Marken in jedem Gebiet nur eine kleine Anzahl von Händlern zur Verfügung steht.

Die mit diesen quantitativen Selektivvertriebssystemen verbundenen Effizienzgewinne sind gering: Das Produkt ist nicht sehr komplex und rechtfertigt keinen besonders hochwertigen Service. Sofern die Hersteller nicht nachweisen können, dass ihre selektiven Vertriebssysteme mit eindeutigen Effizienzgewinnen einhergehen, ist es wahrscheinlich, dass der Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung entzogen werden muss, da die kumulativen wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen geringere Wahlmöglichkeiten und höhere Preise für die Verbraucher mit sich bringen.

4.6.3.   Franchising

(165)

Franchisevereinbarungen beinhalten Lizenzen für insbesondere Marken oder Zeichen und Know-how betreffende Rechte des geistigen Eigentums zum Zweck der Nutzung und des Vertriebs von Waren oder Dienstleistungen. Neben der Lizenz für die Nutzung der Rechte des geistigen Eigentums gewährt der Franchisegeber dem Franchisenehmer während der Laufzeit der Vereinbarung in der Regel geschäftliche oder technische Unterstützung. Die Lizenzgabe und die geschäftliche oder technische Unterstützung sind feste Bestandteile des Franchising-Geschäftskonzepts. Der Franchisegeber erhält in der Regel eine Franchisegebühr vom Franchisenehmer für die Nutzung eines bestimmten Geschäftskonzepts. Franchisevereinbarungen können es dem Franchisegeber ermöglichen, mit einem begrenzten Investitionsaufwand ein einheitliches Netz für den Vertrieb seiner Produkte aufzubauen. Neben der Bereitstellung des Geschäftskonzepts enthalten Franchisevereinbarungen in der Regel eine Kombination unterschiedlicher vertikaler Beschränkungen hinsichtlich der Produkte, die vertrieben werden, beispielsweise Selektivvertrieb und/oder Wettbewerbsverbote.

(166)

Franchising (mit Ausnahme von Herstellungsfranchising) weist einige besondere Merkmale auf, beispielsweise die Verwendung eines einheitlichen Geschäftsnamens, einheitliche Geschäftskonzepte (einschließlich der Lizenzierung von Rechten des geistigen Eigentums) und die Zahlung von Gebühren für die gewährten Vorteile. Angesichts dieser Merkmale können Bestimmungen, die für das Funktionieren solcher Franchisesysteme unbedingt notwendig sind, als nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallend angesehen werden. Dies betrifft beispielsweise Beschränkungen, die den Franchisenehmer daran hindern, das Know-how und die Unterstützung des Franchisegebers zum Vorteil von dessen Wettbewerbern zu nutzen (96), oder Wettbewerbsverbote in Bezug auf die vom Franchisenehmer erworbenen Waren oder Dienstleistungen, die zum Erhalt der Einheitlichkeit und des Rufs des Franchisenetzes erforderlich sind. Im letzteren Fall ist die Dauer des Wettbewerbsverbots irrelevant, sofern sie nicht über die Laufzeit der Franchisevereinbarung selbst hinausgeht.

(167)

Franchisevereinbarungen können unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen, sofern weder der Marktanteil des Anbieters noch der des Abnehmers 30 % übersteigt. Unter der Randnummer (174) werden Orientierungshilfen für die Berechnung von Marktanteilen im Zusammenhang mit Franchising gegeben. Die in Franchisevereinbarungen enthaltene Lizensierung von Rechten des geistigen Eigentums wird unter den Randnummern (71) bis (87) behandelt. In Franchisevereinbarungen enthaltene vertikale Beschränkungen werden anhand der Grundsätze beurteilt, die für das Vertriebssystem gelten, das der betreffenden Franchisevereinbarung am ähnlichsten ist. Franchisevereinbarungen, durch die ein geschlossenes Netz entsteht, in dem den Franchisenehmern der Verkauf an Nicht-Franchisenehmer verboten ist, sind zum Beispiel nach den für den selektiven Vertrieb geltenden Grundsätzen zu beurteilen. Für die Beurteilung von Franchisevereinbarungen, die kein geschlossenes Netz schaffen, aber Gebietsschutz und Schutz vor aktivem Verkauf durch andere Franchisenehmer gewähren, sind dagegen die für den Alleinvertrieb geltenden Grundsätze maßgeblich.

(168)

Für Franchisevereinbarungen, die nicht von der Verordnung (EU) 2022/720 erfasst werden, ist eine Einzelfallprüfung nach Artikel 101 AEUV erforderlich. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass es, je bedeutender der Transfer von Know-how, desto wahrscheinlicher ist, dass durch die vertikalen Beschränkungen Effizienzgewinne geschaffen werden und/oder diese für den Schutz des Know-hows unerlässlich sind und somit die Beschränkungen die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen.

(169)

Es folgt ein Beispiel für Franchising.

Ein Hersteller hat eine neue Form des Bonbonverkaufs in sogenannten „Fun Shops“ entwickelt, in denen die Bonbons nach den Wünschen der Verbraucher gefärbt werden können. Der Bonbonhersteller hat auch die Maschinen zum Bonbonfärben entwickelt und stellt selbst die nötigen Lebensmittelfarben her, deren Qualität und Frische für die Produktion guter Bonbons von entscheidender Bedeutung sind. Der Hersteller hat seine Bonbons erfolgreich vermarktet, indem er sie über eine Reihe von eigenen Einzelhandelsgeschäften absetzte, die alle unter demselben Markennamen firmierten und ein einheitliches „Fun“-Image verbreiteten (beispielsweise ein einheitliches Design der Läden und Werbung). Zur Umsatzsteigerung lancierte der Bonbonhersteller ein Franchisesystem. Um eine einheitliche Produktqualität und identische Aufmachung der Läden sicherzustellen, sind die Franchisenehmer verpflichtet, Bonbons, Lebensmittelfarben und Färbemaschine vom Hersteller zu kaufen, unter demselben Markennamen zu firmieren, eine Franchisegebühr zu entrichten, zur gemeinsamen Werbung beizutragen und die Vertraulichkeit der vom Franchisegeber erstellten Betriebsanleitung zu gewährleisten. Außerdem dürfen sie nur in den anerkannten Räumlichkeiten und nur an Endverbraucher oder andere Franchisenehmer verkaufen. Der Verkauf markenfremder Bonbons ist ihnen untersagt. Der Franchisegeber verpflichtet sich, in einem bestimmten Vertragsgebiet keine anderen Franchisenehmer zu benennen oder selbst ein Einzelhandelsgeschäft zu betreiben. Er ist ferner verpflichtet, seine Produkte, die Geschäftsperspektiven und die Betriebsanleitung zu aktualisieren bzw. weiterzuentwickeln und diese Verbesserungen allen Franchisenehmern zur Verfügung zu stellen. Die Franchisevereinbarungen werden für zehn Jahre abgeschlossen.

Bonbon-Einzelhändler kaufen ihre Ware im Inland ein, und zwar entweder von inländischen Herstellern, die sich auf die Geschmackspräferenzen der Verbraucher des betreffenden Landes eingestellt haben, oder von Großhändlern, die die Bonbons neben inländischen auch von ausländischen Herstellern beziehen. Auf dem Markt konkurrieren die Produkte des Franchisegebers mit einer Reihe nationaler und internationaler Bonbonmarken, die teilweise von großen diversifizierten Nahrungsmittelkonzernen hergestellt werden. Bei Maschinen zum Einfärben von Lebensmitteln hält der Franchisegeber einen Marktanteil von weniger als 10 %. Auf den Franchisegeber entfallen 30 % aller Bonbons, die an Einzelhändler verkauft werden. Es bestehen viele Bonbonverkaufsstellen in Form von Tabakläden, Lebensmittelläden, Cafeterias und Süßwarengeschäften.

Bei den meisten der in den Franchisevereinbarungen enthaltenen Verpflichtungen kann davon ausgegangen werden, dass sie notwendig sind, um Rechte des geistigen Eigentums zu schützen bzw. die Einheitlichkeit und den Ruf des Franchisenetzes zu erhalten, sodass sie nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen. Die Beschränkungen in Bezug auf den Verkauf (z. B. die Zuweisung eines Vertragsgebiets und selektiver Vertrieb) sind ein Anreiz für die Franchisenehmer, in das Franchisekonzept und die Färbemaschine zu investieren, und tragen dazu bei, die Einheitlichkeit des Netzes zu bewahren und damit den Verlust an markeninternem Wettbewerb auszugleichen. Das Wettbewerbsverbot, durch das anderen Bonbonmarken der Zugang zu den Geschäften für die gesamte Vertragsdauer verwehrt wird, ermöglicht es dem Franchisegeber, die Läden einheitlich zu gestalten und zu vermeiden, dass Wettbewerber von seinem Markennamen profitieren. Da andere Bonbonhersteller auf eine sehr große Zahl potenzieller Verkaufsstätten zurückgreifen können, hat das Verbot keine gravierende Marktabschottung zur Folge. Folglich dürften die Franchisevereinbarungen die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 erfüllen, soweit sie unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen.

5.   MARKTABGRENZUNG UND BERECHNUNG DER MARKTANTEILE

5.1.   Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes

(170)

Die Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes enthält Orientierungshilfen zu den Regeln, Kriterien und Nachweisen, die die Kommission bei der Abgrenzung des betroffenen Marktes an- bzw. verwendet. Daher sollte der relevante Markt für die Zwecke der Anwendung des Artikels 101 AEUV auf vertikale Vereinbarungen auf der Grundlage dieser Orientierungshilfen und künftiger Orientierungshilfen bezüglich der Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Union abgegrenzt werden; dies schließt Leitlinien ein, die in Zukunft an die Stelle der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes treten könnten. In den vorliegenden Leitlinien werden nur Fragen angesprochen, die sich im Zusammenhang mit der Anwendung der Verordnung (EU) 2022/720 ergeben und nicht in der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes behandelt werden.

5.2.   Berechnung der Marktanteile nach der Verordnung (EU) 2022/720

(171)

Nach Artikel 3 der Verordnung (EU) 2022/720 ist für die Bestimmung der Anwendbarkeit der Gruppenfreistellung der Marktanteil sowohl des Anbieters als auch des Abnehmers maßgebend. Die Verordnung (EU) 2022/720 findet nur Anwendung, wenn sowohl der Anteil des Anbieters an dem Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen an den Abnehmer verkauft, als auch der Anteil des Abnehmers an dem Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen bezieht, höchstens 30 % beträgt. Für Vereinbarungen zwischen KMU ist es in der Regel nicht notwendig, Marktanteile zu berechnen (siehe Randnummer (28)).

(172)

Auf der Vertriebsebene betreffen vertikale Beschränkungen zumeist nicht nur den Verkauf von Produkten oder Dienstleitungen durch den Anbieter an den Abnehmer, sondern auch den Weiterverkauf dieser Produkte. Da in der Regel unterschiedliche Vertriebsformen miteinander im Wettbewerb stehen, werden die Märkte im Allgemeinen nicht anhand der angewandten Vertriebsform, d. h. Alleinvertrieb, selektiver Vertrieb oder freier Vertrieb, abgegrenzt. In Branchen, in denen Anbieter im Allgemeinen ganze Produktpaletten verkaufen, kann die gesamte Palette die Marktabgrenzung bestimmen, wenn die Produktpaletten – und nicht die darin enthaltenen einzelnen Waren oder Dienstleistungen – von den Abnehmern als Substitute angesehen werden.

(173)

Sind an einer vertikalen Vereinbarung drei Unternehmen beteiligt, die auf unterschiedlichen Handelsstufen tätig sind, so darf, damit die Vereinbarung nach der Verordnung (EU) 2022/720 freigestellt ist, ihr jeweiliger Marktanteil 30 % nicht überschreiten. Für den Fall, dass ein Unternehmen (erstes Unternehmen) im Rahmen einer Mehrparteienvereinbarung die Vertragswaren oder -dienstleistungen von einer Vertragspartei bezieht und sie anschließend an eine andere Vertragspartei verkauft, gilt die Freistellung nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2022/720 nur, wenn der Anteil des ersten Unternehmens an dem relevanten Markt sowohl als Anbieter als auch als Abnehmer jeweils nicht mehr als 30 % beträgt. Wenn beispielsweise zwischen einem Hersteller, einem Großhändler (oder einer Einzelhändlervereinigung) und einem Einzelhändler ein Wettbewerbsverbot vereinbart wird, dürfen die Marktanteile des Herstellers und des Großhändlers (bzw. der Einzelhändlervereinigung) auf ihren jeweiligen Angebotsmärkten den Schwellenwert von 30 % nicht überschreiten und der Marktanteil des Großhändlers (oder der Einzelhändlervereinigung) und des Einzelhändlers darf auf ihren jeweiligen Bezugsmärkten nicht mehr als 30 % betragen, damit die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 gilt.

(174)

Enthält die vertikale Vereinbarung über die Lieferung der Vertragswaren oder -dienstleistungen hinaus auch Bestimmungen in Bezug auf Rechte des geistigen Eigentums (beispielweise über die Nutzung der Marke des Anbieters), die dem Abnehmer bei der Vermarktung der Vertragswaren oder -dienstleistungen helfen, so ist für die Anwendung der Verordnung (EU) 2022/720 der Anteil des Anbieters an dem Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkauft, von Bedeutung. Ein Franchisegeber, der keine Waren oder Dienstleistungen zum Weiterverkauf liefert, sondern ein Paket von Waren oder Dienstleistungen in Verbindung mit Bestimmungen über Rechte des geistigen Eigentums bereitstellt, d. h. das Geschäftskonzept, für das das Franchise erteilt wird, muss den Marktanteil zugrunde legen, den er als Anbieter eines Geschäftskonzepts für die Bereitstellung von bestimmten Waren oder Dienstleistungen für Endverbraucher hat. Dazu muss er seinen Anteil an dem Markt berechnen, auf dem das Geschäftskonzept eingesetzt wird, also den Markt, auf dem die Franchisenehmer das Konzept nutzen, um Endverbrauchern Waren oder Dienstleistungen anzubieten. Der Franchisegeber muss daher seinen Marktanteil am Wert der Waren oder Dienstleistungen messen, die die Franchisenehmer auf diesem Markt anbieten. Wettbewerber des Franchisegebers auf Märkten dieser Art können Unternehmen sein, die andere Geschäftskonzepte aufgrund von Franchiseverträgen anbieten, aber auch Anbieter substituierbarer Waren oder Dienstleistungen, die kein Franchising praktizieren. So müsste beispielsweise ein Franchisegeber auf einem Markt für Schnellimbissdienste, sofern ein solcher existiert und unbeschadet der Abgrenzung eines solchen Marktes, seinen Marktanteil anhand der Absatzdaten der betreffenden Franchisenehmer auf diesem Markt ermitteln.

5.3.   Berechnung der Marktanteile nach der Verordnung (EU) 2022/720

(175)

Wie in Artikel 8 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 dargelegt, sollten die Marktanteile des Anbieters und des Abnehmers unter Berücksichtigung sämtlicher Einnahmequellen aus dem Verkauf der Waren oder Dienstleistungen und grundsätzlich auf der Grundlage der jeweiligen Absatz- bzw. Bezugswerte berechnet werden. Liegen keine Angaben über den Absatz- bzw. Bezugswert vor, können Schätzungen vorgenommen werden, die auf anderen verlässlichen Marktdaten wie z. B. Absatz- und Bezugsmengen beruhen.

(176)

Die Eigenproduktion, d. h. die Erzeugung oder Lieferung von Zwischenprodukten (Waren oder Dienstleistungen) für den Eigenverbrauch des Anbieters kann bei der wettbewerbsrechtlichen Untersuchung im Einzelfall relevant sein, wird aber bei der Marktabgrenzung oder der Berechnung des Marktanteils nach der Verordnung (EU) 2022/720 nicht berücksichtigt. In Szenarien des zweigleisigen Vertriebs müssen dagegen nach Artikel 8 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2022/720 bei der Marktabgrenzung und der Berechnung des Marktanteils die Verkäufe von Waren mit einbezogen werden, die der Anbieter über vertikal integrierte Händler und Handelsvertreter erzielte (97). Integrierte Händler sind verbundene Unternehmen im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2022/720.

6.   ANWENDUNG DER VERORDNUNG (EU) 2022/720

6.1.   Kernbeschränkungen nach der Verordnung (EU) 2022/720

(177)

Artikel 4 der Verordnung (EU) 2022/720 enthält eine Liste von Kernbeschränkungen. Dies sind schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkungen, die in den meisten Fällen wegen des Schadens, den sie den Verbrauchern zufügen, verboten werden sollten. Enthält eine vertikale Vereinbarung eine oder mehrere Kernbeschränkungen, wird die Vereinbarung insgesamt aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2022/720 ausgeschlossen.

(178)

Die in Artikel 4 der Verordnung (EU) 2022/720 aufgeführten Kernbeschränkungen gelten für vertikale Vereinbarungen, die den Handel innerhalb der Union betreffen. Soweit vertikale Vereinbarungen Ausfuhren außerhalb der Union oder Importe/Re-Importe von außerhalb der Union betreffen, kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sie eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb der Union bezwecken oder geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten als solchen zu beeinträchtigen (98).

(179)

Kernbeschränkungen nach Artikel 4 der Verordnung (EU) 2022/720 sind in der Regel bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV (99). Bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen handelt es sich um Formen der Koordinierung zwischen Unternehmen, die ihrem Wesen nach als schädlich für das ordnungsgemäße Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden können (100). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union lassen bestimmte Arten der Koordinierung zwischen Unternehmen einen hinreichenden Grad der Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen, sodass sich eine Prüfung ihrer Auswirkungen erübrigen kann (101). Zur Feststellung einer bezweckten Beschränkung ist eine individuelle Beurteilung der betreffenden vertikalen Vereinbarung erforderlich. Bei Kernbeschränkungen handelt es sich dagegen um eine Kategorie von Beschränkungen nach der Verordnung (EU) 2022/720, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie im Allgemeinen zu einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs führen. Daher können vertikale Vereinbarungen, die solche Kernbeschränkungen enthalten, nicht unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen.

(180)

Kernbeschränkungen fallen jedoch nicht zwangsläufig unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV. Ist eine in Artikel 4 der Verordnung (EU) 2022/720 aufgeführte Kernbeschränkung für die Umsetzung einer bestimmten vertikalen Vereinbarung objektiv erforderlich, um beispielsweise die Einhaltung eines behördlichen Verbots des Verkaufs gefährlicher Stoffe an bestimmte Kunden aus Gründen der Sicherheit oder Gesundheit zu gewährleisten, fällt diese Vereinbarung ausnahmsweise nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Kommission bei der Beurteilung einer vertikalen Vereinbarung die folgenden Grundsätze anwenden wird:

a)

Enthält eine vertikale Vereinbarung eine Kernbeschränkung nach Artikel 4 der Verordnung (EU) 2022/720, fällt diese Vereinbarung voraussichtlich unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV.

b)

Enthält eine vertikale Vereinbarung eine Kernbeschränkung nach Artikel 4 der Verordnung (EU) 2022/720, erfüllt diese Vereinbarung voraussichtlich nicht die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV.

(181)

Ein Unternehmen kann im Einzelfall wettbewerbsfördernde Auswirkungen nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV nachweisen (102). Zu diesem Zweck muss das Unternehmen im Rahmen des Nachweises, dass alle Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllt sind, belegen, dass Effizienzgewinne wahrscheinlich sind und dass diese Effizienzgewinne wahrscheinlich aus der Aufnahme der Kernbeschränkung in die Vereinbarung resultieren. Ist dies der Fall, prüft die Kommission die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb, die sich wahrscheinlich aus der Aufnahme der Kernbeschränkung in die Vereinbarung ergeben, bevor sie abschließend beurteilt, ob die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllt sind.

(182)

Anhand der Beispiele in den Randnummern (183) und (184) soll dargestellt werden, wie die Kommission die oben genannten Grundsätze anwenden wird.

(183)

Es folgt ein Beispiel für Querlieferungen zwischen zugelassenen Händlern.

Innerhalb eines selektiven Vertriebssystems müssen Querlieferungen zwischen zugelassenen Händlern möglich sein. (siehe Randnummer (237)). Beschränkungen des aktiven Verkaufs können jedoch unter bestimmten Umständen die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn zugelassene Großhändler, die in verschiedenen Gebieten angesiedelt sind, in dem Gebiet, in dem sie die betreffenden Waren oder Dienstleistungen vertreiben, in verkaufsfördernde Maßnahmen investieren müssen, um den Verkauf von zugelassenen Einzelhändlern zu unterstützen, und es sich als nicht praktikabel erwiesen hat, die erforderlichen verkaufsfördernden Maßnahmen im Vertrag als Verpflichtung festzulegen.

(184)

Es folgt ein Beispiel für eine echte Markterprobung.

Bei einer echten Markterprobung eines neuen Produkts in einem begrenzten Gebiet oder bei einer begrenzten Kundengruppe oder bei einer gestaffelten Einführung eines neuen Produkts können den Händlern, denen der Vertrieb des neuen Produkts auf dem Testmarkt übertragen wurde oder die an der/den ersten Runde(n) der gestaffelten Einführung teilnehmen, Beschränkungen in Bezug auf den aktiven Verkauf außerhalb des Testmarkts oder an Kundengruppen, bei denen das Produkt noch nicht eingeführt wurde, auferlegt werden. Solche Beschränkungen können für den Zeitraum, der für die Markterprobung oder Markteinführung des Produkts erforderlich ist, nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen.

6.1.1.   Preisbindung der zweiten Hand

(185)

Die in Artikel 4 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 beschriebene Kernbeschränkung betrifft die Preisbindung der zweiten Hand, d. h. Vereinbarungen, deren unmittelbarer oder mittelbarer Zweck darin besteht, die Möglichkeiten des Abnehmers zur Festlegung seines Verkaufspreises einzuschränken, wobei dies Vereinbarungen einschließt, in denen ein Fest- oder Mindestpreis festgesetzt wird, den der Abnehmer einzuhalten hat (103). Eine Verpflichtung des Abnehmers, seinen Verkaufspreis innerhalb einer bestimmten Spanne festzusetzen, ist eine Preisbindung der zweiten Hand im Sinne des Artikels 4 Buchstabe a der Verordnung.

(186)

Die Preisbindung der zweiten Hand kann durch direkte Mittel angewendet werden. Dies trifft auf Vertragsklauseln oder abgestimmte Verhaltensweisen zu, mit denen unmittelbar der Preis festgesetzt wird, den der Abnehmer seinem Kunden in Rechnung stellen muss (104), oder die es dem Anbieter erlauben, den Weiterverkaufspreis festzulegen oder die es dem Abnehmer verbieten, unter einem bestimmten Preisniveau zu verkaufen. Die Beschränkung ist auch dann eindeutig, wenn ein Anbieter eine Preiserhöhung verlangt und der Abnehmer diesem Verlangen nachkommt.

(187)

Eine Preisbindung der zweiten Hand kann auch durch indirekte Mittel angewendet werden, z. B. durch Anreize zur Einhaltung eines Mindestpreises oder durch negative Anreize zur Abweichung von einem Mindestpreis. Die folgenden Beispiele stellen eine nicht abschließende Liste solcher indirekten Mittel dar:

a)

Festlegen der Weiterverkaufsspanne,

b)

Festlegen eines Nachlasses, den der Händler auf ein vorgegebenes Preisniveau höchstens gewähren darf,

c)

Festlegen von Bestimmungen, nach denen das Gewähren von Nachlässen oder das Erstatten von Werbeaufwendungen durch den Anbieter von der Einhaltung eines vorgegebenen Preisniveaus abhängig gemacht wird,

d)

Festlegen von Mindestwerbepreisen, wodurch es dem Händler untersagt ist, mit Preisen unterhalb eines bestimmten vom Anbieter festgelegten Preisniveaus zu werben,

e)

Binden des vorgeschriebenen Weiterverkaufspreises an die Weiterverkaufspreise von Wettbewerbern,

f)

Drohungen, Einschüchterungen, Warnungen, Strafen, Verzögern oder Aussetzen von Lieferungen bzw. Vertragskündigung bei Nichteinhaltung eines bestimmten Preisniveaus.

(188)

Nach Artikel 4 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 ist die Vorgabe eines Höchstweiterverkaufspreises oder die Empfehlung eines Höchstweiterverkaufspreises keine Kernbeschränkung. Kombiniert der Anbieter jedoch einen solchen Höchstpreis oder die Empfehlung eines Höchstweiterverkaufspreises mit Anreizen zur Anwendung eines bestimmten Preisniveaus oder mit Negativanreizen zur Senkung des Verkaufspreises, kann dies auf eine Preisbindung der zweiten Hand hinauslaufen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der Anbieter Werbekosten, die dem Abnehmer entstanden sind, unter der Bedingung erstattet, dass der Abnehmer nicht vom Höchstweiterverkaufspreis oder vom empfohlenen Weiterverkaufspreis abweicht. Ein Negativanreiz für die Senkung des Verkaufspreises läge beispielsweise vor, wenn der Anbieter auf eine Abweichung des Abnehmers vom maximalen oder empfohlenen Weiterverkaufspreis mit der Drohung reagiert, weitere Lieferungen zu kürzen.

(189)

Obwohl Mindestwerbepreise den Händler grundsätzlich nicht daran hindern, zu einem niedrigeren als dem beworbenen Preis zu verkaufen, stellen sie dadurch, dass sie die Möglichkeiten des Händlers beschränken, potenzielle Kunden über erhältliche Rabatte zu informieren, für den Händler einen Negativanreiz zur Festsetzung eines niedrigeren Verkaufspreises dar. Dadurch wird ein Schlüsselparameter für den Preiswettbewerb zwischen Einzelhändlern beseitigt. Hinsichtlich der Anwendung des Artikels 4 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 werden beworbene Mindestwerbepreise daher als indirekte Mittel zur Anwendung von Preisbindungen der zweiten Hand behandelt.

(190)

Direkte oder indirekte Mittel zur Anwendung der Preisbindung der zweiten Hand können noch wirksamer sein, wenn sie mit Maßnahmen kombiniert werden, um Händler zu ermitteln, die Preise unterbieten, beispielsweise durch die Einrichtung von Preisüberwachungssystemen oder die Verpflichtung für Einzelhändler, andere Mitglieder des Vertriebsnetzes zu melden, die vom Standardpreisniveau abweichen.

(191)

Die Preisüberwachung wird zunehmend im elektronischen Geschäftsverkehr eingesetzt, bei dem sowohl Anbieter als auch Einzelhändler häufig Preisüberwachungssoftwares einsetzen (105). Diese Software erhöht die Preistransparenz auf dem Markt und ermöglicht den Herstellern, die Weiterverkaufspreise in ihrem Vertriebsnetz effektiv zu verfolgen (106). Ferner erlaubt sie den Einzelhändlern, die Preise ihrer Wettbewerber zu verfolgen. Allerdings stellen die Überwachung und Meldung von Preisen allein genommen keine Preisbindung der zweiten Hand dar.

(192)

Im Rahmen eines Handelsvertretervertrags legt der Auftraggeber in der Regel den Verkaufspreis fest, da er die wirtschaftlichen und finanziellen Risiken im Zusammenhang mit dem Verkauf trägt. Erfüllt eine solche Vereinbarung jedoch nicht die Voraussetzungen für eine Einstufung als Handelsvertretervertrag, der nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt (siehe insbesondere die Randnummern (30) bis (34) dieser Leitlinien), so ist jede unmittelbare oder mittelbare Verpflichtung, die den Handelsvertreter daran hindert oder einschränkt, seine Provision mit dem Kunden zu teilen, unabhängig davon, ob es sich um eine feste oder eine variable Provision handelt, eine Kernbeschränkung im Sinne des Artikels 4 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 (107). Dem Handelsvertreter sollte es daher freigestellt sein, den vom Kunden tatsächlich zu zahlenden Preis zu senken, ohne dass dadurch das Einkommen des Auftraggebers geschmälert wird (108).

(193)

Im Rahmen eines Erfüllungsvertrags schließt der Anbieter mit einem Abnehmer eine vertikale Vereinbarung zum Zweck der Ausführung (Erfüllung) eines zuvor zwischen dem Anbieter und einem bestimmten Kunden geschlossenen Liefervertrags. Wählt der Anbieter das Unternehmen aus, das die Erfüllungsdienstleistungen erbringen wird, gilt die Festsetzung eines Weiterverkaufspreises durch den Anbieter nicht als Preisbindung der zweiten Hand. In diesem Fall schränkt der im Erfüllungsvertrag vorgeschriebene Weiterverkaufspreis weder den Wettbewerb bei der Lieferung der Waren oder Dienstleistungen an den Kunden noch den Wettbewerb bei der Erbringung der Erfüllungsdienstleistungen ein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Kunden Waren bei einem in der Online-Plattformwirtschaft tätigen Unternehmen kaufen, das von einer Gruppe unabhängiger Einzelhändler unter einer gemeinsamen Marke betrieben wird, und wenn dieses Unternehmen den Verkaufspreis der Waren bestimmt und den Einzelhändlern Erfüllungsaufträge übermittelt (109). Wählt der Kunde hingegen das Unternehmen aus, das die Erfüllungsdienste erbringen wird, kann das Vorschreiben eines Weiterverkaufspreises durch den Anbieter den Wettbewerb bei der Erbringung der Erfüllungsdienstleistungen einschränken. In diesem Fall kann die Festsetzung eines Weiterverkaufspreises auf eine Preisbindung der zweiten Hand hinauslaufen.

(194)

Artikel 4 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 findet in der Online-Plattformwirtschaft uneingeschränkt Anwendung. Insbesondere wenn ein Unternehmen Online-Vermittlungsdienste im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung erbringt, ist es in Bezug auf diese Dienste ein Anbieter, und daher gilt Artikel 4 Buchstabe a der Verordnung für Beschränkungen, die das Unternehmen den Abnehmern der Online-Vermittlungsdienste in Bezug auf den Verkaufspreis von Waren oder Dienstleistungen auferlegt, die über die Online-Vermittlungsdienste verkauft werden. Dies hindert einen Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten zwar nicht daran, den Nutzern der Online-Vermittlungsdienste Anreize zu geben, ihre Waren oder Dienstleistungen zu einem wettbewerbsfähigen Preis zu verkaufen oder ihre Preise zu senken, doch stellt die Auferlegung eines Fest- oder Mindestverkaufspreises durch den Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten für die von ihm vermittelten Transaktionen eine Kernbeschränkung im Sinne des Artikels 4 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 dar.

(195)

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat wiederholt entschieden, dass die Preisbindung der zweiten Hand eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV ist (110). Wie unter den Randnummern (179) bis (181) dargelegt, bedeutet die Einstufung einer Beschränkung als Kernbeschränkung oder bezweckte Beschränkung jedoch nicht, dass es sich dabei per se um einen Verstoß gegen Artikel 101 AEUV handelt. Sind Unternehmen der Auffassung, dass eine Preisbindung der zweiten Hand im Einzelfall effizienzsteigernd ist, können sie sich auf Effizienzgründe nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV stützen.

(196)

Preisbindung der zweiten Hand kann den markeninternen und/oder markenübergreifenden Wettbewerb auf verschiedene Weise einschränken:

a)

Preisbindung der zweiten Hand kann zu Kollusion zwischen Anbietern führen, indem die Preistransparenz auf dem Markt verbessert wird und es somit einfacher ist festzustellen, ob ein Anbieter vom kollusiven Gleichgewicht abweicht, indem er seine Preise senkt. Von diesen negativen Auswirkungen ist eher auf Märkten auszugehen, die anfällig für Kollusion sind, z. B. wenn Anbieter ein enges Oligopol bilden und für einen wesentlichen Teil des Marktes Vereinbarungen über Preisbindungen der zweiten Hand bestehen.

b)

Preisbindungen der zweiten Hand können Absprachen zwischen den Abnehmern auf der Vertriebsebene erleichtern, insbesondere wenn der Vertrieb von den Abnehmern gesteuert wird. Starke und gut organisierte Abnehmer können in der Lage sein, einen oder mehrere ihrer Anbieter zu zwingen oder davon zu überzeugen, ihren Weiterverkaufspreis oberhalb des Preises des freien Marktes festzulegen und den Abnehmern auf diese Weise helfen, ihr kollusives Gleichgewicht zu erreichen bzw. zu stabilisieren. Eine Preisbindung der zweiten Hand dient als Selbstverpflichtungsinstrument für Einzelhändler, nicht durch Preisnachlässe vom kollusiven Gleichgewicht abzuweichen.

c)

Eine Preisbindung der zweiten Hand kann mitunter den Wettbewerb zwischen Herstellern und/oder zwischen Einzelhändlern abschwächen; insbesondere wenn die Hersteller ihre Produkte über dieselben Händler vertreiben und alle oder viele dieser Händler eine Preisbindung zweiter Hand anwenden.

d)

Eine Preisbindung der zweiten Hand kann den Druck auf die Marge des Anbieters verringern, insbesondere wenn der Hersteller ein Problem hat, eine Selbstverpflichtung einzuhalten, d. h., er ein Interesse daran hat, seine Preise für nachfolgende Händler zu senken. In dieser Situation zieht es der Hersteller unter Umständen vor, einer Preisbindung der zweiten Hand zuzustimmen, um sich so verpflichten zu können, die Preise für nachfolgende Händler nicht zu senken, und gleichzeitig den Druck auf seine eigene Marge zu verringern.

e)

Indem sie den Preiswettbewerb zwischen Händlern unmöglich macht, kann eine Preisbindung der zweiten Hand den Marktzutritt und die Expansion effizienterer oder neuer Vertriebsformate verhindern oder erschweren und somit Innovationen auf der Vertriebsebene verringern.

f)

Eine Preisbindung der zweiten Hand kann von einem Anbieter mit Marktmacht eingesetzt werden, um kleinere Wettbewerber vom Markt auszuschließen. Die durch eine Preisbindung der zweiten Hand entstehende höhere Marge kann Händler dazu verleiten, bei der Beratung ihrer Kunden eher die Marke des Anbieters zu empfehlen als die Marken anderer Wettbewerber, selbst wenn eine solche Empfehlung nicht im Interesse dieser Kunden ist, oder die Marken anderer Wettbewerber überhaupt nicht zu verkaufen.

g)

Die unmittelbare Auswirkung einer Preisbindung der zweiten Hand ist die Ausschaltung des markeninternen Preiswettbewerbs, indem alle oder einige Händler daran gehindert werden, ihren Verkaufspreis für die betreffende Marke zu senken, was zu einer Preiserhöhung für diese Marke führt.

(197)

Jedoch kann eine Preisbindung der zweiten Hand auch zu Effizienzsteigerungen führen, insbesondere wenn sie von den Anbietern ausgeht. Berufen sich Unternehmen im Zusammenhang mit einer Preisbindung der zweiten Hand auf die Einrede der Effizienz, müssen sie in der Lage sein, dies durch konkrete Nachweise zu belegen und darzulegen, dass alle Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 im Einzelfall erfüllt sind (111). Es folgen vier Beispiele für solche Effizienzgewinne.

a)

Wenn ein Hersteller ein neues Produkt einführt, kann eine Preisbindung der zweiten Hand eine wirksame Maßnahme sein, um die Händler zu veranlassen, das Interesse des Herstellers an der Förderung dieses Produkts besser zu berücksichtigen. Nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV ist es ferner erforderlich, dass keine realistischen, weniger restriktiven alternativen Methoden bestehen, die Händler zur Förderung des Produkts zu veranlassen. Um diese Anforderung zu erfüllen, können Anbieter z. B. nachweisen, dass es in der Praxis nicht möglich ist, allen Abnehmern wirksame Werbeverpflichtungen vertraglich aufzuerlegen. Unter solchen Umständen kann eine befristete Festsetzung von Fest- oder Mindestpreisen im Einzelhandel, um die Einführung des neuen Produkts zu erleichtern, insgesamt als wettbewerbsfördernd angesehen werden.

b)

Feste Weiterverkaufspreise und nicht nur Höchstweiterverkaufspreise können insbesondere in einem Vertriebssystem mit einheitlichen Vertriebsformate wie im Falle eines Franchisesystems erforderlich sein, um eine kurzfristige Sonderangebotskampagne (in den meisten Fällen von zwei bis sechs Wochen) zu koordinieren, von der auch die Verbraucher profitieren. In einem solchen Fall kann die Festsetzung von Festpreisen im Einzelhandel, da sie vorübergehend erfolgt, insgesamt als wettbewerbsfördernd angesehen werden.

c)

Um einen bestimmten Händler daran zu hindern, das Produkt eines Anbieters als Lockvogelangebot zu nutzen, kann ein Mindestpreis für den Weiterverkauf oder ein Mindestwerbepreis festgelegt werden. Verkauft ein Händler ein Produkt regelmäßig unter dem Großhandelspreis weiter, kann dies das Markenimage beschädigen und im Laufe der Zeit die Gesamtnachfrage nach dem Produkt und die Anreize für den Anbieter, in die Qualität zu investieren, schwächen. In diesem Fall kann es als wettbewerbsfördernd betrachtet werden, wenn dieser Vertriebshändler daran gehindert wird, zu einem unter dem Großhandelspreis liegenden Preis zu verkaufen, indem ihm ein bestimmter Mindestpreis für den Weiterverkauf oder ein bestimmter Mindestwerbepreis vorgeschrieben wird.

d)

Unter bestimmten Umständen könnte die durch eine Preisbindung zweiter Hand gewonnene zusätzliche Marge die Einzelhändler in die Lage versetzen, eine zusätzliche Kundenberatung vor dem Verkauf anzubieten, insbesondere wenn es sich um komplexe Produkte handelt. Wenn genügend Kunden solche Beratungsdienste in Anspruch nehmen, um ihre Wahl zu treffen, allerdings dann das Produkt zu einem billigeren Preis bei Einzelhändlern kaufen, die eine derartige Beratungsleistung nicht erbringen (d.h. denen keine solche Kosten entstehen), dann könnten Einzelhändler mit hoher Serviceleistung diese Beratungsdienste, die die Nachfrage nach dem Produkt des Anbieters steigern, einschränken oder ganz einstellen. Der Anbieter muss nachweisen, dass auf der Vertriebsebene die Gefahr von Trittbrettfahren besteht, dass Fest- oder Mindestverkaufspreise genügend Anreize für Investitionen in Beratungsdienste vor dem Verkauf bieten und dass keine realistischen, weniger restriktiven Alternativen bestehen, solches Trittbrettfahren zu beseitigen. In dieser Situation ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Preisbindung aus zweiter Hand als wettbewerbsfördernd angesehen wird, höher, wenn der Wettbewerb zwischen Anbietern intensiv und die Markmacht des Anbieters begrenzt ist.

(198)

Der Einsatz von Weiterverkaufspreisempfehlungen oder von Höchstweiterverkaufspreisen kann unter die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 vorgesehene Freistellung fallen, wenn die Marktanteile der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen jeweils nicht mehr als 30 % betragen und sofern dies nicht darauf hinausläuft, das ein Mindest- oder Festpreis infolge des Drucks oder der Anreize durch eines der beteiligten Unternehmen vorgeschrieben wird, wie in den Randnummern (187) und (188) dargelegt. Die Randnummern (199) bis (201) enthalten Orientierungshilfen für die Beurteilung empfohlener oder maximaler Weiterverkaufspreise in Fällen, in denen die Marktanteilsschwelle überschritten wird.

(199)

Das Risiko für den Wettbewerb, welches mit Weiterverkaufspreisempfehlungen und Höchstweiterverkaufspreisen verbunden ist, besteht darin, dass diese Preise als Orientierung dienen könnten, an die sich die meisten oder alle Wiederverkäufer halten. Zweitens können sie den Wettbewerb abschwächen oder Absprachen zwischen Anbietern erleichtern.

(200)

Ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung möglicher wettbewerbswidriger Auswirkungen empfohlener oder maximaler Weiterverkaufspreise ist die Marktstellung des Anbieters. Je stärker die Marktstellung des Anbieters, desto größer ist die Gefahr, dass ein empfohlener oder maximaler Weiterverkaufspreis zu einem mehr oder weniger einheitlichen Preisniveau unter den Wiederverkäufern führt, weil es diese als schwierig empfinden könnten, von dem Preis abzuweichen, den sie als den von einem so wichtigen Anbieter vorgeschlagenen, bevorzugten Weiterverkaufspreis ansehen.

(201)

Rufen empfohlene oder maximale Weiterverkaufspreise spürbare wettbewerbswidrige Auswirkungen hervor, muss geprüft werden, ob sie die Voraussetzungen für die in Artikel 101 Absatz 3 AEUV vorgesehene Ausnahme erfüllen. Hinsichtlich der maximalen Weiterverkaufspreise könnte die Vermeidung einer „doppelten Gewinnmaximierung“ (112) von besonderer Bedeutung sein. Ein maximaler Weiterverkaufspreis könnte zudem helfen sicherzustellen, dass sich die Marke des Anbieters besser gegen andere, von demselben Händler vertriebene Marken (einschließlich Eigenmarken) behaupten kann.

6.1.2.   Kernbeschränkungen nach Artikel 4 Buchstaben b, c, d und e der Verordnung (EU) 2022/720

6.1.2.1.   Einstufung als Kernbeschränkung nach Artikel 4 Buchstaben b, c, d und e der Verordnung (EU) 2022/720

(202)

Artikel 4 Buchstaben b, c und d der Verordnung (EU) 2022/720 enthält eine Liste von Kernbeschränkungen und Ausnahmen, die für verschiedene Vertriebssysteme, nämlich den Alleinvertrieb, den selektiven Vertrieb bzw. den freien Vertrieb gelten. Die in Artikel 4 Buchstabe b, Buchstabe c Ziffer i und Buchstabe d der Verordnung (EU) 2022/720 genannten Kernbeschränkungen betreffen Vereinbarungen, die mittel- oder unmittelbar, für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen unter der Kontrolle der beteiligten Unternehmen eine Beschränkung des Gebiets bzw. der Kundengruppe zum Zweck haben, in das bzw. an den der Abnehmer oder dessen Kunden die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen dürfen. Gemäß Artikel 4 Buchstabe c Ziffern ii und iii der Verordnung (EU) 2022/720 stellen in einem selektiven Vertriebssystem Beschränkungen von Querlieferungen zwischen den Mitgliedern des selektiven Vertriebssystems, die auf derselben oder auf unterschiedlichen Handelsstufen tätig sind, sowie Beschränkungen des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch Mitglieder des selektiven Vertriebssystems, die auf der Einzelhandelsstufe tätig sind, Kernbeschränkungen dar. Artikel 4 Buchstaben b, c und d der Verordnung gelten unabhängig von dem Vertriebsweg, der genutzt wird, also beispielsweise unabhängig davon, ob der Verkauf offline oder online erfolgt.

(203)

Gemäß Artikel 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2022/720 stellt eine vertikale Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar, für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen unter der Kontrolle der beteiligten Unternehmen zum Zweck hat, die wirksame Nutzung des Internets durch den Abnehmer oder dessen Kunden für den Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen an Kunden in bestimmte Gebiete oder an bestimmte Kunden zu verhindern, eine Kernbeschränkung dar. Eine vertikale Vereinbarung, die eine oder mehrere Beschränkungen von Online-Verkäufen oder Online-Werbung (113) enthält, die es dem Abnehmer de facto verbieten, das Internet für den Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen zu nutzen, bezweckt zumindest die Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher, die online kaufen möchten und sich außerhalb des physischen Handelsgebiets des Abnehmers befinden, zu beschränken (114). Vereinbarungen dieser Art fallen daher unter Artikel 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2022/720. Dasselbe gilt für vertikale Vereinbarungen, die die wirksame Nutzung des Internets durch einen Abnehmer oder dessen Kunden für den Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen an Kunden in bestimmte Gebiete oder an bestimmte Kunden zwar nicht verbieten, aber zum Zweck haben, diese zu verhindern. Dies trifft beispielsweise auf vertikale Vereinbarungen zu, die eine erhebliche Verringerung des Gesamtumfangs der Online-Verkäufe von Vertragswaren oder -dienstleistungen oder der Möglichkeiten für den Endverbraucher, Vertragswaren oder -dienstleistungen online zu werben, bezwecken. Dies gilt ebenfalls für vertikale Vereinbarungen, die darauf abzielen, den Abnehmer an der Nutzung eines oder mehrerer ganzen Online-Werbekanäle (z. B. Suchmaschinen (115) oder Preisvergleichsdienste) oder der Gründung oder dem Betrieb eines einen eigenen Online-Shops zu hindern (116). Bei der Beurteilung, ob eine Beschränkung eine Kernbeschränkung im Sinne des Artikels 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2022/720 ist, können Inhalt und Kontext der Beschränkung berücksichtigt werden, sie kann aber nicht von marktspezifischen Umständen oder individuellen Eigenschaften der an der vertikalen Vereinbarung beteiligten Unternehmen abhängen.

(204)

Die Kernbeschränkungen, auf die in Randnummer (202) Bezug genommen wird, kann durch unmittelbare Verpflichtungen bewirkt werden, z. B. die Verpflichtung, nicht an Kunden in bestimmten Gebieten oder an bestimmte Kundengruppen zu verkaufen, oder die Verpflichtung, Bestellungen solcher Kunden an andere Händler weiterzuleiten. Sie lassen sich aber auch durch indirekte Maßnahmen des Anbieters erreichen, mit denen der Händler dazu gebracht werden soll, nicht an die betreffenden Kunden zu verkaufen, beispielsweise

a)

Verpflichtung des Abnehmers, für Verkäufe an solche Kunden die Genehmigung des Anbieters einzuholen (117),

b)

Verweigerung oder Reduzierung von Prämien oder Nachlässen, wenn der Abnehmer Verkäufe an solche Kunden tätigt (118), oder Ausgleichszahlungen an den Abnehmer, wenn er den Verkauf an solche Kunden einstellt,

c)

Einstellung der Lieferung von Produkten, wenn der Abnehmer Verkäufe an diese Kunden tätigt,

d)

Beschränkung oder Verringerung der Liefermengen beispielsweise in der Weise, dass die Mengen der Nachfrage der Kunden in bestimmten Gebieten oder der Nachfrage bestimmter Kundengruppen entsprechen,

e)

Drohung, die vertikale Vereinbarung zu kündigen (119) oder nicht zu verlängern, wenn der Abnehmer Verkäufe an solche Kunden tätigt,

f)

Berechnung höherer Händlerpreise für Produkte, die an solche Kunden verkauft werden (120),

g)

Begrenzung des Anteils der Verkäufe, die der Abnehmer bei solchen Kunden tätigt,

h)

Hinderung des Abnehmers an der Verwendung zusätzlicher Sprachen auf der Verpackung oder zur Verkaufsförderung der Produkte (121),

i)

Lieferung eines anderen Produkts als Gegenleistung für die Einstellung des Verkaufs an solche Kunden seitens des Abnehmers,

j)

Leistung von Zahlungen an den Abnehmer, damit dieser den Verkauf an solche Kunden einstellt,

k)

Verpflichtung des Abnehmers, die bei solchen Kunden erzielten Gewinne an den Anbieter weiterzuleiten (122),

l)

Ausschluss von Produkten, die außerhalb des Gebiets des Abnehmers weiterverkauft werden, oder von Produkten, die von in anderen Gebieten ansässigen Abnehmern im Gebiet des Abnehmers verkauft werden, von der unionsweiten, durch den Anbieter erstatteten Garantieleistung (123).

(205)

Maßnahmen, die einem Hersteller die Überprüfung des Bestimmungsortes der gelieferten Waren erlauben, beispielsweise die Verwendung unterschiedlicher Etiketten, spezifischer Sprachcluster oder Seriennummern oder aber die Androhung oder Durchführung von Audits zur Überprüfung der Einhaltung anderer Beschränkungen durch den Abnehmer (124), stellen für sich genommen keine Wettbewerbsbeschränkungen dar. Sie können jedoch als Teil einer Kernbeschränkung der Verkäufe des Abnehmers angesehen werden, wenn sie vom Anbieter zur Kontrolle des Bestimmungsorts der gelieferten Waren genutzt werden, z. B. wenn sie in Verbindung mit einer oder mehreren der in den Randnummern (203) und (204) genannten Praktiken angewendet werden.

(206)

Zusätzlich zu den unter den Randnummern (202) bis (204) aufgeführten unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen können Kernbeschränkungen, die sich speziell auf den Online-Verkauf beziehen, ebenfalls das Ergebnis unmittelbarer oder mittelbarer Verpflichtungen sein. Neben einem direkten Verbot der Nutzung des Internets zum Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen gibt es folgende Beispiele für Verpflichtungen, deren mittelbarer Zweck darin besteht, die wirksame Nutzung des Internets durch den Abnehmer für den Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen an Kunden in bestimmte Gebiete oder an bestimmte Kunden im Sinne des Artikels 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2022/720 zu verhindern:

a)

Verpflichtung des Abnehmers, zu verhindern, dass Kunden aus einem anderen Gebiet seine Website einsehen können, oder Verpflichtung des Abnehmers, auf seiner Website eine Umleitung zum Online-Shop des Herstellers oder eines anderen Verkäufers einzurichten. Die Verpflichtung des Abnehmers, Links zu den Online-Shops des Anbieters oder anderer Verkäufer einzurichten, ist jedoch keine Kernbeschränkung (125).

b)

Die Anforderung, dass der Händler die Online-Transaktionen von Verbrauchern beendet, sobald deren Kreditkartendaten eine Adresse ergeben, die nicht im Gebiet des Händlers liegt (126).

c)

Die Anforderung, dass der Abnehmer die Vertragswaren oder -dienstleistungen nur in einem physischen Raum oder in physischer Anwesenheit von Fachpersonal verkaufen darf (127).

d)

Die Anforderung, dass der Abnehmer die Genehmigung des Anbieters einholt, bevor er einzelne Online-Verkaufstransaktionen vornimmt.

e)

Das Verbot, dass der Abnehmer Marken oder Markennamen des Anbieters auf seiner Website oder in seinem Online-Geschäft zu verwendet.

f)

Das Verbot, dass der Abnehmer einen oder mehrere Online-Shops einrichtet oder betreibt, unabhängig davon, ob das Hosting des Online-Stores auf dem eigenen Server des Abnehmers oder dem Server eines Dritten erfolgt (128).

g)

Das Verbot für den Abnehmer, einen ganzen Online-Werbekanal (z. B. Suchmaschinen (129) oder Preisvergleichsdienste) zu nutzen, oder Beschränkungen, durch die indirekt die Nutzung eines ganzen Online-Werbekanals verboten wird (z. B. die Verpflichtung des Händlers, die Marken oder Markennamen des Anbieters nicht für Angebote zu verwenden, auf die in Suchmaschinen verwiesen werden soll) oder eine Beschränkung der Übermittlung preisbezogener Informationen an Preisvergleichsdienste. Solche Beschränkungen haben zum Ziel, die wirksame Nutzung des Internets durch den Abnehmer für den Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen an Kunden in bestimmten Gebieten oder an bestimmte Kunden zu verhindern, denn sie schränken die Möglichkeiten des Abnehmers ein, Kunden, die sich außerhalb seines physischen Handelsgebiets befinden, gezielt anzusprechen, sie über sein Angebot zu informieren und sie in seinen Online-Shop oder auf andere Kanäle zu lenken. Das Verbot der Nutzung bestimmter Preisvergleichsdienste oder Suchmaschinen stellt in der Regel keine Kernbeschränkung dar, da der Abnehmer andere Online-Werbedienste nutzen kann, um auf seine Online-Verkaufsaktivitäten aufmerksam zu machen. Ein Verbot der Nutzung der am weitesten verbreiteten Werbedienste im jeweiligen Online-Werbekanal kann jedoch auf eine Kernbeschränkung hinauslaufen, wenn die verbleibenden Dienste in dem betroffenen Werbekanal de facto nicht in der Lage sind, Kunden für den Online-Shop des Abnehmers zu gewinnen.

(207)

Anders als die in Randnummer (204) genannten Beschränkungen können Anforderungen, die der Anbieter dem Abnehmer bezüglich der Art und Weise auferlegt, in der die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkauft werden sollen, unabhängig von der Art des Vertriebssystems unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen. Der Anbieter kann insbesondere Qualitätsanforderungen vorschreiben. Beispielsweise kann der Anbieter in einem selektiven Vertriebssystem Anforderungen hinsichtlich der Mindestgröße und des Erscheinungsbildes des Geschäfts des Abnehmers (beispielsweise in Bezug auf Ausstattung, Möblierung, Gestaltung, Beleuchtung und Bodenbeläge) oder die Produktpräsentation (beispielsweise in Bezug auf die Mindestzahl der ausgestellten Produkte der betreffenden Marke oder den Mindestabstand zwischen Produkten) vorschreiben (130).

(208)

Ebenso kann der Anbieter dem Abnehmer Anforderungen in Bezug auf die Art und Weise, in der die Vertragswaren oder -dienstleistungen online verkauft werden sollen, vorschreiben. Für Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung bestimmter Online-Vertriebskanäle wie Online-Marktplätze oder für die Auferlegung von Qualitätsstandards für Online-Verkäufe kann in der Regel unabhängig von der Art des verwendeten Vertriebssystems die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 vorgesehene Freistellung gelten, sofern sie nicht indirekt darauf abzielen, die wirksame Nutzung des Internets durch den Abnehmer für den Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen an Kunden in bestimmten Gebiete oder an bestimmte Kunden zu verhindern. Beschränkungen von Online-Verkäufen dienen in der Regel nicht diesem Ziel, wenn es dem Abnehmer weiterhin freisteht, einen eigenen Online-Shop (131) zu betreiben und online zu werben (132). In diesen Fällen wird der Abnehmer nicht daran gehindert, das Internet für den Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen wirksam zu nutzen. Nachstehend sind Beispiele für Anforderungen im Zusammenhang mit Online-Verkäufen aufgeführt, für die die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung in Anspruch genommen werden kann:

a)

Anforderungen, mit denen die Qualität oder ein bestimmtes Erscheinungsbild des Online-Shops des Abnehmers sichergestellt werden soll,

b)

Anforderungen hinsichtlich der Darstellung der Vertragswaren oder -dienstleistungen im Online-Shop (beispielsweise die Mindestanzahl der dargestellten Artikel, die Art und Weise, in der die Marken des Anbieters dargestellt werden),

c)

ein mittel- oder unmittelbares Verbot der Nutzung von Online-Marktplätzen (133),

d)

eine Anforderung, dass der Abnehmer eine oder mehrere physische Verkaufsstätten oder Ausstellungsräume betreibt, beispielsweise als Voraussetzung dafür, dass er Mitglied des selektiven Vertriebssystems des Anbieters wird,

e)

eine Anforderung, dass der Abnehmer die Vertragswaren oder -dienstleistungen in einem nach Wert oder Menge, aber nicht nach dem Anteil seines Gesamtumsatzes bestimmten absoluten Mindestumfang offline verkauft, um einen effizienten Betrieb seiner physischen Verkaufsstätte zu gewährleisten. Diese Anforderung kann für alle Abnehmer identisch sein oder anhand objektiver Kriterien, wie der Größe des Abnehmers im Vergleich zu anderen Abnehmern oder seiner geografischen Lage, unterschiedlich festgelegt werden.

(209)

Eine Anforderung, dass der Abnehmer für online verkaufte Produkte einen anderen Großhandelspreis zahlt als für offline verkaufte Produkte (Doppelpreissystem) kann unter die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 vorgesehene Freistellung fallen, da sie Anreize oder Belohnungen für ein angemessenes Niveau an Investitionen in Online- oder Offline-Absatzkanäle bieten kann, sofern sie nicht nach Artikel 4 Buchstaben b, c und d der Verordnung (EU) 2022/720 eine Beschränkung der Verkäufe an Kunden in bestimmten Gebieten oder an bestimmte Kunden zum Zweck hat (134). Wenn der Unterschied beim Großhandelspreis jedoch zum Zweck hat, die wirksame Nutzung des Internets durch den Abnehmer für den Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen an Kunden in bestimmten Gebieten oder an bestimmte Kunden zu verhindern, stellt er eine Kernbeschränkung im Sinne des Artikels 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2022/720 dar. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Unterschied im Großhandelspreis den Online-Verkauf unrentabel oder finanziell nicht tragbar (135) werden lässt oder wenn das Doppelpreissystem zu einer Mengenbeschränkung der Produkte, die dem Abnehmer zum Online-Verkauf zur Verfügung gestellt werden, genutzt wird (136). Umgekehrt kann ein Doppelpreissystem unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen, wenn der Unterschied im Großhandelspreis in einem angemessenen Verhältnis zu den Unterschieden bei den Investitionen und Kosten steht, die der Anbieter für die Erzielung von Verkäufen in den einzelnen Kanälen trägt. Ebenso kann der Anbieter für Produkte, die über eine Kombination aus Offline- und Online-Kanälen verkauft werden sollen, einen anderen Großhandelspreis in Rechnung stellen, wenn der Preisunterschied Investitionen oder Kosten im Zusammenhang mit dieser Art des Vertriebs berücksichtigt. Die beteiligten Unternehmen können eine geeignete Methode zur Umsetzung des Doppelpreissystems vereinbaren, die beispielsweise auch einen nachträglichen Kontenausgleich auf Basis der tatsächlichen Verkäufe einschließt.

(210)

Beschränkungen für Online-Werbung können unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen, sofern sie nicht darauf abzielen, die Nutzung eines ganzen Werbekanals durch den Abnehmer zu verhindern. Werbebeschränkungen, die unter die Freistellung fallen können, sind beispielsweise:

a)

eine Anforderung, dass Online-Werbung bestimmte Qualitätsstandards erfüllt oder spezielle Inhalte oder Informationen einschließt,

b)

eine Anforderung, dass der Abnehmer keine Dienste bestimmter Anbieter von Online-Werbediensten nutzt, die gewisse Qualitätsstandards nicht erfüllen,

c)

eine Anforderung, dass der Abnehmer den Markennamen des Anbieters nicht im Domainnamen seines Online-Shops verwendet.

6.1.2.2.   Unterschied zwischen „aktivem Verkauf“ und „passivem Verkauf“

(211)

In Artikel 4 der Verordnung (EU) 2022/720 wird m Kontext von Alleinvertriebssystemen zwischen Beschränkungen des aktiven Verkaufs und Beschränkungen des passiven Verkaufs unterschieden. In Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben l und m der Verordnung (EU) 2022/720 werden die Begriffe „aktiver Verkauf“ und „passiver Verkauf“ definiert.

(212)

In Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe m der Verordnung (EU) 2022/720 wird dargelegt, dass Verkäufe an Kunden, die der Verkäufer nicht aktiv angesprochen hat, passive Verkäufe darstellen, wenn es sich um Verkäufe an Kunden in einem Alleinvertriebsgebiet oder an exklusiv zugewiesene Kundengruppen handelt. So ist beispielsweise die Einrichtung eines Online-Shops eine Form des passiven Verkaufs, da sie potenziellen Kunden ermöglicht, den Verkäufer zu erreichen. Der Betrieb eines Online-Shops kann Auswirkungen haben, die über das physische Handelsgebiet des Verkäufers hinausgehen, unter anderem dadurch, dass Online-Käufe durch Kunden ermöglicht werden, die in anderen Gebieten ansässig sind oder anderen Kundengruppen angehören. Dennoch handelt es sich bei solchen Käufen (einschließlich der Lieferung der Produkte) um passive Verkäufe, sofern der Verkäufer nicht aktiv auf den jeweiligen Kunden oder das spezielle Gebiet oder die Kundengruppe abzielt, dem bzw. der der Kunde angehört. Gleiches gilt, wenn ein Kunde sich dazu entscheidet, automatisch vom Verkäufer informiert zu werden und diese Information zu einem Verkauf führt. Ebenso stellen die Nutzung der Suchmaschinenoptimierung, d. h. Instrumente oder Techniken zur Erhöhung der Sichtbarkeit oder des Rankings des Online-Shops in Suchmaschinenergebnissen, oder das Anbieten einer App in einem Store für Software-Anwendungen grundsätzlich Mittel dar, die es potenziellen Kunden ermöglichen, den Verkäufer zu erreichen, und stellen daher Formen des passiven Verkaufs dar.

(213)

Umgekehrt wird in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe l der Verordnung (EU) 2022/720 dargelegt, dass bei Verkäufen an Kunden in einem Alleinvertriebsgebiet oder einer exklusiv zugewiesenen Kundengruppe, in deren Rahmen in einem Online-Shop eine Sprachoption angeboten wird, die sich von der im Gebiet des Sitzes des Verkäufers gebräuchlichen Sprache unterscheidet, im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass der Verkäufer auf das Gebiet abzielt, in dem diese Sprache gebräuchlich ist, sodass dies auf einen aktiven Verkauf hinausläuft (137). Das Angebot einer englischen Sprachoption in einem Online-Shop ist jedoch für sich genommen kein Anzeichen dafür, dass der Verkäufer auf englischsprachige Gebiete abzielt, denn Englisch wird in der gesamten Union weithin verstanden und genutzt. Ebenso ist die Einrichtung eines Online-Shops mit einer Top-Level-Domain, die einem anderen Gebiet entspricht als dem, in dem der Händler niedergelassen ist, eine Form des aktiven Verkaufs in dieses Gebiet, während das Anbieten eines Online-Shops mit einem generischen und nicht länderspezifischen Domainnamen eine Form des passiven Verkaufs ist.

(214)

Nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe l der Verordnung (EU) 2022/720 sind unter aktiven Verkäufen solche Verkäufe zu verstehen, die sich durch das aktive Ansprechen von Kunden mittels Besuchen, Briefen, E-Mails, Anrufen oder anderen Mitteln der direkten Kommunikation ergeben. Gezielte Werbung oder Verkaufsförderung ist eine Form des aktiven Verkaufs. Insbesondere Online-Werbedienste ermöglichen es Verkäufern häufig, Gebiete oder Kundengruppen auszuwählen, in denen die Online-Werbung angezeigt wird. Dies gilt beispielsweise für Suchmaschinenwerbung und andere Online-Werbung, z. B. in Websites, Stores für Software-Anwendungen und sozialen Medien, sofern es der Werbedienst dem Werbekunden ermöglicht, Kunden entsprechend ihren besonderen Merkmalen, einschließlich ihres geografischen Standorts oder ihres persönlichen Profils, anzusprechen. Wenn der Verkäufer dagegen Online-Werbung an Kunden in seinem eigenen Gebiet oder an seine eigene Kundengruppe richtet und es nicht möglich ist, zu verhindern, dass diese Werbung für Kunden in anderen Gebieten oder Kundengruppen sichtbar ist, handelt es sich um eine Form des passiven Verkaufs. Zu Beispielen für eine solche allgemeine Werbung zählen gesponserte Inhalte auf der Website einer lokalen oder überregionalen Zeitung, auf die jeder Besucher dieser Website zugreifen kann, oder die Verwendung von Preisvergleichsdiensten mit generischen und nicht länderspezifischen Domainnamen. Erfolgt dagegen eine solche allgemeine Werbung in Sprachen, die in dem Gebiet des Verkäufers nicht gebräuchlich sind, oder auf Websites mit Top-Level-Domains, die einem anderen Gebiet als dem des Verkäufers entsprechen, läuft dies auf aktiven Verkauf in diese anderen Gebiete hinaus.

(215)

Die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ist unabhängig von der Art des öffentlichen Vergabeverfahrens (z. B. offenes Verfahren, nichtoffenes Verfahren oder anders Verfahren) eine Form des passiven Verkaufs. Diese Einstufung entspricht den Zwecken des öffentlichen Vergaberechts, zu denen auch die Förderung des markeninternen Wettbewerbs zählt. Folglich stellt die in einer vertikalen Vereinbarung vorgesehene Beschränkung der Möglichkeit eines Abnehmers zur Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen eine Kernbeschränkung im Sinne des Artikels 4 Buchstaben b, c und d der Verordnung (EU) 2022/720 dar. Ebenso stellt die Beantwortung einer Aufforderung einer nichtöffentlichen Einrichtung zur Angebotsabgabe eine Form des passiven Verkaufs dar. Solche Ausschreibungen sind eine Form der unaufgeforderten Anfrage eines Kunden, die sich an mehrere potenzielle Verkäufer richtet, und daher ist die Abgabe eines Angebots als Reaktion auf eine Ausschreibung durch eine nicht öffentliche Einrichtung eine Form des passiven Verkaufs.

6.1.2.3.   Kernbeschränkungen in Bezug auf bestimmte Vertriebssysteme

(216)

Artikel 4 Buchstaben b, c und d der Verordnung (EU) 2022/720 enthält eine Liste von Kernbeschränkungen und Ausnahmen, die je nach Art des vom Anbieter betriebenen Vertriebssystems gelten: Alleinvertrieb, selektiver Vertrieb oder freier Vertrieb.

6.1.2.3.1.   Anbieter betreibt Alleinvertriebssystem

(217)

Die Kernbeschränkung nach Artikel 4 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2022/720 betrifft Vereinbarungen, die unmittelbar oder mittelbar die Beschränkung des Gebiets oder der Kundengruppe bezwecken, in das oder an die ein Abnehmer, dem ein Gebiet oder eine Kundengruppe exklusiv zugewiesen wurde, die Vertragswaren oder -dienstleistungen aktiv oder passiv verkaufen darf.

(218)

Es gibt fünf Ausnahmen von der in Artikel 4 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegten Kernbeschränkung.

(219)

Erstens erlaubt Artikel 4 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EU) 2022/720 dem Anbieter, den aktiven Verkauf eines Alleinvertriebshändlers in ein Gebiet oder an eine Kundengruppe zu beschränken, das bzw. die höchstens fünf Abnehmern exklusiv zugewiesen oder dem Anbieter vorbehalten ist. Um die Investitionsanreize der Alleinvertriebshändler zu erhalten, muss der Anbieter sie vor aktiven Verkäufen, einschließlich gezielter Online-Werbung, aller seiner anderen Abnehmer in das Gebiet oder an die Kundengruppe, das oder die den Alleinvertriebshändlern exklusiv zugewiesen wurde, schützen.

(220)

Die Investitionsanreize von Alleinvertriebshändlern könnten auch durch aktive Verkäufe geschwächt werden, die Kunden anderer Abnehmer des Anbieters tätigen. Daher lässt Artikel 4 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EU) 2022/720 es auch zu, dass der Anbieter von seinen anderen Abnehmern verlangt, ihren Direktkunden Beschränkungen hinsichtlich aktiver Verkäufe in Gebiete oder an Kundengruppen aufzuerlegen, die der Anbieter anderen Händlern exklusiv zugewiesen oder sich selbst vorbehalten hat. Der Anbieter kann von diesen anderen Abnehmern jedoch nicht verlangen, die Beschränkung aktiver Verkäufe an Kunden weiterzugeben, die auf weiter nachgelagerten Vertriebsstufen tätig sind.

(221)

Der Anbieter darf die Zuweisung eines exklusiven Gebiets und einer exklusiv zugewiesenen Kundengruppe miteinander verknüpfen, indem er beispielsweise einem Händler den Alleinvertrieb an eine bestimmte Kundengruppe in einem bestimmten Gebiet überlässt.

(222)

Der Schutz von exklusiv zugewiesenen Gebieten oder Kundengruppen ist nicht absolut. Um eine Marktaufteilung zu verhindern, darf der passive Verkauf in solche Gebiete oder an solche Kundengruppen nicht beschränkt werden. Artikel 4 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2022/720 gilt nur für Beschränkungen, die dem Abnehmer auferlegt werden. Der Anbieter kann daher Beschränkungen des eigenen Verkaufs – sowohl online als auch offline – in das Alleinvertriebsgebiet oder an alle oder einen Teil der Kunden, die einer exklusiv zugewiesenen Kundengruppe angehören, akzeptieren. Beschränkungen des passiven Verkaufs an Endverbraucher können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2018/302 des Europäischen Parlaments und des Rates (138) nichtig sein.

(223)

Zweitens erlaubt Artikel 4 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung (EU) 2022/720 einem Anbieter, der in einem bestimmten Gebiet ein Alleinvertriebssystem und in einem anderen Gebiet ein selektives Vertriebssystem betreibt, seine Alleinvertriebshändler daran zu hindern, aktiv oder passiv an nicht zugelassene Händler zu verkaufen, die in dem Gebiet ansässig sind, in dem der Anbieter bereits ein selektives Vertriebssystem betreibt oder das er für den Betrieb eines solchen Systems vorgesehen hat. Der Anbieter kann zudem von seinen Alleinvertriebshändlern verlangen, ihren Kunden Beschränkungen hinsichtlich des aktiven und passiven Verkaufs an nicht zugelassene Händler in Gebieten aufzuerlegen, in denen der Anbieter ein selektives Vertriebssystem betreibt oder das er zu diesem Zweck vorgesehen hat. Die Möglichkeit, in diesem Szenario Beschränkungen des aktiven und passiven Verkaufs an nachgelagerte Vertriebsstufen weiterzugeben, dient dem Zweck, den geschlossenen Charakter selektiver Vertriebssysteme zu schützen.

(224)

Drittens kann ein Anbieter gemäß Artikel 4 Buchstabe b Ziffer iii der Verordnung (EU) 2022/720 den Niederlassungsort des Abnehmers, dem er ein Gebiet oder eine Kundengruppe exklusiv zugewiesen hat, beschränken („Standortklausel“). Das bedeutet, dass der Anbieter vom Abnehmer verlangen kann, dass er seine Vertriebsstellen und Lager auf eine bestimmte Anschrift, einen bestimmten Ort bzw. ein bestimmtes Gebiet beschränkt. Was mobile Verkaufsstätten betrifft, so kann in der Vereinbarung ein Gebiet festgelegt werden, außerhalb dessen die mobile Verkaufsstätte nicht betrieben werden darf. Die Einrichtung und Nutzung eines Online-Shops durch den Händler ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Eröffnung einer physischen Verkaufsstätte und kann daher nicht eingeschränkt werden (139).

(225)

Viertens erlaubt Artikel 4 Buchstabe b Ziffer iv der Verordnung (EU) 2022/720 einem Anbieter, den aktiven und passiven Verkauf eines Alleinvertriebshändlers des Großhandels an Endverbraucher zu beschränken, sodass der Anbieter die Großhandels- und die Einzelhandelsstufe getrennt halten kann. Diese Ausnahme sieht vor, dass es dem Großhändler gestattet wird, an bestimmte Endverbraucher (z. B. einige Großverbraucher) zu verkaufen, während Verkäufe an alle anderen Endverbraucher untersagt werden (140).

(226)

Fünftens kann ein Anbieter nach Artikel 4 Buchstabe b Ziffer v der Verordnung (EU) 2022/720 die Möglichkeit eines Alleinvertriebshändlers einschränken, zum Zwecke des Einbaus gelieferte Komponenten aktiv oder passiv an Wettbewerber des Anbieters zu verkaufen, die diese zur Herstellung der gleichen Art von Waren wie die vom Anbieter hergestellten Waren verwenden würden. Der Begriff „Teil“ schließt alle Zwischenprodukte ein; der Begriff „Weiterverwendung“ bezieht sich auf alle Vorleistungen für die Herstellung von Waren.

6.1.2.3.2.   Anbieter betreibt selektives Vertriebssystem

(227)

Die in Artikel 4 Buchstabe c Ziffer i der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegte Kernbeschränkung betrifft Vereinbarungen, die unmittelbar oder mittelbar die Beschränkung des Gebiets oder der Kundengruppe bezwecken, in das oder an die die Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems (im Folgenden „zugelassene Händler“) die Vertragswaren oder -dienstleistungen aktiv oder passiv verkaufen dürfen. Dies schließt Beschränkungen des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher ein, die ein Anbieter auf der Einzelhandelsstufe tätigen Vertragshändlern auferlegt.

(228)

Es gibt fünf Ausnahmen von der in Artikel 4 Buchstabe c Ziffer i der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegten Kernbeschränkung.

(229)

Die erste Ausnahme betrifft Beschränkungen der Möglichkeit von Vertragshändlern, außerhalb des selektiven Vertriebssystems zu verkaufen. Sie erlaubt es dem Anbieter, den aktiven Verkauf, einschließlich Online-Werbung, durch Vertragshändler in andere Gebiete oder an Kundengruppen zu beschränken, die anderen Händlern exklusiv zugewiesen oder ausschließlich dem Anbieter vorbehalten sind. Der Anbieter kann vom Vertragshändler auch verlangen, seinen Direktkunden solche zulässigen Beschränkungen des aktiven Verkaufs vorzuschreiben. Der Schutz solcher exklusiv zugewiesenen Gebiete oder Kundengruppen ist jedoch nicht absolut, da der Anbieter den passiven Verkauf in solche Gebiete oder an solche Kundengruppen nicht beschränken darf.

(230)

Die zweite Ausnahme ermöglicht es dem Anbieter, seine zugelassenen Händler und deren Kunden daran zu hindern, aktiv oder passiv an nicht zugelassene Händler zu verkaufen, die in einem Gebiet ansässig sind, in dem der Anbieter bereits ein selektives Vertriebssystem betreibt.

(231)

Die dritte Ausnahme erlaubt es dem Anbieter, seinen zugelassenen Händlern eine Standortklausel aufzuerlegen, um sie daran zu hindern, ihre Geschäftstätigkeit von anderen Räumlichkeiten aus auszuüben oder eine neue Verkaufsstätte an einem anderen Standort zu eröffnen. Somit geht der Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 nicht verloren, wenn der Händler zustimmt, seine Vertriebsstellen und Lager auf eine bestimmte Anschrift, einen bestimmten Ort bzw. ein bestimmtes Gebiet zu beschränken. Was mobile Verkaufsstätten betrifft, so kann in der Vereinbarung ein Gebiet festgelegt werden, außerhalb dessen die mobile Verkaufsstätte nicht betrieben werden darf. Die Einrichtung und Nutzung eines Online-Shops durch den Händler ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Eröffnung einer physischen Verkaufsstätte und kann daher nicht eingeschränkt werden (141).

(232)

Die vierte Ausnahme erlaubt es dem Anbieter, den aktiven und passiven Verkauf eines zugelassenen Großhändlers an Endverbraucher zu beschränken, sodass der Anbieter die Großhandels- und Einzelhandelsstufe voneinander getrennt halten kann. Diese Ausnahme sieht vor, dass es dem Großhändler gestattet wird, an bestimmte Endverbraucher (z. B. einige Großverbraucher) zu verkaufen, während Verkäufe an alle anderen Endverbraucher untersagt werden (142).

(233)

Die fünfte Ausnahme erlaubt es dem Anbieter, die Möglichkeit eines zugelassenen Abnehmers einschränken, zum Zwecke des Einbaus gelieferte Komponenten aktiv oder passiv an Wettbewerber des Anbieters zu verkaufen, die sie zur Herstellung der gleichen Art von Waren wie die vom Anbieter hergestellten verwenden würden. Der Begriff „Teil“ schließt alle Zwischenprodukte ein; der Begriff „Weiterverwendung“ bezieht sich auf alle Vorleistungen für die Herstellung von Waren.

(234)

Die in Artikel 4 Buchstabe c Ziffer iii der Verordnung (EU) 2022/720 dargelegte Kernbeschränkung betrifft die Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch auf der Einzelhandelsstufe tätige Mitglieder eines selektiven Vertriebsnetzes. Dies bedeutet, dass der Anbieter seine zugelassenen Händler nicht daran hindern darf, an Endverbraucher oder im Namen von Endverbrauchern handelnde Einkäufer zu verkaufen, es sei denn, diese Endverbraucher sind in einem Gebiet ansässig oder gehören einer Kundengruppe an, die einem anderen Händler exklusiv zugewiesen oder dem Anbieter in einem Gebiet vorbehalten wurde, in dem er ein Alleinvertriebssystem betreibt (siehe Artikel 4 Buchstabe c Ziffer i Nummer 1 der Verordnung sowie Randnummer (229)). Dies schließt auch nicht die Möglichkeit aus, den zugelassenen Händlern zu untersagen, von einem nicht genehmigten Niederlassungsort aus tätig zu werden (siehe Artikel 4 Buchstabe c Ziffer i Nummer 3 der Verordnung sowie Randnummer (231) der vorliegenden Leitlinien).

(235)

Ein Anbieter, der ein selektives Vertriebssystem betreibt, kann seine zugelassenen Händler auf der Grundlage qualitativer und/oder quantitativer Kriterien auswählen. Qualitative Kriterien müssen in der Regel sowohl für Online- als auch für Offline-Kanäle festgelegt werden. In Anbetracht der Tatsache, dass Online- und Offline-Kanäle unterschiedliche Merkmale aufweisen, kann ein Anbieter, der ein selektives Vertriebssystem betreibt, seinen zugelassenen Händlern Kriterien für Online-Verkäufe auferlegen, die nicht mit denen für Verkäufe in physischen Verkaufsstätten gleichwertig sind, sofern die für Online-Verkäufe vorgeschriebenen Anforderungen nicht indirekt bezwecken, den Abnehmer an der wirksamen Nutzung des Internets für den Online-Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen in bestimmte Gebiete oder an bestimmte Kunden zu hindern. So kann ein Anbieter zur Sicherstellung bestimmter Qualitätsstandards für Online-Verkäufe Anforderungen wie die Einrichtung und den Betrieb eines Online-Helpdesks für den Kundendienst, die Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für die Rücksendung der von Kunden erworbenen Produkte oder die Verwendung von sicheren Zahlungssystemen stellen. Ebenso kann ein Anbieter unterschiedliche Kriterien bezüglich der nachhaltigen Entwicklung bei Online- und Offline-Vertriebskanälen festlegen. Beispielsweise könnte ein Anbieter umweltgerechte Verkaufsstätten oder die Inanspruchnahme von Zustelldiensten mit Öko-Fahrrädern verlangen.

(236)

Eine Kombination aus selektivem Vertrieb und Alleinvertrieb innerhalb desselben Gebiets fällt auch dann nicht unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720, wenn der Anbieter den Alleinvertrieb auf der Großhandelsstufe und den selektiven Vertrieb auf Einzelhandelsstufe anwendet. Dies ist darin begründet, dass solche Kombinationen das Einverständnis der zugelassenen Händler mit Kernbeschränkungen im Sinne des Artikels 4 Buchstabe b oder c der Verordnung (EU) 2022/720 erfordern würden, beispielsweise Beschränkungen des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Kunden, die nicht exklusiv zugewiesen wurden, Beschränkungen des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher (143) oder Beschränkungen für Querlieferungen zwischen zugelassenen Händlern (144). Der Anbieter kann sich jedoch verpflichten, nur bestimmte zugelassene Händler, beispielsweise in bestimmten Teilen des Gebiets, in dem das selektive Vertriebssystem betrieben wird, zu beliefern oder selbst keine aktiven Verkäufe in dem betreffenden Gebiet zu tätigen (145). Der Anbieter kann gemäß der dritten Ausnahme zu Artikel 4 Buchstabe c Ziffer i der Verordnung (EU) 2022/720 seinen zugelassenen Händlern eine Standortklausel vorschreiben.

(237)

Bei der in Artikel 4 Buchstabe c Ziffer ii der Verordnung (EU) 2022/720 dargelegten Kernbeschränkung geht es um die Beschränkung von Querlieferungen zwischen zugelassenen Händlern innerhalb eines selektiven Vertriebssystems. Dies bedeutet, dass der Anbieter den aktiven oder passiven Verkauf zwischen seinen zugelassenen Händlern nicht verhindern darf; ihnen muss es freistehen, die Vertragsprodukte von anderen zugelassenen Händlern innerhalb des Netzes zu beziehen, die entweder auf derselben oder auf einer anderen Handelsstufe tätig sind (146). Der selektive Vertrieb darf also nicht mit vertikalen Beschränkungen einhergehen, mit denen die Händler gezwungen werden sollen, die Vertragsprodukte ausschließlich von einer bestimmten Quelle zu beziehen. Dies bedeutet auch, dass der Anbieter in einem selektiven Vertriebssystem die Verkäufe zugelassener Großhändler an zugelassene Händler nicht beschränken darf.

6.1.2.3.3.   Anbieter betreibt freies Vertriebssystem

(238)

Die in Artikel 4 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2022/720 aufgeführte Kernbeschränkung betrifft Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen, die mittel- oder unmittelbar die Beschränkung des Gebiets oder der Kunden bezwecken, in das oder an die ein Abnehmer in einem System des freien Vertriebs die Vertragswaren oder -dienstleistungen aktiv oder passiv verkaufen darf (147).

(239)

Es gibt fünf Ausnahmen von der in Artikel 4 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegten Kernbeschränkung.

(240)

Erstens erlaubt Artikel 4 Buchstabe d Ziffer i der Verordnung (EU) 2022/720 dem Anbieter, den aktiven Verkauf, einschließlich gezielter Online-Werbung, durch den Abnehmer in Gebiete oder an Kundengruppen zu beschränken, die anderen Abnehmern exklusiv zugewiesen wurden oder dem Anbieter vorbehalten sind. Der Anbieter kann vom zugelassenen Abnehmer auch verlangen, seinen Direktkunden solche zulässigen Beschränkungen des aktiven Verkaufs vorzuschreiben. Der Schutz solcher exklusiv zugewiesenen Gebiete oder Kundengruppen ist jedoch nicht absolut, da der Anbieter den passiven Verkauf in solche Gebiete oder an solche Kundengruppen nicht beschränken darf.

(241)

Zweitens gestattet Artikel 4 Buchstabe d Ziffer ii der Verordnung (EU) 2022/720 dem Abnehmer Beschränkungen des aktiven oder passiven Verkaufs an nicht zugelassene Händler in einem Gebiet aufzuerlegen, in dem der Anbieter ein selektives Vertriebssystem betreibt oder das er für den Betrieb eines solchen Systems reserviert hat; ferner kann er vom Abnehmer verlangen, seinen Kunden solche Beschränkungen aufzuerlegen. Die Beschränkung kann sich auf den aktiven oder passiven Verkauf auf jeder Handelsstufe beziehen.

(242)

Drittens gestattet Artikel 4 Buchstabe d Ziffer iii der Verordnung (EU) 2022/720 dem Anbieter, dem Abnehmer eine Standortklausel aufzuerlegen, um dessen Niederlassungsort einzuschränken. Das bedeutet, dass der Anbieter vom Abnehmer verlangen kann, dass er seine Vertriebsstellen und Lager auf eine bestimmte Anschrift, einen bestimmten Ort bzw. ein bestimmtes Gebiet beschränkt. Was mobile Verkaufsstätten betrifft, so kann in der Vereinbarung ein Gebiet festgelegt werden, außerhalb dessen die mobile Verkaufsstätte nicht betrieben werden darf. Die Einrichtung und Nutzung eines Online-Shops durch den Abnehmer ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Eröffnung einer physischen Verkaufsstätte und kann daher nicht eingeschränkt werden (148).

(243)

Viertens erlaubt Artikel 4 Buchstabe d Ziffer iv der Verordnung (EU) 2022/720 dem Anbieter, den aktiven und passiven Verkauf eines Großhändlers an Endverbraucher zu beschränken, sodass der Anbieter die Großhandels- und die Einzelhandelsstufe getrennt halten kann. Diese Ausnahme sieht vor, dass es dem Großhändler gestattet wird, an bestimmte Endverbraucher (z. B. bestimmte Großverbraucher) zu verkaufen, während Verkäufe an andere Endverbraucher untersagt werden (149).

(244)

Fünftens kann ein Anbieter nach Artikel 4 Buchstabe d Ziffer v der Verordnung (EU) 2022/720 die Möglichkeit eines Abnehmers einschränken, zum Zwecke des Einbaus gelieferte Komponenten aktiv oder passiv an Wettbewerber des Anbieters zu verkaufen, die sie zur Herstellung der gleichen Art von Waren wie die vom Anbieter hergestellten verwenden würden. Der Begriff „Teil“ schließt alle Zwischenprodukte ein; der Begriff „Weiterverwendung“ bezieht sich auf alle Vorleistungen für die Herstellung von Waren.

6.1.3.   Beschränkungen des Verkaufs von Ersatzteilen

(245)

Die in Artikel 4 Buchstabe f der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegte Kernbeschränkung betrifft Vereinbarungen, die es Endverbrauchern, unabhängigen Reparaturbetrieben, Großhändlern und Dienstleistern untersagen oder nur mit Einschränkungen gestatten, Ersatzteile unmittelbar vom Hersteller dieser Ersatzteile zu beziehen. Durch eine Vereinbarung zwischen einem Ersatzteilehersteller und einem Abnehmer, der die Teile bei seinen eigenen Produkten weiterverwendet (beispielsweise einem Erstausrüster) darf der Verkauf dieser Ersatzteile durch den Hersteller dieser Ersatzteile an Endverbraucher, unabhängige Reparaturbetriebe, Großhändler oder Dienstleister weder unmittelbar noch mittelbar verhindert oder beschränkt werden. Indirekte Beschränkungen können insbesondere dann vorliegen, wenn der Hersteller der Ersatzteile in seiner Freiheit beschränkt wird, technische Angaben und Spezialausrüstungen bereitzustellen, die für die Verwendung der Ersatzteile durch Endverbraucher, unabhängige Reparaturbetriebe oder Dienstleister notwendig sind. Die Vereinbarung darf jedoch bezüglich der Lieferung der Ersatzteile an Reparaturbetriebe und Dienstleister, die der Erstausrüster mit der Reparatur oder Wartung seiner eigenen Waren betraut hat, Beschränkungen enthalten. Dies bedeutet auch, dass der Erstausrüster von seinem eigenen Reparatur- und Servicenetz verlangen kann, Ersatzteile bei sich oder bei anderen Mitgliedern seines selektiven Vertriebssystems zu kaufen, sofern er ein solches System betreibt.

6.2.   Beschränkungen, die von der Verordnung (EU) 2022/720 ausgenommen sind

(246)

Artikel 5 der Verordnung (EU) 2022/720 schließt bestimmte, in vertikalen Vereinbarungen enthaltene Verpflichtungen vom Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung unabhängig davon aus, ob die in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung festgelegten Marktanteilsschwellen überschritten werden oder nicht. Insbesondere in Artikel 5 der Verordnung werden Verpflichtungen aufgeführt, bei denen nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass sie die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen. Eine Vermutung, dass die in Artikel 5 der Verordnung genannten Verpflichtungen in den Anwendungsbereich des Artikels 101 Absatz 1 AEUV fallen oder die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV nicht erfüllen, besteht hingegen nicht. Der Ausschluss dieser Verpflichtungen von der Gruppenfreistellung bedeutet lediglich, dass sie einer Einzelprüfung nach Artikel 101 AEUV unterliegen. Außerdem ist der Ausschluss einer Verpflichtung von der Gruppenfreistellung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) 2022/720 im Gegensatz zu Artikel 4 der Verordnung auf die jeweilige Verpflichtung beschränkt, sofern sich die betreffende Verpflichtung vom Rest der vertikalen Vereinbarung trennen lässt. In diesem Fall gilt für den verbleibenden Teil der vertikalen Vereinbarung weiterhin die Gruppenfreistellung.

6.2.1.   Wettbewerbsverbote, die eine Dauer von fünf Jahren überschreiten

(247)

Nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 sind Wettbewerbsverbote, die eine Dauer von fünf Jahren überschreiten, von einer Freistellung ausgeschlossen. Wettbewerbsverbote im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung (EU) 2022/720 sind Vereinbarungen, die den Abnehmer dazu veranlassen, gemessen am Beschaffungswert des Vorjahres mehr als 80 % seiner Vertragswaren und -dienstleistungen sowie deren Substitute vom Anbieter oder von einem anderen vom Anbieter benannten Unternehmen zu beziehen. Dies bedeutet, dass der Abnehmer daran gehindert wird, konkurrierende Waren oder Dienstleistungen zu kaufen, oder dass solche Käufe auf weniger als 20 % seiner Gesamtkäufe beschränkt sind. Liegen für die Käufe des Abnehmers in dem Kalenderjahr vor Abschluss der vertikalen Vereinbarung keine einschlägigen Daten vor, kann stattdessen die bestmögliche Schätzung des jährlichen Gesamtbedarfs des Abnehmers zugrunde gelegt werden. Jedoch sollten die tatsächlichen Einkaufsdaten verwendet werden, sobald sie verfügbar sind.

(248)

Wettbewerbsverbote können nicht unter die Gruppenfreistellung fallen, wenn ihre Dauer unbestimmt ist oder fünf Jahre überschreitet. Wettbewerbsverbote, die stillschweigend über einen Zeitraum von fünf Jahren hinaus verlängert werden können, fallen unter die Gruppenfreistellung, sofern der Abnehmer die vertikale Vereinbarung, die die Verpflichtung enthält, mit einer angemessenen Kündigungsfrist und zu angemessenen Kosten wirksam neu aushandeln oder kündigen kann, sodass er nach Ablauf der Fünfjahresfrist seinen Anbieter effektiv wechseln könnte. Wenn beispielsweise die vertikale Vereinbarung ein fünfjähriges Wettbewerbsverbot enthält und der Anbieter dem Abnehmer ein Darlehen gewährt, darf die Tilgung des Darlehens den Abnehmer nicht daran hindern, das Wettbewerbsverbot nach Ablauf der Fünfjahresfrist effektiv zu beenden. Ebenso sollte ein Abnehmer die Möglichkeit haben, Ausrüstungen, die ihm der Anbieter zur Verfügung gestellt hat und die nicht vertragsspezifisch sind, nach dem Ende des Wettbewerbsverbots zum Marktwert zu übernehmen.

(249)

Nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2022/720 gilt die Begrenzung von Wettbewerbsverboten auf einen Zeitraum von fünf Jahren nicht, wenn die Vertragswaren oder -dienstleistungen vom Abnehmer in Räumlichkeiten und auf Grundstücken verkauft werden, die im Eigentum des Anbieters stehen oder die der Anbieter von nicht mit dem Abnehmer verbundenen Dritten gemietet oder gepachtet hat. In solchen Fällen kann das Wettbewerbsverbot für einen längeren Zeitraum auferlegt werden, sofern es nicht länger andauert als der Zeitraum, in dem der Abnehmer die Verkaufsstätte nutzt. Der Grund für diese Ausnahme liegt darin, dass von einem Anbieter in der Regel nicht erwartet werden kann, dass er den Verkauf konkurrierender Produkte in den Räumlichkeiten und auf den Grundstücken, die in seinem Eigentum stehen, ohne seine Erlaubnis zulässt. Analog gelten dieselben Grundsätze, wenn der Abnehmer seine Produkte über eine mobile Verkaufsstätte verkauft, die im Eigentum des Anbieters steht oder die der Anbieter von nicht mit dem Abnehmer verbundenen Dritten gemietet oder gepachtet hat. Künstliche Konstruktionen, wie die zeitlich begrenzte Übertragung von Eigentumsrechten an Räumlichkeiten und Grundstücken des Händlers an den Anbieter, mit denen die Fünfjahresfrist umgangen werden soll, fallen nicht unter diese Ausnahme.

6.2.2.   Nachvertragliche Wettbewerbsverbote

(250)

Nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2022/720 sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote für den Abnehmer vom Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung ausgeschlossen, es sei denn, alle nachstehend aufgeführten Voraussetzungen sind erfüllt:

a)

Das Wettbewerbsverbot ist unerlässlich, um Know-how, das dem Abnehmer vom Anbieter übertragen wurde, zu schützen.

b)

Das Wettbewerbsverbot ist auf die Verkaufsstätte beschränkt, von der aus der Abnehmer während der Vertragslaufzeit tätig war.

c)

Das Wettbewerbsverbot ist auf einen Zeitraum von höchstens einem Jahr begrenzt.

(251)

Das betroffene Know-how muss im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe j der Verordnung (EU) 2022/720 geheim, wesentlich und identifiziert sein und insbesondere Informationen enthalten, die für den Abnehmer bei der Verwendung, dem Verkauf oder dem Weiterverkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen bedeutsam und nützlich sind.

6.2.3.   Wettbewerbsverbote, die den Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegt werden

(252)

Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2022/720 betrifft den Verkauf konkurrierender Waren oder Dienstleistungen in einem selektiven Vertriebssystem. Die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung gilt für die Kombination des selektiven Vertriebs mit einem Wettbewerbsverbot, wonach zugelassene Händler keine konkurrierenden Marken weiterverkaufen dürfen. Hingegen fällt eine Verpflichtung, mit der der Anbieter seine zugelassenen Händler unmittelbar oder mittelbar daran hindert, Produkte zum Zwecke des Weiterverkaufs von bestimmten konkurrierenden Anbietern zu beziehen, nicht unter die Gruppenfreistellung. Mit diesem Ausschluss sollen Situationen vermieden werden, in denen mehrere Anbieter, die dieselben Verkaufsstellen innerhalb eines selektiven Vertriebsnetzes nutzen, einen bestimmten oder mehrere bestimmte Wettbewerber daran hindern, beim Vertrieb ihrer Produkte auf diese Verkaufsstellen zurückzugreifen. Ein solches Szenario könnte zum Ausschluss eines konkurrierenden Anbieters durch eine Art von kollektivem Boykott führen.

6.2.4.   Plattformübergreifende Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen

(253)

Der vierte Ausschluss von der Gruppenfreistellung, der in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegt ist, betrifft die von Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten auferlegten plattformübergreifenden Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen, d. h. die unmittelbare oder mittelbare Verpflichtung, die die Abnehmer dieser Dienste dazu anhalten, Endverbrauchern Waren oder Dienstleistungen nicht zu günstigeren Bedingungen unter Nutzung konkurrierender Online-Vermittlungsdienste anzubieten, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen. Die Bedingungen können Preise, Bestand, Verfügbarkeit oder andere Angebots- oder Verkaufsbedingungen betreffen. Die Einzelhandels-Paritätsverpflichtung kann sich aus einer Vertragsklausel oder anderen unmittelbaren oder mittelbaren Maßnahmen ergeben, einschließlich der Anwendung von Preisstaffelungen oder anderen Anreizen, deren Anwendung von den Bedingungen abhängt, unter denen der Abnehmer der Online-Vermittlungsdienste Endverbrauchern Waren oder Dienstleistungen unter Nutzung konkurrierender Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten anbietet. Wenn beispielsweise ein Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten das Angebot einer besseren Sichtbarkeit der Waren oder Dienstleistungen des Abnehmers auf der Website des Anbieters oder die Anwendung eines niedrigeren Provisionssatzes davon abhängig macht, dass der Abnehmer ihm im Vergleich zu konkurrierenden Anbietern solcher Dienste gleiche Bedingungen einräumt, stellt dies eine plattformübergreifende Einzelhandels-Paritätsverpflichtung dar.

(254)

Alle anderen Arten von Paritätsverpflichtungen können unter die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 vorgesehene Freistellung fallen. Zu ihnen zählen beispielsweise:

a)

Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen, die sich auf die direkten Vertriebskanäle der Abnehmer von Online-Vermittlungsdiensten beziehen (sogenannte „enge“ Einzelhandel-Paritätsverpflichtungen),

b)

Paritätsverpflichtungen bezüglich der Voraussetzungen, unter denen Unternehmen, die keine Endverbraucher sind, Waren oder Dienstleistungen angeboten werden,

c)

Paritätsverpflichtungen bezüglich der Voraussetzungen, unter denen Hersteller, Groß- oder Einzelhändler Waren oder Dienstleistungen als Vorleistungen beziehen (im Folgenden „Meistbegünstigungsverpflichtungen“).

(255)

Abschnitt 8.2.5 enthält Orientierungshilfen für die Beurteilung von Paritätsverpflichtungen in Einzelfällen, in denen die Verordnung (EU) 2022/720 nicht gilt.

7.   ENTZUG UND NICHTANWENDUNG

7.1.   Entzug des Rechtsvorteils der Verordnung (EU) 2022/720

(256)

Nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 kann die Kommission den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 gemäß Artikel 29 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 entziehen, wenn sie in einem bestimmten Fall feststellt, dass eine vertikale Vereinbarung, die unter die Verordnung (EU) 2022/720 fällt, bestimmte Wirkungen hat, die mit Artikel 101 AEUV unvereinbar sind. Hat darüber hinaus gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2022/720 eine vertikale Vereinbarung in einem bestimmten Fall Auswirkungen, die unvereinbar sind mit Artikel 101 Absatz 3 AEUV im Gebiet eines Mitgliedstaats oder in einem Teil davon, der alle Merkmale eines gesonderten räumlich relevanten Marktes aufweist, kann die nationale Wettbewerbsbehörde dieses Mitgliedstaats ebenfalls den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 entziehen. In Artikel 29 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 werden die Gerichte der Mitgliedstaaten nicht erwähnt, sodass diese nicht befugt sind, den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 (150) zu entziehen, es sei denn, das betreffende Gericht ist eine nach Artikel 35 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 bestimmte Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats.

(257)

Die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden können den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 in zwei Szenarien entziehen. Erstens können sie den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 entziehen, wenn eine vertikale Vereinbarung, die unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt, für sich genommen Auswirkungen auf den relevanten Markt hat, die mit Artikel 101 Absatz 3 AEUV unvereinbar sind. Zweitens können sie, wie in Erwägungsgrund 20 der Verordnung (EU) 2022/720 erwähnt, den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 auch entziehen, wenn die vertikale Vereinbarung diese Auswirkungen in Verbindung mit ähnlichen Vereinbarungen konkurrierender Anbieter oder Abnehmer hat. Dies liegt daran, dass parallele Netze ähnlicher vertikaler Vereinbarungen kumulative wettbewerbswidrige Auswirkungen haben können, die mit Artikel 101 Absatz 3 AEUV unvereinbar sind. Die Beschränkung des Zugangs zu dem relevanten Markt und die Beschränkung des Wettbewerbs auf diesem Markt sind Beispiele für solche kumulativen Auswirkungen, die einen Entzug des Rechtsvorteils der Verordnung (EU) 2022/720 rechtfertigen können (151).

(258)

Parallele Netze vertikaler Vereinbarungen sind als ähnlich anzusehen, wenn sie die gleiche Art von Beschränkungen mit ähnlichen Auswirkungen auf den Markt enthalten. Derartige kumulative Auswirkungen können sich etwa aus Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen, selektiven Vertriebssystemen oder Wettbewerbsverboten ergeben.

(259)

Artikel 6 der Verordnung (EU) 2022/720 sieht im Hinblick auf Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen für direkte Vertriebskanäle (enge Einzelhandel-Paritätsverpflichtungen) vor, dass der Rechtsvorteil der Verordnung nach Artikel 29 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 insbesondere dann entzogen werden kann, wenn der relevante Markt für die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten stark konzentriert ist und wenn der Wettbewerb zwischen den Anbietern solcher Dienste durch die kumulative Wirkung paralleler Netzer ähnlicher Vereinbarungen eingeschränkt wird, mit denen die Abnehmer der Online-Vermittlungsdienste daran gehindert werden, in ihren direkten Vertriebskanälen den Endverbrauchern Waren oder Dienstleistungen zu günstigeren Bedingungen anzubieten, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen. Weitere Hinweise zu diesem Szenario sind Abschnitt 8.2.5.2. zu entnehmen.

(260)

Was den selektiven Vertrieb betrifft, so kann eine Situation hinreichend ähnlicher paralleler Netze vorliegen, wenn auf einem bestimmten Markt bestimmte Anbieter einen rein qualitativen selektiven Vertrieb betreiben, während andere Anbieter einen quantitativen selektiven Vertrieb mit ähnlichen Auswirkungen auf den Markt betreiben. Solche kumulativen Auswirkungen können auch entstehen, wenn auf einem bestimmten Markt parallele selektive Vertriebsnetze qualitative Kriterien anwenden, die Händler ausschließen. Unter diesen Umständen sind bei der Würdigung die wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu berücksichtigen, die sich aus jedem einzelnen Netz von Vereinbarungen ergeben. Gegebenenfalls kann der Entzug des Rechtsvorteils der Verordnung (EU) 2022/720 auf bestimmte qualitative oder quantitative Kriterien beschränkt werden, die z. B. die Zahl der zugelassenen Händler begrenzen.

(261)

Die Verantwortung für eine kumulative wettbewerbswidrige Wirkung kann nur denjenigen Unternehmen angelastet werden, die einen spürbaren Beitrag hierzu leisten. Vereinbarungen zwischen Unternehmen, deren Beitrag zur kumulativen Wirkung unerheblich ist, fallen nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV (152). Sie unterliegen damit nicht dem Entzugsmechanismus (153).

(262)

Gemäß Artikel 29 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 kann die Kommission den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 von sich aus oder aufgrund einer Beschwerde entziehen. Dies schließt die Möglichkeit für die nationalen Wettbewerbsbehörden ein, die Kommission zu ersuchen, den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 in einem bestimmten Fall zu entziehen, unbeschadet der Anwendung der Regeln für die Fallzuweisung und Unterstützung innerhalb des Europäischen Wettbewerbsnetzes (154) sowie unbeschadet ihrer eigenen Entzugsbefugnis gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003. Wenn mindestens drei nationale Wettbewerbsbehörden die Kommission ersuchen, Artikel 29 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 in einem bestimmten Fall anzuwenden, erörtert die Kommission den Fall im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes. In diesem Zusammenhang berücksichtigt die Kommission weitestgehend die Ansichten der nationalen Wettbewerbsbehörden, die die Kommission um Entzug des Rechtsvorteils der Verordnung (EU) 2022/720 ersucht haben, um fristgerecht zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für einen Entzug im konkreten Fall erfüllt sind.

(263)

Nach Artikel 29 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 hat die Kommission die ausschließliche Zuständigkeit für den unionsweiten Entzug des Rechtsvorteils der Verordnung (EU) 2022/720, d. h. sie kann den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 in Bezug auf vertikale Vereinbarungen entziehen, die den Wettbewerb auf einem räumlich relevanten Markt beschränken, der größer ist als das Gebiet eines einzelnen Mitgliedstaats, während die nationalen Wettbewerbsbehörden den Rechtsvorteil der Verordnung nur in Bezug auf das Gebiet ihres jeweiligen Mitgliedstaats entziehen können.

(264)

Daher bezieht sich die Entzugsbefugnis einer einzelnen nationalen Wettbewerbsbehörde auf Fälle, in denen der relevante Markt einen einzigen Mitgliedstaat oder eine Region umfasst, die sich ausschließlich in einem Mitgliedstaat bzw. einem Teil desselben befindet. In einem solchen Fall ist die nationale Wettbewerbsbehörde dieses Mitgliedstaats befugt, den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 in Bezug auf die vertikale Vereinbarung zu entziehen, die auf diesem nationalen oder regionalen Markt Wirkungen hat, die mit Artikel 101 Absatz 3 AEUV unvereinbar sind. Es handelt sich insofern um eine konkurrierende Zuständigkeit, als Artikel 29 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 die Kommission auch ermächtigt, den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 in Bezug auf einen nationalen oder regionalen Markt zu entziehen, sofern die betreffende vertikale Vereinbarung den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann.

(265)

Wenn mehrere getrennte nationale oder regionale Märkte betroffen sind, können mehrere zuständige nationale Wettbewerbsbehörden den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 gleichzeitig entziehen.

(266)

Aus dem Wortlaut des Artikels 29 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ergibt sich, dass die Kommission, wenn sie den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 entzieht, erstens nachweisen muss, dass die betreffende vertikale Vereinbarung spürbare wettbewerbswidrige Auswirkungen im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV hat (155). Zweitens muss die Kommission nachweisen, dass die Vereinbarung Wirkungen hat, die mit Artikel 101 Absatz 3 AEUV unvereinbar sind, was bedeutet, dass die Vereinbarung mindestens eine der vier Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV nicht erfüllt (156). Nach Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 gelten die gleichen Anforderungen, wenn eine nationale Wettbewerbsbehörde den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 in Bezug auf das Gebiet ihres Mitgliedstaat entzieht. Was die Beweislast für das Vorliegen der zweiten Voraussetzung anbelangt, so muss die zuständige Wettbewerbsbehörde nach Artikel 29 nachweisen, dass mindestens eine der vier Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV nicht erfüllt ist (157).

(267)

Sind die Voraussetzungen des Artikels 29 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 erfüllt, kann die Kommission den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 in einem Einzelfall entziehen. Ein solcher Entzug und die in diesem Abschnitt dargelegten Anforderungen sind von den Feststellungen in einer Entscheidung der Kommission bezüglich einer Zuwiderhandlung gemäß Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zu unterscheiden. Ein Entzug kann jedoch beispielsweise mit der Feststellung einer Zuwiderhandlung und der Verhängung einer Abhilfemaßnahme und sogar mit einstweiligen Maßnahmen verbunden werden (158).

(268)

Entzieht die Kommission den Rechtsvorteil der Verordnung (EU) 2022/720 gemäß Artikel 29 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, entfaltet der Entzug nur eine Rechtswirkung in die Zukunft (ex nunc), d. h. der Freistellungsstatus der betreffenden Vereinbarungen bleibt für den Zeitraum vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Entzugs unberührt. Im Falle eines Entzugs gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 muss die betreffende nationale Wettbewerbsbehörde auch ihren Verpflichtungen gemäß Artikel 11 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Rechnung tragen, insbesondere ihrer Verpflichtung, der Kommission alle einschlägigen geplanten Beschlüsse zu übermitteln.

7.2.   Nichtanwendung der Verordnung (EU) 2022/720

(269)

Im Einklang mit Artikel 1a der Verordnung Nr. 19/65/EWG ist die Kommission nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2022/720 ermächtigt, parallele Netze ähnlicher vertikaler Beschränkungen, die mehr als 50 % eines relevanten Marktes abdecken, durch Verordnung vom Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2022/720 auszuschließen. Eine solche Verordnung richtet sich nicht an einzelne Unternehmen, sondern betrifft alle Unternehmen, deren Vereinbarungen die in einer Verordnung nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2022/720 genannten Voraussetzungen erfüllen. Bei der Beurteilung, ob eine solche Verordnung zu erlassen ist, prüft die Kommission, ob ein individueller Entzug eine geeignetere Abhilfemaßnahme darstellen würde. Zwei bei dieser Beurteilung besonders relevante Aspekte sind die Anzahl der konkurrierenden Unternehmen, die zu einer kumulativen Wirkung auf einem relevanten Markt beitragen, und die Anzahl der betroffenen räumlichen Märkte innerhalb der Union.

(270)

Die Kommission prüft, ob eine Verordnung gemäß Artikel 7 der Verordnung (EU) 2022/720 zu erlassen ist, wenn ähnliche Beschränkungen, die mehr als 50 % des relevanten Marktes abdecken, den Zugang zu diesem Markt oder den Wettbewerb darin wahrscheinlich spürbar beschränken. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn parallele selektive Vertriebsnetze, die mehr als 50 % eines Marktes abdecken, aufgrund der Anwendung von Auswahlkriterien, die durch die Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht erforderlich sind oder die bestimmte Arten des Vertriebs solcher Waren oder Dienstleistungen diskriminieren, den Markt abschotten könnten. Zur Berechnung der 50 %-Marktabdeckungsquote muss jedes einzelne Netz vertikaler Vereinbarungen berücksichtigt werden, das Beschränkungen oder Kombinationen von Beschränkungen mit ähnlichen Wirkungen auf den Markt enthält. Die Kommission ist jedoch nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2022/720 nicht verpflichtet, eine solche Verordnung zu erlassen, wenn die Marktabdeckungsquote von 50 % überschritten wird.

(271)

Eine nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2022/720 erlassene Verordnung hat zur Folge, dass die Verordnung (EU) 2022/720 in Bezug auf die Beschränkungen und die betroffenen Märkte keine Anwendung mehr findet und Artikel 101 Absätze 1 und 3 AEUV daher uneingeschränkt gelten.

(272)

In einer nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2022/720 erlassenen Verordnung muss deren Anwendungsbereich eindeutig festgelegt sein. Dies bedeutet, dass die Kommission zum einen den bzw. die sachlich und räumlich relevanten Markt bzw. Märkte und zum anderen die Art der vertikalen Beschränkung(en) definieren muss, auf die die Verordnung (EU) 2022/720 keine Anwendung mehr findet. Im letztgenannten Fall kann sie den Anwendungsbereich der Verordnung auf das Wettbewerbsproblem abstimmen, das sie adressieren möchte. Während z. B. bei der Ermittlung der Marktabdeckungsquote von 50 % alle parallelen Netze von Vereinbarungen mit Markenzwang zu berücksichtigen sind, kann die Kommission dennoch den Anwendungsbereich einer nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2022/720 erlassenen Verordnung auf Wettbewerbsverbote beschränken, die eine bestimmte Dauer überschreiten. Damit könnten Vereinbarungen von kürzerer Dauer oder Vereinbarungen, die weniger einschränkend sind, in Anbetracht der aufgrund solcher Beschränkungen geringeren Ausschlusswirkung unberührt bleiben. Ebenso könnte in Fällen, in denen Unternehmen auf einem bestimmten Markt selektiven Vertrieb in Verbindung mit zusätzlichen Beschränkungen wie Wettbewerbsverboten oder Mengenvorgaben praktizieren, eine nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2022/720 erlassene Verordnung nur diese zusätzlichen Beschränkungen betreffen. Gegebenenfalls kann die Kommission auch das Marktanteilsniveau angeben, bis zu dem in einem konkreten Marktumfeld davon ausgegangen werden kann, dass ein einzelnes Unternehmen keinen erheblichen Beitrag zur kumulativen Wirkung leistet.

(273)

Gemäß Artikel 1a der Verordnung Nr. 19/65/EWG muss in einer nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2022/720 erlassenen Verordnung ein Übergangszeitraum von mindestens sechs Monaten vor ihrem Inkrafttreten festgelegt werden. Diese Frist soll den beteiligten Unternehmen die Möglichkeit geben, ihre vertikalen Vereinbarungen entsprechend anzupassen.

(274)

Eine nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2022/720 erlassene Verordnung berührt für den Zeitraum vor Geltungsbeginn dieser Verordnung nicht den Freistellungsstatus der betreffenden Vereinbarungen.

8.   DURCHSETZUNG IM EINZELFALL

8.1.   Grundlagen der Prüfung

(275)

Wenn die durch die Verordnung (EU) 2022/720 geschaffene Gruppenfreistellung für eine vertikale Vereinbarung nicht gilt, ist zu prüfen, ob die vertikale Vereinbarung im Einzelfall unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt und, falls ja, ob die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllt sind. Sofern vertikale Vereinbarungen keine Wettbewerbsbeschränkungen und insbesondere keine Kernbeschränkungen im Sinne des Artikels 4 der Verordnung (EU) 2022/720 enthalten, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass vertikale Vereinbarungen, die nicht von der Verordnung (EU) 2022/720 erfasst sind, unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen oder die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV nicht erfüllen. Solche Vereinbarungen müssen individuell bewertet werden. Vereinbarungen, die entweder den Wettbewerb nicht im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV beschränken oder die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen, sind gültig und durchsetzbar.

(276)

Nach Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 müssen Unternehmen ihre vertikalen Vereinbarungen nicht anmelden, um eine Einzelfreistellung nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV zu erlangen. Nimmt die Kommission eine Einzelprüfung vor, so trägt sie die Beweislast dafür, dass die betreffende vertikale Vereinbarung den Wettbewerb im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV beschränkt. Unternehmen, die sich auf Artikel 101 Absatz 3 AEUV berufen, tragen die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind. Wenn nachgewiesen ist, dass wettbewerbswidrige Auswirkungen wahrscheinlich sind, können die Unternehmen substantiiert vortragen, dass Effizienzgewinne zu erwarten sind, und erläutern, warum eine bestimmte Vertriebsregelung unerlässlich ist, um wahrscheinliche Vorteile für die Verbraucher hervorzubringen, ohne den Wettbewerb auszuschalten. Anschließend entscheidet die Kommission, ob die Vereinbarung die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllt.

(277)

Um festzustellen, ob eine vertikale Vereinbarung eine Beschränkung des Wettbewerbs bewirkt, wird die Situation, die auf dem relevanten Markt mit den vertikalen Beschränkungen besteht, mit der Situation verglichen, die ohne die in der vertikalen Vereinbarung vorgesehenen vertikalen Beschränkungen bestehen würde. Bei der Prüfung im Einzelfall kann die Kommission sowohl tatsächliche als auch wahrscheinliche Auswirkungen berücksichtigen. Damit vertikale Vereinbarungen eine Beschränkung des Wettbewerbs bewirken, müssen sie den tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerb in einem solchen Umfang beeinträchtigen, dass auf dem relevanten Markt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit negative Auswirkungen auf Preise, Produktion, Innovation oder Bandbreite oder Qualität von Waren und Dienstleistungen zu erwarten sind. Die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb müssen spürbar sein (159). Spürbare wettbewerbswidrige Auswirkungen sind wahrscheinlicher, wenn mindestens eines der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen eine gewisse Marktmacht besitzt oder erlangt und die Vereinbarung zur Begründung, Erhaltung oder Verstärkung dieser Marktmacht beiträgt oder den beteiligten Unternehmen ermöglicht, diese Marktmacht auszunutzen. Marktmacht ist die Fähigkeit, über einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum die Preise oberhalb des Wettbewerbsniveaus bzw. die Produktion im Hinblick auf Produktmengen, Produktqualität und -bandbreite oder Innovation unterhalb des Wettbewerbsniveaus zu halten. Für die Feststellung einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV muss in der Regel ein geringeres Maß an Marktmacht vorliegen als für die Feststellung der Marktbeherrschung nach Artikel 102 AEUV.

8.1.1.   Maßgebliche Faktoren für die Prüfung nach Artikel 101 Absatz 1 AEUV

(278)

Bei der Beurteilung einzelner vertikaler Vereinbarungen zwischen Unternehmen mit Marktanteilen über der 30 %-Schwelle führt die Kommission eine umfassende wettbewerbsrechtliche Analyse durch. Für die Feststellung, ob eine vertikale Vereinbarung zu einer spürbaren Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV führt, sind insbesondere die nachstehenden Faktoren maßgebend:

a)

Art der Vereinbarung,

b)

Marktstellung der beteiligten Unternehmen,

c)

Marktstellung der Wettbewerber (vor- und nachgelagert),

d)

Marktstellung der Abnehmer der Vertragswaren oder -dienstleistungen,

e)

Marktzutrittsschranken,

f)

die betroffene Stufe der Produktions- oder Vertriebskette,

g)

Beschaffenheit des Produkts,

h)

Dynamik des Marktes.

(279)

Andere maßgebliche Faktoren können ebenfalls berücksichtigt werden.

(280)

Die Wichtigkeit der einzelnen Faktoren kann je nach den Umständen des Falls variieren. Ein hoher Marktanteil der beteiligten Unternehmen ist in der Regel ein guter Indikator für Marktmacht. Auf Märkten mit niedrigen Zutrittsschranken kann die Marktmarkt jedoch durch tatsächliche oder potenzielle Zutritte ausreichend beschränkt sein. Deshalb ist es nicht möglich, feste, allgemeingültige Regeln für die Gewichtung der einzelnen Faktoren aufzustellen.

(281)

Vertikale Vereinbarungen können viele Formen und Ausprägungen annehmen. Aus diesem Grund muss die Art der Vereinbarung anhand der in ihr enthaltenen Beschränkungen, der Dauer dieser Beschränkungen und des Anteils des von diesen Beschränkungen betroffenen Gesamtumsatzes auf dem (nachgelagerten) Markt geprüft werden. Dabei darf die Prüfung nicht auf den Wortlaut der Vereinbarung beschränkt bleiben. Das Vorliegen impliziter Beschränkungen kann z. B. daraus abgeleitet werden, wie die Vereinbarung von den beteiligten Unternehmen umgesetzt wird und welche Anreize sie ihnen bietet.

(282)

Die Marktstellung der beteiligten Unternehmen ist ein Anhaltspunkt dafür, in welchem Maß der Anbieter, der Abnehmer oder beide über Marktmacht verfügen. Je größer ihr Marktanteil, desto ausgeprägter dürfte ihre Marktmacht sein. Dies gilt insbesondere, wenn sich im Marktanteil Kostenvorteile oder andere Wettbewerbsvorteile gegenüber Wettbewerbern niederschlagen. Solche Wettbewerbsvorteile können sich beispielsweise aus einer Vorreiterrolle auf dem Markt (mit Standortvorteil), wichtigen Patenten, überlegener Technologie, Markenführerschaft oder einer überlegenen Produktpalette ergeben. Auch der Grad der Produktdifferenzierung kann ein relevanter Indikator für das Vorhandensein von Marktmacht sein. Markenbildung führt tendenziell zu einer stärkeren Produktdifferenzierung und geringeren Substituierbarkeit, was die Nachfrageelastizität reduziert und mehr Spielraum für Preiserhöhungen bietet.

(283)

Die Marktstellung der Wettbewerber ist ebenfalls wichtig. Je stärker die Wettbewerbsposition der Wettbewerber und je größer ihre Zahl ist, desto geringer ist das Risiko, dass die beteiligten Unternehmen einzeln Marktmacht ausüben und den Markt abschotten oder den Wettbewerb abschwächen können. Es ist auch zu prüfen, ob die Wettbewerber über wirksame und zeitnahe Gegenstrategien verfügen, auf die sie bei Bedarf zurückgreifen würden. Ist jedoch die Zahl der Unternehmen auf dem Markt eher gering und ihre Marktstellung (beispielsweise in Bezug auf Größe, Kosten und FuE-Potenzial) ähnlich, können vertikale Beschränkungen die Gefahr von Kollusion erhöhen. Schwankende Marktanteile oder Marktanteile, die sich abrupt ändern, deuten im Allgemeinen auf intensiven Wettbewerb hin.

(284)

Die Marktstellung der nachgelagerten Kunden der an der vertikalen Vereinbarung beteiligten Unternehmen lässt darauf schließen, ob einer oder mehrere dieser Kunden über Nachfragemacht verfügen. Der erste Indikator für Nachfragemacht ist der Marktanteil des Kunden auf dem Beschaffungsmarkt. Der Marktanteil spiegelt die Bedeutung der Nachfrage des Kunden für infrage kommende Anbieter wider. Andere Indikatoren sind die Stellung des Kunden auf dem Weiterverkaufsmarkt, auf dem er tätig ist. Dazu gehören Merkmale wie eine breite geografische Streuung seiner Verkaufsstätten, Eigenmarken (einschließlich Händlermarken) und sein Markenimage bei den Endverbrauchern. Unter bestimmten Umständen kann durch die Nachfragemacht ein Schaden für den Verbraucher aus einer ansonsten problematischen vertikalen Vereinbarung verhindert werden. Dies gilt insbesondere, wenn starke Kunden die Fähigkeit und den Anreiz haben, im Falle einer geringen, aber stetigen Erhöhung der relativen Preise neue Bezugsquellen auf den Markt zu bringen.

(285)

Marktzutrittsschranken werden daran gemessen, inwieweit etablierte Unternehmen ihren Preis über das Niveau des Marktpreises anheben können, ohne den Einstieg neuer Anbieter in den Markt zu provozieren. In der Regel können Marktzutrittsschranken als niedrig angesehen werden, wenn ein wirksamer Marktzutritt, der geeignet ist, die Ausübung von Marktmacht durch die etablierten Unternehmen zu verhindern oder zu erschweren, innerhalb von einem oder zwei Jahren zu erwarten ist. Marktzutrittsschranken kann es auf der Anbieter- oder auf der Abnehmerebene oder auf beiden Ebenen gleichzeitig geben. Marktzutrittsschranken können sich aus einer Vielzahl von Faktoren ergeben, beispielsweise aus Größen- und Verbundvorteilen (einschließlich Netzwerkeffekte von mehrseitigen Unternehmen), staatlichen Vorschriften (vor allem in Bezug auf die Festlegung ausschließlicher Rechte), staatlichen Beihilfen, Einfuhrzöllen, Rechten des geistigen Eigentums, Eigentum an Ressourcen, bei denen das Angebot (beispielsweise aufgrund natürlicher Gegebenheiten) knapp ist, wesentlichen Einrichtungen, Erstanbietervorteilen oder durch eine durch langfristige massive Werbung erwirkte Markentreue der Verbraucher. Die Antwort auf die Frage, ob der eine oder andere Faktor als Marktzutrittsschranke anzusehen ist, hängt vor allem davon ab, ob sie irreversible Kosten („sunk costs“) mit sich bringen. Hierbei handelt es sich um Kosten, die zu tragen sind, um in einen Markt eintreten oder dort tätig sein zu können, die aber beim Austritt aus dem Markt nicht wieder hereingeholt werden können. Zu den irreversiblen Kosten zählen in der Regel Werbeaufwendungen zur Bindung der Verbraucher an eine bestimmte Marke, es sei denn, das aus dem Markt ausscheidende Unternehmen kann seinen Markennamen ohne Verlust verkaufen oder anderweitig verwenden. Wenn ein Marktzutritt hohe irreversible Kosten erfordert, kann die Gefahr eines harten Wettbewerbs durch die etablierten Unternehmen nach dem Marktzutritt diesen Zutritt verhindern, da potenzielle neue Marktteilnehmer das Risiko des Verlusts ihrer irreversible Investitionen nicht rechtfertigen können.

(286)

Vertikale Beschränkungen können auch als Marktzutrittsschranke wirken, indem sie den Marktzutritt erschweren und (potenzielle) Wettbewerber ausschließen. So kann beispielsweise ein Wettbewerbsverbot, das Händler an einen Anbieter bindet, eine erhebliche Abschottungswirkung haben, wenn dem potenziellen Neueinsteiger verlorene Kosten durch den Aufbau eigener Händler entstehen.

(287)

Bei den verschiedenen Stufen in der Produktions- oder Vertriebskette ist zu unterscheiden, ob es sich um Zwischen- oder Endprodukte (Waren oder Dienstleistungen) handelt. Zwischenprodukte (Waren oder Dienstleistungen) werden an Unternehmen verkauft, die sie als Vorleistung für andere Waren oder Dienstleistungen einsetzen; im Endprodukt sind sie in der Regel nicht wiederzuerkennen. Die Abnehmer von Zwischenprodukten (Waren oder Dienstleistungen) sind üblicherweise gut informierte Kunden, die die Qualität eines Produkts beurteilen können und deshalb weniger auf Marke und Image achten. Endprodukte (Waren oder Dienstleistungen) werden dagegen direkt oder indirekt an Endverbraucher verkauft, die sich häufig stärker auf Marke und Image verlassen.

(288)

Insbesondere auf der Ebene der Endprodukte (Waren oder Dienstleistungen) spielt die Beschaffenheit des Produkts bei der Beurteilung der zu erwartenden negativen und positiven Auswirkungen eine wichtige Rolle. Bei der Beurteilung der wahrscheinlichen negativen Wirkungen auf den Wettbewerb ist die Feststellung wichtig, ob die auf dem betreffenden Markt verkauften Waren oder Dienstleistungen gleichartig oder eher verschiedenartig sind (160), ob das Produkt teuer ist und das Budget des Verbrauchers stark belastet oder ob es billig ist und ob es sich um ein Produkt handelt, das nur einmal oder wiederholt bezogen wird.

(289)

Die Dynamik des relevanten Marktes muss sorgfältig geprüft werden. In einigen dynamischen Märkten können die potenziellen negativen Auswirkungen bestimmter vertikaler Beschränkungen unproblematisch sein, da der Markenwettbewerb durch dynamische und innovative Wettbewerber als ausreichender Wettbewerbsdruck wirken kann. In anderen Fällen können vertikale Beschränkungen in einem dynamischen Markt jedoch dauerhafte Wettbewerbsvorteile verschaffen und somit langfristige negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben. Dies kann der Fall sein, wenn Wettbewerber durch eine vertikale Beschränkung daran gehindert werden, von Netzeffekten zu profitieren, oder wenn ein Markt zu Kippeffekten neigt.

(290)

Für die Bewertung können auch andere Faktoren maßgeblich sein. Zu solchen Faktoren zählen im Einzelnen:

a)

die Existenz kumulativer Auswirkungen, die sich aus der Abdeckung des Marktes durch ähnliche Vereinbarungen anderer Anbieter oder Abnehmer ergeben,

b)

ob die Vereinbarung „auferlegt“ (d. h. die meisten Beschränkungen oder Verpflichtungen gelten nur für eines der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen) oder „vereinbart“ ist (beide beteiligte Unternehmen akzeptieren Beschränkungen oder Verpflichtungen),

c)

das regulatorische Umfeld,

d)

Verhaltensweisen die auf Kollusion hindeuten oder diese erleichtern können, wie Preisführerschaft, im Voraus angekündigte Preisänderungen und Preisdiskussionen, Preisstarrheit als Reaktion auf Überkapazitäten, Preisdiskriminierung und kollusives Verhalten in der Vergangenheit.

8.1.2.   Maßgebliche Faktoren für die Prüfung nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV

(291)

Wettbewerbsbeschränkende vertikale Vereinbarungen im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV können auch wettbewerbsfördernde Auswirkungen in Form von Effizienzgewinnen haben, die die wettbewerbswidrigen Auswirkungen überwiegen. Die Beurteilung der Effizienzgewinne im Hinblick auf wettbewerbswidrige Auswirkungen findet im Rahmen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV statt, der eine Ausnahme vom Verbot nach Artikel 101 Absatz 1 AEUV enthält. Damit diese Ausnahmeregelung zur Anwendung kommt, muss die vertikale Vereinbarung die folgenden vier kumulativen Voraussetzungen erfüllen:

a)

aus der Vereinbarung müssen objektive wirtschaftliche Vorteile hervorgehen,

b)

die Verbraucher müssen angemessen an dem entstehenden Vorteilen beteiligt werden (161),

c)

die Wettbewerbsbeschränkungen müssen für das Erzielen dieser Vorteile unerlässlich sein und

d)

die Vereinbarung darf den beteiligten Unternehmen nicht die Möglichkeit eröffnen, für einen wesentlichen Teil der betroffenen Waren oder Dienstleistungen den Wettbewerb auszuschalten (162).

(292)

Nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV erfolgt die Beurteilung vertikaler Vereinbarungen unter Berücksichtigung des konkreten Zusammenhangs, in dem sie geschlossen werden (163), und auf der Grundlage des zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Sachverhalts. Wesentliche Änderungen des Sachverhalts werden bei der Beurteilung berücksichtigt. Die Ausnahme nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV findet Anwendung, solange die vier Voraussetzungen erfüllt sind, und findet keine Anwendung mehr, wenn dies nicht mehr der Fall ist (164). Bei der Anwendung des Artikels 101 Absatz 3 AEUV im Einklang mit diesen Grundsätzen sind die Investitionen der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen ebenso zu berücksichtigen wie der Zeitaufwand und die Beschränkungen, die für die Durchführung einer effizienzsteigernden Investition und deren Amortisierung erforderlich sind.

(293)

Die erste Voraussetzung nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV erfordert eine Prüfung der durch die Vereinbarung entstehenden objektiven Effizienzgewinne. Wie in Abschnitt 2.1 erläutert, können vertikale Vereinbarungen häufig zur Erzielung von Effizienzgewinnen beitragen, indem sie die Art und Weise verbessern, in der die an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen ihre einander ergänzenden Tätigkeiten ausüben.

(294)

Die zweite Voraussetzung des Artikels 101 Absatz 3 AEUV sieht vor, dass die Verbraucher einen angemessenen Anteil an den Vorteilen erhalten müssen. Dies bedeutet, dass die Verbraucher der im Rahmen der vertikalen Vereinbarung gekauften und/oder (weiter)verkauften Waren oder Dienstleistungen zumindest für die negativen Auswirkungen der Vereinbarung entschädigt werden müssen (165). Mit anderen Worten müssen die Effizienzgewinne etwaige negative Auswirkungen der vertikalen Vereinbarung auf Preise, Produktion und andere relevante Faktoren in vollem Umfang ausgleichen.

(295)

Drittens wird die Kommission bei der Prüfung der Unerlässlichkeit im Sinne des Artikels 101 Absatz 3 AEUV insbesondere untersuchen, ob einzelne Beschränkungen es möglich machen, die Herstellung, den Bezug und/oder den (Weiter-)Verkauf der Vertragsprodukte (Waren und Dienstleistungen) effizienter zu gestalten, als dies ohne die betreffende Beschränkung der Fall wäre. Dabei ist den Marktverhältnissen und den Umständen, mit denen die an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen konfrontiert sind, Rechnung zu tragen. Unternehmen, die sich auf Artikel 101 Absatz 3 AEUV berufen, brauchen nicht auf hypothetische oder theoretische Alternativen einzugehen. Sie müssen jedoch darlegen und nachweisen, warum offensichtlich realistische und deutlich weniger restriktiv erscheinende Alternativen nicht ebenso effizient wären. Würde eine Alternative, die wirtschaftlich realistisch und weniger restriktiv erscheint, zu erheblichen Effizienzeinbußen führen, so wird die fragliche Beschränkung als unerlässlich betrachtet.

(296)

Die vierte Voraussetzung des Artikels 101 Absatz 3 AEUV verlangt, dass die vertikale Vereinbarung den beteiligten Unternehmen nicht die Möglichkeit eröffnen darf, den Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren oder Dienstleistungen auszuschalten. Dies setzt eine Prüfung des noch vorhandenen Wettbewerbsdrucks auf den Markt und der Auswirkungen der Vereinbarung auf solche verbleibenden Wettbewerbsquellen voraus. Die Anwendung dieser Voraussetzung erfordert die Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen Artikel 101 Absatz 3 und Artikel 102 AEUV. Nach ständiger Rechtsprechung darf die Anwendung des Artikels 101 Absatz 3 AEUV der Anwendung des Artikels 102 AEUV nicht entgegenstehen (166). Da sowohl Artikel 101 als auch Artikel 102 AEUV das Ziel verfolgen, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt aufrechtzuerhalten, ist Artikel 101 Absatz 3 AEUV im Interesse der Kohärenz so auszulegen, dass jede Anwendung der Ausnahmeregelung auf wettbewerbsbeschränkende vertikale Vereinbarungen, die als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung anzusehen sind, ausgeschlossen wird (167). Die vertikale Vereinbarung darf den wirksamen Wettbewerb nicht ausschalten, indem alle bzw. fast alle bestehenden Quellen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbs beseitigt werden. Der Wettbewerb zwischen Unternehmen ist ein wichtiger Faktor wirtschaftlicher Effizienz, u. a. auch für dynamische Effizienzgewinne in Form von Innovationen. Ohne sie hätte das marktbeherrschende Unternehmen keinen Anreiz, sich um Effizienzgewinne zu bemühen und diese weiterzugeben. Eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung, die eine marktbeherrschende, monopolähnliche Stellung aufrechterhält, schafft oder verstärkt, kann normalerweise nicht mit damit einhergehenden Effizienzgewinnen gerechtfertigt werden.

8.2.   Prüfung von spezifischen vertikalen Beschränkungen

(297)

Während Abschnitt 6 Orientierungshilfen für die Beurteilung vertikaler Beschränkungen enthält, die auf Kernbeschränkungen im Sinne des Artikels 4 der Verordnung (EU) 2022/720 oder auf nicht freigestellte Beschränkungen im Sinne des Artikels 5 der Verordnung hinauslaufen, sind in den folgenden Absätzen Hinweise zu anderen spezifischen vertikalen Beschränkungen zu finden. Was vertikale Beschränkung betrifft, die in diesen Leitlinien nicht ausdrücklich behandelt werden, so wird die Kommission diese vertikalen Beschränkungen nach den gleichen Grundsätzen und unter Berücksichtigung der maßgeblichen Faktoren beurteilen, die in diesem Abschnitt 8 dargelegt werden.

8.2.1.   Markenzwang

(298)

Unter den Begriff „Markenzwang“ fallen Vereinbarungen, deren zentrales Element darin besteht, dass der Abnehmer verpflichtet oder veranlasst wird, seine Bestellungen für ein bestimmtes Produkt auf einen Anbieter zu konzentrieren. Dieses Element findet sich u. a. in Wettbewerbsverboten und Mengenvorgaben, die mit dem Abnehmer vereinbart werden. Einer Abmachung mit Wettbewerbsverbot liegt eine Verpflichtung bzw. Anreizregelung zugrunde, die den Abnehmer veranlasst, mehr als 80 % seines Bedarfs auf einem bestimmten Markt bei einem einzigen Anbieter zu decken. Dies bedeutet nicht, dass der Abnehmer direkt bei dem betreffenden Anbieter kaufen muss, sondern vielmehr, dass er de facto keine konkurrierenden Waren oder Dienstleistungen kaufen, weiterverkaufen oder in eigenen Produkten weiterverwenden darf. Mengenvorgaben für den Abnehmer sind eine schwächere Form des Wettbewerbsverbots, bei der zwischen dem Anbieter und dem Abnehmer vereinbarte Anreize oder Verpflichtungen dazu führen, dass letzterer seine Einkäufe weitgehend auf einen Anbieter konzentriert. Ihre Erscheinungsformen sind u. a. Mindestabnahmemengen, Auflagen für die Vorratshaltung oder eine nichtlineare Preisfestsetzung wie bedingte Rabatte oder zweiteilige Tarife (Grundgebühr und variable Preiskomponente). Bei einer sogenannten „englischen Klausel“, die den Abnehmer verpflichtet, ein günstigeres Angebot zu melden und nur darauf einzugehen, wenn der Anbieter kein entsprechendes Angebot unterbreitet, kann die gleiche Wirkung erwartet werden wie bei einem Markenzwang, und zwar vor allem dann, wenn der Abnehmer den Namen des günstigeren Anbieters preisgeben muss.

(299)

Die möglichen Wettbewerbsrisiken des Markenzwangs sind die Abschottung des Marktes gegenüber konkurrierenden und potenziellen Anbietern, die Abschwächung des Wettbewerbs und die Erleichterung von Absprachen zwischen Anbietern im Falle einer kumulativen Nutzung und, sollte es sich beim Abnehmer um einen Einzelhändler handeln, ein Verlust des Markenwettbewerbs in den Verkaufsstätten. Solche wettbewerbsbeschränkenden Szenarien wirken sich unmittelbar auf den Markenwettbewerb aus.

(300)

Vereinbarungen mit Markenzwang können unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen, sofern weder der Marktanteil des Anbieters noch der des Abnehmers 30 % übersteigt und das Wettbewerbsverbot den Zeitraum von fünf Jahren nicht überschreitet. Wie in Randnummer (248) dargelegt, können Vereinbarungen mit Markenzwang, die stillschweigend über einen Zeitraum von fünf Jahren hinaus verlängert werden können, unter die Gruppenfreistellung fallen, sofern der Abnehmer die Vereinbarung mit Markenzwang mit einer angemessenen Kündigungsfrist und zu angemessenen Kosten wirksam neu aushandeln oder kündigen kann, sodass er nach Ablauf der Fünfjahresfrist seinen Anbieter effektiv wechseln kann. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, muss die Vereinbarung mit Markenzwang einer Einzelfallprüfung unterzogen werden.

(301)

Vereinbarungen mit Markenzwang können insbesondere dann zu einer wettbewerbswidrigen Marktabschottung führen, wenn ohne diese Verpflichtungen erheblicher Wettbewerbsdruck von Wettbewerbern ausgehen würde, die zu dem Zeitpunkt, an dem die Markenzwangsvereinbarung geschlossen wird, entweder noch nicht auf dem Markt vertreten oder aber hinsichtlich der umfassenden Belieferung der Kunden noch nicht konkurrenzfähig sind. So ist denkbar, dass Wettbewerber nicht den gesamten Bedarf eines Kunden decken können, weil der betreffende Anbieter zumindest für einen Teil der Nachfrage am Markt ein unvermeidlicher Handelspartner ist, weil etwa seine Marke bei vielen Verbrauchern besonders beliebt ist („Must Stock Item“) oder weil die Kapazitäten der anderen Anbieter so knapp sind, dass ein Teil der Nachfrage nur von dem betreffenden Anbieter gedeckt werden kann (168). Die Marktstellung des Anbieters ist somit von zentraler Bedeutung für die Beurteilung von möglichen wettbewerbswidrigen Auswirkungen, die von Vereinbarungen mit Markenzwang ausgehen.

(302)

Können Wettbewerber unter gleichen Bedingungen um die gesamte Nachfrage jedes einzelnen Kunden konkurrieren, wird der Wettbewerb in der Regel durch Vereinbarungen mit Markenzwang eines bestimmten Anbieters nicht spürbar beeinträchtigt, es sei denn, den Kunden wird der Anbieterwechsel durch die Marktabdeckung und die Dauer dieser Vereinbarungen mit Markenzwang erschwert. Je größer der Marktanteil ist, den ein Anbieter im Rahmen einer Vereinbarung mit Markenzwang verkauft, und je länger die Dauer der Vereinbarung mit Markenzwang ist, desto ausgeprägter dürfte die Marktabschottung ausfallen. Vereinbarungen mit Markenzwang führen eher zu einer wettbewerbswidrigen Marktabschottung, wenn sie von marktbeherrschenden Unternehmen eingegangen werden.

(303)

Bei der Beurteilung der Marktmacht des Anbieters spielt die Marktstellung seiner Wettbewerber eine wichtige Rolle. Solange die Wettbewerber ausreichend zahlreich und stark sind, sind keine nennenswerten wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu erwarten. Ein Marktausschluss von Wettbewerbern ist nicht sehr wahrscheinlich, wenn sie eine vergleichbare Marktstellung innehaben und ähnlich attraktive Produkte anbieten können. In einem solchen Fall kann es jedoch zu einer Abschottung für potenzielle neue Marktteilnehmer kommen, wenn mehrere große Anbieter mit einer erheblichen Anzahl von Abnehmern auf dem relevanten Markt Vereinbarungen schließen, die einen Markenzwang enthalten (kumulative Wirkung). Unter diesen Bedingungen könnten Vereinbarungen mit Markenzwang auch die Kollusion unter konkurrierenden Anbietern erleichtern. Soweit diese Vereinbarung jeweils einzeln unter die in der Verordnung (EU) 2022/720 vorgesehene Freistellung fallen, kann der Entzug des Rechtsvorteils der Gruppenfreistellung erforderlich sein, um einer solchen negativen kumulativen wettbewerbswidrigen Wirkung entgegenzuwirken. Sind weniger als 5 % des Marktes durch die betreffende Vereinbarung gebunden, ist im Allgemeinen nicht von einem spürbaren Beitrag zu solch einer kumulativen Wirkung auszugehen.

(304)

Beträgt der Marktanteil des größten Anbieters weniger als 30 % und decken die fünf größten Anbieter zusammen weniger als 50 % des Marktes ab, ist eine einfache oder kumulative wettbewerbswidrige Wirkung unwahrscheinlich. Gelingt in solchen Fällen einem potenziellen neuen Marktteilnehmer kein gewinnbringender Markteinstieg, dürfte dies auf andere Faktoren als Markenzwang (z. B. Präferenzen der Verbraucher) zurückzuführen sein.

(305)

Um festzustellen, ob eine wettbewerbswidrige Marktabschottung wahrscheinlich ist, muss die Größenordnung der Marktzutrittsschranken bewertet werden. Wenn es für konkurrierende Anbieter relativ einfach ist, ein eigenes integriertes Vertriebsnetz aufzubauen oder andere Händler für ihr Produkt zu finden, ist eine Marktabschottung eher unwahrscheinlich.

(306)

Ausgleichende Nachfragemacht ist insofern von Belang, als einflussreiche Abnehmer sich nicht ohne Weiteres von Bezugsquellen für konkurrierende Waren oder Dienstleistungen abschneiden lassen. Um Kunden davon zu überzeugen, einen Markenzwang zu akzeptieren, muss der Anbieter sie unter Umständen ganz oder teilweise für den Wettbewerbsnachteil entschädigen, der ihnen durch die Ausschließlichkeitsbindung entsteht. Wird ein solcher Ausgleich gewährt, kann es für den einzelnen Kunden von Interesse sein, mit dem Anbieter eine solche Vereinbarung mit Markenzwang einzugehen. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass alle Vereinbarungen mit Markenzwang zusammengenommen für die Kunden auf diesem Markt und für die Endverbraucher insgesamt von Vorteil sind. Es ist insbesondere unwahrscheinlich, dass die Verbraucher in ihrer Gesamtheit davon profitieren, wenn die Vereinbarungen mit Markenzwang in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass der Marktzutritt oder die Expansion von Wettbewerbern verhindert wird.

(307)

Maßgeblich ist schließlich auch die Stufe der Produktions- oder Vertriebskette. Bei Zwischenprodukten ist eine Marktabschottung weniger wahrscheinlich. Handelt es sich bei dem Anbieter eines Zwischenprodukts nicht um ein Unternehmen in marktbeherrschender Stellung, so bleibt den Wettbewerbern ein erheblicher Teil ungebundener Nachfrage. In einer Situation, in der bereits kumulative Wirkungen vorliegen, kann Markenzwang jedoch auch unterhalb einer marktbeherrschenden Stellung wettbewerbswidrige Abschottungseffekte hervorrufen. Eine kumulative wettbewerbswidrige Wirkung ist unwahrscheinlich, solange weniger als 50 % des Marktes gebunden sind.

(308)

Betrifft eine Vereinbarung die Lieferung eines Endprodukts auf der Großhandelsstufe, so hängt die Wahrscheinlichkeit eines Wettbewerbsproblems weitgehend von der Art des Großhandels und den Marktzutrittsschranken im Großhandel ab. Es besteht keine konkrete Abschottungsgefahr, wenn konkurrierende Hersteller problemlos ein eigenes Großhandelssystem aufbauen können. Ob die Marktzutrittsschranken niedrig sind, hängt zum Teil von der Art des Großhandelssystems ab, das der Abnehmer effizient aufbauen kann. Auf einem Markt, auf dem der Großhandel nur mit dem von der Vereinbarung betroffenen Produkt (z.B. Speiseeis) effizient arbeiten kann, können für den Hersteller Möglichkeiten und Anreize für den Aufbau eines eigenen Großhandelssystems bestehen, und in diesem Fall ist es unwahrscheinlich, dass er von diesem Markt ausgeschlossen wird. Hingegen ist es auf einem Markt, auf dem es effizienter ist, eine ganze Palette von Produkten über den Großhandel zu vertreiben (z. B. Tiefkühlkost), für einen Hersteller, der nur ein einziges Produkt verkauft, nicht effizient, einen eigenen Großhandel zu gründen. Ohne Zugang zu etablierten Großhändlern wird der Hersteller wahrscheinlich von diesem Markt ausgeschlossen. Unter solchen Umständen kann es durchaus zu wettbewerbswidrigen Auswirkungen kommen. Zusätzlich können kumulative wettbewerbswidrige Wirkungen auftreten, wenn mehrere Anbieter die Mehrheit der verfügbaren Großhändler binden.

(309)

Im Hinblick auf Endprodukte ist eine Abschottung im Allgemeinen eher auf der Einzelhandelsstufe wahrscheinlich, da Hersteller, die Verkaufsstätten ausschließlich zum Absatz ihrer eigenen Produkte einrichten wollen, erhebliche Marktzutrittsschranken zu überwinden haben. Außerdem können Vereinbarungen mit Markenzwang im Einzelhandel einen Rückgang beim Markenwettbewerb in den Verkaufsstätten bewirken. Aus diesen Gründen können sich im Hinblick auf Endprodukte auf der Einzelhandelsstufe spürbare wettbewerbswidrige Auswirkungen ergeben, wenn unter Berücksichtigung aller übrigen maßgeblichen Faktoren ein nicht marktbeherrschender Anbieter 30 % des relevanten Marktes oder mehr durch entsprechende Vereinbarungen an sich bindet. Bei einem marktbeherrschenden Unternehmen kann bereits die Bindung eines bescheidenen Teils des Marktes erhebliche wettbewerbswidrige Wirkungen nach sich ziehen.

(310)

Auch auf der Einzelhandelsstufe kann es zu einer kumulativen Abschottungswirkung kommen. Liegt der Marktanteil eines jeden Anbieters unter 30 %, ist eine kumulative Abschottungswirkung unwahrscheinlich, wenn insgesamt weniger als 40 % des Marktes durch die Vereinbarungen gebunden sind; in einem solchen Fall ist ein Entzug des Rechtsvorteils der Gruppenfreistellung unwahrscheinlich. Der genannte Wert kann auch höher ausfallen, wenn noch andere Faktoren wie die Anzahl der Wettbewerber berücksichtigt werden. Liegt der Marktanteil einiger Unternehmen über dem in Artikel 3 der Verordnung (EU) 2022/720 aufgeführten Schwellenwert und nimmt kein Unternehmen eine beherrschende Stellung ein, so ist eine kumulative Abschottungswirkung unwahrscheinlich, wenn insgesamt weniger als 30 % des gesamten Markts gebunden sind.

(311)

Betreibt der Abnehmer seine Geschäfte in Räumlichkeiten und auf Grundstücken, die dem Anbieter gehören oder die dieser von einem Dritten gemietet hat, der mit dem Abnehmer nicht in Verbindung steht, dürften die Möglichkeiten, wirksame Maßnahmen zur Beseitigung einer etwaigen, durch eine Vereinbarung mit Markenzwang hervorgerufenen Abschottungswirkung zu treffen, begrenzt sein. In diesem Fall ist ein Eingreifen der Kommission unwahrscheinlich, solange keine Marktbeherrschung vorliegt.

(312)

In Branchen, in denen der Verkauf von mehr als einer Marke an ein und derselben Verkaufsstätte schwer möglich ist, lässt sich ein gegebenenfalls auftretendes Abschottungsproblem besser durch die Begrenzung der Vertragsdauer lösen.

(313)

Wenn ein Markenzwang spürbare wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat, ist zu prüfen, ob die betreffende Vereinbarung zu Effizienzgewinnen führt, die die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen. Bei Wettbewerbsverboten können die Effizienzgewinne von besonderer Bedeutung sein, die unter Randnummer 16 Buchstabe b (Trittbrettfahren unter Anbietern), Buchstaben e und f („Hold-up“-Probleme) und Buchstabe i (Unzulänglichkeiten der Kapitalmärkte) dieser Leitlinien beschrieben werden.

(314)

Was die unter Randnummer 16 Buchstaben b, e und i beschriebenen Effizienzgewinne betrifft, könnte eine dem Abnehmer auferlegte Mengenvorgabe möglicherweise eine Alternative sein, die den Wettbewerb weniger stark einschränkt. Ein Wettbewerbsverbot wiederum kann sich als das einzig mögliche Mittel erweisen, einen Effizienzgewinn im Sinne von Randnummer 16 Buchstabe f („Hold-up“-Problem in Verbindung mit der Übertragung von Know-how) zu erzielen.

(315)

Bei vertragsspezifischen Investitionen des Anbieters, wie sie unter Randnummer 16 Buchstabe e beschrieben werden, erfüllen Wettbewerbsverbote oder Mengenvorgaben während des Abschreibungszeitraums der Investition grundsätzlich die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV. Handelt es sich dabei um sehr umfangreiche vertragsspezifische Investitionen, kann ein Wettbewerbsverbot begründet sein, das länger als fünf Jahre dauert. Eine vertragsspezifische Investition liegt beispielsweise vor, wenn der Anbieter eine Anlage errichtet oder umstellt, mit der nur Teile für einen bestimmten Abnehmer gefertigt werden können. Allgemeine oder marktspezifische Investitionen in (zusätzliche) Kapazitäten sind in der Regel nicht vertragsspezifisch. Wenn aber ein Anbieter speziell in Verbindung mit der Tätigkeit eines bestimmten Abnehmers neue Anlagen installiert (z. B. ein Blechdosenhersteller, der in oder neben der Konservenfabrik eines Lebensmittelherstellers neue Anlagen für die Herstellung von Dosen aufstellt), können diese nur insofern rentabel betrieben werden, als sie für den betreffenden Kunden produzieren; in diesem Fall wäre die Investition vertragsspezifisch.

(316)

Wettbewerbsverbote können auch zur Lösung von „Hold-up“-Problemen bei Investitionen, die der Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen dienen, eingesetzt werden. Ein „Hold-up“-Problem könnte beispielsweise bestehen, wenn ein Energieanbieter angesichts einer gestiegenen Nachfrage nach erneuerbaren Energien (169) in ein Wasserkraftwerk oder einen Windpark investieren möchte. Der Anbieter ist möglicherweise nur dann bereit, dieses langfristige Investitionsrisiko einzugehen, wenn genügend Abnehmer bereit sind, sich für einen längeren Zeitraum zur Abnahme erneuerbarer Energie zu verpflichten. Solche vertikalen Vereinbarungen mit Abnehmern können dann wettbewerbsfördernd sein, wenn das langfristige Wettbewerbsverbot erforderlich ist, damit die Investition überhaupt oder in der vorgesehenen Größenordnung oder Zeit getätigt werden kann. Daher können solche Wettbewerbsverbote die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen, wenn die Investition des Anbieters eine lange Abschreibungsdauer hat, die über die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegte Abschreibungsdauer von fünf Jahren hinausgeht (170).

(317)

Gewährt der Anbieter dem Abnehmer ein Darlehen oder stellt er dem Abnehmer Ausrüstungen zur Verfügung, die nicht vertragsspezifisch sind, ist es in der Regel eher unwahrscheinlich, dass diese für sich genommen einen Effizienzgewinn darstellen, der die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllt, wenn die betreffende Vereinbarung wettbewerbswidrige Abschottungswirkungen hervorruft. Bei Unzulänglichkeiten der Kapitalmärkte kann es vorteilhafter sein, dass ein Anbieter ein Darlehen bereitstellt als eine Bank (siehe Randnummer 16 Buchstabe i dieser Leitlinien). In diesem Fall sollte das Darlehen mit möglichst wenigen Einschränkungen gewährt werden, und der Abnehmer sollte im Allgemeinen nicht daran gehindert werden, jederzeit und ohne Zahlung einer Vertragsstrafe das Wettbewerbsverbot aufzuheben und das Restdarlehen zu tilgen.

(318)

Der Effizienzgewinn im Zusammenhang mit der Übertragung von wesentlichem Know-how nach Randnummer 16 Buchstabe f rechtfertigt in der Regel ein Wettbewerbsverbot für die gesamte Dauer der Liefervereinbarung, so z. B. beim Franchising.

(319)

Es folgt ein Beispiel für ein Wettbewerbsverbot.

Ein marktführendes Unternehmen hält auf einem nationalen Markt bei einem Impulskonsum-Produkt einen Marktanteil von 40 % und verkauft 90 % seiner Produkte über gebundene Einzelhändler (damit sind 36 % des Marktes gebunden). Die Einzelhändler sind aufgrund der mit dem Unternehmen geschlossenen vertikalen Vereinbarungen verpflichtet, ihren Bedarf vier Jahre lang ausschließlich bei dem Marktführer zu decken. Der Marktführer ist in dicht besiedelten Gebieten wie der Hauptstadt besonders stark vertreten. Er hat zehn Wettbewerber, wobei die Produkte einiger von ihnen nur an bestimmten Orten erhältlich sind, und auf sie alle entfallen jeweils sehr viel kleinere Marktanteile, im Höchstfall 12 %. Diese zehn Wettbewerber decken zusammen weitere 10 % des Markts über gebundene Verkaufsstätten ab. Der Markt zeichnet sich durch ausgeprägte Marken- und Produktdifferenzierung aus. Der Marktführer vertreibt die stärksten Marken. Er ist der einzige, der regelmäßig nationale Werbekampagnen durchführt, zudem stellt er den gebundenen Einzelhändlern spezielles Mobiliar zur Ausstellung seines Produkts zur Verfügung.

Dies führt zu einer Situation, in der insgesamt 46 % des Marktes (36 % + 10 %) für potenzielle neue Marktteilnehmer und für auf dem Markt etablierte Unternehmen ohne gebundene Verkaufsstätten abgeschottet sind. Noch schwieriger gestaltet sich der Marktzutritt für potenzielle neue Marktteilnehmer in den von ihnen möglicherweise bevorzugten dicht besiedelten Gebieten, weil dort die Marktabschottung noch ausgeprägter ist. Außerdem führt das Fehlen von Markenwettbewerb in den Verkaufsstätten angesichts der ausgeprägten Marken- und Produktdifferenzierung und der hohen Kosten der Beschaffung von Informationen in Bezug auf den Produktpreis zu einem zusätzlichen Wohlfahrtsverlust für die Verbraucher. Aufgrund der Ausschließlichkeitsbindung der Verkaufsstätte sind mögliche Effizienzgewinne, die der Marktführer auf verringerte Transportkosten und eventuell ein „Hold-up“-Problem beim speziellen Ausstellungsmobiliar zurückführt, begrenzt und wiegen die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht auf. Die Effizienzgewinne sind begrenzt, weil die Transportkosten nicht mit der Ausschließlichkeitsbindung, sondern mit der Liefermenge zusammenhängen, und weil das Mobiliar weder besonderes Know-how beinhaltet noch markenspezifisch ist. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllt sind.

(320)

Es folgt ein Beispiel für Mengenvorgaben.

Hersteller X mit einem Marktanteil von 40 % setzt 80 % seiner Produkte mittels Verträgen ab, die die Wiederverkäufer verpflichten, mindestens 75 % ihres Bedarfs an dem betreffenden Produkttyp bei ihm zu decken. Als Gegenleistung stellt Hersteller X Finanzierung und Ausrüstung zu günstigen Bedingungen bereit. Die Verträge haben eine Laufzeit von fünf Jahren und das Darlehen ist in gleichen Raten abzuzahlen. Nach Ablauf von zwei Jahren können die Abnehmer den Vertrag jedoch mit einer Frist von sechs Monaten kündigen, wenn sie das Restdarlehen vollständig tilgen und die Ausrüstungen zum Marktwert übernehmen. Am Ende der fünfjährigen Laufzeit gehen die Ausrüstungen ins Eigentum des Abnehmers über. Es gibt zwölf meist kleinere Wettbewerber (der größte hält einen Marktanteil von 20 %), die ähnliche Verträge mit unterschiedlichen Laufzeiten schließen. Hersteller mit Marktanteilen unter 10 % haben oft Verträge mit längeren Laufzeiten und mit weniger großzügigen Kündigungsklauseln. Die Verträge von Hersteller X erlauben den Vertragspartnern, 25 % ihres Bedarfs bei Wettbewerbern decken. In den letzten drei Jahren erfolgte der Markteintritt zweier neuer Hersteller, die zusammen einen Marktanteil von rund 8 % erreicht haben, indem sie u. a. die Darlehen einer Reihe von Wiederverkäufern im Gegenzug für einen Vertragsschluss übernahmen.

Durch Hersteller X sind 24 % (0,75 × 0,80 × 40 %) des Markts gebunden. Weitere 25 % wurden durch die Vereinbarungen der übrigen Hersteller gebunden. Damit sind sowohl potenzielle neue Marktteilnehmer als auch etablierte Unternehmen, die keine Verkaufsstätten an sich gebunden haben, zumindest in den ersten beiden Jahren der Laufzeit der Lieferverträge von 49 % des Marktes ausgeschlossen. Es zeigt sich, dass die Wiederverkäufer häufig auf Schwierigkeiten stoßen, wenn sie Kapital bei einer Bank aufnehmen wollen, und zumeist zu klein sind, um sich Kapital auf anderen Wegen, etwa durch die Emission von Aktien, zu beschaffen. Außerdem kann Hersteller X nachweisen, dass er seinen Absatz besser planen und Transportkosten einsparen kann, wenn er den Verkauf auf eine kleine Zahl von Wiederverkäufern begrenzt. In Anbetracht der durch die Abnahmeverpflichtung geschaffenen Effizienzgewinne einerseits und andererseits des Umstands, dass die Abnehmer von Hersteller X laut Vertrag 25 % ihres Bedarfs anderweitig decken können, der realen Möglichkeit einer vorzeitigen Vertragskündigung, des unlängst erfolgten Marktzutritts neuer Hersteller und der Tatsache, dass rund die Hälfte der Wiederverkäufer nicht gebunden ist, dürfte die vom Hersteller X gehandhabte Mengenvorgabe von 75 % die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen.

8.2.2.   Alleinbelieferung

(321)

Alleinbelieferung bezieht sich auf Beschränkungen, durch die der Anbieter verpflichtet oder angehalten wird, die Vertragsprodukte ausschließlich oder hauptsächlich an einen Abnehmer (im Allgemeinen für einen bestimmten Verwendungszweck) zu verkaufen. Dies kann in Form einer Alleinbelieferungsklausel erfolgen, die den Anbieter dazu verpflichtet, für die Zwecke des Weiterverkaufs oder für einen bestimmten Verwendungszweck nur an einen Abnehmer zu verkaufen. Alleinbelieferungsverpflichtungen können auch die Form einer Mengenvorgabe für den Anbieter annehmen, in deren Rahmen ein Anbieter und ein Abnehmer Anreize vereinbaren, die den Anbieter dazu veranlassen, seine Verkäufe im Wesentlichen auf diesen Abnehmer zu konzentrieren. Die Lieferung von Zwischenprodukten mit Ausschließlichkeitsbindung wird häufig auch als „Industrial Supply“ bezeichnet.

(322)

Hält weder der Anbieter noch der Abnehmer einen Marktanteil von mehr als 30 %, können Alleinbelieferungsvereinbarungen auch dann unter die Gruppenfreistellung nach der Verordnung (EU) 2022/720 fallen, wenn sie mit anderen vertikalen Beschränkungen – mit Ausnahme von Kernbeschränkungen – wie Wettbewerbsverboten kombiniert werden. Im nachstehenden Teil dieses Abschnitts 8.2.2 werden Anhaltspunkte gegeben, wie in einzelnen Fällen, in denen die Marktanteilsschwelle überschritten wird, bei der Prüfung von Alleinbelieferungsvereinbarungen vorzugehen ist.

(323)

Die größte Gefahr für den Wettbewerb besteht bei der Alleinbelieferung in der wettbewerbswidrigen Abschottung des Marktes für andere Abnehmer. Mögliche Auswirkungen ähneln jenen von Alleinvertriebsvereinbarungen, insbesondere wenn der Alleinvertriebshändler zum einzigen Abnehmer auf dem gesamten Markt wird (siehe insbesondere Randnummer (130)). Der Marktanteil des Abnehmers im vorgelagerten Beschaffungsmarkt spielt eine wichtige Rolle bei der Einschätzung, ob dieser in der Lage wäre, dem Anbieter Alleinbelieferungsverpflichtungen aufzuerlegen, die anderen Abnehmern den Zugang zu einer Lieferquelle verschließen würden. Ob ein wettbewerbsrechtliches Problem entstehen könnte, hängt jedoch vor allem von der Bedeutung der Stellung des Abnehmers auf dem nachgelagerten Markt ab. Hat der Abnehmer dort keine Marktmacht, so ist nicht mit spürbaren negativen Auswirkungen auf die Verbraucher zu rechnen. Negative Auswirkungen sind jedoch möglich, wenn der Marktanteil des Abnehmers sowohl auf dem nachgelagerten Vertriebsmarkt als auch auf dem vorgelagerten Beschaffungsmarkt 30 % übersteigt. Doch auch wenn der Marktanteil des Abnehmers die 30 %-Schwelle auf dem vorgelagerten Markt nicht übersteigt, können insbesondere in Fällen, in denen diese Schwelle im nachgelagerten Markt überschritten wird und sich die Alleinvertriebsvereinbarung auf einen bestimmten Verwendungszweck für die Vertragsprodukte bezieht, erhebliche Abschottungswirkungen auftreten. Verpflichtungen, Produkte ausschließlich oder überwiegend an einen Abnehmer zu liefern, der im nachgelagerten Markt eine beherrschende Stellung innehat, können ohne Weiteres erhebliche wettbewerbswidrige Auswirkungen zur Folge haben.

(324)

Neben der Marktstellung des Abnehmers auf dem vor- und nachgelagerten Markt müssen auch der Umfang und die Dauer der Alleinbelieferungsverpflichtung berücksichtigt werden. Je mehr Lieferungen gebunden sind und je länger die Dauer der Alleinbelieferungsverpflichtung ist, desto größer dürfte die Abschottungswirkung sein. Bei Alleinbelieferungsvereinbarungen mit einer Dauer von weniger als fünf Jahren, die Unternehmen in nicht marktbeherrschender Stellung schließen, ist gewöhnlich eine sorgfältige Gegenüberstellung der wettbewerbsfördernden und -schädigenden Auswirkungen erforderlich; beträgt die Dauer mehr als fünf Jahre, ist davon auszugehen, dass die Vereinbarungen bei den meisten Investitionsarten nicht für die Erzielung der behaupteten Effizienzgewinne erforderlich sind bzw. dass diese Gewinne nicht ausreichen, um die Abschottungswirkung zu kompensieren.

(325)

Die Marktstellung der konkurrierenden Abnehmer auf dem vorgelagerten Beschaffungsmarkt ist ebenfalls von Bedeutung, da es wahrscheinlich ist, dass eine Alleinbelieferungsvereinbarung konkurrierende Abnehmer aus wettbewerbswidrigen Gründen, z. B. durch Erhöhung ihrer Kosten, ausschließt, wenn sie wesentlich kleiner sind als der ausschließende Abnehmer. Ein Marktausschluss konkurrierender Abnehmer ist eher unwahrscheinlich, wenn diese Wettbewerber über eine ähnliche Nachfragemacht wie der an der Vereinbarung beteiligte Abnehmer verfügen und den Anbietern ähnliche Absatzmöglichkeiten bieten können. In einem solchen Fall wären gegebenenfalls nur potenzielle neue Marktteilnehmer vom Markt ausgeschlossen, denen es nicht gelingt, sich Lieferquellen zu sichern, weil mehrere große Abnehmer Alleinbelieferungsverträge mit einer Mehrheit der Anbieter in dem betreffenden Markt geschlossen haben. Eine solche kumulative Abschottungswirkung kann zum Entzug des Rechtsvorteils der Verordnung (EU) 2022/720 führen.

(326)

Die Existenz von Marktzutrittsschranken auf der Anbieterebene sowie deren Größe sind für die Beurteilung, ob eine Marktabschottung vorliegt, von Bedeutung. Soweit es für konkurrierende Abnehmer effizient ist, die Ware oder Dienstleistung im Wege der vertikalen Integration im vorgelagerten Markt selbst zu beschaffen, dürfte eine Abschottung kaum ein Problem darstellen.

(327)

Die Gegenmacht von Anbietern sollte ebenfalls berücksichtigt werden, da es wichtige Anbieter nicht ohne Weiteres zulassen, dass ein Abnehmer sie von anderen Abnehmern abschneidet. Die Gefahr einer Marktabschottung besteht daher hauptsächlich dann, wenn die Anbieter schwach und die Abnehmer stark sind. Bei starken Anbietern kann eine Alleinbelieferungspflicht in Verbindung mit Wettbewerbsverboten auftreten. Bei solchen Kombinationen müssen auch die Orientierungshilfen zum Markenzwang berücksichtigt werden. Haben beide Seiten vertragsspezifische Investitionen vornehmen müssen („Hold-up“-Problem), kann eine Kombination von Alleinbelieferung und Wettbewerbsverbot oft gerechtfertigt sein, insbesondere dann, wenn keine marktbeherrschende Stellung vorliegt.

(328)

Schließlich sind die Stufe in der Produktions- oder Handelskette und die Art des Produkts für die Beurteilung möglicher Abschottungswirkungen von Bedeutung. Eine wettbewerbswidrige Marktabschottung ist weniger wahrscheinlich, wenn es sich um ein Zwischenprodukt handelt oder wenn das Produkt homogen ist. Zum einen kann ein vom Markt ausgeschlossener Hersteller, der eine bestimmte Vorleistung benötigt, in der Regel flexibler auf die Nachfrage seiner Kunden reagieren als ein Groß- oder Einzelhändler, der die Nachfrage von Endverbrauchern, für die Marken unter Umständen sehr wichtig sind, zu befriedigen hat. Zum anderen ist bei homogenen Produkten der Verlust einer möglichen Lieferquelle für die vom Markt ausgeschlossenen Abnehmer weniger bedeutsam als bei heterogenen Produkten, die unterschiedliche Güteklassen und Qualitätseigenschaften aufweisen. Bei Marken-Endprodukten oder differenzierten Zwischenprodukten auf Märkten mit Zutrittsschranken können Alleinbelieferungsverpflichtungen spürbare wettbewerbswidrige Auswirkungen haben, wenn die Wettbewerber des Abnehmers im Vergleich zu diesem klein sind; dies gilt selbst dann, wenn der Abnehmer im nachgelagerten Markt keine marktbeherrschende Stellung einnimmt.

(329)

Effizienzgewinne sind bei „Hold-up“-Problemen (Randnummer (16) Buchstaben e) und f)) zu erwarten, und zwar bei Zwischenprodukten mit größerer Wahrscheinlichkeit als bei Endprodukten. Effizienzgewinne anderer Art sind weniger wahrscheinlich. Etwaige Größenvorteile beim Vertrieb (Randnummer (16) Buchstabe g)) dürften keine Rechtfertigung für Alleinbelieferungsverpflichtungen bieten.

(330)

Zur Lösung von „Hold-up“-Problemen und mehr noch zur Erzielung von Größenvorteilen im Vertrieb könnten Mengenvorgaben für den Anbieter (wie z.B. Mindestliefermengen) eine weniger wettbewerbsbeschränkende Alternative darstellen.

(331)

Es folgt ein Beispiel für Alleinbelieferung.

Auf einem Markt für einen bestimmten Teiletyp (Markt für Zwischenprodukte) kommt Anbieter A mit Abnehmer B überein, mit eigenem Know-how und erheblichen Investitionen in neue Maschinen sowie mithilfe der von Abnehmer B vorgegebenen Spezifikationen eine andere Version des Teils zu entwickeln. Anbieter B muss erhebliche Investitionen tätigen, um das neue Teil in sein Produkt einzubauen. Es wird vereinbart, dass Anbieter A das neue Produkt ab dessen Markteinführung fünf Jahre lang ausschließlich an Abnehmer B liefert. Abnehmer B darf das neue Produkt während desselben Fünfjahreszeitraums nur von Anbieter A beziehen. Sowohl A als auch B dürfen weiterhin andere Versionen des Teils an anderer Stelle kaufen bzw. verkaufen. Der Marktanteil von Abnehmer B auf dem vorgelagerten Teilemarkt und auf dem nachgelagerten Endproduktmarkt beträgt jeweils 40 %. Der Marktanteil von Anbieter A beträgt 35 %. Zwei weitere Teileanbieter halten rund 20 % bis 25 % Marktanteil; daneben gibt es noch eine Reihe kleinerer Anbieter.

Wegen der erheblichen Investitionen beider beteiligter Unternehmen dürfte die Vereinbarung in Anbetracht der Effizienzgewinne und der geringen Marktabschottungswirkung die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen. Andere Abnehmer sind von einer bestimmten Version eines Produkts eines Anbieters mit 35 % Marktanteil ausgeschlossen, jedoch könnten andere Teileanbieter ähnliche neue Produkte entwickeln. Die Abschottung eines Teils der Nachfrage von Abnehmer B gegenüber anderen Anbietern ist auf maximal 40 % des Marktes begrenzt.

8.2.3.   Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung von Online-Marktplätzen

(332)

Bei Online-Marktplätzen handelt es sich in der Regel um Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten, die Händler und potenzielle Kunden miteinander in Kontakt bringen, um direkte Käufe zu ermöglichen. Online-Dienste, die keine direkte Kauffunktionalität bieten, sondern Kunden auf andere Websites weiterleiten, auf denen Waren und Dienstleistungen erworben werden können, gelten im Sinne dieser Leitlinien nicht als Online-Marktplätze, sondern als Werbedienste (171).

(333)

Online-Marktplätze sind zu einem wichtigen Vertriebskanal für Anbieter und Einzelhändler geworden, der ihnen Zugang zu einer großen Anzahl von Kunden verschafft, aber auch für Endverbraucher. Online-Marktplätze können es Einzelhändlern ermöglichen, mit geringeren Anfangsinvestitionen in den Online-Verkauf einzusteigen. Ferner können sie den grenzüberschreitenden Verkauf erleichtern und den Bekanntheitsgrad vor allem kleiner und mittlerer Verkäufer erhöhen, die keinen eigenen Online-Shop haben oder bei den Endverbrauchern nicht sehr bekannt sind.

(334)

Anbieter möchten möglicherweise die Nutzung von Online-Marktplätzen durch ihre Abnehmer einschränken (172), um beispielsweise das Image und die Positionierung ihrer Marke zu schützen, den Verkauf von gefälschten Produkten zu verhindern, ausreichende Dienstleistungen vor und nach dem Verkauf zu gewährleisten oder sicherzustellen, dass der Abnehmer eine direkte Beziehung zu den Kunden unterhält. Solche Einschränkungen können von einem völligen Verbot der Nutzung von Online-Marktplätzen bis hin zu Beschränkungen der Nutzung von Online-Marktplätzen reichen, die bestimmte qualitative Anforderungen nicht erfüllen. Beispielsweise können Anbieter die Nutzung von Marktplätzen verbieten, auf denen Produkte versteigert werden, oder sie können von den Abnehmern verlangen, spezialisierte Marktplätze zu nutzen, um bestimmte Qualitätsstandards in Bezug auf das Umfeld, in dem ihre Waren oder Dienstleistungen verkauft werden können, zu gewährleisten. Das Vorschreiben bestimmter qualitativer Anforderungen kann de facto auf ein Verbot der Nutzung von Online-Marktplätzen hinauslaufen, weil kein Online-Marktplatz in der Lage ist, die Anforderung zu erfüllen. Dies kann beispielsweise zutreffen, wenn der Anbieter verlangt, dass das Logo des Online-Marktplatzes nicht sichtbar ist oder dass der Domainname einer vom Einzelhändler genutzten Website den Namen des Unternehmens des Einzelhändlers enthält.

(335)

Vertikale Vereinbarungen, die die Nutzung von Online-Marktplätzen einschränken, können unter der Voraussetzung unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung fallen, dass sie weder mittel- noch unmittelbar zum Zweck haben, die wirksame Nutzung des Internets durch den Abnehmer für den Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen an Kunden in bestimmten Gebiete oder an bestimmte Kunden im Sinne des Artikels 4 Buchstabe e der Verordnung zu verhindern, und dass die Marktanteile sowohl des Anbieters als auch des Abnehmers die in Artikel 3 der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegten Schwellenwerte nicht übersteigen.

(336)

Wie in Abschnitt 6.1.2. dargelegt, betrifft eine Beschränkung oder ein Verbot des Verkaufs auf Online-Marktplätzen die Art und Weise des Online-Verkaufs durch den Abnehmer und beschränkt nicht den Verkauf in ein bestimmtes Gebiet oder an eine bestimmte Kundengruppe. Eine solche Beschränkung bzw. ein solches Verbot schränkt zwar die Nutzung eines bestimmten Online-Vertriebskanals ein, aber andere Online-Vertriebskanäle stehen dem Abnehmer weiterhin offen (173). Insbesondere kann der Abnehmer trotz einer Beschränkung oder eines Verbots des Verkaufs auf Online-Marktplätzen die Vertragswaren oder -dienstleistungen weiterhin über seinen eigenen Online-Shop und andere Online-Kanäle verkaufen, und er kann Techniken zur Suchmaschinenoptimierung nutzen oder online Werbung betreiben, unter anderem auch auf Plattformen Dritter, um die Sichtbarkeit seines Online-Shops oder anderer Vertriebskanäle zu erhöhen. Daher kann eine solche Beschränkung grundsätzlich unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen.

(337)

Der verbleibende Teil dieses Abschnitts 8.2.3 enthält Orientierungshilfen für die Beurteilung von Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung von Online-Marktplätzen in Einzelfällen, in denen die in Artikel 3 der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegten Marktanteilsschwellen überschritten werden.

(338)

In selektiven Vertriebssystemen wird häufig eine Beschränkung der Nutzung von Online-Marktplätzen vereinbart. In Abschnitt 4.6.2 werden die Kriterien dargelegt, unter denen ein selektives Vertriebssystem gegebenenfalls nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt (174). In Fällen, in denen der Anbieter keine Vereinbarung mit dem Online-Marktplatz eingeht, kann er möglicherweise nicht überprüfen, ob der Online-Marktplatz den Voraussetzungen entspricht, die seine zugelassenen Händler für den Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen erfüllen müssen. In diesem Fall kann eine Beschränkung oder ein Verbot der Nutzung von Online-Marktplätzen angemessen sein und nicht über das hinausgehen, was zur Wahrung der Qualität und zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Verwendung der Vertragswaren oder -dienstleistungen erforderlich ist. In Fällen, in denen ein Anbieter den Betreiber eines Online-Marktplatzes als Mitglied seines selektiven Vertriebssystems benennt oder in denen er die Nutzung von Online-Marktplätzen durch einige zugelassene Händler, nicht aber durch andere einschränkt, oder in denen er die Nutzung eines Online-Marktplatzes einschränkt, diesen Marktplatz aber selbst für den Vertrieb der Vertragswaren oder -dienstleistungen nutzt, dürften Beschränkungen der Nutzung solcher Online-Marktplätze die Anforderungen der Angemessenheit und Notwendigkeit jedoch kaum erfüllen (175).

(339)

Fällt ein selektiver Vertrieb unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV, so sind die vertikale Vereinbarung und etwaige Beschränkungen der Nutzung von Online-Marktplätzen nach Artikel 101 AEUV zu prüfen.

(340)

Das Hauptrisiko für den Wettbewerb, das sich aus Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung von Online-Marktplätzen ergibt, besteht in einer Verringerung des markeninternen Wettbewerbs auf der Vertriebsebene. So können sich beispielsweise bestimmte zugelassene Händler wie kleine oder mittlere Abnehmer auf Online-Marktplätze stützen, um Kunden zu gewinnen. Beschränkungen der Nutzung von Online-Marktplätzen können diesen Abnehmern einen wichtigen potenziellen Absatzkanal entziehen und den Wettbewerbsdruck mindern, den sie auf andere zugelassene Händler ausüben.

(341)

Um die möglichen wettbewerbswidrigen Auswirkungen von Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung von Online-Marktplätzen zu beurteilen, muss zunächst der Grad des Markenwettbewerbs beurteilt werden, denn eine Verringerung des markeninternen Wettbewerbs an sich wird wahrscheinlich keine negativen Auswirkungen auf die Verbraucher haben, wenn auf der Anbieter- und der Händlerstufe ein starker Markenwettbewerb herrscht (176). Zu diesem Zweck sollte die Marktstellung des Anbieters und seiner Wettbewerber berücksichtigt werden. Zweitens sind die Art und der Umfang der Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung von Online-Marktplätzen zu berücksichtigen. So ist beispielsweise ein Verbot aller Verkäufe über Online-Marktplätze restriktiver als eine Beschränkung der Nutzung bestimmter Online-Marktplätze oder die Vorgabe, nur Online-Marktplätze zu nutzen, die bestimmte qualitative Kriterien erfüllen. Drittens sollte die relative Bedeutung der eingeschränkten Online-Marktplätze als Vertriebskanal auf den sachlich und räumlich relevanten Märkten berücksichtigt werden. Schließlich sollte die kumulative Wirkung anderer vom Anbieter auferlegter Beschränkungen für Online-Verkäufe oder -Werbung berücksichtigt werden.

(342)

Wie in Randnummer (334) dargelegt, können Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung von Online-Marktplätzen zu Effizienzgewinnen führen, insbesondere im Zusammenhang mit der Gewährleistung des Markenschutzes oder eines bestimmten Niveaus der Dienstleistungsqualität oder der Verringerung der Möglichkeiten für Fälschungen. Soweit die Beschränkungen innerhalb des Anwendungsbereichs des Artikels 101 Absatz 1 AEUV liegen, muss bei der Beurteilung berücksichtigt werden, ob solche Effizienzgewinne durch weniger restriktive Mittel im Einklang mit den Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erzielt werden können. Dies könnte beispielsweise zutreffen, wenn der Online-Marktplatz zulässt, dass Einzelhändler innerhalb des Marktplatzes eigene Marken-Shops einrichten und dadurch die Art und Weise, in der ihre Waren oder Dienstleistungen verkauft werden, besser steuern können. Qualitätsbezogene Begründungen, auf die sich der Anbieter beruft, dürften in folgenden Situationen die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV nicht erfüllen:

a)

der Anbieter nutzt selbst den Online-Marktplatz, an dessen Nutzung der Abnehmer gehindert ist,

b)

der Anbieter erlegt einigen Händlern Beschränkungen auf, anderen aber nicht,

c)

der Betreiber des Online-Marktplatzes ist selbst ein zugelassenes Mitglied des selektiven Vertriebssystems.

8.2.4.   Beschränkungen der Nutzung von Preisvergleichsdiensten

(343)

Preisvergleichsdienste (177) wie Preisvergleichs-Websites oder -Apps, ermöglichen es Verkäufern, ihre Sichtbarkeit zu erhöhen und Traffic für ihren Online-Shop zu generieren; ferner bieten sie potenziellen Kunden die Möglichkeit, Einzelhändler zu finden, verschiedene Produkte zu vergleichen und Angebote für dasselbe Produkt zu vergleichen. Preisvergleichsdienste erhöhen die Preistransparenz und haben das Potenzial, den markeninternen und den markenübergreifenden Preiswettbewerb auf der Einzelhandelsstufe zu intensivieren.

(344)

Im Gegensatz zu Online-Marktplätzen bieten Preisvergleichsdienste in der Regel keine Verkaufs- und Kauffunktionalität, sondern leiten die Kunden stattdessen zum Online-Shop des Einzelhändlers weiter und ermöglichen so eine direkte Transaktion zwischen dem Kunden und dem Einzelhändler. Preisvergleichsdienste sind also kein eigenständiger Online-Vertriebskanal, sondern eher ein Online-Werbekanal.

(345)

Anbieter möchten möglicherweise die Nutzung von Preisvergleichsdiensten einschränken (178), um beispielsweise ihr Markenimage zu schützen, da sich Preisvergleichsdienste in der Regel auf den Preis konzentrieren und es Einzelhändlern möglicherweise nicht ermöglichen, sich durch andere Merkmale wie ihr Sortiment oder die Qualität der Vertragswaren oder -dienstleistungen, abzusetzen. Andere Gründe für die Beschränkung der Nutzung von Preisvergleichsdiensten können darin bestehen, die Möglichkeiten für Fälschungen zu verringern oder das Geschäftsmodell des Anbieters zu schützen, das z. B. auf Elemente wie Spezialisierung oder Qualität statt auf den Preis setzt.

(346)

Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung von Preisvergleichsdiensten können von einem direkten oder indirekten Verbot bis hin zu Beschränkungen basierend auf Qualitätsanforderungen oder Anforderungen, bestimmte Inhalte in die beim Preisvergleichsdienst beworbenen Angebote aufzunehmen, reichen. So kann beispielsweise eine Beschränkung der Bereitstellung von Preisinformationen für Preisvergleichsdienste oder eine Anforderung, vor der Nutzung von Preisvergleichsdienten die Genehmigung des Anbieters einzuholen, oder eine Beschränkung der Verwendung der Marke des Anbieters in Preisvergleichsdiensten einem Verbot der Nutzung von Preisvergleichsdiensten gleichkommen.

(347)

Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung von Preisvergleichsdiensten können die Suchkosten der Verbraucher erhöhen und dadurch den Preiswettbewerb im Einzelhandel abschwächen. Darüber hinaus können sie die Möglichkeiten des Abnehmers einschränken, potenzielle Kunden anzusprechen, sie über sein Angebot zu informieren und sie zu seinem Online-Shop zu leiten. Wie in Randnummer (203) dargelegt, hindert das Verbot der Nutzung von Preisvergleichsdiensten den Abnehmer an der Nutzung eines ganzen Online-Werbekanals, was eine Kernbeschränkung im Sinne des Artikels 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2022/720 darstellt. Das Verbot der Nutzung von Preisvergleichsdiensten hindert den Abnehmer daran, an Kunden zu verkaufen, die sich außerhalb seines Gebiets befinden und online kaufen möchten. Ein solches Verbot könnte daher zu einer Aufteilung des Markts und einer Verringerung des markeninternen Wettbewerbs führen.

(348)

Verhindert die vertikale Vereinbarung dagegen die Nutzung von Preisvergleichsdiensten zur Ansprache von Kunden in einem Gebiet oder einer Kundengruppe, das bzw. die exklusiv anderen Händlern zugewiesen oder exklusiv dem Anbieter vorbehalten ist, so kann sie gemäß der in Artikel 4 Buchstabe b Ziffer i, Buchstabe c Ziffer i Nummer 1 und Buchstabe d Ziffer i der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegten Ausnahme bezüglich des Alleinvertriebs unter die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung vorgesehene Freistellung fallen. So kann man beispielsweise davon ausgehen, dass ein Preisvergleichsdienst auf ein Alleinvertriebsgebiet abzielt, wenn der Dienst eine Sprache verwendet, die in dem betreffenden Gebiet, nicht aber im Gebiet des Abnehmers, üblich ist, oder wenn der Dienst eine Top-Level-Domain verwendet, die dem Alleinvertriebsgebiet entspricht.

(349)

Vertikale Vereinbarungen, die die Nutzung von Preisvergleichsdiensten einschränken, aber weder mittel- noch unmittelbare die Nutzung sämtlicher Preisvergleichsdienste verhindern, indem sie beispielsweise vorschreiben, dass der Preisvergleichsdienst bestimmte Qualitätsstandards erfüllt, können unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen.

(350)

Die folgenden Orientierungshilfen gelten für die Beurteilung vertikaler Vereinbarungen, mit denen die Nutzung von Preisvergleichsdiensten eingeschränkt wird, die nicht unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen, weil beispielsweise die in Artikel 3 der Verordnung festgelegten Marktanteilsschwellen überschritten werden.

(351)

In selektiven Vertriebssystemen wird häufig die Nutzung von Preisvergleichsdiensten eingeschränkt. In Abschnitt 4.6.2 werden die Kriterien dargelegt, nach denen ein selektives Vertriebssystem nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt. Werden in einer Vereinbarung über selektiven Vertrieb Beschränkungen der Nutzung von Preisvergleichsdiensten eingesetzt, ist zunächst zu prüfen, ob die Beschränkungen ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel zur Wahrung der Qualität und zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Verwendung der Vertragswaren oder -dienstleistungen darstellen. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass Preisvergleichsdienste potenzielle Kunden für den Abschluss des Kaufgeschäfts zum Online-Shop des zugelassenen Händlers weiterleiten und dass der Anbieter in der Regel die Möglichkeit hat, mithilfe von Auswahlkriterien und der Auferlegung bestimmter Anforderungen in der selektiven Vertriebsvereinbarung Kontrolle über den Online-Shop des zugelassenen Händlers auszuüben.

(352)

Kommen in einem selektiven Vertriebsvertrag, der unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt, oder in einer anderen Art von Vertriebsvertrag Beschränkungen bei der Nutzung von Preisvergleichsdiensten zum Einsatz, ist zu prüfen, ob die Beschränkung im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV Auswirkungen hat, die den Wettbewerb spürbar einschränken. Beschränkungen der Nutzung von Preisvergleichsdiensten, die nicht unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen, können insbesondere zu einer Abschwächung des Preiswettbewerbs oder Aufteilung der Märkte führen, was sich letztendlich auf den markeninternen und markenübergreifenden Wettbewerb auswirkt. Solche Beschränkungen können beispielsweise den Preiswettbewerb verringern, indem sie die Möglichkeiten des Anbieters beschneiden, potenzielle Kunden über niedrigere Preis zu informieren. Der markeninterne Wettbewerb kann insbesondere dann beeinträchtigt werden, wenn ein Anbieter die Beschränkungen nur einigen seiner Händler auferlegt, oder wenn der Anbieter den unter die Beschränkungen fallenden Preisvergleichsdienst selbst nutzt. Soweit die Abnehmer in ihrer Fähigkeit, sich auf einen potenziell bedeutenden Online-Werbekanal zu verlassen, eingeschränkt sind, können sie möglicherweise nur einen begrenzten Wettbewerbsdruck auf den Anbieter oder andere Händler ausüben, die dieser Beschränkung nicht ausgesetzt sind.

(353)

Maßgebliche Faktoren für die Prüfung nach Artikel 101 Absatz 1 AEUV sind u. a.:

a)

die Marktstellung des Anbieters und seiner Wettbewerber,

b)

die Bedeutung von Preisvergleichsdiensten als Werbekanal auf den relevanten Märkten für den Verkauf der Vertragswaren oder -dienstleistungen,

c)

die Art und der Umfang der Beschränkungen und die relative Bedeutung einzelner Preisvergleichsdienste, deren Nutzung eingeschränkt oder verboten wird,

d)

die Frage, ob der Anbieter auch die Möglichkeit des Abnehmers zur Nutzung anderer Formen der Online-Werbung einschränkt.

(354)

Ebenfalls zu berücksichtigen ist die kombinierte Wirkung vom Anbieter auferlegter Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung von Preisvergleichsdiensten und anderer Beschränkungen hinsichtlich der Online-Werbung.

(355)

Wie in Randnummer (345) dargelegt, können Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung von Preisvergleichsdiensten zu Effizienzgewinnen führen, insbesondere im Zusammenhang mit der Gewährleistung des Markenschutzes oder eines bestimmten Niveaus der Dienstleistungsqualität oder der Verringerung der Möglichkeiten für Fälschungen. Im Einklang mit den Voraussetzungen nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV ist zu beurteilen, ob solche Effizienzgewinne durch weniger restriktive Mittel erzielt werden können. Dies kann beispielsweise dann zutreffen, wenn eine Bedingung für die Nutzung von Preisvergleichsdiensten darin besteht, dass der Dienst auch Vergleiche oder Bewertungen hinsichtlich der Qualität der betreffenden Waren oder Dienstleistungen, des Niveaus des vom Abnehmer geleisteten Kundendienstes oder anderer Merkmale der Angebote des Abnehmers vorsieht. Bei der Beurteilung von qualitätsbezogenen Begründungen nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV sollte auch berücksichtigt werden, dass der Verkauf nicht auf der Website des Preisvergleichsdienstes, sondern im Online-Shop des Anbieters abgeschlossen wird.

8.2.5.   Paritätsverpflichtungen

(356)

Paritätsverpflichtungen, mitunter auch als Meistbegünstigungsklauseln oder plattformübergreifende Paritätsvereinbarungen bezeichnet, verpflichten einen Anbieter von Waren oder Dienstleistungen, diese Waren oder Dienstleistungen einer anderen Partei zu Bedingungen anzubieten, die nicht ungünstiger sind als die Bedingungen, die der Anbieter bestimmten anderen Parteien oder auf bestimmten anderen Kanälen anbietet. Die Bedingungen können Preise, Bestand, Verfügbarkeit oder andere Angebots- oder Verkaufsbedingungen betreffen. Die Paritätsverpflichtung kann in Form einer Vertragsklausel erfolgen oder sich aus anderen unmittelbaren oder mittelbaren Maßnahmen wie Preisstaffelungen oder anderen Anreizen ergeben, deren Anwendung von den Bedingungen abhängt, unter denen der Abnehmer seine Waren oder Dienstleistungen anderen Parteien oder auf anderen Kanälen anbietet.

(357)

Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen beziehen sich auf die Bedingungen, unter denen Endverbrauchern Waren oder Dienstleistungen angeboten werden. Häufig erlegen Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten (beispielsweise Online-Marktplätze oder Preisvergleichsdienste) den Abnehmern ihrer Vermittlungsdienste (beispielsweise Unternehmen, die über die Vermittlungsplattform Verkäufe tätigen) diese Verpflichtungen auf.

(358)

Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen beziehen sich auf verschiedene andere Absatz- oder Werbekanäle. Plattformübergreifende Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen beispielsweise betreffen die Bedingungen, die mittels konkurrierender Online-Vermittlungsdienste (konkurrierende Plattformen) angeboten werden. Bei sogenannten engen Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen geht es um die Bedingungen, die in den direkten Vertriebskanälen der Verkäufer von Waren oder Dienstleistungen angeboten werden. Einige Paritätsverpflichtungen wiederum betreffen die in allen anderen Verkaufskanälen angebotenen Bedingungen (mitunter als „weite“ Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen bezeichnet).

(359)

Mit Ausnahme plattformübergreifender Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2022/720 können alle Arten von Paritätsverpflichtungen in vertikalen Vereinbarungen unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung fallen. Die folgenden Orientierungshilfen gelten für die Beurteilung der in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2022/720 genannten plattformübergreifenden Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen sowie anderer Arten von Paritätsverpflichtungen in Fällen, in denen die Gruppenfreistellung nicht gilt.

8.2.5.1.   Plattformübergreifende Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen

(360)

Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen, die einen Abnehmer von Online-Vermittlungsdiensten dazu anhalten, Endverbrauchern Waren oder Dienstleistungen nicht mittels konkurrierender Online-Vermittlungsdienste im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2022/720 zu günstigeren Bedingungen anzubieten, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen, haben mit größerer Wahrscheinlichkeit wettbewerbswidrige Auswirkungen als andere Arten von Paritätsverpflichtungen. Diese Art von Einzelhandels-Paritätsverpflichtung kann den Wettbewerb auf folgende Weise beschränken:

a)

Sie kann den Wettbewerb abschwächen und Kollusion zwischen Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten erleichtern. Insbesondere ist ein Anbieter, der diese Art von Paritätsverpflichtung auferlegt, eher in der Lage, den Preis zu erhöhen oder die Qualität seiner Vermittlungsdienste zu verringern, ohne Marktanteile zu verlieren. Unabhängig vom Preis oder der Qualität seiner Dienste sind Verkäufer von Waren oder Dienstleistungen, die sich für die Nutzung der Plattform dieses Anbieters entscheiden, verpflichtet, auf der Plattform Bedingungen anzubieten, die mindestens so gut sind wie die Bedingungen, die sie auf konkurrierenden Plattformen anbieten.

b)

Sie kann neuen oder kleineren Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten den Marktzutritt oder die Expansion verwehren, indem sie deren Möglichkeiten einschränkt, Abnehmern und Endverbrauchern differenzierte Preis-Dienstleistungs-Kombinationen anzubieten.

(361)

Bei der Beurteilung dieser Art von Paritätsverpflichtung sind die folgenden Faktoren zu berücksichtigen:

a)

die Marktstellung des Anbieters von Online-Vermittlungsdiensten, der die Verpflichtung auferlegt, und die seiner Wettbewerber,

b)

der Anteil der Abnehmer der maßgeblichen Online-Vermittlungsdienste, die unter die Verpflichtungen fallen,

c)

das Homing-Verhalten der Abnehmer der Online-Vermittlungsdienste und der Endverbraucher (d. h., wie viele konkurrierende Vermittlungsplattformen sie nutzen),

d)

das Bestehen von Marktzutrittsschranken auf dem relevanten Markt für die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten,

e)

die Bedeutung der direkten Vertriebskanäle der Abnehmer der Online-Vermittlungsdienste und den Umfang, in dem diese Abnehmer ihre Produkte von den Plattformen der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten entfernen können (Auslisten).

(362)

Die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen plattformübergreifender Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen sind im Allgemeinen schwerwiegender, wenn sie von einem oder mehreren führenden Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten genutzt werden. Arbeiten solche Anbieter mit einem ähnlichen Geschäftsmodell, werden die Paritätsverpflichtungen wahrscheinlich den Spielraum für eine Störung des Modells verringern. Diese Art von Verpflichtung kann es einem Marktführer auch ermöglichen, seine Stellung gegenüber kleineren Anbietern zu behaupten.

(363)

Der Anteil der Abnehmer der relevanten, den Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen unterliegenden Online-Vermittlungsdienste und das Homing-Verhalten dieser Abnehmer sind wichtig, da sie darauf hinweisen können, dass die Paritätsverpflichtungen eines Anbieters den Wettbewerb in Bezug auf einen Anteil der Nachfrage einschränken, der den Marktanteil des Anbieters übersteigt. Beispielsweise kann ein Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten einen Anteil von 20 % an den gesamten über solche Dienste getätigten Transaktionen haben, während die Abnehmer, denen er plattformübergreifende Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen auferlegt, mehr als 50 % der gesamten Plattformtransaktionen ausmachen können, weil sie mehrere Plattformen nutzen. In diesem Fall können die Paritätsverpflichtungen des Anbieters den Wettbewerb in Bezug auf mehr als die Hälfte der gesamten relevanten Nachfrage einschränken.

(364)

Abnehmer von Online-Vermittlungsdiensten nutzen oft mehrere Plattformen, um Kunden zu erreichen, die nur eine Plattform nutzen (Single-Homing) und nicht zwischen Plattformen wechseln. Das Multi-Homing von Abnehmern wird durch Plattform-Geschäftsmodelle gefördert, bei denen der Abnehmer nur für die Nutzung des Vermittlungsdienstes zahlen muss, wenn der Dienst eine Transaktion generiert. Wie unter Randnummer (363) erläutert, kann Multi-Homing durch Abnehmer von Online-Vermittlungsdiensten den Anteil der Gesamtnachfrage nach solchen Diensten, der von den Paritätsverpflichtungen eines Anbieters betroffen ist, erhöhen. Single-Homing durch Endverbraucher kann bedeuten, dass jeder Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten den Zugang zu einer bestimmten Gruppe von Endverbrauchern kontrolliert. Dies kann die Verhandlungsmacht des Anbieters und seine Fähigkeit, Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen aufzuerlegen, erhöhen.

(365)

Märkte für die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten sind häufig durch erhebliche Zutritts- und Expansionsschranken gekennzeichnet, die die negativen Auswirkungen von Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen noch verschärfen können. Diese Märkte weisen oft positive indirekte Netzwerkeffekte auf: Für neue oder kleinere Anbieter solcher Dienste kann es sich schwierig gestalten, Abnehmer zu gewinnen, weil ihre Plattformen nur eine unzureichende Anzahl von Endverbrauchern erreichen. Wenn es sich bei den Endverbrauchern um sonstige Endverbraucher handelt, können durch Markentreue, Single-Homing und die Lock-in-Strategien etablierter Anbieter von Vermittlungsdiensten ebenfalls Barrieren für den Marktzutritt entstehen.

(366)

Abnehmer von Online-Vermittlungsdiensten können ihre Waren oder Dienstleistungen auch direkt an Endverbraucher verkaufen. Solche Direktverkäufe können die Fähigkeit der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten einschränken, den Preis für ihre Dienste zu erhöhen. Aus diesem Grund ist eine Beurteilung der Fragen erforderlich, ob solche direkten Vertriebskanäle ebenfalls unter die Einzelhandels-Paritätsverpflichtung fallen, wie hoch die Anteile der über die direkten Vertriebskanäle bzw. über die Online-Vermittlungsdienste getätigten Verkäufe relevanter Waren und Dienstleistungen sind und ob die beiden Arten von Kanälen aus der Sicht der Anbieter und Abnehmer der vermittelten Waren oder Dienstleistungen substituierbar sind.

(367)

Plattformübergreifende Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen können spürbare wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen haben, wenn sie Abnehmern auferlegt werden, die einen erheblichen Anteil an der Gesamtnachfrage nach den betreffenden Online-Vermittlungsdiensten haben. Im Falle einer kumulativen wettbewerbswidrigen Wirkung werden wettbewerbsbeschränkende Wirkungen in der Regel nur den Paritätsverpflichtungen von Anbietern zugeschrieben, deren Marktanteil 5 % übersteigt.

(368)

Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen können grundsätzlich auch von Einzelhändlern in Bezug auf die Bedingungen auferlegt werden, unter denen konkurrierende Einzelhändler die Waren oder Dienstleistungen des Anbieters den Endverbrauchern anbieten. Bezieht sich diese Art von Paritätsverpflichtung jedoch auf den Preis, so verlangt sie in der Regel, dass der Verkäufer von Waren oder Dienstleistungen, der die Verpflichtung akzeptiert, mit den konkurrierenden Einzelhändlern, mit denen er Geschäfte macht, einen Mindestverkaufspreis vereinbart (Preisbindung der zweiten Hand). Eine Preisbindung der zweiten Hand stellt eine Kernbeschränkung im Sinne des Artikels 4 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 dar. In den Fällen, in denen Unternehmen in der Lage sind, solche Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen gemäß den Vorschriften über eine Preisbindung der zweiten Hand zu erfüllen, und in denen sich die Paritätsverpflichtung auf andere Bedingungen als den Preis beziehen, können die Verpflichtungen unter die Gruppenfreistellung fallen. Oberhalb der in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung festgelegten Marktanteilsschwelle gelten die unter den Randnummern (360) bis (367) dieser Leitlinien enthaltenen Orientierungshilfen entsprechend.

8.2.5.2.   Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen in Bezug auf direkte Vertriebskanäle

(369)

Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen, die von den Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten in Bezug auf direkte Vertriebskanäle auferlegt werden, hindern die Abnehmer dieser Dienste daran, in ihren direkten Vertriebskanälen Preise und Bedingungen anzubieten, die günstiger als die Bedingungen sind, die sie auf der Plattform des betreffenden, diese Verpflichtung auferlegenden Anbieters von Online-Vermittlungsdiensten anbieten. Diese Verpflichtungen werden häufig auch als „enge“ Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen bezeichnet. Grundsätzlich schränken enge Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen die Möglichkeiten eines Abnehmers von Online-Vermittlungsdiensten, über andere Online-Vermittlungsdienste günstigere Preise oder Bedingungen anzubieten, nicht ein. Nutzt der Abnehmer jedoch mehrere Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten, die enge Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen anwenden, machen es ihm diese Verpflichtungen unmöglich, in seinen Direktverkaufskanälen günstigere Bedingungen anzubieten als die Bedingungen, die er auf der teuersten Vermittlungsplattform anbietet.

(370)

Enge Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen beseitigen den Wettbewerbsdruck, der von den direkten Vertriebskanälen des Abnehmers ausgeht. Ist der Wettbewerb um die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten begrenzt, können diese Verpflichtungen einem Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten ermöglichen, einen höheren Preis für seine Dienste beizubehalten, was voraussichtlich zu höheren Einzelhandelspreisen für die vermittelten Waren oder Dienstleistungen führt.

(371)

Unter bestimmten Umständen, insbesondere wenn die Zahl der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten begrenzt ist, können sich enge Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen nachteilig auf die Anreize für Abnehmer von Online-Vermittlungsdiensten auswirken, Preisänderungen bei den Vermittlungsdiensten in ihren Einzelhandelspreisen weiterzugeben. Dies kann zu einer Abschwächung des Wettbewerbs zwischen den Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten führen und eine ähnliche Wirkung haben, wie plattformübergreifende Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen.

8.2.5.3.   Beurteilung von Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV

(372)

Wenn Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen spürbare wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen haben, müssen mögliche Effizienzgründe nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV geprüft werden. Die häufigste Begründung für die Anwendung dieser Verpflichtungen durch Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten ist die Behebung eines Trittbrettfahrerproblems. So haben die Anbieter möglicherweise keinen Anreiz, in die Entwicklung ihrer Plattform, in Vorverkaufsdienste oder nachfragefördernde Werbung zu investieren, wenn die Vorteile solcher Investitionen in Form von Umsatzsteigerungen an konkurrierende Plattformen oder direkte Vertriebskanäle gehen, die die gleichen Waren oder Dienstleistungen zu günstigeren Bedingungen anbieten können.

(373)

Maßgebliche Faktoren für die Beurteilung nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV sind unter anderem, ob durch die Investitionen des Anbieters von Online-Vermittlungsdiensten objektive Vorteile geschaffen werden, d. h., ob sie einen Mehrwert für die Verbraucher darstellen, ob das Risiko des Trittbrettfahrens auf den Investitionen des Anbieters real und erheblich ist und ob die besondere Art und der Umfang der Paritätsverpflichtung für das Erreichen der objektiven Vorteile unerlässlich ist. Das wahrscheinliche Ausmaß des Trittbrettfahrens muss so groß sein, dass es die Anreize für Investitionen in die Online-Vermittlungsdienste erheblich beeinträchtigt. Von besonderer Bedeutung ist der Nachweis, inwieweit die Nutzer der Vermittlungsdienste (Verkäufer und Abnehmer) Multi-Homing nutzen, wobei auch zu prüfen ist, ob ihr Verhalten durch die Auswirkungen der Paritätsverpflichtungen beeinflusst wird. Wenn der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten oder seine Wettbewerber auf anderen vergleichbaren Märkten ohne Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen oder mit weniger restriktiven Verpflichtungen tätig sind, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass die Verpflichtungen nicht unerlässlich sind. In Fällen, in denen das Angebot an Online-Vermittlungsdiensten stark konzentriert ist und erhebliche Marktzutrittsschranken bestehen, kann die Notwendigkeit, den verbleibenden Wettbewerb zu schützen, mögliche Effizienzgewinne überwiegen. Andere Begründungen, die sich auf die allgemeinen Vorteile von Vermittlungsplattformen beziehen, z. B. die Bündelung der Werbeausgaben der Nutzer, die Erhöhung der Preistransparenz oder die Senkung der Transaktionskosten, erfüllen nur dann die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV, wenn der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten einen direkten, kausalen Zusammenhang zwischen den vorgebrachten Vorteilen und der Anwendung der jeweiligen Art von Paritätsverpflichtung nachweisen kann.

(374)

Enge Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen erfüllen im Allgemeinen eher die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV als plattformübergreifende Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen. Dies liegt vor allem daran, dass ihre wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen in der Regel weniger schwerwiegend sind und daher eher durch Effizienzgewinne aufgewogen werden können. Darüber hinaus kann das Risiko des Trittbrettfahrens durch Verkäufer von Waren oder Dienstleistungen über ihre direkten Vertriebskanäle höher sein, was insbesondere dadurch zu erklären ist, dass dem Verkäufer für seinen Direktvertrieb keine Kosten für Plattformprovisionen entstehen. Erzeugen enge Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen jedoch keine Effizienzgewinne im Sinne des Artikels 101 Absatz 3 AEUV, kann der Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung entzogen werden. Dies kann insbesondere dann zutreffen, wenn das Risiko des Trittbrettfahrens begrenzt ist oder wenn die engen Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen für die Erzielung der Effizienzgewinne nicht unerlässlich sind. Kommt es nicht zu Effizienzgewinnen, ist die Wahrscheinlichkeit eines Entzugs des Rechtsvorteils besonders hoch, wenn die drei größten Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten auf dem relevanten Markt enge Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen anwenden und wenn diese Anbieter einen gemeinsamen Marktanteil von über 50 % besitzen. Kommt es nicht zu Effizienzgewinnen, kann die Gruppenfreistellung – abhängig von den jeweiligen Umständen – auch entzogen werden, wenn Abnehmer, die einen bedeutenden Anteil der gesamten relevanten Nachfrage nach Online-Vermittlungsdiensten repräsentieren, engen Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen unterliegen. Die Gruppenfreistellung kann in Bezug auf die Vereinbarungen sämtlicher Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten entzogen werden, deren enge Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen einen bedeutenden Beitrag zur kumulativen wettbewerbswidrigen Wirkung leisten, d. h. Anbieter mit Marktanteilen von mehr als 5 %.

(375)

Es folgt ein Beispiel für die Anwendung enger Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen:

In einem Mitgliedstaat werden zwei Drittel der für den Verzehr zu Haus gelieferten Restaurantmahlzeiten über Online-Plattformen bestellt, während ein Drittel direkt bei den Restaurants bestellt werden. Auf die Plattformen A, B, C und D entfallen 25 %, 20 %, 20 % bzw. 15 % der über Plattformen vorgenommenen Bestellungen. Die Plattformen A, B und C sind seit drei bis fünf Jahren in diesem Mitgliedstaat tätig und während dieses Zeitraums ist der Anteil an den insgesamt über Plattformen vorgenommenen Bestellungen gestiegen. Plattform D ist erst vor kürzerer Zeit in den Markt eingetreten. Die Plattformen stellen den Restaurants pro Bestellung eine Provision von 15-20 % in Rechnung. Die meisten Verbraucher, die Plattformen nutzen, verwenden eine oder zwei Plattformen, während die meisten Restaurants, die Plattformen nutzen, zwei oder mehr Plattformen nutzen.

In den letzten zwölf Monaten haben alle Plattformen eine enge Einzelhandels-Paritätsklausel eingeführt, mit der die Restaurants daran gehindert werden, für Bestellungen, die online oder telefonisch direkt bei ihnen getätigt werden, niedrigere Preise anzubieten. Drei der Plattformen erhöhten in diesem Zeitraum ihre Standardprovisionen. Die Plattformen tragen vor, dass die eng gefasste Paritätsklausel erforderlich sei, um zu verhindern, dass Restaurants ihre Investitionen, die sie insbesondere in die Entwicklung nutzerfreundlicher Such- und Vergleichsfunktionen und sicherer Zahlungsdienste vornahmen, als Trittbrettfahrer nutzen.

Keine der drei größten Plattformen hat in den letzten zwölf Monaten neue Leistungsmerkmale oder Dienste hinzugefügt oder ihre Dienstleistungen wesentlich verbessert. Es gibt keine konkreten Nachweise für eine spürbare Gefahr des Trittbrettfahrens, insbesondere in der Form, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher die Plattformen für die Suche und den Vergleich von Restaurantangeboten nutzt, aber dann direkt beim Restaurant bestellt. Ebenso fehlt es an Nachweisen dafür, dass sich die angebliche Gefahr des Trittbrettfahrens nachteilig auf die in der Vergangenheit getätigten Investitionen der Plattformen in die Entwicklung ihrer Dienste auswirkten.

Kommt man zu dem Schluss, dass der sachlich relevante Markt in der Erbringung von Plattformdiensten für Restaurants besteht, erfolgt die Erbringung dieser Dienste offenbar in einem konzentrierten Markt. In Anbetracht des jüngsten Anstiegs der Provisionssätze von Plattformen, der kürzlich vorgenommenen Erhöhung der Provisionssätze der Plattformen und der fehlenden Nachweise für Effizienzgewinne durch Paritätsklauseln ist mit einem Entzug des Rechtsvorteils der Gruppenfreistellung für die Vereinbarungen aller vier Plattformen mit Restaurants zu rechnen.

8.2.5.4.   Paritätsverpflichtungen auf vorgelagerter Ebene

(376)

Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten können plattformübergreifende und enge Paritätsverpflichtungen in Bezug auf die Bedingungen auferlegen, unter denen Waren oder Dienstleistungen Unternehmen angeboten werden, die keine Endverbraucher sind (z. B. Einzelhändler). Für diese Art von Paritätsverpflichtung kann die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 gelten. Grundsätzlich ist diese Art von Paritätsverpflichtung auf vorgelagerter Ebene geeignet, den Wettbewerb um die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten in ähnlicher Weise zu beschränken wie Einzelhandels-Paritätsverpflichtungen. Für die Beurteilung dieser Art von Paritätsverpflichtung auf vorgelagerter Ebene müssen jedoch auch die Wettbewerbsbedingungen auf der nachgelagerten Ebene, d. h. zwischen Unternehmen, die die durch den Online-Vermittlungsdienst vermittelten Waren oder Dienstleistungen abnehmen, berücksichtigt werden. In Fällen, in denen die Gruppenfreistellung nicht gilt, sind die unter den Randnummern (360) bis (374) aufgeführten Leitlinien analog anwendbar.

8.2.5.5.   Meistbegünstigungsverpflichtungen

(377)

Hersteller, Großhändler oder Einzelhändler können auch Paritätsverpflichtungen in Bezug auf die Bedingungen vorschreiben, unter denen sie Waren oder Dienstleistungen als Vorleistungen von Anbietern beziehen. Diese Art der herkömmlichen Meistbegünstigungsverpflichtung wirkt sich nicht unmittelbar auf die Bedingungen aus, unter denen die beziehenden Unternehmen auf dem nachgelagerten Markt miteinander konkurrieren. Die größten Bedenken im Zusammenhang mit Paritätsverpflichtungen in Bezug auf die Bedingungen, unter denen Waren oder Dienstleistungen als Vorleistungen bezogen werden, bestehen darin, dass sie die Anreize für Anbieter von Vorleistungen, in den Wettbewerb zu treten, verringern und dadurch die Vorleistungspreise erhöhen könnten. Relevante Faktoren für die Beurteilung dieser Verpflichtungen sind u. a. die relative Größe und Marktmacht des Anbieters und des Abnehmers, die die Paritätsverpflichtung vereinbaren, der Anteil des relevanten Marktes, der von ähnlichen Verpflichtungen abgedeckt wird, und die Kosten der betreffenden Vorleistung im Verhältnis zu den Gesamtkosten der Abnehmer.

(378)

Herkömmliche Meistbegünstigungsverpflichtungen können zu Effizienzgewinnen führen, die die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen. Insbesondere können sie es den an einer langfristigen Liefervereinbarung beteiligten Unternehmen ermöglichen, die Transaktionskosten so gering wie möglich zu halten. Zudem können sie opportunistische Verhaltensweisen des Anbieters verhindern und ein „Hold-up“-Problem für den Abnehmer lösen, wonach der Abnehmer von Investitionen in neue Produkte oder der Einführung neuer Produkte Abstand nehmen könnte, weil er befürchtet, dass der Anbieter der Vorleistung den Preis für spätere Abnehmer senken könnte. Diese Art von Effizienzgewinn ist in langfristigen Beziehungen mit irreversiblen Investitionen wahrscheinlicher.

8.2.6.   Vorauszahlungen für den Zugang

(379)

Bei Vorauszahlungen für den Zugang handelt es sich um feste Gebühren, die Anbieter im Rahmen einer vertikalen Beziehung zu Beginn eines bestimmten Zeitraums an Händler für den Zugang zu ihren Vertriebsnetzen und für Dienstleistungen, die Einzelhändler gegenüber Anbietern erbringen, zahlen. Hierzu zählen verschiedene Praktiken wie Regalplatzentgelte (179), sogenannte Pay-to-Stay-Gebühren (180) oder auch Zahlungen für den Zugang zu Werbekampagnen eines Händlers. Dieser Abschnitt 8.2.6 enthält Anhaltspunkte, wie in einzelnen Fällen, in denen die in Artikel 3 der Verordnung (EU) 2022/720 festgelegte Marktanteilsschwelle überschritten wird, bei der Prüfung von Vorauszahlungen für den Zugang vorzugehen ist.

(380)

Vorauszahlungen für den Zugang können zu einem wettbewerbswidrigen Marktausschluss anderer Händler führen. Eine hohe Gebühr kann z. B. für einen Anbieter ein Anreiz sein, ein erhebliches Volumen seiner Verkäufe über einen oder eine begrenzte Anzahl von Händlern abzuwickeln, um die Kosten der Gebühr zu decken. In diesem Fall könnten diese Vorauszahlungen dieselbe Marktabschottungswirkung auf dem nachgelagerten Markt haben wie eine Art Alleinbelieferungsklausel. Um die Wahrscheinlichkeit dieser Art negativer Auswirkungen zu beurteilen, können die Leitlinien für Alleinbelieferungsverpflichtungen analog angewandt werden (insbesondere die Randnummern (321) bis (330)).

(381)

In Ausnahmefällen können Vorauszahlungen für den Zugang zu einem wettbewerbswidrigen Marktausschluss auf dem vorgelagerten Markt führen. Wenn beispielsweise der Händler eine starke Verhandlungsposition hat oder wenn die Nutzung von Vorauszahlungen für den Zugang weitverbreitet ist, können solche Zahlungen kleineren Anbietern den Marktzutritt erschweren. Um die Wahrscheinlichkeit dieser Art negativer Auswirkungen zu beurteilen, können die Leitlinien für Vereinbarungen mit Markenzwang analog angewendet werden (insbesondere die Randnummern (298) bis (318)). Bei der Beurteilung muss auch berücksichtigt werden, ob der betreffende Händler konkurrierende Produkte unter seiner eigenen Marke verkauft. In diesem Fall können auch Bedenken bezüglich des horizontalen Wettbewerbs auftreten, was zur Folge hat, dass die Gruppenfreistellung gemäß Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2022/720 nicht gilt (siehe Abschnitt 4.4.3).

(382)

Zusätzlich zu einer möglichen Marktabschottung kann durch diese Vorauszahlungen eine Abschwächung des Wettbewerbs und Kollusion zwischen Händlern begünstigt werden. Vorauszahlungen für den Zugang veranlassen die Anbieter mit großer Wahrscheinlichkeit dazu, ihre Preise für die Vertragsprodukte zu erhöhen, da sie diese Kosten decken müssen. Höhere Lieferpreise können das Interesse der Einzelhändler an einem Preiswettbewerb auf dem nachgelagerten Markt schmälern, während die Gewinne der Händler aufgrund der Vorauszahlungen steigen. Eine solche durch die kumulative Verwendung von Vorauszahlungen für den Zugang entstehende Einschränkung des Wettbewerbs zwischen Händlern entsteht in der Regel nur, wenn der Vertriebsmarkt stark konzentriert ist.

(383)

Gleichzeitig können Vorauszahlungen für den Zugang in vielen Fällen zu einer effizienten Regalflächenzuweisung für neue Produkte beitragen. Wenn Anbieter neue Produkte auf den Markt bringen, haben die Händler oft weniger Informationen als der Anbieter über die Erfolgschancen des neuen Produkts und lagern infolgedessen möglicherweise suboptimale Mengen des Produkts. Vorauszahlungen für den Zugang könnten genutzt werden, um die Informationsasymmetrie zwischen Anbietern und Händlern abzubauen, indem Anbietern ausdrücklich erlaubt wird, sich direkt um Regalfläche zu bemühen. Auf diese Weise erhält der Händler somit eine Vorwarnung darüber, welche Produkte höchstwahrscheinlich erfolgreich sein werden, da ein Anbieter in der Regel nur dann bereit ist, eine Vorabgebühr für den Zugang zu zahlen, wenn er die Wahrscheinlichkeit für gering hält, dass die Produkteinführung scheitern wird.

(384)

Aufgrund der unter der vorherigen Randnummer genannten Informationsasymmetrie können die Anbieter außerdem versuchen, von den Verkaufsförderungsbemühungen des Händlers zu profitieren, um suboptimale Produkte einzuführen. Kann sich ein Produkt nicht durchsetzen, müssen die Händler einen Teil der mit dem Scheitern des Produkts verbundenen Kosten tragen. Die Verwendung von Vorauszahlungen für den Zugang könnte Trittbrettfahren vermeiden, indem das Misserfolgsrisiko eines Produkts wieder auf die Anbieterseite verlagert und dadurch zu einer optimalen Produkteinführungsrate beigetragen wird.

8.2.7.   Produktgruppenmanagement-Vereinbarungen

(385)

Produktgruppenmanagement-Vereinbarungen sind Vereinbarungen (181), mit denen ein Händler den Anbieter als „Category Captain“ mit der Vermarktung einer bestimmten Gruppe von Produkten betraut. Eine solche Produktgruppe kann nicht nur die Produkte des Anbieters, sondern auch die Produkte seiner Wettbewerber umfassen. Der „Category Captain“ kann folglich u. a. auf die Produktplatzierung und die Verkaufsförderung für das Produkt im Geschäft sowie auf die Produktauswahl für das Geschäft Einfluss nehmen. Produktgruppenmanagement-Vereinbarungen können von der Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 profitieren, wenn weder der Marktanteil des „Category Captain“ noch der des Händlers 30 % übersteigt und sofern eine solche Vereinbarung keine Kernbeschränkungen enthält, beispielsweise Beschränkungen der Möglichkeit des Händlers, seinen Verkaufspreis im Sinne des Artikels 4 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 selbst festzusetzen.

(386)

Zwar werfen Produktgruppenmanagement-Vereinbarungen in der Regel keine Bedenken auf, gleichwohl können sie den Wettbewerb zwischen Anbietern verfälschen und zu einem wettbewerbswidrigen Marktausschluss anderer Anbieter führen, wenn der „Category Captain“ in der Lage ist, den Vertrieb von Produkten konkurrierender Anbieter zu beschränken oder zu erschweren. Im Allgemeinen hat der Händler kein Interesse daran, seine Produktauswahl einzuschränken. Wenn der Händler jedoch auch konkurrierende Produkte unter seiner eigenen Marke verkauft, kann er auch Anreize haben, bestimmte Anbieter auszuschließen. Um die Wahrscheinlichkeit einer solchen Marktausschlusswirkung auf dem vorgelagerten Markt zu beurteilen, können die Orientierungshilfen für Vereinbarungen mit Markenzwang analog angewendet werden (insbesondere die Randnummern (298) bis (318)). Bei dieser Beurteilung sind insbesondere die Marktabdeckung der Produktgruppenmanagement-Vereinbarungen und die mögliche kumulative Nutzung solcher Vereinbarungen sowie die Marktstellung der konkurrierenden Anbieter und des Händlers zu berücksichtigen.

(387)

Produktgruppenmanagement-Vereinbarungen können darüber hinaus Kollusion zwischen Händlern begünstigen, wenn derselbe Anbieter für alle oder fast alle konkurrierenden Händler als „Category Captain“ fungiert. Außerdem kann diese Art von Vereinbarungen Kollusion zwischen Anbietern erleichtern, indem ihnen mehr Gelegenheiten gegeben werden, mithilfe der Einzelhändler sensible Marktinformationen auszutauschen, beispielsweise Informationen über die künftige Preisfestsetzung, geplante Verkaufsförderungsmaßnahmen oder Werbekampagnen (182). Die Verordnung (EU) 2022/720 findet auf einen solchen Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern keine Anwendung. Insbesondere beziehen sich die Orientierungshilfen zum Informationsaustausch unter den Randnummern (95) bis (103) nur auf den Informationsaustausch im Zusammenhang mit den in Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung dargelegten zweigleisigen Vertriebsszenarios. Allerdings könnte die Randnummer (103), in der Vorsichtsmaßnahmen beschrieben werden, die Unternehmen zur Minimierung des aus dem Informationsaustausch im Zusammenhang mit dem zweigleisigem Vertrieb entstehenden Kollusionsrisikos treffen können, hier analog relevant sein.

(388)

Produktgruppenmanagement-Vereinbarungen können Effizienzgewinne mit sich bringen. Solche Vereinbarungen können den Händlern die Möglichkeit eröffnen, sich Zugang zu den Marketingkenntnissen des Anbieters in Bezug auf eine bestimmte Produktgruppe zu verschaffen und Größenvorteile zu erzielen, da sie sicherstellen, dass die Produkte in optimalen Mengen zum richtigen Zeitpunkt präsentiert werden. Je höher der Grad des Markenwettbewerbs und je niedriger die Umstellungskosten der Verbraucher, desto größer sind in der Regel die wirtschaftlichen Vorteile, die durch das Produktgruppenmanagement erzielt werden können.

8.2.8.   Kopplungsbindung

(389)

Die Kopplungsbindung bezieht sich auf Situationen, in denen Kunden, die ein Produkt (Kopplungsprodukt) kaufen, auch ein ausgewähltes anderes Produkt (gekoppeltes Produkt) kaufen müssen, das entweder von dem Anbieter selbst oder aber von einem von ihm benannten Unternehmen angeboten wird. Eine Kopplungsbindung kann eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 102 AEUV darstellen (183). Eine Kopplungsbindung kann aber auch eine vertikale Beschränkung im Sinne des Artikels 101 AEUV darstellen, wenn sie in Bezug auf das gekoppelte Produkt eine dem Markenzwang ähnliche Verpflichtung (siehe Randnummern (298) bis (318)) bewirkt. In den vorliegenden Leitlinien wird nur auf diesen letzten Fall eingegangen.

(390)

Ob Produkte als getrennte Produkte angesehen werden, hängt von der Verbrauchernachfrage ab. Zwei getrennte Produkte liegen dann vor, wenn ohne die Kopplungsbindung eine große Anzahl von Kunden das Kopplungsprodukt kaufen würden bzw. gekauft hätten, ohne auch das gekoppelte Produkt beim selben Anbieter zu erwerben, sodass jedes der beiden Produkte unabhängig vom anderen hergestellt werden kann (184). Als Nachweis dafür, dass es sich um zwei voneinander getrennter Produkte handelt, kann der direkte Nachweis gelten, dass Kunden, wenn sie die Wahl haben, das Kopplungs- und das gekoppelte Produkt von unterschiedlichen Quellen beziehen oder ein indirekter Beweis, u. a. die Marktpräsenz von Unternehmen, die auf die Fertigung oder den Verkauf des gekoppelten Produkts ohne das Kopplungsprodukt spezialisiert sind (185), oder aber der Beweis dafür, dass Unternehmen mit geringer Marktmacht vor allem auf funktionierenden Wettbewerbsmärkten diese Produkte tendenziell nicht koppeln bzw. bündeln. Da Kunden zum Beispiel Schuhe mit Schnürsenkeln kaufen wollen, es für Händler aber nicht möglich ist, neue Schuhe mit den kundenseitig gewünschten Schnürsenkeln zu versehen, ist es für Schuhhersteller zum Handelsbrauch geworden, Schuhe mit Schnürsenkeln zu liefern. Der Verkauf von Schuhen mit den dazugehörigen Schnürsenkeln ist somit kein Kopplungsgeschäft.

(391)

Produktkopplung kann zu einer wettbewerbswidrigen Marktabschottung auf dem Markt für das gekoppelte Produkt, dem Markt für das Kopplungsprodukt oder auf beiden Märkten führen. Die Marktausschlusswirkung hängt davon ab, inwieweit der Absatz auf dem Markt für das gekoppelte Produkt durch entsprechende Bindungen abgedeckt wird. Hinsichtlich der Frage, was als spürbare Abschottung im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV betrachtet werden kann, sind die Kriterien für die wettbewerbsrechtliche Würdigung von Vereinbarungen mit Markenzwang heranzuziehen. Eine Kopplungsbindung bedeutet, dass zumindest eine Form von Mengenvorgabe in Bezug auf das gekoppelte Produkt gemacht wird. Wird zusätzlich ein Wettbewerbsverbot in Bezug auf das gekoppelte Produkt vereinbart, erhöht dies die mögliche Abschottungswirkung auf dem Markt des gekoppelten Produkts. Die Kopplungsbindung kann zu weniger Wettbewerb in Bezug auf Kunden führen, die das gekoppelte Produkt, aber nicht das Kopplungsprodukt kaufen möchten. Gibt es für die Wettbewerber des Anbieters auf dem Markt für das gekoppelte Produkt nicht genügend Kunden, die nur das gekoppelte Produkt kaufen würden, kann die Kopplung für diese Kunden letztlich zu höheren Preisen führen. Handelt es sich bei dem gekoppelten Produkt um ein wichtiges Komplementärprodukt für die Kunden des Kopplungsprodukts, können eine Reduzierung anderer Anbieter des gekoppelten Produkts und die dadurch bewirkte geringere Verfügbarkeit dieses Produkts den Eintritt in den Kopplungsmarkt erschweren.

(392)

Darüber hinaus können Kopplungsgeschäfte Preise zur Folge haben, die über dem freien Marktpreis liegen; dies gilt insbesondere für die drei folgenden Situationen. Erstens, wenn das Kopplungsprodukt und das gekoppelte Produkt in variablen Mengen als Vorleistungen für einen Produktionsprozess verwendet werden können, können die Kunden auf eine Preiserhöhung für das Kopplungsprodukt reagieren, indem ihre Nachfrage nach dem gekoppelten Produkt steigt, während ihre Nachfrage nach dem Kopplungsprodukt sinkt. Durch Kopplung der beiden Produkte kann der Anbieter versuchen, diese Substitution zu unterbinden, um im Endeffekt in der Lage zu sein, seine Preise zu erhöhen. Zweitens kann die Kopplungsbindung je nach Verwendung des Kopplungsprodukts durch den Kunden eine Preisdiskriminierung ermöglichen, zum Beispiel die Kopplung von Tintenpatronen an den Verkauf von Fotokopiergeräten (nutzungsabhängige Preisfestsetzung). Drittens können die Kunden bei Verträgen mit langer Laufzeit oder bei Anschlussmärkten, auf denen Erstausrüstungen erst nach langer Zeit ersetzt werden, die Folgen der Kopplungsbindung unter Umständen nur schwer berechnen.

(393)

Die Kopplungsbindung kann unter die Freistellung nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/720 fallen, wenn der Anbieter weder für das gekoppelte Produkt noch für das Kopplungsprodukt einen Marktanteil von mehr als 30 % hält und wenn der Marktanteil des Abnehmers auf dem relevanten vorgelagerten Markt nicht mehr als 30 % beträgt. Sie kann mit anderen vertikalen Beschränkungen kombiniert werden, die keine Kernbeschränkungen im Sinne der Verordnung darstellen, beispielsweise mit einem Wettbewerbsverbot oder mit Mengenvorgaben für das Kopplungsprodukt oder mit einer Alleinbezugsverpflichtung. Im verbleibenden Teil dieses Abschnitts 8.2.8. wird dargestellt, wie in einzelnen Fällen, in denen die Marktanteilsschwelle überschritten wird, Kopplungsvereinbarungen zu beurteilen sind.

(394)

Bei der Beurteilung etwaiger wettbewerbswidriger Wirkungen ist die Marktstellung des Anbieters auf dem Markt für das Kopplungsprodukt naturgemäß von zentraler Bedeutung. Im Allgemeinen wird diese Form der Vereinbarung vom Anbieter durchgesetzt. Eine starke Marktstellung des Anbieters bei dem Kopplungsprodukt ist der Hauptgrund dafür, dass sich der Abnehmer einer Kopplungsbindung kaum entziehen kann.

(395)

Bei der Würdigung der Marktmacht des Anbieters ist die Marktstellung seiner Wettbewerber auf dem Markt für das Kopplungsprodukt von Belang. Ist die Konkurrenz hinreichend zahlreich und stark, sind keine wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu erwarten, da die Abnehmer genügend Alternativen haben, um die betreffenden Produkte ohne das gekoppelte Produkt zu beziehen, sofern nicht andere Anbieter eine ähnliche Praxis verfolgen. Außerdem sind Marktzutrittsschranken bei dem Kopplungsprodukt für die Ermittlung der Marktstellung des Anbieters von Bedeutung. Wird die Kopplungsbindung mit einem Wettbewerbsverbot für das Kopplungsprodukt kombiniert, so ist eine erhebliche Stärkung der Marktstellung des Anbieters die Folge.

(396)

Auch die Nachfragemacht spielt eine Rolle, da große Abnehmer sich nicht leicht zwingen lassen, eine Kopplungsbindung einzugehen, ohne sich selbst zumindest einen Teil der möglichen Effizienzgewinne zu sichern. Kopplungsvereinbarungen, die nicht effizienzsteigernd wirken, sind daher vor allem für Abnehmer mit geringer Nachfragemacht eine Gefahr.

(397)

Werden spürbare wettbewerbswidrige Auswirkungen festgestellt, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllt sind. Kopplungsbindungen können durch gemeinsame Herstellung oder gemeinsamen Vertrieb zu Effizienzgewinnen beitragen. Wird das gekoppelte Produkt nicht vom Anbieter hergestellt, so kann ein Effizienzgewinn auch dadurch entstehen, dass dieser das Produkt in großen Mengen bezieht. Um die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV zu erfüllen, muss für eine Kopplungsbindung nachgewiesen werden, dass zumindest ein Teil der dabei erzielten Kosteneinsparungen an den Verbraucher weitergegeben wird, was normalerweise nicht der Fall ist, wenn sich der Einzelhändler regelmäßig Lieferungen identischer oder gleichwertiger Produkte zu besseren Konditionen sichern kann als sie der Anbieter, der die Kopplung praktiziert, bietet. Ein Effizienzgewinn ist auch in Fällen möglich, in denen Kopplungsbindungen zur Einhaltung bestimmter Produktstandards (Einheitlichkeit und Qualität; Randnummer 16 Buchstabe h) beitragen. Dabei muss jedoch nachgewiesen werden, dass die positiven Auswirkungen nicht ebenso effizient dadurch erzielt werden können, dass der Abnehmer ohne den obligatorischen Bezug bei dem Anbieter oder einem von diesem benannten Unternehmen verpflichtet wird, Produkte zu nutzen oder weiterzuverkaufen, die bestimmte Mindestqualitätsanforderungen erfüllen. Die Anforderungen in Bezug auf die Erfüllung bestimmter Qualitätsstandards würden in der Regel nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen. Verlangt der Anbieter des Kopplungsprodukts vom Abnehmer, das gekoppelte Produkt bei benannten Anbietern zu beziehen, weil beispielsweise keine Mindestqualitätsanforderungen formuliert werden können, fällt dies möglicherweise ebenfalls nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV; dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Anbieter des Kopplungsprodukts aus der Benennung der Anbieter für den Bezug des gekoppelten Produkts keinen unmittelbaren (finanziellen) Vorteil zieht.

(1)  Diese Leitlinien ersetzen die Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen (ABl. C 130 vom 19.5.2010, S. 1).

(2)  Verordnung (EU) 2022/720 der Kommission vom 10. Mai 2022 über die Anwendung des Artikels 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. L 134 vom 11.5.2022, S. 4).

(3)  Siehe Randnummer (51).

(4)  Die Kommission wird die Anwendung der Verordnung (EU) 2022/720 und dieser Leitlinien weiterhin beobachten und kann diese Bekanntmachung von Zeit zu Zeit überprüfen und bei Bedarf an neue Entwicklungen anpassen.

(5)  Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. C 372 vom 9.12.1997, S. 5) oder künftige Leitlinien der Kommission bezüglich der Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Union einschließlich Leitlinien, die in Zukunft an die Stelle der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes treten könnten.

(6)  Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1).

(7)  Weitere Orientierungshilfen zur Definition des Begriffs „vertikale Vereinbarung“ im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 finden sich in Abschnitt 4.2 dieser Leitlinien.

(8)  Siehe beispielsweise Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 1973, Europemballage Corporation und Continental Can Company/Kommission, C-6/72, ECLI:EU:C:1973:22, Rn. 25 und 26; Urteil des Gerichtshofs vom 17. Februar 2011, Konkurrensverket/TeliaSonera Sverige AB, C-52/09, ECLI:EU:C:2011:83, Rn. 20 bis 24, und Urteil des Gerichtshofs vom 18. November 2021, „Visma Enterprise“ SIA/Konkurences padome, C-306/20, ECLI:EU:C:2021:935, Rn. 58 (im Folgenden „C-306/20, Visma Enterprise“).

(9)  Siehe beispielsweise Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 1966 Grundig-Consten und Grundig/Kommission der EWG, 56/64 und 58/64, ECLI:EU:C:1966:41; Urteil des Gerichtshofs vom 30. Juni 1966, Société Technique Minière/Maschinenbau Ulm, 56/65, ECLI:EU:C:1966:38 (im Folgenden „C-56/65, Société Technique Minière“), und Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1994, Parker Pen/Kommission, T-77/92, ECLI:EU:T:1994:85 (im Folgenden „T-77/92, Parker Pen“).

(10)  Für die Anwendung der Verordnung (EU) 2022/720 definiert Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2022/720 vertikale Beschränkungen als „eine Wettbewerbsbeschränkung in einer vertikalen Vereinbarung, die unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt“ [Hervorhebung hinzugefügt]. Weitere Orientierungshilfen zu vertikalen Vereinbarungen, die grundsätzlich nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen, finden sich in Abschnitt 3 dieser Leitlinien.

(11)  Bekanntmachung der Kommission über Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 AEUV (ABl. C 101 vom 27.4.2004, S. 97) mit einer Darstellung der allgemeinen Methoden und der Auslegung der Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 101 AEUV und insbesondere Artikel 101 Absatz 3 AEUV.

(12)  Siehe Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union.

(13)  Siehe die Mitteilung der Kommission vom 5. Mai 2021 über die Aktualisierung der neuen Industriestrategie von 2020: einen stärkeren Binnenmarkt für die Erholung Europas aufbauen (COM(2021) 350 final).

(14)  Soweit das Unionsrecht Definitionen der Begriffe Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder Resilienz enthält, können solche Definitionen bei der Prüfung vertikaler Vereinbarungen berücksichtigt werden.

(15)  Siehe Randnummern (144) und (316).

(16)  Diese Leitlinien gelten nicht für Vereinbarungen zwischen Erzeugern landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die unter Artikel 210a der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 671) fallen.

(17)  Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl. C 11 vom 14.1.2011, S. 1).

(18)  Siehe beispielsweise C-306/20, Visma Enterprise, Rn. 78.

(19)  Siehe Randnummer 25 der Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 Absatz 3.

(20)  Dies wird mitunter als „Problem der doppelten Gewinnmarginalisierung“ bezeichnet.

(21)  Siehe Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen – Evaluation of the Vertical Block Exemption Regulation (SWD(2020) 172 final vom 10. Mai 2017, S. 31 bis 42) und die Evaluierungsstudie, auf die darin verwiesen wird; Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 10. Mai 2017, Abschlussbericht über die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel, COM(2017) 229 final (im Folgenden „Abschlussbericht über die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel“), Rn. 11.

(22)  Ob die Verbraucher insgesamt tatsächlich von den zusätzlichen Verkaufsförderungsanstrengungen profitieren, hängt davon ab, ob die zusätzlichen verkaufsfördernden Maßnahmen informieren und überzeugen und damit vielen neuen Kunden zugutekommen oder ob sie hauptsächlich Kunden erreichen, die bereits wissen, was sie kaufen wollen, und für die die zusätzlichen verkaufsfördernden Maßnahmen nur eine Preiserhöhung bedeuten.

(23)  Siehe insbesondere die Definition des Begriffs „Wettbewerbsverbot“ in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung (EU) 2022/720, zu der in Abschnitt 6.2 dieser Leitlinien weitere Orientierungshilfen gegeben werden, sowie die Hinweise zum „Markenzwang“ in Abschnitt 8.2 dieser Leitlinien.

(24)  Zu den Begriffen der ausdrücklichen und der stillschweigenden Kollusion siehe Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö und andere/Kommission, Verbundene Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, ECLI:EU:C:1993:120.

(25)  Siehe Urteil C-306/20, Visma Enterprise, Rn. 78.

(26)  Kumulative wettbewerbswidrige Auswirkungen können insbesondere den Entzug des Rechtsvorteils der Verordnung (EU) 2022/720 rechtfertigen, siehe Abschnitt 7.1. dieser Leitlinien.

(27)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 13. Dezember 2012, Expedia Inc./Autorité de la concurrence und andere, C-226/11, ECLI:EU:C:2012:795, Rn. 16 und 17 (im Folgenden „C-226/11, Expedia“).

(28)  Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags (ABl. C 101 vom 27.4.2004, S. 81).

(29)  Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union den Wettbewerb nicht spürbar beschränken (De-minimis-Bekanntmachung) (ABl. C 291 vom 30.8.2014, S. 1). Weitere Orientierungshilfen finden sich in der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Guidance on restrictions of competition „by object“ for the purpose of defining which agreements may benefit from the De Minimis Notice (Leitlinien zu „bezweckten“ Wettbewerbsbeschränkungen im Hinblick auf die Bestimmung, welche Vereinbarungen unter die De-minimis-Bekanntmachung fallen können) (SWD(2014) 198 final).

(30)  Siehe Randnummer 50 der Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des Handels.

(31)  Siehe Randnummer 52 der Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des Handels.

(32)  Siehe Randnummer 8 der De-minimis-Bekanntmachung, in der auch eine Marktanteilsschwelle für Vereinbarungen zwischen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbern vorgesehen ist, wonach solche Vereinbarungen den Wettbewerb im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV nicht spürbar beschränken, wenn der gemeinsame Marktanteil der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen auf keinem der von der Vereinbarung betroffenen relevanten Märkte 10 % überschreitet.

(33)  Siehe Urteil C-226/11, Expedia, Rn. 21 bis 23 und 37, mit Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juli 1969, Völk/Vervaecke, C-5/69, ECLI:EU:C:1969:35; siehe auch das Urteil des Gerichtshofs vom 6. Mai 1971, Cadillon/Höss, C-1/71, ECLI:EU:C:1971:47, und Urteil des Gerichtshofs vom 28. April 1998, Javico/Yves Saint Laurent Parfums, C-306/96, ECLI:EU:C:1998:173, Rn. 16 und 17 (im Folgenden „C-306/96, Javico/Yves Saint Laurent Parfums“).

(34)  Siehe C-226/11, Expedia, Rn. 37.

(35)  Siehe Rn. 8 der De-minimis-Bekanntmachung.

(36)  Siehe Rn. 3 der De-minimis-Bekanntmachung. Siehe Urteil des Gerichts vom 8. Juni 1995, Langnese-Iglo/Kommission, T-7/93, ECLI:EU:T:1995:98, Rn. 98.

(37)  Wie im Anhang der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen definiert (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36).

(38)  Siehe das Urteil des Gerichts vom 15. September 2005 DaimlerChrysler/Kommission, T-325/01, ECLI:EU:T:2005:322 (im Folgenden „T-325/01, DaimlerChrysler/Kommission“), Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2006, Confederación Espanola de Empresarios de Estaciones de Servicio/CEPSA, C-217/05, ECLI:EU:C:2006:784, und Urteil des Gerichtshofs vom 11. September 2008, CEPSA Estaciones de Servicio SA/LV Tobar e Hijos SL, C-279/06, ECLI:EU:C:2008:485.

(39)  Siehe Abschnitt 3.2.2 dieser Leitlinien zu den Bestimmungen des Handelsvertretervertrags, die dennoch unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen können.

(40)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 1. Oktober 1987, ASBL Vereniging van Vlaamse Reisbureaus/ASBL Sociale Dienst van de Plaatselijke en Gewestelijke Overheidsdiensten, C-311/85, ECLI:EU:C:1987:418, Rn. 20.

(41)  Siehe auch Randnummer (192). Insbesondere muss es dem Handelsvertreter im Rahmen eines unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallenden Handelsvertretervertrags freistehen, den vom Kunden tatsächlich gezahlten Preis zu mindern, indem er seine Vergütung mit dem Kunden teilt.

(42)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1975, „Suiker Unie“/Kommission, Verbundene Rechtssachen 40 bis 48, 50, 54 bis 56, 111, 113 und 114/73, ECLI:EU:C:1975:174, Rn. 537 bis 557.

(43)  Siehe T-325/01, DaimlerChrysler/Kommission, Rn. 100 und 113.

(44)  Bekanntmachung der Kommission vom 18. Dezember 1978 über die Beurteilung von Zulieferverträgen nach Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. C 1 vom 3.1.1979, S. 2).

(45)  Siehe Nummer 2 der Bekanntmachung über Zulieferverträge; darin finden sich weitere Erläuterungen insbesondere zur Nutzung der gewerblichen Schutzrechte und des Know-hows.

(46)  Siehe Nummer 3 der Bekanntmachung über Zulieferverträge.

(47)  Hinweise zu nicht freigestellten Beschränkungen und die Bedeutung des Artikel 5 der Verordnung (EU) 2022/720 sind Abschnitt 6.2 dieser Leitlinien zu entnehmen.

(48)  Siehe Urteil C-56/65 – Société Technique Minière/Maschinenbau Ulm, S. 249.

(49)  Sofern nicht anders angegeben, schließt der Begriff „vertikale Vereinbarung“ gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2022/720 vertikale abgestimmte Verhaltensweisen ein.

(50)  Umgekehrt gelten bei Vorliegen einer vertikalen Vereinbarung im Sinne des Artikels 101 AEUV die Verordnung (EU) 2022/720 und diese Leitlinien unbeschadet der gleichzeitig möglichen Anwendung des Artikels 102 AEUV auf die vertikale Vereinbarung.

(51)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 14. Januar 2021, Kilpailu- ja kuluttajavirasto, C-450/19, ECLI:EU:C:2021:10, Rn. 21.

(52)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 2006, Kommission/Volkswagen AG, C-74/04 P, ECLI:EU:C:2006:460, Rn. 39 bis 42.

(53)  Siehe Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 2000, Bayer AG/Kommission, T-41/96, ECLI:EU:T:2000:242, Rn. 120.

(54)  Siehe Beschluss der Kommission in der Sache AT.40428 – Guess, Erwägungsgrund 97 mit Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs vom 11. Januar 1990, Sandoz Prodotti Farmaceutici/Kommission, C-277/87, ECLI:EU:C:1990:6, Rn. 2, und Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2009, Peugeot und Peugeot Nederland/Kommission, T-450/05, ECLI:EU:T:2009:262, Rn. 168 bis 209.

(55)  Siehe auch Randnummer (30).

(56)  Siehe Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1).

(57)  Siehe auch Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 57).

(58)  Siehe beispielsweise Urteil des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019, X, C-390/18, ECLI:EU:C:2019:1112, Rn. 58 bis 69.

(59)  Die Hinweise in diesem Abschnitt 4 der Leitlinien lassen die Einstufung von Unternehmen, die an nicht unter die Verordnung (EU) 2022/720 fallenden Vereinbarungen beteiligt sind, unberührt.

(60)  Die jährliche Umsatzschwelle von 50 Mio. EUR beruht auf der Umsatzschwelle für KMU in Artikel 2 des Anhangs zur Empfehlung der Kommission 2003/361/EG.

(61)  Mitteilung der Kommission – Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Technologietransfer-Vereinbarungen (ABl. C 89 vom 28.3.2014, S. 3).

(62)  Verordnung (EU) Nr. 316/2014 der Kommission vom 21. März 2014 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen (ABl. L 93 vom 28.3.2014, S. 17).

(63)  Die Randnummern (85) bis (87) gelten analog für andere Arten von Vertriebsvereinbarungen, die die Weitergabe von wesentlichem Know-how vom Anbieter an den Abnehmer beinhalten.

(64)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 30. Januar 2020, Generics (UK) und andere/Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde, C-307/18, ECLI:EU:C:2020:52, Rn. 36 bis 45, und Urteil des Gerichtshofs vom 25. März 2021, H. Lundbeck A/S und Lundbeck Ltd/Europäische Kommission, C-591/16 P, ECLI:EU:C:2021:243, Rn. 54 bis 57.

(65)  Dies berührt nicht die Anwendung der Bekanntmachung über Zulieferverträge, siehe Randnummer (47) dieser Leitlinien.

(66)  Die Orientierungshilfe in diesen Leitlinien lassen die Anwendung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1) und anderer für den Informationsaustausch im Sinne von Randnummer (97) dieser Leitlinien geltender Rechtsvorschriften der Union unberührt.

(67)  Siehe Randnummer 31 der Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 Absatz 3.

(68)  Sofern nicht anders angegeben, umfassen die Beispiele Informationen, die vom Anbieter oder Abnehmer übermittelt werden, unabhängig von der Häufigkeit der Mitteilung und unabhängig davon, ob sich die Informationen auf frühere, derzeitige oder künftige Verhaltensweisen beziehen.

(69)  Weitere Orientierungshilfen zur Preisbindung der zweiten Hand einschließlich indirekter Mittel zur Anwendung dieser Preisbindung der zweiten Hand sind Abschnitt 6.1.1 zu entnehmen.

(70)  Weil beispielsweise die Voraussetzungen des Artikels 2 Absatz 4, des Artikels 2 Absatz 5 oder des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung nicht erfüllt sind.

(71)  Siehe das Kapitel über Informationsaustausch in den Horizontalleitlinien und künftigen Fassungen dieser Leitlinien.

(72)  Die Anwendung des Artikels 2 Absatz 6 der Verordnung (EU) 2022/720 setzt voraus, dass die vom Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten mit Hybridstellung geschlossene vertikale Vereinbarung nicht als ein Handelsvertretervertrag gilt, der nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt, siehe Randnummern (46) und (63).

(73)  Siehe Randnummer (90).

(74)  Siehe Randnummer (26).

(75)  Verordnung (EU) Nr. 1217/2010 der Kommission vom 14. Dezember 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung (ABl. L 335 vom 18.12.2010, S. 36).

(76)  Verordnung (EU) Nr. 1218/2010 der Kommission vom 14. Dezember 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen (ABl. L 335 vom 18.12.2010, S. 43).

(77)  Verordnung (EU) Nr. 461/2010 der Kommission vom 27. Mai 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (ABl. L 129 vom 28.5.2010, S. 52).

(78)  Siehe auch die Abschnitte 6.1.2.3.1 und 6.1.2.3.2.

(79)  Siehe auch Abschnitt 6.1.2.3.3.

(80)  Siehe Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung (EU) 2022/720.

(81)  Siehe C-306/20, Visma Enterprise, Rn. 78.

(82)  Ein Beispiel hierfür ist der Fall, dass ein Anbieter einen bestimmten Händler beauftragt, auf Ausschreibungen öffentlicher Stellen im Bereich IT-Ausrüstung oder Bürobedarf zu antworten.

(83)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1977, Metro/Kommission, C-26/76, ECLI:EU:C:1977:167, Rn. 20 und 21 (im Folgenden „C-26/76, Metro/Kommission“); Urteil des Gerichtshofs vom 11. Dezember 1980, L’Oréal/De Nieuwe AMCK, C-31/80, ECLI:EU:C:1980:289, Rn. 15 und 16 (im Folgenden „C-31/80, L’Oréal/De Nieuwe AMCK“); Urteil des Gerichtshofs vom 13. Oktober 2011, Pierre Fabre Dermo-Cosmétique SAS/Président de l’Autorité de la concurrence, C-439/09, ECLI:EU:C:2011:649, Rn. 41 (im Folgenden „C-439/09, Pierre Fabre Dermo-Cosmétique“); Urteil des Gerichtshofs vom 6. Dezember 2017, Coty Germany GmbH/Parfümerie Akzente GmbH, C-230/16, ECLI:EU:C:2017:941, Rn. 24 (im Folgenden „C-230/16, Coty Germany“).

(84)  Siehe C-26/76 – Metro/Kommission, Rn. 20 bis 22; Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1983, AEG /Kommission, C-107/82, ECLI:EU:C:1983:293 (im Folgenden „C-107/82, AEG/Kommission“), Rn. 33, 34 und 73; Urteil des Gerichtshofs vom 22. Oktober 1986, Metro/Kommission, C-75/84, ECLI:EU:C:1986:399, Rn. 45; Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996, Leclerc/Kommission, T-88/92, ECLI:EU:T:1996:192, Rn. 106.

(85)  Siehe C-26/76, Metro/Kommission und C-107/82 – AEG/Kommission.

(86)  Siehe C-230/16, Coty Germany.

(87)  Siehe C-230/16, Coty Germany, Rn. 25 bis 29.

(88)  Siehe C-26/76, Metro/Kommission, Rn. 20 und 21; C-31/80, L’Oréal/De Nieuwe AMCK, Rn. 15 und 16; C-107/82, AEG/Kommission, Rn. 35; vom 27. Februar 1992, Vichy/Kommission, T-19/91, ECLI:EU:T:1992:28, Rn. 65.

(89)  Siehe Randnummer (149).

(90)  Siehe C-230/16, Coty Germany, Rn. 43 bis 58.

(91)  Siehe C-230/16, Coty Germany, insbesondere Rn. 67; siehe auch Randnummer (208) dieser Leitlinien.

(92)  Siehe auch Randnummer (208).

(93)  Siehe C-439/09, Pierre Fabre Dermo-Cosmétique, Rn. 54. Siehe auch Abschnitt 6.1.2.3.2.

(94)  Siehe auch entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juni 2012, Auto 24 SARL/Jaguar Land Rover France SAS, C-158/11, ECLI:EU:C:2012:351, Rn. 31.

(95)  Siehe C-306/20, Visma Enterprise, Rn. 78.

(96)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 28. Januar 1986, Pronuptia de Paris GmbH/Pronuptia de Paris Irmgard Schillgallis, C-161/84, ECLI:EU:C:1986:41, Rn. 16.

(97)  Hierbei werden von einem integrierten Händler erzielte Verkäufe der Waren oder Dienstleistungen von Wettbewerben nicht berücksichtigt.

(98)  Siehe C-306/96 – Javico/Yves Saint Laurent Parfums, Rn. 20.

(99)  Siehe Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Guidance on restrictions of competition „by object“ for the purpose of defining which agreements may benefit from the De Minimis Notice (Leitlinien zu „bezweckten“ Wettbewerbsbeschränkungen im Hinblick auf die Bestimmung, welche Vereinbarungen unter die De-minimis-Bekanntmachung fallen können), 25. Juni 2014, (SWD(2014) 198 final, S. 4).

(100)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission, C-373/14 P, ECLI:EU:C:2016:26, Rn. 26.

(101)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 2020, Budapest Bank u. a., C-228/18, ECLI:EU:C:2020:265, Rn. 35 bis 37 sowie die dort angeführte Rechtsprechung.

(102)  Siehe insbesondere Randnummer (16) Buchstaben a bis i dieser Leitlinien, in denen allgemein mit vertikalen Beschränkungen verbundene Effizienzgewinne beschrieben werden, sowie Abschnitt 6.1.1 dieser Leitlinien, in dem die Preisbindung der zweiten Hand erläutert wird. Allgemeine Hinweise zur Beurteilung von Effizienzgewinnen sind zudem den Leitlinien in Artikel 101 Absatz 3 zu entnehmen.

(103)  Es ist zu beachten, dass eine Preisbindung der zweiten Hand mit anderen Beschränkungen verbunden sein kann, einschließlich horizontaler Absprachen in Form von „Hub-and-Spoke“-Vereinbarungen. Diese werden in Randnummer 55 der Horizontalleitlinien behandelt.

(104)  Siehe beispielsweise den Beschluss der Kommission in der Sache AT.40428 – Guess, Erwägungsgründe 84, 86 und 137.

(105)  Siehe den Abschlussbericht über die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel, Rn. 602 und 603.

(106)  Siehe Beschlüsse der Kommission in den Sachen AT.40182, Pioneer, Erwägungsgründe 136 und 155; AT.40469 – Denon & Marantz, Erwägungsgrund 95; AT.40181 – Philips, Erwägungsgrund 64 und AT.40465 – Asus, Erwägungsgrund 27.

(107)  Beschränkungen der Fähigkeit von Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung, ihre Vergütung für die Erbringung der Online-Vermittlungsdienste zu teilen, sind keine Kernbeschränkungen im Sinne des Artikels 4 Buchstabe a der Verordnung, da sie die Fähigkeit eines Abnehmers, seinen Verkaufspreis zu bestimmen, nicht beschränken. Siehe Rn. (64) bis (67) der vorliegenden Leitlinien, insbesondere Rn. (67) Buchstabe a.

(108)  Siehe z. B. Beschluss der Kommission in der Sache IV/32.737 – Eirpage, insbesondere Erwägungsgrund 6.

(109)  Diese Hinweise lassen die Beurteilung horizontaler Vereinbarungen zwischen den Einzelhändlern, die ein solches Erfüllungsmodell nach Artikel 101 AEUV unter Berücksichtigung der Orientierungshilfen in den Horizontalleitlinien einrichten und betreiben, unberührt.

(110)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juli 1985, Binon/AMP, C-243/83, ECLI:EU:C:1985:284, Rn. 44; Urteil des Gerichtshofs vom 1. Oktober 1987, ASBL Vereniging van Vlaamse Reisbureaus/ASBL Sociale Dienst van de Plaatselijke en Gewestelijke Overheidsdiensten, C-311/85, ECLI:EU:C:1987:418, Rn. 17; Urteil des Gerichtshofs vom 19. April 1988, Erauw-Jacquery/La Hesbignonne, C-27/87, ECLI:EU:C:1988:183, Rn. 15.

(111)  Nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 trägt ein Unternehmen, das sich auf den Rechtsvorteil des Artikels 101 Absatz 3 AEUV beruft, die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen dieses Absatzes des AEUV erfüllt sind.

(112)  Siehe diesbezüglich die Rn. 13 und (16).

(113)  Siehe auch die Rn. (204), (206) und (210) bezüglich verschiedener Arten von Beschränkungen des Online-Verkaufs und der Online-Werbung.

(114)  Siehe auch C-439/09, Pierre Fabre Dermo-Cosmétique, Rn. 54.

(115)  Siehe auch den Beschluss der Kommission in der Sache AT.40428 – Guess, Erwägungsgründe 118 bis 126.

(116)  Siehe C-439/09, Pierre Fabre Dermo-Cosmétique, Rn. 56 und 57 und Randnummer (224) dieser Leitlinien.

(117)  Siehe beispielsweise T-77/92, Parker Pen/Kommission, Rn. 37.

(118)  Siehe beispielsweise Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2009, Peugeot und Peugeot Nederland/Kommission, T-450/05, ECLI:EU:T:2009:262, Rn. 47.

(119)  Siehe beispielsweise Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2009, Volkswagen/Kommission, T-62/98, ECLI:EU:T:2000:180, Rn. 44.

(120)  Siehe beispielsweise Beschluss der Kommission in der Sache AT.40433 – Film-Merchandising-Produkte, Erwägungsgrund 54.

(121)  Siehe beispielsweise Beschluss der Kommission in der Sache AT.40433 – Film-Merchandising-Produkte, Erwägungsgründe 52 und 53.

(122)  Siehe beispielsweise den Beschluss der Kommission in der Sache AT.40436 – Nike, Erwägungsgrund 57; Beschluss der Kommission in der Sache AT.40433 – Film-Merchandising-Produkte, Erwägungsgründe 61 bis 63.

(123)  Siehe beispielsweise Beschluss der Kommission in der Sache AT.37975 – PO/Yamaha, Erwägungsgründe 111 und 112. Umgekehrt bezweckt eine Regelung, nach der der Anbieter mit seinen Händlern vereinbart, dass dann, wenn ein Händler in einem Gebiet, das einem anderen Händler zugewiesen wurde, einen Verkauf tätigt, der erste Händler dem zweiten eine Gebühr zahlen muss, die auf den Kosten der zu erbringenden Dienstleistungen basiert, nicht die Beschränkung von Verkäufen der Händler außerhalb der ihnen zugewiesenen Gebiete (siehe Urteil des Gerichts vom 13. Januar 2004, JCB Service/Kommission, T-67/01, ECLI:EU:T:2004:3, Rn. 136 bis 145).

(124)  Siehe beispielsweise den Beschluss der Kommission in der Sache AT.40436 – Nike, Erwägungsgründe 71 und 72; Beschluss der Kommission in der Sache AT.40433 – Film-Merchandising-Produkte, Erwägungsgründe 65 und 66.

(125)  Artikel 3 der Verordnung (EU) 2018/302.

(126)  Artikel 5 der Verordnung (EU) 2018/302.

(127)  Siehe C-439/09, Pierre Fabre Dermo-Cosmétique, Rn. 36 und 37.

(128)  Siehe auch Randnummer (203).

(129)  Siehe auch den Beschluss der Kommission in der Sache AT.40428 – Guess, Erwägungsgründe 118 bis 126.

(130)  Weitere Beispiele sind dem Abschlussbericht über die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel, Rn. 241 zu entnehmen.

(131)  Siehe C-439/09, Pierre Fabre Dermo-Cosmétique, Rn. 56 und 57 und Randnummer (224) dieser Leitlinien.

(132)  Siehe auch den Beschluss der Kommission in der Sache AT.40428 – Guess, Erwägungsgründe 118 bis 126 und Randnummer 200 dieser Leitlinien.

(133)  C-230/16, Coty Germany, Rn. 64 bis 69; siehe auch Abschnitt 8.2.3. dieser Leitlinien.

(134)  Siehe auch Randnummer (206) Buchstabe g.

(135)  Siehe auch Randnummer 203.

(136)  Siehe auch Randnummer 208 Buchstabe e.

(137)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 7. Dezember 2010, Peter Pammer/Reederei Karl Schlüter GmbH & Co. KG und Hotel Alpenhof GesmbH/Oliver Heller, C-585/08 und C-144/09, ECLI:EU:C:2010:740, Rn. 93.

(138)  Verordnung (EU) 2018/302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Februar 2018 über Maßnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden innerhalb des Binnenmarkts und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 2006/2004 und (EU) 2017/2394 sowie der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1).

(139)  Siehe C-439/09, Pierre Fabre Dermo-Cosmétique, Rn. 56 und 57.

(140)  Siehe auch Randnummer (222) bezüglich der Verordnung (EU) 2018/302.

(141)  Siehe C-439/09, Pierre Fabre Dermo-Cosmetique, Rn. 55 bis 58.

(142)  Siehe auch Randnummer (222) bezüglich der Verordnung (EU) 2018/302.

(143)  Siehe Randnummer (227).

(144)  Siehe Randnummer (237).

(145)  Siehe auch Randnummer (222) bezüglich der Verordnung (EU) 2018/302.

(146)  Siehe z. B. Beschluss der Kommission in der Sache AT.40428 – Guess, Erwägungsgründe 65 bis 78.

(147)  Siehe auch Randnummer (116).

(148)  Siehe C-439/09, Pierre Fabre Dermo-Cosmétique, Rn. 55 bis 58.

(149)  Siehe auch Randnummer (222) bezüglich der Verordnung (EU) 2018/302.

(150)  Auch dürfen die Gerichte der Mitgliedstaaten den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2022/720 nicht ändern, indem sie ihn auf Vereinbarungen ausdehnen, die nicht unter die Verordnung (EU) 2022/720 fallen. Eine solche Ausdehnung wäre nämlich unabhängig von ihrem Gewicht ein Eingriff in die Rechtsetzungsbefugnis der Kommission (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Februar 1991, Stergios Delimitis/Henninger Bräu AG, C-234/89, ECLI:EU:C:1991:91, Rn. 46) (im Folgenden „C-234/89, Delimitis“).

(151)  Eine kumulative Abschottungswirkung ist jedoch unwahrscheinlich, wenn die parallelen Netze vertikaler Vereinbarungen weniger als 30 % des relevanten Marktes abdecken; siehe De-minimis-Bekanntmachung, Rn. 10.

(152)  Bei einzelnen Anbietern oder Händlern mit einem Marktanteil von höchstens 5 % wird im Allgemeinen nicht davon ausgegangen, dass sie wesentlich zu einer kumulativen Marktabschottungswirkung beitragen; siehe De-minimis-Bekanntmachung, Rn. 10 und C-234/89, Delimitis/Henninger Bräu, Rn. 24 bis 27.

(153)  Die Beurteilung eines solchen Beitrags erfolgt nach den in Abschnitt 8 aufgeführten Kriterien, die sich auf die Durchsetzung im Einzelfall beziehen.

(154)  Siehe Kapitel IV der Verordnung (EG) Nr. 1/2003.

(155)  Fällt eine vertikale Vereinbarung, wie in Abschnitt 3 dieser Leitlinien erläutert, nicht unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV, stellt sich die Frage der Anwendung der Verordnung (EU) 2022/720 nicht, denn in der Verordnung (EU) 2022/720 werden Gruppen von vertikalen Vereinbarungen definiert, die in der Regel die Voraussetzungen des Artikel 101 Absatz 3 AEUV erfüllen, was voraussetzt, dass die vertikale Vereinbarung in den Anwendungsbereich des Artikels 101 Absatz 1 AEUV fällt.

(156)  Es reicht aus, wenn die Kommission nachweist, dass eine der vier Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV nicht erfüllt ist. Der Grund hierfür ist, dass für die Ausnahme nach Artikel 101 Absatz 3 alle vier Voraussetzungen erfüllt sein müssen.

(157)  Die Anforderung nach Artikel 29 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 in Bezug auf die Beweislast der zuständigen Wettbewerbsbehörde ergibt sich aus der Situation, in der die Verordnung (EU) 2022/720 nicht anwendbar ist und sich ein Unternehmen auf Artikel 101 Absatz 3 AEUV beruft. In einer solchen Situation trägt das Unternehmen gemäß Artikel 2 der Verordnung(EG) Nr. 1/2003 die Beweislast dafür, dass alle vier Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllt sind. Zu diesem Zweck muss es seine Behauptungen belegen; siehe z. B. Beschluss der Kommission in der Sache AT.39226 – Lundbeck, bestätigt in den Urteilen des Gerichts vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T-472/13, ECLI:EU:T:2016:449; und Urteil des Gerichtshofs vom 25. März 2021, Lundbeck/Kommission, C-591/16 P, ECLI:EU:C:2021:243.

(158)  Die Kommission hat in ihren Entscheidungen vom 25. März 1992 (einstweilige Maßnahmen) in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag in der Sache IV/34.072 – Mars/Langnese und Schöller, bestätigt durch das Urteil des Gerichtshofs vom 1. Oktober 1998, Langnese-Iglo/Kommission, C-279/95 P, ECLI:EU:C:1998:447, sowie in ihrer Entscheidung vom 4. Dezember 1991 (einstweilige Maßnahmen) in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag in der Sache IV/33.157 – Eco System/Peugeot, von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, den Rechtsvorteil von zuvor geltenden Gruppenfreistellungsverordnungen zu entziehen.

(159)  Siehe Abschnitt 3.1.

(160)  Siehe auch Randnummer (282).

(161)  Wie in Rn. 84 der Leitlinien zur Anwendbarkeit des Artikels 101 Absatz 3 dargelegt, umfasst der Begriff „Verbraucher“ im Sinne des Artikels 101 Absatz 3 AEUV alle direkten und indirekten Nutzer der Produkte, auf die sich die Vereinbarung bezieht, einschließlich Produzenten, die die Ware als Vorprodukt benötigen, Großhändler, Einzelhändler und Endkunden, d. h. natürliche Personen, die außerhalb ihrer Geschäfts- oder Berufstätigkeit handeln.

(162)  Siehe die Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 Absatz 3.

(163)  Siehe Urteil des Gerichtshofs, Ford/Kommission, verbundene Rechtssachen 25/84 und 26/84, ECLI:EU:C:1985:340, Rn. 24 und 25; Randnummer 44 der Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 Absatz 3.

(164)  Siehe beispielsweise die Entscheidung 1999/242/EG der Kommission in der Sache Nr. IV/36.237 – TPS (ABl. L 90 vom 2.4.1999, S. 6). Ebenso gilt das Verbot nach Artikel 101 Absatz 1 AEUV nur so lange, wie die Vereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt; Randnummer 44 der Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 Absatz 3.

(165)  Siehe Randnummer 85 der Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 Absatz 3.

(166)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 16. März 2000, Compagnie Maritime Belge, C-395/96 P und C-396/96 P, ECLI:EU:C:2000:132, Rn. 130. Ebenso wenig verhindert die Anwendung des Artikels 101 Absatz 3 AEUV die Anwendung der Vertragsbestimmungen des AEUV über den freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr. Diese Bestimmungen lassen sich unter bestimmten Umständen auf Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV anwenden; siehe hierzu Urteil des Gerichtshofs vom 19. Februar 2002, Wouters und andere, C-309/99, ECLI:EU:C:2002:98, Rn. 120.

(167)  Siehe Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1990, Tetra Pak/Kommission, T-51/89, ECLI:EU:T:1990:41. Siehe auch Randnummer 106 der Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 Absatz 3.

(168)  Siehe Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2003, Van den Bergh Foods/Kommission, T-65/98, ECLI:EU:T:2003:281, Rn. 104 und 156.

(169)  Siehe Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82).

(170)  Für solche Investitionen in erneuerbare Energien können auch noch andere EU-Vorschriften gelten, wie die Vorschriften, die sich aus Artikel 106 Absatz 1 AEUV sowie den Vorschriften zu staatlichen Beihilfen und zum Binnenmarkt ergeben.

(171)  Siehe auch Randnummer (343).

(172)  Abschlussbericht über die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel, Abschnitt 4.4.

(173)  Siehe C-230/16, Coty Germany, Rn. 64 bis 69.

(174)  Siehe C-230/16, Coty Germany, Rn. 24 bis 36.

(175)  Siehe die Randnummern (147) bis (150) dieser Leitlinien und C-230/16, Coty Germany, Rn. 43 bis 58.

(176)  Siehe C-306/20, Visma Enterprise, Rn. 78.

(177)  Für die Zwecke dieser Leitlinien bezieht sich der Begriff „Preisvergleichsdienste“ auf Dienste ohne direkte Kauffunktion. Dienste, die Verkaufs- und Kauffunktionalitäten bieten und den Nutzern somit den Abschluss von Kaufgeschäften ermöglichen, werden für die Zwecke dieser Leitlinien als Online-Marktplätze eingestuft. Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung von Online-Marktplätzen werden in Abschnitt 8.2.3 behandelt.

(178)  Abschlussbericht über die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel, Abschnitt B.4.5.

(179)  Hierbei handelt es sich um feste Gebühren, die Hersteller an die Einzelhändler für den Zugang zu deren Regalplatz zahlen.

(180)  Pauschalbeträge, mit denen sichergestellt wird, dass ein bestehendes Produkt für einen weiteren Zeitraum im Regal verbleibt.

(181)  Eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 101 AEUV kann auch vorliegen, wenn der „Category Captain“ unterverbindliche Empfehlungen ausspricht, die der Händler systematisch umsetzt.

(182)  Siehe Rechtsprechung der Unionsgerichte bezüglich des Informationsaustausches zwischen Wettbewerbern, beispielsweise Urteil des Gerichts vom 10. November 2017, ICAP/Kommission, T-180/15, ECLI:EU:T:2017:795, Rn. 57; Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juni 2009, T-Mobile Netherlands und andere, C-8/08, ECLI:EU:C:2009:343, Rn. 51; Urteil des Gerichtshofs vom 19. März 2015 Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C-286/13 P, ECLI:EU:C:2015:184, Rn. 127; Urteil des Gerichtshofs vom 21. Januar 2016, Eturas UAB und andere, C-74/14 ECLI:EU:C:2016:42, Rn. 40–44 und Urteil des Gerichts vom 10. November 2017, ICAP/Kommission, T-180/15, ECLI:EU:T:2017:795, Rn. 57.

(183)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission, C-333/94 P, ECLI:EU:C:1996:436, Rn. 37. Siehe auch Mitteilung der Kommission – Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen (ABl. C 45 vom 24.2.2009, S. 7).

(184)  Siehe Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T-201/04, ECLI:EU:T:2007:289, Rn. 917, 921 und 922.

(185)  Siehe Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991, Hilti/Kommission, T-30/89, ECLI:EU:T:1991:70, Rn. 67.


Rat

30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/86


Erklärung der Kommission zur ausschließlichen Zuständigkeit gemäß der Verordnung (EU) 2022/1031 des Europäischen Parlaments und des Rates (1)

(2022/C 248/02)

Wie im Gutachten 2/15 des Gerichtshofs bestätigt wurde, fällt die Teilnahme von Wirtschaftsteilnehmern, Gütern und Dienstleistungen aus Drittländern an den Vergabeverfahren der Union unter die gemeinsame Handelspolitik, für die die Union, wie in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e AEUV ausdrücklich festgestellt, ausschließliche Zuständigkeit hat. Mitgliedstaaten sowie ihre öffentlichen Auftraggeber und Auftraggeber dürfen daher keine Rechtsvorschriften oder sonstigen allgemein anwendbaren Maßnahmen für den Zugang von Wirtschaftsteilnehmern, Gütern und Dienstleistungen aus Drittländern einführen oder beibehalten, außer jenen, die im Einklang mit dieser Verordnung und anderen Rechtsvorschriften der Union angewandt werden.


(1)  Verordnung (EU) 2022/1031 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juni 2022 über den Zugang von Wirtschaftsteilnehmern, Waren und Dienstleistungen aus Drittländern zum Unionsmarkt für öffentliche Aufträge und Konzessionen und über die Verfahren zur Unterstützung von Verhandlungen über den Zugang von Wirtschaftsteilnehmern, Waren und Dienstleistungen aus der Union zu den Märkten für öffentliche Aufträge und Konzessionen von Drittländern (Instrument betreffend das internationale Beschaffungswesen — IPI) (ABl. L 173 vom 30.6.2022, S. 1).


III Vorbereitende Rechtsakte

EUROPÄISCHE ZENTRALBANK

30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/87


STELLUNGNAHME DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

vom 27. April 2022

zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf Aufsichtsbefugnisse, Sanktionen, Zweigstellen aus Drittländern sowie Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken

(CON/2022/16)

(2022/C 248/03)

Einleitung und Rechtsgrundlage

Am 17. bzw. 21. Januar 2022 wurde die Europäische Zentralbank (EZB) vom Europäischen Parlament bzw. vom Rat um Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf Aufsichtsbefugnisse, Sanktionen, Zweigstellen in Drittländern sowie Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken (1) (nachfolgend der „Vorschlag zur Änderung der CRD“) ersucht.

Der Vorschlag zur Änderung der CRD ist eng mit einem anderen Vorschlag verknüpft, zu dem die EZB ein Konsultationsersuchen erhalten hat, nämlich einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 im Hinblick auf Vorschriften für das Kreditrisiko, das Risiko einer Anpassung der Kreditbewertung, das operationelle Risiko, das Marktrisiko und die Eigenmitteluntergrenze (Output-Floor) (2) (zusammen mit dem Vorschlag zur Änderung der CRD das „Bankenreformpaket der Kommission“).

Die Zuständigkeit der EZB zur Abgabe einer Stellungnahme beruht auf Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), da der Vorschlag zur Änderung der CRD Bestimmungen enthält, welche die Aufgaben der EZB im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute gemäß Artikel 127 Absatz 6 AEUV und den Beitrag des Europäischen Systems der Zentralbanken zur reibungslosen Durchführung der auf dem Gebiet der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen gemäß Artikel 127 Absatz 5 AEUV betreffen. Diese Stellungnahme wurde gemäß Artikel 17.5 Satz 1 der Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank vom EZB-Rat verabschiedet.

Allgemeine Anmerkungen

Die EZB unterstützt nachdrücklich das Bankenreformpaket der Kommission, durch das wichtige Elemente der globalen Agenda zur Aufsichtsreform in das Unionsrecht übernommen werden. Dies wird zur Stärkung des einheitlichen Regelwerks der EU und zur erheblichen Verbesserung des Aufsichtsrahmens in Bereichen führen, in denen die Aufsichtsbehörden Lücken festgestellt haben, die möglicherweise zu einer unzureichenden Überwachung und Deckung von Risiken führen könnten.

Erstens wird die durch Auferlegung strengerer Anforderungen und die Erweiterung des aufsichtlichen Instrumentariums in diesem Bereich eine bessere Herangehensweise an Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken (ESG-Risiken) erreicht, was wiederum die proaktive Entwicklung verbesserter Risikosteuerungsrahmen durch Institute gewährleistet und so die Wahrscheinlichkeit der verstärkten Eingehung übermäßiger Risiken durch einzelne Institute und das Finanzsystem insgesamt reduziert.

Zweitens wird die gewissenhafte Umsetzung der Eigenmitteluntergrenze (des so genannten Output-Floor) zu einer Verringerung der übermäßigen Variabilität des Risikogewichts führen (3), und es ist zu begrüßen, dass es keine Doppelerfassung von Risiken im Hinblick auf andere Anforderungen geben wird; operative Komplexitäten sollten jedoch vermieden werden.

Drittens werden harmonisierte Bestimmungen für die Bewertung von Mitgliedern von Leitungsorganen sowie von Mitarbeitern in Schlüsselpositionen von Banken (Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit) die Wirksamkeit der Aufsicht erhöhen und zu einer soliden Unternehmensführung beitragen.

Viertens wird ein gemeinsames Regelwerk für Zweigstellen von in den Mitgliedstaaten tätigen Drittlands-Bankengruppen die heterogenen nationalen Ansätze ersetzen und den Binnenmarkt stärken.

Fünftens wird eine weitergehende Harmonisierung der nationalen Befugnisse in Bezug auf den Erwerb qualifizierter Beteiligungen, die Übertragung von Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten, Unternehmenszusammenschlüsse oder -spaltungen sowie das System verwaltungsrechtlicher Sanktionen die Kohärenz und Solidität des Rahmens sicherstellen.

Sechstens spricht sich die EZB für Kohärenz zwischen der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (4) (nachfolgend „CRD“) und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates (5) in Bezug auf Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit der Aufsicht im Allgemeinen und Interessenkonflikten im Besonderen aus. Zur Vermeidung möglicher Interessenkonflikte ist ein strikter und zugleich verhältnismäßiger und flexibler Ansatz wichtig, der eine angemessene Berücksichtigung der jeweiligen individuellen Situation ermöglicht.

Schließlich wird die Befugnis von Aufsichtsbehörden, die Zulassung von Kreditinstituten zu entziehen, die für ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend erklärt wurden, aber nicht für eine Abwicklung in Frage kommen, weil das Kriterium des öffentlichen Interesses nicht erfüllt ist, den geordneten Marktausstieg dieser Banken erleichtern (6).

Gegenstand dieser Stellungnahme sind Aspekte mit besonderer Bedeutung für die EZB, die in die nachstehend aufgeführten Themenbereiche untergliedert wurden:

1.   Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken (ESG-Risiken)

1.1.   Unterstützung des Änderungsvorschlags

Die EZB begrüßt ausdrücklich den Vorschlag der Kommission, die Anforderungen für Kreditinstitute in Bezug auf Umwelt- Sozial- und Unternehmensrisiken (environmental, social and governance risks – ESG-Risiken) zu erhöhen und das jeweilige Mandat der zuständigen Behörden auszubauen. Die EZB teilt die Auffassung, dass ESG-Risiken weitreichende Auswirkungen auf die Stabilität sowohl der einzelnen Institute als auch des Finanzsystems insgesamt haben können. Die Kommission hat zu Recht ehrgeizige Ziele im Hinblick auf die Anpassung der EU an die Auswirkungen von ESG-Risiken und ihren Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft gesetzt, darunter spezifische Änderungen des Produktionssystems der EU über einen begrenzten Zeithorizont. In der Strategie wird hervorgehoben, dass „der Erfolg des europäischen Grünen Deals [...] vom Beitrag aller Wirtschaftsakteure und ihren zur Erreichung unserer Ziele gesetzten Anreizen ab[hängt]. Zu diesem Zweck müssen die Finanzinstitute die Nachhaltigkeitsziele der EU in ihre langfristigen Finanzierungsstrategien und Entscheidungsprozesse umsetzen.“ (7) Der Übergang und die damit verbundenen Risiken betreffen beinahe alle Wirtschaftsbereiche und haben in den einzelnen Regionen weitreichende Auswirkungen; darüber hinaus sind sie abhängig von der Dekarbonisierungspolitik, von Verbraucher- und Anlegerpräferenzen sowie von technologischen Veränderungen. Die weitreichenden Auswirkungen erfordern maßgeschneiderte Strategien und verbesserte Risikomanagementkapazitäten zur Gewährleistung der kurz-, mittel- und langfristigen Widerstandsfähigkeit der Geschäftsmodelle von Kreditinstituten und zur Vermeidung der Entstehung übermäßiger Übergangsrisiken in den Portfolios von Kreditinstituten. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass Kreditinstitute das sich aus der mangelnden Übereinstimmung ihrer Portfolios mit den Übergangszielen der EU ergebende Risiko überwachen und ehrgeizige und konkrete Fristen, einschließlich Zwischenzielen, für ihre strategische Planung festlegen.

Die EZB unterstützt den Vorschlag, ESG-Risiken expliziter in Aufsichtsanforderungen abzubilden, was zur Minimierung der Bedrohung beitragen wird, die diese Risiken für einzelne Institute und die Finanzstabilität darstellen. Die Notwendigkeit eines besseren bankinternen Risikomanagements und einer verstärkten aufsichtlichen Kontrolle dieser Risiken wurde in einer kürzlich von der EZB durchgeführten Bewertung deutlich. Die umfassende Analyse ergab, dass keines der Institute auch nur annähernd vor einer vollständigen Angleichung seiner Praktiken an die aufsichtlichen Erwartungen in Bezug auf Klima- und Umweltrisiken (climate and environmental risks – C&E-Risiken) steht und dass nach Einschätzung der Institute selbst 90 % ihrer gemeldeten Praktiken nur teilweise oder gar nicht den aufsichtsrechtlichen Erwartungen der EZB gerecht werden (8).

Die EZB nimmt zur Kenntnis, dass C&E-Risiken Vorrang vor sozialen und Governance-Faktoren haben, auch in Anbetracht der Unterschiede zwischen den einzelnen Methoden. Zu den C&E-Risiken zählen insbesondere Bedrohungen, die sich aus dem erforderlichen Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft und der Anpassung an zunehmende physische Bedrohungen ergeben. Transitions- und physische Risiken stellen im Vergleich zu anderen aufsichtsrechtlichen Risiken besondere Risiken dar; da sie im Laufe der Zeit größer werden, bedarf es einer sorgfältigen Planung und klarer Strategien zur Risikominderung, wobei zur Abmilderung der langfristigen Folgen möglicherweise entschlossene und kurzfristige Sofortmaßnahmen erforderlich sind.

Die EZB unterstützt die vorgeschlagene Anforderung an Kreditinstitute, konkrete Pläne zur Überwachung und Bewältigung kurz-, mittel- und langfristiger ESG-Risiken zu entwickeln. Dadurch wird sichergestellt, dass Kreditinstitute ESG-Risiken über längere Zeithorizonte hinweg messen und die strukturellen Veränderungen, die in den Branchen, denen sie ausgesetzt sind, wahrscheinlich eintreten werden, entsprechend den im EU-Rechtsrahmen festgelegten Übergangspfaden gründlich bewerten (9). Die Anforderung, solche Pläne zu entwickeln, wird zu mehr Transparenz in Bezug auf die Risiken führen, denen das Finanzsystem ausgesetzt ist. Ferner wird hierdurch auch sichergestellt, dass Kreditinstitute – auch im Hinblick auf die Übergangsziele der EU – proaktiv prüfen, ob ihre Strategien ESG-bezogene Erwägungen ausreichend berücksichtigen, wodurch Reputationsrisiken oder Risiken, die aus der sich rasch ändernden Marktstimmung erwachsen, gemindert werden.

Die EZB ist zur Zusammenarbeit mit EU-Agenturen zwecks Überwachung der Fortschritte der Kreditinstitute beim Erstellen ihrer spezifischen Pläne (neuer Artikel 76 Absatz 2) bereit und betont, dass in dieser Hinsicht zeitnah gehandelt werden muss. Die EZB hält es für notwendig, dass die Widerstandsfähigkeit und Anpassung der Institute an die langfristigen negativen Auswirkungen von ESG-Risiken Vorrang haben. Die vorgeschlagenen Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) zum Inhalt der von den Instituten zu erstellenden Pläne (neuer Artikel 87a Absatz 5 Buchstabe b) werden in dieser Hinsicht von besonderer Bedeutung sein; daher ist die EZB der Auffassung, dass diese Leitlinien innerhalb von 12 Monaten veröffentlicht werden sollten. Dagegen erscheint für die vorgeschlagenen Leitlinien über Mindeststandards und Referenzmethoden (neuer Artikel 87a Absatz 5 Buchstabe a) eine Frist von 24 Monaten angemessener.

Durch ein angemessenes internes Risikomanagement, einschließlich einer konkreten Planung, wird auch die Bewertung von ESG-Risiken durch die zuständigen und makroprudenziellen Behörden erleichtert. Im Zusammenhang mit der weitergehenden Formulierung der Anforderung an Kreditinstitute, sämtliche wesentlichen Risiken zu steuern, indem sie ihre Resilienz gegenüber den langfristigen negativen Auswirkungen von C&E-Risiken testen, begrüßt die EZB die Stärkung der entsprechenden Aufsichtsbefugnisse entsprechend dem Zeithorizont für den Eintritt von ESG-Risiken. Dies ermöglicht es der EZB, ESG-Risiken auch mittel- bis langfristig (d. h. 5-10 Jahre) wirksamer zu begegnen, angefangen bei klimabezogenen Risiken und Umweltrisiken, die sich auf die aufsichtsrechtliche Lage des Kreditinstituts auswirken (z. B. Kapital und Liquidität). Auch makroprudenzielle Behörden werden bei der Abfederung der systemweiten Auswirkungen von ESG-Risiken, insbesondere bei der Analyse der systemischen Aspekte dieser Risiken, beispielsweise durch gesamtwirtschaftliche Klimastresstests, von diesen Anforderungen profitieren. Damit sollten der EZB angemessenere Instrumente zur Verfügung stehen, um gemeinsam mit den anderen zuständigen Behörden dem Entstehen „verlorener“ Vermögenswerte in den Bilanzen der Kreditinstitute entgegenzuwirken und die gegenseitige Ergänzung von mikroprudenziellem und makroprudenziellem Ansatz sicherzustellen.

In Bezug auf das makroprudenzielle Instrumentarium begrüßt die EZB auch die in einem der Erwägungsgründe des Vorschlags zur Änderung der CRD enthaltene Klarstellung, dass die Bestimmungen über den Systemrisikopuffer bereits herangezogen werden können, um verschiedene Arten von Systemrisiken, einschließlich mit dem Klimawandel verbundener Risiken, anzugehen. Soweit Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel schwerwiegende negative Auswirkungen auf das Finanzsystem und die Realwirtschaft in den Mitgliedstaaten haben können, kann zur Minderung dieser Risiken eine Systemrisikopufferquote eingeführt werden.

1.2.   Widerstandsfähigkeit gegenüber langfristigen negativen Auswirkungen von ESG-Risiken

In Bezug auf die Szenarien und Methoden zur Bewertung der Widerstandsfähigkeit gegenüber langfristigen negativen Auswirkungen von ESG-Risiken, insbesondere Klimawandel und Umweltschäden, möchte die EZB hervorheben, dass die sich hieraus für den Finanzsektor ergebenden Herausforderungen nur unter Einbeziehung bewertet und angegangen werden können, wenn bei der Politikgestaltung wissenschaftliche Analysen berücksichtigt werden. Der Beitrag von wissenschaftlicher Forschung, Unternehmen des Finanzsektors und Umweltbehörden wird in dieser Hinsicht von entscheidender Bedeutung sein. Die EZB begrüßt die Zusage der Kommission, die Zusammenarbeit zwischen allen maßgeblichen Behörden, einschließlich der Aufsichtsbehörden, zu verstärken „damit Zwischenziele für den Finanzsektor festgelegt werden können“ (10). Dennoch wäre es sinnvoll, in den Erwägungsgründen des Vorschlags zur Änderung der CRD auf die in Nummer 5 Buchstabe c der Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft (COM(2021) 390 final) eingegangene Verpflichtung hinzuweisen. Insbesondere muss betont werden, dass sich die Kommission verpflichtet hat, die Zusammenarbeit mit der EZB, dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken, den Europäischen Aufsichtsbehörden und der Europäischen Umweltagentur zu verstärken, und dass diese Zusammenarbeit zur Festlegung von Zwischenzielen für den Finanzsektor und einem besseren Verständnis darüber führen sollte, ob die laufenden und künftigen Fortschritte ausreichen und gegebenenfalls mehr Gemeinsamkeit im politischen Handeln aller zuständigen Behörden zur Folge hat. Die EZB würde es begrüßen, wenn auf diese Verpflichtung auch im Zusammenhang mit dem im neuen Artikel 87a Absatz 5 Buchstabe c CRD festgelegten Mandat Bezug genommen würde.

2.   Output-Floor

Die EZB begrüßt die Einführung des Output-Floor, der ein wichtiges Element der Basel-III-Reformen ist (11). Die EZB nimmt zur Kenntnis, dass der Vorschlag zur Änderung der CRD auch einige Mechanismen zur Regelung der Wechselwirkungen zwischen dem Output-Floor und der Bestimmung von i) Aufsichtsanforderungen der Säule 2 und ii) makroprudenziellen Kapitalpuffern enthält.

Die EZB befürwortet das übergeordnete Ziel, eine Doppelerfassung von Risiken innerhalb des mikroprudenziellen und makroprudenziellen Rahmens zu vermeiden und die Absicht, die fortgesetzte Angemessenheit der jeweiligen Anforderungen sicherzustellen. In Bezug auf die Säule-2-Anforderung möchte die EZB betonen, dass es bereits eine allgemeine Anforderung zur Vermeidung einer Doppelerfassung von Risiken gibt und dass sie bereit ist, sicherzustellen, dass es in ihrem Zuständigkeitsbereich nicht zu einer solchen Doppelerfassung von Risiken kommt. Derzeit werden makroprudenzielle Kapitalpuffer genutzt, um makroprudenziellen Risiken Rechnung zu tragen; darin unterscheiden sie sich vom Ziel des Output-Floor, das darin besteht, das Risiko der übermäßigen Variabilität oder mangelnden Vergleichbarkeit der Risikogewichte zu verringern, die aus der Verwendung interner Modelle durch das Institut resultieren.

Darüber hinaus ist in dem Vorschlag vorgesehen, dass der Nominalbetrag der zusätzlichen Eigenmittelanforderung sich nicht sofort erhöhen sollte, wenn ein Institut fortan dem Output-Floor unterliegt. Die EZB teilt das zugrundeliegende Ziel und den Geist dieser Bestimmungen, unangemessene arithmetische Auswirkungen auf die zusätzliche Eigenmittelanforderung, die sich aus der Einführung des Output-Floor ergeben, zu neutralisieren, und ist bereit, die zur Neutralisierung dieser Auswirkungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

Es ist wichtig, dass die bereits bestehenden aufsichtsrechtlichen und makroprudenziellen Praktiken in den vorgeschlagenen Mechanismen berücksichtigt werden und dass das Entstehen von operativer Komplexität und Verwaltungsaufwand für die zuständigen und die makroprudenziellen Behörden vermieden wird. Insbesondere ist die EZB hinsichtlich der zusätzlichen Eigenmittelanforderungen, wie bereits erwähnt, der Auffassung, dass die zuständigen Behörden bereits im derzeitigen Regulierungsrahmen die Aufgabe haben, eine Doppelerfassung von Risiken sowie unangemessene Änderungen der Aufsichtsanforderungen zu verhindern, und dass die von der EBA auf der Grundlage von Artikel 107 Absatz 3 CRD herausgegebenen Leitlinien eine solide Rechtsgrundlage für die Festlegung einer gemeinsamen Methode zur Erreichung dieses Ziels darstellen. Die EZB sieht daher keine Notwendigkeit, in den Rechtsvorschriften der Stufe 1 dauerhaft festzulegen, wie der Output-Floor bei der Festlegung der Eigenmittelanforderungen zu berücksichtigen ist, sie nimmt jedoch den konkreten Legislativvorschlag zu diesem Thema zur Kenntnis und betont, dass gewährleistet sein muss, dass die vorgeschlagene Bestimmung – einschließlich des vorübergehenden Einfrierens – weder den derzeitigen Säule-2-Ansatz noch die Häufigkeit seiner Anwendung dauerhaft beeinträchtigt. Die EZB ist der Auffassung, dass die sofortige Neutralisierung in dem Moment erfolgen sollte, von dem an die Bank an die Untergrenze gebunden ist. In den Folgejahren würden etwaige erforderlichen Anpassungen im Rahmen des regelmäßigen aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses vorgenommen werden.

Die EU-Gesetzgeber könnten die EBA konkret mit der Entwicklung von Leitlinien dazu beauftragen, wie zuständige Behörden bei der Festlegung der Eigenmittelanforderungen mit den Auswirkungen des Output-Floor umgehen sollen, wie im Vorschlag der Kommission für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Artikel 465 Absatz 1) spezifiziert. Falls die EU-Gesetzgeber beabsichtigen, einen gesetzgeberischen Hinweis zu diesem Thema aufzunehmen, hat die EZB im technischen Arbeitsdokument auch Vorschläge dazu vorgelegt, wie der Gesetzentwurf geändert werden könnte, um sowohl dem derzeitigen Säule-2-Ansatz als auch der Häufigkeit seiner Anwendung Rechnung zu tragen und gleichzeitig die Wechselwirkung zwischen dem Output-Floor und den Eigenmittelanforderungen im Text der Rechtsvorschriften der Stufe 1 ausdrücklich zu regeln.

Die EZB hat große Bedenken im Hinblick auf die vorgeschlagene obligatorische Überprüfung der Kalibrierung des Systemrisikopuffers, die eine dynamische Obergrenze für den Puffer umfasst, der bis zum Abschluss der Überprüfung und der Bekanntgabe der Ergebnisse auf dem Niveau vor Anwendung der Eigenmitteluntergrenze eingefroren werden soll.

Für diese Bedenken gibt es drei Gründe.

Erstens erhöht die vorgeschlagene obligatorische Überprüfung die Komplexität des Rahmens und den Verwaltungsaufwand, da die Behörden die Kalibrierung des Systemrisikopuffers für jedes Kreditinstitut, das künftig dem Output-Floor unterliegt, überprüfen müssten. Zweitens stehen eine zeitlich befristete Obergrenze und eine institutsspezifische Überprüfung des Systemrisikopuffers im Widerspruch zum makroprudenziellen Charakter des Puffers und seiner (Teil-) Sektoranwendung. Dies würde zu einer ungerechtfertigten Sonderbehandlung einzelner Kreditinstitute führen, die von einem Systemrisikopuffer betroffen und an den Output-Floor gebunden sind. Drittens enthält die Eigenkapitalrichtlinie bereits angemessene Bestimmungen für die regelmäßige Überprüfung von Kapitalpuffern, die ausreichen, um etwaige erforderliche Änderungen der eingeführten Quoten zu ermöglichen.

Ähnliche Bedenken hat die EZB in Bezug auf die vorgeschlagene Anforderung, die Kalibrierung des Puffers anderer systemrelevanter Institute (A-SRI) zu überprüfen, sobald ein solches Institut an die Eigenmitteluntergrenze gebunden ist. Ähnlich wie die Überprüfung des Systemrisikopuffers erhöht diese Verpflichtung zur Überprüfung des A-SRI-Puffers ebenfalls die Komplexität des Rahmens und den Verwaltungsaufwand. Darüber hinaus sind regelmäßige Überprüfungen des A-SRI-Puffers bereits in der CRD vorgesehen.

Die EZB schlägt vor, dass anstelle des beabsichtigten Überprüfungsmechanismus für den Systemrisikopuffer für den Fall, dass ein Kreditinstitut an den Output-Floor gebunden ist, eine ausdrückliche Klarstellung dahingehend aufgenommen wird, dass der Systemrisikopuffer nicht zur Deckung desjenigen Risikos verwendet werden darf, das bereits durch den Output-Floor abgedeckt ist, unabhängig davon, ob ein bestimmtes Institut dem Output-Floor unterliegt oder nicht. Diese Klarstellung sollte vorzugsweise als Erwägungsgrund eingefügt werden, könnte aber auch in einen Artikel der CRD aufgenommen werden. Sie sollte Bedenken Rechnung tragen, dass Risiken durch eine Erfassung sowohl unter dem Output-Floor als auch unter dem Systemrisikopuffer doppelt erfasst werden könnten. Dieselbe Argumentation und Klarstellung könnte auch für den A-SRI-Puffer aufgenommen werden.

3.   Fachliche Qualifikation und persönliche Zuverlässigkeit

3.1.   Unterstützung des Änderungsvorschlags

Die EZB begrüßt nachdrücklich den Vorschlag der Kommission, den Rahmen für die Bewertung der fachlichen Qualifikation und Eignung zu überarbeiten. Die Beaufsichtigung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit der Mitglieder des Leitungsorgans von Kreditinstituten ist ein zentrales Aufsichtsinstrument, das von wesentlicher Bedeutung für die Verbesserung der Unternehmensführung von Kreditinstituten ist. Das Vorhandensein einer verantwortungsvollen Unternehmensführung in Kreditinstituten erhöht deren Widerstandsfähigkeit gegenüber ungünstigen Marktentwicklungen und ist eine wesentliche Voraussetzung für Finanzstabilität. Die EZB sieht im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit nach wie vor einen erheblichen Bedarf, Lücken zu schließen und die Qualität der Governance-Rahmen zu verbessern (12), und begrüßt daher nachdrücklich die von der Kommission vorgeschlagene Stärkung des aufsichtlichen Instrumentariums. Die aktuellen Vorschriften zur fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit stellen aufgrund der bestehenden Unterschiede in den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Eigenkapitalrichtlinie einen der am wenigsten harmonisierten Bereiche des Aufsichtsrechts dar. Diese Unterschiede beeinträchtigen die Effizienz der Aufsicht der EZB über die fachliche Qualifikation und persönliche Zuverlässigkeit und stehen nach wie vor der Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen in der EU im Weg. Die Vorschläge der Kommission sind ein wesentlicher Schritt nach vorn, weil sie eine kohärentere, effizientere und wirksamere Beaufsichtigung der Mitglieder des Leitungsorgans und der Inhaber von Schlüsselfunktionen gewährleisten würden, da der Schwerpunkt auf den für die Aufsicht eher relevanten Punkten liegt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf i) die Festlegung klarer Fristen und Verfahren für alle Mitgliedstaaten; ii) das Erfordernis des Vorliegens neuer Tatsachen für die Beurteilung von Amtszeitverlängerungen; iii) obligatorische Ex-ante-Bewertungen für die Institute mit dem größten Wirkungsgrad; vi) die Beurteilung von Inhabern von Schlüsselfunktionen; v) die Streichung des Verzichts auf die Anforderungen des Artikels 88 CRD in Bezug auf den Vorsitzenden des Leitungsorgans; und vi) die Verantwortung des Kreditinstituts, die Eignung der Mitglieder seines Leitungsorgans sicherzustellen.

Die EZB ist der Auffassung, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in angemessenem Umfang in dem neuen Rahmen verankert werden sollte, der außerdem von einem darüber hinausgehenden Ansatz der Stärkung der Verhältnismäßigkeit bei der Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit durch die zuständigen Behörden profitieren würde. Auch wenn der vorgeschlagene Rahmen grundsätzlich bei der Eignungsprüfung bereits in angemessener Weise die Verhältnismäßigkeit berücksichtigt, (u. a. indem Ex-ante-Beurteilungen auf große Institute beschränkt werden), ist die EZB bereit, weitere Möglichkeiten zu eruieren und zu diskutieren, wie die Verhältnismäßigkeit innerhalb des neuen Rahmen gewährleistet werden kann. Vor allem ermöglicht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es den zuständigen Behörden, ihre Ressourcen auf die wichtigsten Bewertungen zu konzentrieren.

Schließlich stellt die EZB fest, dass die im Vorschlag zur Änderung der CRD vorgesehenen Ex-ante-Bewertungen der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit die gesetzlichen Rechte bestimmter Gremien unberührt lässt, Vertreter nach nationalem Recht in die Leitungsorgane beaufsichtigter Unternehmen zu bestellen.

Ungeachtet der insgesamt starken Zustimmung zu dem Änderungsvorschlag nimmt die EZB sowohl im Folgenden als auch im technischen Arbeitsdokument mehrfach Stellung zu bestimmten Aspekten.

3.2.   Klarstellung, dass die vorgeschlagenen Ex-ante-Bewertungen der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit nur verfahrensrechtlicher Natur sind: Erwägungsgrund 38 des Vorschlags zur Änderung der CRD

In Erwägungsgrund 38 wird hervorgehoben, wie wichtig es ist, dass die Beurteilung der Eignung der Mitglieder des Leitungsorgans großer Institute erfolgt, bevor diese Mitglieder ihr Amt antreten. Auch wenn die EZB die geplante Ex-ante-Bewertung nachdrücklich unterstützt, so könnte doch eindeutiger klargestellt werden, dass die vorgeschlagenen Bestimmungen zur Ex-ante-Bewertung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit größtenteils verfahrensrechtlicher Natur sind und die nationalen gesetzlichen Rechte bestimmter Organe oder juristischer Personen, nach geltendem nationalen Recht Vertreter in die Leitungsorgane der beaufsichtigten Unternehmen zu bestellen, hierdurch nicht berührt werden. Daher schlägt die EZB die Aufnahme einer zusätzlichen Klarstellung in Erwägungsgrund 38 vor, um gegenüber den Mitgliedstaaten zu bekräftigen, dass etwaige im anwendbaren nationalen Recht verankerte gesetzliche Rechte von dem Vorschlag zur Änderung der CRD nicht berührt werden. Dennoch sollten geeignete Maßnahmen vorgesehen werden, um die Eignung dieser Vertreter sicherzustellen, wie eine wirksame Beaufsichtigung der Eignung des Leitungsorgans als Ganzes (kollektive Eignung) sowie mögliche Folgemaßnahmen zur Lösung von potenziellen Interessenkonflikten und Problemen im Zusammenhang mit Zeitaufwand und Erfahrung.

3.3.   Einführung einer Frist von zwei Tagen für die Eingangsbestätigung: neue Artikel 91b Absatz 3 und 91d Absatz 3 CRD

Die Einhaltung der vorgeschlagenen Frist für die schriftliche Eingangsbestätigung von nur zwei Tagen wäre aufgrund der großen Anzahl eingehender Anträge auf Eignungsprüfung und der umfangreichen Unterlagen, die überprüft werden müssen, für alle beteiligten zuständigen Behörden in der Praxis äußerst schwierig. Insbesondere in den häufig auftretenden Fällen, in denen der Antrag mehrere bestellte Mitglieder betrifft, können die Aufsichtsbehörden diese Frist möglicherweise nicht einhalten. Insgesamt kann diese Bestimmung also die Einhaltung der vorgegebenen Frist für Verfahren zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit gefährden.

Die EZB drängt daher auf die Streichung der Zwei-Tage-Frist.

3.4.   Mandat zur Ausarbeitung technischer Durchführungsstandards (Implementing Technical Standards – ITS) für Standardformulare, Mustertexte und Verfahren für die Übermittlung von Informationen: neue Artikel 91b Absatz 10 und 91d Absatz 8 CRD

Die EZB ist für das wirksame und einheitliche Funktionieren des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) verantwortlich. Im Hinblick darauf wurden innerhalb des SSM Fortschritte in Bezug auf die einheitliche Verwendung von Formularen und IT-Lösungen für Anträge auf Eignungsprüfung erzielt. Die EZB möchte daher betonen, dass die ITS mit diesen Harmonisierungsbemühungen im Einklang stehen sollten und die bereits bestehende Infrastruktur möglicherweise unterstützen könnten.

Vor diesem Hintergrund schlägt die EZB vor, in die einschlägigen Bestimmungen bzw. Erwägungsgründe einen Verweis aufzunehmen, um die EBA dazu anzuhalten, bei der Ausarbeitung der ITS auf den bewährten Verfahren und Instrumenten aufzubauen.

3.5.   Verfahrensrechtliche Folgen für den Fall, dass beaufsichtigte Unternehmen ihre Pflichten und Fristen nicht einhalten: neue Artikel 91b Absatz 7 und 91d Absatz 6 CRD

Zu den Aufsichtsbefugnissen, die den Aufsichtsbehörden zustehen, wenn Unternehmen Ersuchen um zusätzliche Informationen nicht innerhalb der jeweils vorgesehenen Frist beantworten, gehört nicht die Befugnis der zuständigen Behörden, den Antrag für unvollständig zu erklären und entsprechend die Einreichung eines neuen Antrags zu verlangen. Die EZB fordert daher die Einführung einer zusätzlichen Rechtsgrundlage, die es den zuständigen Behörden ermöglicht, einen Antrag als unvollständig anzusehen, mit der Folge, dass dieser erneut eingereicht werden muss. Dadurch würde sichergestellt, dass die Nichteinhaltung der Fristen für die Bereitstellung zusätzlicher Unterlagen oder Informationen eine prozessuale Folge nach sich zieht, unbeschadet der Möglichkeit des Unternehmens, einen neuen Antrag zu stellen und damit ein neues Verfahren einzuleiten.

Vor diesem Hintergrund schlägt die EZB vor, eine solche zusätzliche prozessuale Folge in die neuen Artikel 91b Absatz 4 und 91d Absatz 4 CRD aufzunehmen.

3.6.   Möglichkeit, den Beurteilungszeitraum zu verlängern, wenn Informationen von anderen Parteien angefordert werden

Die neuen Artikel 91b Absatz 4 und 91d Absatz 4 CRD sehen eine Verlängerung des Beurteilungszeitraums in Fällen vor, in denen die zuständigen Behörden zusätzliche Unterlagen oder Informationen von Unternehmen anfordern, nicht aber, wenn andere Parteien, z. B. Justizbehörden und/oder andere Aufsichtsbehörden, Unterlagen oder Informationen anfordern. Letzteres kommt sehr häufig vor und ist häufig zeitaufwändiger.

Die EZB schlägt daher vor, diese Bestimmungen dahingehend anzupassen, dass auch Fälle erfasst werden, in denen Unterlagen oder Informationen von anderen Stellen/Behörden angefordert werden.

3.7.   Möglichkeit von Unternehmen, (intern) die Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans zu beurteilen, nachdem diese ihre Funktionen übernommen haben: neuer Artikel 91a Absatz 2 CRD

Ein neuer Artikel 91a Absatz 2 Unterabsatz 2 CRD ermöglicht in dringenden Fällen die Ernennung von Mitgliedern des Leitungsorgans ohne jede Art von Eignungsbeurteilung. Die EZB befürchtet, dass die Eröffnung dieser Möglichkeit zur Ernennung ungeeigneter Bewerber führen könnte, auch aufgrund des Umstands, dass bei der Auslegung der in diesem Zusammenhang verwendeten Begriffe „unbedingt erforderlich“ und „sofort“ eine Ambiguität besteht.

Daher schlägt die EZB vor, Unternehmen zu verpflichten, auch in besonderen Ausnahmefällen eine Eignungsbeurteilung durchzuführen, bevor Mitglieder des Leitungsorgans ihre Funktion übernehmen. In einem solchen Szenario könnte jedoch eine weniger strikte Beurteilung gerechtfertigt sein, zu Bedingungen, die in von der EBA ausgearbeiteten Leitlinien festzulegen sind. Diese Leitlinien würden auch Vorgaben für Fälle enthalten, die möglicherweise als dringend gelten können, d. h. wenn es unbedingt erforderlich ist, Mitglieder des Leitungsorgans sofort zu ersetzen.

4.   Anforderungen an Zweigstellen aus Drittländern (Third coutry branches – TCB)

Die Harmonisierung des Rahmens für TCBs ist wichtig, um einen umfassenden Überblick über die Tätigkeiten von Drittlandsgruppen in der EU zu erhalten, die Verfahren innerhalb der EU anzugleichen und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Drittlandsgruppen in der EU und für europäische Kreditinstitute zu gewährleisten, indem Möglichkeiten für Aufsichtsarbitrage unterbunden werden, ohne zugleich den Zugang von Drittlandsgruppen zum EU-Finanzmarkt mittels Errichtung von Zweigstellen zu verhindern. Die EZB hält es für wesentlich, den jeweils zuständigen Behörden wirksame Aufsichtsinstrumente an die Hand zu geben. Die Harmonisierung des Rahmens für TCBs ermöglicht ferner eine Angleichung der Anforderungen der EU an vergleichbare Standards in anderen wichtigen Rechtsräumen sowie die Beibehaltung der globalen Offenheit des Binnenmarkts.

Vor diesem Hintergrund begrüßt die EZB die harmonisierten Mindeststandards für die Zulassung und den Entzug der Zulassung von Zweigstellen sowie im Bereich der internen Unternehmensführung und der Risikokontrollen sowie die verschärften harmonisierten Berichtspflichten. Die EZB begrüßt ferner die Befugnis der zuständigen Behörden, bei Vorliegen von Systemrelevanz von TCB die Verpflichtung zur Gründung eines Tochterunternehmens aufzuerlegen; die Auferlegung einer solchen Verpflichtung sollte jedoch kein automatischer Mechanismus sein, sondern einem ergebnisoffenen aufsichtlichen Bewertungsmechanismus unterliegen, sobald bestimmte Schwellenwerte erreicht sind. Darüber hinaus ermöglicht der neue Rahmen aufgrund der verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden eine umfassende Aufsicht, beispielsweise durch die Einbeziehung von TCB der Klasse 1 in die Zuständigkeit von Aufsichtskollegien. In diesem Zusammenhang weiß die EZB auch die Bemühungen der Kommission zu schätzen, Aufsichtsbehörden anderer Unternehmen der Gruppe (d. h. Tochterunternehmen) angemessen in Entscheidungen einzubeziehen, die sich auf die Struktur der Geschäfte von Drittlandsgruppen in der EU auswirken.

Darüber hinaus begrüßt die EZB die Klarstellung, dass TCB nur Tätigkeiten ausüben dürfen, für die sie eine Zulassung besitzen, und nur im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der die Zulassung erteilt hat, und dass eine grenzüberschreitende Ausübung solcher Tätigkeiten im Hoheitsgebiet der Union ausdrücklich untersagt ist.

Neben ihrer nachdrücklichen Unterstützung des Vorschlags schlägt die EZB Änderungen in folgenden Bereichen vor:

Um sicherzustellen, dass der tatsächliche Umfang der Tätigkeiten einer Zweigstelle erfasst wird und um zu vermeiden, dass Gruppen aus Drittländern bestimmte Buchungspraktiken anwenden, damit die Schwellenwerte unterschritten werden, ist es wichtig, dass nicht nur die in der Zweigstelle selbst gebuchten Vermögenswerte berücksichtigt werden, sondern auch solche, die von der Zweigstelle stammen, jedoch an einem anderen Ort verbucht werden, soweit dies nach den neuen Rechtsvorschriften möglich wäre. Zwar enthält der Vorschlag zur Änderung der CRD ein EBA-Mandat zur Ausarbeitung technischer Regulierungsstandards für Buchungsregelungen, die EZB ist jedoch der Auffassung, dass es wirksamer wäre, unmittelbar in die CRD selbst eine Spezifikation aufzunehmen, wie die Vermögenswerte einer Zweigstelle für die Zwecke der Bewertung von Schwellenwerten (z. B. für die Zuordnung der Zweigstellen zur Klasse 1 und die Beurteilung der Systemrelevanz) zu berechnen sind.

Darüber hinaus schlägt die EZB vor, die aggregierten Informationen über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, welche von Tochterunternehmen und Zweigstellen aus Drittländern der Drittlandsgruppe in der Union gehalten bzw. verbucht werden und welche die Zweigstellen aus Drittländern ihrer zuständigen Behörde melden müssen, auch den für die Beaufsichtigung der Tochterunternehmen dieser Drittlandsgruppe zuständigen Behörden zur Verfügung zu stellen. Dieser Vorschlag wird dazu führen, dass eine umfassender Überblick über und eine umfassende Analyse des europäischen Marktanteils von Drittlandsgruppen möglich wird. Dazu schlägt die EZB darüber hinaus vor, den Anwendungsbereich dieser Meldepflicht in Bezug auf Dienstleistungen zu erweitern, die vom Unternehmen an der Spitze erbracht werden, um auch die direkte Erbringung grenzüberschreitender Wertpapierdienstleistungen durch die Drittlandsgruppe und diejenigen Wertpapierdienstleistungen zu erfassen, die von der Drittlandsgruppe auf der Grundlage einer so genannten Reverse Solicitation erbracht werden,

5.   Direkte Erbringung von Bankdienstleistungen durch Drittlandsunternehmen in der EU

5.1   Pflicht zur Errichtung einer Zweigstelle für die Erbringung von Bankdienstleistungen durch Drittlandsunternehmen: neuer Artikel 21c CRD

Die EZB begrüßt die im neuen Artikel 21c CRD enthaltene Klarstellung, dass Drittlandsunternehmen für die Erbringung von Bankdienstleistungen in der Union entweder eine Zweigstelle oder eine Tochtergesellschaft in einem Hoheitsgebiet der Union errichten müssen, um das Entstehen von Risiken für die Finanzstabilität in der EU aufgrund von nicht regulierten und nicht beaufsichtigten Tätigkeiten zu verhindern.

Die EZB ist jedoch der Auffassung, dass der Anwendungsbereich der Kernbankdienstleistungen im neuen Artikel 21c CRD unpräzise ist. Daher regt die EZB an, dass die gesetzgebenden Organe der Union den Wortlaut des neuen Artikel 21c CRD präzisieren und insbesondere eine eindeutige Auflistung der in diesem Artikel aufgeführten Kernbankdienstleistungen vorlegen, wobei auch bestehende Anforderungen anderer EU-Rechtsvorschriften, die bestimmte Dienstleistungen wie Zahlungsdienste und E-Geld regeln, sowie die Auswirkungen des neuen Artikels auf die Liquidität der globalen Finanzmärkte zu berücksichtigen sind.

6.   Aufsichtsbefugnisse

Die EZB begrüßt den Vorschlag zur Änderung der CRD in Bezug auf Aufsichtsbefugnisse, da der Vorschlag drei Arten von Befugnissen harmonisiert, indem die zuständigen Behörden verpflichtet werden, i) den Erwerb von Beteiligungen an Finanz- und Nichtfinanzunternehmen, ii) wesentliche Übertragungen von Vermögenswerten und iii) Verschmelzungen und Spaltungen zu prüfen. Die derzeit bestehenden Unterschiede bei den nationalen Befugnissen in diesen drei Aspekten und die Tatsache, dass die EZB diese Befugnisse derzeit nur dann ausübt, wenn sie nach nationalem Recht vorgesehen sind, führen zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen und machen die Aufsichtsmaßnahmen der EZB im Rahmen des SSM weniger wirksam. Ein gemeinsames Regelwerk zu den zentralen Aufsichtsbefugnissen wird die Harmonisierung innerhalb des Binnenmarkts vorantreiben und zu einer Verbesserung von Qualität und Wirksamkeit der Aufsicht insgesamt führen. Es ist erforderlich, die Koordinierung dieser neuen Aufsichtsbefugnisse mit den bereits in der CRD vorgesehenen Befugnissen zu verbessern. In dieser Hinsicht macht die EZB im technischen Arbeitsdokument einige Formulierungsvorschläge.

Die EZB begrüßt insbesondere, dass in dem Vorschlag der Kommission die Notwendigkeit einer Angleichung der in Titel III Kapitel 3, 4 und 5 CRD vorgesehenen Befugnisse in Bezug auf den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem Kreditinstitut und den Erwerb einer wesentlichen Beteiligung durch ein Institut anerkannt wird. Diese Angleichung sollte jedoch nicht nur den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden, sondern auch den Ablauf und Zeitplan der einschlägigen Verfahren für ein und denselben Vorgang vorsehen.

Zusätzlich zu dieser verfahrenstechnischen Angleichung sollte klar unterschieden werden zwischen dem Konzept einer „qualifizierten Beteiligung“, bei welcher der Fokus auf den Auswirkungen eines Erwerbs auf das Zielkreditinstitut liegen sollte, und einem „wesentlichen Erwerb“, bei dem der Fokus auf den Auswirkungen eines Erwerbs auf den Erwerber liegen sollte.

Darüber hinaus befürwortet die EZB im Einklang mit ihrer bereits früher zum Ausdruck gebrachten Auffassung (13) die Aufnahme zusätzlicher Aufsichtsbefugnisse in Bezug auf i) die Änderung der Satzung von Kreditinstituten, ii) Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen und iii) wesentliche Auslagerungsvereinbarungen. Die Harmonisierung dieser Befugnisse ist nach wie vor notwendig und würde einen weiteren Fortschritt hin zu einem echten einheitlichen Regelwerk und zur Verringerung der regulatorischen Fragmentierung im gesamten SSM bedeuten.

7.   Verwaltungsrechtliche Sanktionen

Der Vorschlag zur Änderung der CRD spiegelt den diesbezüglichen Standpunkt der EZB wider (14). Alle Bemühungen um eine weitere Harmonisierung und Stärkung der Sanktions- und Durchsetzungsbefugnisse auf Unionsebene werden begrüßt, da dies zu einer wirksamen Durchsetzung der Aufsichtsanforderungen in der Union beitragen wird. Insbesondere wird zur Kenntnis genommen, dass die Durchsetzungsbefugnisse der zuständigen Behörden durch die Einführung einer neuen Durchsetzungsmaßnahme, d. h. der Möglichkeit zur Verhängung von Zwangsgeldern gestärkt werden, und dass hiermit die Einhaltung der Aufsichtsanforderungen wiederhergestellt werden soll, wobei die Möglichkeit, anschließend im Falle eines Verstoßes eine Sanktion zu verhängen, durch diese Maßnahme nicht berührt wird. Es ist daher entscheidend, dass sich die Unterscheidung zwischen dieser neuen Durchsetzungsmaßnahme, Verwaltungssanktionen und anderen Verwaltungsmaßnahmen im Rahmen der CRD auch bei der Umsetzung in nationales Recht durch die Mitgliedstaaten widerspiegelt. Darüber hinaus begrüßt die EZB auch, dass die Liste der Verstöße, die verwaltungsrechtlichen Sanktionen unterliegen, erweitert und die Definition des Begriffs „jährlicher Gesamtumsatz“ präzisiert wird.

8.   Aufsichtlicher Vergleich

Die EZB begrüßt den Vorschlag zur Änderung von Artikel 78 CRD, insbesondere die Tatsache, dass mit dieser Änderung der Anwendungsbereich des aufsichtlichen Vergleichs auf Modelle erweitert wird, die von Kreditinstituten zur Berechnung der erwarteten Verluste aus Kreditrisiken nach IFRS 9 verwendet werden. Dies ist sehr wichtig für die Gewährleistung der Robustheit von Modellen, die unter anderem von Kreditinstituten verwendet werden, die über keine zugelassenen internen Modelle zur Bestimmung ihrer Eigenkapitalanforderungen für das Kreditrisiko verfügen. Die Einbeziehung des alternativen Standardansatzes für das Marktrisiko in den aufsichtlichen Vergleich wird als Ergänzung zu den Informationen aus dem auf internen Modellen beruhenden Ansatz und als zusätzlicher Schritt zur vollständigen Umsetzung des Baseler Rahmens für Marktrisiken in der EU ebenfalls begrüßt.

Darüber hinaus begrüßt die EZB den Vorschlag, der EBA die Flexibilität einzuräumen, den aufsichtlichen Vergleich alle zwei Jahre durchzuführen. Die EZB empfiehlt, der EBA noch mehr Flexibilität bei der Festlegung der Häufigkeit dieser Vergleiche einzuräumen. Die EZB schlägt ferner vor, die Vergleiche eindeutiger zu definieren.

Schließlich empfiehlt die EZB, die Institute nicht dazu zu verpflichten, den zuständigen Behörden die Ergebnisse ihrer Berechnungen jährlich vorzulegen, d. h. auch in Jahren, in denen die EBA den Vergleich nicht durchführt. Stattdessen schlägt die EZB vor, die Melde- und Bewertungsintervalle anzupassen, um den Meldeaufwand für die Institute zu verringern.

9.   Offenlegung

Die EZB begrüßt die von der EBA verwaltete neue integrierte Plattform für Offenlegungen von Kreditinstituten nach Säule III, die darauf abzielt, den Verwaltungsaufwand für Kreditinstitute zu verringern und allen Interessenträgern die Nutzung von Informationen der Säule III zu erleichtern. Die Aufsichtsbehörden könnten von einer zentralen Offenlegungsplattform profitieren, da diese ihnen die Gewährleistung der Qualität von Informationen der Säule III erleichtern würde.

Dem Vorschlag zufolge soll in Bezug auf die quantitative Offenlegung von Informationen kleiner und nicht komplexer Institute (SNCI) ein anderer Ansatz verfolgt werden als bei größeren Kreditinstituten. Für SNCI wird die EBA die entsprechende (quantitative) Offenlegung von Informationen auf der Grundlage einer vorab festgelegten Zuordnung (Mapping) zu den entsprechenden aufsichtlichen Meldungen erstellen, während sie bei größeren Instituten die vollständigen Offenlegungsdateien „in elektronischer Form“ erhält und die Dateien noch am selben Tag veröffentlichen müsste. Dieser abweichende Ansatz erscheint nicht gerechtfertigt. Um den Meldeaufwand für alle Kreditinstitute zu verringern, könnte für quantitative Offenlegungen auf alle Kreditinstitute derselbe Ansatz angewandt werden, ungeachtet ihrer Größe und Komplexität. Ferner ermöglicht der Zeitplan für die Veröffentlichung von Informationen der Säule III durch die EBA auf der zentralen Plattform keine Abstimmung zwischen aufsichtlichen Meldungen und den nach Säule III offenzulegenden Informationen, was zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung für die Aufsichtsbehörden und zu Verwirrung bei Anlegern und anderen Nutzern von Informationen der Säule III führen könnte. Darüber hinaus können sowohl qualitative Offenlegungen als auch einige quantitative Offenlegungen nicht auf der Grundlage des vorab festgelegten Mappings aus den aufsichtlichen Meldungen extrahiert werden. Dieses Problem betrifft sowohl SNCI als auch andere Institute. Daher sollte das Verfahren für die Übermittlung solcher Offenlegungen an die EBA präzisiert werden. Weitere Überlegungen zu der geplanten zentralen Offenlegungsplattform der Säule III werden im Zusammenhang mit der Stellungnahme CON/2022/11 vorgelegt.

Sofern die EZB empfiehlt, die vorgeschlagenen Änderungen der CRD abzuändern, ist ein spezieller Redaktionsvorschlag mit Begründung in einem gesonderten technischen Arbeitsdokument aufgeführt. Das technische Arbeitsdokument steht in englischer Sprache auf EUR-Lex zur Verfügung.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 27. April 2022.

Die Präsidentin der EZB

Christine LAGARDE


(1)  COM(2021) 663 final.

(2)  COM(2021) 664 final.

(3)  Zur allgemeinen Umsetzung des Output-Floor siehe Stellungnahme CON/2022/11 der Europäischen Zentralbank vom 24. März 2022 zu einem Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 im Hinblick auf Vorschriften für das Kreditrisiko, das Risiko einer Anpassung der Kreditbewertung, das operationelle Risiko, das Marktrisiko und die Eigenmitteluntergrenze (Output-Floor). Sämtliche Stellungnahmen der EZB sind auf EUR-Lex abrufbar.

(4)  Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338).

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63).

(6)  Siehe insbesondere den Beitrag der EZB zur gezielten Konsultation der Europäischen Kommission zur Überprüfung des Rahmens für das Krisenmanagement und die Einlagensicherung (ECB contribution to the European Commission’s targeted consultation on the review of the crisis management and deposit insurance framework), S. 9, abrufbar auf der Website der EZB unter www.ecb.europa.eu

(7)  Siehe die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 6. Juli 2021: Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft, COM(2021) 390 final, S. 14.

(8)  The state of climate and environmental risk management in the banking sector – Report on the supervisory review of banks approach to management climate and environmental risks (Der Stand der Klima- und Umweltrisikosteuerung im Bankensektor – Bericht über die aufsichtliche Überprüfung der Ansätze von Banken zur Steuerung von Klima- und Umweltrisiken), November 2021, abrufbar auf der Website der EZB unter www.ecb.europa.eu

(9)  Beispielsweise Verordnung (EU) 2019/631 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Festsetzung von CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 443/2009 und (EU) Nr. 510/2011 (ABl. L 111 vom 25.4.2019, S. 13). Diese Standards wirken sich kurz-, mittel- und langfristig über ihre Gegenparteien unmittelbar auf Kreditinstitute aus.

(10)  Siehe die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 6. Juli 2021: Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft, COM(2021) 390 final, S. 17.

(11)  Siehe auch die Stellungnahme CON/2022/11, die ausführlichere Anmerkungen zur Umsetzung des Output-Floor, insbesondere im Hinblick auf dessen Anwendungsebene und die Übergangsregelungen, enthält.

(12)  Mängel im Lenkungsvermögen der Leitungsorgane gehören zu den wesentlichen Schwachstellen der Kreditinstitute, die in den Aufsichtsprioritäten der EZB für den Zeitraum 2022-2024 aufgeführt sind und in den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess einfließen werden, abrufbar auf der Website der EZB unter www.ecb.europa.eu

(13)  Siehe Nummer 1.12.2 der Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 8. November 2017 zu Änderungen des Unionsrahmens für Eigenmittelanforderungen von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (CON/2017/46) (ABl. C 34 vom 31.1.2018, S. 5).

(14)  Siehe Nummer 1.15 der Stellungnahme CON/2017/46.


IV Informationen

INFORMATIONEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

Rat

30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/97


Schlussfolgerungen des Rates zur Bewältigung der externen Dimension einer sich stetig wandelnden terroristischen und gewaltextremistischen Bedrohungslage

(2022/C 248/04)

Einleitung

1.

Im Einklang mit dem Strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung, den der Europäische Rat am 25. März gebilligt hat, stellt der Rat fest, dass Terrorismus und gewaltorientierter Extremismus in einem bereits von zahlreichen geopolitischen Verschiebungen und wachsender Instabilität geprägten strategischen Umfeld in allen ihren Erscheinungsformen und unabhängig von ihrer Herkunft weiterhin eine große Herausforderung darstellen. In diesem Sinne bekräftigt der Rat seine ungebrochene Entschlossenheit, die Bürgerinnen und Bürger der EU vor diesen Bedrohungen zu schützen und die EU in die Lage zu versetzen, zu einem stärkeren und fähigeren Bereitsteller von Sicherheit zu werden, wobei er gleichzeitig die Grundwerte und Grundsätze der EU im Einklang mit dem Völkerrecht, insbesondere den internationalen Menschenrechtsnormen und dem humanitären Völkerrecht, bekräftigt. Diesbezüglich ist der Rat sich bewusst, dass das multilaterale Engagement ausgeweitet und die Zusammenarbeit mit strategischen internationalen Partnern verstärkt werden muss, soweit es den Interessen der EU dient.

2.

Der Rat erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass er die grundlose, ungerechtfertigte und rechtswidrige militärische Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine, die einen groben Verstoß gegen das Völkerrecht und die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen darstellt und die Sicherheit und Stabilität in Europa und weltweit untergräbt, aufs Schärfste verurteilt. Er bringt seine tiefe Besorgnis zum Ausdruck, was mögliche langfristige Auswirkungen dieser Aggression bezüglich der terroristischen Bedrohungslage sowohl innerhalb der EU als auch weltweit betrifft.

3.

Der Rat betont, dass die Bewertung und die Verpflichtungen, die sich aus seinen Schlussfolgerungen vom 15. Juni 2020 zum auswärtigen Handeln der EU zur Prävention und Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltextremismus ableiten, von anhaltender Relevanz sind. Diese bilden in Verbindung mit seinen früheren Schlussfolgerungen vom 9. Februar 2015 und vom 19. Juni 2017 und im Einklang mit der Strategie der EU zur Terrorismusbekämpfung von 2005, der Europäischen Sicherheitsagenda und der Globalen Strategie der EU von 2016 sowie mit der EU-Strategie für eine Sicherheitsunion vom 24. Juli 2020 und der EU-Agenda für Terrorismusbekämpfung vom 9. Dezember 2020 einen soliden und schlüssigen politischen Rahmen für ein ehrgeiziges europäisches Engagement in der Welt.

4.

Mit den vom Rat heute angenommenen neuen Schlussfolgerungen soll daher sichergestellt werden, dass die politischen Leitlinien für unser gemeinsames Handeln weiterhin der realen Sicherheitsexposition der EU entsprechen. Aus diesem Grund sind sie auf wichtige aktuelle Entwicklungen ausgerichtet, die sich sowohl im Hinblick auf die Art der Bedrohung an sich als auch in dem globalen Kontext vollziehen, in dem die EU handelt, um Terrorismus und gewaltorientierten Extremismus zu verhindern und zu bekämpfen.

Eine sich stetig wandelnde internationale terroristische Bedrohungslage

5.

Der Rat betont, dass Da’esh, Al-Qaida und ihre Verbündeten nach wie vor die weltweit größte terroristische Bedrohung darstellen. Sie haben zwar die territoriale Kontrolle über Teile Iraks und Syriens verloren, und ihre Anführer sind Ziel kontinuierlicher, massiver Angriffe, doch Da’esh hat seinen Widerstand gezielt wieder in den Untergrund verlegt und versucht nun von dort aus, die beiden Länder weiter zu destabilisieren, seine inhaftierten Kämpfer zu befreien, seinen Einfluss auf Anhänger vor Ort und entsprechenden Rückhalt aufrechtzuerhalten, seine Finanzierungsquellen zu erhalten und sein Bedrohungspotenzial schließlich wieder auf weitere Gebiete auszudehnen. Vor diesem Hintergrund fordert der Rat die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, sich auf die Stärkung ihres umfassenden Ansatzes zu konzentrieren, ihr unerschütterliches Engagement bei der Bekämpfung des Terrorismus in Irak und Syrien zusammen mit der internationalen Allianz gegen Da’esh und anderen wichtigen Partnern fortzusetzen und dabei entschlossen der Bedrohung zu begegnen, die mit der Ausweitung der globalen Netze der beiden terroristischen Organisationen verbunden ist. Der Rat bekräftigt ferner, dass für den Konflikt in Syrien im Einklang mit der Resolution 2254 des VN-Sicherheitsrates eine politische Lösung gefunden werden muss.

6.

Der Rat nimmt die besonders besorgniserregende Ausweitung der terroristischen und gewaltextremistischen Bedrohungslage in mehreren Regionen Afrikas, einschließlich der Sahelzone, und die damit verbundene Gefahr eines Übergreifens auf Westafrika und den Golf von Guinea zur Kenntnis. Er bekräftigt vor diesem Hintergrund seine Unterstützung für Initiativen afrikanischer Länder, die darauf abzielen, den Schwerpunkt bei den Anstrengungen zur Terrorismusbekämpfung – im Einklang mit den Erklärungen im Rahmen des 6. Gipfeltreffens EU-AU vom 17./18. Februar 2022 in Brüssel – auf Prävention und auf den Schutz der Zivilbevölkerung zu legen. Sowohl Da’esh als auch Al-Qaida ist es gelungen, das sicherheitspolitische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und staatliche Vakuum für die territoriale Ausweitung des Einflussbereichs ihrer Verbündeten vor Ort auszunutzen. Der Rat nimmt die Änderungen, die sich in immer mehr Ländern bei Grundsätzen der Demokratie und beim Rechtsstaatsprinzip vollziehen, und die zunehmende Militarisierung und Ausbreitung von Akteuren der Gewalt in gefährdeten Regionen zur Kenntnis. Er bringt ausgehend von diesem Standpunkt seine Überzeugung zum Ausdruck, dass der Einsatz vorgeblich privater Militärfirmen wie der von Russland unterstützten Wagner-Gruppe, die unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung vor Ort Raubbau an natürlichen Ressourcen betreiben, massiv gegen die Menschenrechte verstoßen und zur Verschärfung ethnischer Spannungen beitragen, auf lange Sicht zwangsläufig den Interessen von Da’esh, Al-Qaida und der mit ihnen verbündeten Gruppen und Organisationen dient.

7.

Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan bereitet der EU im Bereich der Terrorismusbekämpfung große Sorge, da regionale Ausstrahlungseffekte nicht auszuschließen sind und Da’esh in der Provinz Chorasan jetzt durch sein Wiedererstarken die unmittelbarste terroristische Bedrohung im Land darstellt. Der Rat bekräftigt ferner seine tiefe Besorgnis über die Verbindungen, die die Taliban sowohl zum Kern als auch zum regionalen Ableger von Al-Qaida (Al-Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS)) unterhalten, da es nach seiner Einschätzung wahrscheinlich ist, dass diese Gruppen die derzeitige Lage langfristig ausnutzen werden, um unter anderem über verschiedene Arten des illegalen Handels an Finanzmittel zu gelangen und sich Finanzmittel zu sichern sowie um neue Rekruten zu gewinnen, was sie erneut befähigen könnte, eine direkte Bedrohung europäischer Interessen darzustellen. Er erinnert an die unmissverständliche Forderung an die Taliban, alle direkten und indirekten Verbindungen zum internationalen Terrorismus abzubrechen, und wird die Lage im Einklang mit seinen Schlussfolgerungen vom 15. September 2021 und gemäß der Resolution 2593 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen weiterhin aufmerksam verfolgen. Der Rat nimmt die Maßnahmen, die im gemeinsamen Aktionsplan EU-Afghanistan zur Terrorismusbekämpfung empfohlen werden, zur Kenntnis und ist bereit, alle einschlägigen ihm zur Verfügung stehenden Instrumente zu mobilisieren, um sicherzustellen, dass Afghanistan nicht erneut zum sicheren Zufluchtsort terroristischer Organisationen wird.

8.

Der Rat betont, dass die Fähigkeit von Da’esh und Al-Qaida, weltweit eine beispiellose Anzahl von Anhängern zu gewinnen, eine kritische Herausforderung darstellt, auf die reagiert werden muss. Trotz der militärischen Rückschläge, die beide Organisationen in der jüngsten Vergangenheit erlitten haben, stellt die andauernde Präsenz zahlreicher zumeist einheimischer, aber auch ausländischer terroristischer Kämpfer in vielen Regionen, insbesondere in Irak und Syrien, nach wie vor ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Der Rat stellt fest, dass diese Gruppen nur nachhaltig besiegt werden können, wenn dieses Problem entsprechend angegangen wird, und betont, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten ein umfassendes Konzept weiterentwickeln müssen, das darauf ausgerichtet ist, die Rekrutierung terroristischer Kämpfer aus den Reihen gefährdeter Bevölkerungsgruppen, unter anderem junger Menschen, zu unterbinden, indem bei der Bewältigung humanitärer, sozialer und entwicklungspolitischer Bedürfnisse angesetzt wird. Er unterstreicht ferner, dass es gilt, unbemerkte Ortswechsel terroristischer Kämpfer und ihrer Familien zu unterbinden, Rechenschaftslegung zu fördern, maßgeschneiderte Entradikalisierungs-, Rehabilitierungs- und Wiedereingliederungsstrategien festzulegen, bei wegen Terrorismus verurteilten Personen gegebenenfalls sowohl während als auch nach der Haft für eine angemessene Überwachung zu sorgen und den Ländern, die vom Phänomen der Rückkehrer in erster Linie betroffen sind, stärkere Unterstützung anzubieten.

9.

Der Rat ist sich der zunehmenden Bedrohung durch rechtsgerichteten Gewaltextremismus und Terrorismus, die für die EU und ihre Mitgliedstaaten eine ernsthafte globale Herausforderung darstellen, bewusst. Die grenzüberschreitenden Verbindungen zwischen rechtsgerichteten gewaltextremistischen Gruppen und Personen beschränken sich inzwischen nicht mehr auf die bloße Kommunikation über das Internet, sondern erstrecken sich auf Koordinierung, Finanzierung, Rekrutierung und gemeinsame Einsatztaktiken. Darüber hinaus verweist der Rat auf den zahlenmäßigen Anstieg von Gewalttaten im Zusammenhang mit linksgerichtetem Gewaltextremismus und Terrorismus, die ebenfalls kontinuierlich und eingehend geprüft werden müssen. Aus diesem Grund ruft er dazu auf, bezüglich der Bedrohung ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln und das internationale Engagement für die Bekämpfung von politisch motiviertem Gewaltextremismus und Terrorismus zu verstärken – auch im Bereich der Gegennarrative, des Informationsaustauschs, des Kapazitätsaufbaus – und bewährte Verfahren zu verbreiten, indem durch Bildung auf allen Ebenen unter anderem kritisches Denken, digitale Kompetenzen und öffentliche Sicherheit im Internet sowie der interkulturelle Dialog und die Toleranz gefördert werden.

10.

Der Rat ist über die wachsende Bedrohung besorgt, die vom einheimischen Terrorismus und von Anschlägen einzelner Akteure ausgeht. Er weist darauf hin, dass globale terroristische Organisationen vorsätzlich eine Strategie verfolgen, die auf die Gewinnung von Menschen, die zumeist keine vorherigen Verbindungen zum internationalen Terrorismus haben, ausgerichtet ist, und sich in erster Linie rudimentärer Methoden bedienen, sodass ihre Aktionen schwerer zu verhindern sind. Diese Strategie ist während der COVID-19-Pandemie noch verstärkt worden, da schutzbedürftige Menschen stärker isoliert und dadurch anfälliger für eine oftmals schnelle Radikalisierung, insbesondere über das Internet, waren. Daher betont der Rat, dass die Bemühungen um gemeinsame Untersuchungen, die der Erkennung und Prävention einer Radikalisierung – sowohl über das Internet als auch offline – dienen, fortgesetzt werden müssen.

11.

Der Rat nimmt die Verbreitung gewaltextremistischer Ideologien, die als Nährboden für Terrorismus dienen können, mit Besorgnis zur Kenntnis. Er betont, dass der Verbreitung und der Finanzierung aller Arten gewaltextremistischer Propaganda, einschließlich gewaltextremistischer islamistischer Ideologie, die mit den Grundrechten und -freiheiten als zentralen Werten und Grundsätzen der EU nicht vereinbar sind, Einhalt geboten werden muss. Daher fordert der Rat insbesondere, dass die Herausforderung der intransparenten Finanzierung durch ausländische Akteure, die in der EU und weltweit unerwünschten Einfluss auf zivilgesellschaftliche und religiöse Organisationen nehmen, angegangen wird. Er fordert ferner, dass wirksame Wege zur Abwendung der Bedrohung ermittelt werden, die von Organisationen, Einzelpersonen und Organisationen ausgeht, deren Handlungen unmittelbar auf die Radikalisierung, Indoktrination und Anstiftung von Menschen zu gewaltsamen und terroristischen Handlungen abzielen.

Missbrauch neuer Technologien für terroristische Zwecke

12.

Der Rat ist sich bewusst, dass neue Technologien der EU in erster Linie enorme wirtschaftliche und gesellschaftliche Möglichkeiten bieten sowie ihren Bemühungen im Bereich der Terrorismusbekämpfung und der Prävention und Bekämpfung des gewaltorientierten Extremismus den Weg ebnen können. Gleichzeitig hebt er jedoch hervor, dass es berechtigten Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit dem Missbrauch einiger technologischer Tools, beispielsweise von 3D-Druck oder unbemannten Luftfahrzeugen (UAS), durch terroristische Akteure Rechnung zu tragen gilt. Aus diesem Grund sollte die EU aus Sicht des Rates weiter auf einen umfassenden Multi-Stakeholder-Ansatz setzen, in dessen Rahmen eng mit Partnerländern, multilateralen Foren, der Privatwirtschaft und der Wissenschaft zusammengearbeitet und die Zivilgesellschaft, einschließlich Frauenrechtsorganisationen und von Frauen und jungen Menschen geführte Organisationen, wirksam eingebunden wird.

13.

Der Rat betont, dass der Wahrung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und anderer Grundrechte, die in demokratischen Gesellschaften eine zentrale Rolle spielen, entscheidende Bedeutung zukommt. Er stellt fest, dass die Bekämpfung der Radikalisierung als Ursache des Terrorismus in einer Zeit, in der internationale terroristische Organisationen bei der Verbreitung ihrer Propaganda, bei der Rekrutierung und bei der Vergrößerung ihres Fußabdrucks im Internet stark auf digitale Tools angewiesen sind, zu einem großen Teil online erfolgen muss. Durch die Annahme der Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte und des Gesetzes über digitale Dienste steht die EU in diesem Kampf zwar an vorderster Front, aber technische Entwicklungen führen immer wieder zu neuen Schwachstellen, die terroristische Gruppen entschieden dazu nutzen, ihre Präsenz im Internet aufrechtzuerhalten. So werden unter anderem kleinere Plattformen, oft durch Nutzung von Blockchain-Technologie und des dezentralen Internets, für böswillige Cyberaktivitäten genutzt, wodurch die Erkennung und gegebenenfalls Löschung illegaler Inhalte weiter erschwert wird. Vor diesem Hintergrund fordert der Rat die Technologiebranche und insbesondere Online-Plattformen unabhängig von ihrer Größe auf, für die Prävention und Bekämpfung der Verbreitung von terroristischen und gewaltextremistischen Inhalten (auch durch algorithmische Verstärkung) im Internet mehr Verantwortung zu übernehmen.

14.

Der Rat bekräftigt, dass es absolut entscheidend ist, den Terrorismus im Einklang mit den Standards der EU und der Arbeitsgruppe „Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“ (FATF) von seinen Finanzierungsquellen, auch von der Finanzierung durch den illegalen Handel etwa mit Kulturgütern, abzuschneiden. Er nimmt ferner mit Besorgnis die Gefahr zur Kenntnis, die mit der zunehmenden Nutzung neuer und anonymer Zahlungsformen etwa im Zusammenhang mit E-Geld, Kryptoanlagen und Blockchain-Technologien, mobilem Geld und Prepaid-Karten durch Terroristen verbunden ist. Er fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten daher auf, Partnerländer im Hinblick auf eine bessere Erfüllung der Anforderungen der EU und der FATF zu unterstützen und ihre Anstrengungen im Zusammenhang mit anonymen Transaktionen zu verstärken, indem sie illegale Geldtransfers zum Ursprung zurückverfolgen und deren Quellen aufdecken, sanktionieren und wirksam zerschlagen. Er ruft die Finanztechnologiebranche daher auf, mit den Zentralstellen für Geldwäsche-Verdachtsanzeigen, Strafverfolgungsbehörden und Dienststellen für gerichtliche Untersuchungen aktiver zusammenzuarbeiten. Der Rat ist sich der wesentlichen Rolle gemeinnütziger Organisationen bewusst und betont, dass sie in die Bekämpfung des gewaltorientierten Extremismus einbezogen werden müssen. Er bekräftigt ferner, dass weder zivilgesellschaftliche Tätigkeiten gestört werden dürfen noch die Zivilgesellschaft von ihren Tätigkeiten abgehalten werden darf und dass sichergestellt werden muss, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung nicht zur Verfolgung oder Kriminalisierung von legitimen Akteuren der humanitären Hilfe oder Menschenrechtsverteidigern missbraucht werden. Unterdessen fordert der Rat die Mitgliedstaaten auf, im Rahmen eines risikobasierten Ansatzes sowie gezielter und verhältnismäßiger Maßnahmen uneingeschränkt mit gemeinnützigen Organisationen zusammenzuarbeiten, um jeglichen Missbrauch durch und im Interesse von Terroristen zu verhindern.

Die EU muss dem Bekenntnis zu ihren Grundwerten und Grundprinzipien Nachdruck verleihen

15.

Der Rat bedauert die wachsende Politisierung im Kampf gegen den Terrorismus. Auf der einen Seite versuchen terroristische Organisationen vor allem in besonders fragilen Ländern zunehmend, schwache staatliche Strukturen auszunutzen, um ihre Dominanz zu behaupten, die Unterstützung der Bevölkerung vor Ort zu gewinnen und sich als legitimere und effizientere Alternative zur Regierung darzustellen. Auf der anderen Seite wird die Fähigkeit der internationalen Gemeinschaft, eine geeinte Front gegen den Terrorismus zu bilden, weiterhin dadurch geschwächt, dass hauptsächlich autoritäre Regime ganz unverhohlen versuchen, die eigenen politischen Ziele unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung durchzusetzen, und auf diese Weise dazu beitragen, dass die Polarisierung in multilateralen Foren in dieser Frage weiter zunimmt. Vor diesem Hintergrund betont der Rat, dass auch in internationalen Foren jeder Politisierungsversuch beim Kampf gegen den Terrorismus entschieden abgewehrt werden muss. Die EU und ihre Mitgliedstaaten werden sich um die Wahrung und die Verbreitung eines Ansatzes bemühen, der auf objektiven Fakten und der Entwicklung der Bedrohungslage beruht, und dabei auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Förderung von auf der Achtung der Menschenrechte basierenden soliden, inklusiven und demokratischen staatlichen Systemen die Voraussetzung für die umfassende Prävention und Bekämpfung von Terrorismus ist.

16.

Der Rat bekräftigt angesichts der zunehmenden Rivalität zwischen Systemen auf der Weltbühne nachdrücklich seine Überzeugung, dass Demokratie, Transparenz, Rechenschaftspflicht, Geschlechtergerechtigkeit sowie die Einhaltung des Völkerrechts, einschließlich der Achtung der Menschenrechte und des Rechtsstaatsprinzips, und des humanitären Völkerrechts die einzige nachhaltige Antwort auf Terrorismus und gewaltorientierten Extremismus sind. Er nimmt mit großer Besorgnis zur Kenntnis, dass in mehreren der vom Terrorismus am stärksten betroffenen Länder Diktaturen, militärische und autoritäre Regime auf dem Vormarsch sind und sich die terroristische Bedrohung mit diesen Regierungsmodellen nachweislich verschärft. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten daher dafür sorgen, dass die Verbreitung und die Achtung der genannten Grundprinzipien Eckpfeiler ihres Engagements sowohl auf bilateraler als auch auf multilateraler Ebene bleiben, und gleichzeitig verstärkt durchsetzen, dass die von ihnen geleistete oder in Aussicht gestellte Unterstützung bei der Prävention und Bekämpfung von Terrorismus und gewaltorientiertem Extremismus an die Einhaltung dieser Werte und Grundsätze gebunden ist.

17.

Terroristische Bedrohungen können langfristig nur dann erfolgreich beseitigt werden, wenn gegen die Straflosigkeit terroristischer Handlungen vorgegangen und dafür gesorgt wird, dass die Opfer anerkannt und angemessen unterstützt werden sowie Hilfe und Entschädigung erhalten. Der Rat fordert daher die Fortsetzung der EU-Maßnahmen zum Aufbau von Kapazitäten, mit denen die Partner besser befähigt werden sollen, Terrorismusfälle unter gebührender Achtung der Menschenrechte und des Rechtsstaatsprinzips angemessen zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen. In Anerkennung der Schlüsselrolle, die Opfer und ihre Familien unter anderem bei der Bekämpfung terroristischer Propaganda spielen können, hebt er zudem hervor, dass die internationale Solidarität gefördert sowie sichergestellt werden muss, dass die Opfer und ihre Familien mit Würde und Respekt behandelt werden.

18.

Der Rat bekräftigt seine Überzeugung, dass Terrorismus und gewaltorientierter Extremismus nicht unvermeidbar sind. Um sie zu besiegen, bedarf es schlüssiger, umfassender globaler Anstrengungen, die nicht allein auf militärische Maßnahmen setzen dürfen, sondern auch eine von Bürgerinnen und Bürgern angeführte gesamtgesellschaftliche Reaktion umfassen müssen, die bei den eigentlichen Ursachen der Bedrohung, wie sozioökonomischen Ungleichheiten, dem Fehlen einer verantwortungsvollen Staatsführung sowie den Auswirkungen von organisierter Kriminalität und Klimawandel, ansetzt. Auch der Schutz des Kulturerbes kann – durch Förderung von Toleranz, Dialog und gegenseitigem Verständnis – eine Schlüsselrolle bei der Förderung von Frieden, Demokratie, nachhaltiger Entwicklung und Terrorismusprävention spielen. Der Rat weist darauf hin, dass ein wichtiger Aspekt dieser globalen Anstrengungen die Geschlechtergerechtigkeit sein sollte, damit der Einfluss von Geschlechterstereotypen und geschlechtsspezifischer Gewalt auf Terrorismus und gewaltorientierten Extremismus thematisiert wird sowie die aktive und substanzielle Beteiligung von Frauen an den Bemühungen um die Prävention und die Bekämpfung von Terrorismus gefördert wird. Dieser umfassende Ansatz sollte unter anderem Folgendes umfassen: humanitäre Hilfe in besonders kritischen Situationen, Stabilisierungshilfe für Länder, die gerade eine Krise überwinden, Entwicklungszusammenarbeit sowie verstärkte Investitionen in die Prävention und die Bekämpfung von gewaltorientiertem Extremismus durch verstärkte Partnerschaften mit Akteuren vor Ort. Der Rat ist dazu zwar weiterhin entschlossen, weist aber auch darauf hin, dass Eigenverantwortung vor Ort wichtig ist und die Hauptverantwortung für diesen Kampf bei den Regierungen der Länder liegt, die mit diesen Bedrohungen in erster Linie konfrontiert sind.

19.

Der Rat würdigt die wichtige Arbeit, die von internationalen und nichtstaatlichen Akteuren der humanitären Hilfe geleistet wird, damit die darauf angewiesenen, von Konflikten und Instabilität betroffenen Bevölkerungsgruppen die nötige lebenswichtige Hilfe erhalten, und weist darauf hin, dass diese humanitäre Hilfe letztlich dazu beiträgt, ein Wiederaufflammen der Bedrohung in von der Herrschaft terroristischer Organisationen befreiten Gebieten zu verhindern. Diesbezüglich bekräftigt der Rat seine Überzeugung, dass Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung und auf den Grundsätzen Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit fußende humanitäre Maßnahmen einander gegenseitig verstärken können. Der Rat bekräftigt im Einklang mit den Zusagen im Rahmen des Europäischen Forums für humanitäre Hilfe vom 21. bis 23. März 2022 erneut seine Entschlossenheit, den humanitären Raum zu sichern und konkrete Maßnahmen zu treffen, mit denen potenzielle negative Auswirkungen von Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung auf grundsatzorientierte humanitäre Maßnahmen verhindert werden, ohne die Integrität der Architektur der EU für Terrorismusbekämpfung zu untergraben. Diese Maßnahmen sollten unter anderem Folgendes umfassen: konkrete Lösungen, um gemeinnützigen Organisationen den Zugang zu Finanzmitteln zu erleichtern, die Beseitigung der Schwierigkeiten, die sich durch die Übererfüllung von Vorschriften im Privatbankensektor ergeben, und weitere Orientierungshilfe für humanitäre Organisationen bezüglich ihrer Rechte und Pflichten im Rahmen der verschiedenen EU-Sanktionsregelungen zur Terrorismusbekämpfung.

20.

Da das internationale Engagement der EU gegen Terrorismus und gewaltorientierten Extremismus durch immer aggressivere Kampagnen zur Informationsmanipulation, einschließlich Desinformation, Falschmeldungen und die Verbreitung von Verschwörungstheorien, untergraben wird, stellt der Rat fest, dass Maßnahmen in diesem Bereich nur Erfolg haben können, wenn sie von strategischer Kommunikation begleitet und durch die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Allgemeinheit unterstützt werden. Daher müssen koordinierte Anstrengungen unternommen werden, um die wichtigsten strategischen Ziele der EU besser zu beschreiben und zu erläutern, ein positives Narrativ zu vermitteln und mit Zielgruppen in Drittländern zusammenzuarbeiten und gegen Desinformation vorzugehen.

Eine bedeutendere Rolle der EU auf der internationalen Bühne der Terrorismusbekämpfung

21.

Bezug nehmend auf den Strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung betont der Rat, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten ihr internationales Engagement gegen Terrorismus und gewaltorientierten Extremismus verstärken müssen, indem sie die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel in vollem Umfang zum Einsatz bringen, um zu einer angemessenen kollektiven Reaktion auf Terrorismus und gewaltorientierten Extremismus beizutragen und dafür zu sorgen, dass diese Reaktion ihren Prioritäten und Werten entspricht und auf der uneingeschränkten Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechts beruht. Dieses Engagement hat aufgrund der Art der Bedrohungen zwar zwangsläufig eine globale Dimension, aber die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten sich hinsichtlich der von ihnen verfolgten Prioritäten in erster Linie von ihrer realen Sicherheitsexposition leiten lassen. Daher sollten sie sich bemühen, ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, einschließlich der Sahelzone, Nordafrikas, der Levante und des östlichen Mittelmeerraums, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Zusammenarbeit mit dem Westbalkan sollte – unter anderem durch die fortgesetzte Umsetzung des gemeinsamen Aktionsplans EU-Westbalkan zur Terrorismusbekämpfung – weiter verstärkt werden. Die EU sollte sich auch weiterhin auf bestimmte Schauplätze, einschließlich Zentralasiens und des indopazifischen Raums, konzentrieren, in deren Fall die Präsenz internationaler terroristischer und gewaltorientierter extremistischer Organisationen letztlich eine unmittelbare Bedrohung für die europäische Sicherheit bedeuten könnte.

22.

Ein zentrales Merkmal der globalen Terrorismusbekämpfungspolitik der EU ist ihr starkes, grundsatzorientiertes bilaterales und multilaterales Engagement. Der Rat betont in diesem Zusammenhang, dass mit strategischen bilateralen Partnern eine intensive Zusammenarbeit angestrebt und gepflegt werden muss, und verweist auf den hohen Stellenwert der politischen Dialoge der EU über Terrorismusbekämpfung und Sicherheit. Er weist auf die führende Rolle der Vereinten Nationen in diesem Bereich hin und begrüßt die Bemühungen, die die EU zur Stärkung ihrer strategischen Partnerschaft mit den einschlägigen VN-Gremien unternommen hat. Im Einklang mit den vereinbarten Leitprinzipien, auf die auch im Strategischen Kompass Bezug genommen wird, betont der Rat ferner, dass die sich gegenseitig verstärkende und nutzbringende strategische Partnerschaft mit der NATO im Zusammenhang mit der Umsetzung der gemeinsamen Erklärungen von Warschau (2016) und Brüssel (2018), unter anderem in den Bereichen Widerstandsfähigkeit gegen Terrorismus und gewaltorientierten Extremismus und Aufbau von Kapazitäten in den Partnerländern, vertieft werden muss. Er spricht sich zudem dafür aus, dass sich die EU gegenüber internationalen Organisationen wie der OSZE, dem Europarat, Interpol und Multi-Stakeholder-Foren wie dem EU-Internetforum und dem „Christchurch-Aufruf“, die an der Bekämpfung von Terrorismus und gewaltorientiertem Extremismus beteiligt sind, nachhaltiger engagiert.

23.

Der Rat ist sich bewusst, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten sich stärker abstimmen und einen strategischen Ansatz entwickeln müssen, damit sie besser in der Lage sind, gemeinsam Einfluss auf die strategischen Ausrichtungen dieser Organisationen zu nehmen. Er ist erfreut über die erfolgreiche Bewerbung der EU um den gemeinsamen Vorsitz im Globalen Forum für Terrorismusbekämpfung (GCTF), in dessen Rahmen die EU zur Gestaltung der internationalen Politik und Praxis im Bereich der Terrorismusbekämpfung beitragen und die Werte der EU im Bereich der Terrorismusbekämpfung fördern kann. Der Rat stellt fest, dass die Unterstützung und das strategische Engagement für diese Organisation und die von ihr „inspirierten“ Einrichtungen (den Globalen Fonds für Engagement und Widerstandsfähigkeit der Allgemeinheit, das internationale Kompetenzzentrum Hedayah und das Internationale Institut für Justiz und Rechtsstaatlichkeit) dadurch wachsen dürfte. Die EU sollte sich zudem weiterhin stark im Rahmen der internationalen Allianz gegen Da’esh, deren Arbeitsgruppen und in der neu eingerichteten Fokusgruppe Afrika sowie in der Koalition für den Sahel engagieren, damit bei der Bekämpfung von Terrorismus und gewaltorientiertem Extremismus nach einem koordinierten und umfassenden Ansatz verfahren wird. Dieses internationale Engagement sollte auch davon geleitet sein, dass es Synergien zwischen verschiedenen internationalen, regionalen und nationalen Initiativen zur Bekämpfung von Terrorismus und gewaltorientiertem Extremismus zu fördern und Doppelarbeit zu vermeiden gilt.

24.

Der Rat begrüßt den wertvollen Beitrag des in ausgewählten EU-Delegationen vertretenen Netzwerks der Experten für Terrorismusbekämpfung/Sicherheit und weist darauf hin, dass die EU dank dieses Netzwerks in der Lage war, ihre globale Reichweite zu erweitern, ihre Fähigkeit zur genauen Bewertung der örtlichen Gegebenheiten zu verbessern und ihr bilaterales und multilaterales Engagement aufrechtzuerhalten. Dieses Netzwerk ist in jüngster Vergangenheit zwar weiter ausgebaut worden, der Rat betont jedoch, dass dafür gesorgt werden muss, dass seine Kapazitäten noch verstärkt werden und es weiter vergrößert wird, um auf geopolitische Entwicklungen und strategische Erfordernisse reagieren zu können. Der Rat begrüßt die jüngsten Bemühungen und Überlegungen des EAD in dieser Hinsicht, auch in Bezug auf die geografische Ausdehnung und den Auftrag des Netzwerks sowie seine Koordinierung im Hinblick auf Maßnahmen der Mitgliedstaaten.

25.

Der Rat erinnert ferner an den wertvollen Beitrag, den die zivilen GSVP-Missionen, im Einklang mit ihren jeweiligen Mandaten, im Rahmen des integrierten Ansatzes der EU und wie im Pakt für die zivile GSVP hervorgehoben, geleistet haben, um in Gastländern mit Blick auf eine wirksame, dem Rechtsstaatsprinzip entsprechende Prävention und Bekämpfung von Terrorismus und gewaltorientiertem Extremismus den Sicherheits- und Justizsektors zu stärken und Kapazitäten aufzubauen.

Strategischere Anwendung der EU-Sanktionsregelungen im Bereich der Terrorismusbekämpfung

26.

Der Rat weist darauf hin, dass Sanktionen zur Terrorismusbekämpfung ein wirksames Instrument sind, um die EU-Außenpolitik im Bereich der Terrorismusbekämpfung zu unterstützen und umzusetzen. Er begrüßt daher, dass diese Instrumente im Interesse eines entschlossenen und ambitionierten Handelns der EU stärker eingesetzt werden, indem gegebenenfalls und nach Möglichkeit neue Benennungen vorgenommen werden, die der Entwicklung der Bedrohungslage entsprechen und mit denen auf das Erscheinen neuer terroristischer Akteure reagiert wird.

Die Übereinstimmung der restriktiven Maßnahmen der EU mit dem Völkerrecht, insbesondere dem humanitären Völkerrecht, den Menschenrechten und Grundfreiheiten, einem ordnungsgemäßen Rechtsverfahren und dem Rechtsstaatsprinzip ist ein Eckpfeiler der Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der EU-Sanktionspolitik. In diesem Zusammenhang erinnert der Rat daran, dass restriktive Maßnahmen auf die mit ihnen verfolgten Ziele ausgerichtet und bezüglich dieser Ziele sorgfältig abgewogen und verhältnismäßig sein müssen. Er weist darauf hin, dass Sanktionen präventiven Charakter haben müssen, und verpflichtet sich, sich verändernden Gegebenheiten und der realen Bedrohung durch die in der Liste aufgeführten Organisationen und Personen uneingeschränkt Rechnung zu tragen, indem die Listen regelmäßig überprüft und entsprechend aktualisiert werden. Der Rat begrüßt weiterhin alle diesbezüglich getroffenen Maßnahmen, wie den bedeutenden Beitrag des VN-Büros der Ombudsperson, das seit seiner Gründung für mehr Fairness und Transparenz bezüglich der Sanktionsregelung der VN für Da’esh und Al-Qaida gesorgt hat.

Der Rat unterstreicht, dass eine Abstimmung mit anderen internationalen Akteuren, unter anderem mit dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und mit Drittländern, bei Benennungen im Rahmen von Sanktionen allen Beteiligten Vorteile bringt. Darüber hinaus ermutigt er zu einem fortgesetzten Dialog und verstärkten Bemühungen, um ein gutes Verständnis der spezifischen rechtlichen und verfahrenstechnischen Anforderungen der EU zu gewährleisten und eine politische Instrumentalisierung von Sanktionen zur Terrorismusbekämpfung zu verhindern.

Umsetzung der Schlussfolgerungen und Nachbereitung

27.

Der Rat bringt seine nachdrückliche Unterstützung für verstärkte Synergien zwischen der internen und der externen Dimension von EU-Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus und gewaltorientiertem Extremismus zum Ausdruck. Darüber hinaus fordert er alle EU-Organe und die Mitgliedstaaten auf, im Rahmen gemeinsamer Anstrengungen dazu beizutragen, dass die Prioritäten umgesetzt und die vorstehend genannten Ziele erreicht werden. Diese politischen Leitlinien sollten insbesondere bei der Festlegung der künftigen finanziellen Zusammenarbeit mit Partnerländern und internationalen Organisationen berücksichtigt werden. In diesem Sinne und im Einklang mit dem im Strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung festgelegten Ziel begrüßt der Rat, dass eine bis Anfang 2023 abzuschließende Überprüfung derjenigen Instrumente und Programme der EU eingeleitet wurde, mit denen die Kapazitäten der Partner zur Terrorismusbekämpfung ausgebaut werden sollen, um ihre Wirksamkeit zu steigern.

28.

Der Rat erachtet es für notwendig, diese Schlussfolgerungen regelmäßig zu überprüfen, damit sichergestellt ist, dass die politischen und strategischen Überlegungen, von denen das auswärtige Handeln der EU zur Bekämpfung von Terrorismus und gewaltorientiertem Extremismus geleitet ist, weiter der realen Bedrohungslage entsprechen.

Europäische Kommission

30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/104


Euro-Wechselkurs (1)

29. Juni 2022

(2022/C 248/05)

1 Euro =


 

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139,90

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10,3065

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1,9558

CZK

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24,739

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394,28

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Polnischer Zloty

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Rumänischer Leu

4,9419

TRY

Türkische Lira

17,4998

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1,5256

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1,3513

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1,6871

SGD

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1,4607

KRW

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1 364,02

ZAR

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16,9295

CNY

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7,0382

HRK

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7,5285

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4,6272

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57,773

RUB

Russischer Rubel

 

THB

Thailändischer Baht

36,925

BRL

Brasilianischer Real

5,5163

MXN

Mexikanischer Peso

21,1375

INR

Indische Rupie

83,0370


(1)  Quelle: Von der Europäischen Zentralbank veröffentlichter Referenz-Wechselkurs.


INFORMATIONEN DER MITGLIEDSTAATEN

30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/105


Bekanntmachung der Kommission gemäß Artikel 16 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft

Änderung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Linienflugverkehr

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2022/C 248/06)

Mitgliedstaat

Frankreich

Flugstrecke

Aurillac - Paris (Orly)

Ursprüngliches Datum des Inkrafttretens der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen

1. Juni 2011

Datum des Inkrafttretens der Änderungen

1. Juni 2023

Anschrift, bei der der Text und sonstige einschlägige Informationen und/oder Unterlagen im Zusammenhang mit den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen angefordert werden können

Arrêté du 1er juin 2022 modifiant les obligations de service public imposées sur les services aériens réguliers entre Aurillac et Paris (Orly) (Beschluss vom 1. Juni 2022 zur Änderung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Linienflugverkehr zwischen Aurillac und Paris (Orly))

NOR : TREA2215683A

http://www.legifrance.gouv.fr/initRechTexte.do

Weitere Auskünfte erteilt:

Direction Générale de l’Aviation Civile

DTA/SDS1

50 rue Henry Farman

75720 Paris Cedex 15

FRANKREICH

Tel. +33 158094321


30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/106


Bekanntmachung der Kommission gemäß Artikel 16 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft

Änderung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Linienflugverkehr

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2022/C 248/07)

Mitgliedstaat

Frankreich

Flugstrecke

Limoges (Bellegarde) – Paris (Orly)

Ursprüngliches Datum des Inkrafttretens der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen

4. August 2004

Datum des Inkrafttretens der Änderungen

4. März 2023

Anschrift, bei der der Text und sonstige einschlägige Informationen und/oder Unterlagen im Zusammenhang mit den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen angefordert werden können

Arrêté du 1er juin 2022 modifiant les obligations de service public imposées sur les services aériens entre Limoges et Paris (Orly) (Beschluss vom 1. Juni 2022 zur Änderung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Linienflugverkehr zwischen Limoges und Paris (Orly))

NOR : TREA2215686A

http://www.legifrance.gouv.fr/initRechTexte.do

Weitere Auskünfte erteilt:

Direction Générale de l’Aviation Civile

DTA/SDS1

50 rue Henry Farman

75720 Paris Cedex 15

FRANKREICH

Tel. +33 158094321


V Bekanntmachungen

VERFAHREN BEZÜGLICH DER DURCHFÜHRUNG DER GEMEINSAMEN HANDELSPOLITIK

Europäische Kommission

30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/107


Bekanntmachung der Einleitung eines auf Zhejiang Hailide New Material Co. Ltd beschränkten Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China sowie der Einleitung einer Überprüfung der Antidumpingmaßnahmen betreffend die Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China

(2022/C 248/08)

Der Europäischen Kommission (im Folgenden „Kommission“) liegt ein Antrag nach Artikel 5 der Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern (1) (im Folgenden „Grundverordnung“) vor, dem zufolge die Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China, die von Zhejiang Hailide New Material Co. Ltd. (im Folgenden der „betroffene ausführende Hersteller“), hergestellt werden, gedumpt sind und dadurch den Wirtschaftszweig der Union bedeutend schädigen oder dazu beitragen (2).

1.   Antrag

Der Antrag wurde am 16. Mai 2022 vom Dachverband der europäischen Chemiefaserindustrie (The European Man-made Fibres Association – im Folgenden „CIRFS“ oder „Antragsteller“) eingereicht. Der Antrag wurde im Namen des Wirtschaftszweigs der Union für hochfeste Garne aus Polyestern im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 der Grundverordnung gestellt.

Eine allgemein einsehbare Fassung des Antrags und die Analyse, inwieweit der Antrag von den Unionsherstellern unterstützt wird, sind in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier verfügbar. Abschnitt 6.6 dieser Bekanntmachung enthält Informationen über den Zugang zum Dossier für interessierte Parteien.

2.   Zu untersuchende Ware

Gegenstand dieser Untersuchung sind hochfeste Garne aus Polyestern, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, einschließlich synthetischer Monofile von weniger als 67 dtex (ausgenommen Nähgarne und für die Herstellung von Nähgarnen bestimmte gezwirnte Garne mit Z-Drehung, fertig zum Färben und zur Ausrüstung, locker aufgewickelt auf mit Löchern versehene Kunststoffspulen) (im Folgenden „zu untersuchende Ware“).

Interessierte Parteien, die Informationen zur Warendefinition übermitteln möchten, müssen dies binnen 10 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung (3) tun.

3.   Geltende Maßnahmen

Bei den derzeit geltenden Maßnahmen handelt es sich um endgültige Antidumpingzölle, die mit der Durchführungsverordnung (EU) 2017/325 der Kommission (4) vom 24. Februar 2017, in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2017/1159 der Kommission (5) vom 29. Juni 2017 geänderten Fassung, eingeführt wurden. In Bezug auf diese Maßnahmen läuft derzeit eine Auslaufüberprüfung (6).

4.   Dumpingbehauptung

Bei der angeblich gedumpten Ware handelt es sich um die zu untersuchende Ware mit Ursprung in der Volksrepublik China (im Folgenden „betroffenes Land“), die derzeit unter dem KN-Code ex 5402 20 00 (TARIC-Code 5402 2000 10) eingereiht wird. Die KN- und TARIC-Codes werden nur informationshalber angegeben, unbeschadet einer späteren Änderung der zolltariflichen Einreihung. Der Gegenstand dieser Untersuchung unterliegt der Definition der zu untersuchenden Ware in Abschnitt 2.

Dem Antragsteller zufolge ist es aufgrund nennenswerter Verzerrungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 6a Buchstabe b der Grundverordnung nicht angemessen, die Inlandspreise und -kosten in der Volksrepublik China zu verwenden.

Zur Untermauerung der Behauptung, dass nennenswerte Verzerrungen bestünden, bezog sich der Antragsteller auf die Informationen in dem von den Kommissionsdienststellen am 20. Dezember 2017 vorgelegten Länderbericht, in dem die spezifischen Marktgegebenheiten im betroffenen Land beschrieben werden (7). Der Antragsteller brachte insbesondere vor, dass die Herstellung und der Verkauf der zu untersuchenden Ware offenbar von Verzerrungen infolge staatlicher Präsenz im Allgemeinen und insbesondere Verzerrungen im Chemiesektor beeinflusst seien, sowie von Verzerrungen, die im Abschnitt über Rohstoffe (die bei der Herstellung hochfester Garne aus Polyestern verwendet werden, d. h. faserreine Terephthalsäure und Ethylenglycol) und im Kapitel über allgemeine Verzerrungen bei Energie und Arbeit beschrieben sind.

Daher stützt sich die Dumpingbehauptung nach Artikel 2 Absatz 6a Buchstabe a der Grundverordnung auf einen Vergleich eines Normalwerts, der rechnerisch ermittelt wurde anhand von Herstell- und Verkaufskosten, die unverzerrte Preise oder Vergleichswerte widerspiegeln, mit dem Preis der zu untersuchenden Ware bei der Ausfuhr in die Union (auf der Stufe ab Werk).

Aus diesem Vergleich ergibt sich für den betroffenen ausführenden Hersteller eine erhebliche Dumpingspanne.

Angesichts der vorliegenden Informationen vertritt die Kommission die Auffassung, dass im Sinne des Artikels 5 Absatz 9 der Grundverordnung ausreichende Beweise vorliegen, die tendenziell darauf hindeuten, dass es aufgrund nennenswerter Verzerrungen mit Auswirkungen auf Preise und Kosten nicht angebracht ist, die Inlandspreise und -kosten des betroffenen Landes heranzuziehen, und dass somit die Einleitung einer Untersuchung nach Artikel 2 Absatz 6a der Grundverordnung gerechtfertigt ist.

Der Länderbericht steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel zur Verfügung (8).

5.   Behauptung bezüglich Schädigung und Schadensursache

Der Antragsteller legte Beweise dafür vor, dass die Einfuhren der zu untersuchenden Ware vom betroffenen ausführenden Hersteller in absoluten Zahlen und gemessen am Marktanteil insgesamt gestiegen sind.

Aus den vom Antragsteller vorgelegten Beweisen geht hervor, dass die Menge und die Preise der eingeführten zu untersuchenden Ware des betroffenen ausführenden Herstellers sich unter anderem auf die in Rechnung gestellten Preise und die Verkaufsmengen des Wirtschaftszweigs der Union negativ ausgewirkt und dadurch die finanzielle Lage des Wirtschaftszweigs der Union, insbesondere hinsichtlich seines Rentabilitätsniveaus, sehr nachteilig beeinflusst haben.

6.   Verfahren

Die Kommission kam nach Unterrichtung der Mitgliedstaaten zu dem Schluss, dass der Antrag im Namen des Wirtschaftszweigs der Union gestellt wurde und dass die vorliegenden Beweise die Einleitung eines Verfahrens rechtfertigen; sie leitet daher nach Artikel 5 der Grundverordnung eine Untersuchung ein.

Die Untersuchung beschränkt sich auf den betroffenen ausführenden Hersteller und die mit ihm verbundenen Unternehmen. Der betroffene ausführende Hersteller erhielt im Anschluss an die Untersuchung, die die Einführung von Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China zur Folge hatte, einen Antidumpingzollsatz von Null (9). Dieser ausführende Hersteller wurde also von jenem Verfahren und etwaigen Folgeüberprüfungen ausgeschlossen. Ein weiterer ausführender Hersteller, Hangzhou Zhanhong Chemical Fiber Co., Ltd, erhielt ebenfalls in der Untersuchung, die die Einführung der oben genannten Antidumpingmaßnahmen zur Folge hatte, einen Antidumpingzollsatz von Null. Offenbar besteht dieser ausführende Hersteller jedoch nicht mehr. Sollte die Kommission dem entgegenstehende Beweise erhalten, wird Hangzhou Zhanhong Chemical Fiber Co., Ltd von dieser Untersuchung erfasst.

Bei der Untersuchung wird geprüft, ob die untersuchte Ware mit Ursprung in dem betroffenen Land, die vom betroffenen ausführenden Hersteller hergestellt wird, gedumpt ist und ob die gedumpten Einfuhren eine Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union verursacht oder dazu beigetragen haben.

Sollte sich dies bestätigen, wird nach Artikel 21 der Grundverordnung weiter geprüft, ob die Einführung von Maßnahmen dem Interesse der Union nicht zuwiderlaufen würde.

Die Kommission weist die Parteien außerdem auf die veröffentlichte Bekanntmachung (10) über die Folgen des COVID-19-Ausbruchs für Antidumping- und Antisubventionsuntersuchungen hin, die auf dieses Verfahren anwendbar sein könnte.

6.1.    Untersuchungszeitraum und Bezugszeitraum

Die Untersuchung von Dumping und Schädigung betrifft den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2021 (im Folgenden „Untersuchungszeitraum“). Die Untersuchung der für die Schadensanalyse relevanten Entwicklungen betrifft den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum Ende des Untersuchungszeitraums (im Folgenden „Bezugszeitraum“).

6.2.    Stellungnahmen zum Antrag und zur Einleitung der Untersuchung

Interessierte Parteien, die zum Antrag (zum Beispiel zu Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Schädigung oder der Schadensursache) oder zu Aspekten im Zusammenhang mit der Einleitung der Untersuchung (zum Beispiel zu der Frage, inwieweit der Antrag unterstützt wird) Stellung nehmen möchten, müssen dies binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung tun.

Anträge auf Anhörung, die die Einleitung der Untersuchung betreffen, müssen binnen 15 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung gestellt werden.

6.3.    Verfahren zur Dumpingermittlung

Der betroffene ausführende Hersteller (11) wird gebeten, bei der Untersuchung der Kommission mitzuarbeiten.

6.3.1.   Untersuchung der ausführenden Hersteller

Die Kommission wird dem betroffenen ausführenden Hersteller und den Behörden der Volksrepublik China Fragebogen zusenden, um die für ihre Untersuchung benötigten Informationen einzuholen.

Der betroffene ausführende Hersteller muss binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung einen Fragebogen ausfüllen.

Der Fragebogen für ausführende Hersteller steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel zur Verfügung: https://tron.trade.ec.europa.eu/investigations/case-view?caseId=2613

6.3.2.   Zusätzliches Verfahren für das betroffene Land, in dem nennenswerte Verzerrungen auftreten

Vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Bekanntmachung werden alle interessierten Parteien gebeten, unter Vorlage von Informationen und sachdienlichen Nachweisen ihren Standpunkt zur Anwendung des Artikels 2 Absatz 6a der Grundverordnung darzulegen. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen diese Informationen und sachdienlichen Nachweise binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei der Kommission eingehen.

Insbesondere fordert die Kommission alle interessierten Parteien auf, zu den Inputs und den im Antrag angegebenen Codes des Harmonisierten Systems (HS) Stellung zu nehmen, ein geeignetes Vergleichsland oder geeignete Vergleichsländer vorzuschlagen und Hersteller der zu untersuchenden Ware in diesen Ländern zu nennen. Diese Informationen und sachdienlichen Nachweise müssen binnen 15 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei der Kommission eingehen.

Kurz nach der Einleitung der Untersuchung unterrichtet die Kommission nach Artikel 2 Absatz 6a Buchstabe e der Grundverordnung durch einen Vermerk in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier die von der Untersuchung betroffenen Parteien über die relevanten Quellen (gegebenenfalls auch über die Auswahl eines geeigneten repräsentativen Drittlands), welche die Kommission zur Ermittlung des Normalwerts nach Artikel 2 Absatz 6a heranzuziehen beabsichtigt. Im Einklang mit Artikel 2 Absatz 6a Buchstabe e können die von der Untersuchung betroffenen Parteien binnen 10 Tagen zu dem Vermerk Stellung nehmen.

Für die endgültige Auswahl eines angemessenen repräsentativen Drittlands wird die Kommission prüfen, ob der wirtschaftliche Entwicklungsstand in den betreffenden Drittländern ähnlich ist wie im betroffenen Land, ob die zu untersuchende Ware in diesen Drittländern tatsächlich hergestellt und verkauft wird und ob die entsprechenden Daten ohne Weiteres verfügbar sind. Gibt es mehr als ein repräsentatives Drittland, werden gegebenenfalls Länder bevorzugt, in denen ein angemessener Sozial- und Umweltschutz besteht. Den der Kommission vorliegenden Informationen zufolge könnte die Türkei ein geeignetes repräsentatives Drittland sein.

In diesem Zusammenhang fordert die Kommission den betroffenen ausführenden Hersteller auf, ihr innerhalb von 15 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung Informationen über die bei der Herstellung der zu untersuchenden Ware verwendeten Vormaterialien (Rohstoffe und Halbzeug) und den entsprechenden Energieverbrauch zu übermitteln. Diese Angaben sind über TRON.tdi unter folgender Adresse zu übermitteln: https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/tdi/form/AD690_INFO_ON_INPUTS_FOR_EXPORTING_PRODUCER_FORM. Informationen zum Zugriff auf TRON enthalten die Abschnitte 6.6 und 6.8.

Sachinformationen zu Kosten und Preisen nach Artikel 2 Absatz 6a Buchstabe a der Grundverordnung müssen darüber hinaus binnen 65 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung vorgelegt werden. Solche Sachinformationen sollten ausschließlich aus öffentlichen Quellen stammen, die ohne Weiteres verfügbar sind.

6.3.3.   Untersuchung der unabhängigen Einführer (12) (13)

Die unabhängigen Einführer, die die zu untersuchende Ware aus der Volksrepublik China in die Union einführen, werden gebeten, bei dieser Untersuchung mitzuarbeiten.

Da eine Vielzahl unabhängiger Einführer von dem Verfahren betroffen sein dürfte und da es gilt, die Untersuchung fristgerecht abzuschließen, kann die Kommission die Zahl der zu untersuchenden unabhängigen Einführer auf ein vertretbares Maß beschränken, indem sie eine Stichprobe bildet (im Folgenden „Stichprobenverfahren“). Das Stichprobenverfahren wird nach Artikel 17 der Grundverordnung durchgeführt.

Damit die Kommission über die Notwendigkeit eines Stichprobenverfahrens entscheiden und gegebenenfalls eine Stichprobe bilden kann, werden alle unabhängigen Einführer oder die in ihrem Namen handelnden Vertreter gebeten, der Kommission binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung die im Anhang erbetenen Angaben zu ihren Unternehmen vorzulegen.

Ferner kann die Kommission mit den ihr bekannten Einführerverbänden Kontakt aufnehmen, um die Informationen einzuholen, die sie für die Auswahl der Stichprobe der unabhängigen Einführer benötigt.

Ist die Bildung einer Stichprobe erforderlich, können die Einführer auf der Grundlage der größten repräsentativen Verkaufsmenge der zu untersuchenden Ware in der Union ausgewählt werden, die in der zur Verfügung stehenden Zeit angemessen untersucht werden kann.

Sobald die Kommission die erforderlichen Informationen erhalten hat, um eine Stichprobe zu bilden, teilt sie den betroffenen Parteien ihre Entscheidung bezüglich der Einführerstichprobe mit. Die Kommission nimmt ferner einen Vermerk zur Stichprobenauswahl in das zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmte Dossier auf. Stellungnahmen zur Stichprobenauswahl müssen binnen 3 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Stichprobe eingehen.

Die Kommission wird den in die Stichprobe einbezogenen unabhängigen Einführern Fragebogen zur Verfügung stellen, um die für ihre Untersuchung benötigten Informationen einzuholen. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen die Parteien binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Stichprobe einen ausgefüllten Fragebogen übermitteln.

Der Fragebogen für Einführer steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel https://tron.trade.ec.europa.eu/investigations/case-view?caseId=2613 zur Verfügung.

6.4.    Verfahren zur Feststellung einer Schädigung und zur Untersuchung der Unionshersteller

Die Feststellung einer Schädigung stützt sich auf eindeutige Beweise und erfordert eine objektive Prüfung der Menge der gedumpten Einfuhren sowie ihrer Auswirkungen auf die Preise in der Union und auf den Wirtschaftszweig der Union. Zwecks Feststellung, ob der Wirtschaftszweig der Union geschädigt wird, werden die Unionshersteller der zu untersuchenden Ware gebeten, bei der Untersuchung der Kommission mitzuarbeiten.

Da eine Vielzahl von Unionsherstellern betroffen ist und da es gilt, die Untersuchung fristgerecht abzuschließen, hat die Kommission beschlossen, die Zahl der zu untersuchenden Unionshersteller auf ein vertretbares Maß zu beschränken, indem sie eine Stichprobe bildet (im Folgenden „Stichprobenverfahren“). Das Stichprobenverfahren wird nach Artikel 17 der Grundverordnung durchgeführt.

Die Kommission hat eine vorläufige Stichprobe der Unionshersteller gebildet. Genauere Angaben dazu können dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier entnommen werden. Die interessierten Parteien werden aufgefordert, zur vorläufigen Stichprobe Stellung zu nehmen. Ferner müssen andere Unionshersteller oder die in ihrem Namen handelnden Vertreter, die der Auffassung sind, dass bestimmte Gründe für die Einbeziehung ihres Unternehmens in die Stichprobe sprechen, die Kommission binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung kontaktieren. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen alle Stellungnahmen zur vorläufigen Stichprobe binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei der Kommission eingegangen sein.

Alle der Kommission bekannten Unionshersteller und Verbände von Unionsherstellern werden von ihr darüber in Kenntnis gesetzt, welche Unternehmen für die endgültige Stichprobe ausgewählt wurden.

Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen die Unionshersteller, die für die Stichprobe ausgewählt wurden, binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über ihre Einbeziehung in die Stichprobe einen ausgefüllten Fragebogen übermitteln.

Der Fragebogen für ausführende Unionshersteller steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel zur Verfügung: https://tron.trade.ec.europa.eu/investigations/case-view?caseId=2613

6.5.    Verfahren zur Prüfung des Unionsinteresses

Sollten Dumping und eine dadurch verursachte Schädigung festgestellt werden, ist nach Artikel 21 der Grundverordnung zu entscheiden, ob die Einführung von Antidumpingmaßnahmen dem Unionsinteresse zuwiderlaufen würde. Die Unionshersteller, die Einführer und ihre repräsentativen Verbände, die Verwender und ihre repräsentativen Verbände, die Gewerkschaften sowie repräsentative Verbraucherorganisationen werden gebeten, der Kommission Informationen dazu zu übermitteln, ob die Einführung von Maßnahmen dem Unionsinteresse zuwiderlaufen würde. Um bei der Untersuchung mitarbeiten zu können, müssen die repräsentativen Verbraucherorganisationen nachweisen, dass ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu untersuchenden Ware besteht.

Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen die Informationen zur Bewertung des Unionsinteresses binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung übermittelt werden. Diese Angaben können entweder in einem frei gewählten Format oder in einem von der Kommission erstellten Fragebogen gemacht werden. Die Fragebogen, darunter auch der Fragebogen für Verwender der zu untersuchenden Ware, stehen in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel https://tron.trade.ec.europa.eu/investigations/case-view?caseId=2613 zur Verfügung. Nach Artikel 21 der Grundverordnung übermittelte Informationen werden nur dann berücksichtigt, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Übermittlung durch Beweise belegt sind.

6.6.    Interessierte Parteien

Um bei der Untersuchung mitarbeiten zu können, müssen interessierte Parteien wie ausführende Hersteller, Unionshersteller, Einführer und ihre repräsentativen Verbände, Verwender und ihre repräsentativen Verbände, Gewerkschaften sowie repräsentative Verbraucherorganisationen nachweisen, dass ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu untersuchenden Ware besteht.

Ausführende Hersteller, Unionshersteller, Einführer und repräsentative Verbände, die Informationen nach den Verfahren der Abschnitte 6.3.1, 6.3.3, 6.4 und 6.5 zur Verfügung gestellt haben, gelten als interessierte Parteien, wenn ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu untersuchenden Ware besteht.

Andere Parteien können erst dann als interessierte Partei bei der Untersuchung mitarbeiten, wenn sie sich bei der Kommission gemeldet haben, und nur dann, wenn ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu untersuchenden Ware besteht. Die Einstufung als interessierte Partei gilt unbeschadet der Anwendung des Artikels 18 der Grundverordnung.

Der Zugang zu dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier erfolgt über TRON.tdi unter folgender Adresse: https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/TDI. Um Zugang zu erhalten, folgen Sie bitte den Anweisungen auf dieser Seite (14).

6.7.    Möglichkeit der Anhörung durch die untersuchenden Kommissionsdienststellen

Jede interessierte Partei kann eine Anhörung durch die untersuchenden Kommissionsdienststellen beantragen.

Der entsprechende Antrag ist schriftlich zu stellen und zu begründen; er muss ferner eine Zusammenfassung der Punkte enthalten, die die interessierte Partei während der Anhörung erörtern möchte. Die Anhörung ist auf die von den interessierten Parteien im Voraus schriftlich dargelegten Punkte beschränkt.

Für die Anhörungen gilt folgender Zeitrahmen:

Anhörungen, die vor Ablauf der Frist für die Einführung vorläufiger Maßnahmen stattfinden sollen, sollten binnen 15 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung beantragt werden. Die Anhörung findet in der Regel binnen 60 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung statt.

Nach dem Stadium der vorläufigen Feststellungen sollten Anträge binnen 5 Tagen nach dem Datum der Unterrichtung über die vorläufigen Feststellungen oder des Informationspapiers gestellt werden. Die Anhörung findet in der Regel binnen 15 Tagen nach der Mitteilung bezüglich des Unterrichtungsdokuments oder dem Datum des Informationspapiers statt.

Im Stadium der endgültigen Feststellungen sollten Anträge binnen 3 Tagen nach dem Datum der Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen gestellt werden. Die Anhörung findet in der Regel innerhalb der Frist für Stellungnahmen zur endgültigen Unterrichtung statt. Im Falle einer weiteren Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen sollten Anträge unmittelbar nach Erhalt dieses weiteren Unterrichtungsdokuments gestellt werden. Die Anhörung findet in der Regel innerhalb der Frist für Stellungnahmen zu dieser Unterrichtung statt.

Der genannte Zeitrahmen berührt nicht das Recht der Kommissionsdienststellen, in hinreichend begründeten Fällen auch Anhörungen außerhalb des jeweils genannten Zeitrahmens zu akzeptieren und in hinreichend begründeten Fällen Anhörungen zu verweigern. Wird ein Antrag auf Anhörung von den Kommissionsdienststellen abgelehnt, werden der betreffenden Partei die Gründe für die Ablehnung mitgeteilt.

Grundsätzlich können die Anhörungen nicht zur Darlegung von Sachinformationen genutzt werden, die noch nicht im Dossier enthalten sind. Im Interesse einer guten Verwaltung und um die Kommissionsdienststellen in die Lage zu versetzen, bei der Untersuchung voranzukommen, können die interessierten Parteien nach einer Anhörung jedoch aufgefordert werden, neue Sachinformationen vorzulegen.

6.8.    Schriftliche Beiträge, Übermittlung ausgefüllter Fragebogen und Schriftwechsel

Der Kommission für die Zwecke von Handelsschutzuntersuchungen vorgelegte Angaben müssen frei von Urheberrechten sein. Bevor interessierte Parteien der Kommission Angaben und/oder Daten vorlegen, für die Urheberrechte Dritter gelten, müssen sie vom Urheberrechtsinhaber eine spezifische Genehmigung einholen, die es der Kommission ausdrücklich gestattet, a) die Angaben und Daten für die Zwecke dieses Handelsschutzverfahrens zu verwenden und b) den an dieser Untersuchung interessierten Parteien die Angaben und/oder Daten so vorzulegen, dass sie ihre Verteidigungsrechte wahrnehmen können.

Alle von interessierten Parteien übermittelten schriftlichen Beiträge, die vertraulich behandelt werden sollen, müssen den Vermerk „Sensitive“ (15) (zur vertraulichen Behandlung) tragen; dies gilt auch für entsprechende mit dieser Bekanntmachung angeforderte Informationen, ausgefüllte Fragebogen und sonstige Schreiben. Parteien, die im Laufe der Untersuchung Informationen vorlegen, werden gebeten, ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung zu begründen.

Parteien, die Informationen mit dem Vermerk „Sensitive“ übermitteln, müssen nach Artikel 19 Absatz 2 der Grundverordnung eine nichtvertrauliche Zusammenfassung vorlegen, die den Vermerk „For inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien) trägt. Diese Zusammenfassung sollte so ausführlich sein, dass sie ein angemessenes Verständnis des wesentlichen Inhalts der vertraulichen Informationen ermöglicht.

Kann eine Partei, die vertrauliche Informationen vorlegt, ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung nicht triftig begründen oder legt sie keine nichtvertrauliche Zusammenfassung der Informationen im vorgeschriebenen Format und in der vorgeschriebenen Qualität vor, so kann die Kommission solche Informationen unberücksichtigt lassen, sofern nicht anhand geeigneter Quellen in zufriedenstellender Weise nachgewiesen wird, dass die Informationen richtig sind.

Interessierte Parteien werden gebeten, alle Beiträge und Anträge, darunter auch Anträge auf Registrierung als interessierte Partei, gescannte Vollmachten und Bescheinigungen, über TRON.tdi (https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/TDI) zu übermitteln. Mit der Verwendung von TRON.tdi oder E-Mail erklären sich die interessierten Parteien mit den Regeln für die elektronische Übermittlung von Unterlagen im Leitfaden zum „SCHRIFTWECHSEL MIT DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION BEI HANDELSSCHUTZUNTERSUCHUNGEN“ einverstanden, der auf der Website der GD Handel veröffentlicht ist: https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/june/tradoc_152566.pdf. Die interessierten Parteien müssen ihren Namen sowie ihre Anschrift, Telefonnummer und eine gültige E-Mail-Adresse angeben und sollten sicherstellen, dass die genannte E-Mail-Adresse zu einer aktiven offiziellen Mailbox führt, die täglich eingesehen wird. Hat die Kommission die Kontaktdaten erhalten, so kommuniziert sie ausschließlich über TRON.tdi oder per E-Mail mit den interessierten Parteien, es sei denn, diese wünschen ausdrücklich, alle Unterlagen von der Kommission auf einem anderen Kommunikationsweg zu erhalten, oder die Art der Unterlage macht den Versand per Einschreiben erforderlich. Weitere Regeln und Informationen bezüglich des Schriftverkehrs mit der Kommission, einschließlich der Grundsätze für Übermittlungen über TRON.tdi oder per E-Mail, können dem genannten Leitfaden für interessierte Parteien entnommen werden.

Postanschrift der Kommission:

Europäische Kommission

Generaldirektion Handel

Direktion G

Büro: CHAR 04/039

1049 Bruxelles/Brussel

BELGIQUE/BELGIË

E- Mail: TRADE-AD690-HTYP-DUMPING@ec.europa.eu

TRADE-AD690-HTYP-INJURY@ec.europa.eu

7.   Zeitplan für die Untersuchung

Im Einklang mit Artikel 6 Absatz 9 der Grundverordnung wird die Untersuchung in der Regel binnen 13 Monaten, spätestens jedoch binnen 14 Monaten nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung abgeschlossen. Nach Artikel 7 Absatz 1 der Grundverordnung können vorläufige Maßnahmen eingeführt werden, und zwar im Normalfall spätestens 7 Monate, allerspätestens jedoch 8 Monate nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung.

Im Einklang mit Artikel 19a der Grundverordnung erteilt die Kommission 4 Wochen vor der Einführung vorläufiger Maßnahmen Auskünfte über die geplante Einführung der vorläufigen Zölle. Den interessierten Parteien werden 3 Arbeitstage eingeräumt, um schriftlich zur Richtigkeit der Berechnungen Stellung zu nehmen.

Falls die Kommission beabsichtigt, keine vorläufigen Zölle einzuführen, die Untersuchung aber fortzusetzen, werden die interessierten Parteien mittels eines Informationspapiers 4 Wochen vor Ablauf der Frist nach Artikel 7 Absatz 1 der Grundverordnung von der Nichteinführung der Zölle in Kenntnis gesetzt.

Sofern nichts anderes bestimmt ist, werden den interessierten Parteien 15 Tage eingeräumt, um schriftlich zu den vorläufigen Feststellungen oder zum Informationspapier Stellung zu nehmen, und 10 Tage, um schriftlich zu den endgültigen Feststellungen Stellung zu nehmen. Gegebenenfalls wird in weiteren Unterrichtungen über die endgültigen Feststellungen die Frist angegeben, in der interessierte Parteien schriftlich dazu Stellung nehmen können.

8.   Überprüfung der Maßnahmen

Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1105/2010 des Rates wurde ein endgültiger Antidumpingzoll gegenüber den Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China, die derzeit unter dem KN-Code ex 5402 20 00 (TARIC-Code 5402 2000 10) eingereiht werden, eingeführt. Der Wertzollsatz lag für Zhejiang Hailide New Material Co. Ltd bei 0 %.

Vor dem Hintergrund des Berichts des WTO-Rechtsmittelgremiums in der Sache „Mexiko – Rindfleisch und Reis“ (16) ist die Aufrechterhaltung der mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1105/2010 des Rates gegenüber Zhejiang Hailide New Material Co. Ltd eingeführten Maßnahmen nicht mehr angemessen, und die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1105/2010 sollte dementsprechend geändert werden. Daher sollte eine Überprüfung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1105/2010 eingeleitet werden, um Änderungen, die vor dem Hintergrund des Berichts des Rechtsmittelgremiums in der Sache „Mexiko – Rindfleisch und Reis“ notwendig sind, zu ermöglichen.

Die Kommission leitet daher gemäß Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2015/476 eine Überprüfung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1105/2010 ein.

9.   Vorlage von Informationen

In der Regel können interessierte Parteien nur innerhalb der in den Abschnitten 5 und 6 dieser Bekanntmachung angegebenen Fristen Informationen vorlegen. Bei der Vorlage sonstiger, nicht unter diese Abschnitte fallender Informationen sollte folgender Zeitrahmen eingehalten werden:

Sofern nichts anderes bestimmt ist, sollten Informationen für das Stadium der vorläufigen Feststellungen binnen 70 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung vorgelegt werden.

Sofern nichts anderes bestimmt ist, sollten interessierte Parteien nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zur Unterrichtung über die vorläufigen Feststellungen oder zum Informationspapier im Stadium der vorläufigen Feststellungen keine neuen Sachinformationen vorlegen. Nach Ablauf dieser Frist können interessierte Parteien nur dann neue Sachinformationen vorlegen, wenn sie nachweisen können, dass diese neuen Sachinformationen erforderlich sind, um Tatsachenbehauptungen anderer interessierter Parteien zu widerlegen, und wenn diese neuen Sachinformationen außerdem innerhalb der für den rechtzeitigen Abschluss der Untersuchung zur Verfügung stehenden Zeit überprüft werden können.

Um die Untersuchung innerhalb der vorgeschriebenen Fristen abzuschließen, nimmt die Kommission nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zur endgültigen Unterrichtung bzw. gegebenenfalls nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zur weiteren Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen keine Beiträge der interessierten Parteien mehr an.

10.   Möglichkeit, zu den Beiträgen anderer Parteien Stellung zu nehmen

Zur Wahrung der Verteidigungsrechte sollten die interessierten Parteien die Möglichkeit haben, sich zu den von anderen interessierten Parteien vorgelegten Informationen zu äußern. Dabei dürfen die interessierten Parteien nur auf die in den Beiträgen der anderen interessierten Parteien vorgebrachten Punkte eingehen und keine neuen Punkte ansprechen.

Diese Stellungnahmen sollten innerhalb des folgenden Zeitrahmens abgegeben werden:

Sofern nichts anderes bestimmt ist, sollten Stellungnahmen zu Informationen, die von anderen interessierten Parteien vor Ablauf der Frist für die Einführung vorläufiger Maßnahmen vorgelegt wurden, spätestens am 75. Tag nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung abgegeben werden.

Stellungnahmen zu Informationen, die von anderen interessierten Parteien auf die Unterrichtung über die vorläufigen Feststellungen oder das Informationspapier hin vorgelegt wurden, sollten, sofern nichts anderes bestimmt ist, binnen 7 Tagen nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zu den vorläufigen Feststellungen oder zum Informationspapier abgegeben werden.

Stellungnahmen zu Informationen, die von anderen interessierten Parteien auf die endgültige Unterrichtung hin vorgelegt wurden, sollten, sofern nichts anderes bestimmt ist, binnen 3 Tagen nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zu der endgültigen Unterrichtung abgegeben werden. Im Falle einer weiteren Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen sollten Stellungnahmen zu Informationen, die von anderen interessierten Parteien auf diese Unterrichtung hin vorgelegt wurden, spätestens am Tag nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zu dieser Unterrichtung abgegeben werden, sofern nichts anderes bestimmt ist.

Der genannte Zeitrahmen berührt nicht das Recht der Kommission, in hinreichend begründeten Fällen zusätzliche Informationen von den interessierten Parteien anzufordern.

11.   Verlängerung der in dieser Bekanntmachung vorgesehenen Fristen

Verlängerungen der in dieser Bekanntmachung vorgesehenen Fristen sollten nur in Ausnahmefällen beantragt werden und werden nur bei Nachweis eines wichtigen Grundes gewährt.

In jedem Fall sind Verlängerungen von Fristen für die Beantwortung der Fragebogen normalerweise auf 3 Tage begrenzt; grundsätzlich werden höchstens 7 Tage gewährt.

In Bezug auf die Fristen für die Vorlage anderer Informationen nach dieser Bekanntmachung sind Verlängerungen auf 3 Tage begrenzt, sofern nicht nachgewiesen wird, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

12.   Mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit

Verweigern interessierte Parteien den Zugang zu den erforderlichen Informationen oder erteilen sie diese nicht fristgerecht oder behindern sie die Untersuchung erheblich, so können nach Artikel 18 der Grundverordnung vorläufige oder endgültige positive oder negative Feststellungen auf der Grundlage der verfügbaren Informationen getroffen werden.

Wird festgestellt, dass eine interessierte Partei unwahre oder irreführende Informationen vorgelegt hat, so können diese Informationen unberücksichtigt bleiben; stattdessen können die verfügbaren Informationen zugrunde gelegt werden.

Arbeitet eine interessierte Partei nicht oder nur eingeschränkt mit und stützen sich die Feststellungen daher nach Artikel 18 der Grundverordnung auf die verfügbaren Informationen, so kann dies zu einem Ergebnis führen, das für diese Partei ungünstiger ist, als wenn sie mitgearbeitet hätte.

Werden die Antworten nicht elektronisch übermittelt, so gilt dies nicht als mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit, sofern die interessierte Partei darlegt, dass die Übermittlung der Antwort in der gewünschten Form die interessierte Partei über Gebühr zusätzlich belasten würde oder mit unangemessenen zusätzlichen Kosten verbunden wäre. In diesem Fall sollte die interessierte Partei unverzüglich mit der Kommission Kontakt aufnehmen.

13.   Anhörungsbeauftragte

Interessierte Parteien können sich an die Anhörungsbeauftragte für Handelsverfahren wenden. Sie befasst sich mit Anträgen auf Zugang zum Dossier, Streitigkeiten über die Vertraulichkeit von Unterlagen, Anträgen auf Fristverlängerung und sonstigen Anträgen in Bezug auf die Verteidigungsrechte der interessierten Parteien oder von Dritten, die sich während des Verfahrens ergeben.

Die Anhörungsbeauftragte kann Anhörungen ansetzen und vermittelnd zwischen interessierten Parteien und den Dienststellen der Kommission tätig werden, um zu gewährleisten, dass die interessierten Parteien ihre Verteidigungsrechte umfassend wahrnehmen können. Eine Anhörung durch die Anhörungsbeauftragte ist schriftlich zu beantragen und zu begründen. Die Anhörungsbeauftragte prüft die Gründe, aus denen der jeweilige Antrag gestellt wird. Solche Anhörungen sollten nur stattfinden, wenn die Fragen nicht zeitnah mit den Dienststellen der Kommission geklärt wurden.

Interessierte Parteien werden gebeten, die in Abschnitt 6.7 dieser Bekanntmachung angegebenen Fristen auch in Bezug auf Interventionen der Anhörungsbeauftragten, einschließlich Anhörungen, einzuhalten. Alle Anträge sind frühzeitig zu stellen, um die geordnete Abwicklung des Verfahrens nicht zu gefährden. Zu diesem Zweck sollten interessierte Parteien die Anhörungsbeauftragte zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Eintritt des Ereignisses, das ein Tätigwerden ihrerseits rechtfertigt, um eine Intervention ersuchen. Die Anhörungsbeauftragte prüft die Gründe für Anträge auf ihre Intervention, die Art der aufgeworfenen Probleme und die Auswirkungen dieser Probleme auf die Verteidigungsrechte, wobei den Interessen einer guten Verwaltung und dem fristgerechten Abschluss der Untersuchung gebührend Rechnung getragen wird.

Weiterführende Informationen und Kontaktdaten können interessierte Parteien den Webseiten der Anhörungsbeauftragten im Internet-Auftritt der GD Handel entnehmen: http://ec.europa.eu/trade/trade-policy-and-you/contacts/hearing-officer/.

14.   Verarbeitung personenbezogener Daten

Alle im Rahmen dieser Untersuchung erhobenen personenbezogenen Daten werden nach der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (17) verarbeitet.

Ein Vermerk zum Datenschutz, mit dem alle natürlichen Personen über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der handelspolitischen Schutzmaßnahmen der Kommission unterrichtet werden, ist auf der Website der GD Handel abrufbar: http://ec.europa.eu/trade/policy/accessing-markets/trade-defence/.


(1)  ABl. L 176 vom 30.6.2016, S. 21.

(2)  Der allgemeine Begriff „Schädigung“ im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 der Grundverordnung bedeutet, dass ein Wirtschaftszweig der Union bedeutend geschädigt wird oder geschädigt zu werden droht oder dass die Errichtung eines Wirtschaftszweigs der Union erheblich verzögert wird.

(3)  Bezugnahmen auf die Veröffentlichung dieser Bekanntmachung sind als Bezugnahmen auf die Veröffentlichung dieser Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zu verstehen.

(4)  ABl. L 49 vom 25.2.2017, S. 6.

(5)  ABl. L 167 vom 30.6.2017, S. 31.

(6)  ABl. C 87 vom 23.2.2022, S. 2.

(7)  Commission Staff Working Document on Significant Distortions in the Economy of the People’s Republic of China for the Purposes of Trade Defence Investigations vom 20. Dezember 2017, SWD(2017) 483 final/2, abrufbar unter: https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2017/december/tradoc_156474.pdf

(8)  Im Länderbericht zitierte Dokumente sind auf hinreichend begründeten Antrag ebenfalls erhältlich.

(9)  Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1105/2010 des Rates vom 29. November 2010 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China und zur Einstellung des Verfahrens betreffend die Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Republik Korea und in Taiwan (ABl. L 315 vom 1.12.2010, S. 1).

(10)  Bekanntmachung über die Folgen des Ausbruchs des COVID-19 (Coronavirus) für Antidumping- und Antisubventionsuntersuchungen (ABl. C 86 vom 16.3.2020, S. 6).

(11)  Ein ausführender Hersteller ist ein Unternehmen im betroffenen Land, das die zu untersuchende Ware herstellt und in die Union ausführt, entweder direkt oder über einen Dritten, auch über ein verbundenes Unternehmen, das an der Herstellung, den Inlandsverkäufen oder der Ausfuhr der zu untersuchenden Ware beteiligt ist.

(12)  Dieser Abschnitt betrifft nur Einführer, die nicht mit ausführenden Herstellern verbunden sind. Einführer, die mit ausführenden Herstellern verbunden sind, müssen Anlage I des Fragebogens für die betreffenden ausführenden Hersteller ausfüllen. Nach Artikel 127 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union gelten zwei Personen als verbunden, wenn a) sie leitende Angestellte oder Direktoren im Unternehmen der anderen Person sind, b) sie Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften sind, c) sie sich in einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis zueinander befinden, d) eine dritte Person unmittelbar oder mittelbar 5 % oder mehr der im Umlauf befindlichen stimmberechtigten Anteile oder Aktien beider Personen besitzt, kontrolliert oder hält, e) eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar die andere kontrolliert, f) beide von ihnen unmittelbar oder mittelbar von einer dritten Person kontrolliert werden, g) sie beide zusammen unmittelbar oder mittelbar eine dritte Person kontrollieren oder h) sie Mitglieder derselben Familie sind (ABl. L 343 vom 29.12.2015, S. 558). Personen werden nur dann als Mitglieder derselben Familie angesehen, wenn sie in einem der folgenden Verwandtschaftsverhältnisse zueinander stehen: i) Ehegatten, ii) Eltern und Kind, iii) Geschwister (auch Halbgeschwister), iv) Großeltern und Enkel, v) Onkel oder Tante und Neffe oder Nichte, vi) Schwiegereltern und Schwiegersohn oder Schwiegertochter, vii) Schwäger und Schwägerinnen. Nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union ist eine „Person“ eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personenvereinigung, die keine juristische Person ist, die jedoch nach Unionsrecht oder nach einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit hat, im Rechtsverkehr wirksam aufzutreten (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1).

(13)  Die von unabhängigen Einführern vorgelegten Daten können im Rahmen dieser Untersuchung auch zu anderen Zwecken als zur Dumpingermittlung herangezogen werden.

(14)  Bei technischen Problemen wenden Sie sich bitte per E-Mail (trade-service-desk@ec.europa.eu) oder telefonisch (Tel. + 32 2°297 97 97) an den Trade Service Desk.

(15)  Eine Unterlage mit dem Vermerk „Sensitive“ gilt als vertraulich im Sinne des Artikels 19 der Grundverordnung und des Artikels 6 des WTO-Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 (Antidumping-Übereinkommen). Sie ist ferner nach Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43) geschützt.

(16)  Mexico — Definitive Anti-dumping Measures on Beef and Rice, Report of the Appellate Body, WT/DS295/AB/R, 29. November 2005.

(17)  Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).


ANHANG

„Sensitive version“ (zur vertraulichen Behandlung)

„Version for inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien)

(Zutreffendes bitte ankreuzen)

ANTIDUMPINGVERFAHREN BETREFFEND DIE EINFUHREN HOCHFESTER GARNE AUS POLYESTERN MIT URSPRUNG IN DER VOLKSREPUBLIK CHINA

INFORMATIONEN FÜR DIE AUSWAHL DER STICHPROBE DER UNABHÄNGIGEN EINFÜHRER

Dieses Formular soll unabhängigen Einführern dabei helfen, die unter Abschnitt 6.3.3 der Einleitungsbekanntmachung angeforderten Informationen zur Stichprobenauswahl bereitzustellen.

Beide Fassungen, die „Sensitive version“ (zur vertraulichen Behandlung) und die „Version for inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien), sollten nach Maßgabe der Angaben in der Einleitungsbekanntmachung an die Kommission zurückgesandt werden.

1.   NAME UND KONTAKTDATEN

Machen Sie bitte folgende Angaben zu Ihrem Unternehmen:

Name des Unternehmens

 

Anschrift

 

Kontaktperson

 

E-Mail:

 

Telefon

 

2.   UMSATZ UND VERKAUFSMENGE

Geben Sie für den Untersuchungszeitraum bitte Folgendes an: den Gesamtumsatz des Unternehmens in EUR und — für die zu untersuchende Ware im Sinne der Einleitungsbekanntmachung — den Wert der Einfuhren und der Weiterverkäufe auf dem Unionsmarkt nach der Einfuhr aus der Volksrepublik China in EUR sowie die entsprechende Menge in Tonnen.

 

Menge (in Tonnen)

Wert in Euro (EUR)

Gesamtumsatz Ihres Unternehmens (in EUR)

 

 

Einfuhren der zu untersuchenden Ware mit Ursprung in der Volksrepublik China

 

 

Einfuhren der zu untersuchenden Ware (jeglichen Ursprungs)

 

 

Weiterverkäufe der zu untersuchenden Ware auf dem Unionsmarkt nach der Einfuhr aus der Volksrepublik China

 

 

3.   GESCHÄFTSTÄTIGKEITEN IHRES UNTERNEHMENS UND DER VERBUNDENEN UNTERNEHMEN (1)

Bitte machen Sie Angaben zu den genauen Geschäftstätigkeiten des Unternehmens und aller verbundenen Unternehmen (bitte auflisten und Art der Verbindung mit Ihrem Unternehmen angeben), die an Herstellung und/oder Verkauf (im Inland und/oder zur Ausfuhr) der zu untersuchenden Ware beteiligt sind. Zu diesen Tätigkeiten könnten unter anderem der Einkauf der zu untersuchenden Ware oder ihre Herstellung im Rahmen von Unterauftragsvereinbarungen, ihre Verarbeitung oder der Handel mit ihr gehören.

Name und Standort des Unternehmens

Geschäftstätigkeiten

Art der Verbindung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.   SONSTIGE ANGABEN

Bitte machen Sie sonstige sachdienliche Angaben, die der Kommission aus der Sicht Ihres Unternehmens bei der Stichprobenbildung von Nutzen sein könnten.

5.   ERKLÄRUNG

Mit der Übermittlung der genannten Angaben erklärt sich das Unternehmen mit seiner etwaigen Einbeziehung in die Stichprobe einverstanden. Wird das Unternehmen in die Stichprobe einbezogen, muss es einen Fragebogen ausfüllen und einem Besuch in seinen Betriebsstätten zustimmen, welcher der Überprüfung seiner Angaben dient. Verweigert ein Unternehmen die etwaige Einbeziehung in die Stichprobe, wird es bei dieser Untersuchung als nicht mitarbeitendes Unternehmen geführt. Die Kommission trifft die Feststellungen in Bezug auf nicht mitarbeitende Einführer auf der Grundlage der verfügbaren Informationen; dies kann zu einem Ergebnis führen, das für das betreffende Unternehmen ungünstiger ist, als wenn es mitgearbeitet hätte.

Unterschrift des/der Bevollmächtigten:

Name und Funktion des/der Bevollmächtigten:

Datum:


(1)  Nach Artikel 127 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union gelten zwei Personen als verbunden, wenn a) sie leitende Angestellte oder Direktoren im Unternehmen der anderen Person sind, b) sie Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften sind, c) sie sich in einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis zueinander befinden, d) eine dritte Person unmittelbar oder mittelbar 5 % oder mehr der im Umlauf befindlichen stimmberechtigten Anteile oder Aktien beider Personen besitzt, kontrolliert oder hält, e) eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar die andere kontrolliert, f) beide von ihnen unmittelbar oder mittelbar von einer dritten Person kontrolliert werden, g) sie beide zusammen unmittelbar oder mittelbar eine dritte Person kontrollieren oder h) sie Mitglieder derselben Familie sind (ABl. L 343 vom 29.12.2015, S. 558). Personen werden nur dann als Mitglieder derselben Familie angesehen, wenn sie in einem der folgenden Verwandtschaftsverhältnisse zueinander stehen: i) Ehegatten, ii) Eltern und Kind, iii) Geschwister (auch Halbgeschwister), iv) Großeltern und Enkel, v) Onkel oder Tante und Neffe oder Nichte, vi) Schwiegereltern und Schwiegersohn oder Schwiegertochter, vii) Schwäger und Schwägerinnen. Nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union ist eine „Person“ eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personenvereinigung, die keine juristische Person ist, die jedoch nach Unionsrecht oder nach einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit hat, im Rechtsverkehr wirksam aufzutreten (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1).


30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/119


Bekanntmachung der Einleitung einer Überprüfung wegen des bevorstehenden Außerkrafttretens der Antisubventionsmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von bestimmtem gestrichenem Feinpapier mit Ursprung in der Volksrepublik China

(2022/C 248/09)

Nach Veröffentlichung der Bekanntmachung des bevorstehenden Außerkrafttretens (1) der Antisubventionsmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von bestimmtem gestrichenem Feinpapier mit Ursprung in der Volksrepublik China (im Folgenden „VR China“ oder „betroffenes Land“) ging bei der Europäischen Kommission (im Folgenden „Kommission“) ein Antrag auf Einleitung einer Überprüfung nach Artikel 18 der Verordnung (EU) 2016/1037 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern (2) (im Folgenden „Grundverordnung“) ein.

1.   Überprüfungsantrag

Der Antrag wurde am 31. März 2022 von Arctic Paper Grycksbo AB, Burgo Group SpA, Fedrigoni SpA, Lecta Group und Sappi Europe SA (im Folgenden die „Antragsteller“) gestellt. Der Antrag wurde vom Wirtschaftszweig der Union für bestimmtes gestrichenes Feinpapier im Sinne des Artikels 10 Absatz 6 der Grundverordnung gestellt.

Eine allgemein einsehbare Fassung des Antrags und die Analyse, inwieweit der Antrag von den Unionsherstellern unterstützt wird, sind in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier verfügbar. Abschnitt 5.6 dieser Bekanntmachung enthält Informationen über den Zugang zum Dossier für interessierte Parteien.

2.   Zu überprüfende Ware

Bei der zu überprüfenden Ware handelt es sich um gestrichenes Feinpapier, d. h. Papiere oder Pappen, ein- oder beidseitig gestrichen, ohne Kraftpapiere und -pappen, in Rollen oder Bogen mit einem Quadratmetergewicht von mindestens 70 g und höchstens 400 g und einem Weißgrad von mehr als 84 % (gemessen nach ISO 2470-1) („zu überprüfende Ware“).

Zur zu überprüfenden Ware gehören nicht:

Rollenware für Rotationsdruckmaschinen. Rollenware für Rotationsdruckmaschinen ist definiert als Papier, das bei Prüfung nach der Prüfnorm ISO 3783:2006 (Bestimmung der Rupffestigkeit — beschleunigtes Verfahren mit dem IGT-Prüfgerät (elektrische Ausführung)) einen Wert von unter 30 N/m in Querrichtung und von unter 50 N/m in Laufrichtung erzielt.

Multiplexpapier und Multiplexpappe.

Die zu überprüfende Ware wird derzeit unter den KN-Codes ex 4810 13 00, ex 4810 14 00, ex 4810 19 00, ex 4810 22 00, ex 4810 29 30, ex 4810 29 80, ex 4810 99 10 und ex 4810 99 80 (TARIC-Codes 4810130020, 4810140020, 4810190020, 4810220020, 4810293020, 4810298020, 4810991020 und 4810998020) eingereiht. Die KN- und TARIC-Codes werden nur informationshalber angegeben; mögliche Änderungen der Codes in künftigen Phasen des Verfahrens bleiben davon unberührt.

3.   Geltende Maßnahmen

Bei den derzeit geltenden Maßnahmen handelt es sich um endgültige Antisubventionszölle, die mit der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1187 der Kommission (3) eingeführt wurden.

4.   Gründe für die Überprüfung

Der Antrag wurde damit begründet, dass bei Außerkrafttreten der Maßnahmen mit einem Anhalten oder erneuten Auftreten der Subventionierung und einem erneuten Auftreten der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union zu rechnen sei.

4.1    Behauptung der Wahrscheinlichkeit eines Anhaltens oder erneuten Auftretens der Subventionierung

Die Antragsteller haben hinreichende Beweise dafür vorgelegt, dass die Hersteller der zu überprüfenden Ware im betroffenen Land Subventionen der Regierung der VR China sowie regionaler und lokaler Regierungen Chinas erhalten haben und weiterhin erhalten dürften.

Die Antragsteller quantifizierten die derzeitige Höhe der Subventionierung nicht für alle Subventionen genau. Aus den im Antrag enthaltenen Beweisen geht jedoch hervor, dass die Höhe der Subventionierung nach wie vor erheblich ist und über der Geringfügigkeitsgrenze liegt.

Bei den mutmaßlichen Subventionierungspraktiken handelt es sich unter anderem um i) einen direkten Transfer von Geldern, ii) den Verzicht auf Einnahmen bzw. die Nichterhebung von Abgaben durch die Regierung, iii) die Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen durch die Regierung zu einem geringeren als dem angemessenen Entgelt und iv) Zahlungen an einen Fördermechanismus oder die Betrauung einer privaten Einrichtung mit der Wahrnehmung einer oder mehrerer der genannten Aufgaben bzw. die Erteilung entsprechender Anweisungen an eine private Einrichtung. Die Antragsteller führten unter anderem Darlehen zu Sonderbedingungen, Zuschüsse, Befreiungen von direkten Steuern und die Bereitstellung von Land durch die Regierung zu einem geringeren als dem angemessenen Entgelt ins Treffen. Einige der angeführten Subventionierungspraktiken wurden bereits in der Ausgangsuntersuchung angefochten, während es sich bei anderen um zusätzliche oder neue Subventionen handelt, die in der Ausgangsuntersuchung nicht geprüft wurden.

Die Antragsteller brachten vor, dass es sich bei den beschriebenen Maßnahmen um Subventionen handele, da sie eine finanzielle Beihilfe der Regierung oder regionaler und lokaler Regierungen oder öffentlicher Körperschaften des betroffenen Landes beinhalteten und den Herstellern der zu überprüfenden Ware einen Vorteil verschafften. Diese Subventionen seien spezifisch, da sie auf bestimmte Unternehmen und/oder Regionen beschränkt seien und/oder von der Ausfuhrleistung abhängig seien. Folglich seien sie anfechtbar im Sinne des Artikels 4 der Grundverordnung.

Vor dem Hintergrund des Artikels 18 Absatz 2 der Grundverordnung erstellte die Kommission einen Vermerk über die Hinlänglichkeit der Beweise mit einer Bewertung aller ihr vorliegenden Beweise; auf dieser Grundlage leitet die Kommission die jetzige Untersuchung ein. Der Vermerk ist in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier enthalten.

Die Kommission behält sich das Recht vor, andere relevante Subventionierungspraktiken zu untersuchen, die möglicherweise im Laufe der Untersuchung bekannt werden.

4.2    Behauptung der Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens der Schädigung

Laut den Antragstellern ist auch ein erneutes Auftreten der Schädigung durch Einfuhren aus dem betroffenen Land wahrscheinlich. Diesbezüglich legten die Antragsteller genügend Beweise vor, wonach die Einfuhren der zu überprüfenden Ware aus dem betroffenen Land in die Union im Falle eines Außerkrafttretens der Maßnahmen zunehmen dürften, weil die ausführenden Hersteller im betroffenen Land über ein erhebliches Maß an ungenutzten Produktionskapazitäten verfügen. Dies ist auch auf die Attraktivität des Unionsmarktes aufgrund seiner Größe zurückzuführen.

Die Antragsteller führten ferner an, die Beseitigung der Schädigung sei in erster Linie auf die geltenden Maßnahmen zurückzuführen; sollten – bei einem Außerkrafttreten der Maßnahmen – die Einfuhren zu subventionierten Preisen aus dem betroffenen Land steigen, so würde der Wirtschaftszweig der Union wahrscheinlich erneut geschädigt.

5.   Verfahren

Die Kommission kam nach Anhörung des in Artikel 25 Absatz 1 der Grundverordnung genannten Ausschusses zu dem Schluss, dass genügend Beweise dafür vorliegen, dass mit einer Subventionierung und einer Schädigung zu rechnen ist, sodass die Einleitung einer Auslaufüberprüfung gerechtfertigt ist; sie leitet daher eine Überprüfung nach Artikel 18 der Grundverordnung ein.

Bei der Auslaufüberprüfung wird untersucht, ob damit zu rechnen ist, dass bei einem Außerkrafttreten der Maßnahmen die Subventionierung der zu überprüfenden Ware mit Ursprung in dem betroffenen Land anhält oder erneut auftritt und der Wirtschaftszweig der Union weiter bzw. erneut geschädigt wird.

Der Regierung des betroffenen Landes wurden nach Artikel 10 Absatz 7 der Grundverordnung Konsultationen angeboten.

Die Kommission weist die Parteien außerdem auf die veröffentlichte Bekanntmachung über die Folgen des COVID-19-Ausbruchs für Antidumping- und Antisubventionsuntersuchungen (4) hin, die auf dieses Verfahren anwendbar sein könnte.

Die Kommission weist die Parteien ferner auf die parallel laufende Antidumpinguntersuchung hin, die dieselbe Ware betrifft (5). Die ausführenden Hersteller, der Wirtschaftszweig der Union und alle im Rahmen dieser Antidumpinguntersuchung interessierten Parteien werden gebeten, sich getrennt für diese Untersuchung registrieren zu lassen und die einschlägigen Informationen unabhängig von einer im Rahmen der Antidumpinguntersuchung möglicherweise bereits erfolgten Übermittlung von Informationen gemäß den in dieser Bekanntmachung festgelegten Modalitäten und Fristen vorzulegen. Informationen oder Stellungnahmen, die im Zusammenhang mit der Antidumpinguntersuchung übermittelt werden, werden bei dieser Untersuchung nicht automatisch berücksichtigt, und die Parteien müssen grundsätzlich alle Informationen zu dieser Untersuchung gesondert im Rahmen dieses Verfahrens übermitteln.

5.1    Untersuchungszeitraum der Überprüfung und Bezugszeitraum

Die Untersuchung bezüglich eines Anhaltens oder erneuten Auftretens der Subventionierung erstreckt sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2021 (im Folgenden „Untersuchungszeitraum der Überprüfung“). Die Untersuchung der Entwicklungen, die für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines Anhaltens oder erneuten Auftretens der Schädigung relevant sind, betrifft den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum Ende des Untersuchungszeitraums der Überprüfung (im Folgenden „Bezugszeitraum“).

5.2    Stellungnahmen zum Antrag und zur Einleitung der Untersuchung

Interessierte Parteien, die zum Antrag (zum Beispiel zu Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Schadensursache oder mit dem erneuten Auftreten der Schädigung) oder zu Aspekten im Zusammenhang mit der Einleitung der Untersuchung (zum Beispiel zu der Frage, inwieweit der Antrag unterstützt wird) Stellung nehmen möchten, müssen dies binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union (6) tun.

Anträge auf Anhörung, die die Einleitung der Untersuchung betreffen, müssen binnen 15 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung gestellt werden.

5.3    Verfahren zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit eines Anhaltens oder erneuten Auftretens der Subventionierung

Bei einer Auslaufüberprüfung untersucht die Kommission Ausfuhren, die im Untersuchungszeitraum der Überprüfung in die Union getätigt wurden, und prüft, unabhängig von den Ausfuhren in die Union, ob die Lage der Unternehmen, die die zu überprüfende Ware im betroffenen Land herstellen und verkaufen, sich so darstellt, dass bei einem Außerkrafttreten der Maßnahmen die Ausfuhren zu subventionierten Preisen in die Union fortgesetzt oder erneut getätigt werden dürften.

Daher werden alle Hersteller (7) der zu überprüfenden Ware aus dem betroffenen Land gebeten, bei der Untersuchung der Kommission mitzuarbeiten; dies gilt auch für diejenigen, die nicht bei den Untersuchungen mitgearbeitet haben, die zu den geltenden Maßnahmen führten.

5.3.1   Untersuchung der Hersteller im betroffenen Land

Da im betroffenen Land eine Vielzahl von Herstellern von dieser Auslaufüberprüfung betroffen sein dürfte und da es gilt, die Untersuchung fristgerecht abzuschließen, kann die Kommission die Zahl der zu untersuchenden Hersteller auf ein vertretbares Maß beschränken, indem sie eine Stichprobe bildet (im Folgenden „Stichprobenverfahren“). Das Stichprobenverfahren wird nach Artikel 27 der Grundverordnung durchgeführt.

Damit die Kommission über die Notwendigkeit eines Stichprobenverfahrens entscheiden und gegebenenfalls eine Stichprobe bilden kann, werden alle Hersteller oder die in ihrem Namen handelnden Vertreter hiermit gebeten, mit der Kommission Kontakt aufzunehmen und der Kommission binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung Angaben zu ihren Unternehmen vorzulegen; dies gilt auch für diejenigen, die nicht bei der Untersuchung mitgearbeitet haben, die zu den jetzt zur Überprüfung anstehenden Maßnahmen führte. Diese Angaben sind über TRON.tdi (https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/tdi/form/R776_SAMPLING_FORM_FOR_EXPORTINGPRODUCER) zu übermitteln.

Informationen zum Zugriff auf TRON enthalten die Abschnitte 5.6 und 5.9.

Die Kommission wird ferner mit den Behörden des betroffenen Landes sowie gegebenenfalls mit den ihr bekannten Herstellerverbänden im betroffenen Land Kontakt aufnehmen, um die Informationen einzuholen, die sie für die Auswahl der Herstellerstichprobe benötigt.

Ist die Bildung einer Stichprobe erforderlich, werden die Hersteller auf der Grundlage der größten repräsentativen Produktions-, Verkaufs- oder Ausfuhrmenge ausgewählt, die in der zur Verfügung stehenden Zeit in angemessener Weise untersucht werden kann. Alle der Kommission bekannten Hersteller, die Behörden des betroffenen Landes und die Herstellerverbände werden von der Kommission (gegebenenfalls über die Behörden des betroffenen Landes) darüber in Kenntnis gesetzt, welche Unternehmen für die Stichprobe ausgewählt wurden.

Sobald die Kommission die erforderlichen Informationen erhalten hat, um eine Herstellerstichprobe zu bilden, teilt sie den betroffenen Parteien mit, ob sie in die Stichprobe einbezogen wurden. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen die Hersteller, die für die Stichprobe ausgewählt wurden, binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über ihre Einbeziehung in die Stichprobe einen ausgefüllten Fragebogen übermitteln.

Die Kommission nimmt in das zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmte Dossier einen Vermerk zur Stichprobenauswahl auf. Stellungnahmen zur Stichprobenauswahl müssen binnen 3 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Stichprobe eingehen.

Der Fragebogen für Hersteller im betroffenen Land steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel (8)zur Verfügung.

Unbeschadet des Artikels 28 der Grundverordnung gelten Unternehmen, die ihrer möglichen Einbeziehung in die Stichprobe zugestimmt haben, jedoch hierfür nicht ausgewählt werden, als mitarbeitend.

5.3.2   Untersuchung der unabhängigen Einführer (9) (10)

Die unabhängigen Einführer, die die zu überprüfende Ware aus dem betroffenen Land in die Union einführen, werden gebeten, bei dieser Untersuchung mitzuarbeiten; dies gilt auch für diejenigen, die nicht bei der Untersuchung mitgearbeitet haben, die zu den geltenden Maßnahmen führte.

Da eine Vielzahl unabhängiger Einführer von dieser Auslaufüberprüfung betroffen sein dürfte und da es gilt, die Untersuchung fristgerecht abzuschließen, kann die Kommission die Zahl der zu untersuchenden unabhängigen Einführer auf ein vertretbares Maß beschränken, indem sie eine Stichprobe bildet (im Folgenden „Stichprobenverfahren“). Das Stichprobenverfahren wird nach Artikel 27 der Grundverordnung durchgeführt.

Damit die Kommission über die Notwendigkeit eines Stichprobenverfahrens entscheiden und gegebenenfalls eine Stichprobe bilden kann, werden alle unabhängigen Einführer oder die in ihrem Namen handelnden Vertreter hiermit gebeten, mit der Kommission Kontakt aufzunehmen; dies gilt auch für diejenigen, die nicht bei der Untersuchung mitgearbeitet haben, die zu den jetzt zur Überprüfung anstehenden Maßnahmen führte. Die Parteien müssen dies binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung tun, indem sie der Kommission die im Anhang erbetenen Angaben zu ihren Unternehmen übermitteln.

Ferner kann die Kommission mit den ihr bekannten Einführerverbänden Kontakt aufnehmen, um die Informationen einzuholen, die sie für die Auswahl der Stichprobe der unabhängigen Einführer benötigt.

Ist die Bildung einer Stichprobe erforderlich, können die Einführer auf der Grundlage der größten repräsentativen Verkaufsmenge der zu überprüfenden Ware aus dem betroffenen Land in der Union ausgewählt werden, die in der zur Verfügung stehenden Zeit angemessen untersucht werden kann. Alle der Kommission bekannten unabhängigen Einführer und Einführerverbände werden von ihr davon in Kenntnis gesetzt, welche Unternehmen für die Stichprobe ausgewählt wurden.

Die Kommission nimmt in das zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmte Dossier auch einen Vermerk zur Stichprobenauswahl auf. Stellungnahmen zur Stichprobenauswahl müssen binnen 3 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Stichprobe eingehen.

Die Kommission wird den in die Stichprobe einbezogenen unabhängigen Einführern Fragebogen zur Verfügung stellen, um die für ihre Untersuchung benötigten Informationen einzuholen. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen diese Parteien binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Stichprobe einen ausgefüllten Fragebogen übermitteln.

Der Fragebogen für unabhängige Einführer steht auch in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel (11) zur Verfügung.

5.4    Verfahren zur Feststellung der Wahrscheinlichkeit eines Anhaltens oder erneuten Auftretens der Schädigung und zur Untersuchung der Unionshersteller

Um festzustellen, ob ein Anhalten oder erneutes Auftreten der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union wahrscheinlich ist, ersucht die Kommission die Unionshersteller der zu überprüfenden Ware darum, bei der Untersuchung mitzuarbeiten.

Da eine Vielzahl von Unionsherstellern von dieser Auslaufüberprüfung betroffen ist und da es gilt, die Untersuchung fristgerecht abzuschließen, hat die Kommission beschlossen, die Zahl der zu untersuchenden Unionshersteller auf ein vertretbares Maß zu beschränken, indem sie eine Stichprobe bildet (im Folgenden „Stichprobenverfahren“). Das Stichprobenverfahren wird nach Artikel 27 der Grundverordnung durchgeführt.

Die Kommission hat eine vorläufige Stichprobe der Unionshersteller gebildet. Genauere Angaben dazu können dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier entnommen werden.

Die interessierten Parteien werden hiermit aufgefordert, zur vorläufigen Stichprobe Stellung zu nehmen. Ferner müssen andere Unionshersteller oder die in ihrem Namen handelnden Vertreter, die der Auffassung sind, dass bestimmte Gründe für die Einbeziehung ihres Unternehmens in die Stichprobe sprechen, die Kommission binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung kontaktieren. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen alle Stellungnahmen zur vorläufigen Stichprobe binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei der Kommission eingegangen sein.

Die Kommission wird alle ihr bekannten Unionshersteller und/oder Verbände von Unionsherstellern darüber in Kenntnis setzen, welche Unternehmen in die endgültige Stichprobe einbezogen wurden.

Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen die Unionshersteller, die für die Stichprobe ausgewählt wurden, binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über ihre Einbeziehung in die Stichprobe einen ausgefüllten Fragebogen übermitteln.

Der Fragebogen für Unionshersteller steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel (12) zur Verfügung.

5.5    Verfahren zur Prüfung des Unionsinteresses

Sollte sich die Wahrscheinlichkeit eines Anhaltens oder erneuten Auftretens der Subventionierung und der Schädigung bestätigen, wird nach Artikel 31 der Grundverordnung geprüft, ob die Aufrechterhaltung der Ausgleichsmaßnahmen nicht etwa dem Interesse der Union zuwiderliefe.

Die Unionshersteller, die Einführer und ihre repräsentativen Verbände, die Verwender und ihre repräsentativen Verbände, die Gewerkschaften sowie repräsentative Verbraucherorganisationen werden gebeten, der Kommission Informationen zum Unionsinteresse zu übermitteln.

Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen die Informationen zur Bewertung des Unionsinteresses binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung übermittelt werden. Diese Angaben können entweder in einem frei gewählten Format oder in einem von der Kommission erstellten Fragebogen gemacht werden.

Die Fragebogen, darunter auch der Fragebogen für Verwender der zu überprüfenden Ware, stehen in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel (13) zur Verfügung. Nach Artikel 31 der Grundverordnung übermittelte Informationen werden allerdings nur dann berücksichtigt, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Übermittlung durch Beweise belegt sind, die ihre Richtigkeit bestätigen.

5.6    Interessierte Parteien

Um bei der Untersuchung mitarbeiten zu können, müssen interessierte Parteien wie Hersteller im betroffenen Land, Unionshersteller, Einführer und ihre repräsentativen Verbände, Verwender und ihre repräsentativen Verbände, Gewerkschaften sowie repräsentative Verbraucherorganisationen zunächst nachweisen, dass ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu überprüfenden Ware besteht.

Hersteller im betroffenen Land, Unionshersteller, Einführer und repräsentative Verbände, die Informationen nach den Verfahren der Abschnitte 5.3.1, 5.3.2 und 5.4 zur Verfügung gestellt haben, gelten als interessierte Parteien, wenn ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu überprüfenden Ware besteht.

Andere Parteien können erst dann als interessierte Partei bei der Untersuchung mitarbeiten, wenn sie sich bei der Kommission gemeldet haben, und nur dann, wenn ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu überprüfenden Ware besteht. Die Einstufung als interessierte Partei gilt unbeschadet der Anwendung des Artikels 28 der Grundverordnung.

Der Zugang zu dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier erfolgt über TRON.tdi unter folgender Adresse: https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/TDI. Um Zugang zu erhalten, folgen Sie bitte den Anweisungen auf dieser Seite (14).

5.7    Andere schriftliche Beiträge

Vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Bekanntmachung werden alle interessierten Parteien hiermit gebeten, ihren Standpunkt unter Vorlage von Informationen und sachdienlichen Nachweisen darzulegen. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen diese Informationen und sachdienlichen Nachweise binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei der Kommission eingehen.

5.8    Möglichkeit der Anhörung durch die untersuchenden Kommissionsdienststellen

Jede interessierte Partei kann eine Anhörung durch die untersuchenden Kommissionsdienststellen beantragen. Der entsprechende Antrag ist schriftlich zu stellen und zu begründen; er muss ferner eine Zusammenfassung der Punkte enthalten, die die interessierte Partei während der Anhörung erörtern möchte. Die Anhörung ist auf die von den interessierten Parteien im Voraus schriftlich dargelegten Punkte beschränkt.

Grundsätzlich können die Anhörungen nicht zur Darlegung von Sachinformationen genutzt werden, die noch nicht im Dossier enthalten sind. Im Interesse einer guten Verwaltung und um die Kommissionsdienststellen in die Lage zu versetzen, bei der Untersuchung voranzukommen, können die interessierten Parteien nach einer Anhörung jedoch aufgefordert werden, neue Sachinformationen vorzulegen.

5.9    Schriftliche Beiträge, Übermittlung ausgefüllter Fragebogen und Schriftwechsel

Der Kommission für die Zwecke von Handelsschutzuntersuchungen vorgelegte Angaben müssen frei von Urheberrechten sein. Bevor interessierte Parteien der Kommission Angaben und/oder Daten vorlegen, für die Urheberrechte Dritter gelten, müssen sie vom Urheberrechtsinhaber eine spezifische Genehmigung einholen, die es der Kommission ausdrücklich gestattet, a) die Angaben und Daten für die Zwecke dieses Handelsschutzverfahrens zu verwenden und b) den an dieser Untersuchung interessierten Parteien die Angaben und/oder Daten so vorzulegen, dass sie ihre Verteidigungsrechte wahrnehmen können.

Alle von interessierten Parteien übermittelten schriftlichen Beiträge, die vertraulich behandelt werden sollen, müssen den Vermerk „Sensitive“ (15) (zur vertraulichen Behandlung) tragen; dies gilt auch für entsprechende mit dieser Bekanntmachung angeforderte Informationen, ausgefüllte Fragebogen und sonstige Schreiben. Parteien, die im Laufe der Untersuchung Informationen vorlegen, werden gebeten, ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung zu begründen.

Parteien, die Informationen mit dem Vermerk „Sensitive“ übermitteln, müssen nach Artikel 29 Absatz 2 der Grundverordnung eine nichtvertrauliche Zusammenfassung vorlegen, die den Vermerk „For inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien) trägt. Diese Zusammenfassung muss so ausführlich sein, dass sie ein angemessenes Verständnis des wesentlichen Inhalts der vertraulichen Informationen ermöglicht. Kann eine Partei, die vertrauliche Informationen vorlegt, ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung nicht triftig begründen oder legt sie keine nichtvertrauliche Zusammenfassung der Informationen im vorgeschriebenen Format und in der vorgeschriebenen Qualität vor, so kann die Kommission solche Informationen unberücksichtigt lassen, sofern nicht anhand geeigneter Quellen in zufriedenstellender Weise nachgewiesen wird, dass die Informationen richtig sind.

Interessierte Parteien werden gebeten, alle Beiträge und Anträge, darunter auch gescannte Vollmachten und Bescheinigungen, über TRON.tdi (https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/TDI) zu übermitteln. Mit der Verwendung von TRON.tdi oder E-Mail erklären sich die interessierten Parteien mit den Regeln für die elektronische Übermittlung von Unterlagen im Leitfaden zum „SCHRIFTWECHSEL MIT DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION BEI HANDELSSCHUTZUNTERSCUHUNGEN“ einverstanden, der auf der Website der Generaldirektion Handel veröffentlicht ist: https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/june/tradoc_152566.pdf. Die interessierten Parteien müssen ihren Namen sowie ihre Anschrift, Telefonnummer und gültige E-Mail-Adresse angeben und sollten sicherstellen, dass es sich bei der genannten E-Mail-Adresse um eine aktive offizielle Mailbox handelt, die täglich eingesehen wird. Hat die Kommission die Kontaktdaten erhalten, so kommuniziert sie ausschließlich über TRON.tdi oder per E-Mail mit den interessierten Parteien, es sei denn, diese wünschen ausdrücklich, alle Unterlagen von der Kommission auf einem anderen Kommunikationsweg zu erhalten, oder die Art der Unterlage macht den Versand per Einschreiben erforderlich. Weitere Regeln und Informationen bezüglich des Schriftverkehrs mit der Kommission, einschließlich der Grundsätze für Übermittlungen über TRON.tdi oder per E-Mail, können dem genannten Leitfaden für interessierte Parteien entnommen werden.

Postanschrift der Kommission:

Europäische Kommission

Generaldirektion Handel

Direktion G

Büro: CHAR 04/039

1049 Bruxelles/Brussel

BELGIQUE/BELGIË

TRON.tdi: https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/tdi

E-Mail-Adressen:

Für Subventionsaspekte: TRADE-R776-CFP-SUBSIDY@ec.europa.eu

Für Schädigungsaspekte und Aspekte des Unionsinteresses: TRADE-R775-R76-CFP-INJURY@ec.europa.eu

6.   Zeitplan für die Untersuchung

Nach Artikel 22 Absatz 1 der Grundverordnung wird die Untersuchung in der Regel binnen 12 Monaten, spätestens jedoch 15 Monate nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung abgeschlossen.

7.   Vorlage von Informationen

In der Regel können interessierte Parteien nur innerhalb der in Abschnitt 5 dieser Bekanntmachung angegebenen Fristen Informationen vorlegen.

Um die Untersuchung innerhalb der vorgeschriebenen Fristen abzuschließen, nimmt die Kommission nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zur endgültigen Unterrichtung bzw. gegebenenfalls nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zur weiteren Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen keine Beiträge der interessierten Parteien mehr an.

8.   Möglichkeit, zu den Beiträgen anderer Parteien Stellung zu nehmen

Zur Wahrung der Verteidigungsrechte sollten die interessierten Parteien die Möglichkeit haben, sich zu den von anderen interessierten Parteien vorgelegten Informationen zu äußern. Dabei dürfen die interessierten Parteien nur auf die in den Beiträgen der anderen interessierten Parteien vorgebrachten Punkte eingehen und keine neuen Punkte ansprechen.

Stellungnahmen zu Informationen, die von anderen interessierten Parteien auf die Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen hin vorgelegt wurden, sollten, sofern nichts anderes bestimmt ist, binnen 5 Tagen nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zu den endgültigen Feststellungen abgegeben werden. Im Falle einer weiteren Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen sollten Stellungnahmen zu Informationen, die von anderen interessierten Parteien auf diese weitere Unterrichtung hin vorgelegt wurden, spätestens am Tag nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zu dieser weiteren Unterrichtung abgegeben werden, sofern nichts anderes bestimmt ist.

Der genannte Zeitrahmen berührt nicht das Recht der Kommission, in hinreichend begründeten Fällen zusätzliche Informationen von den interessierten Parteien anzufordern.

9.   Verlängerung der in dieser Bekanntmachung vorgesehenen Fristen

Eine Verlängerung der in dieser Bekanntmachung vorgesehenen Fristen sollte nur in Ausnahmefällen beantragt werden und wird nur bei hinreichender Begründung gewährt. In jedem Fall sind Verlängerungen von Fristen für die Beantwortung der Fragebogen normalerweise auf 3 Tage begrenzt; grundsätzlich werden höchstens 7 Tage gewährt. In Bezug auf die Fristen für die Vorlage anderer Informationen nach dieser Bekanntmachung sind Verlängerungen auf 3 Tage begrenzt, sofern nicht nachgewiesen wird, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

10.   Mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit

Verweigern interessierte Parteien den Zugang zu den erforderlichen Informationen oder erteilen sie diese nicht fristgerecht oder behindern sie die Untersuchung erheblich, so können nach Artikel 28 der Grundverordnung positive oder negative Feststellungen auf der Grundlage der verfügbaren Informationen getroffen werden.

Wird festgestellt, dass eine interessierte Partei unwahre oder irreführende Informationen vorgelegt hat, so können diese Informationen unberücksichtigt bleiben; stattdessen können die verfügbaren Informationen zugrunde gelegt werden.

Arbeitet eine interessierte Partei nicht oder nur eingeschränkt mit und stützen sich die Feststellungen daher nach Artikel 28 der Grundverordnung auf die verfügbaren Informationen, so kann dies zu einem Ergebnis führen, das für diese Partei ungünstiger ist, als wenn sie mitgearbeitet hätte.

Werden die Antworten nicht elektronisch übermittelt, so gilt dies nicht als mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit, sofern die interessierte Partei darlegt, dass die Übermittlung der Antwort in der gewünschten Form die interessierte Partei über Gebühr zusätzlich belasten würde oder mit unangemessenen zusätzlichen Kosten verbunden wäre. Die interessierte Partei sollte die Kommission unverzüglich hiervon in Kenntnis setzen.

11.   Anhörungsbeauftragte

Interessierte Parteien können sich an die Anhörungsbeauftragte für Handelsverfahren wenden. Sie befasst sich mit Anträgen auf Zugang zum Dossier, Streitigkeiten über die Vertraulichkeit von Unterlagen, Anträgen auf Fristverlängerung und sonstigen Anträgen in Bezug auf die Verteidigungsrechte der interessierten Parteien oder von Dritten, die sich während des Verfahrens ergeben.

Die Anhörungsbeauftragte kann Anhörungen ansetzen und vermittelnd zwischen interessierten Parteien und den Dienststellen der Kommission tätig werden, um zu gewährleisten, dass die interessierten Parteien ihre Verteidigungsrechte umfassend wahrnehmen können. Eine Anhörung durch die Anhörungsbeauftragte ist schriftlich zu beantragen und zu begründen. Die Anhörungsbeauftragte prüft die Gründe, aus denen der jeweilige Antrag gestellt wird. Solche Anhörungen sollten nur stattfinden, wenn die Fragen nicht zeitnah mit den Dienststellen der Kommission geklärt wurden.

Alle Anträge sind frühzeitig zu stellen, um die geordnete Abwicklung des Verfahrens nicht zu gefährden. Zu diesem Zweck sollten interessierte Parteien die Anhörungsbeauftragte zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Eintritt des Ereignisses, das ein Tätigwerden ihrerseits rechtfertigt, um eine Intervention ersuchen. Bei nicht fristgerecht eingereichten Anträgen auf Anhörung prüft die Anhörungsbeauftragte auch die Gründe für die Verspätung, die Art der aufgeworfenen Probleme und die Auswirkungen dieser Probleme auf die Verteidigungsrechte, wobei den Interessen einer guten Verwaltung und dem fristgerechten Abschluss der Untersuchung gebührend Rechnung getragen wird.

Weiterführende Informationen und Kontaktdaten können interessierte Parteien den Webseiten der Anhörungsbeauftragten im Internet-Auftritt der GD Handel entnehmen: http://ec.europa.eu/trade/trade-policy-and-you/contacts/hearing-officer/.

12.   Möglichkeit der Beantragung einer Überprüfung nach Artikel 19 der Grundverordnung

Bei dieser Auslaufüberprüfung handelt es sich um eine Überprüfung nach Artikel 18 der Grundverordnung; deshalb werden die Untersuchungsergebnisse nicht etwa zu einer Änderung der geltenden Maßnahmen führen, sondern nach Artikel 22 Absatz 3 der Grundverordnung entweder zur Aufhebung oder zur Aufrechterhaltung jener Maßnahmen.

Ist nach Auffassung einer interessierten Partei zu überprüfen, ob die Maßnahmen geändert werden sollten, so kann die Partei eine Überprüfung nach Artikel 19 der Grundverordnung beantragen.

Parteien, die eine solche, von der in dieser Bekanntmachung genannten Auslaufüberprüfung getrennt durchzuführende Überprüfung beantragen möchten, können unter der angegebenen Anschrift Kontakt mit der Kommission aufnehmen.

13.   Verarbeitung personenbezogener Daten

Alle im Rahmen dieser Untersuchung erhobenen personenbezogenen Daten werden nach der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (16) verarbeitet.

Ein Vermerk zum Datenschutz, mit dem alle natürlichen Personen über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der handelspolitischen Schutzmaßnahmen der Kommission unterrichtet werden, ist auf der Website der GD Handel abrufbar: http://ec.europa.eu/trade/policy/accessing-markets/trade-defence/.


(1)  ABl. C 398 vom 1.10.2021, S. 18.

(2)  ABl. L 176 vom 30.6.2016, S. 55.

(3)  Durchführungsverordnung (EU) 2017/1187 der Kommission vom 3. Juli 2017 zur Einführung eines endgültigen Ausgleichszolls auf die Einfuhren von bestimmtem gestrichenem Feinpapier mit Ursprung in der Volksrepublik China im Anschluss an eine Auslaufüberprüfung nach Artikel 18 der Verordnung (EU) 2016/1037 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 171 vom 4.7.2017, S. 134).

(4)  Bekanntmachung über die Folgen des Ausbruchs des COVID-19 (Coronavirus) für Antidumping- und Antisubventionsuntersuchungen (ABl. C 86 vom 16.3.2020, S. 6).

(5)  https://trade.ec.europa.eu/tdi/case_details.cfm?id=2616

(6)  Sofern nichts anderes bestimmt ist, sind alle Bezugnahmen auf die Veröffentlichung dieser Bekanntmachung Bezugnahmen auf die Veröffentlichung dieser Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union.

(7)  Ein Hersteller ist ein Unternehmen im betroffenen Land, das die zu überprüfende Ware herstellt, gegebenenfalls auch ein verbundenes Unternehmen, das an der Herstellung, den Inlandsverkäufen oder der Ausfuhr der zu überprüfenden Ware beteiligt ist.

(8)  https://trade.ec.europa.eu/tdi/case_details.cfm?id=2617.

(9)  Es können ausschließlich Einführer, die nicht mit ausführenden Herstellern verbunden sind, in die Stichprobe einbezogen werden. Einführer, die mit ausführenden Herstellern verbunden sind, müssen den Anhang des Fragebogens für die betreffenden ausführenden Hersteller ausfüllen. Nach Artikel 127 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union gelten zwei Personen als verbunden, wenn a) sie leitende Angestellte oder Direktoren im Unternehmen der anderen Person sind, b) sie Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften sind, c) sie sich in einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis zueinander befinden, d) eine dritte Person unmittelbar oder mittelbar 5 % oder mehr der im Umlauf befindlichen stimmberechtigten Anteile oder Aktien beider Personen besitzt, kontrolliert oder hält, e) eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar die andere kontrolliert, f) beide von ihnen unmittelbar oder mittelbar von einer dritten Person kontrolliert werden, g) sie beide zusammen unmittelbar oder mittelbar eine dritte Person kontrollieren oder h) sie Mitglieder derselben Familie sind (ABl. L 343 vom 29.12.2015, S. 558). Personen werden nur dann als Mitglieder derselben Familie angesehen, wenn sie in einem der folgenden Verwandtschaftsverhältnisse zueinander stehen: i) Ehegatten, ii) Eltern und Kind, iii) Geschwister (auch Halbgeschwister), iv) Großeltern und Enkel, v) Onkel oder Tante und Neffe oder Nichte, vi) Schwiegereltern und Schwiegersohn oder Schwiegertochter, vii) Schwäger und Schwägerinnen. Nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union ist eine „Person“ eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personenvereinigung, die keine juristische Person ist, die jedoch nach Unionsrecht oder nach einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit hat, im Rechtsverkehr wirksam aufzutreten (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1).

(10)  Die von unabhängigen Einführern vorgelegten Daten können im Rahmen dieser Untersuchung auch zu anderen Zwecken als zur Ermittlung des Interesses der Union herangezogen werden.

(11)  https://trade.ec.europa.eu/tdi/case_details.cfm?id=2617.

(12)  https://trade.ec.europa.eu/tdi/case_details.cfm?id=2617.

(13)  https://trade.ec.europa.eu/tdi/case_details.cfm?id=2617.

(14)  Bei technischen Problemen wenden Sie sich bitte per E-Mail (trade-service-desk@ec.europa.eu) oder telefonisch (Tel. + 32 22979797) an den Trade Service Desk.

(15)  Eine Unterlage mit dem Vermerk „Sensitive“ gilt als vertraulich im Sinne des Artikels 29 der Grundverordnung und des Artikels 12 des WTO-Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen. Sie ist ferner nach Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43) geschützt.

(16)  Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).


ANHANG

„Sensitive version“ (zur vertraulichen Behandlung)

„Version for inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien)

(Zutreffendes bitte ankreuzen)

ÜBERPRÜFUNG WEGEN DES BEVORSTEHENDEN AUSSERKRAFTTRETENS DER ANTISUBVENTIONSMASSNAHMEN BETREFFEND DIE EINFUHREN VON BESTIMMTEM GESTRICHENEM FEINPAPIER MIT URSPRUNG IN DER VOLKSREPUBLIK CHINA

INFORMATIONEN FÜR DIE AUSWAHL DER STICHPROBE DER UNABHÄNGIGEN EINFÜHRER

Dieses Formular soll unabhängigen Einführern dabei helfen, die unter Abschnitt 5.3.2 der Einleitungsbekanntmachung angeforderten Informationen zur Stichprobenauswahl bereitzustellen.

Beide Fassungen, die „Sensitive version“ (zur vertraulichen Behandlung) und die „Version for inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien), sollten nach Maßgabe der Angaben in der Einleitungsbekanntmachung an die Kommission zurückgesandt werden.

1.   NAME UND KONTAKTDATEN

Machen Sie bitte folgende Angaben zu Ihrem Unternehmen:

Name des Unternehmens

 

Anschrift

 

Kontaktperson

 

E-Mail:

 

Telefon

 

2.   UMSATZ UND VERKAUFSMENGE

Geben Sie für den Untersuchungszeitraum der Überprüfung bitte Folgendes an: den Gesamtumsatz des Unternehmens in EUR und — für die zu überprüfende Ware im Sinne der Einleitungsbekanntmachung — den Wert der Einfuhren und der Weiterverkäufe auf dem Unionsmarkt nach der Einfuhr aus der Volksrepublik China in EUR sowie die entsprechende Menge in Tonnen.

 

Menge in Tonnen

Wert (in EUR)

Gesamtumsatz Ihres Unternehmens (in EUR)

 

 

Einfuhren der zu überprüfenden Ware mit Ursprung in der Volksrepublik China

 

 

Einfuhren der zu überprüfenden Ware (jeglichen Ursprungs)

 

 

Weiterverkäufe der zu überprüfenden Ware auf dem Unionsmarkt nach der Einfuhr aus der Volksrepublik China

 

 

3.   GESCHÄFTSTÄTIGKEITEN IHRES UNTERNEHMENS UND DER VERBUNDENEN UNTERNEHMEN (1)

Bitte machen Sie Angaben zu den genauen Geschäftstätigkeiten des Unternehmens und aller verbundenen Unternehmen (bitte auflisten und Art der Verbindung mit Ihrem Unternehmen angeben), die an Herstellung und/oder Verkauf (im Inland und/oder zur Ausfuhr) der zu überprüfenden Ware beteiligt sind. Zu diesen Tätigkeiten könnten unter anderem der Einkauf der zu überprüfenden Ware oder ihre Herstellung im Rahmen von Unterauftragsvereinbarungen, ihre Verarbeitung oder der Handel mit ihr gehören.

Name und Standort des Unternehmens

Geschäftstätigkeiten

Art der Verbindung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.   SONSTIGE ANGABEN

Machen Sie bitte sonstige sachdienliche Angaben, die der Kommission aus der Sicht des Unternehmens bei der Stichprobenbildung von Nutzen sein könnten.

5.   ERKLÄRUNG

Mit der Übermittlung der genannten Angaben erklärt sich das Unternehmen mit seiner etwaigen Einbeziehung in die Stichprobe einverstanden. Wird das Unternehmen in die Stichprobe einbezogen, muss es einen Fragebogen ausfüllen und einem Besuch in seinen Betriebsstätten zustimmen, welcher der Überprüfung seiner Angaben dient. Verweigert ein Unternehmen die etwaige Einbeziehung in die Stichprobe, wird es bei dieser Untersuchung als nicht mitarbeitendes Unternehmen geführt. Die Kommission trifft die Feststellungen in Bezug auf nicht mitarbeitende Einführer auf der Grundlage der verfügbaren Informationen; dies kann zu einem Ergebnis führen, das für das betreffende Unternehmen ungünstiger ist, als wenn es mitgearbeitet hätte.

Unterschrift des/der Bevollmächtigten:

Name und Funktion des/der Bevollmächtigten:

Datum:


(1)  Nach Artikel 127 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union gelten zwei Personen als verbunden, wenn a) sie leitende Angestellte oder Direktoren im Unternehmen der anderen Person sind, b) sie Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften sind, c) sie sich in einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis zueinander befinden, d) eine dritte Person unmittelbar oder mittelbar 5 % oder mehr der im Umlauf befindlichen stimmberechtigten Anteile oder Aktien beider Personen besitzt, kontrolliert oder hält, e) eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar die andere kontrolliert, f) beide von ihnen unmittelbar oder mittelbar von einer dritten Person kontrolliert werden, g) sie beide zusammen unmittelbar oder mittelbar eine dritte Person kontrollieren oder h) sie Mitglieder derselben Familie sind (ABl. L 343 vom 29.12.2015, S. 558). Personen werden nur dann als Mitglieder derselben Familie angesehen, wenn sie in einem der folgenden Verwandtschaftsverhältnisse zueinander stehen: i) Ehegatten, ii) Eltern und Kind, iii) Geschwister (auch Halbgeschwister), iv) Großeltern und Enkel, v) Onkel oder Tante und Neffe oder Nichte, vi) Schwiegereltern und Schwiegersohn oder Schwiegertochter, vii) Schwäger und Schwägerinnen. Nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union ist eine „Person“ eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personenvereinigung, die keine juristische Person ist, die jedoch nach Unionsrecht oder nach einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit hat, im Rechtsverkehr wirksam aufzutreten (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1).


30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/130


Bekanntmachung der Einleitung einer Überprüfung wegen des bevorstehenden Außerkrafttretens der Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von bestimmtem gestrichenem Feinpapier mit Ursprung in der Volksrepublik China

(2022/C 248/10)

Nach Veröffentlichung der Bekanntmachung des bevorstehenden Außerkrafttretens (1) der Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von bestimmtem gestrichenem Feinpapier mit Ursprung in der Volksrepublik China (im Folgenden „VR China“ oder „betroffenes Land“) erhielt die Europäische Kommission (im Folgenden „Kommission“) einen Antrag auf Einleitung einer Überprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern (2) (im Folgenden „Grundverordnung“).

1.   Überprüfungsantrag

Der Antrag wurde am 31. März 2022 von Arctic Paper Grycksbo AB, Burgo Group SpA, Fedrigoni SpA, Lecta Group und Sappi Europe SA (im Folgenden „Antragsteller“) eingereicht. Der Antrag wurde vom Wirtschaftszweig der Union für bestimmtes gestrichenes Feinpapier im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 der Grundverordnung gestellt.

Eine öffentlich zugängliche Fassung des Antrags und die Analyse, inwieweit der Antrag von den Unionsherstellern unterstützt wird, sind in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier verfügbar. Abschnitt 5.6 dieser Bekanntmachung enthält Informationen über den Zugang zum Dossier für interessierte Parteien.

2.   Zu überprüfende Ware

Bei der zu überprüfenden Ware handelt es sich um gestrichenes Feinpapier, d. h. Papiere oder Pappen, ein- oder beidseitig gestrichen, ohne Kraftpapiere und -pappen, in Rollen oder Bogen mit einem Quadratmetergewicht von mindestens 70 g und höchstens 400 g und einem Weißgrad von mehr als 84 % (gemessen nach ISO 2470-1) (im Folgenden „zu überprüfende Ware“).

Zur zu überprüfenden Ware gehören nicht:

Rollenware für Rotationsdruckmaschinen; Rollenware für Rotationsdruckmaschinen ist definiert als Papier, das bei Prüfung nach der Prüfnorm ISO 3783:2006 (Bestimmung der Rupffestigkeit — beschleunigtes Verfahren mit dem IGT-Prüfgerät (elektrische Ausführung)) einen Wert von unter 30 N/m in Querrichtung und von unter 50 N/m in Laufrichtung erzielt;

Multiplexpapier und Multiplexpappe.

Die zu überprüfende Ware wird derzeit unter den KN-Codes ex 4810 13 00, ex 4810 14 00, ex 4810 19 00, ex 4810 22 00, ex 4810 29 30, ex 4810 29 80, ex 4810 99 10 und ex 4810 99 80 (TARIC-Codes 4810130020, 4810140020, 4810190020, 4810220020, 4810293020, 4810298020, 4810991020 und 4810998020) eingereiht. Die KN- und TARIC-Codes werden nur informationshalber angegeben; mögliche Änderungen der Codes in künftigen Phasen des Verfahrens bleiben davon unberührt.

3.   Geltende Maßnahmen

Bei den derzeit geltenden Maßnahmen handelt es sich um endgültige Antidumpingzölle, die mit der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1188 der Kommission (3) eingeführt wurden.

4.   Gründe für die Überprüfung

Der Antrag wurde damit begründet, dass beim Außerkrafttreten der Maßnahmen mit einem erneuten Auftreten des Dumpings und einem erneuten Auftreten der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union zu rechnen sei.

4.1.    Behauptung der Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens des Dumpings seitens der VR China

Den Antragstellern zufolge ist es aufgrund nennenswerter Verzerrungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 6a Buchstabe b der Grundverordnung nicht angemessen, die Inlandspreise und -kosten in der VR China heranzuziehen.

Zur Untermauerung der Behauptung, dass nennenswerte Verzerrungen bestehen, bezogen sich die Antragsteller auf die Informationen in dem von den Kommissionsdienststellen am 20. Dezember 2017 vorgelegten Länderbericht, in dem die spezifischen Marktgegebenheiten in der VR China beschrieben werden (4). Insbesondere nahmen die Antragsteller Bezug auf Verzerrungen wie eine staatliche Präsenz im Allgemeinen und insbesondere im Chemiesektor sowie auf das Kapitel über Energie. Darüber hinaus stützten sich die Antragsteller auf öffentlich zugängliche Informationen, insbesondere auf den 14. Fünfjahresplan für die nationale wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Volksrepublik China und den Rahmen der langfristigen Ziele für 2035. Schließlich stützten sich die Antragsteller auch auf die Feststellungen der Kommission in den jüngsten Antidumping- und Antisubventionsuntersuchungen (5).

Daher stützt sich die Behauptung eines erneuten Auftretens des Dumpings aus der VR China nach Artikel 2 Absatz 6a Buchstabe a der Grundverordnung auf einen Vergleich eines Normalwerts, der rechnerisch ermittelt wurde anhand von Herstell- und Verkaufskosten, die unverzerrte Preise oder Vergleichswerte in einem geeigneten repräsentativen Land widerspiegeln, mit dem Preis (auf der Stufe ab Werk) der zu überprüfenden Ware beim Verkauf an Russland, die Ukraine, Indien, Thailand, Kanada, Japan, Indonesien, Malaysia und das Vereinigte Königreich, da zurzeit keine nennenswerten Mengen aus der VR China in die Union eingeführt werden.

Die Antragsteller führten an, dass dieser Vergleich das Vorliegen von Dumping zeige und dass die VR China wahrscheinlich erneut Dumping betreiben werde.

Angesichts der vorliegenden Informationen vertritt die Kommission die Auffassung, dass im Sinne des Artikels 5 Absatz 9 der Grundverordnung genügend Beweise vorliegen, die tendenziell darauf hindeuten, dass es aufgrund nennenswerter Verzerrungen mit Auswirkungen auf Preise und Kosten nicht angebracht ist, die Inlandspreise und -kosten des betroffenen Landes heranzuziehen, und dass somit die Einleitung einer Untersuchung nach Artikel 2 Absatz 6a der Grundverordnung gerechtfertigt ist.

Der Länderbericht steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel zur Verfügung (6).

4.2.    Behauptung der Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens der Schädigung

Laut den Antragstellern ist auch ein erneutes Auftreten der Schädigung durch Einfuhren aus dem betroffenen Land wahrscheinlich. Diesbezüglich legten die Antragsteller genügend Beweise vor, wonach die Einfuhren der zu überprüfenden Ware aus dem betroffenen Land in die Union im Falle eines Außerkrafttretens der Maßnahmen zunehmen dürften, weil die ausführenden Hersteller im betroffenen Land über ein erhebliches Maß an ungenutzten Produktionskapazitäten verfügen. Die Attraktivität des Unionsmarktes aufgrund seiner Größe ist ein weiterer Faktor in dieser Hinsicht.

Die Antragsteller führten ferner an, die Beseitigung der Schädigung sei in erster Linie auf die geltenden Maßnahmen zurückzuführen; sollten – bei einem Außerkrafttreten der Maßnahmen – die Einfuhren zu gedumpten Preisen aus dem betroffenen Land steigen, so würde der Wirtschaftszweig der Union wahrscheinlich erneut geschädigt.

5.   Verfahren

Die Kommission kam nach Anhörung des nach Artikel 15 Absatz 1 der Grundverordnung eingesetzten Ausschusses zu dem Schluss, dass genügend Beweise für die Wahrscheinlichkeit von Dumping und Schädigung vorliegen, um die Einleitung einer Auslaufüberprüfung zu rechtfertigen; sie leitet daher eine Überprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Grundverordnung ein.

Bei der Auslaufüberprüfung wird untersucht, ob damit zu rechnen ist, dass bei einem Außerkrafttreten der Maßnahmen das Dumping in Bezug auf die zu überprüfende Ware mit Ursprung in dem betroffenen Land anhält oder erneut auftritt und der Wirtschaftszweig der Union weiter bzw. erneut geschädigt wird.

Die Kommission weist die Parteien außerdem auf die veröffentlichte Bekanntmachung (7) über die Folgen des COVID-19-Ausbruchs für Antidumping- und Antisubventionsuntersuchungen hin, die auf dieses Verfahren anwendbar sein könnte.

Die Kommission weist die Parteien ferner auf die parallel laufende Antisubventionsuntersuchung (8) hin, die dieselbe Ware betrifft. Die ausführenden Hersteller, der Wirtschaftszweig der Union und alle im Rahmen dieser Antisubventionsuntersuchung interessierten Parteien werden gebeten, sich getrennt für diese Untersuchung registrieren zu lassen und die einschlägigen Informationen unabhängig von einer im Rahmen der Antisubventionsuntersuchung möglicherweise bereits erfolgten Übermittlung von Informationen gemäß den in dieser Bekanntmachung festgelegten Modalitäten und Fristen vorzulegen. Informationen oder Stellungnahmen, die im Zusammenhang mit der Antisubventionsuntersuchung übermittelt werden, werden bei dieser Untersuchung nicht automatisch berücksichtigt, und die Parteien müssen grundsätzlich alle Informationen zu dieser Untersuchung gesondert im Rahmen dieses Verfahrens übermitteln.

5.1.    Untersuchungszeitraum der Überprüfung und Bezugszeitraum

Die Untersuchung bezüglich eines Anhaltens oder erneuten Auftretens des Dumpings erstreckt sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2021 (im Folgenden „Untersuchungszeitraum der Überprüfung“). Die Untersuchung der Entwicklungen, die für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines Anhaltens oder erneuten Auftretens der Schädigung relevant sind, betrifft den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum Ende des Untersuchungszeitraums der Überprüfung (im Folgenden „Bezugszeitraum“).

5.2.    Stellungnahmen zum Antrag und zur Einleitung der Untersuchung

Interessierte Parteien, die zum Antrag (zum Beispiel zu Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Schadensursache oder dem erneuten Auftreten der Schädigung) oder zu Aspekten im Zusammenhang mit der Einleitung der Untersuchung (zum Beispiel zu der Frage, inwieweit der Antrag unterstützt wird) Stellung nehmen möchten, müssen dies binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union (9) tun.

Anträge auf Anhörung, die die Einleitung der Untersuchung betreffen, müssen binnen 15 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung gestellt werden.

5.3.    Verfahren zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit eines Anhaltens oder erneuten Auftretens des Dumpings

Bei einer Auslaufüberprüfung untersucht die Kommission Ausfuhren, die im Untersuchungszeitraum der Überprüfung in die Union getätigt wurden, und prüft, unabhängig von den Ausfuhren in die Union, ob die Lage der Unternehmen, die die zu überprüfende Ware im betroffenen Land herstellen und verkaufen, sich so darstellt, dass bei einem Außerkrafttreten der Maßnahmen die Ausfuhren zu gedumpten Preisen in die Union fortgesetzt oder erneut getätigt werden dürften.

Daher werden alle Hersteller (10) der zu überprüfenden Ware aus dem betroffenen Land gebeten, bei der Untersuchung der Kommission mitzuarbeiten; dies gilt auch für diejenigen, die nicht bei der Untersuchung mitgearbeitet haben, die zu den geltenden Maßnahmen führte.

5.3.1.   Untersuchung der Hersteller im betroffenen Land

Da im betroffenen Land eine Vielzahl von Herstellern von dieser Auslaufüberprüfung betroffen sein dürfte und da es gilt, die Untersuchung fristgerecht abzuschließen, kann die Kommission die Zahl der zu untersuchenden Hersteller auf ein vertretbares Maß beschränken, indem sie eine Stichprobe bildet (im Folgenden „Stichprobenverfahren“). Das Stichprobenverfahren wird nach Artikel 17 der Grundverordnung durchgeführt.

Damit die Kommission über die Notwendigkeit eines Stichprobenverfahrens entscheiden und gegebenenfalls eine Stichprobe bilden kann, werden alle Hersteller oder die in ihrem Namen handelnden Vertreter hiermit gebeten, der Kommission binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung Angaben zu ihren Unternehmen vorzulegen; dies gilt auch für diejenigen, die nicht bei der Untersuchung mitgearbeitet haben, die zu den jetzt zur Überprüfung anstehenden Maßnahmen führte. Diese Angaben sind über TRON.tdi unter folgender Adresse zu übermitteln: https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/tdi/form/R775_SAMPLING_FORM_FOR_EXPORTING_PRODUCER. Informationen zum Zugriff auf TRON enthalten die Abschnitte 5.6 und 5.9.

Die Kommission wird ferner mit den Behörden des betroffenen Landes sowie gegebenenfalls mit den ihr bekannten Herstellerverbänden im betroffenen Land Kontakt aufnehmen, um die Informationen einzuholen, die sie für die Auswahl der Herstellerstichprobe benötigt.

Ist die Bildung einer Stichprobe erforderlich, werden die Hersteller auf der Grundlage des größten repräsentativen Produktions-, Verkaufs- oder Ausfuhrvolumens ausgewählt, das in der zur Verfügung stehenden Zeit in angemessener Weise untersucht werden kann. Alle der Kommission bekannten Hersteller im betroffenen Land, die Behörden des betroffenen Landes und die Herstellerverbände werden von der Kommission (gegebenenfalls über die Behörden des betroffenen Landes) darüber in Kenntnis gesetzt, welche Unternehmen für die Stichprobe ausgewählt wurden.

Sobald die Kommission die erforderlichen Informationen erhalten hat, um eine Herstellerstichprobe bilden zu können, teilt sie den betroffenen Parteien mit, ob sie in die Stichprobe einbezogen wurden. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen die Hersteller, die für die Stichprobe ausgewählt wurden, binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über ihre Einbeziehung in die Stichprobe einen ausgefüllten Fragebogen übermitteln.

Die Kommission nimmt in das zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmte Dossier einen Vermerk zur Stichprobenbildung auf. Stellungnahmen zur Stichprobenauswahl müssen binnen 3 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Stichprobe eingehen.

Der Fragebogen für Hersteller in den betroffenen Ländern steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel (11) zur Verfügung.

Unbeschadet des Artikels 18 der Grundverordnung gelten Unternehmen, die ihrer möglichen Einbeziehung in die Stichprobe zugestimmt haben, jedoch hierfür nicht ausgewählt werden, als mitarbeitend.

5.3.2.   Zusätzliches Verfahren für die VR China, wo nennenswerte Verzerrungen auftreten

Vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Bekanntmachung werden alle interessierten Parteien hiermit gebeten, ihren Standpunkt zur Anwendung des Artikels 2 Absatz 6a der Grundverordnung unter Vorlage von Informationen und sachdienlichen Nachweisen darzulegen. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen diese Informationen und sachdienlichen Nachweise binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei der Kommission eingehen.

Insbesondere fordert die Kommission alle interessierten Parteien auf, zu den im Antrag angegebenen Inputs und Codes des Harmonisierten Systems (HS) Stellung zu nehmen, ein geeignetes repräsentatives Land oder geeignete repräsentative Länder vorzuschlagen und Hersteller der zu überprüfenden Ware in diesen Ländern zu nennen. Diese Informationen und sachdienlichen Nachweise müssen binnen 15 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei der Kommission eingehen.

Kurz nach Einleitung der Untersuchung unterrichtet die Kommission nach Artikel 2 Absatz 6a Buchstabe e der Grundverordnung durch einen Vermerk in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier die von der Untersuchung betroffenen Parteien über die relevanten Quellen, die die Kommission zur Ermittlung des Normalwerts in der VR China nach Artikel 2 Absatz 6a der Grundverordnung heranzuziehen beabsichtigt. Dies gilt für alle Quellen, einschließlich der Auswahl – soweit dies angebracht ist – eines geeigneten repräsentativen Drittlands. Die von der Untersuchung betroffenen Parteien können binnen 10 Tagen ab dem Datum, an dem dieser Vermerk in das Dossier aufgenommen wurde, dazu Stellung nehmen.

Den der Kommission vorliegenden Informationen nach zu urteilen käme im vorliegenden Fall Indonesien als für die VR China repräsentatives Drittland in Betracht. Um die endgültige Wahl des geeigneten repräsentativen Drittlands treffen zu können, wird die Kommission prüfen, ob es Länder mit einem ähnlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstand wie in der VR China gibt, in denen die zu überprüfende Ware hergestellt und verkauft wird und in denen die jeweiligen Daten ohne Weiteres verfügbar sind. Gibt es mehr als ein derartiges Land, werden gegebenenfalls Länder bevorzugt, in denen ein angemessener Sozial- und Umweltschutz besteht.

Bezüglich der relevanten Quellen ersucht die Kommission alle Hersteller in der VR China, binnen 15 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung Angaben zu den bei der Herstellung der zu überprüfenden Ware verwendeten Vormaterialien (Rohstoffe und Halbzeug) sowie dem entsprechenden Energieverbrauch vorzulegen. Diese Angaben sind über TRON.tdi unter folgender Adresse zu übermitteln: https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/tdi/form/R775_INFO_ON_INPUTS_FOR_EXPORTING_PRODUCER_FORM. Informationen zum Zugriff auf TRON enthalten die Abschnitte 5.6 und 5.9.

Sachinformationen zu Kosten und Preisen nach Artikel 2 Absatz 6a Buchstabe a der Grundverordnung müssen darüber hinaus binnen 65 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung vorgelegt werden. Solche Sachinformationen sollten ausschließlich aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen.

Die Kommission wird der Regierung der VR China ferner einen Fragebogen zur Verfügung stellen, um die Informationen einzuholen, die sie für die Untersuchung der mutmaßlichen nennenswerten Verzerrungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 6a Buchstabe b der Grundverordnung benötigt.

5.3.3.   Untersuchung der unabhängigen Einführer (12) (13)

Die unabhängigen Einführer, die die zu überprüfende Ware aus dem betroffenen Land in die Union einführen, werden gebeten, bei dieser Untersuchung mitzuarbeiten; dies gilt auch für diejenigen, die nicht bei der Untersuchung mitgearbeitet haben, die zu den geltenden Maßnahmen führte.

Da eine Vielzahl unabhängiger Einführer von dieser Auslaufüberprüfung betroffen sein dürfte und da es gilt, die Untersuchung fristgerecht abzuschließen, kann die Kommission die Zahl der zu untersuchenden unabhängigen Einführer auf ein vertretbares Maß beschränken, indem sie eine Stichprobe bildet (im Folgenden „Stichprobenverfahren“). Das Stichprobenverfahren wird nach Artikel 17 der Grundverordnung durchgeführt.

Damit die Kommission über die Notwendigkeit eines Stichprobenverfahrens entscheiden und gegebenenfalls eine Stichprobe bilden kann, werden alle unabhängigen Einführer oder die in ihrem Namen handelnden Vertreter hiermit gebeten, mit der Kommission Kontakt aufzunehmen; dies gilt auch für diejenigen, die nicht bei der Untersuchung mitgearbeitet haben, die zu den jetzt zur Überprüfung anstehenden Maßnahmen führte. Die Parteien müssen dies binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung tun, indem sie der Kommission die im Anhang erbetenen Angaben zu ihren Unternehmen übermitteln.

Ferner kann die Kommission mit den ihr bekannten Einführerverbänden Kontakt aufnehmen, um die Informationen einzuholen, die sie für die Auswahl der Stichprobe der unabhängigen Einführer benötigt.

Ist die Bildung einer Stichprobe erforderlich, können die Einführer auf der Grundlage der größten repräsentativen Verkaufsmenge der zu überprüfenden Ware aus dem betroffenen Land in der Union ausgewählt werden, die in der zur Verfügung stehenden Zeit in angemessener Weise untersucht werden kann. Alle der Kommission bekannten unabhängigen Einführer und Einführerverbände werden von ihr davon in Kenntnis gesetzt, welche Unternehmen für die Stichprobe ausgewählt wurden.

Die Kommission nimmt in das zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmte Dossier auch einen Vermerk zur Stichprobenauswahl auf. Stellungnahmen zur Stichprobenauswahl müssen binnen 3 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Stichprobe eingehen.

Die Kommission wird den in die Stichprobe einbezogenen unabhängigen Einführern Fragebogen zur Verfügung stellen, um die für ihre Untersuchung benötigten Informationen einzuholen. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen die Parteien binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Stichprobe einen ausgefüllten Fragebogen übermitteln.

Der Fragebogen für unabhängige Einführer steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel (14) zur Verfügung.

5.4.    Verfahren zur Feststellung der Wahrscheinlichkeit eines Anhaltens oder erneuten Auftretens der Schädigung und zur Untersuchung der Unionshersteller

Um festzustellen, ob ein Anhalten oder erneutes Auftreten der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union wahrscheinlich ist, ersucht die Kommission die Unionshersteller der zu überprüfenden Ware darum, bei der Untersuchung mitzuarbeiten.

Da eine Vielzahl von Unionsherstellern von dieser Auslaufüberprüfung betroffen ist und da es gilt, die Untersuchung fristgerecht abzuschließen, hat die Kommission beschlossen, die Zahl der zu untersuchenden Unionshersteller auf ein vertretbares Maß zu beschränken, indem sie eine Stichprobe bildet (im Folgenden „Stichprobenverfahren“). Das Stichprobenverfahren wird nach Artikel 17 der Grundverordnung durchgeführt.

Die Kommission hat eine vorläufige Stichprobe der Unionshersteller gebildet. Genauere Angaben dazu können interessierte Parteien dem zur Einsichtnahme bestimmten Dossier entnehmen.

Die interessierten Parteien werden hiermit aufgefordert, zur vorläufigen Stichprobe Stellung zu nehmen. Andere Unionshersteller oder die in ihrem Namen handelnden Vertreter, die der Auffassung sind, dass bestimmte Gründe für die Einbeziehung ihres Unternehmens in die Stichprobe sprechen, müssen außerdem die Kommission binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung kontaktieren; dies gilt auch für diejenigen Unionshersteller, die nicht bei der Untersuchung mitgearbeitet haben, die zu den geltenden Maßnahmen führte. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen alle Stellungnahmen zur vorläufigen Stichprobe binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei der Kommission eingegangen sein.

Alle der Kommission bekannten Unionshersteller und/oder Verbände von Unionsherstellern werden von ihr darüber in Kenntnis gesetzt, welche Unternehmen in die endgültige Stichprobe einbezogen wurden.

Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen die Unionshersteller, die für die Stichprobe ausgewählt wurden, binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über ihre Einbeziehung in die Stichprobe einen ausgefüllten Fragebogen übermitteln.

Der Fragebogen für Unionshersteller steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel (15) zur Verfügung.

5.5.    Verfahren zur Prüfung des Unionsinteresses

Sollte sich die Wahrscheinlichkeit eines Anhaltens oder erneuten Auftretens des Dumpings und der Schädigung bestätigen, wird nach Artikel 21 der Grundverordnung geprüft, ob die Aufrechterhaltung der Antidumpingmaßnahmen nicht etwa dem Interesse der Union zuwiderliefe.

Die Unionshersteller, die Einführer und ihre repräsentativen Verbände, die Verwender und ihre repräsentativen Verbände, die Gewerkschaften sowie repräsentative Verbraucherorganisationen werden gebeten, der Kommission Informationen zum Unionsinteresse zu übermitteln.

Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen die Informationen zur Bewertung des Unionsinteresses binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung übermittelt werden. Diese Angaben können entweder in einem frei gewählten Format oder in einem von der Kommission erstellten Fragebogen gemacht werden.

Die Fragebogen, darunter auch der Fragebogen für Verwender der zu überprüfenden Ware, stehen in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel (16) zur Verfügung. Nach Artikel 21 der Grundverordnung übermittelte Informationen werden allerdings nur dann berücksichtigt, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Übermittlung durch Beweise belegt sind, die ihre Richtigkeit bestätigen.

5.6.    Interessierte Parteien

Um bei der Untersuchung mitarbeiten zu können, müssen interessierte Parteien wie Hersteller im betroffenen Land, Unionshersteller, Einführer und ihre repräsentativen Verbände, Verwender und ihre repräsentativen Verbände, Gewerkschaften sowie repräsentative Verbraucherorganisationen zunächst nachweisen, dass ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu überprüfenden Ware besteht.

Hersteller im betroffenen Land, Unionshersteller, Einführer und repräsentative Verbände, die Informationen nach den Verfahren der Abschnitte 5.3.1, 5.3.3 und 5.4 zur Verfügung gestellt haben, gelten als interessierte Parteien, wenn ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu überprüfenden Ware besteht.

Andere Parteien können erst dann als interessierte Partei bei der Untersuchung mitarbeiten, wenn sie sich bei der Kommission gemeldet haben, und nur dann, wenn ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu überprüfenden Ware besteht. Die Einstufung als interessierte Partei gilt unbeschadet der Anwendung des Artikels 18 der Grundverordnung.

Der Zugang zu dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier erfolgt über TRON.tdi unter folgender Adresse: https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/TDI. Um Zugang zu erhalten, folgen Sie bitte den Anweisungen auf dieser Seite (17).

5.7.    Andere schriftliche Beiträge

Vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Bekanntmachung werden alle interessierten Parteien hiermit gebeten, ihren Standpunkt unter Vorlage von Informationen und sachdienlichen Nachweisen darzulegen. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen diese Informationen und sachdienlichen Nachweise binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei der Kommission eingehen.

5.8.    Möglichkeit der Anhörung durch die untersuchenden Kommissionsdienststellen

Jede interessierte Partei kann eine Anhörung durch die untersuchenden Kommissionsdienststellen beantragen. Der entsprechende Antrag ist schriftlich zu stellen und zu begründen; er muss ferner eine Zusammenfassung der Punkte enthalten, die die interessierte Partei während der Anhörung erörtern möchte. Die Anhörung ist auf die von den interessierten Parteien im Voraus schriftlich dargelegten Punkte beschränkt.

Grundsätzlich können die Anhörungen nicht zur Darlegung von Sachinformationen genutzt werden, die noch nicht im Dossier enthalten sind. Im Interesse einer guten Verwaltung und um die Kommissionsdienststellen in die Lage zu versetzen, bei der Untersuchung voranzukommen, können die interessierten Parteien nach einer Anhörung jedoch aufgefordert werden, neue Sachinformationen vorzulegen.

5.9.    Schriftliche Beiträge, Übermittlung ausgefüllter Fragebogen und Schriftwechsel

Angaben, die der Kommission zum Zwecke von Handelsschutzuntersuchungen vorgelegt werden, müssen frei von Urheberrechten sein. Bevor interessierte Parteien der Kommission Angaben und/oder Daten vorlegen, für die Urheberrechte Dritter gelten, müssen sie vom Urheberrechtsinhaber eine spezifische Genehmigung einholen, die es der Kommission ausdrücklich gestattet, a) die Angaben und Daten für die Zwecke dieses Handelsschutzverfahrens zu verwenden und b) den an dieser Untersuchung interessierten Parteien die Angaben und/oder Daten so vorzulegen, dass sie ihre Verteidigungsrechte wahrnehmen können.

Alle von interessierten Parteien übermittelten schriftlichen Beiträge, die vertraulich behandelt werden sollen, müssen den Vermerk „Sensitive“ (18) (zur vertraulichen Behandlung) tragen; dies gilt auch für entsprechende mit dieser Bekanntmachung angeforderte Informationen, ausgefüllte Fragebogen und sonstige Schreiben. Parteien, die im Laufe der Untersuchung Informationen vorlegen, werden gebeten, ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung zu begründen.

Parteien, die Informationen mit dem Vermerk „Sensitive“ übermitteln, müssen nach Artikel 19 Absatz 2 der Grundverordnung eine nichtvertrauliche Zusammenfassung vorlegen, die den Vermerk „For inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien) trägt. Diese Zusammenfassung muss so ausführlich sein, dass sie ein angemessenes Verständnis des wesentlichen Inhalts der vertraulichen Informationen ermöglicht. Kann eine Partei, die vertrauliche Informationen vorlegt, ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung nicht triftig begründen oder legt sie keine nichtvertrauliche Zusammenfassung der Informationen im vorgeschriebenen Format und in der vorgeschriebenen Qualität vor, so kann die Kommission solche Informationen unberücksichtigt lassen, sofern nicht anhand geeigneter Quellen in zufriedenstellender Weise nachgewiesen wird, dass die Informationen richtig sind.

Interessierte Parteien werden gebeten, alle Beiträge und Anträge, darunter auch Anträge auf Registrierung als interessierte Partei, gescannte Vollmachten und Bescheinigungen, über TRON.tdi (https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/TDI) zu übermitteln. Mit der Verwendung von TRON.tdi oder E-Mail erklären sich die interessierten Parteien mit den Regeln für die elektronische Übermittlung von Unterlagen im Leitfaden zum „SCHRIFTWECHSEL MIT DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION BEI HANDELSSCHUTZUNTERSUCHUNGEN“ einverstanden, der auf der Website der Generaldirektion Handel veröffentlicht ist: https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/june/tradoc_152566.pdf. Die interessierten Parteien müssen ihren Namen sowie ihre Anschrift, Telefonnummer und eine gültige E-Mail-Adresse angeben und sollten sicherstellen, dass die genannte E-Mail-Adresse zu einer aktiven offiziellen Mailbox führt, die täglich eingesehen wird. Hat die Kommission die Kontaktdaten erhalten, so kommuniziert sie ausschließlich über TRON.tdi oder per E-Mail mit den interessierten Parteien, es sei denn, diese wünschen ausdrücklich, alle Unterlagen von der Kommission auf einem anderen Kommunikationsweg zu erhalten, oder die Art der Unterlage macht den Versand per Einschreiben erforderlich. Weitere Regeln und Informationen bezüglich des Schriftverkehrs mit der Kommission, einschließlich der Grundsätze für Übermittlungen über TRON.tdi oder per E-Mail, können dem genannten Leitfaden für interessierte Parteien entnommen werden.

Anschrift der Kommission:

Europäische Kommission

Generaldirektion Handel

Direktion G

Büro CHAR 04/039

1049 Bruxelles/Brussel

BELGIQUE/BELGIË

TRON.tdi: https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/tdi

E-Mail-Adresse:

Zum Dumping: TRADE-R775-CFP-DUMPING@ec.europa.eu

Zur Schädigung und zum Unionsinteresse: TRADE-R775-R776-CFP-INJURY@ec.europa.eu

6.   Zeitplan für die Untersuchung

Nach Artikel 11 Absatz 5 der Grundverordnung wird die Untersuchung in der Regel binnen 12 Monaten, spätestens jedoch 15 Monate nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung abgeschlossen.

7.   Vorlage von Informationen

In der Regel können interessierte Parteien nur innerhalb der in Abschnitt 5 dieser Bekanntmachung angegebenen Fristen Informationen vorlegen.

Um die Untersuchung innerhalb der vorgeschriebenen Fristen abschließen zu können, nimmt die Kommission nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zur endgültigen Unterrichtung bzw. gegebenenfalls nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zu einer weiteren Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen keine Beiträge der interessieren Parteien mehr an.

8.   Möglichkeit, zu den Beiträgen anderer Parteien Stellung zu nehmen

Zur Wahrung der Verteidigungsrechte sollten die interessierten Parteien die Möglichkeit haben, sich zu den von anderen interessierten Parteien vorgelegten Informationen zu äußern. Dabei dürfen die interessierten Parteien nur auf die in den Beiträgen der anderen interessierten Parteien vorgebrachten Punkte eingehen und keine neuen Punkte ansprechen.

Stellungnahmen zu Informationen, die von anderen interessierten Parteien auf die Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen hin vorgelegt wurden, sollten, sofern nichts anderes bestimmt ist, binnen 5 Tagen nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zu den endgültigen Feststellungen abgegeben werden. Im Falle einer weiteren Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen sollten Stellungnahmen zu Informationen, die von anderen interessierten Parteien auf diese weitere Unterrichtung hin vorgelegt wurden, spätestens am Tag nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zu dieser weiteren Unterrichtung abgegeben werden, sofern nichts anderes bestimmt ist.

Der genannte Zeitrahmen berührt nicht das Recht der Kommission, in hinreichend begründeten Fällen zusätzliche Informationen von den interessierten Parteien anzufordern.

9.   Verlängerung der in dieser Bekanntmachung vorgesehenen Fristen

Eine Verlängerung der in dieser Bekanntmachung vorgesehenen Fristen sollte nur in Ausnahmefällen beantragt werden und wird nur bei hinreichender Begründung gewährt. In jedem Fall sind Verlängerungen von Fristen für die Beantwortung der Fragebogen normalerweise auf 3 Tage begrenzt; grundsätzlich werden höchstens 7 Tage gewährt. In Bezug auf die Fristen für die Vorlage anderer Informationen nach dieser Bekanntmachung sind Verlängerungen auf 3 Tage begrenzt, sofern nicht nachgewiesen wird, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

10.   Mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit

Verweigert eine interessierte Partei den Zugang zu den erforderlichen Informationen oder erteilt sie diese nicht fristgerecht oder behindert sie die Untersuchung erheblich, so können nach Artikel 18 der Grundverordnung positive oder negative Feststellungen auf der Grundlage der verfügbaren Informationen getroffen werden.

Wird festgestellt, dass eine interessierte Partei unwahre oder irreführende Informationen vorgelegt hat, so können diese Informationen unberücksichtigt bleiben; stattdessen können die verfügbaren Informationen zugrunde gelegt werden.

Arbeitet eine interessierte Partei nicht oder nur eingeschränkt mit und stützen sich die Feststellungen daher nach Artikel 18 der Grundverordnung auf die verfügbaren Informationen, so kann dies zu einem Ergebnis führen, das für diese Partei ungünstiger ist, als wenn sie mitgearbeitet hätte.

Werden die Antworten nicht elektronisch übermittelt, so gilt dies nicht als mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit, sofern die interessierte Partei darlegt, dass die Übermittlung der Antwort in der gewünschten Form die interessierte Partei über Gebühr zusätzlich belasten würde oder mit unangemessenen zusätzlichen Kosten verbunden wäre. Die interessierte Partei sollte unverzüglich mit der Kommission Kontakt aufnehmen.

11.   Anhörungsbeauftragte

Interessierte Parteien können sich an die Anhörungsbeauftragte für Handelsverfahren wenden. Sie befasst sich mit Anträgen auf Zugang zum Dossier, Streitigkeiten über die Vertraulichkeit von Unterlagen, Anträgen auf Fristverlängerung und sonstigen Anträgen in Bezug auf die Verteidigungsrechte der interessierten Parteien oder von Dritten, die sich während des Verfahrens ergeben.

Die Anhörungsbeauftragte kann Anhörungen ansetzen und vermittelnd zwischen interessierten Parteien und den Dienststellen der Kommission tätig werden, um zu gewährleisten, dass die interessierten Parteien ihre Verteidigungsrechte umfassend wahrnehmen können. Eine Anhörung durch die Anhörungsbeauftragte ist schriftlich zu beantragen und zu begründen. Die Anhörungsbeauftragte prüft die Gründe, aus denen der jeweilige Antrag gestellt wird. Solche Anhörungen sollten nur stattfinden, wenn die Fragen nicht zeitnah mit den Dienststellen der Kommission geklärt wurden.

Alle Anträge sind frühzeitig zu stellen, um die geordnete Abwicklung des Verfahrens nicht zu gefährden. Zu diesem Zweck sollten interessierte Parteien die Anhörungsbeauftragte zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Eintritt des Ereignisses, das ein Tätigwerden ihrerseits rechtfertigt, um eine Intervention ersuchen. Bei nicht fristgerecht eingereichten Anträgen auf Anhörung prüft die Anhörungsbeauftragte auch die Gründe für die Verspätung, die Art der aufgeworfenen Probleme und die Auswirkungen dieser Probleme auf die Verteidigungsrechte, wobei den Interessen einer guten Verwaltung und dem fristgerechten Abschluss der Untersuchung gebührend Rechnung getragen wird.

Weiterführende Informationen und Kontaktdaten können interessierte Parteien den Webseiten der Anhörungsbeauftragten im Internet-Auftritt der GD Handel entnehmen: http://ec.europa.eu/trade/trade-policy-and-you/contacts/hearing-officer/.

12.   Möglichkeit der Beantragung einer Überprüfung nach Artikel 11 Absatz 3 der Grundverordnung

Bei dieser Auslaufüberprüfung handelt es sich um eine Überprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Grundverordnung; daher werden die Untersuchungsergebnisse nicht etwa zu einer Änderung der geltenden Maßnahmen führen, sondern nach Artikel 11 Absatz 6 der Grundverordnung zur Aufhebung oder Aufrechterhaltung jener Maßnahmen.

Ist nach Auffassung einer interessierten Partei zu überprüfen, ob die Maßnahmen geändert werden sollten, so kann die Partei eine Überprüfung nach Artikel 11 Absatz 3 der Grundverordnung beantragen.

Parteien, die eine solche, von der in dieser Bekanntmachung genannten Auslaufüberprüfung getrennt durchzuführende Überprüfung beantragen möchten, können unter der angegebenen Anschrift Kontakt mit der Kommission aufnehmen.

13.   Verarbeitung personenbezogener Daten

Alle im Rahmen dieser Untersuchung erhobenen personenbezogenen Daten werden nach der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (19) verarbeitet.

Ein Vermerk zum Datenschutz, mit dem alle natürlichen Personen über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der handelspolitischen Schutzmaßnahmen der Kommission unterrichtet werden, ist auf der Website der GD Handel (http://ec.europa.eu/trade/policy/accessing- markets/trade-defence/) abrufbar.


(1)  ABl. C 398 vom 1.10.2021, S. 16.

(2)  ABl. L 176 vom 30.6.2016, S. 21.

(3)  Durchführungsverordnung (EU) 2017/1188 der Kommission vom 3. Juli 2017 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von bestimmtem gestrichenem Feinpapier mit Ursprung in der Volksrepublik China im Anschluss an eine Auslaufüberprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 171 vom 4.7.2017, S. 168).

(4)  Commission Staff Working Document on Significant Distortions in the Economy of the People’s Republic of China for the Purposes of Trade Defence Investigations (für die Zwecke von Handelsschutzuntersuchungen erstellte Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen über nennenswerte wirtschaftliche Verzerrungen in der Volksrepublik China) vom 20. Dezember 2017, SWD(2017) 483 final/2, abrufbar unter: https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2017/december/tradoc_156474.pdf

(5)  Durchführungsverordnung (EU) 2020/492 der Kommission vom 1. April 2020 zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle betreffend die Einfuhren bestimmter gewebter und/oder genähter Erzeugnisse aus Glasfasern mit Ursprung in der Volksrepublik China und Ägypten (ABl. L 108 vom 6.4.2020, S. 1) und Durchführungsverordnung (EU) 2021/328 der Kommission vom 24. Februar 2021 zur Einführung eines endgültigen Ausgleichszolls auf die Einfuhren von Waren aus Endlosglasfaserfilamenten mit Ursprung in der Volksrepublik China im Anschluss an eine Auslaufüberprüfung nach Artikel 18 der Verordnung (EU) 2016/1037 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 65 vom 25.2.2021, S. 1).

(6)  Im Länderbericht zitierte Dokumente sind auf hinreichend begründeten Antrag ebenfalls erhältlich.

(7)  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52020XC0316%2802%29

(8)  https://trade.ec.europa.eu/tdi/case_details.cfm?id=2617

(9)  Sofern nichts anderes bestimmt ist, sind alle Bezugnahmen auf die Veröffentlichung dieser Bekanntmachung Bezugnahmen auf die Veröffentlichung dieser Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union.

(10)  Ein Hersteller ist ein Unternehmen im betroffenen Land, das die zu überprüfende Ware herstellt, gegebenenfalls auch ein verbundenes Unternehmen, das an der Herstellung, den Inlandsverkäufen oder der Ausfuhr der zu überprüfenden Ware beteiligt ist.

(11)  https://trade.ec.europa.eu/tdi/case_details.cfm?id=2616

(12)  Es können ausschließlich Einführer, die nicht mit Herstellern im betroffenen Land verbunden sind, in die Stichprobe einbezogen werden. Einführer, die mit Herstellern verbunden sind, müssen Anhang I des Fragebogens für die betreffenden Hersteller ausfüllen. Nach Artikel 127 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union gelten zwei Personen als verbunden, wenn a) sie leitende Angestellte oder Direktoren im Unternehmen der anderen Person sind, b) sie Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften sind, c) sie sich in einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis zueinander befinden, d) eine dritte Person unmittelbar oder mittelbar 5 % oder mehr der im Umlauf befindlichen stimmberechtigten Anteile oder Aktien beider Personen besitzt, kontrolliert oder hält, e) eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar die andere kontrolliert, f) beide von ihnen unmittelbar oder mittelbar von einer dritten Person kontrolliert werden, g) sie beide zusammen unmittelbar oder mittelbar eine dritte Person kontrollieren oder h) sie Mitglieder derselben Familie sind (ABl. L 343 vom 29.12.2015, S. 558). Personen werden nur dann als Mitglieder derselben Familie angesehen, wenn sie in einem der folgenden Verwandtschaftsverhältnisse zueinander stehen: i) Ehegatten, ii) Eltern und Kind, iii) Geschwister (auch Halbgeschwister), iv) Großeltern und Enkel, v) Onkel oder Tante und Neffe oder Nichte, vi) Schwiegereltern und Schwiegersohn oder Schwiegertochter, vii) Schwäger und Schwägerinnen. Nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union ist eine „Person“ eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personenvereinigung, die keine juristische Person ist, die jedoch nach Unionsrecht oder nach einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit hat, im Rechtsverkehr wirksam aufzutreten (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1).

(13)  Die von unabhängigen Einführern vorgelegten Daten können im Rahmen dieser Untersuchung auch zu anderen Zwecken als zur Dumpingermittlung herangezogen werden.

(14)  https://trade.ec.europa.eu/tdi/case_details.cfm?id=2616

(15)  https://trade.ec.europa.eu/tdi/case_details.cfm?id=2616

(16)  https://trade.ec.europa.eu/tdi/case_details.cfm?id=2616

(17)  Bei technischen Problemen wenden Sie sich bitte per E-Mail (trade-service-desk@ec.europa.eu) oder telefonisch unter: +32 22979797 an den Trade Service Desk.

(18)  Eine Unterlage mit dem Vermerk „Sensitive“ gilt als vertraulich im Sinne des Artikels 19 der Grundverordnung und des Artikels 6 des WTO-Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 (Antidumping-Übereinkommen). Sie ist ferner nach Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43) geschützt.

(19)  Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).


ANHANG

„Sensitive version“ (zur vertraulichen Behandlung)

„Version for inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien)

(Zutreffendes bitte ankreuzen)

ÜBERPRÜFUNG WEGEN DES BEVORSTEHENDEN AUSSERKRAFTTRETENS DER ANTIDUMPINGMASSNAHMEN GEGENÜBER DEN EINFUHREN VON BESTIMMTEM GESTRICHENEM FEINPAPIER MIT URSPRUNG IN DER VOLKSREPUBLIK CHINA

INFORMATIONEN FÜR DIE AUSWAHL DER STICHPROBE DER UNABHÄNGIGEN EINFÜHRER

Dieses Formular soll unabhängigen Einführern dabei helfen, die unter Abschnitt 5.3.3 der Einleitungsbekanntmachung angeforderten Informationen zur Stichprobenauswahl bereitzustellen.

Beide Fassungen, die „Sensitive version“ (zur vertraulichen Behandlung) und die „Version for inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien), sollten nach Maßgabe der Angaben in der Einleitungsbekanntmachung an die Kommission zurückgesandt werden.

1.   NAME UND KONTAKTDATEN

Machen Sie bitte folgende Angaben zu Ihrem Unternehmen:

Name des Unternehmens

 

Anschrift

 

Kontaktperson

 

E-Mail:

 

Telefon

 

2.   UMSATZ UND VERKAUFSMENGE

Geben Sie für den Untersuchungszeitraum der Überprüfung bitte Folgendes an: den Gesamtumsatz des Unternehmens in EUR und — für die zu überprüfende Ware im Sinne der Einleitungsbekanntmachung — den Wert der Einfuhren und der Weiterverkäufe auf dem Unionsmarkt nach der Einfuhr aus der Volksrepublik China in EUR sowie die entsprechende Menge in Tonnen.

 

Menge (in Tonnen)

Wert (in EUR)

Gesamtumsatz Ihres Unternehmens (in EUR)

 

 

Einfuhren der zu überprüfenden Ware mit Ursprung in der Volksrepublik China

 

 

Einfuhren der zu überprüfenden Ware (jeglichen Ursprungs)

 

 

Weiterverkäufe der zu überprüfenden Ware auf dem Unionsmarkt nach der Einfuhr aus der Volksrepublik China

 

 

3.   GESCHÄFTSTÄTIGKEITEN IHRES UNTERNEHMENS UND DER VERBUNDENEN UNTERNEHMEN (1)

Bitte machen Sie Angaben zu den genauen Geschäftstätigkeiten des Unternehmens und aller verbundenen Unternehmen (bitte auflisten und Art der Verbindung mit Ihrem Unternehmen angeben), die an Herstellung und/oder Verkauf (im Inland und/oder zur Ausfuhr) der zu überprüfenden Ware beteiligt sind. Zu diesen Tätigkeiten könnten unter anderem der Einkauf der zu überprüfenden Ware oder ihre Herstellung im Rahmen von Unterauftragsvereinbarungen, ihre Verarbeitung oder der Handel mit ihr gehören.

Name und Standort des Unternehmens

Geschäftstätigkeiten

Art der Verbindung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.   SONSTIGE ANGABEN

Machen Sie bitte sonstige sachdienliche Angaben, die der Kommission aus der Sicht Ihres Unternehmens bei der Stichprobenbildung von Nutzen sein könnten.

5.   ERKLÄRUNG

Mit der Übermittlung der genannten Angaben erklärt sich das Unternehmen mit seiner etwaigen Einbeziehung in die Stichprobe einverstanden. Wird das Unternehmen in die Stichprobe einbezogen, muss es einen Fragebogen ausfüllen und einem Besuch in seinen Betriebsstätten zustimmen, welcher der Überprüfung seiner Angaben dient. Erklärt sich ein Unternehmen nicht mit seiner Einbeziehung in die Stichprobe einverstanden, wird es bei dieser Untersuchung als nicht mitarbeitendes Unternehmen geführt. Die Kommission trifft die Feststellungen in Bezug auf nicht mitarbeitende Einführer auf der Grundlage der verfügbaren Informationen; dies kann zu einem Ergebnis führen, das für das betreffende Unternehmen ungünstiger ist, als wenn es mitgearbeitet hätte.

Unterschrift des/der Bevollmächtigten:

Name und Funktion des/der Bevollmächtigten:

Datum:


(1)  Nach Artikel 127 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union gelten zwei Personen als verbunden, wenn a) sie leitende Angestellte oder Direktoren im Unternehmen der anderen Person sind, b) sie Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften sind, c) sie sich in einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis zueinander befinden, d) eine dritte Person unmittelbar oder mittelbar 5 % oder mehr der im Umlauf befindlichen stimmberechtigten Anteile oder Aktien beider Personen besitzt, kontrolliert oder hält, e) eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar die andere kontrolliert, f) beide von ihnen unmittelbar oder mittelbar von einer dritten Person kontrolliert werden, g) sie beide zusammen unmittelbar oder mittelbar eine dritte Person kontrollieren oder h) sie Mitglieder derselben Familie sind (ABl. L 343 vom 29.12.2015, S. 558). Personen werden nur dann als Mitglieder derselben Familie angesehen, wenn sie in einem der folgenden Verwandtschaftsverhältnisse zueinander stehen: i) Ehegatten, ii) Eltern und Kind, iii) Geschwister (auch Halbgeschwister), iv) Großeltern und Enkel, v) Onkel oder Tante und Neffe oder Nichte, vi) Schwiegereltern und Schwiegersohn oder Schwiegertochter, vii) Schwäger und Schwägerinnen. Nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union ist eine „Person“ eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personenvereinigung, die keine juristische Person ist, die jedoch nach Unionsrecht oder nach einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit hat, im Rechtsverkehr wirksam aufzutreten (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1).


30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/142


Bekanntmachung der Einleitung einer Interimsüberprüfung der Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China

(2022/C 248/11)

Der Europäischen Kommission (im Folgenden „Kommission“) liegt ein Antrag auf eine teilweise Interimsüberprüfung nach Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern (1) (im Folgenden „Grundverordnung“) vor.

1.   Überprüfungsantrag

Der Antrag wurde am 1. April 2022 im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 der Grundverordnung vom Dachverband der europäischen Chemiefaserindustrie (European Man-made Fibres Association – CIRFS, im Folgenden „Antragsteller“) im Namen des Wirtschaftszweigs der Union, der hochfeste Garne aus Polyestern herstellt, eingereicht.

Die Überprüfung beschränkt sich auf die Untersuchung des Dumpingtatbestands.

Eine allgemein einsehbare Fassung des Antrags und die Analyse, inwieweit der Antrag von den Unionsherstellern unterstützt wird, sind in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier verfügbar. Abschnitt 5.4 dieser Bekanntmachung enthält Informationen über den Zugang zum Dossier für interessierte Parteien.

2.   Zu überprüfende Ware

Diese Überprüfung betrifft hochfeste Garne aus Polyestern, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, einschließlich synthetischer Monofile von weniger als 67 dtex, (ausgenommen Nähgarne und für die Herstellung von Nähgarnen bestimmte gezwirnte Garne mit Z-Drehung, fertig zum Färben und zur Ausrüstung, locker aufgewickelt auf mit Löchern versehene Kunststoffspulen) (im Folgenden „zu überprüfende Ware“), die derzeit unter dem KN-Code ex 5402 20 00 (TARIC-Code 5402200010) eingereiht werden. Die KN- und TARIC-Codes werden nur informationshalber angegeben, unbeschadet einer späteren Änderung der zolltariflichen Einreihung.

3.   Geltende Maßnahmen

Bei den derzeit geltenden Maßnahmen handelt es sich um einen endgültigen Antidumpingzoll, der mit der Durchführungsverordnung (EU) 2017/325 der Kommission (2) (im Folgenden „Ausgangsuntersuchung“), zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) 2017/1159 der Kommission (3), eingeführt wurde.

Am 23. Februar 2022 veröffentlichte die Kommission die Bekanntmachung der Einleitung einer Auslaufüberprüfung des Antidumpingzolls gegenüber den Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China (4). Bis zum Abschluss der betreffenden Auslaufüberprüfung bleiben die Maßnahmen in Kraft.

4.   Gründe für die Überprüfung

Der Antrag stützt sich auf vom Antragsteller vorgelegte ausreichende Beweise dafür, dass sich die Umstände, auf deren Grundlage die geltenden Maßnahmen eingeführt wurden, in Bezug auf das Dumping dauerhaft geändert haben.

Diese Änderungen betreffen die Struktur der chinesischen Hersteller, den Kapazitätsanstieg bei der zu überprüfenden Ware in China (im Folgenden „VR China“ oder „betroffenes Land“) und die daraus resultierenden massiven Überkapazitäten und sinkenden Preise der Ausfuhren aus der VR China.

In der VR China fanden seit der Ausgangsuntersuchung wichtige Entwicklungen im Einklang mit den von der chinesischen Regierung in ihren Fünfjahresplänen festgelegten Zielen für die inländische Chemiefaserbranche statt, durch die der chinesische Wirtschaftszweig der zu überprüfenden Ware verändert wurde. Seit der Ausgangsuntersuchung haben die von den Maßnahmen betroffenen chinesischen Hersteller in neue Technologien, FuE und Produktentwicklung investiert. Außerdem investierten sie in die Herstellung faserreiner Terephthalsäure (im Folgenden „PTA“), die der wichtigste Rohstoff für die Herstellung der zu überprüfenden Ware ist. Somit wurden die chinesischen Hersteller von PTA-Einfuhren unabhängig und zu integrierten Herstellern. Aufgrund dieser umfangreichen Investitionen haben die von den Maßnahmen betroffenen chinesischen Hersteller der zu überprüfenden Ware ihre Produktionskapazitäten seit der Ausgangsuntersuchung mehr als verdreifacht.

Der Inlandsverbrauch in der VR China und der weltweite Verbrauch stiegen nicht im Einklang mit dem Anstieg der chinesischen Kapazität, was zu einem Rückgang des chinesischen Ausfuhrpreises geführt hat.

Daher sind den Antragstellern zufolge die geltenden Maßnahmen nicht mehr ausreichend, um das Dumping unwirksam zu machen.

Dem Antragsteller zufolge ist es aufgrund nennenswerter Verzerrungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 6a Buchstabe b der Grundverordnung nicht angemessen, die Inlandspreise und -kosten in der VR China heranzuziehen, um den Normalwert zu ermitteln und die Dumpingspannen neu zu berechnen.

Zur Untermauerung der Behauptung, dass nennenswerte Verzerrungen bestehen, bezog sich der Antragsteller auf die Informationen in dem von den Kommissionsdienststellen am 20. Dezember 2017 vorgelegten Länderbericht, in dem die spezifischen Marktgegebenheiten im betroffenen Land beschrieben werden (5).

Angesichts der vorliegenden Informationen vertritt die Kommission die Auffassung, dass im Sinne des Artikels 5 Absatz 9 der Grundverordnung ausreichende Beweise vorliegen, die tendenziell darauf hindeuten, dass es aufgrund nennenswerter Verzerrungen mit Auswirkungen auf Preise und Kosten nicht angemessen ist, die Inlandspreise und -kosten der VR China heranzuziehen, und dass somit die Einleitung einer Untersuchung nach Artikel 2 Absatz 6a der Grundverordnung gerechtfertigt ist.

Der Länderbericht steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel zur Verfügung (6).

5.   Verfahren

Die Kommission kam nach Unterrichtung der Mitgliedstaaten zu dem Schluss, dass genügend Beweise für die Einleitung einer teilweisen Interimsüberprüfung vorliegen, die sich auf die Untersuchung des Dumpingtatbestands beschränkt; demgemäß leitet sie eine Überprüfung nach Artikel 11 Absatz 3 der Grundverordnung ein. Zweck der Überprüfung ist die Ermittlung der Dumpingspanne für die ausführenden Hersteller.

Die Kommission weist die Parteien außerdem auf die veröffentlichte Bekanntmachung über die Folgen des COVID-19-Ausbruchs für Antidumping- und Antisubventionsuntersuchungen (7) hin, die auf dieses Verfahren anwendbar sein könnte.

5.1.    Untersuchungszeitraum der Überprüfung

Die Untersuchung betrifft den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2021 (im Folgenden „Untersuchungszeitraum der Überprüfung“).

5.2.    Stellungnahmen zum Antrag und zur Einleitung der Untersuchung

Interessierte Parteien, die zum Antrag oder zu Aspekten im Zusammenhang mit der Einleitung der Untersuchung (zum Beispiel zu der Frage, inwieweit der Antrag unterstützt wird) Stellung nehmen möchten, müssen dies binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union (8) tun.

Anträge auf Anhörung, die die Einleitung der Untersuchung betreffen, müssen binnen 15 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung gestellt werden.

5.3.    Verfahren zur Dumpingermittlung

Die ausführenden Hersteller der zu überprüfenden Ware aus dem betroffenen Land werden gebeten, bei der Untersuchung der Kommission mitzuarbeiten; dies gilt auch für diejenigen, die nicht bei der Untersuchung mitgearbeitet haben, die zu den geltenden Maßnahmen führte.

5.3.1.   Untersuchung der ausführenden Hersteller im betroffenen Land

Da im betroffenen Land eine Vielzahl ausführender Hersteller von der Interimsüberprüfung betroffen sein dürfte und da es gilt, die Untersuchung fristgerecht abzuschließen, kann die Kommission die Zahl der zu untersuchenden ausführenden Hersteller auf ein vertretbares Maß beschränken, indem sie eine Stichprobe bildet (im Folgenden „Stichprobenverfahren“). Das Stichprobenverfahren wird nach Artikel 17 der Grundverordnung durchgeführt.

Damit die Kommission über die Notwendigkeit eines Stichprobenverfahrens entscheiden und gegebenenfalls eine Stichprobe bilden kann, werden alle ausführenden Hersteller oder die in ihrem Namen handelnden Vertreter hiermit gebeten, der Kommission binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung Angaben zu ihren Unternehmen vorzulegen; dies gilt auch für diejenigen, die nicht bei der Untersuchung mitgearbeitet haben, die zu den jetzt zur Überprüfung anstehenden Maßnahmen führte. Diese Angaben sind über TRON.tdi unter folgender Adresse zu übermitteln: https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/tdi/form/R771_SAMPLING_FORM_FOR_EXPORTING_PRODUCER. Informationen zum Zugriff auf TRON enthalten die Abschnitte 5.4 und 5.7.

Die Kommission wird ferner mit den Behörden des betroffenen Landes sowie gegebenenfalls mit den ihr bekannten Verbänden ausführender Hersteller im betroffenen Land Kontakt aufnehmen, um die Informationen einzuholen, die sie für die Auswahl der Stichprobe der ausführenden Hersteller benötigt.

Ist die Bildung einer Stichprobe erforderlich, werden die ausführenden Hersteller auf der Grundlage des größten repräsentativen Produktions-, Verkaufs- oder Ausfuhrvolumens ausgewählt, das in der zur Verfügung stehenden Zeit in angemessener Weise untersucht werden kann. Alle der Kommission bekannten ausführenden Hersteller im betroffenen Land, die Behörden des betroffenen Landes und die Verbände ausführender Hersteller werden von der Kommission (gegebenenfalls über die Behörden des betroffenen Landes) darüber in Kenntnis gesetzt, welche Unternehmen für die Stichprobe ausgewählt wurden.

Sobald die Kommission die erforderlichen Informationen erhalten hat, um eine Stichprobe der ausführenden Hersteller zu bilden, teilt sie den betroffenen Parteien mit, ob sie in die Stichprobe einbezogen wurden. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen die ausführenden Hersteller, die für die Stichprobe ausgewählt wurden, binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über ihre Einbeziehung in die Stichprobe einen ausgefüllten Fragebogen übermitteln.

Die Kommission nimmt in das zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmte Dossier einen Vermerk zur Stichprobenauswahl auf. Stellungnahmen zur Stichprobenauswahl müssen binnen 3 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Stichprobe eingehen.

Der Fragebogen für die ausführenden Hersteller im betroffenen Land steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel (https://tron.trade.ec.europa.eu/investigations/case-view?caseId=2612) zur Verfügung.

Unbeschadet des Artikels 18 der Grundverordnung gelten Unternehmen, die ihrer möglichen Einbeziehung in die Stichprobe zugestimmt haben, jedoch hierfür nicht ausgewählt werden, als mitarbeitend.

5.3.2.   Zusätzliches Verfahren für das betroffene Land, in dem nennenswerte Verzerrungen auftreten

Vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Bekanntmachung werden alle interessierten Parteien hiermit gebeten, ihren Standpunkt zur Anwendung des Artikels 2 Absatz 6a der Grundverordnung unter Vorlage von Informationen und sachdienlichen Nachweisen darzulegen. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen diese Informationen und sachdienlichen Nachweise binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei der Kommission eingehen.

Insbesondere fordert die Kommission alle interessierten Parteien auf, zu den im Antrag angegebenen Inputs und Codes des Harmonisierten Systems (HS) Stellung zu nehmen, ein geeignetes repräsentatives Land oder geeignete repräsentative Länder vorzuschlagen und ausführende Hersteller der zu überprüfenden Ware in diesen Ländern zu nennen. Diese Informationen und sachdienlichen Nachweise müssen binnen 15 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei der Kommission eingehen.

Kurz nach Einleitung der Untersuchung unterrichtet die Kommission nach Artikel 2 Absatz 6a Buchstabe e der Grundverordnung durch einen Vermerk in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier die von der Untersuchung betroffenen Parteien über die relevanten Quellen, die die Kommission zur Ermittlung des Normalwerts im betroffenen Land nach Artikel 2 Absatz 6a der Grundverordnung heranzuziehen beabsichtigt. Dies gilt für alle Quellen, einschließlich der Auswahl – soweit dies angebracht ist – eines geeigneten repräsentativen Drittlands. Die von der Untersuchung betroffenen Parteien können binnen 10 Tagen ab dem Datum, an dem dieser Vermerk in das Dossier aufgenommen wurde, dazu Stellung nehmen.

Den der Kommission vorliegenden Informationen nach zu urteilen käme im vorliegenden Fall die Türkei als repräsentatives Drittland in Betracht. Um die endgültige Wahl des geeigneten repräsentativen Drittlands treffen zu können, wird die Kommission prüfen, ob es Länder mit einem ähnlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstand wie im betroffenen Land gibt, in denen die zu überprüfende Ware hergestellt und verkauft wird und in denen einschlägige Daten ohne Weiteres verfügbar sind. Gibt es mehr als ein derartiges Land, werden gegebenenfalls Länder bevorzugt, in denen ein angemessener Sozial- und Umweltschutz besteht.

Bezüglich der relevanten Quellen ersucht die Kommission alle ausführenden Hersteller im betroffenen Land, binnen 15 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung Angaben zu den bei der Herstellung der zu überprüfenden Ware verwendeten Vormaterialien (Rohstoffe und Halbzeug) sowie dem entsprechenden Energieverbrauch vorzulegen. Diese Angaben sind über TRON.tdi unter folgender Adresse zu übermitteln: https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/tdi/form/R771_INFO_ON_INPUTS_FOR_EXPORTING_PRODUCER_FORM . Informationen zum Zugriff auf TRON enthalten die Abschnitte 5.4 und 5.7.

Sachinformationen zu Kosten und Preisen nach Artikel 2 Absatz 6a Buchstabe a der Grundverordnung müssen darüber hinaus binnen 65 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung vorgelegt werden. Solche Sachinformationen sollten ausschließlich aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen.

Die Kommission wird der Regierung des betroffenen Landes ferner einen Fragebogen zur Verfügung stellen, um die Informationen einzuholen, die sie für die Untersuchung der mutmaßlichen nennenswerten Verzerrungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 6a Buchstabe b der Grundverordnung benötigt.

5.3.3.   Untersuchung der unabhängigen Einführer (9) (10)

Die unabhängigen Einführer, die die zu überprüfende Ware aus der VR China in die Union einführen, werden gebeten, bei dieser Untersuchung mitzuarbeiten; dies gilt auch für diejenigen, die nicht bei der Untersuchung mitgearbeitet haben, die zu den geltenden Maßnahmen führte.

Da eine Vielzahl unabhängiger Einführer von dieser Interimsüberprüfung betroffen sein dürfte und da es gilt, die Untersuchung fristgerecht abzuschließen, kann die Kommission die Zahl der zu untersuchenden unabhängigen Einführer auf ein vertretbares Maß beschränken, indem sie eine Stichprobe bildet (im Folgenden „Stichprobenverfahren“). Das Stichprobenverfahren wird nach Artikel 17 der Grundverordnung durchgeführt.

Damit die Kommission über die Notwendigkeit eines Stichprobenverfahrens entscheiden und gegebenenfalls eine Stichprobe bilden kann, werden alle unabhängigen Einführer oder die in ihrem Namen handelnden Vertreter hiermit gebeten, mit der Kommission Kontakt aufzunehmen; dies gilt auch für diejenigen, die nicht bei der Untersuchung mitgearbeitet haben, die zu den jetzt zur Überprüfung anstehenden Maßnahmen führte. Die Parteien müssen dies binnen 7 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung tun, indem sie der Kommission die im Anhang erbetenen Angaben zu ihren Unternehmen übermitteln.

Ferner kann die Kommission mit den ihr bekannten Einführerverbänden Kontakt aufnehmen, um die Informationen einzuholen, die sie für die Auswahl der Stichprobe der unabhängigen Einführer benötigt.

Ist die Bildung einer Stichprobe erforderlich, können die Einführer auf der Grundlage der größten repräsentativen Verkaufsmenge der zu überprüfenden Ware aus der VR China in der Union ausgewählt werden, die in der zur Verfügung stehenden Zeit in angemessener Weise untersucht werden kann. Alle der Kommission bekannten unabhängigen Einführer und Einführerverbände werden von ihr davon in Kenntnis gesetzt, welche Unternehmen für die Stichprobe ausgewählt wurden.

Die Kommission nimmt in das zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmte Dossier auch einen Vermerk zur Stichprobenauswahl auf. Stellungnahmen zur Stichprobenauswahl müssen binnen 3 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Stichprobe eingehen.

Die Kommission wird den in die Stichprobe einbezogenen unabhängigen Einführern Fragebogen zur Verfügung stellen, um die für ihre Untersuchung benötigten Informationen einzuholen. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen die Parteien binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Stichprobe einen ausgefüllten Fragebogen übermitteln.

Der Fragebogen für unabhängige Einführer steht in dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier und auf der Website der GD Handel (https://tron.trade.ec.europa.eu/investigations/case-view?caseId=2612) zur Verfügung.

5.4.    Interessierte Parteien

Um bei der Untersuchung mitarbeiten zu können, müssen interessierte Parteien wie Hersteller im betroffenen Land bzw. in den betroffenen Ländern, Unionshersteller, Einführer und ihre repräsentativen Verbände, Verwender und ihre repräsentativen Verbände, Gewerkschaften sowie repräsentative Verbraucherorganisationen zunächst nachweisen, dass ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu überprüfenden Ware besteht.

Hersteller im betroffenen Land, Unionshersteller, Einführer und repräsentative Verbände, die Informationen zur Verfügung gestellt haben, gelten als interessierte Parteien, wenn ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu überprüfenden Ware besteht.

Andere Parteien können erst dann als interessierte Partei bei der Untersuchung mitarbeiten, wenn sie sich bei der Kommission gemeldet haben, und nur dann, wenn ein objektiver Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der zu überprüfenden Ware besteht. Die Einstufung als interessierte Partei gilt unbeschadet der Anwendung des Artikels 18 der Grundverordnung.

Der Zugang zu dem zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien bestimmten Dossier erfolgt über TRON.tdi unter folgender Adresse: https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/TDI. Um Zugang zu erhalten, folgen Sie bitte den Anweisungen auf dieser Seite (11).

5.5.    Andere schriftliche Beiträge

Vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Bekanntmachung werden alle interessierten Parteien hiermit gebeten, ihren Standpunkt unter Vorlage von Informationen und sachdienlichen Nachweisen darzulegen. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen diese Informationen und sachdienlichen Nachweise binnen 37 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei der Kommission eingehen.

5.6.    Möglichkeit der Anhörung durch die untersuchenden Kommissionsdienststellen

Jede interessierte Partei kann eine Anhörung durch die untersuchenden Kommissionsdienststellen beantragen. Der entsprechende Antrag ist schriftlich zu stellen und zu begründen; er muss ferner eine Zusammenfassung der Punkte enthalten, die die interessierte Partei während der Anhörung erörtern möchte. Die Anhörung ist auf die von den interessierten Parteien im Voraus schriftlich dargelegten Punkte beschränkt.

Grundsätzlich können die Anhörungen nicht zur Darlegung von Sachinformationen genutzt werden, die noch nicht im Dossier enthalten sind. Im Interesse einer guten Verwaltung und um die Kommissionsdienststellen in die Lage zu versetzen, bei der Untersuchung voranzukommen, können die interessierten Parteien nach einer Anhörung jedoch aufgefordert werden, neue Sachinformationen vorzulegen.

5.7.    Schriftliche Beiträge, Übermittlung ausgefüllter Fragebogen und Schriftwechsel

Der Kommission für die Zwecke von Handelsschutzuntersuchungen vorgelegte Angaben müssen frei von Urheberrechten sein. Bevor interessierte Parteien der Kommission Angaben und/oder Daten vorlegen, für die Urheberrechte Dritter gelten, müssen sie vom Urheberrechtsinhaber eine spezifische Genehmigung einholen, die es der Kommission ausdrücklich gestattet, a) die Angaben und Daten für die Zwecke dieses Handelsschutzverfahrens zu verwenden und b) den an dieser Untersuchung interessierten Parteien die Angaben und/oder Daten so vorzulegen, dass sie ihre Verteidigungsrechte wahrnehmen können.

Alle von interessierten Parteien übermittelten schriftlichen Beiträge, die vertraulich behandelt werden sollen, müssen den Vermerk „Sensitive“ (12) (zur vertraulichen Behandlung) tragen; dies gilt auch für entsprechende mit dieser Bekanntmachung angeforderte Informationen, ausgefüllte Fragebogen und sonstige Schreiben. Parteien, die im Laufe der Untersuchung Informationen vorlegen, werden gebeten, ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung zu begründen.

Parteien, die Informationen mit dem Vermerk „Sensitive“ übermitteln, müssen nach Artikel 19 Absatz 2 der Grundverordnung eine nichtvertrauliche Zusammenfassung vorlegen, die den Vermerk „For inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien) trägt. Diese Zusammenfassung muss so ausführlich sein, dass sie ein angemessenes Verständnis des wesentlichen Inhalts der vertraulichen Informationen ermöglicht. Kann eine Partei, die vertrauliche Informationen vorlegt, ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung nicht triftig begründen oder legt sie keine nichtvertrauliche Zusammenfassung der Informationen im vorgeschriebenen Format und in der vorgeschriebenen Qualität vor, so kann die Kommission solche Informationen unberücksichtigt lassen, sofern nicht anhand geeigneter Quellen in zufriedenstellender Weise nachgewiesen wird, dass die Informationen richtig sind.

Interessierte Parteien werden gebeten, alle Beiträge und Anträge, darunter auch Anträge auf Registrierung als interessierte Partei, gescannte Vollmachten und Bescheinigungen, über TRON.tdi (https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/TDI) zu übermitteln. Mit der Verwendung von TRON.tdi oder E-Mail erklären sich die interessierten Parteien mit den Regeln für die elektronische Übermittlung von Unterlagen im Leitfaden zum „SCHRIFTWECHSEL MIT DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION BEI HANDELSSCHUTZUNTERSUCHUNGEN“ einverstanden, der auf der Website der Generaldirektion Handel veröffentlicht ist: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2011/june/tradoc_148003.pdf. Die interessierten Parteien müssen ihren Namen sowie ihre Anschrift, Telefonnummer und gültige E-Mail-Adresse angeben und sollten sicherstellen, dass es sich bei der genannten E-Mail-Adresse um eine aktive offizielle Mailbox handelt, die täglich eingesehen wird. Hat die Kommission die Kontaktdaten erhalten, so kommuniziert sie ausschließlich über TRON.tdi oder per E-Mail mit den interessierten Parteien, es sei denn, diese wünschen ausdrücklich, alle Unterlagen von der Kommission auf einem anderen Kommunikationsweg zu erhalten, oder die Art der Unterlage macht den Versand per Einschreiben erforderlich. Weitere Regeln und Informationen bezüglich des Schriftverkehrs mit der Kommission, einschließlich der Grundsätze für Übermittlungen über TRON.tdi oder per E-Mail, können dem genannten Leitfaden für interessierte Parteien entnommen werden.

Postanschrift der Kommission:

Europäische Kommission

Generaldirektion Handel

Direktion G

Büro: CHAR 04/039

1049 Bruxelles/Brussel

BELGIQUE/BELGIË

TRON.tdi: https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/tdi

E-Mail-Adresse: TRADE-R771-HTYP@ec.europa.eu

6.   Zeitplan für die Untersuchung

Nach Artikel 11 Absatz 5 der Grundverordnung wird die Untersuchung in der Regel binnen 12 Monaten, spätestens jedoch 15 Monate nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung abgeschlossen.

7.   Vorlage von Informationen

In der Regel können interessierte Parteien nur innerhalb der in Abschnitt 5 dieser Bekanntmachung angegebenen Fristen Informationen vorlegen.

Um die Untersuchung innerhalb der vorgeschriebenen Fristen abzuschließen, nimmt die Kommission nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zur endgültigen Unterrichtung bzw. gegebenenfalls nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zur weiteren Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen keine Beiträge mehr an.

8.   Möglichkeit, zu den Beiträgen anderer Parteien Stellung zu nehmen

Zur Wahrung der Verteidigungsrechte sollten die interessierten Parteien die Möglichkeit haben, sich zu den von anderen interessierten Parteien vorgelegten Informationen zu äußern. Dabei dürfen die interessierten Parteien nur auf die in den Beiträgen der anderen interessierten Parteien vorgebrachten Punkte eingehen und keine neuen Punkte ansprechen.

Stellungnahmen zu Informationen, die von anderen interessierten Parteien auf die Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen hin vorgelegt wurden, sollten, sofern nichts anderes bestimmt ist, binnen 5 Tagen nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zu den endgültigen Feststellungen abgegeben werden. Im Falle einer weiteren Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen sollten Stellungnahmen zu Informationen, die von anderen interessierten Parteien auf diese weitere Unterrichtung hin vorgelegt wurden, spätestens am Tag nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen zu dieser weiteren Unterrichtung abgegeben werden, sofern nichts anderes bestimmt ist.

Der genannte Zeitrahmen berührt nicht das Recht der Kommission, in hinreichend begründeten Fällen zusätzliche Informationen von den interessierten Parteien anzufordern.

9.   Verlängerung der in dieser Bekanntmachung vorgesehenen Fristen

Eine Verlängerung der in dieser Bekanntmachung vorgesehenen Fristen sollte nur in Ausnahmefällen beantragt werden und wird nur bei hinreichender Begründung gewährt. In jedem Fall sind Verlängerungen von Fristen für die Beantwortung der Fragebogen normalerweise auf 3 Tage begrenzt; grundsätzlich werden höchstens 7 Tage gewährt. In Bezug auf die Fristen für die Vorlage anderer Informationen nach dieser Bekanntmachung sind Verlängerungen auf 3 Tage begrenzt, sofern nicht nachgewiesen wird, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

10.   Mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit

Verweigert eine interessierte Partei den Zugang zu den erforderlichen Informationen oder erteilt sie die Auskünfte nicht fristgerecht oder behindert sie die Untersuchung erheblich, so können nach Artikel 18 der Grundverordnung positive oder negative Feststellungen auf der Grundlage der verfügbaren Informationen getroffen werden.

Wird festgestellt, dass eine interessierte Partei unwahre oder irreführende Informationen vorgelegt hat, so können diese Informationen unberücksichtigt bleiben; stattdessen können die verfügbaren Informationen zugrunde gelegt werden.

Arbeitet eine interessierte Partei nicht oder nur eingeschränkt mit und stützen sich die Feststellungen daher nach Artikel 18 der Grundverordnung auf die verfügbaren Informationen, so kann dies zu einem Ergebnis führen, das für diese Partei ungünstiger ist, als wenn sie mitgearbeitet hätte.

Werden die Antworten nicht elektronisch übermittelt, so gilt dies nicht als mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit, sofern die interessierte Partei darlegt, dass die Übermittlung der Antwort in der gewünschten Form die interessierte Partei über Gebühr zusätzlich belasten würde oder mit unangemessenen zusätzlichen Kosten verbunden wäre. Die interessierte Partei sollte unverzüglich mit der Kommission Kontakt aufnehmen.

11.   Anhörungsbeauftragte

Interessierte Parteien können sich an die Anhörungsbeauftragte für Handelsverfahren wenden. Sie befasst sich mit Anträgen auf Zugang zum Dossier, Streitigkeiten über die Vertraulichkeit von Unterlagen, Anträgen auf Fristverlängerung und sonstigen Anträgen in Bezug auf die Verteidigungsrechte der interessierten Parteien oder von Dritten, die sich während des Verfahrens ergeben.

Die Anhörungsbeauftragte kann Anhörungen ansetzen und vermittelnd zwischen interessierten Parteien und den Dienststellen der Kommission tätig werden, um zu gewährleisten, dass die interessierten Parteien ihre Verteidigungsrechte umfassend wahrnehmen können. Eine Anhörung durch die Anhörungsbeauftragte ist schriftlich zu beantragen und zu begründen. Die Anhörungsbeauftragte prüft die Gründe, aus denen der jeweilige Antrag gestellt wird. Solche Anhörungen sollten nur stattfinden, wenn die Fragen nicht zeitnah mit den Dienststellen der Kommission geklärt wurden.

Alle Anträge sind frühzeitig zu stellen, um die geordnete Abwicklung des Verfahrens nicht zu gefährden. Zu diesem Zweck sollten interessierte Parteien die Anhörungsbeauftragte zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Eintritt des Ereignisses, das ein Tätigwerden ihrerseits rechtfertigt, um eine Intervention ersuchen. Bei nicht fristgerecht eingereichten Anträgen auf Anhörung prüft die Anhörungsbeauftragte auch die Gründe für die Verspätung, die Art der aufgeworfenen Probleme und die Auswirkungen dieser Probleme auf die Verteidigungsrechte, wobei den Interessen einer guten Verwaltung und dem fristgerechten Abschluss der Untersuchung gebührend Rechnung getragen wird.

Weiterführende Informationen und Kontaktdaten können interessierte Parteien den Webseiten der Anhörungsbeauftragten im Internet-Auftritt der GD Handel entnehmen: http://ec.europa.eu/trade/trade-policy-and-you/contacts/hearing-officer/.

12.   Verarbeitung personenbezogener Daten

Alle im Rahmen dieser Untersuchung erhobenen personenbezogenen Daten werden nach der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (13) verarbeitet.

Ein Vermerk zum Datenschutz, mit dem alle natürlichen Personen über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der handelspolitischen Schutzmaßnahmen der Kommission unterrichtet werden, ist auf der Website der GD Handel (http://ec.europa.eu/trade/policy/accessing-markets/trade-defence/) abrufbar.


(1)  ABl. L 176 vom 30.6.2016, S. 21.

(2)  Durchführungsverordnung (EU) 2017/325 der Kommission vom 24. Februar 2017 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China im Anschluss an eine Auslaufüberprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 49 vom 25.2.2017, S. 6).

(3)  Durchführungsverordnung (EU) 2017/1159 der Kommission vom 29. Juni 2017 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1105/2010 des Rates und der Durchführungsverordnung (EU) 2017/325 der Kommission in Bezug auf die Warendefinition der geltenden Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren hochfester Garne aus Polyestern mit Ursprung in der Volksrepublik China sowie zur Eröffnung der Möglichkeit der Erstattung oder des Erlasses von Zöllen in bestimmten Fällen (ABl. L 167 vom 30.6.2017, S. 31).

(4)  ABl. C 87 vom 23.2.2022, S. 2.

(5)  Commission Staff Working Document on Significant Distortions in the Economy of the People’s Republic of China for the Purposes of Trade Defence Investigations vom 20. Dezember 2017, SWD(2017) 483 final/2, abrufbar unter: https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2017/december/tradoc_156474.pdf

(6)  Im Länderbericht zitierte Dokumente sind auf hinreichend begründeten Antrag ebenfalls erhältlich.

(7)  Bekanntmachung über die Folgen des Ausbruchs des COVID-19 (Coronavirus) für Antidumping- und Antisubventionsuntersuchungen (ABl. C 86 vom 16.3.2020, S. 6).

(8)  Sofern nichts anderes bestimmt ist, sind alle Bezugnahmen auf die Veröffentlichung dieser Bekanntmachung Bezugnahmen auf die Veröffentlichung dieser Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union.

(9)  Es können ausschließlich Einführer, die nicht mit Herstellern im betroffenen Land verbunden sind, in die Stichprobe einbezogen werden. Einführer, die mit Herstellern verbunden sind, müssen Anhang I des Fragebogens für die betreffenden Hersteller ausfüllen. Nach Artikel 127 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union gelten zwei Personen als verbunden, wenn a) sie leitende Angestellte oder Direktoren im Unternehmen der anderen Person sind, b) sie Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften sind, c) sie sich in einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis zueinander befinden, d) eine dritte Person unmittelbar oder mittelbar 5 % oder mehr der im Umlauf befindlichen stimmberechtigten Anteile oder Aktien beider Personen besitzt, kontrolliert oder hält, e) eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar die andere kontrolliert, f) beide von ihnen unmittelbar oder mittelbar von einer dritten Person kontrolliert werden, g) sie beide zusammen unmittelbar oder mittelbar eine dritte Person kontrollieren oder h) sie Mitglieder derselben Familie sind (ABl. L 343 vom 29.12.2015, S. 558). Personen werden nur dann als Mitglieder derselben Familie angesehen, wenn sie in einem der folgenden Verwandtschaftsverhältnisse zueinander stehen: i) Ehegatten, ii) Eltern und Kind, iii) Geschwister (auch Halbgeschwister), iv) Großeltern und Enkel, v) Onkel oder Tante und Neffe oder Nichte, vi) Schwiegereltern und Schwiegersohn oder Schwiegertochter, vii) Schwäger und Schwägerinnen. Nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union ist eine „Person“ eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personenvereinigung, die keine juristische Person ist, die jedoch nach Unionsrecht oder nach einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit hat, im Rechtsverkehr wirksam aufzutreten (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1).

(10)  Die von unabhängigen Einführern vorgelegten Daten können im Rahmen dieser Untersuchung auch zu anderen Zwecken als zur Dumpingermittlung herangezogen werden.

(11)  Bei technischen Problemen wenden Sie sich bitte per E-Mail (trade-service-desk@ec.europa.eu) oder telefonisch (Tel. +32 22979797) an den Trade Service Desk.

(12)  Eine Unterlage mit dem Vermerk „Sensitive“ gilt als vertraulich im Sinne des Artikels 19 der Grundverordnung und des Artikels 6 des WTO-Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 (Antidumping-Übereinkommen). Sie ist ferner nach Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43) geschützt.

(13)  Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).


ANHANG

„Sensitive version“ (zur vertraulichen Behandlung)

„Version for inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien)

(Zutreffendes bitte ankreuzen)

ANTIDUMPINGVERFAHREN BETREFFEND DIE EINFUHREN HOCHFESTER GARNE AUS POLYESTERN MIT URSPRUNG IN DER VOLKSREPUBLIK CHINA

INFORMATIONEN FÜR DIE AUSWAHL DER STICHPROBE DER UNABHÄNGIGEN EINFÜHRER

Dieses Formular soll unabhängigen Einführern dabei helfen, die unter Abschnitt 5.3.3 der Einleitungsbekanntmachung angeforderten Informationen zur Stichprobenauswahl bereitzustellen.

Beide Fassungen, die „Sensitive version“ (zur vertraulichen Behandlung) und die „Version for inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien), sollten nach Maßgabe der Angaben in der Einleitungsbekanntmachung an die Kommission zurückgesandt werden.

1.   NAME UND KONTAKTDATEN

Machen Sie bitte folgende Angaben zu Ihrem Unternehmen:

Name des Unternehmens

 

Anschrift

 

Kontaktperson

 

E-Mail:

 

Telefon

 

2.   UMSATZ UND VERKAUFSMENGE

Geben Sie für den Untersuchungszeitraum der Überprüfung bitte Folgendes an: den Gesamtumsatz des Unternehmens in EUR und — für die zu überprüfende Ware im Sinne der Einleitungsbekanntmachung — den Wert der Einfuhren und der Weiterverkäufe auf dem Unionsmarkt nach der Einfuhr aus der Volksrepublik China in EUR sowie die entsprechende Menge in Tonnen.

 

Menge in Tonnen

Wert in Euro (EUR)

Gesamtumsatz Ihres Unternehmens (in EUR)

 

 

Einfuhren der zu überprüfenden Ware mit Ursprung in der Volksrepublik China

 

 

Einfuhren der zu überprüfenden Ware (jeglichen Ursprungs)

 

 

Weiterverkäufe der zu überprüfenden Ware auf dem Unionsmarkt nach der Einfuhr aus der Volksrepublik China

 

 

3.   GESCHÄFTSTÄTIGKEITEN IHRES UNTERNEHMENS UND DER VERBUNDENEN UNTERNEHMEN (1)

Bitte machen Sie Angaben zu den genauen Geschäftstätigkeiten des Unternehmens und aller verbundenen Unternehmen (bitte auflisten und Art der Verbindung mit Ihrem Unternehmen angeben), die an Herstellung und/oder Verkauf (im Inland und/oder zur Ausfuhr) der zu überprüfenden Ware beteiligt sind. Zu diesen Tätigkeiten könnten unter anderem der Einkauf der zu überprüfenden Ware oder ihre Herstellung im Rahmen von Unterauftragsvereinbarungen, ihre Verarbeitung oder der Handel mit ihr gehören.

Name und Standort des Unternehmens

Geschäftstätigkeiten

Art der Verbindung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.   SONSTIGE ANGABEN

 

Machen Sie bitte sonstige sachdienliche Angaben, die der Kommission aus der Sicht des Unternehmens bei der Stichprobenbildung von Nutzen sein könnten.

5.   ERKLÄRUNG

Mit der Übermittlung der genannten Angaben erklärt sich das Unternehmen mit seiner etwaigen Einbeziehung in die Stichprobe einverstanden. Wird das Unternehmen in die Stichprobe einbezogen, muss es einen Fragebogen ausfüllen und einem Besuch in seinen Betriebsstätten zustimmen, welcher der Überprüfung seiner Angaben dient. Verweigert ein Unternehmen die etwaige Einbeziehung in die Stichprobe, wird es bei dieser Untersuchung als nicht mitarbeitendes Unternehmen geführt. Die Kommission trifft die Feststellungen in Bezug auf nicht mitarbeitende Einführer auf der Grundlage der verfügbaren Informationen; dies kann zu einem Ergebnis führen, das für das betreffende Unternehmen ungünstiger ist, als wenn es mitgearbeitet hätte.

Unterschrift des/der Bevollmächtigten:

Name und Funktion des/der Bevollmächtigten:

Datum:


(1)  Nach Artikel 127 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union gelten zwei Personen als verbunden, wenn a) sie leitende Angestellte oder Direktoren im Unternehmen der anderen Person sind, b) sie Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften sind, c) sie sich in einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis zueinander befinden, d) eine dritte Person unmittelbar oder mittelbar 5 % oder mehr der im Umlauf befindlichen stimmberechtigten Anteile oder Aktien beider Personen besitzt, kontrolliert oder hält, e) eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar die andere kontrolliert, f) beide von ihnen unmittelbar oder mittelbar von einer dritten Person kontrolliert werden, g) sie beide zusammen unmittelbar oder mittelbar eine dritte Person kontrollieren oder h) sie Mitglieder derselben Familie sind (ABl. L 343 vom 29.12.2015, S. 558). Personen werden nur dann als Mitglieder derselben Familie angesehen, wenn sie in einem der folgenden Verwandtschaftsverhältnisse zueinander stehen: i) Ehegatten, ii) Eltern und Kind, iii) Geschwister (auch Halbgeschwister), iv) Großeltern und Enkel, v) Onkel oder Tante und Neffe oder Nichte, vi) Schwiegereltern und Schwiegersohn oder Schwiegertochter, vii) Schwäger und Schwägerinnen. Nach Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union ist eine „Person“ eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personenvereinigung, die keine juristische Person ist, die jedoch nach Unionsrecht oder nach einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit hat, im Rechtsverkehr wirksam aufzutreten (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1).


30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/152


Bekanntmachung der Wiederaufnahme der Antidumpinguntersuchung betreffend die Durchführungsverordnung (EU) 2017/763 der Kommission zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von bestimmtem leichtgewichtigem Thermopapier mit Ursprung in der Republik Korea infolge des Urteils des Gerichts vom 2. April 2020 in der Rechtssache T-383/17, bestätigt durch den Gerichtshof in der Rechtssache C-260/20 P

(2022/C 248/12)

1.   Urteile

In seinem Urteil vom 2. April 2020 (1) in der Rechtssache T-383/17, Hansol Paper/Kommission (im Folgenden „Urteil“), erklärte das Gericht der Europäischen Union (im Folgenden „Gericht“) die Durchführungsverordnung (EU) 2017/763 der Kommission zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von bestimmtem leichtgewichtigem Thermopapier mit Ursprung in der Republik Korea (2) (im Folgenden „strittige Verordnung“) für nichtig, soweit sie die Hansol Group (Hansol Paper Co. Ltd. und Hansol Artone Paper Co. Ltd. – im Folgenden „Hansol“) betrifft.

Hansol hatte die Rechtmäßigkeit der strittigen Verordnung aus mehreren Gründen infrage gestellt. Mit einem ihrer Klagegründe beanstandete Hansol die rechnerische Ermittlung bestimmter Normalwerte gemäß Artikel 2 Absatz 3 der Grundverordnung. Mit einem weiteren Klagegrund machte Hansol geltend, der Kommission sei bei der Gewichtung der Verkäufe an unabhängige Abnehmer in der Europäischen Union im Vergleich zu den Verkäufen an verbundene Veredlungsunternehmen ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen. Dieser Berechnungsfehler verfälsche die Berechnung der Dumpingspanne und unter anderem auch der Preisunterbietungsspanne.

Das Gericht urteilte, dass die Kommission gegen Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern (3) (im Folgenden „Grundverordnung“) verstoßen hatte, als sie entschied, dass für einen von Hansol Artone Paper Co. Ltd. verkauften Warentyp der Normalwert gemäß Artikel 2 Absatz 3 besagter Verordnung rechnerisch ermittelt werden sollte, obwohl es repräsentative Inlandsverkäufe dieses Warentyps von Hansol Paper Co. Ltd. gab. Das Gericht stellte fest, dass tatsächlich ein Gewichtungsfehler vorliegt und dass die Kommission die von Schades Nordic, einem der verbundenen Veredlungsunternehmen der Hansol Group in der Union, an unabhängige Abnehmer verkauften Mengen hätte berücksichtigen müssen. Die Kommission hatte daher gegen Artikel 2 Absatz 11 der Grundverordnung verstoßen, da ihre Berechnungen das von Hansol praktizierte Dumping nicht in vollem Ausmaß widerspiegelten. Außerdem hat sich dieser Gewichtungsfehler dem Gericht zufolge auch auf die Berechnung der Preisunterbietungsspanne ausgewirkt, da die Kommission bei dieser Berechnung dieselbe Gewichtung angewandt hat. Letztlich stellte das Gericht fest, dass die Kommission einen Fehler begangen hatte, als sie Artikel 2 Absatz 9 der Grundverordnung analog anwandte und im Rahmen der Feststellung der Schädigung bei der Ermittlung der Ausfuhrpreise dieser Ware VVG-Kosten und eine Gewinnspanne für den Weiterverkauf der betroffenen Ware durch das verbundene Vertriebsunternehmen in der EU abzog.

Am 11. Juni 2020 legte die Kommission beim Gerichtshof ein Rechtsmittel ein und beantragte die Aufhebung des Urteils des Gerichts (Rechtssache C-260/20 P). Am 12. Mai 2022 wies die Zweite Kammer des Gerichtshofs das Rechtsmittel zurück und bestätigte die Feststellungen des Gerichts (4). Der Gerichtshof stellte jedoch im Gegensatz zum Urteil des Gerichts fest, dass die Kommission mit der analogen Anwendung des Artikels 2 Absatz 9 der Grundverordnung in diesem Fall keinen Fehler begangen hatte. Infolgedessen wurde die Durchführungsverordnung (EU) 2017/763 der Kommission für nichtig erklärt, soweit sie Hansol betrifft.

2.   Folgen

Artikel 266 AEUV sieht vor, dass die Organe die erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um den Urteilen des Gerichtshofs nachzukommen. Im Falle der Nichtigerklärung eines von den Organen im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens — wie z. B. Antidumpinguntersuchungen — angenommenen Rechtsakts wird das Urteil des Gerichts erfüllt, indem der für nichtig erklärte Rechtsakt durch einen neuen Rechtsakt ersetzt wird, in dem die vom Gerichtshof festgestellte Rechtswidrigkeit beseitigt ist (5).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann das Verfahren zur Ersetzung des für nichtig erklärten Rechtsakts genau an dem Punkt wiederaufgenommen werden, an dem die Rechtswidrigkeit eingetreten ist (6). In einer Situation, in der ein Rechtsakt, der ein Verwaltungsverfahren abschließt, für nichtig erklärt wird, bedeutet diese Rechtsprechung insbesondere, dass die Nichtigerklärung sich nicht notwendigerweise auf die vorbereitenden Handlungen, wie die Einleitung eines Antidumpingverfahrens, auswirkt. Wird etwa eine Verordnung zur Einführung endgültiger Antidumpingmaßnahmen für nichtig erklärt, bedeutet dies, dass das Antidumpingverfahren infolge der Nichtigerklärung noch nicht abgeschlossen ist, weil der das Antidumpingverfahren abschließende Rechtsakt in der Rechtsordnung der Union nicht mehr vorhanden ist (7), es sei denn, die Rechtswidrigkeit war in der Phase der Verfahrenseinleitung eingetreten.

Im vorliegenden Fall hat das Gericht die strittige Verordnung aus den in ersten drei in Abschnitt 1 im dritten Absatz genannten Gründen für nichtig erklärt.

Die übrigen Feststellungen und Schlussfolgerungen der strittigen Verordnung, die nicht angefochten wurden oder die zwar angefochten, aber vom Gericht nicht geprüft wurden, bleiben gültig und sind von dieser Wiederaufnahme nicht berührt.

3.   Wiederaufnahme des Verfahrens

In Anbetracht dessen beschloss die Kommission, die Antidumpinguntersuchung betreffend die Einfuhren von bestimmtem leichtgewichtigem Thermopapier mit Ursprung in der Republik Korea, die zur Annahme der strittigen Verordnung führte, wieder aufzunehmen, soweit sie Hansol betrifft. Die Ausgangsuntersuchung wird dabei an dem Punkt wieder aufgenommen, an dem die Unregelmäßigkeit aufgetreten ist.

Durch die Wiederaufnahme der Ausgangsuntersuchung sollen die vom Gericht festgestellten und vom Gerichtshof bestätigten Fehler beseitigt und es soll beurteilt werden, ob bei Anwendung der Vorschriften gemäß der Klarstellung des Gerichts und des Gerichtshofs die erneute Einführung der Maßnahmen in ursprünglicher oder überarbeiteter Höhe ab dem Datum des ursprünglichen Inkrafttretens der strittigen Verordnung gerechtfertigt ist.

Die interessierten Parteien werden zudem darüber informiert, dass sich aus den Feststellungen dieser erneuten Untersuchung eine künftige Zollschuld ergeben könnte.

4.   Schriftliche Beiträge

Alle interessierten Parteien, insbesondere Hansol, werden gebeten, unter Vorlage von Informationen und sachdienlichen Nachweisen zu Fragen im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Untersuchung ihren Standpunkt darzulegen. Sofern nichts anderes bestimmt ist, müssen diese Informationen und sachdienlichen Nachweise innerhalb von 20 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union bei der Kommission eingehen.

5.   Möglichkeit der Anhörung durch die untersuchenden Kommissionsdienststellen

Jede interessierte Partei kann eine Anhörung durch die untersuchenden Kommissionsdienststellen beantragen. Der Antrag ist schriftlich zu stellen und zu begründen. Betrifft die Anhörung Fragen, die sich auf die Wiederaufnahme der Untersuchung beziehen, so muss der Antrag binnen 15 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union gestellt werden. Danach ist eine Anhörung innerhalb der Fristen zu beantragen, welche die Kommission in ihrem Schriftwechsel mit den interessierten Parteien jeweils festlegt.

6.   Schriftliche Beiträge und Schriftwechsel

Der Kommission für die Zwecke von Handelsschutzuntersuchungen vorgelegte Angaben müssen frei von Urheberrechten sein. Bevor interessierte Parteien der Kommission Angaben und/oder Daten vorlegen, für die Urheberrechte Dritter gelten, müssen sie vom Urheberrechtsinhaber eine spezifische Genehmigung einholen, die es der Kommission ausdrücklich gestattet, a) die Angaben und Daten für die Zwecke dieses Handelsschutzverfahrens zu verwenden und b) den an dieser Untersuchung interessierten Parteien die Angaben und/oder Daten so vorzulegen, dass sie ihre Verteidigungsrechte wahrnehmen können.

Alle von interessierten Parteien übermittelten schriftlichen Beiträge, die vertraulich behandelt werden sollen, müssen den Vermerk „Sensitive“ (8) (zur vertraulichen Behandlung) tragen; dies gilt auch für entsprechende mit dieser Bekanntmachung angeforderte Informationen, ausgefüllte Fragebogen und sonstige Schreiben. Parteien, die im Laufe der Untersuchung Informationen vorlegen, werden gebeten, ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung zu begründen. Parteien, die Informationen mit dem Vermerk „Sensitive“ übermitteln, müssen nach Artikel 19 Absatz 2 der Grundverordnung eine nichtvertrauliche Zusammenfassung vorlegen, die den Vermerk „For inspection by interested parties“ (zur Einsichtnahme durch interessierte Parteien) trägt. Diese Zusammenfassung sollte so ausführlich sein, dass sie ein angemessenes Verständnis des wesentlichen Inhalts der vertraulichen Informationen ermöglicht. Kann eine Partei, die vertrauliche Informationen vorlegt, ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung nicht triftig begründen oder legt sie keine nichtvertrauliche Zusammenfassung der Informationen im vorgeschriebenen Format und in der vorgeschriebenen Qualität vor, so kann die Kommission solche Informationen unberücksichtigt lassen, sofern nicht anhand geeigneter Quellen in zufriedenstellender Weise nachgewiesen wird, dass die Informationen richtig sind.

Interessierte Parteien werden gebeten, alle Beiträge und Anträge, darunter auch Anträge auf Registrierung als interessierte Partei, gescannte Vollmachten und Bescheinigungen, über TRON.tdi (https://tron.trade.ec.europa.eu/tron/TDI) zu übermitteln. Mit der Verwendung von TRON.tdi oder E-Mail erklären sich die interessierten Parteien mit den Regeln für die elektronische Übermittlung von Unterlagen im Leitfaden zum „SCHRIFTWECHSEL MIT DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION BEI HANDELSSCHUTZUNTERSUCHUNGEN“ einverstanden, der auf der Website der GD Handel veröffentlicht ist: https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/june/tradoc_152566.pdf. Die interessierten Parteien müssen ihren Namen sowie ihre Anschrift, Telefonnummer und eine gültige E-Mail-Adresse angeben und sollten sicherstellen, dass die genannte E-Mail-Adresse zu einer aktiven offiziellen Mailbox des Unternehmens führt, die täglich eingesehen wird. Hat die Kommission die Kontaktdaten erhalten, so kommuniziert sie ausschließlich über TRON.tdi oder per E-Mail mit den interessierten Parteien, es sei denn, diese wünschen ausdrücklich, alle Unterlagen von der Kommission auf einem anderen Kommunikationsweg zu erhalten, oder die Art der Unterlage macht den Versand per Einschreiben erforderlich. Weitere Regeln und Informationen bezüglich des Schriftverkehrs mit der Kommission, einschließlich der Grundsätze für Übermittlungen über TRON.tdi oder per E-Mail, können dem genannten Leitfaden für interessierte Parteien entnommen werden.

Postanschrift der Kommission:

Europäische Kommission

Generaldirektion Handel

Direktion G

Büro: CHAR 04/039

1049 Bruxelles/Brussel

BELGIQUE/BELGIË

E-Mail: TRADE-AD629a-LWTP-REOPENING@ec.europa.eu

7.   Mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit

Verweigern interessierte Parteien den Zugang zu den erforderlichen Informationen oder erteilen sie diese nicht fristgerecht oder behindern sie die Untersuchung erheblich, so können nach Artikel 18 der Grundverordnung vorläufige oder endgültige positive oder negative Feststellungen auf der Grundlage der verfügbaren Informationen getroffen werden.

Wird festgestellt, dass eine interessierte Partei unwahre oder irreführende Informationen vorgelegt hat, so können diese Informationen unberücksichtigt bleiben; stattdessen können die verfügbaren Informationen zugrunde gelegt werden.

Arbeitet eine interessierte Partei nicht oder nur eingeschränkt mit und stützen sich die Feststellungen daher nach Artikel 18 der Grundverordnung auf die verfügbaren Informationen, so kann dies zu einem Ergebnis führen, das für diese Partei ungünstiger ist, als wenn sie mitgearbeitet hätte.

Werden die Antworten nicht elektronisch übermittelt, so gilt dies nicht als mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit, sofern die interessierte Partei darlegt, dass die Übermittlung der Antwort in der gewünschten Form die interessierte Partei über Gebühr zusätzlich belasten würde oder mit unangemessenen zusätzlichen Kosten verbunden wäre. In diesem Fall sollte die interessierte Partei unverzüglich mit der Kommission Kontakt aufnehmen.

8.   Anhörungsbeauftragte

Interessierte Parteien können sich an die Anhörungsbeauftragte für Handelsverfahren wenden. Sie befasst sich mit Anträgen auf Zugang zum Dossier, Streitigkeiten über die Vertraulichkeit von Unterlagen, Anträgen auf Fristverlängerung und sonstigen Anträgen in Bezug auf die Verteidigungsrechte der interessierten Parteien oder von Dritten, die sich während des Verfahrens ergeben.

Die Anhörungsbeauftragte kann Anhörungen ansetzen und vermittelnd zwischen interessierten Parteien und den Dienststellen der Kommission tätig werden, um zu gewährleisten, dass die interessierten Parteien ihre Verteidigungsrechte umfassend wahrnehmen können. Eine Anhörung durch die Anhörungsbeauftragte ist schriftlich zu beantragen und zu begründen. Die Anhörungsbeauftragte prüft die Gründe, aus denen der jeweilige Antrag gestellt wird. Solche Anhörungen sollten nur stattfinden, wenn die Fragen nicht zeitnah mit den Dienststellen der Kommission geklärt wurden.

Alle Anträge sind frühzeitig zu stellen, um die geordnete Abwicklung des Verfahrens nicht zu gefährden. Zu diesem Zweck sollten interessierte Parteien die Anhörungsbeauftragte zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Eintritt des Ereignisses, das ein Tätigwerden ihrerseits rechtfertigt, um eine Intervention ersuchen. Die Anhörungsbeauftragte prüft die Gründe für Anträge auf ihre Einbeziehung, die Art der aufgeworfenen Probleme und die Auswirkungen dieser Probleme auf die Verteidigungsrechte, wobei den Interessen einer guten Verwaltung und dem fristgerechten Abschluss der Untersuchung gebührend Rechnung getragen wird.

Weiterführende Informationen und Kontaktdaten können interessierte Parteien den Webseiten der Anhörungsbeauftragten im Internet-Auftritt der Generaldirektion Handel entnehmen: http://ec.europa.eu/trade/trade-policy-and-you/contacts/hearing-officer/.

9.   Verarbeitung personenbezogener Daten

Alle im Rahmen dieser Untersuchung erhobenen personenbezogenen Daten werden nach der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (9) verarbeitet.

Ein Vermerk zum Datenschutz, mit dem alle natürlichen Personen über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der handelspolitischen Schutzmaßnahmen der Kommission unterrichtet werden, ist auf der Website der GD Handel abrufbar: http://ec.europa.eu/trade/policy/accessing-markets/trade-defence

10.   Information für die Zollbehörden

Ab dem 1. Juli 2022 bis zum Ausgang dieser erneuten Untersuchung wird die Entrichtung der aufgrund des endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von bestimmtem leichtgewichtigem Thermopapier mit einem Gewicht von 65 g/m2 oder weniger, in Rollen mit einer Breite von 20 cm oder mehr, einem Rollengewicht (einschließlich Papier) von 50 kg oder mehr und einem Rollendurchmesser (einschließlich Papier) von 40 cm oder mehr (im Folgenden „Jumbo-Rollen“), mit oder ohne Grundbeschichtung auf einer oder beiden Seiten, mit einer wärmeempfindlichen Beschichtung auf einer oder beiden Seiten und mit oder ohne Deckschicht, das derzeit unter den KN-Codes ex 4809 90 00, ex 4811 90 00, ex 4816 90 00 und ex 4823 90 85 (TARIC-Codes: 4809900010, 4811900010, 4816900010, 4823908520) eingereiht ist, mit Ursprung in der Republik Korea und hergestellt von der Hansol Group (Hansol Paper Co. Ltd. und Hansol Artone Paper Co. Ltd), entstehenden Zollschuld ausgesetzt.

Da in diesem Stadium die endgültige Höhe der Verbindlichkeiten aufgrund der erneuten Untersuchung unsicher ist, ersucht die Kommission die nationalen Zollbehörden, den Ausgang dieser Untersuchung abzuwarten, bevor sie über Erstattungsanträge bezüglich des vom Gericht in Bezug auf die Hansol Group (Hansol Paper Co. Ltd. und Hansol Artone Paper Co. Ltd) für nichtig erklärten Antidumpingzolls entscheiden.

Folglich sollte der gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2017/763 der Kommission zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von bestimmtem leichtgewichtigem Thermopapier mit Ursprung in der Republik Korea auf von der Hansol Group (Hansol Paper Co. Ltd. und Hansol Artone Paper Co. Ltd) hergestellte Einfuhren entrichtete Antidumpingzoll bis zum Ergebnis dieser Untersuchung nicht erstattet oder erlassen werden.

11.   Offenlegung

Alle interessierten Parteien, die im Rahmen der Untersuchung, die zur Annahme der strittigen Verordnung führte, als solche registriert wurden, werden über die wesentlichen Tatsachen und Erwägungen unterrichtet, auf deren Grundlage die Kommission das oben genannte Urteil rechtzeitig umzusetzen beabsichtigt, und erhalten vor einer endgültigen Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme.


(1)  ECLI:EU:T:2020:139.

(2)  ABl. L 114 vom 3.5.2017, S. 3.

(3)  ABl. L 176 vom 30.6.2016, S. 21.

(4)  ECLI:EU:C:2022:370.

(5)  Verbundene Rechtssachen 97, 193, 99 und 215/86, Asteris AE und andere sowie Griechenland/Kommission, Slg. 1988, 2181, Rn. 27 und 28 sowie Rechtssache T-440/20, Jindal Saw/Europäische Kommission, EU:T:2022:318.

(6)  Rechtssache C-415/96 Spanien/Kommission, Slg. 1998, I-6993, Rn. 31; Rechtssache C-458/98 P Industrie des Poudres Sphériques/Rat, Slg. 2000, I-8147, Rn. 80 bis 85; Rechtssache T-301/01 Alitalia/Kommission, Slg. 2008, II-1753, Rn. 99 und 142; verbundene Rechtssachen T-267/08 und T-279/08 Région Nord-Pas de Calais/Kommission, Slg. 2011, II-0000, Rn. 83.

(7)  Rechtssache C-415/96 Spanien/Kommission, Slg. 1998, I-6993, Rn. 31; Rechtssache C-458/98 P Industrie des Poudres Sphériques/Rat, Slg. 2000, I-8147, Rn. 80 bis 85.

(8)  Eine Unterlage mit dem Vermerk „Sensitive“ gilt als vertraulich im Sinne des Artikels 19 der Grundverordnung und des Artikels 6 des WTO-Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 (Antidumping-Übereinkommen). Sie ist ferner nach Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43) geschützt.

(9)  Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).


VERFAHREN BEZÜGLICH DER DURCHFÜHRUNG DER WETTBEWERBSPOLITIK

Europäische Kommission

30.6.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/156


Vorherige Anmeldung eines Zusammenschlusses

(Sache M.10778 – TA ASSOCIATES / CLEARLAKE / KOFAX)

Für das vereinfachte Verfahren infrage kommender Fall

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2022/C 248/13)

1.   

Am 23. Juni 2022 ist die Anmeldung eines Zusammenschlusses nach Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (1) bei der Kommission eingegangen.

Diese Anmeldung betrifft folgende Unternehmen:

TA Associates Management L.P. („TA Associates“, U.S.A.);

Clearlake Capital Group, L.P. („Clearlake“, U.S.A.);

Kofax Parent Limited („Kofax“ oder „Target“, USA), letztlich kontrolliert von Thoma Bravo, L.P. (U.S.A).

TA Associates und Clearlake übernehmen im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 4 der Fusionskontrollverordnung die gemeinsame Kontrolle über Kofax.

Der Zusammenschluss erfolgt durch Erwerb von Anteilen.

2.   

Die beteiligten Unternehmen sind in folgenden Geschäftsbereichen tätig:

TA Associates: Private-Equity-Gesellschaft, die in den Bereichen Unternehmensdienstleistungen, Verbraucher, Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen und Technologien tätig ist.

Clearlake: private Investmentgesellschaft, die in den Bereichen Software und technologiegestützte Dienstleistungen, Energie und Industrie, Lebensmittel sowie Konsumgüter tätig ist.

Kofax: Anbieter intelligenter Automatisierungssoftware für den digitalen Workflow-Transformationsprozess zur Automatisierung und Verbesserung von Arbeitsabläufen durch Vereinfachung der Verarbeitung von Daten und Dokumenten.

3.   

Die Kommission hat nach vorläufiger Prüfung festgestellt, dass das angemeldete Rechtsgeschäft unter die Fusionskontrollverordnung fallen könnte. Die endgültige Entscheidung zu diesem Punkt behält sie sich vor.

Dieser Fall kommt für das vereinfachte Verfahren im Sinne der Bekanntmachung der Kommission über ein vereinfachtes Verfahren für bestimmte Zusammenschlüsse gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (2) infrage.

4.   

Alle betroffenen Dritten können bei der Kommission zu diesem Vorhaben Stellung nehmen.

Die Stellungnahmen müssen bei der Kommission spätestens 10 Tage nach dieser Veröffentlichung eingehen. Dabei ist stets folgendes Aktenzeichen anzugeben:

M.10778 – TA ASSOCIATES / CLEARLAKE / KOFAX

Die Stellungnahmen können der Kommission per E-Mail, Fax oder Post übermittelt werden, wobei folgende Kontaktangaben zu verwenden sind:

E-Mail: COMP-MERGER-REGISTRY@ec.europa.eu

Fax +32 22964301

Postanschrift:

Europäische Kommission

Generaldirektion Wettbewerb

Registratur Fusionskontrolle

1049 Bruxelles/Brussel

BELGIQUE/BELGIË


(1)  ABl. L 24 vom 29.1.2004, S. 1 („Fusionskontrollverordnung“).

(2)  ABl. C 366 vom 14.12.2013, S. 5.