ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 122

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

65. Jahrgang
17. März 2022


Inhalt

Seite

 

I   Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

 

EMPFEHLUNGEN

 

Europäischer Ausschuss für Systemrisiken

2022/C 122/01

Empfehlung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 2. Dezember 2021 zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Deutschlands (ESRB/2021/10)

1

2022/C 122/02

Empfehlung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 2. Dezember 2021 zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Österreichs (ESRB/2021/11)

9

2022/C 122/03

Warnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 2. Dezember 2021 zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Bulgariens (ESRB/2021/12)

15

2022/C 122/04

Warnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 2. Dezember 2021 zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Kroatiens (ESRB/2021/13)

18

2022/C 122/05

Warnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 2. Dezember 2021 zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Liechtensteins (ESRB/2021/14)

22

2022/C 122/06

Warnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 2. Dezember 2021 zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Ungarns (ESRB/2021/15)

25

2022/C 122/07

Warnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 2. Dezember 2021 zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors der Slowakei (ESRB/2021/16)

28


 

II   Mitteilungen

 

MITTEILUNGEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

 

Europäische Kommission

2022/C 122/08

Keine Einwände gegen einen angemeldeten Zusammenschluss (Sache M.10447 — NN / METLIFE GREECE / METLIFE POLAND) ( 1 )

31

2022/C 122/09

Keine Einwände gegen einen angemeldeten Zusammenschluss (Sache M.10589 — ADT / FORD NEXT / SNTNL) ( 1 )

32


 

III   Vorbereitende Rechtsakte

 

EUROPÄISCHE ZENTRALBANK

2022/C 122/10

Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 13. Januar 2022 zu einem Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen im Hinblick auf die Abwicklung (CON/2022/3)

33


 

IV   Informationen

 

INFORMATIONEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

 

Europäische Kommission

2022/C 122/11

Euro-Wechselkurs — 16. März 2022

35


 

V   Bekanntmachungen

 

VERFAHREN BEZÜGLICH DER DURCHFÜHRUNG DER WETTBEWERBSPOLITIK

 

Europäische Kommission

2022/C 122/12

Vorherige Anmeldung eines Zusammenschlusses (Sache M.10675 – CDPQ / TRANSURBAN / AUSTRALIANSUPER / CPP INVESTMENTS / ADIA / WCX) — Für das vereinfachte Verfahren infrage kommender Fall ( 1 )

36

 

SONSTIGE RECHTSHANDLUNGEN

 

Europäische Kommission

2022/C 122/13

Veröffentlichung eines Antrags auf Genehmigung einer nicht geringfügigen Änderung der Produktspezifikation gemäß Artikel 50 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel

38


 


 

(1)   Text von Bedeutung für den EWR.

DE

 


I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

EMPFEHLUNGEN

Europäischer Ausschuss für Systemrisiken

17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/1


EMPFEHLUNG DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN

vom 2. Dezember 2021

zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Deutschlands

(ESRB/2021/10)

(2022/C 122/01)

DER VERWALTUNGSRAT DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (1), insbesondere auf Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben b und d sowie Artikel 16 und 18,

gestützt auf den Beschluss ESRB/2011/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 20. Januar 2011 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (2), insbesondere auf Artikel 18,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Der Immobiliensektor spielt eine wichtige Rolle in der Wirtschaft und seine Entwicklung kann wesentliche Auswirkungen auf das Finanzsystem haben. Die Finanzkrisen der Vergangenheit haben gezeigt, dass nicht nachhaltige Entwicklungen auf den Immobilienmärkten schwerwiegende Folgen für die Stabilität des Finanzsystems und die Wirtschaft insgesamt nach sich ziehen können, was auch negative grenzüberschreitende Ansteckungseffekte zur Folge haben kann. Negative Entwicklungen auf den Immobilienmärkten einiger Mitgliedstaaten führten in der Vergangenheit zu hohen Kreditverlusten und/oder hatten negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Diese Auswirkungen spiegeln die enge Verzahnung von Immobiliensektor, Anlegern und anderen Wirtschaftssektoren wider. Darüber hinaus können die Rückkopplungseffekte zwischen Finanzsystem und Realwirtschaft negative Entwicklungen verschärfen.

(2)

Diese Zusammenhänge sind wichtig, da sie bedeuten, dass Risiken, die ihren Ursprung im Immobiliensektor haben, systemische Auswirkungen haben können. Anfälligkeiten des Finanzsystems häufen sich in der Regel während der Aufschwungphase des Immobilienzyklus. Dabei können die vermeintlich geringeren Finanzierungsrisiken und der leichtere Zugang zur Finanzierung neben der höheren Nachfrage nach Immobilien auch zu einem raschen Kredit- und Investitionswachstum beitragen, wodurch die Immobilienpreise unter Aufwärtsdruck geraten. Darüber hinaus können die Rückkopplungseffekte zwischen Wohnimmobilienpreisen und Kreditentwicklung systemische Folgen haben. Umgekehrt können sich strengere Kreditkonditionen, eine höhere Risikoaversion und Druck auf die Immobilienpreise in Abschwungphasen des Immobilienzyklus negativ auf die Widerstandsfähigkeit von Kreditnehmern und -gebern auswirken und damit das konjunkturelle Umfeld schwächen.

(3)

Anfälligkeiten im Zusammenhang mit Wohnimmobilien können eine Ursache für Systemrisiken sein und die Finanzstabilität unmittelbar wie auch mittelbar beeinflussen. Unmittelbare Auswirkungen sind Kreditverluste in Hypothekenportfolios, die aus nachteiligen wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen und damit einhergehenden negativen Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt resultieren. Mittelbare Auswirkungen könnten mit Konsumänderungen bei Privathaushalten oder mit einem Abbau der Verschuldung durch Kreditgeber in Verbindung stehen, was weitere Folgen für die Realwirtschaft und die Finanzstabilität nach sich ziehen könnte.

(4)

Wie in Erwägungsgrund 4 der Empfehlung ESRB/2013/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (3) ausgeführt wird‚ besteht das Endziel makroprudenzieller Maßnahmen darin, zum Schutz der Stabilität des Finanzsystems in seiner Gesamtheit beizutragen, u. a. durch die Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems und durch den Abbau der Anhäufung von Systemrisiken, wodurch ein nachhaltiger Beitrag des Finanzsektors zum Wirtschaftswachstum sichergestellt wird.

(5)

Zu diesem Zweck können makroprudenzielle Behörden je nach Risikobewertung eine oder mehrere der in der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (4) und der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) genannten kapitalbasierten makroprudenziellen Maßnahmen und/oder ausschließlich auf nationalem Recht beruhende kreditnehmerbasierte Maßnahmen ergreifen. Während die kapitalbasierten Maßnahmen in erster Linie darauf abzielen, die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems zu verbessern, können die kreditnehmerbasierten Maßnahmen besonders geeignet sein, um eine weitere Anhäufung von Systemrisiken im Zusammenhang mit neuen Wohneigentumskrediten zu verhindern.

(6)

Im Jahr 2019 hat der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) eine systematische und vorausschauende Bewertung von Anfälligkeiten in Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) durchgeführt (6). Anhand dieser Bewertung konnte der ESRB in mehreren Ländern eine Reihe von mittelfristigen Anfälligkeiten als eine Ursache für Systemrisiken für die Finanzstabilität ausmachen, was zur Herausgabe von Warnungen an fünf Länder, darunter auch Deutschland, führte (7).

(7)

Im Jahr 2019 wurden als Hauptanfälligkeiten auf dem Wohnimmobilienmarkt in Deutschland die Überbewertung der Wohnimmobilienpreise in Stadtgebieten in Verbindung mit der weit verbreiteten, rasanten Immobilienpreisdynamik und gewissen Anzeichen einer Lockerung von Kreditvergabestandards für Wohneigentumskredite festgestellt, wenngleich vor dem Hintergrund einer aufgrund beträchtlicher Datenlücken insgesamt ungewissen Situation.

(8)

Der ESRB hat kürzlich eine weitere EWR-weite systematische und vorausschauende Bewertung von Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor abgeschlossen. Die Ergebnisse dieser Bewertung zeigen, dass einige Länder nach Erhalt länderspezifischer Warnungen im September 2019 weitere Maßnahmen ergriffen haben, um die damit verbundenen Anfälligkeiten zu beseitigen. So verabschiedete die Tschechische Republik einen Rechtsrahmen für kreditnehmerbasierte Maßnahmen, Deutschland schuf eine Rechtsgrundlage für die Erhebung von Daten zu Standards für die Vergabe neuer Wohneigentumskredite an Privathaushalte, Frankreich führte Obergrenzen für die Schuldendienstquoten (debt-service-to-income ratio – DSTI) ein, Island verschärfte die Begrenzungen der Beleihungsquoten (loan-to-value ratio – LTV) und Norwegen verschärfte seine Systemrisikopufferquote. Angesichts der zunehmenden Anfälligkeiten wurden die von einigen Ländern ergriffenen Maßnahmen der Bewertung des ESRB zufolge jedoch nicht als ausreichend erachtet.

(9)

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 und die damit verbundene Krise haben nicht zu einem zyklischen Abschwung auf den Wohneigentumsmärkten geführt. Vielmehr haben sich der reale Anstieg der Wohnimmobilienpreise und das reale Kreditwachstum nach einer Phase moderaten Wachstums vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds in mehreren Ländern weiter beschleunigt und das Einkommenswachstum von Privathaushalten weitgehend übertroffen. Um die Auswirkungen der Pandemie und die daraus resultierende wirtschaftliche Unsicherheit abzufedern, wurden verschiedene politische und sonstige Maßnahmen wie Schuldenmoratorien und öffentliche Garantien umgesetzt. Vor diesem allgemeinen politischen Hintergrund wurden zuvor geplante makroprudenzielle Maßnahmen in einigen Ländern vorübergehend gelockert oder ihre Einführung wurde verschoben. Die derzeit beobachtete Verbesserung der Wirtschaftslage ermöglicht eine Anpassung der makroprudenziellen Maßnahmen in den Ländern, in denen sich die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor weiter verschärft haben.

(10)

In Bezug auf Deutschland hat diese jüngste Bewertung ergeben, dass trotz der Schaffung eines Rechtsrahmens für kreditnehmerbasierte Instrumente im Jahr 2017, der einen begrenzten Katalog von Maßnahmen (eine Begrenzung der Beleihungsquote (Beleihungsgrenze) sowie Anforderungen bezüglich der Kredittilgung) umfasst, keine dieser Maßnahmen eingeführt wurde, um den zunehmenden mittelfristigen Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor zu begegnen. Der ESRB nimmt zur Kenntnis, dass nach dem geltenden Rechtsrahmen die Voraussetzungen für die Einführung bestehender kreditnehmerbasierter Maßnahmen nicht gegeben waren.

(11)

Aus der Bewertung des ESRB geht zudem hervor, dass der Anstieg der Wohnimmobilienpreise sowohl in Stadtgebieten als auch im ländlichen Raum breiter angelegt ist. Daher deuten die vorliegenden Schätzungen auf eine hohe und zunehmende Überbewertung der Wohnimmobilienpreise in Deutschland hin. Eine umfassende Analyse der Anfälligkeiten wird gegenwärtig durch das Fehlen detaillierter Daten zu den Kreditvergabestandards für Wohneigentumskredite behindert, wenngleich aufgrund des Inkrafttretens der nationalen Verordnung zur Durchführung von Datenerhebungen zu Wohnimmobilienkrediten im Jahr 2021 entsprechende Maßnahmen ergriffen wurden, um ab 2023 Daten zu erheben. Für den jüngsten Zeitraum lassen die verfügbaren Informationen hinsichtlich der Entwicklung der Standards für die Vergabe von Wohneigentumskrediten keine einheitliche Tendenz erkennen. Während die Ergebnisse der Umfrage zum Kreditgeschäft der Banken (Bank Lending Survey – BLS) im Euro-Währungsgebiet den Schluss nahe legen, dass die Kreditbedingungen für den Erwerb von Wohnimmobilien im Laufe des Jahres 2020 weiter verschärft wurden, deutet eine alternative Datenquelle für den Privatsektor (8) darauf hin, dass der Anteil der Kreditanträge mit hohen Beleihungsquoten im Jahr 2020 weiter zugenommen hat. In einer weiteren alternativen, den deutschen Behörden zur Verfügung stehenden Datenquelle für den Privatsektor, die tatsächlich erfolgte Transaktionen erfasst und einen Teil des aggregierten Markts abbildet, wird bestätigt, dass die Beleihungsquoten in den letzten zehn Jahren leicht gestiegen sind. Andererseits sind die Beleihungsquoten der BLS zufolge nach der Krise gesunken. Aus den Daten geht zudem hervor, dass die Schuldendienstquoten und die Laufzeiten in der ersten Hälfte der 2010er Jahre rückläufig waren und in der zweiten Hälfte wieder zunahmen. Dagegen sind die Kenngrößen für das Verhältnis von Schulden zu Einkommen seit 2009 stetig gestiegen.

(12)

Darüber hinaus hat Deutschland nach der Senkung seines antizyklischen Kapitalpuffers (countercyclical capital buffer – CCyB) als Reaktion auf die COVID-19-Krise keine kapitalbasierten Maßnahmen mehr ergriffen, um bestehende vom Wohnimmobiliensektor ausgehende Anfälligkeiten zu beseitigen und die Finanzstabilität zu stärken.

(13)

In Anbetracht dieser jüngsten Entwicklungen, insbesondere angesichts der Hinweise auf eine Überbewertung der Wohnimmobilienpreise, ist der ESRB zu dem Schluss gekommen, dass kreditnehmerbasierte Maßnahmen eingeführt werden sollten, um den mittelfristigen Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor Deutschlands zu begegnen. Daher sollten die deutschen Behörden unverzüglich eine rechtsverbindliche oder, falls dies nach deutschem Recht nicht möglich ist, eine rechtlich nicht verbindliche Beleihungsgrenze einführen, um solide Kreditvergabestandards zu gewährleisten, damit eine Überbewertung der Wohnimmobilienpreise verhindert wird. Ergänzend zu der die Beleihungsquote betreffenden Maßnahme würden zugleich kapitalbasierte Maßnahmen, wie die Wiedereinführung des antizyklischen Kapitalpuffers oder die Einführung eines sektoralen Systemrisikopuffers (sectoral systemic risk buffer – sSyRB), die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors in Deutschland gegenüber den Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors verbessern, die angesichts der in den letzten Jahren vorherrschenden Überbewertung der Wohnimmobilienpreise und der Unsicherheit hinsichtlich der Standards für die Vergabe von Hypothekarkrediten bereits entstanden sein könnten. Darüber hinaus könnte eine angemessene Kombination mit rechtsverbindlichen oder, wenn dies nach deutschem Recht nicht möglich ist, rechtlich nicht verbindlichen einkommensabhängigen Instrumenten die Wirksamkeit der Beleihungsgrenze bei der Behebung von Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der Finanzierung von Wohnimmobilien erhöhen. Daher sollte der deutsche Rechtsrahmen für kreditnehmerbasierte Maßnahmen durch einkommensbasierte Instrumente ergänzt und entsprechend angepasst werden, um eine zügigere Einführung kreditnehmerbasierter Maßnahmen zu ermöglichen und so die Entstehung von Anfälligkeiten zu vermeiden —

HAT FOLGENDE EMPFEHLUNG ERLASSEN:

ABSCHNITT 1

EMPFEHLUNGEN

Empfehlung A – Beleihungsgrenze

Es wird empfohlen, dass die jeweiligen Behörden eine rechtsverbindliche Beleihungsgrenze einführen, um die Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor Deutschlands als eine Ursache für Risiken für die Finanzstabilität zu verringern, die mögliche schwerwiegende negative Folgen für die Realwirtschaft nach sich ziehen könnten. Soweit dies nach deutschem Recht nicht möglich ist, wird empfohlen, dass die jeweiligen Behörden eine rechtlich nicht verbindliche Beleihungsgrenze einführen, um die genannten Ziele zu erreichen.

Empfehlung B – Einführung kapitalbasierter Maßnahmen

Es wird empfohlen, dass die jeweiligen Behörden angemessene kapitalbasierte Maßnahmen einführen, um die Widerstandsfähigkeit der in Deutschland zugelassenen Kreditinstitute zu gewährleisten und die Beleihungsgrenze gemäß Empfehlung A zur Verringerung von Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor Deutschlands als eine Ursache für Risiken für die Finanzstabilität zu ergänzen.

Empfehlung C – Rechtsrahmen für kreditnehmerbasierte Maßnahmen in Bezug auf den Wohnimmobiliensektor

Den jeweiligen Behörden wird empfohlen, sicherzustellen, dass der bestehende Rechtsrahmen für kreditnehmerbasierte Maßnahmen mindestens die folgenden rechtsverbindlichen kreditnehmerbasierten Maßnahmen enthält:

a)

Obergrenzen für das Verhältnis von Schulden zu Einkommen (DTI) und für die Schuldendienstquote (DSTI),

b)

Obergrenzen für die Beleihungsquote (LTV),

c)

Laufzeitlimite und

d)

Anforderungen bezüglich der Kredittilgung.

Empfehlung D – Überwachung von Anfälligkeiten und Einführung einkommensabhängiger kreditnehmerbasierter Maßnahmen

1.

Den jeweiligen Behörden wird empfohlen, die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der Verschuldung von Privathaushalten, der Überbewertung der Wohnimmobilienpreise und den Kreditvergabestandards für neue Hypothekarkredite mittelfristig genau zu überwachen.

2.

Es wird empfohlen, dass die jeweiligen Behörden auf der Grundlage der Ergebnisse der gemäß Empfehlung D Nummer 1 durchgeführten Überwachung rechtsverbindliche einkommensabhängige kreditnehmerbasierte Maßnahmen wie Obergrenzen für das Verhältnis von Schulden zu Einkommen oder für die Schuldendienstquote einführen, um eine übermäßige Anhäufung von Kreditrisiken zu vermeiden. Soweit dies nach deutschem Recht nicht möglich ist, wird empfohlen, dass die jeweiligen Behörden rechtlich nicht verbindliche einkommensabhängige kreditnehmerbasierte Maßnahmen ergreifen, um die genannten Ziele zu erreichen.

ABSCHNITT 2

UMSETZUNG

1.   Begriffsbestimmungen

1.

Für die Zwecke der vorliegenden Empfehlung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

a)

„jeweilige Behörden“: die mit der Änderung des Rechtsrahmens für kreditnehmerbasierte Maßnahmen, der Einführung kreditnehmerbasierter Maßnahmen, der Überwachung von Systemrisiken oder der Einführung kapitalbasierter Maßnahmen in Deutschland betrauten Behörden;

b)

„Beleihungsquote“: das Verhältnis der Summe aller Kredite oder Kredittranchen, die der Kreditnehmer zum Zeitpunkt der Kreditvergabe durch eine Immobilie besichert hat, zum Wert der Immobilie zum Zeitpunkt der Kreditvergabe (loan-to-value ratio – LTV);

c)

„kapitalbasierte Maßnahmen“: alle einem Kreditinstitut auferlegten Eigenmittelanforderungen zur Vermeidung und/oder Minderung von Systemrisiken im Sinne von Artikel 2 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010, einschließlich der in den Artikeln 124, 164 oder 458 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 oder Titel VII Kapitel 4 der Richtlinie (EU) 2013/36 genannten Anforderungen, wie etwa der antizyklische Kapitalpuffer oder der sektorale Systemrisikopuffer;

d)

„Kreditinstitut“: ein Kreditinstitut im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013;

e)

„kreditnehmerbasierte Maßnahmen“: makroprudenzielle Maßnahmen, die auf Kreditnehmer ausgerichtet sind, darunter Beleihungsgrenzen, Obergrenzen für das Verhältnis von Schulden zu Einkommen und für die Schuldendienstquote, Laufzeitlimite und Anforderungen bezüglich der Kredittilgung;

f)

„Verhältnis von Schulden zu Einkommen“: die Gesamtverschuldung des Kreditnehmers zum Zeitpunkt der Kreditvergabe im Verhältnis zum gesamten verfügbaren Jahreseinkommen des Kreditnehmers zum Zeitpunkt der Kreditvergabe (debt-to-income ratio – DTI);

g)

„Schuldendienstquote“: das Verhältnis des gesamten jährlichen Schuldendiensts zum gesamten verfügbaren Jahreseinkommen des Kreditnehmers zum Zeitpunkt der Kreditvergabe (debt-service-to-income ratio – DSTI);

h)

„Schuldendienst“: die Rückzahlung von Zinsen und Kapital auf die Gesamtschuld eines Kreditnehmers über einen gegebenen Zeitraum;

i)

„Laufzeit“: die Dauer des Wohnimmobilienkreditvertrags, ausgedrückt in Jahren zum Zeitpunkt der Kreditvergabe;

j)

„Anforderungen bezüglich der Kredittilgung“: Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Tilgungsplan eines Kredits.

2.   Umsetzungskriterien

1.

Für die Umsetzung der vorliegenden Empfehlung gelten die folgenden Kriterien:

a)

dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte unter Berücksichtigung von Zweck und Inhalt der Empfehlungen A, B, C und D angemessen Rechnung getragen werden;

b)

bei der Einführung kreditnehmerbasierter oder kapitalbasierter Maßnahmen gemäß Empfehlung A, Empfehlung B und Empfehlung D sollte bei deren Kalibrierung und schrittweisen Umsetzung berücksichtigt werden, in welcher Phase des Wirtschafts- und Finanzzyklus sich Deutschland befindet und welche möglichen Folgen sich im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten und Vorteile ergeben;

c)

spezifische Kriterien für die Befolgung der vorliegenden Empfehlung sind im Anhang aufgeführt.

2.

Die Adressaten werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB die Maßnahmen mitzuteilen, die sie zur Umsetzung der vorliegenden Empfehlung ergriffen haben, oder ihr Nichthandeln in angemessener Weise zu begründen. Die Berichte sollten mindestens folgende Angaben enthalten:

a)

Informationen über den Inhalt und den Zeitrahmen der ergriffenen Maßnahmen;

b)

eine Bewertung der Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der Verschuldung von Privathaushalten und den Kreditvergabestandards für neue Hypothekarkredite, einschließlich der Verteilung neuer Hypothekarkredite entsprechend ihren Beleihungsquoten, ihrem Verhältnis von Schulden zu Einkommen, ihren Schuldendienstquoten, Laufzeiten und Tilgungsprofilen, wobei die einschlägigen Quoten gemäß Anhang IV der Empfehlung ESRB/2016/14 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (9) berechnet werden, sowie eine Bewertung der Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen unter Berücksichtigung der Ziele der vorliegenden Empfehlung;

c)

eine ausführliche Begründung eines etwaigen Nichthandelns oder Abweichens von der vorliegenden Empfehlung, einschließlich etwaiger zeitlicher Verzögerungen.

3.   Zeitrahmen für die Nachverfolgung

Gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 müssen die Adressaten dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB mitteilen, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung der Empfehlung ergriffen haben, oder ein eventuelles Nichthandeln begründen. Die Adressaten werden ersucht, Mitteilungen innerhalb der folgenden Fristen einzureichen:

1.

Empfehlung A

Die Adressaten der Empfehlung A werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 30. Juni 2023 und bis zum 30. Juni 2025 einen Bericht über alle Maßnahmen vorzulegen, die zur Festlegung einer Beleihungsgrenze ergriffen wurden, um die Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor Deutschlands als eine Ursache für Risiken für die Finanzstabilität zu verringern. Sind mehrere Behörden für die Umsetzung von Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten verantwortlich, ist ein gemeinsamer Bericht vorzulegen.

2.

Empfehlung B

Die Adressaten der Empfehlung B werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 30. Juni 2023 und bis zum 30. Juni 2025 einen Bericht über alle Maßnahmen vorzulegen, die zur Umsetzung kapitalbasierter Maßnahmen ergriffen wurden. Sind mehrere Behörden für die Umsetzung von Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten verantwortlich, ist ein gemeinsamer Bericht vorzulegen.

3.

Empfehlung C

Die Adressaten der Empfehlung C werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 30. Juni 2025 einen Abschlussbericht über die Umsetzung der Empfehlung C vorzulegen, der auch eine Erklärung enthält, aus der hervorgeht, welche Behörde(n) für die Entscheidung über die Einführung und Umsetzung der in vorgenannter Empfehlung dargelegten kreditnehmerbasierten Maßnahmen zuständig ist/sind. Sind mehrere Behörden für die Umsetzung von Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten verantwortlich, ist ein gemeinsamer Bericht vorzulegen.

4.

Empfehlung D

Die Adressaten der Empfehlung D werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 30. Juni 2023 und bis zum 30. Juni 2025 einen Bericht über die mittelfristige Überwachung von Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der Verschuldung von Privathaushalten, der Überbewertung der Wohnimmobilienpreise und der Kreditvergabestandards für neue Hypothekarkredite sowie über Maßnahmen, die sie zur Beseitigung dieser Anfälligkeiten getroffen haben, vorzulegen. Sind mehrere Behörden für die Umsetzung von Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten verantwortlich, ist ein gemeinsamer Bericht vorzulegen.

4.   Überwachung und Bewertung

1.

Das Sekretariat des ESRB

a)

unterstützt die Adressaten durch Gewährleistung der Koordination der Meldepflichten und Bereitstellung der maßgeblichen Meldebögen und gegebenenfalls detaillierter Angaben zum Verfahren und zum Zeitrahmen für die Nachverfolgung,

b)

überprüft die Nachverfolgung durch die Adressaten, sorgt auf Verlangen für Unterstützung und erstattet dem Verwaltungsrat Bericht über die Nachverfolgung.

2.

Der Verwaltungsrat bewertet die von den Adressaten mitgeteilten Maßnahmen und Rechtfertigungen und kann gegebenenfalls entscheiden, dass die Empfehlung nicht befolgt wurde und ein Adressat sein Nichthandeln nicht angemessen gerechtfertigt hat.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 2. Dezember 2021.

Leiter des ESRB-Sekretariats,

im Auftrag des Verwaltungsrats des ESRB,

Francesco MAZZAFERRO


(1)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.

(2)  ABl. C 58 vom 24.2.2011, S. 4.

(3)  Empfehlung ESRB/2013/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 4. April 2013 zu Zwischenzielen und Instrumenten für makroprudenzielle Maßnahmen (ABl. C 170 vom 15.6.2013, S. 1).

(4)  Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338).

(5)  Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).

(6)  Siehe ESRB, „Vulnerabilities in the residential real estate sectors of the EEA countries“, September 2019, abrufbar auf der Website des ESRB unter www.esrb.europa.eu.

(7)  Warnung ESRB/2019/11 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 27. Juni 2019 zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Deutschlands (ABl. C 366 vom 30.10.2019, S. 45).

(8)  Informationen einer Immobilienkreditvermittlungsplattform, die jedoch möglicherweise nicht vollständig für den deutschen Hypothekenmarktrepräsentativ ist.

(9)  Empfehlung ESRB/2016/14 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 31. Oktober 2016 zur Schließung von Lücken bei Immobiliendaten (ABl. C 31 vom 31.1.2017, S. 1).


ANHANG

FESTLEGUNG DER FÜR DIE EMPFEHLUNG GELTENDEN BEFOLGUNGSKRITERIEN

Empfehlung A – Beleihungsgrenze

Für Empfehlung A gelten die folgenden Befolgungskriterien:

1.

Bei der Einführung einer Beleihungsgrenze sollten die Adressaten bestrebt sein zu verhindern, dass es zu einem wesentlichen oder zunehmenden Anteil neuer durch Wohnimmobilien besicherter Hypothekarkredite kommt, die bei Ausfall infolge nachteiliger wirtschaftlicher oder finanzieller Bedingungen, eines Anstiegs der Schuldendienstkosten oder nachteiliger Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt zu Kreditverlusten aus diesen Krediten und einem Verfall der Wohnimmobilienpreise führen könnten.

2.

Die Adressaten sollten eine oder mehrere kreditnehmerbasierte Maßnahmen anwenden, um die Wirksamkeit bereits bestehender Maßnahmen sicherzustellen und die Möglichkeit ihrer Umgehung oder unbeabsichtigter Folgen, die ihre Wirksamkeit verringern und möglicherweise Risiken in anderen Bereichen hervorbringen könnten, möglichst gering zu halten; hierzu sollten sie insbesondere sicherstellen, dass die Maßnahmen für alle Kredite unabhängig von der Art des Kreditgebers, für natürliche Personen als Kreditnehmer und – in dem für notwendig erachteten Umfang – für alle anderen Arten von Kreditnehmern gelten.

3.

Vor der Einführung einer Beleihungsgrenze sollte bewertet werden, in welcher Phase des Wirtschafts- und Finanzzyklus sich Deutschland befindet, um eine geeignete Kalibrierung und schrittweise Einführung der Maßnahme festzulegen.

4.

Nach der Einführung einer Beleihungsgrenze wird möglicherweise eine weitere Verschärfung dieser Maßnahmen oder die Einführung zusätzlicher kreditnehmerbasierter Maßnahmen erforderlich sein, um die in Deutschland festgestellten Anfälligkeiten anzugehen. Dies hängt von der Wahl der eingeführten Maßnahmen, der anfänglichen Kalibrierung dieser eingeführten Maßnahmen und den Ergebnissen der Bewertung der Anfälligkeiten ab.

5.

Bei der Einführung oder Kalibrierung einer Beleihungsgrenze sollten die Adressaten alle Kredite berücksichtigen, die letztlich von den Haushalten aus deren Einkommen zu bedienen sind, unabhängig von der Art der Kredite.

Empfehlung B – Einführung kapitalbasierter Maßnahmen

Für Empfehlung B gelten die folgenden Befolgungskriterien:

1.

Bei der Einführung kapitalbasierter Maßnahmen sollten die Adressaten bestrebt sein, angesichts des möglichen Eintritts von Systemrisiken im Zusammenhang mit Wohnimmobilien, die entweder infolge von Hypothekarkrediten oder infolge eines rückläufigen Konsums von Haushalten mit Wohneigentumskrediten unmittelbare oder mittelbare Kreditverluste nach sich ziehen könnten, die Widerstandsfähigkeit von in Deutschland zugelassenen Kreditinstituten sicherzustellen.

2.

Vor der Einführung kapitalbasierter Maßnahmen sollte bewertet werden, in welcher Phase des Wirtschafts- und Finanzzyklus sich Deutschland befindet, um festzustellen, ob die Einführung dieser Maßnahmen angemessen wäre.

3.

Nach der Einführung der kapitalbasierten Maßnahmen wird möglicherweise eine weitere Verschärfung dieser Maßnahmen oder die Einführung zusätzlicher makroprudenzieller Maßnahmen erforderlich sein, um die in Deutschland festgestellten Anfälligkeiten anzugehen. Dies hängt von der Wahl der eingeführten kapitalbasierten Maßnahmen, der anfänglichen Kalibrierung dieser eingeführten Maßnahmen und den Ergebnissen der Bewertung der Anfälligkeiten ab.

Empfehlung C – Rechtsrahmen für kreditnehmerbasierte Maßnahmen in Bezug auf den Wohnimmobiliensektor

Für Empfehlung C gelten die folgenden Befolgungskriterien:

1.

Der deutsche Rechtsrahmen für kreditnehmerbasierte Maßnahmen sollte sicherstellen, dass

a)

die Obergrenzen für das Verhältnis von Verschuldung zu Einkommen und für die Schuldendienstquote sowie die Laufzeitlimite für alle gewährten Kredite unabhängig von der Art des Kreditgebers oder Kreditnehmers gelten, um eine Umgehung der Obergrenzen zu verhindern, wobei diese Obergrenzen in erster Linie auf natürliche Personen als Kreditnehmer, aber auch auf alle anderen Arten von Kreditnehmern, wenn die Finanzierungsstrukturen eine solche Ausweitung vorsehen, Anwendung finden sollten, um eine Umgehung der Obergrenzen zu vermeiden;

b)

die mit der Einführung kreditnehmerbasierter Maßnahmen betrauten deutschen Behörden in der Lage sind, alle rechtsverbindlichen kreditnehmerbasierten Maßnahmen effektiv und vorsorglich einzuführen, und über die notwendige Flexibilität verfügen, um diese Maßnahmen auf der Grundlage der festgestellten Anfälligkeiten konzipieren zu können.

2.

Die Änderungen des deutschen Rechtsrahmens für kreditnehmerbasierte Maßnahmen sollten spätestens am 1. Juni 2024 in Kraft treten.

Empfehlung D – Überwachung von Anfälligkeiten und Einführung einkommensabhängiger kreditnehmerbasierter Maßnahmen

Für Empfehlung D Nummer 1 gelten die folgenden Befolgungskriterien:

Bei der mittelfristigen Überwachung von Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der Verschuldung von Privathaushalten, der Überbewertung der Wohnimmobilienpreise und den Vergabestandards für neue Hypothekarkredite sollten die Adressaten den Anteil der Kreditnehmer überwachen, die neue Hypothekarkredite aufnehmen und möglicherweise nicht in der Lage sind, infolge negativer wirtschaftlicher oder finanzieller Bedingungen, eines Anstiegs der Kosten für den Schuldendienst oder nachteiliger Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt ihre Schulden regelmäßig zurückzuzahlen oder zu bedienen, ohne ihren Konsum erheblich einzuschränken.

Für Empfehlung D Nummer 2 gelten die folgenden Befolgungskriterien:

1.

Bei der Einführung einkommensabhängiger kreditnehmerbasierter Maßnahmen sollten die Adressaten bestrebt sein, eine Neuaufnahme von Hypothekarkrediten durch einen wesentlichen oder zunehmenden Anteil von Kreditnehmern zu verhindern, die im Falle negativer wirtschaftlicher oder finanzieller Bedingungen, eines Anstiegs der Kosten für den Schuldendienst oder nachteiliger Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt möglicherweise nicht in der Lage sind, ihre Schulden regelmäßig zurückzuzahlen oder zu bedienen, ohne ihren Konsum erheblich einzuschränken.

2.

Die Adressaten sollten eine oder mehrere kreditnehmerbasierte Maßnahmen anwenden, um die Wirksamkeit bereits bestehender Maßnahmen sicherzustellen und die Möglichkeit ihrer Umgehung oder unbeabsichtigter Folgen, die ihre Wirksamkeit verringern und möglicherweise Risiken in anderen Bereichen hervorbringen könnten, möglichst gering zu halten; hierzu sollten sie insbesondere sicherstellen, dass die Maßnahmen für alle Kredite unabhängig von der Art des Kreditgebers, für natürliche Personen als Kreditnehmer und – in dem für notwendig erachteten Umfang – für alle anderen Arten von Kreditnehmern gelten.

3.

Vor der Einführung einkommensabhängiger kreditnehmerbasierter Maßnahmen sollte bewertet werden, in welcher Phase im Wirtschafts- und Finanzzyklus sich Deutschland befindet, um eine geeignete Kalibrierung und schrittweise Einführung der Maßnahmen festzulegen.

4.

Nach der Einführung der einkommensabhängigen kreditnehmerbasierten Maßnahmen wird möglicherweise eine weitere Verschärfung dieser Maßnahmen oder die Einführung zusätzlicher kreditnehmerbasierter Maßnahmen erforderlich sein, um die in Deutschland festgestellten Anfälligkeiten anzugehen. Dies hängt von der Wahl der eingeführten Maßnahmen, der anfänglichen Kalibrierung dieser eingeführten Maßnahmen und den Ergebnissen der Bewertung der Anfälligkeiten ab.

5.

Bei der Einführung oder Kalibrierung einkommensabhängiger kreditnehmerbasierter Maßnahmen sollten die Adressaten alle Kredite berücksichtigen, die letztlich von den Haushalten aus deren Einkommen zu bedienen sind, unabhängig von der Art der Kredite.


17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/9


EMPFEHLUNG DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN

vom 2. Dezember 2021

zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Österreichs

(ESRB/2021/11)

(2022/C 122/02)

DER VERWALTUNGSRAT DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (1), insbesondere auf Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben b und d sowie Artikel 16 und 18,

gestützt auf den Beschluss ESRB/2011/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 20. Januar 2011 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (2), insbesondere auf Artikel 18,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Der Immobiliensektor spielt eine wichtige Rolle in der Wirtschaft und seine Entwicklung kann wesentliche Auswirkungen auf das Finanzsystem haben. Die Finanzkrisen der Vergangenheit haben gezeigt, dass nicht nachhaltige Entwicklungen auf den Immobilienmärkten schwerwiegende Folgen für die Stabilität des Finanzsystems und die Wirtschaft insgesamt nach sich ziehen können, was auch negative grenzüberschreitende Ansteckungseffekte zur Folge haben kann. Negative Entwicklungen auf den Immobilienmärkten einiger Mitgliedstaaten führten in der Vergangenheit zu hohen Kreditverlusten und/oder hatten negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Diese Auswirkungen spiegeln die enge Verzahnung von Immobiliensektor, Anlegern und anderen Wirtschaftssektoren wider. Darüber hinaus verschärfen die starken Rückkopplungseffekte zwischen Finanzsystem und Realwirtschaft negative Entwicklungen.

(2)

Diese Zusammenhänge sind wichtig, da sie bedeuten, dass Risiken, die ihren Ursprung im Immobiliensektor haben, dem Wesen nach prozyklische systemische Auswirkungen haben können. Anfälligkeiten des Finanzsystems häufen sich in der Regel während der Aufschwungphase des Immobilienzyklus. Dabei können die vermeintlich geringeren Finanzierungsrisiken und der leichtere Zugang zur Finanzierung neben der höheren Nachfrage nach Immobilien auch zu einem raschen Kredit- und Investitionswachstum beitragen, wodurch die Immobilienpreise unter Aufwärtsdruck geraten. Die daraus resultierenden höheren Besicherungswerte begünstigen sowohl die Kreditnachfrage als auch das Kreditangebot, sodass diese Eigendynamik möglicherweise systemische Konsequenzen nach sich zieht. Umgekehrt können sich strengere Kreditkonditionen, eine höhere Risikoaversion und Druck auf die Immobilienpreise in Abschwungphasen des Immobilienzyklus negativ auf die Widerstandsfähigkeit von Kreditnehmern und -gebern auswirken und damit das konjunkturelle Umfeld schwächen.

(3)

Anfälligkeiten im Zusammenhang mit Wohnimmobilien können eine Ursache für Systemrisiken sein und die Finanzstabilität unmittelbar wie auch mittelbar beeinflussen. Unmittelbare Auswirkungen sind Kreditverluste in Hypothekenportfolios, die aus nachteiligen wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen und damit einhergehenden negativen Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt resultieren. Mittelbare Auswirkungen könnten mit Konsumänderungen bei Privathaushalten in Verbindung stehen, was weitere Folgen für die Realwirtschaft und die Finanzstabilität nach sich ziehen könnte.

(4)

Wie in Erwägungsgrund 4 der Empfehlung ESRB/2013/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (3) ausgeführt wird‚ besteht das Endziel makroprudenzieller Maßnahmen darin, zum Schutz der Stabilität des Finanzsystems in seiner Gesamtheit beizutragen, u. a. durch die Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems und durch den Abbau der Anhäufung von Systemrisiken, wodurch ein nachhaltiger Beitrag des Finanzsektors zum Wirtschaftswachstum sichergestellt wird.

(5)

Zu diesem Zweck können makroprudenzielle Behörden je nach Risikobewertung eine oder mehrere der in der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (4) und der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) genannten kapitalbasierten makroprudenziellen Maßnahmen und/oder ausschließlich auf nationalem Recht beruhende kreditnehmerbasierte Maßnahmen ergreifen. Während die kapitalbasierten Maßnahmen in erster Linie darauf abzielen, die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems zu verbessern, können die kreditnehmerbasierten Maßnahmen besonders geeignet sein, um eine weitere Anhäufung von Systemrisiken zu verhindern.

(6)

Im Jahr 2016 hat der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) eine unionsweite Bewertung von Anfälligkeiten in Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor durchgeführt (6). Anhand dieser Bewertung konnte der ESRB in mehreren Ländern eine Reihe von mittelfristigen Anfälligkeiten als eine Ursache für Systemrisiken für die Finanzstabilität ausmachen, was zur Herausgabe von Warnungen an acht Länder, darunter auch Österreich, führte (7).

(7)

Die Hauptanfälligkeiten, die im Jahr 2016 auf dem Wohnimmobilienmarkt in Österreich festgestellt wurden, waren der starke Anstieg der Wohnimmobilienpreise und Hypothekarkredite sowie das Risiko einer weiteren Lockerung der Kreditvergabestandards.

(8)

Seit 2018 nutzen die österreichischen Behörden Kommunikationsinstrumente, um umsichtige Kreditvergabestandards sicherzustellen, wobei diesbezüglich verstärkte makroprudenzielle Aufsichtstätigkeiten unterstützend gewirkt haben. In seinem Bericht über die Nachverfolgung zu den Ländern, die 2016 Warnungen zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors erhalten hatten, (8) räumte der ESRB ein, dass die von den nationalen Behörden Österreichs eingeführten Maßnahmen die wichtigsten sich abzeichnenden Anfälligkeiten wirksam beheben könnten. Der ESRB stellte jedoch auch fest, dass die nationalen Behörden Österreichs ermächtigt wurden, im Jahr 2017 rechtsverbindliche kreditnehmerbasierte Maßnahmen einzuführen, die bei einer Verschärfung der sich abzeichnenden Anfälligkeiten aktiviert werden könnten.

(9)

Der ESRB hat kürzlich eine den Europäischen Wirtschaftsraum umfassende, systematische und vorausschauende Bewertung von Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor abgeschlossen. Im Rahmen dieser Bewertung hat der ESRB bestimmte mittelfristige Anfälligkeiten als Ursachen für Systemrisiken für die Finanzstabilität festgestellt, die nicht ausreichend beseitigt wurden.

(10)

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 und die damit verbundene Krise haben nicht zu einem zyklischen Abschwung auf den Wohneigentumsmärkten geführt. Vielmehr haben sich der reale Anstieg der Wohnimmobilienpreise und das reale Kreditwachstum nach einer Phase moderaten Wachstums vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds in mehreren Ländern weiter beschleunigt und das Einkommenswachstum von Privathaushalten weitgehend übertroffen. Um die Auswirkungen der Pandemie und die daraus resultierende wirtschaftliche Unsicherheit abzufedern, wurden verschiedene politische und sonstige Maßnahmen wie Schuldenmoratorien und öffentliche Garantien umgesetzt. Vor diesem allgemeinen politischen Hintergrund wurden zuvor geplante makroprudenzielle Maßnahmen in einigen Ländern vorübergehend gelockert oder ihre Einführung wurde verschoben. Die derzeit beobachtete Verbesserung der Wirtschaftslage ermöglicht eine Anpassung der makroprudenziellen Maßnahmen in den Ländern, in denen sich die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor weiter verschärft haben.

(11)

In Bezug auf Österreich hat diese jüngste Bewertung ergeben, dass sich der reale Anstieg der Wohnimmobilienpreise nach einer Phase moderaten Wachstums beschleunigt und das reale Wachstum des verfügbaren Einkommens weitgehend übertroffen hat. Darüber hinaus hat die Kreditvergabe an Privathaushalte stetig zugenommen. Ausgehend von der Bewertung des ESRB zeigt sich seit September 2019 ein realer Anstieg der Wohnimmobilienpreise mit einer Beschleunigung im ersten Quartal 2021, bei dem das reale Wachstum des verfügbaren Einkommens im betreffenden Zeitraum übertroffen wurde. Im Einklang mit diesen Entwicklungen nahm den Schätzungen der Oesterreichischen Nationalbank zufolge die Überbewertung der Wohnimmobilienpreise im ersten Quartal 2021 weiter zu. Das reale Wachstum der Kreditvergabe für Wohnimmobilienkäufe an Privathaushalte nimmt seit 2019 stetig zu. Einer Mitteilung des österreichischen Finanzmarktstabilitätsgremiums vom Juni 2021 (9) zufolge gibt es Hinweise darauf, dass die Beleihungs- und Schuldendienstquote gemessen am Schnitt der letzten fünf Jahre aktuell weiter gestiegen ist und die Standards für die Vergabe von Hypothekarkrediten hätten verschärft werden müssen, wobei ein erheblicher Anteil von Krediten mit überhöhten Quoten zu verzeichnen war.

(12)

Der derzeitige Policy Mix wird nur teilweise für angemessen und hinreichend erachtet, um die zunehmenden Anfälligkeiten zu beseitigen. Darüber hinaus hat Österreich keine kapitalbasierten Maßnahmen mehr ergriffen, um die bestehenden Anfälligkeiten zu beseitigen und die Finanzstabilität zu stärken. Zudem spiegeln sich die im Wohnimmobiliensektor Österreichs festgestellten Anfälligkeiten nicht in vollem Umfang in den Risikogewichten für Hypothekarkredite wider, die von Kreditinstituten zugrunde gelegt werden, die den auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRB-Ansatz) zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen anwenden.

(13)

In Anbetracht dieser jüngsten Entwicklungen ist der ESRB zu dem Schluss gekommen, dass die Einführung rechtsverbindlicher kreditnehmerbasierter Maßnahmen die Wirksamkeit der bereits bestehenden Maßnahmen erhöhen würde, um den mittelfristigen Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor Österreichs angemessen zu begegnen. Wenn und soweit solche verbindlichen kreditnehmerbasierten Maßnahmen als nicht hinreichend wirksam bewertet werden, um mittelfristige Anfälligkeiten zu beseitigen, sollte die Umsetzung kapitalbasierter Maßnahmen, wie etwa Instrumente zur Erhöhung der IRB-Risikogewichte für Risikopositionen aus Wohnimmobilien, des sektorspezifischen Systemrisikopuffers oder des antizyklischen Kapitalpuffers, in Erwägung gezogen werden. Diese Maßnahmen würden die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors in Österreich gegenüber möglicherweise angehäuften Risiken erhöhen, wie etwa die vorherrschende Überbewertung der Wohnimmobilienpreise und die teilweise lockeren Standards für die Vergabe von Hypothekarkrediten in den letzten Jahren —

HAT FOLGENDE EMPFEHLUNG ERLASSEN:

ABSCHNITT 1

EMPFEHLUNGEN

Empfehlung A – Einführung rechtsverbindlicher kreditnehmerbasierter Maßnahmen

Es wird empfohlen, dass die jeweiligen Behörden rechtsverbindliche kreditnehmerbasierte Maßnahmen einführen, um Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor Österreichs als eine Ursache für Risiken für die Finanzstabilität zu verringern.

Empfehlung B – Einführung oder Verschärfung kapitalbasierter Maßnahmen

Es wird empfohlen, dass die jeweiligen Behörden kapitalbasierte Maßnahmen einführen oder verschärfen, um die Widerstandsfähigkeit der in Österreich zugelassenen Kreditinstitute zu gewährleisten und die kreditnehmerbasierten Maßnahmen zur Verringerung von Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor Österreichs als eine Ursache für Risiken für die Finanzstabilität zu ergänzen, wenn und soweit solche verbindlichen kreditnehmerbasierten Maßnahmen als nicht hinreichend wirksam bewertet werden, um mittelfristige Anfälligkeiten zu beseitigen.

ABSCHNITT 2

UMSETZUNG

1.   Begriffsbestimmungen

1.

Für die Zwecke der vorliegenden Empfehlung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

a)

„jeweilige Behörden“: die mit der Einführung rechtsverbindlicher kreditnehmerbasierter Maßnahmen oder kapitalbasierter Maßnahmen in Österreich betrauten Behörden;

b)

„kreditnehmerbasierte Maßnahmen“: makroprudenzielle Maßnahmen, die auf Kreditnehmer ausgerichtet sind, darunter Beleihungsgrenzen, Obergrenzen für das Verhältnis von Schulden zu Einkommen und für die Schuldendienstquote, Laufzeitlimite und Anforderungen bezüglich der Kredittilgung;

c)

„Beleihungsquote“: das Verhältnis der Summe aller Kredite oder Kredittranchen, die der Kreditnehmer zum Zeitpunkt der Kreditvergabe durch eine Immobilie besichert hat, zum Wert der Immobilie zum Zeitpunkt der Kreditvergabe (loan-to-value ratio – LTV);

d)

„Verhältnis von Schulden zu Einkommen“: die Gesamtverschuldung des Kreditnehmers zum Zeitpunkt der Kreditvergabe im Verhältnis zum gesamten verfügbaren Jahreseinkommen des Kreditnehmers zum Zeitpunkt der Kreditvergabe (debt-to-income ratio – DTI);

e)

„Schuldendienstquote“: das Verhältnis des gesamten jährlichen Schuldendiensts zum gesamten verfügbaren Jahreseinkommen des Kreditnehmers zum Zeitpunkt der Kreditvergabe (debt-service-to-income ratio – DSTI);

f)

„Schuldendienst“: die Rückzahlung von Zinsen und Kapital auf die Gesamtschuld eines Kreditnehmers über einen gegebenen Zeitraum;

g)

„Laufzeit“: die Dauer des Wohnimmobilienkreditvertrags, ausgedrückt in Jahren zum Zeitpunkt der Kreditvergabe;

h)

„Anforderungen bezüglich der Kredittilgung“: Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Tilgungsplan;

i)

„kapitalbasierte Maßnahmen“: alle einem Kreditinstitut auferlegten Eigenmittelanforderungen zur Vermeidung und/oder Minderung von Systemrisiken im Sinne von Artikel 2 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010, einschließlich der in den Artikeln 124, 164 oder 458 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 oder Titel VII Kapitel 4 der Richtlinie (EU) 2013/36 genannten Anforderungen, wie etwa der antizyklische Kapitalpuffer oder der sektorale Systemrisikopuffer;

j)

„Kreditinstitut“: ein Kreditinstitut im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013.

2.   Umsetzungskriterien

1.

Für die Umsetzung dieser Empfehlung gelten die folgenden Kriterien:

a)

dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte unter Berücksichtigung von Zweck und Inhalt der Empfehlungen A und B angemessen Rechnung getragen werden;

b)

bei der Einführung rechtsverbindlicher kreditnehmerbasierter und/oder kapitalbasierter Maßnahmen sollte bei deren Kalibrierung und schrittweisen Umsetzung berücksichtigt werden, in welcher Phase des Wirtschafts- und Finanzzyklus sich Österreich befindet und welche möglichen Folgen sich im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten und Vorteile ergeben;

c)

spezifische Kriterien für die Befolgung der vorliegenden Empfehlung sind im Anhang aufgeführt.

2.

Die Adressaten werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB die Maßnahmen mitzuteilen, die sie zur Umsetzung der vorliegenden Empfehlung ergriffen haben, oder ihr Nichthandeln in angemessener Weise zu begründen. Die Berichte sollten mindestens folgende Angaben enthalten:

a)

Informationen über den Inhalt und den Zeitrahmen der ergriffenen Maßnahmen;

b)

eine Bewertung der Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der Verschuldung von Privathaushalten und den Kreditvergabestandards für neue Hypothekarkredite, einschließlich der Verteilung neuer Hypothekarkredite entsprechend ihren Beleihungsquoten, ihrem Verhältnis von Schulden zu Einkommen, ihren Schuldendienstquoten, Laufzeiten und Tilgungsprofilen, wobei die einschlägigen Quoten gemäß Anhang IV der Empfehlung ESRB/2016/14 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (10) berechnet werden, sowie eine Bewertung der Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen unter Berücksichtigung der Ziele der vorliegenden Empfehlung;

c)

eine ausführliche Begründung eines etwaigen Nichthandelns oder Abweichens von der vorliegenden Empfehlung, einschließlich etwaiger zeitlicher Verzögerungen.

3.   Zeitrahmen für die Nachverfolgung

Gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 müssen die Adressaten dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB mitteilen, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung der Empfehlung ergriffen haben, oder ein eventuelles Nichthandeln begründen. Die Adressaten werden ersucht, Mitteilungen innerhalb der folgenden Fristen einzureichen:

1.

Empfehlung A

a)

Die Adressaten der Empfehlung A werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 30. Juni 2023 und bis zum 30. Juni 2025 einen Bericht über alle Maßnahmen Bericht vorzulegen, die zur Einführung rechtsverbindlicher kreditnehmerbasierter Maßnahmen ergriffen wurden. Sind mehrere Behörden für die Umsetzung von Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten verantwortlich, ist ein gemeinsamer Bericht vorzulegen.

2.

Empfehlung B

Die Adressaten der Empfehlung B werden ersucht, dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und dem ESRB bis zum 30. Juni 2023 und bis zum 30. Juni 2025 einen Bericht über alle Maßnahmen vorzulegen, die zur Umsetzung kapitalbasierter Maßnahmen ergriffen wurden. Sind mehrere Behörden für die Umsetzung von Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten verantwortlich, ist ein gemeinsamer Bericht vorzulegen.

4.   Überwachung und Bewertung

1.

Das Sekretariat des ESRB

a)

unterstützt die Adressaten durch Gewährleistung der Koordination der Meldepflichten und Bereitstellung der maßgeblichen Meldebögen und gegebenenfalls detaillierter Angaben zum Verfahren und zum Zeitrahmen für die Nachverfolgung,

b)

überprüft die Nachverfolgung durch die Adressaten, sorgt auf Verlangen für Unterstützung und erstattet dem Verwaltungsrat Bericht über die Nachverfolgung.

2.

Der Verwaltungsrat bewertet die von den Adressaten mitgeteilten Maßnahmen und Rechtfertigungen und kann gegebenenfalls entscheiden, dass die Empfehlung nicht befolgt wurde und ein Adressat sein Nichthandeln nicht angemessen gerechtfertigt hat.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 2. Dezember 2021.

Leiter des ESRB-Sekretariats,

im Auftrag des Verwaltungsrats des ESRB,

Francesco MAZZAFERRO


(1)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.

(2)  ABl. C 58 vom 24.2.2011, S. 4.

(3)  Empfehlung ESRB/2013/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 4. April 2013 zu Zwischenzielen und Instrumenten für makroprudenzielle Maßnahmen (ABl. C 170 vom 15.6.2013, S. 1).

(4)  Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338).

(5)  Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).

(6)  Siehe ESRB, „Vulnerabilities in the EU residential real estate sector“, November 2016, abrufbar auf der Website des ESRB unter www.esrb.europa.eu.

(7)  Warnung ESRB/2016/05 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 22. September 2016 zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Österreichs (ABl. C 31 vom 31.1.2017, S. 43).

(8)  Siehe ESRB, „Follow-up report on countries that received ESRB warnings in 2016 on medium-term vulnerabilities in the residential real estate sector“, September 2019, abrufbar auf der Website des ESRB unter www.esrb.europa.eu.

(9)  Presseaussendung zur 28. Sitzung des Finanzmarktstabilitätsgremiums, abrufbar auf der Website des FMSG über https://www.fmsg.at/publikationen/presseaussendungen/2021/28te-sitzung.html.

(10)  Empfehlung ESRB/2016/14 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 31. Oktober 2016 zur Schließung von Lücken bei Immobiliendaten (ABl. C 31 vom 31.1.2017, S. 1).


ANHANG

FESTLEGUNG DER FÜR DIE EMPFEHLUNG GELTENDEN BEFOLGUNGSKRITERIEN

Empfehlung A – Einführung rechtsverbindlicher kreditnehmerbasierter Maßnahmen

Für Empfehlung A gelten die folgenden Befolgungskriterien:

1.

Bei der Einführung rechtsverbindlicher kreditnehmerbasierten Maßnahmen sollten die Adressaten bestrebt sein zu verhindern, dass

a)

es zu einem wesentlichen oder zunehmenden Anteil neuer durch Wohnimmobilien besicherter Hypothekarkredite kommt, die bei Ausfall zu Kreditverlusten aus diesen Krediten und einem Verfall der Wohnimmobilienpreise führen könnten;

b)

es zu einer Neuaufnahme von Hypothekarkrediten durch einen wesentlichen oder zunehmenden Anteil von Kreditnehmern kommt, bei denen ein erhebliches Risiko besteht, dass sie möglicherweise nicht in der Lage sind, infolge negativer wirtschaftlicher oder finanzieller Bedingungen, eines Anstiegs der Kosten für den Schuldendienst oder nachteiliger Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt ihre Schulden regelmäßig zurückzuzahlen oder zu bedienen, ohne ihren Konsum erheblich einzuschränken.

2.

Die Adressaten sollten eine oder mehrere rechtsverbindliche kreditnehmerbasierte Maßnahme anwenden, um die Wirksamkeit bereits bestehender Maßnahmen sicherzustellen und die Möglichkeit ihrer Umgehung oder unbeabsichtigter Folgen, die ihre Wirksamkeit verringern und möglicherweise Risiken in anderen Bereichen hervorbringen könnten, möglichst gering zu halten; hierzu sollten sie insbesondere sicherstellen, dass die rechtsverbindlichen kreditnehmerbasierten Maßnahmen unabhängig von der Art des Kreditnehmers oder Kreditgebers für alle gewährten Kredite gelten.

3.

Vor der Einführung rechtsverbindlicher kreditnehmerbasierter Maßnahmen sollte bewertet werden, in welcher Phase im Wirtschafts- und Finanzzyklus sich Österreich befindet, um eine geeignete Kalibrierung und schrittweise Einführung der Maßnahmen festzulegen.

4.

Vor der Einführung rechtsverbindlicher kreditnehmerbasierter Maßnahmen und mit Blick auf die Festlegung einer angemessenen Kalibrierung und schrittweisen Einführung solcher Maßnahmen sollten die Adressaten die Wahl der derzeit geltenden kreditnehmerbasierten Maßnahmen und deren Kalibrierung berücksichtigen, um so die Wirksamkeit bei der Verringerung der in Österreich festgestellten Anfälligkeiten zu stärken.

5.

Nach der Einführung der rechtsverbindlichen kreditnehmerbasierten Maßnahmen wird möglicherweise eine weitere Verschärfung dieser Maßnahmen oder die Einführung zusätzlicher makroprudenzieller Maßnahmen erforderlich sein, um die in Österreich festgestellten Anfälligkeiten anzugehen. Dies hängt von der Wahl der eingeführten kreditnehmerbasierten Maßnahmen, der anfänglichen Kalibrierung dieser eingeführten Maßnahmen und den Ergebnissen der Bewertung der Anfälligkeiten ab.

6.

Bei der Einführung oder Kalibrierung rechtsverbindlicher kreditnehmerbasierter Maßnahmen sollten die Adressaten alle Kredite berücksichtigen, die letztlich von den Haushalten aus deren Einkommen zu bedienen sind, unabhängig von der Art der Kredite (d. h. Kredite an Wohnungsbaugesellschaften werden als Schulden von Privathaushalten behandelt).

Empfehlung B – Einführung oder Verschärfung kapitalbasierter Maßnahmen

Für Empfehlung B gelten die folgenden Befolgungskriterien:

1.

Bei der Einführung zusätzlicher oder Verschärfung bestehender kapitalbasierter Maßnahmen sollten die Adressaten bestrebt sein, angesichts des möglichen Eintritts von Systemrisiken im Zusammenhang mit Wohnimmobilien, die entweder infolge von Hypothekarkrediten oder infolge eines rückläufigen Konsums von Haushalten mit Wohneigentumskrediten unmittelbare oder mittelbare Kreditverluste nach sich ziehen könnten, die Widerstandsfähigkeit von in Österreich zugelassenen Kreditinstituten sicherzustellen.

2.

Um festzustellen, ob die Einführung oder Verschärfung kapitalbasierter Maßnahmen angemessen wäre, sollte vor der Einführung zusätzlicher oder der Verschärfung bestehender kapitalbasierter Maßnahmen bewertet werden, in welcher Phase im Wirtschafts- und Finanzzyklus sich Österreich befindet und ob die rechtsverbindlichen kreditnehmerbasierten Maßnahmen, die gemäß Empfehlung A eingeführt wurden, ausreichen, um die mittelfristigen Anfälligkeiten zu beseitigen.

3.

Nach der Einführung zusätzlicher oder der Verschärfung bestehender kapitalbasierter Maßnahmen wird möglicherweise eine weitere Verschärfung dieser Maßnahmen oder die Einführung zusätzlicher makroprudenzieller Maßnahmen erforderlich sein, um die in Österreich festgestellten Anfälligkeiten anzugehen. Dies hängt von der Wahl der eingeführten kapitalbasierten Maßnahmen, der anfänglichen Kalibrierung dieser eingeführten Maßnahmen und den Ergebnissen der Bewertung der Anfälligkeiten ab.


17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/15


WARNUNG DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN

vom 2. Dezember 2021

zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Bulgariens

(ESRB/2021/12)

(2022/C 122/03)

DER VERWALTUNGSRAT DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (1), insbesondere auf Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c sowie Artikel 16 und 18,

gestützt auf den Beschluss ESRB/2011/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 20. Januar 2011 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (2), insbesondere auf Artikel 18,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Wohneigentum ist ein Schlüsselsektor der Realwirtschaft und stellt einen Großteil des Vermögens von Privathaushalten und der Kreditvergabe durch Banken dar. Wohnimmobilien machen einen Großteil der Anlagenbestände von Privathaushalten aus; zudem setzt sich die Bilanz von Banken häufig im Wesentlichen aus Wohneigentumskrediten zusammen. Darüber hinaus ist der Wohnungsbau als Beschäftigungs-, Investitions- und Wachstumsquelle in der Regel eine wichtige Komponente der Realwirtschaft.

(2)

Die Finanzkrisen der Vergangenheit und die Erfahrungen in vielen Ländern haben gezeigt, dass Entwicklungen der Immobilienmärkte, die nicht nachhaltig sind, in jedem Land schwerwiegende Folgen für die Stabilität des Finanzsystems und die Wirtschaft insgesamt nach sich ziehen können, was auch negative grenzüberschreitende Ansteckungseffekte zur Folge haben kann. Hieraus können sich sowohl unmittelbare als auch mittelbare Auswirkungen auf die Finanzstabilität ergeben. Unmittelbare Auswirkungen sind Kreditverluste in Immobilienkreditportfolios, die aus nachteiligen wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen und damit einhergehenden negativen Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt resultieren. Mittelbare Auswirkungen stehen mit Konsumänderungen bei Privathaushalten in Verbindung, was weitere Folgen für die Realwirtschaft und die Finanzstabilität nach sich ziehen könnte.

(3)

Immobilienmärkte sind anfällig für zyklische Entwicklungen. Eine übermäßige Risikobereitschaft und Verschuldung sowie schlecht ausgerichtete Anreize während der Aufschwungphase des Immobilienzyklus können schwerwiegende negative Folgen für die Finanzstabilität und die Realwirtschaft nach sich ziehen. Angesichts der Bedeutung von Wohnimmobilien für die finanzielle und makroökonomische Stabilität ist es besonders wichtig zu versuchen, eine Anhäufung von Anfälligkeiten auf den Wohnimmobilienmärkten durch den Einsatz makroprudenzieller Maßnahmen, die bereits als Mittel zur Minderung von Systemrisiken dienen, zu verhindern.

(4)

Neben den zyklischen Faktoren, die bei der Verschärfung der auf den Immobilienmärkten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) festgestellten Anfälligkeiten eine bedeutende Rolle spielen, haben auch strukturelle Faktoren zu einer Verstärkung dieser Anfälligkeiten geführt. Zu den strukturellen Faktoren können Wohnraummangel, der für Aufwärtsdruck auf die Wohnimmobilienpreise und die Verschuldung von Haushalten, die Eigenheime erwerben, gesorgt hat, und auch staatliche Maßnahmen zählen, die unter Umständen Haushalten einen Anreiz für eine übermäßige Verschuldung geben. Da die Auswirkungen dieser Faktoren über makroprudenzielle Maßnahmen hinausgehen, können Maßnahmen aus anderen Politikbereichen die aktuellen makroprudenziellen Maßnahmen zur effizienten und wirksamen Beseitigung der auf den Wohnimmobilienmärkten vorherrschenden Anfälligkeiten in den einzelnen Ländern ergänzen und unterstützen, ohne übermäßig hohe Kosten für die Realwirtschaft und das Finanzsystem zu verursachen.

(5)

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 und die damit verbundene Krise haben nicht zu einem zyklischen Abschwung auf den Wohnimmobilienmärkten geführt. Vielmehr haben sich der reale Anstieg der Wohnimmobilienpreise und das reale Kreditwachstum nach einer Phase stetiger Zuwächse vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds in mehreren Ländern weiter beschleunigt und die Einkommenszuwächse der privaten Haushalte weitgehend übertroffen. Um die Auswirkungen der Pandemie und die daraus resultierende wirtschaftliche Unsicherheit abzufedern, wurden verschiedene politische und sonstige Maßnahmen wie Schuldenmoratorien und öffentliche Garantien umgesetzt. Vor diesem allgemeinen politischen Hintergrund wurden zuvor geplante makroprudenzielle Maßnahmen in einigen Ländern vorübergehend gelockert oder ihre Einführung wurde verschoben. Die derzeit beobachtete Verbesserung der Wirtschaftslage ermöglicht eine Anpassung der makroprudenziellen Maßnahmen in den Ländern, in denen sich die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor weiter verschärft haben.

(6)

Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) hat kürzlich eine EWR-weite systematische und vorausschauende Bewertung von Anfälligkeiten in Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor abgeschlossen.

(7)

Im Hinblick auf Bulgarien hat diese jüngste Bewertung Folgendes gezeigt:

a.

Die Wohnimmobilienpreise sind in Bulgarien in den letzten zwei Jahren real moderat gestiegen – bis Mitte 2020 belief sich der jährliche Anstieg auf etwa 3,5 %. Seitdem hat sich der reale Anstieg der Wohnimmobilienpreise auf etwa 7 % Mitte 2021 beschleunigt, was unter anderem auf Basiseffekte des geringeren Anstiegs der Wohnimmobilienpreise im ersten Halbjahr 2020 zurückzuführen war. Schätzungen der bulgarischen Nationalbank zufolge waren die Wohnimmobilienpreise Ende 2020 leicht überbewertet.

b.

Zugleich hat sich das reale jährliche Wachstum der an Privathaushalte für Wohnimmobilienkäufe vergebenen Kredite in den vergangenen Jahren in Bulgarien deutlich beschleunigt und erreichte im August 2021 eine Zuwachsrate von 13 %.

c.

Nach Angaben der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde belief sich der Anteil der notleidenden Kredite (non-performing loans – NPL) im Wohnimmobiliensektor Bulgariens im zweiten Quartal 2021 auf 5,3 % (3). Zugleich stellt die hohe NPL-Deckungsquote (48,1 % gegenüber 25,7 % auf Unionsebene) einen wichtigen mildernden Faktor dar.

d.

Vor diesem Hintergrund war die Verschuldung der Privathaushalte in Bulgarien relativ gering, nahm jedoch während der COVID-19-Pandemie etwas zu. Darüber hinaus ist der Anteil der Wohnimmobilieneigentümer mit Immobilienkrediten sehr klein. Infolgedessen ist der Bestand an Immobilienkrediten in Bulgarien relativ gering und entsprach im Jahr 2020 insgesamt (d. h. einschließlich der durch Gewerbeimmobilien besicherten Unternehmenskredite) 27 % des BIP gegenüber 52 % auf Unionsebene. Jedoch handelt es sich bei dem Großteil der Kredite um variabel verzinsliche Kredite, sodass die Privathaushalte anfällig für erhebliche Zinsänderungen sind.

e.

Zugleich verfügen die in Bulgarien tätigen Banken über relativ hohe Eigenmittel, wobei die Kernkapitalquote im Dezember 2020 bei 24 % lag. Wenn die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem Wohnimmobilienmarkt weiter zunehmen, wäre somit die hohe Absorptionsfähigkeit des Bankensektors ein mildernder Faktor für die mögliche Anhäufung von Risiken für die Finanzstabilität. Eine weitere Besonderheit des Bankensektors ist die vorrangige Verwendung des Standardansatzes für Kreditrisikopositionen, wodurch die potenziellen Risiken in Verbindung mit Wohnimmobilien gemindert werden. Der Anteil der risikogewichteten Aktiva an der Gesamtsumme der Aktiva liegt weiterhin bei über 50 %. Dementsprechend beläuft sich das effektive Risikogewicht der Banken, die den Standardansatz für Wohnimmobilienkredite an Privathaushalte verwenden, auf 48 %, während das effektive Risikogewicht der Banken, die interne Beurteilungen heranziehen, bei 25 % liegt.

f.

Trotz des begrenzten Anteils der Immobilienkredite an den Bankenportfolios und der derzeit geringen Verschuldung der Privathaushalte könnten die günstigen Bedingungen für die Finanzierung durch Immobilienkredite im Vergleich zu den Mitgliedstaaten der Union insgesamt mittelfristig ein Risiko für die Entwicklung einer Spirale von Wohnimmobilienpreisen und Immobilienkrediten darstellen. Einerseits bedeuten steigende Wohnimmobilienpreise, dass der Wert der Sicherheiten für Immobilienkredite steigt und infolgedessen die Kreditnehmer mehr Fremdkapital aufnehmen können. Andererseits geht ein Anstieg der Wohnimmobilienpreise in der Regel mit positiven makroökonomischen Entwicklungen einher, was zu einer Lockerung der von den Kreditgebern herangezogenen Kreditvergabestandards führen kann. Zugleich kann ein steigendes Angebot von Immobilienkrediten unter Umständen einen zusätzlichen Aufwärtsdruck auf die Wohnimmobilienpreise ausüben. Mittelfristig könnte eine solche Spirale zu einer kreditgetriebenen Preisblase auf den Wohnimmobilienmärkten und einer übermäßigen Verschuldung der Privathaushalte führen.

g.

Der ESRB erkennt an, dass in Bulgarien mehrere Maßnahmen ergriffen wurden, durch welche die derzeitigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors verringert werden. Insbesondere ist der positive antizyklische Kapitalpuffer (countercyclical capital buffer – CCyB) ein geeignetes Instrument, um die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem rasanten Kreditwachstum zu beseitigen, das in allen Sektoren weithin zu beobachten ist, und die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors zu stärken. Im September 2021 wurde entschieden, den antizyklischen Kapitalpuffer mit Wirkung vom 1. Oktober 2022 von 0,5 % auf 1 % anzuheben. Der ESRB stellt weiter fest, dass in Bulgarien im Jahr 2019 ein Rechtsrahmen für kreditnehmerbasierte Maßnahmen geschaffen wurde und im Einklang mit Artikel 124 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) bei Banken, die den Standardansatz verwenden, eine Untergrenze für die Risikogewichtung von Immobilienkrediten mit relativ höheren Beleihungsquoten zur Anwendung kommt. Einem Teil der durch Grundpfandrechte auf Wohnimmobilien besicherten Risikopositionen, der 70 % des Besicherungswerts nicht übersteigt, wird ein Risikogewicht von 35 % zugewiesen.

h.

Mit Blick auf die künftige Entwicklung und unter Berücksichtigung des mittelfristigen Risikoausblicks wird der aktuelle makroprudenzielle Policy-Mix zum Teil als angemessen und zum Teil als ausreichend erachtet. Neben den kapitalbasierten Maßnahmen, die gegenwärtig zur Anwendung kommen, sollten auch kreditnehmerbasierte Maßnahmen eingeführt werden, um der möglichen Entstehung einer Spirale von Wohnimmobilienpreisen und Immobilienkrediten vorsorglich entgegenzuwirken.

(8)

Bei der Einführung von Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten sollte im Rahmen von deren Kalibrierung und schrittweisen Umsetzung berücksichtigt werden, in welcher Phase des Wirtschafts- und Finanzzyklus sich Bulgarien befindet und welche möglichen Folgen sich im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten und Vorteile ergeben —

HAT FOLGENDE WARNUNG AUSGEGEBEN:

Der ESRB hat gewisse mittelfristige Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor Bulgariens als eine Ursache für Systemrisiken für die Finanzstabilität festgestellt, die mögliche schwerwiegende negative Folgen für die Realwirtschaft nach sich ziehen könnten. Hauptanfälligkeiten aus makroprudenzieller Sicht sind nach Auffassung des ESRB das hohe Wachstum der Immobilienkredite, die Anzeichen einer Überbewertung der Wohnimmobilienpreise und das Fehlen kreditnehmerbasierter Maßnahmen, die die Entstehung von Risiken im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor abfedern könnten.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 2. Dezember 2021.

Leiter des ESRB-Sekretariats,

im Auftrag des Verwaltungsrats des ESRB,

Francesco MAZZAFERRO


(1)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.

(2)  ABl. C 58 vom 24.2.2011, S. 4.

(3)  Risk Dashboard der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, abrufbar unter: https://www.eba.europa.eu/risk-analysis-and-data/risk-dashboard

(4)  Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).


17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/18


WARNUNG DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN

vom 2. Dezember 2021

zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Kroatiens

(ESRB/2021/13)

(2022/C 122/04)

DER VERWALTUNGSRAT DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (1), insbesondere auf Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c sowie Artikel 16 und 18,

gestützt auf den Beschluss ESRB/2011/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 20. Januar 2011 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (2), insbesondere auf Artikel 18,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Wohneigentum ist ein Schlüsselsektor der Realwirtschaft und stellt einen Großteil des Vermögens von Privathaushalten und der Kreditvergabe durch Banken dar. Wohnimmobilien machen einen Großteil der Anlagenbestände von Privathaushalten aus; zudem setzt sich die Bilanz von Banken häufig im Wesentlichen aus Wohneigentumskrediten zusammen. Darüber hinaus ist der Wohnungsbau als Beschäftigungs-, Investitions- und Wachstumsquelle in der Regel eine wichtige Komponente der Realwirtschaft.

(2)

Die Finanzkrisen der Vergangenheit und die Erfahrungen in vielen Ländern haben gezeigt, dass Entwicklungen der Immobilienmärkte, die nicht nachhaltig sind, in jedem Land schwerwiegende Folgen für die Stabilität des Finanzsystems und die Wirtschaft insgesamt nach sich ziehen können, was auch negative grenzüberschreitende Ansteckungseffekte zur Folge haben kann. Hieraus können sich sowohl unmittelbare als auch mittelbare Auswirkungen auf die Finanzstabilität ergeben. Unmittelbare Auswirkungen sind Kreditverluste in Immobilienkreditportfolios, die aus nachteiligen wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen und damit einhergehenden negativen Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt resultieren. Mittelbare Auswirkungen stehen mit Konsumänderungen bei Privathaushalten in Verbindung, was weitere Folgen für die Realwirtschaft und die Finanzstabilität nach sich ziehen könnte.

(3)

Immobilienmärkte sind anfällig für zyklische Entwicklungen. Eine übermäßige Risikobereitschaft und Verschuldung sowie schlecht ausgerichtete Anreize während der Aufschwungphase des Immobilienzyklus können schwerwiegende negative Folgen für die Finanzstabilität und die Realwirtschaft nach sich ziehen. Angesichts der Bedeutung von Wohnimmobilien für die finanzielle und makroökonomische Stabilität ist es besonders wichtig zu versuchen, eine Anhäufung von Anfälligkeiten auf den Wohnimmobilienmärkten durch den Einsatz makroprudenzieller Maßnahmen, die bereits als Mittel zur Minderung von Systemrisiken dienen, zu verhindern.

(4)

Neben den zyklischen Faktoren, die bei der Verschärfung der auf den Immobilienmärkten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) festgestellten Anfälligkeiten eine bedeutende Rolle spielen, haben auch strukturelle Faktoren zu einer Verstärkung dieser Anfälligkeiten geführt. Zu den strukturellen Faktoren können Wohnraummangel, der für Aufwärtsdruck auf die Wohnimmobilienpreise und die Verschuldung von Haushalten, die Eigenheime erwerben, gesorgt hat, und auch staatliche Maßnahmen zählen, die unter Umständen Haushalten einen Anreiz für eine übermäßige Verschuldung geben. Da die Auswirkungen dieser Faktoren über makroprudenzielle Maßnahmen hinausgehen, können Maßnahmen aus anderen Politikbereichen die aktuellen makroprudenziellen Maßnahmen zur effizienten und wirksamen Beseitigung der auf den Wohnimmobilienmärkten vorherrschenden Anfälligkeiten in den einzelnen Ländern ergänzen und unterstützen, ohne übermäßig hohe Kosten für die Realwirtschaft und das Finanzsystem zu verursachen.

(5)

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 und die damit verbundene Krise haben nicht zu einem zyklischen Abschwung auf den Wohnimmobilienmärkten geführt. Vielmehr haben sich der reale Anstieg der Wohnimmobilienpreise und das reale Kreditwachstum nach einer Phase stetiger Zuwächse vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds in mehreren Ländern weiter beschleunigt und die Einkommenszuwächse der privaten Haushalte weitgehend übertroffen. Um die Auswirkungen der Pandemie und die daraus resultierende wirtschaftliche Unsicherheit abzufedern, wurden verschiedene politische und sonstige Maßnahmen wie Schuldenmoratorien und öffentliche Garantien umgesetzt. Vor diesem allgemeinen politischen Hintergrund wurden zuvor geplante makroprudenzielle Maßnahmen in einigen Ländern vorübergehend gelockert oder ihre Einführung wurde verschoben. Die derzeit beobachtete Verbesserung der Wirtschaftslage ermöglicht eine Anpassung der makroprudenziellen Maßnahmen in den Ländern, in denen sich die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor weiter verschärft haben.

(6)

Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) hat kürzlich eine EWR-weite systematische und vorausschauende Bewertung von Anfälligkeiten in Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor abgeschlossen.

(7)

Im Hinblick auf Kroatien hat diese jüngste Bewertung Folgendes gezeigt:

a.

Nach einer längeren Korrekturphase und einem verhaltenen Anstieg beschleunigte sich der reale Anstieg der Wohnimmobilienpreise Anfang 2019 im Jahresvergleich auf 8 %. Seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie ist eine robuste Dynamik der Wohnimmobilienpreise zu beobachten. Nach Schätzungen der Hrvatska narodna banka lösen sich die Wohnimmobilienpreise zunehmend von den zugrunde liegenden langfristigen Fundamentaldaten.

b.

Die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise in den einzelnen kroatischen Regionen kann durch eine Reihe sowohl nachfrage- als auch angebotsseitiger Faktoren in unterschiedlichem Maße beeinflusst werden. Erstens entfällt in einigen Regionen ein erheblicher Teil der Nachfrage nach Wohnimmobilien auf ausländische Käufer (der Hrvatska narodna banka zufolge insgesamt ca. 10 %). Zwar war die Transaktionstätigkeit nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie insgesamt rückläufig, der Anteil der ausländischen Käufer blieb jedoch nach Angaben der Hrvatska narodna banka auf dem Vorkrisenniveau. Zweitens gab es im Jahr 2020 in Kroatien zwei Erdbeben in der Region Zagreb, die Schäden an Wohngebäuden verursachten. Diese Ereignisse haben gezeigt, dass die Qualitätsstandards der Wohngebäude, die vor den 1960er Jahren gebaut wurden, d. h. vor der Einführung von Standards im Bereich des Erdbebenschutzes in Kroatien, einige Mängel aufweisen. Infolgedessen könnte die im Verhältnis geringere Liquidität einiger dieser Wohnimmobilien den transaktionsfähigen Wohnimmobilienbestand verringern, was zu einem höheren allgemeinen Immobilienpreisniveau führen könnte. Zugleich könnte die schrittweise Instandsetzung der beschädigten Wohngebäude, deren Kosten auf 23 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für 2020 veranschlagt wurden, die Wohnimmobilienpreise durch eine höhere Bautätigkeit und ihre positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft aufblähen. Schließlich weitete die kroatische Regierung im Jahr 2020 das seit Ende 2017 geltende Wohnbauförderungsprogramm, das in weniger entwickelten Regionen höhere Fördersätze vorsieht, auf Erstkäufer aus.

c.

Obwohl nach Angaben der Hrvatska narodna banka nur etwa die Hälfte der Immobilientransaktionen über Bankkredite finanziert wird, beschleunigte sich das reale Wachstum der Hypothekarkredite in der zweiten Jahreshälfte 2019 und insbesondere im Laufe des Jahres 2020. Der Zuwachs betrug von Januar bis August 2021 im Durchschnitt etwa 7,5 %. In gewissem Maße wurde diese Dynamik durch das staatliche Wohnbauförderungsprogramm befördert, wobei der Anteil der zinsvergünstigten Kredite von 18 % im Jahr 2019 auf 35 % im Jahr 2020 zunahm.

d.

Die von der Hrvatska narodna banka durchgeführte neue Erhebung von Daten über Standards für die Vergabe von Immobilienkrediten deutet darauf hin, dass im ersten Halbjahr 2021 ein erheblicher Anteil der neuen Kredite mit einer Beleihungsquote von über 90 % ausgereicht wurde. Dabei handelte es sich vielfach um staatlich geförderte Kredite, deren Beleihungsquoten in der Regel zwischen 90 % und 100 % lagen. Rund 10 % der neuen Kredite wiesen eine Beleihungsquote von über 100 % auf. Etwa ein Viertel der neuen Kredite wurde zudem mit einer Kreditbedienungsquote (Loan-Service-to-Income Ratio – LSTI) von über 40 % gewährt. Darüber hinaus wiesen einige dieser neuen Kredite eine Beleihungsquote von über 90 % auf. Zudem betrug im ersten Halbjahr 2021 die Laufzeit einiger neuer Kredite mehr als 30 Jahre.

e.

Vor diesem Hintergrund verfügen die in Kroatien tätigen Banken im Vergleich zu den in der übrigen Union tätigen Banken über relativ hohe Eigenmittel. Die durchschnittliche Kernkapitalquote betrug im Dezember 2020 25 %. Die durchschnittlichen Risikogewichte für Hypothekarkredite nach dem auf internen Beurteilungen basierenden Ansatz (IRB-Ansatz) für die Berechnung der Eigenmittelanforderungen beliefen sich im Juni 2021 auf 38 %. Der Anteil dieser Kredite am kroatischen Markt machte rund 12 % aus. Die Mehrheit der Kreditinstitute wendet den Standardansatz an; um Risikopositionen aus Wohnimmobilien gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) mit Vorzugs-Risikogewichten belegen zu können, müssen sie die strengeren Kriterien des Artikels 124 der genannten Verordnung erfüllen. Im Juni 2021 beliefen sich die durchschnittlichen Risikogewichte für Kreditinstitute, die den Standardansatz anwenden, auf 42 %.

f.

Des Weiteren ist die Verschuldung der privaten Haushalte in Kroatien im Vergleich zu anderen EU-Ländern relativ gering. Im Laufe des Jahres 2020 nahmen die Kredite an private Haushalte real zu, allerdings waren die Zuwachsraten geringer als bei Wohneigentumskrediten. Dies war auf einen Rückgang des allgemeinen Verbrauchervertrauens zurückzuführen, durch den sich die Inanspruchnahme allgemeiner Konsumentenkredite verringerte, während die Nachfrage nach Immobilienkrediten durch staatliche Förderprogramme für Hypothekarkredite aufrechterhalten wurde. Ein weiterer Einflussfaktor könnten die rückläufigen Zinssätze für Kredite an private Haushalte sein. Der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) zufolge war in der zweiten Jahreshälfte 2020 eine leichte Zunahme des Anteils der notleidenden Kredite bei Krediten an private Haushalte und insbesondere bei Hypothekarkrediten zu beobachten. Im ersten Quartal 2021 blieb der Anteil notleidender Kredite bei Krediten an private Haushalte insgesamt unverändert (5,9 %), während er bei Hypothekarkrediten leicht (auf 3,6 %) zurückging.

g.

Wenngleich der Anteil der Hypothekarkredite an den Bankportfolios in Kroatien im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten niedrig, die Verschuldung der privaten Haushalte relativ gering und die Kapitalausstattung des Bankensektors relativ hoch ist und ein erheblicher Teil der Nachfrage nach Wohnimmobilien nicht über Bankkredite finanziert wird, könnten günstige Bedingungen und möglicherweise gelockerte Standards für die Vergabe von Immobilienkrediten mittelfristig das Risiko einer sich wechselseitig verstärkenden Spirale von Wohnimmobilienpreisen und Hypothekarkrediten bergen. Einerseits hat sich der Wert der Sicherheiten für Immobilienkredite aufgrund steigender Immobilienpreise erhöht, was den Kreditnehmern die Aufnahme von mehr Fremdkapital ermöglicht. Andererseits geht der Anstieg der Wohnimmobilienpreise in der Regel mit einer positiven gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einher, was wiederum zu einer Lockerung der Kreditvergabestandards durch die Kreditgeber aufgrund des allgemeinen Optimismus am Markt führen kann. Zugleich könnte das steigende Angebot an Immobilienkrediten einen zusätzlichen Aufwärtsdruck auf die Wohnimmobilienpreise ausüben. Mittelfristig könnte eine solche Spirale zu einer kreditgetriebenen Preisblase auf den Wohnimmobilienmärkten führen, obwohl ein erheblicher Teil der Nachfrage nach Wohnimmobilien derzeit aus anderen Quellen als inländischen Bankkrediten finanziert wird. Insbesondere könnte die Kreditdynamik weiterhin durch die von der kroatischen Regierung geförderten Hypothekarkredite angetrieben werden.

h.

Der ESRB erkennt an, dass in Kroatien mehrere Maßnahmen ergriffen wurden, durch welche die derzeitigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors verringert werden; hierzu zählen insbesondere die in Artikel 124 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 vorgesehene Maßnahme sowie andere kapitalbasierte Maßnahmen (z. B. der Systemrisikopuffer), die zu einer im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten relativ hohen Kapitalausstattung des Bankensektors beitragen. Dies bietet einen gewissen Puffer gegen die potenzielle Materialisierung von Risiken in Verbindung mit Wohnimmobilien. Die im Einklang mit den EBA-Leitlinien zur Kreditwürdigkeitsprüfung und den EBA-Leitlinien zu Zahlungsrückständen und Zwangsvollstreckung eingeführte indirekte Obergrenze für die Schuldendienstquote (debt-service-to-income ratio – DSTI) dient in gewissem Umfang auch als Absicherung gegen eine übermäßige Schuldendienstbelastung von Kreditnehmern. Der ESRB erkennt ferner an, dass der 2020 geschaffene Rechtsrahmen für kreditnehmerbasierte Maßnahmen das makroprudenzielle Instrumentarium in Kroatien erheblich erweitert hat und dass die Ende 2020 eingeführte Erhebung detaillierter Daten über die Kreditvergabestandards eine wirksame Überwachung der vom Wohnimmobilienmarkt ausgehenden Risiken ermöglicht.

i.

Mit Blick auf die künftige Entwicklung und unter Berücksichtigung des mittelfristigen Risikoausblicks wird der aktuelle makroprudenzielle Policy-Mix zum Teil als angemessen und zum Teil als ausreichend erachtet. Was die künftige Entwicklung angeht, so könnte trotz der relativ hohen Kapitalausstattung des Bankensektors die vorsorgliche Einführung expliziter kreditnehmerbasierter Maßnahmen gegen die mögliche Entstehung einer Spirale von Wohnimmobilienpreisen und Krediten, die durch gelockerte Kreditvergabestandards und staatlich geförderte Hypothekarkredite weiter verschärft werden könnte, die derzeitigen makroprudenziellen Maßnahmen im Bereich der Hypothekarkredite ergänzen. Zugleich könnte die makroprudenzielle Politik durch breiter angelegte politische Maßnahmen ergänzt werden, um Faktoren abzustellen, die die zunehmende Verschuldung der privaten Haushalte erleichtern oder befördern, insbesondere staatlich geförderte Hypothekarkredite; dadurch würden die derzeitigen makroprudenziellen Maßnahmen unterstützt, um die auf dem kroatischen Wohnimmobilienmarkt festgestellten verbleibenden Anfälligkeiten wirksam und effizient anzugehen, ohne die Realwirtschaft und das Finanzsystem Kroatiens übermäßig zu belasten.

(8)

Bei der Einführung von Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten sollte im Rahmen von deren Kalibrierung und schrittweisen Umsetzung berücksichtigt werden, in welcher Phase des Wirtschafts- und Finanzzyklus sich Kroatien befindet und welche möglichen Folgen sich im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten und Vorteile ergeben —

HAT FOLGENDE WARNUNG AUSGEGEBEN:

Der ESRB hat gewisse mittelfristige Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor Kroatiens als eine Ursache für Systemrisiken für die Finanzstabilität festgestellt, die mögliche schwerwiegende negative Folgen für die Realwirtschaft nach sich ziehen könnten. Hauptanfälligkeiten aus makroprudenzieller Sicht sind nach Auffassung des ESRB der rasante Zuwachs der Kredite an private Haushalte und mögliche Anzeichen einer Überbewertung der Wohnimmobilienpreise, da es keine expliziten kreditnehmerbasierten Maßnahmen gibt, welche die Entstehung von Risiken im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor abfedern könnten.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 2. Dezember 2021.

Leiter des ESRB-Sekretariats,

im Auftrag des Verwaltungsrats des ESRB,

Francesco MAZZAFERRO


(1)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.

(2)  ABl. C 58 vom 24.2.2011, S. 4.

(3)  Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).


17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/22


WARNUNG DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN

vom 2. Dezember 2021

zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Liechtensteins

(ESRB/2021/14)

(2022/C 122/05)

DER VERWALTUNGSRAT DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (1), insbesondere auf Anhang IX,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (2), insbesondere auf Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c sowie Artikel 16 und 18,

gestützt auf den Beschluss ESRB/2011/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 20. Januar 2011 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (3), insbesondere auf Artikel 18,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Wohneigentum ist ein Schlüsselsektor der Realwirtschaft und stellt einen Großteil des Vermögens von Privathaushalten und der Kreditvergabe durch Banken dar. Wohnimmobilien machen einen Großteil der Anlagenbestände von Privathaushalten aus; zudem setzt sich die Bilanz von Banken häufig im Wesentlichen aus Wohneigentumskrediten zusammen. Darüber hinaus ist der Wohnungsbau als Beschäftigungs-, Investitions- und Wachstumsquelle in der Regel eine wichtige Komponente der Realwirtschaft.

(2)

Die Finanzkrisen der Vergangenheit und die Erfahrungen in vielen Ländern haben gezeigt, dass Entwicklungen der Immobilienmärkte, die nicht nachhaltig sind, in jedem Land schwerwiegende Folgen für die Stabilität des Finanzsystems und die Wirtschaft insgesamt nach sich ziehen können, was auch negative grenzüberschreitende Ansteckungseffekte zur Folge haben kann. Hieraus können sich sowohl unmittelbare als auch mittelbare Auswirkungen auf die Finanzstabilität ergeben. Unmittelbare Auswirkungen sind Kreditverluste in Immobilienkreditportfolios, die aus nachteiligen wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen und damit einhergehenden negativen Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt resultieren. Mittelbare Auswirkungen stehen mit Konsumänderungen bei Privathaushalten in Verbindung, was weitere Folgen für die Realwirtschaft und die Finanzstabilität nach sich ziehen könnte.

(3)

Immobilienmärkte sind anfällig für zyklische Entwicklungen. Eine übermäßige Risikobereitschaft und Verschuldung sowie schlecht ausgerichtete Anreize während der Aufschwungphase des Immobilienzyklus können schwerwiegende negative Folgen für die Finanzstabilität und die Realwirtschaft nach sich ziehen. Angesichts der Bedeutung von Wohnimmobilien für die finanzielle und makroökonomische Stabilität ist es besonders wichtig zu versuchen, eine Anhäufung von Anfälligkeiten auf den Wohnimmobilienmärkten durch den Einsatz makroprudenzieller Maßnahmen, die bereits als Mittel zur Minderung von Systemrisiken dienen, zu verhindern.

(4)

Neben den zyklischen Faktoren, die bei der Verschärfung der auf den Immobilienmärkten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) festgestellten Anfälligkeiten eine bedeutende Rolle spielen, haben auch strukturelle Faktoren zu einer Verstärkung dieser Anfälligkeiten geführt. Zu den strukturellen Faktoren können Wohnraummangel, der für Aufwärtsdruck auf die Wohnimmobilienpreise und die Verschuldung von Haushalten, die Eigenheime erwerben, gesorgt hat, und auch staatliche Maßnahmen zählen, die unter Umständen Haushalten einen Anreiz für eine übermäßige Verschuldung geben. Da die Auswirkungen dieser Faktoren über makroprudenzielle Maßnahmen hinausgehen, können Maßnahmen aus anderen Politikbereichen die aktuellen makroprudenziellen Maßnahmen zur effizienten und wirksamen Beseitigung der auf den Wohnimmobilienmärkten vorherrschenden Anfälligkeiten in den einzelnen Ländern ergänzen und unterstützen, ohne übermäßig hohe Kosten für die Realwirtschaft und das Finanzsystem zu verursachen.

(5)

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 und die damit verbundene Krise haben nicht zu einem zyklischen Abschwung auf den Wohnimmobilienmärkten geführt. Vielmehr haben sich der reale Anstieg der Wohnimmobilienpreise und das reale Kreditwachstum nach einer Phase stetiger Zuwächse vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds in mehreren Ländern weiter beschleunigt und die Einkommenszuwächse der privaten Haushalte weitgehend übertroffen. Um die Auswirkungen der Pandemie und die daraus resultierende wirtschaftliche Unsicherheit abzufedern, wurden verschiedene politische und sonstige Maßnahmen wie Schuldenmoratorien und öffentliche Garantien umgesetzt. Vor diesem allgemeinen politischen Hintergrund wurden zuvor geplante makroprudenzielle Maßnahmen in einigen Ländern vorübergehend gelockert oder ihre Einführung wurde verschoben. Die derzeit beobachtete Verbesserung der Wirtschaftslage ermöglicht eine Anpassung der makroprudenziellen Maßnahmen in den Ländern, in denen sich die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor weiter verschärft haben.

(6)

Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) hat kürzlich eine EWR-weite systematische und vorausschauende Bewertung von Anfälligkeiten in Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor abgeschlossen.

(7)

Im Hinblick auf Liechtenstein hat diese jüngste Bewertung Folgendes gezeigt:

a.

Nach Schätzungen der Finanzmarktaufsicht (FMA) lag die Verschuldung der privaten Haushalte in Liechtenstein 2020 bei 226 % (4) des verfügbaren Einkommens bzw. 120 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), womit Liechtenstein zu den Ländern mit der höchsten Verschuldung der privaten Haushalte im EWR zählt. Darüber hinaus war in jüngster Zeit bei der Verschuldung der privaten Haushalte ein Aufwärtstrend zu beobachten. Neben den günstigen Kosten der Fremdfinanzierung könnten auch die wahrgenommenen steuerlichen Anreize zur Ausweitung der Verschuldung der privaten Haushalte beigetragen haben (5). Eine von der FMA durchgeführte Analyse zeigt, dass die Verschuldung ungleich auf die Haushalte verteilt ist: Der Steuerstatistik zufolge meldeten 14 % der Haushalte Schulden zwischen 500 000 CHF und 1 Mio CHF und 9 % der Haushalte Schulden von über 1 Mio CHF. Darüber hinaus ist der Anteil der Haushalte mit einem Verhältnis von Schulden zu Einkommen von über fünf relativ hoch, was den Schluss nahelegt, dass eine erhöhte Verschuldung der privaten Haushalte nicht immer mit einem höheren Haushaltseinkommen einhergeht. Positiv zu vermerken ist, dass der hohe Anteil festverzinslicher Hypothekarkredite die Risiken im Zusammenhang mit der Verschuldung der privaten Haushalte erheblich mindert.

b.

Auf dem Wohnimmobilienmarkt war in den vergangenen Jahren weiterhin eine moderate Dynamik zu beobachten. Angesichts der rechtlichen Beschränkungen beim Erwerb von Immobilien (6) ist die Transaktionstätigkeit in Liechtenstein in der Regel gering. Von den Behörden werden keine Preisindizes veröffentlicht. Nach Angaben der FMA deuten die Preisdaten aus Sachverständigengutachten jedoch nur auf einen moderaten Preisanstieg sowohl für Grundstücke als auch für Wohnungen hin. Auch die Bautätigkeit und die Transaktionstätigkeit waren in den letzten Jahren relativ stabil.

c.

Der FMA zufolge ist das Wachstum der Immobilienkredite (einschließlich durch Wohnimmobilien und durch andere Grundpfandrechte besicherter Kredite inländischer Banken im Währungsgebiet des Schweizer Franken) in jüngster Zeit rückläufig und lag 2019 nominal bei 0,7 % (gegenüber 8,8 % im Jahr 2010), wobei 2020 ein leichter Anstieg auf 2,5 % zu verzeichnen war. Das jährliche Wachstum der inländischen Immobilienkredite war mit 1,1 % im Jahr 2020 sogar noch schwächer.

d.

Der FMA zufolge wurde bei der Gewährung von Hypothekarkrediten ein relativ vorsichtiger Ansatz in Bezug auf die Beleihungsquote gewählt, sodass in den Jahren 2019 und 2020 nur ein verschwindend geringer Anteil bestehender und neuer Immobilienkredite eine Beleihungsquote von über 80 % aufwies. Banken sind zudem verpflichtet, Kredite als „Ausnahmen von den Richtlinien“ zu melden, wenn sie ihre internen Leitlinien in Bezug auf die Finanzierbarkeit von Immobilienkrediten außer Acht lassen. In der Praxis überprüfen die Banken, ob eine Erhöhung des Zinssatzes auf 4,5 % oder 5 % zu einer Schuldendienstbelastung führen würde, die ein Drittel des Haushaltseinkommens übersteigt. Angesichts des derzeitigen Niedrigzinsumfelds und der bisherigen niedrigen Zinssätze im Währungsgebiet des Schweizer Franken ist die Erfüllung dieser Anforderungen durchaus mit einem hohen Aufwand verbunden. Dennoch gehörten Ende 2020 rund 23 % der gesamten Wohnimmobilienkredite in Liechtenstein zu der Kategorie „Ausnahmen von den Richtlinien“.

e.

Das Gesamtvolumen der inländischen Wohnimmobilienkredite belief sich 2020 auf rund 85 % des BIP – diese Quote ist eine der höchsten im EWR. Die Größe des liechtensteinischen Bankensektors entspricht jedoch etwa dem 15-fachen des BIP des Landes, sodass Hypothekarkredite für einige liechtensteinische Banken zwar eine Einnahmequelle darstellen, inländische Kredite jedoch für die Rentabilität und Solvenz der in Liechtenstein tätigen Banken nicht von zentraler Bedeutung sind, da sie sich hauptsächlich auf das Private-Banking-Geschäft konzentrieren. Zugleich ist der liechtensteinische Bankensektor gut kapitalisiert, wobei die harte Kernkapitalquote (CET1) im Juni 2021 bei 22,3 % lag. Darüber hinaus zeichnet sich der liechtensteinische Bankensektor durch sehr starke Liquiditätsindikatoren aus, wobei das äußerst niedrige Verhältnis von Krediten zu Einlagen von 65 % ein geringes Refinanzierungsrisiko bedeutet.

f.

Angesichts der konservativen Beleihungsquoten bei inländischen Hypothekarkrediten, ihres begrenzten Anteils an den Bankportfolios und der hohen Kapitalausstattung des Bankensektors sind die vom Wohnimmobiliensektor ausgehenden unmittelbaren Risiken für die Finanzstabilität in Liechtenstein gegenwärtig begrenzt. Wenngleich sich der Arbeitsmarkt in Liechtenstein in Zeiten der Rezession in den letzten Jahrzehnten als widerstandsfähig erwiesen hat und das Vermögen der privaten Haushalte nach wie vor relativ hoch ist, macht die bereits hohe und steigende Verschuldung der privaten Haushalte diesen Sektor dennoch anfällig für unerwartete makroökonomische Schocks. Bei steigender Arbeitslosigkeit und/oder sinkenden Einkommen der privaten Haushalte könnte der Schuldendienst für einige Haushalte im Vergleich zur aktuellen Situation schwieriger werden. Die damit verbunden negativen Auswirkungen auf Einkommen und Vermögen der privaten Haushalte könnten die ursprünglichen makroökonomischen Schocks verstärken, wenn Haushalte gezwungen sind, ihren Konsum einzuschränken, um ihre Schulden zu bedienen. Dies könnte zu Zweitrundeneffekten und einem Anstieg der Risiken für Kreditinstitute und das Finanzsystem führen (7).

g.

Der ESRB erkennt an, dass in Liechtenstein mehrere Maßnahmen zur Verringerung der derzeitigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors ergriffen wurden; hierzu zählen insbesondere die Einführung der Beleihungsgrenze von 80 %, die Anforderung, Immobilienkredite innerhalb der ersten 20 Jahre soweit zu tilgen, dass die Beleihungsquote höchstens 66 % beträgt, und höhere Risikogewichte für Immobilienkredite für Banken, die den Standardansatz für die Berechnung der Eigenmittelanforderungen anwenden (8). Zugleich setzt die FMA die Empfehlung ESRB/2016/14 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken um (9). Die neuen Daten, die im zweiten Halbjahr 2022 verfügbar sein werden, dürften die Analyse der Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors in Liechtenstein weiter verbessern.

h.

Mit Blick auf die künftige Entwicklung und unter Berücksichtigung des mittelfristigen Risikoausblicks wird der aktuelle makroprudenzielle Policy-Mix zum Teil als angemessen und zum Teil als ausreichend erachtet. Angesichts der bereits hohen und steigenden Verschuldung der privaten Haushalte und des erheblichen Anteils von Haushalten, die anfällig für unerwartete negative Schocks sind, sollte die bestehende Beleihungsgrenze durch einkommensabhängige kreditnehmerbasierte Maßnahmen flankiert werden, um eine weitere Verschärfung der Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors zu vermeiden. Zu diesem Zweck muss möglicherweise eine Rechtsgrundlage für kreditnehmerbasierte Instrumente geschaffen werden, die den nationalen Behörden ausreichende Flexibilität verschafft, um die Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors in Liechtenstein zu beseitigen.

(8)

Bei der Einführung von Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten sollte im Rahmen von deren Kalibrierung und schrittweisen Umsetzung berücksichtigt werden, in welcher Phase des Wirtschafts- und Finanzzyklus sich Liechtenstein befindet und welche möglichen Folgen sich im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten und Vorteile ergeben —

HAT FOLGENDE WARNUNG AUSGEGEBEN:

Der ESRB hat gewisse mittelfristige Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor Liechtensteins als eine Ursache für Systemrisiken für die Finanzstabilität festgestellt, die möglicherweise schwerwiegende negative Folgen für die Realwirtschaft nach sich ziehen könnten. Hauptanfälligkeiten aus makroprudenzieller Sicht sind nach Auffassung des ESRB die hohe und zunehmende Verschuldung der privaten Haushalte bei gleichzeitigem Fehlen einkommensabhängiger kreditnehmerbasierter Maßnahmen zur Eindämmung der weiteren Anhäufung von Risiken im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 2. Dezember 2021.

Leiter des ESRB-Sekretariats,

im Auftrag des Verwaltungsrats des ESRB,

Francesco MAZZAFERRO


(1)  ABl. L 1 vom 3.1.1994, S. 3.

(2)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.

(3)  ABl. C 58 vom 24.2.2011, S. 4.

(4)  Das Verhältnis von Schulden zu Einkommen und zum BIP ist für Liechtenstein nur bedingt mit den entsprechenden Indikatoren der anderen EWR-Länder vergleichbar. Das verfügbare Einkommen wird in Liechtenstein als Differenz zwischen dem zu versteuernden Gesamteinkommen und der Vermögens- und Erwerbssteuer berechnet. Darüber hinaus stammen die Angaben zur Gesamtverschuldung der privaten Haushalte aus den Steuerstatistiken und die Verschuldung wird nicht auf konsolidierter Basis definiert (d. h. auch Kredite innerhalb des Sektors der privaten Haushalte oder sogar innerhalb der Familie werden erfasst). Dieses Definitionsproblem führt im Vergleich zu anderen EWR-Ländern zu einer höheren Gesamtkennzahl.

(5)  Insbesondere umfasst die Steuerbemessungsgrundlage für private Haushalte auch einen fiktiven Ertrag aus dem Nettovermögen (der derzeit auf 4 % festgesetzt ist), der zum jährlichen Erwerb addiert wird. Um ihr Nettovermögen zu verringern, können die Haushalte ihren Immobilienkredit beibehalten, anstatt ihn zu tilgen. In der Praxis ist der steuerliche Anreiz hierfür jedoch relativ gering, insbesondere angesichts des Zinssatzes für die noch zu tilgende Restschuld.

(6)  In Liechtenstein gibt es Beschränkungen für den Erwerb von Wohnliegenschaften, wenn kein berechtigtes Interesse besteht, z. B. in Bezug auf bestehendes Eigentum. Bei etwa der Hälfte der Immobilientransaktionen in Liechtenstein handelt es sich nicht um Käufe, sondern um Übertragungen mittels Tausch, Schenkung oder Vererbung.

(7)  Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass solche prozyklischen Auswirkungen eines Abschwungs im Finanzzyklus in Liechtenstein im Vergleich zu anderen EWR-Ländern erheblich schwächer wären, da die Binnennachfrage in der äußerst kleinen und offenen Wirtschaft Liechtensteins eine relativ geringe Rolle spielt. Selbst ein deutlicher Anstieg der Sparquote der privaten Haushalte hätte somit äußerst geringe Auswirkungen auf die Nachfrage, sodass die Folgen für die Gesamtwirtschaft begrenzt blieben.

(8)  Alle Banken in Liechtenstein wenden den Standardansatz für die Berechnung der Eigenmittelanforderungen an.

(9)  Empfehlung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 31. Oktober 2016 zur Schließung von Lücken bei Immobiliendaten (ESRB/2016/14) (ABl. C 31 vom 31.1.2017, S. 1).


17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/25


WARNUNG DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN

vom 2. Dezember 2021

zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors Ungarns

(ESRB/2021/15)

(2022/C 122/06)

DER VERWALTUNGSRAT DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (1), insbesondere auf Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c sowie Artikel 16 und 18,

gestützt auf den Beschluss ESRB/2011/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 20. Januar 2011 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (2), insbesondere auf Artikel 18,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Wohneigentum ist ein Schlüsselsektor der Realwirtschaft und stellt einen Großteil des Vermögens von Privathaushalten und der Kreditvergabe durch Banken dar. Wohnimmobilien machen einen Großteil der Anlagenbestände von Privathaushalten aus; zudem setzt sich die Bilanz von Banken häufig im Wesentlichen aus Wohneigentumskrediten zusammen. Darüber hinaus ist der Wohnungsbau als Beschäftigungs-, Investitions- und Wachstumsquelle in der Regel eine wichtige Komponente der Realwirtschaft.

(2)

Die Finanzkrisen der Vergangenheit und die Erfahrungen in vielen Ländern haben gezeigt, dass Entwicklungen der Immobilienmärkte, die nicht nachhaltig sind, in jedem Land schwerwiegende Folgen für die Stabilität des Finanzsystems und die Wirtschaft insgesamt nach sich ziehen können, was auch negative grenzüberschreitende Ansteckungseffekte zur Folge haben kann. Hieraus können sich sowohl unmittelbare als auch mittelbare Auswirkungen auf die Finanzstabilität ergeben. Unmittelbare Auswirkungen sind Kreditverluste in Immobilienkreditportfolios, die aus nachteiligen wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen und damit einhergehenden negativen Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt resultieren. Mittelbare Auswirkungen stehen mit Konsumänderungen bei Privathaushalten in Verbindung, was weitere Folgen für die Realwirtschaft und die Finanzstabilität nach sich ziehen könnte.

(3)

Immobilienmärkte sind anfällig für zyklische Entwicklungen. Eine übermäßige Risikobereitschaft und Verschuldung sowie schlecht ausgerichtete Anreize während der Aufschwungphase des Immobilienzyklus können schwerwiegende negative Folgen für die Finanzstabilität und die Realwirtschaft nach sich ziehen. Angesichts der Bedeutung von Wohnimmobilien für die finanzielle und makroökonomische Stabilität ist es besonders wichtig zu versuchen, eine Anhäufung von Anfälligkeiten auf den Wohnimmobilienmärkten durch den Einsatz makroprudenzieller Maßnahmen, die bereits als Mittel zur Minderung von Systemrisiken dienen, zu verhindern.

(4)

Neben den zyklischen Faktoren, die bei der Verschärfung der auf den Immobilienmärkten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) festgestellten Anfälligkeiten eine bedeutende Rolle spielen, haben auch strukturelle Faktoren zu einer Verstärkung dieser Anfälligkeiten geführt. Zu den strukturellen Faktoren können Wohnraummangel, der für Aufwärtsdruck auf die Wohnimmobilienpreise und die Verschuldung von Haushalten, die Eigenheime erwerben, gesorgt hat, und auch staatliche Maßnahmen zählen, die unter Umständen Haushalten einen Anreiz für eine übermäßige Verschuldung geben. Da die Auswirkungen dieser Faktoren über makroprudenzielle Maßnahmen hinausgehen, können Maßnahmen aus anderen Politikbereichen die aktuellen makroprudenziellen Maßnahmen zur effizienten und wirksamen Beseitigung der auf den Wohnimmobilienmärkten vorherrschenden Anfälligkeiten in den einzelnen Ländern ergänzen und unterstützen, ohne übermäßig hohe Kosten für die Realwirtschaft und das Finanzsystem zu verursachen.

(5)

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 und die damit verbundene Krise haben nicht zu einem zyklischen Abschwung auf den Wohnimmobilienmärkten geführt. Vielmehr haben sich der reale Anstieg der Wohnimmobilienpreise und das reale Kreditwachstum nach einer Phase stetiger Zuwächse vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds in mehreren Ländern weiter beschleunigt und die Einkommenszuwächse der privaten Haushalte weitgehend übertroffen. Um die Auswirkungen der Pandemie und die daraus resultierende wirtschaftliche Unsicherheit abzufedern, wurden verschiedene politische und sonstige Maßnahmen wie Schuldenmoratorien und öffentliche Garantien umgesetzt. Vor diesem allgemeinen politischen Hintergrund wurden zuvor geplante makroprudenzielle Maßnahmen in einigen Ländern vorübergehend gelockert oder ihre Einführung wurde verschoben. Die derzeit beobachtete Verbesserung der Wirtschaftslage ermöglicht eine Anpassung der makroprudenziellen Maßnahmen in den Ländern, in denen sich die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor weiter verschärft haben.

(6)

Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) hat kürzlich eine EWR-weite systematische und vorausschauende Bewertung von Anfälligkeiten in Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor abgeschlossen.

(7)

Im Hinblick auf Ungarn hat diese jüngste Bewertung Folgendes gezeigt:

a.

Zwischen 2015 und 2019 lag der reale jährliche Anstieg der Wohnimmobilienpreise bei annähernd oder über 10 % und war in Budapest besonders ausgeprägt. Schätzungen der Magyar Nemzeti Bank (MNB) zufolge führte diese Entwicklung zu einer deutlichen Überbewertung, die im dritten Quartal 2019 mit 18 % in Budapest und 3 % landesweit ihren Höhepunkt erreichte. Die Daten der MNB weisen darauf hin, dass sich die Preise in den einzelnen Landesteilen sehr unterschiedlich entwickelten. Zum einen verlangsamte sich der reale Anstieg der Wohnimmobilienpreise in Budapest Ende 2019, wobei die Preise 2020 stabil blieben oder leicht zurückgingen und im ersten Halbjahr 2021 auf einem mäßigen Niveau verharrten. Zum anderen erreichte der Preisanstieg in anderen Landesteilen eine zweistellige Größenordnung, insbesondere in kleineren Kommunen und ländlichen Gebieten, in denen Privathaushalte Anspruch auf die staatlichen Förderprogramme für den Immobilienkauf hatten. Was die künftige Entwicklung angeht, so wird sich die Rückkehr des internationalen Tourismus erheblich auf die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise in Budapest auswirken. Landesweit könnte die fortgesetzte Inanspruchnahme der unterschiedlichen staatlichen Förderprogramme (3) zu einem nachfrageseitigen Druck auf die Wohnimmobilienpreise beitragen, während der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Neubauten (4) möglicherweise mittelfristig eine Abschwächung der angebotsseitigen Engpässe bewirken könnte.

b.

Seit Mitte 2018 ist mit realen jährlichen Wachstumsraten von annähernd oder über 5 % eine robuste Zunahme der Hypothekarkredite zu verzeichnen. Obwohl den Schätzungen der MNB zufolge im Jahr 2020 nur etwa die Hälfte der Immobilientransaktionen über Bankkredite finanziert wurde, beschleunigte sich das reale jährliche Wachstum der Hypothekarkredite zwischen Januar und August 2021 im Durchschnitt auf 6,8 %. Zwischenzeitlich belief sich das reale Wachstum der an Privathaushalte vergebenen Kredite im Jahresvergleich auf durchschnittlich 10 %. Zwar übertraf dieses Wachstum den realen Zuwachs der Immobilienkredite, jedoch war es auf die Zunahme der Förderkredite für werdende Eltern und den Anteil der Kredite an Privathaushalte zurückzuführen, für die das Kreditmoratorium in Anspruch genommen wurde (im Juni 2021 unterlagen noch immer 31 % der gesamten Wohnimmobilienkredite und 42 % der förderfähigen Wohnimmobilienkredite diesem Moratorium und wurden somit nicht getilgt). Ohne Berücksichtigung der Auswirkungen des Moratoriums belief sich das reale jährliche Wachstum der Immobilienkredite und der Kredite an Privathaushalte den Schätzungen der MNB zufolge im ersten Halbjahr 2021 auf 0,7 % bzw. 2,7 %. Die zahlreichen staatlichen Förderprogramme, einschließlich des Anfang 2021 eingeführten zusätzlichen staatlichen Förderprogramms, trugen ebenfalls zum Wachstum der an Privathaushalte vergebenen Kredite bei (5).

c.

Obwohl Hypothekarkredite bis 2008 mit sehr hohen Beleihungsquoten ausgereicht wurden, wiesen im ersten Halbjahr 2021 90 % des Kreditbestands Beleihungsquoten von unter 80 % auf. In gewissem Maße war dies auf den rasanten Anstieg der Wohnimmobilienpreise und die Tilgung alter Kredite zurückzuführen. Darüber hinaus gilt für die Beleihungsquote neuer Kredite seit 2015 eine Obergrenze von 80 %. Mit Blick auf die Schuldendienstquote ist jedoch festzustellen, dass im ersten Halbjahr 2021 etwa 22 % der bestehenden und nahezu 25 % der neuen Hypothekarkredite (gemessen am Kreditvolumen) Schuldendienstquoten zwischen 40 % und 60 % aufwiesen. Dies war zum Teil auf die höheren Obergrenzen für die Schuldendienstquote einkommensstarker Kreditnehmer zurückzuführen, auf die ein zunehmender Anteil an neuen Krediten entfällt: Im ersten Halbjahr 2021 konnte für etwa 60 % der neuen Wohneigentumskredite die höhere Obergrenze für die Schuldendienstquote von 60 % in Anspruch genommen werden (bei einem monatlichen Nettoeinkommen der Kreditnehmer oberhalb der gesetzlichen Schwelle von 500 000 HUF), und bei 5 % der neuen Wohneigentumskredite belief sich die Schuldendienstquote auf über 50 %. Obgleich die neuen Kredite etwas längere Laufzeiten haben, lassen die Evidenzdaten der MNB zufolge nicht darauf schließen, dass zunehmend längere Laufzeiten genutzt werden, um die geltenden Obergrenzen für die Schuldendienstquote zu umgehen.

d.

Seit die MNB im Jahr 2017 eine Gewährleistungsmarke eingeführt hat, werden an Privathaushalte vergebene Kredite häufiger zu festen Zinssätzen ausgereicht. Diese Marke erstreckt sich nur auf Wohneigentumskredite, die mit einer Zinsbindung für einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren an Privathaushalte vergeben werden. Das Wachstum der an Privathaushalte vergebenen Wohneigentumskredite mit längeren Zinsbindungsfristen wurde dadurch verstärkt, dass seit Oktober 2018 bei Hypothekarkrediten mit einer Zinsbindung unter 10 Jahren niedrigere Obergrenzen für die Schuldendienstquote gelten. Im Februar 2021 wurden etwa 75 % bzw. 25 % der neuen Kredite mit einer Zinsbindung von 10 bzw. 5 Jahren gewährt. Dennoch machten Kredite mit einer Zinsbindung von unter einem Jahr noch immer fast 40 % des gesamten Kreditbestands aus, wenngleich dieser Anteil allmählich sinkt.

e.

Das im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie eingeführte Kreditmoratorium wurde unlängst bis Juni 2022 verlängert. Allerdings wurde der Kreis der Kreditnehmer, die das Moratorium in Anspruch nehmen können, eingeschränkt und der Bestand der an Privathaushalte vergebenen Kredite, die das Moratorium weiterhin in Anspruch nahmen, macht rund 5 % des insgesamt ausstehenden Kreditportfolios der Privathaushalte aus. Analysen der MNB zufolge machten an Privathaushalte vergebene Kredite, für die das vorangehende und weiterreichende Moratorium in Anspruch genommen wird und deren Kreditnehmer in anfälligen Wirtschaftszweigen beschäftigt sind, nahezu 10 % aller ausstehenden Kredite aus.

f.

Der ESRB erkennt an, dass in Ungarn mit der Einführung der Obergrenzen für die Beleihungs- und die Schuldendienstquote makroprudenzielle Maßnahmen ergriffen wurden, durch welche die derzeitigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors verringert werden. Darüber hinaus erkennt der ESRB an, dass die Banken dem infolge der Verlängerung des Moratoriums gestiegenen Kreditrisiko angemessen Rechnung getragen haben, indem sie einige Kredite als Stufe-2-Kredite eingeordnet haben.

g.

Mit Blick auf die künftige Entwicklung und unter Berücksichtigung des mittelfristigen Risikoausblicks wird der aktuelle makroprudenzielle Policy-Mix zum Teil als angemessen und zum Teil als ausreichend erachtet. Wenn sich die Anfälligkeiten des Wohnimmobilienmarktes weiter verschärfen, würde die Senkung der Obergrenze für die Schuldendienstquote in Verbindung mit einem Laufzeitlimit und/oder die Einführung eines Systemrisikopuffers oder eines antizyklischen Kapitalpuffers zur Verringerung dieser Anfälligkeiten beitragen. Ungeachtet dessen sollte die makroprudenzielle Politik durch breiter angelegte politische Maßnahmen zur Eindämmung oder Beseitigung der Faktoren ergänzt werden, welche die zunehmende Verschuldung der Privathaushalte oder die Ungleichheiten bei der Finanzierbarkeit von Wohnimmobilien befördern oder verstärken. Dadurch sollten die derzeitigen makroprudenziellen Maßnahmen unterstützt werden, um die auf dem ungarischen Wohnimmobilienmarkt festgestellten verbleibenden Anfälligkeiten wirksam und effizient anzugehen, ohne die Realwirtschaft und das Finanzsystem Ungarns übermäßig zu belasten. In Ungarn können die staatlichen Förderprogramme und -kredite zu einer verstärkten Nachfrage nach selbst genutztem Wohneigentum beitragen und somit vor dem Hintergrund eines unzureichenden Angebots von Wohnimmobilien zu einer höheren Überbewertung der Wohnimmobilienpreise und einer stärkeren Verschuldung der Privathaushalte führen. Zu den weiteren Maßnahmen könnten daher die Beseitigung der Anreize für eine höhere Verschuldung der Privathaushalte, insbesondere der staatlichen Förderprogramme und -kredite, und die Gewährleistung eines angemessenen Angebots von Wohnimmobilien sowie eines wirksam funktionierenden Mietwohnungsmarktes zählen. Es wäre ratsam, dass die nationalen Behörden in den nächsten Quartalen weiterhin die Bonität der dem Moratorium unterliegenden Kredite an Privathaushalte überwachen und die Bildung angemessener Rückstellungen für die zu erwartenden Verluste sicherstellen.

(8)

Bei der Einführung von Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten sollte im Rahmen von deren Kalibrierung und schrittweisen Umsetzung berücksichtigt werden, in welcher Phase des Wirtschafts- und Finanzzyklus sich Ungarn befindet und welche möglichen Folgen sich im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten und Vorteile ergeben —

HAT FOLGENDE WARNUNG AUSGEGEBEN:

Der ESRB hat gewisse mittelfristige Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor Ungarns als eine Ursache für Systemrisiken für die Finanzstabilität festgestellt, die mögliche schwerwiegende negative Folgen für die Realwirtschaft nach sich ziehen könnten. Hauptanfälligkeiten aus makroprudenzieller Sicht sind nach Auffassung des ESRB das zunehmende Risiko einer Überbewertung der Wohnimmobilienpreise in Verbindung mit der rasanten Zunahme der Gewährung von Hypothekarkrediten und Krediten an private Haushalte sowie bestimmte Anfälligkeiten im Zusammenhang mit Kreditnehmern mit hohen Schuldendienstquoten.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 2. Dezember 2021.

Leiter des ESRB-Sekretariats,

im Auftrag des Verwaltungsrats des ESRB,

Francesco MAZZAFERRO


(1)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.

(2)  ABl. C 58 vom 24.2.2011, S. 4.

(3)  Die staatliche Förderung für den Immobilienkauf und der zinslose, nicht zweckgebundene Förderkredit für werdende Eltern.

(4)  Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Neubauten wurde im Januar 2021 wieder eingeführt und gilt für Wohngebäude, die bis 2026 fertiggestellt werden (wobei die Baugenehmigung spätestens 2022 erteilt worden sein muss).

(5)  Im Rahmen des zusätzlichen staatlichen Förderprogramms werden Privathaushalten, die bereits die staatliche Förderung für den Immobilienkauf in Anspruch nehmen, Steuervergünstigungen gewährt.


17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/28


WARNUNG DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN

vom 2. Dezember 2021

zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors der Slowakei

(ESRB/2021/16)

(2022/C 122/07)

DER VERWALTUNGSRAT DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (1), insbesondere auf Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c sowie Artikel 16 und 18,

gestützt auf den Beschluss ESRB/2011/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 20. Januar 2011 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (2), insbesondere auf Artikel 18,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Wohneigentum ist ein Schlüsselsektor der Realwirtschaft und stellt einen Großteil des Vermögens von Privathaushalten und der Kreditvergabe durch Banken dar. Wohnimmobilien machen einen Großteil der Anlagenbestände von Privathaushalten aus; zudem setzt sich die Bilanz von Banken häufig im Wesentlichen aus Wohneigentumskrediten zusammen. Darüber hinaus ist der Wohnungsbau als Beschäftigungs-, Investitions- und Wachstumsquelle in der Regel eine wichtige Komponente der Realwirtschaft.

(2)

Die Finanzkrisen der Vergangenheit und die Erfahrungen in vielen Ländern haben gezeigt, dass Entwicklungen der Immobilienmärkte, die nicht nachhaltig sind, in jedem Land schwerwiegende Folgen für die Stabilität des Finanzsystems und die Wirtschaft insgesamt nach sich ziehen können, was auch negative grenzüberschreitende Ansteckungseffekte zur Folge haben kann. Hieraus können sich sowohl unmittelbare als auch mittelbare Auswirkungen auf die Finanzstabilität ergeben. Unmittelbare Auswirkungen sind Kreditverluste in Immobilienkreditportfolios, die aus nachteiligen wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen und damit einhergehenden negativen Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt resultieren. Mittelbare Auswirkungen stehen mit Konsumänderungen bei Privathaushalten in Verbindung, was weitere Folgen für die Realwirtschaft und die Finanzstabilität nach sich ziehen könnte.

(3)

Immobilienmärkte sind anfällig für zyklische Entwicklungen. Eine übermäßige Risikobereitschaft und Verschuldung sowie schlecht ausgerichtete Anreize während der Aufschwungphase des Immobilienzyklus können schwerwiegende negative Folgen für die Finanzstabilität und die Realwirtschaft nach sich ziehen. Angesichts der Bedeutung von Wohnimmobilien für die finanzielle und makroökonomische Stabilität ist es besonders wichtig zu versuchen, eine Anhäufung von Anfälligkeiten auf den Wohnimmobilienmärkten durch den Einsatz makroprudenzieller Maßnahmen, die bereits als Mittel zur Minderung von Systemrisiken dienen, zu verhindern.

(4)

Neben den zyklischen Faktoren, die bei der Verschärfung der auf den Immobilienmärkten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) festgestellten Anfälligkeiten eine bedeutende Rolle spielen, haben auch strukturelle Faktoren zu einer Verstärkung dieser Anfälligkeiten geführt. Zu den strukturellen Faktoren können Wohnraummangel, der für Aufwärtsdruck auf die Wohnimmobilienpreise und die Verschuldung von Haushalten, die Eigenheime erwerben, gesorgt hat, und auch staatliche Maßnahmen zählen, die unter Umständen Haushalten einen Anreiz für eine übermäßige Verschuldung geben. Da die Auswirkungen dieser Faktoren über makroprudenzielle Maßnahmen hinausgehen, können Maßnahmen aus anderen Politikbereichen die aktuellen makroprudenziellen Maßnahmen zur effizienten und wirksamen Beseitigung der auf den Wohnimmobilienmärkten vorherrschenden Anfälligkeiten in den einzelnen Ländern ergänzen und unterstützen, ohne übermäßig hohe Kosten für die Realwirtschaft und das Finanzsystem zu verursachen.

(5)

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 und die damit verbundene Krise haben nicht zu einem zyklischen Abschwung auf den Wohnimmobilienmärkten geführt. Vielmehr haben sich der reale Anstieg der Wohnimmobilienpreise und das reale Kreditwachstum nach einer Phase stetiger Zuwächse vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds in mehreren Ländern weiter beschleunigt und die Einkommenszuwächse der privaten Haushalte weitgehend übertroffen. Um die Auswirkungen der Pandemie und die daraus resultierende wirtschaftliche Unsicherheit abzufedern, wurden verschiedene politische und sonstige Maßnahmen wie Schuldenmoratorien und öffentliche Garantien umgesetzt. Vor diesem allgemeinen politischen Hintergrund wurden zuvor geplante makroprudenzielle Maßnahmen in einigen Ländern vorübergehend gelockert oder ihre Einführung wurde verschoben. Die derzeit beobachtete Verbesserung der Wirtschaftslage ermöglicht eine Anpassung der makroprudenziellen Maßnahmen in den Ländern, in denen sich die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor weiter verschärft haben.

(6)

Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) hat kürzlich eine EWR-weite systematische und vorausschauende Bewertung von Anfälligkeiten in Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor abgeschlossen.

(7)

Im Hinblick auf die Slowakei hat diese jüngste Bewertung Folgendes gezeigt:

a.

In den letzten fünf Jahren war in der Slowakei ein kontinuierlicher realer Anstieg der Wohnimmobilienpreise zu verzeichnen. Ungeachtet der Verschärfung der rechtsverbindlichen Beleihungsgrenze hat sich der Anstieg der Immobilienpreise seit Anfang 2019 beschleunigt. Während der COVID-19-Pandemie erfuhr der Preisanstieg eine weitere Beschleunigung, und im zweiten Quartal 2021 erreichte der jährliche reale Anstieg der Wohnimmobilienpreise nahezu 16 % und damit den zweithöchsten Wert in der Union. Darüber hinaus wurden Wohnimmobilien immer weniger bezahlbar, da die Wohnimmobilienpreise schneller stiegen als das Haushaltseinkommen. Den Kennzahlen zur Überbewertung zufolge besteht ein zunehmendes Risiko einer Überbewertung der Immobilienpreise. Die Preisdynamik wurde getragen durch den wirtschaftlichen Aufschwung, niedrige Zinsen, eine erhöhte Sparquote und eine hohe Nachfrage der Privathaushalte nach neuen Wohnimmobilien, der ein verknapptes Angebot gegenüberstand.

b.

Trotz der politischen Maßnahmen verzeichnete die Slowakei in den letzten drei Jahren unionsweit mit das stärkste Wachstum der Immobilienkredite, das auch von dem Schock infolge der COVID-19-Pandemie nicht gebremst wurde. Der slowakische Immobilienkreditmarkt ist durch niedrige Zinssätze, eine hohe Nachfrage nach Immobilienkrediten, die durch steigende Immobilienpreise weiter verstärkt wird, sowie durch einen starken Wettbewerb zwischen den Kreditgebern geprägt. Darüber hinaus weist der Bankensektor der Slowakei im Vergleich zu den meisten anderen EWR-Ländern die größte Exposition gegenüber dem Sektor Grundstücks- und Wohnungswesen auf.

c.

Aufgrund der regen Kreditvergabe ist die Verschuldung der Privathaushalte in der Slowakei in den letzten Jahren gestiegen. Nachdem bei der Gesamtverschuldung der Privathaushalte über Jahre hinweg real zweistellige Zuwächse zu verzeichnen gewesen waren, verlangsamte sich das Wachstum der Verschuldung der Privathaushalte und stabilisierte sich 2020 bei etwa 4 %. Ungeachtet dieser Verlangsamung, die auch auf makroprudenzielle Maßnahmen (Einführung der Obergrenze für das Verhältnis von Schulden zu Einkommen und Verschärfung der Obergrenze für die Schuldendienstquote) zurückzuführen war, zählt das Wachstum der Verschuldung der Privathaushalte noch immer zu den höchsten in der Union und führte zu einem Anstieg des Verhältnisses von Schulden zu BIP. Während die Privathaushalte ihren Konsum während der COVID-19-Pandemie einschränkten, blieb ihre Nachfrage nach Wohneigentumskrediten weiterhin hoch. Tatsächlich war in jüngster Zeit eine Zunahme der Umfinanzierung von Hypothekarkrediten zu beobachten, oftmals in Verbindung mit einer Aufstockung des ursprünglichen Nominalkreditbetrags. Eine weitere Anfälligkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass bei einem erheblichen Anteil der Kredite die Laufzeit erst endet, nachdem der Kreditnehmer in den Ruhestand getreten ist. Sowohl diese Entwicklungen als auch vereinzelte Anfälligkeiten müssen künftig sorgfältig beobachtet werden.

d.

Die Entstehung der oben genannten Anfälligkeiten könnte auch mit einer Reihe struktureller Faktoren im Zusammenhang stehen, wie etwa mit der günstigen Steuerregelung für den Immobilienmarkt und den Beschränkungen hinsichtlich der Funktionsweise des Mietwohnungsmarktes.

e.

Der ESRB erkennt an, dass in der Slowakei mehrere Maßnahmen zur Verringerung der derzeitigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors ergriffen wurden; hierzu zählt insbesondere ein umfassendes Paket kreditnehmerbasierter Maßnahmen, das darauf abzielt, die zugrunde liegenden Risiken in Verbindung mit der Vergabe von Hypothekarkrediten und kreditnehmerbezogenen Anfälligkeiten angemessen zu entschärfen. Darüber hinaus ist der positive antizyklische Kapitalpuffer (countercyclical capital buffer – CCyB) ein geeignetes Instrument, um die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem außerordentlich rasanten Kreditwachstum zu beseitigen, das in allen Sektoren weithin zu beobachten ist, und die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors zu stärken.

f.

Mit Blick auf die künftige Entwicklung und unter Berücksichtigung des mittelfristigen Risikoausblicks wird der aktuelle makroprudenzielle Policy-Mix als angemessen und zum Teil als ausreichend erachtet. Angesichts der anhaltenden Entstehung vereinzelter Anfälligkeiten sollte eine Feinabstimmung der bestehenden kreditnehmerbasierten Maßnahmen vorgenommen werden. Im Falle einer fortgesetzten Anhäufung zyklischer Risiken oder einer Verschärfung der strukturellen Anfälligkeiten könnten die slowakischen Behörden einen erneuten Aufbau des antizyklischen Kapitalpuffers oder die Einführung eines sektorspezifischen Systemrisikopuffers in Erwägung ziehen, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber den im Wohnimmobiliensektor bestehenden Risiken weiter zu erhöhen. Darüber hinaus stellt auch die Einführung der Untergrenze für die Risikogewichtung von auf internen Beurteilungen basierenden Risikopositionen aus Wohnimmobilien nach Artikel 458 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) eine Option für die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des Bankensektors dar. Neben makroprudenziellen Maßnahmen könnten auch Anpassungen der günstigen Steuerregelung für den Wohnimmobilienmarkt sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Funktionsweise des Mietwohnungsmarktes die Ursachen für Systemrisiken in Verbindung mit dem Wohnimmobiliensektor der Slowakei eindämmen.

(8)

Bei der Einführung von Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten sollte im Rahmen von deren Kalibrierung und schrittweisen Umsetzung berücksichtigt werden, in welcher Phase des Wirtschafts- und Finanzzyklus sich die Slowakei befindet und welche möglichen Folgen sich im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten und Vorteile ergeben —

HAT FOLGENDE WARNUNG AUSGEGEBEN:

Der ESRB hat gewisse mittelfristige Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor der Slowakei als eine Ursache für Systemrisiken für die Finanzstabilität festgestellt, die mögliche schwerwiegende negative Folgen für die Realwirtschaft nach sich ziehen könnten. Hauptanfälligkeiten aus makroprudenzieller Sicht sind nach Auffassung des ESRB das zunehmende Risiko einer Überbewertung der Wohnimmobilienpreise in Verbindung mit den hohen Zuwachsraten bei den Wohnimmobilienpreisen und der steigenden Verschuldung der Privathaushalte sowie bestimmte Risiken im Zusammenhang mit der steigenden Verschuldung der privaten Haushalte und der Gewährung von Hypothekarkrediten.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 2. Dezember 2021.

Leiter des ESRB-Sekretariats,

im Auftrag des Verwaltungsrats des ESRB,

Francesco MAZZAFERRO


(1)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.

(2)  ABl. C 58 vom 24.2.2011, S. 4.

(3)  Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).


II Mitteilungen

MITTEILUNGEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

Europäische Kommission

17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/31


Keine Einwände gegen einen angemeldeten Zusammenschluss

(Sache M.10447 — NN / METLIFE GREECE / METLIFE POLAND)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2022/C 122/08)

Am 7. Dezember 2021 hat die Kommission nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (1) entschieden, keine Einwände gegen den oben genannten angemeldeten Zusammenschluss zu erheben und ihn für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären. Der vollständige Wortlaut der Entscheidung ist nur auf Englisch verfügbar und wird in einer um etwaige Geschäftsgeheimnisse bereinigten Fassung auf den folgenden EU-Websites veröffentlicht:

der Website der GD Wettbewerb zur Fusionskontrolle (http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/). Auf dieser Website können Fusionsentscheidungen anhand verschiedener Angaben wie Unternehmensname, Nummer der Sache, Datum der Entscheidung oder Wirtschaftszweig abgerufen werden,

der Website EUR-Lex (http://eur-lex.europa.eu/homepage.html?locale=de). Hier kann diese Entscheidung anhand der Celex-Nummer 32021M10447 abgerufen werden. EUR-Lex ist das Internetportal zum Gemeinschaftsrecht.


(1)  ABl. L 24 vom 29.1.2004, S. 1.


17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/32


Keine Einwände gegen einen angemeldeten Zusammenschluss

(Sache M.10589 — ADT / FORD NEXT / SNTNL)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2022/C 122/09)

Am 24. Februar 2022 hat die Kommission nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (1) entschieden, keine Einwände gegen den oben genannten angemeldeten Zusammenschluss zu erheben und ihn für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären. Der vollständige Wortlaut der Entscheidung ist nur auf Englisch verfügbar und wird in einer um etwaige Geschäftsgeheimnisse bereinigten Fassung auf den folgenden EU-Websites veröffentlicht:

der Website der GD Wettbewerb zur Fusionskontrolle (http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/). Auf dieser Website können Fusionsentscheidungen anhand verschiedener Angaben wie Unternehmensname, Nummer der Sache, Datum der Entscheidung oder Wirtschaftszweig abgerufen werden,

der Website EUR-Lex (http://eur-lex.europa.eu/homepage.html?locale=de). Hier kann diese Entscheidung anhand der Celex-Nummer 32022M10589 abgerufen werden. EUR-Lex ist das Internetportal zum Gemeinschaftsrecht.


(1)  ABl. L 24 vom 29.1.2004, S. 1.


III Vorbereitende Rechtsakte

EUROPÄISCHE ZENTRALBANK

17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/33


STELLUNGNAHME DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

vom 13. Januar 2022

zu einem Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen im Hinblick auf die Abwicklung

(CON/2022/3)

(2022/C 122/10)

Einleitung und Rechtsgrundlage

Am 29. November 2021 wurde die Europäische Zentralbank (EZB) vom Rat der Europäischen Union bzw. vom Europäischen Parlament um Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2014/59/EU im Hinblick auf die aufsichtliche Behandlung global systemrelevanter Institutsgruppen mit einer multiplen Abwicklungsstrategie und eine Methode für die indirekte Zeichnung von Instrumenten, die zur Erfüllung der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten berücksichtigungsfähig sind (1) (nachfolgend der „Verordnungsvorschlag“), ersucht.

Die Zuständigkeit der EZB zur Abgabe einer Stellungnahme beruht auf Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, da der Verordnungsvorschlag Bestimmungen enthält, die die Aufgaben der EZB im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute gemäß Artikel 127 Absatz 6 des Vertrags und den Beitrag des Europäischen Systems der Zentralbanken zur reibungslosen Durchführung der auf dem Gebiet der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen gemäß Artikel 127 Absatz 5 des Vertrags betreffen. Diese Stellungnahme wurde gemäß Artikel 17.5 Satz 1 der Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank vom EZB-Rat verabschiedet.

Allgemeine Anmerkungen

Die EZB erkennt an, dass der Verordnungsvorschlag technische Anpassungen mit dem Ziel umfasst, materiell-rechtliche Entscheidungen des Gesetzgebers zu operationalisieren, die durch die jüngsten Änderungen der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (2) (nachfolgend die „BRRD“) umgesetzt wurden, die in der Stellungnahme der EZB zu Änderungen des Unionsrahmens für das Krisenmanagement (3) bewertet wurden.

Die EZB unterstützt den Verordnungsvorschlag, der eine bessere Abstimmung zwischen den Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) (nachfolgend die „Eigenkapitalverordnung“ oder „CRR“) und den Bestimmungen der BRRD gewährleistet, nachdem der überarbeitete Rahmen für die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit (Total Loss-Absorbing Capacity – TLAC) und die Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten in Kraft getreten ist. Die EZB unterstützt ferner den Verordnungsvorschlag insofern, als er eine bessere Abstimmung der aufsichtlichen Behandlung global systemrelevanter Institute (G-SRI) mit einer multiplen Abwicklungsstrategie, einschließlich der Gruppen mit in Drittländern zugelassenen Tochterunternehmen, mit der im TLAC-Standard vorgesehenen Behandlung sicherstellt.

Für die Zukunft regt die EZB an, dass die gesetzgebenden Organe der Union, die Umsetzung dieser Änderungen der CRR im Lichte der oben genannten Ziele überwachen und bewerten, insbesondere um das Zusammenspiel zwischen der BRRD und der CRR zu bewerten und zu vermeiden, dass global systemrelevante Banken und G-SRI eine Aufsichtsarbitrage zwischen der singulären und den MPE-Abwicklungsstrategien auf der Grundlage der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten oder dem TLAC-Zielwert betreiben.

Es werden einige geringfügige technische Anpassungen vorgeschlagen, um die Auslegung des Rechtstextes zu klären oder die Kohärenz der in der Verordnung verwendeten Terminologie zu gewährleisten. Zu diesem Zweck wird ein spezieller Redaktionsvorschlag mit Begründung in einem gesonderten technischen Arbeitsdokument aufgeführt. Das technische Arbeitsdokument steht in englischer Sprache auf EUR-Lex zur Verfügung.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 13. Januar 2022.

Die Präsidentin der EZB

Christine LAGARDE


(1)  COM(2021) 665 final.

(2)  Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190).

(3)  Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 8. November 2017 zu Änderungen des Unionsrahmens für das Krisenmanagement (CON/2017/47) (ABl. C 314 vom 31.1.2018, S. 17).

(4)  Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).


IV Informationen

INFORMATIONEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

Europäische Kommission

17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/35


Euro-Wechselkurs (1)

16. März 2022

(2022/C 122/11)

1 Euro =


 

Währung

Kurs

USD

US-Dollar

1,0994

JPY

Japanischer Yen

130,05

DKK

Dänische Krone

7,4412

GBP

Pfund Sterling

0,83988

SEK

Schwedische Krone

10,4205

CHF

Schweizer Franken

1,0336

ISK

Isländische Krone

143,50

NOK

Norwegische Krone

9,7988

BGN

Bulgarischer Lew

1,9558

CZK

Tschechische Krone

24,687

HUF

Ungarischer Forint

371,18

PLN

Polnischer Zloty

4,6765

RON

Rumänischer Leu

4,9473

TRY

Türkische Lira

16,1783

AUD

Australischer Dollar

1,5165

CAD

Kanadischer Dollar

1,3967

HKD

Hongkong-Dollar

8,5996

NZD

Neuseeländischer Dollar

1,6168

SGD

Singapur-Dollar

1,4966

KRW

Südkoreanischer Won

1 353,77

ZAR

Südafrikanischer Rand

16,5574

CNY

Chinesischer Renminbi Yuan

6,9817

HRK

Kroatische Kuna

7,5725

IDR

Indonesische Rupiah

15 690,36

MYR

Malaysischer Ringgit

4,6147

PHP

Philippinischer Peso

57,433

RUB

Russischer Rubel

 

THB

Thailändischer Baht

36,681

BRL

Brasilianischer Real

5,6523

MXN

Mexikanischer Peso

22,8540

INR

Indische Rupie

83,7805


(1)  Quelle: Von der Europäischen Zentralbank veröffentlichter Referenz-Wechselkurs.


V Bekanntmachungen

VERFAHREN BEZÜGLICH DER DURCHFÜHRUNG DER WETTBEWERBSPOLITIK

Europäische Kommission

17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/36


Vorherige Anmeldung eines Zusammenschlusses

(Sache M.10675 – CDPQ / TRANSURBAN / AUSTRALIANSUPER / CPP INVESTMENTS / ADIA / WCX)

Für das vereinfachte Verfahren infrage kommender Fall

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2022/C 122/12)

1.   

Am 9. März 2022 ist die Anmeldung eines Zusammenschlusses nach Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (1) bei der Kommission eingegangen.

Diese Anmeldung betrifft folgende Unternehmen:

Caisse de dépôt et placement du Québec (im Folgenden „CDPQ“, Kanada),

Transurban Holdings Limited („Transurban“, Australien),

AustralianSuper Pty Ltd („AustralianSuper“, Australien),

Canada Pension Plan Investment Board („CPP Investments“, Kanada),

Tawreed Investments Limited („Tawreed“, Kaimaninseln), kontrolliert vom Staatsfonds Abu Dhabi Investment Authority („ADIA“, VAE),

WestConnex („WCX“, Australien).

CDPQ, Transurban, AustralianSuper, CPP Investments und Tawreed übernehmen im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 4 der Fusionskontrollverordnung die gemeinsame Kontrolle über die Gesamtheit von WCX.

Der Zusammenschluss erfolgt durch einen Vertrag oder in sonstiger Weise.

2.   

Die beteiligten Unternehmen sind in folgenden Geschäftsbereichen tätig:

CDPQ ist ein institutioneller Anleger, der v. a. für öffentliche und halböffentliche Pensions- und Versicherungssysteme in der Provinz Québec langfristig Mittel verwaltet und in erster Linie in Infrastrukturanlagen investiert.

Transurban ist ein Mautbetreiber, der städtische Mautstraßennetze in Australien, Kanada und den Vereinigten Staaten verwaltet und entwickelt,

AustralianSuper ist Australiens größter öffentlicher Renten- und Pensionsfonds für die betriebliche Altersvorsorge, der weltweit investiert.

CPP Investments ist eine Vermögensverwaltungsgesellschaft, die die ihr vom Canada Pension Plan übertragenen Mittel hauptsächlich in Aktien, Private Equity, Immobilien, Infrastruktur und festverzinsliche Anlagen investiert.

Tawreed ist Eigentümer verschiedener Anlagen in Infrastruktur und verwaltet ein weltweites Anlageportfolio. Adia, die Muttergesellschaft von Tawreed, ist eine im Eigentum des Emirats Abu Dhabi stehende staatliche Einrichtung, die ein diversifiziertes weltweites Anlageportfolio verwaltet.

WCX ist in der Entwicklung, der Instandhaltung und dem Betrieb von Mautstraßen in Sydney, New South Wales tätig.

3.   

Die Kommission hat nach vorläufiger Prüfung festgestellt, dass das angemeldete Rechtsgeschäft unter die Fusionskontrollverordnung fallen könnte. Die endgültige Entscheidung zu diesem Punkt behält sie sich vor.

Dieser Fall kommt für das vereinfachte Verfahren im Sinne der Bekanntmachung der Kommission über ein vereinfachtes Verfahren für bestimmte Zusammenschlüsse gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (2) infrage.

4.   

Alle betroffenen Dritten können bei der Kommission zu diesem Vorhaben Stellung nehmen.

Die Stellungnahmen müssen bei der Kommission spätestens 10 Tage nach dieser Veröffentlichung eingehen. Dabei ist stets folgendes Aktenzeichen anzugeben:

M.10675 – CDPQ / TRANSURBAN / AUSTRALIANSUPER / CPP INVESTMENTS / WCX

Die Stellungnahmen können der Kommission per E-Mail, Fax oder Post übermittelt werden, wobei folgende Kontaktangaben zu verwenden sind:

E-Mail: COMP-MERGER-REGISTRY@ec.europa.eu

Fax +32 22964301

Postanschrift:

Europäische Kommission

Generaldirektion Wettbewerb

Registratur Fusionskontrolle

1049 Bruxelles/Brussel

BELGIEN


(1)  ABl. L 24 vom 29.1.2004, S. 1 („Fusionskontrollverordnung“).

(2)  ABl. C 366 vom 14.12.2013, S. 5.


SONSTIGE RECHTSHANDLUNGEN

Europäische Kommission

17.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 122/38


Veröffentlichung eines Antrags auf Genehmigung einer nicht geringfügigen Änderung der Produktspezifikation gemäß Artikel 50 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel

(2022/C 122/13)

Diese Veröffentlichung eröffnet die Möglichkeit, gemäß Artikel 51 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (1) innerhalb von drei Monaten ab dieser Veröffentlichung Einspruch gegen den Antrag einzulegen.

ANTRAG AUF GENEHMIGUNG EINER NICHT GERINGFÜGIGEN ÄNDERUNG DER PRODUKTSPEZIFIKATION EINER GESCHÜTZTEN URSPRUNGSBEZEICHNUNG ODER EINER GESCHÜTZTEN GEOGRAFISCHEN ANGABE

Antrag auf Genehmigung einer Änderung gemäß Artikel 53 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012

„PIMIENTO DE GERNIKA“/„GERNIKAKO PIPERRA“

EU-Nr.: PGI-ES-0673-AM01- 22. Februar 2016

g. U. ( ) g. g. A. (X)

1.   Antragstellende Vereinigung und berechtigtes Interesse

Name: Comité Profesional „Gernikako Piperra o Pimiento de Gernika“ [Fachausschuss für „Gernikako Piperra“/„Pimiento de Gernika“]

Anschrift: Torre Muntsaratz. Bo Muntsaratz, 17-A. 48220. Abadiño (Bizkaia).

Telefon +32 94-6030330 Fax +34 94-6063953

Zusammensetzung: Erzeuger/Verarbeiter (X) andere ( )

2.   Mitgliedstaat oder Drittland

Spanien

3.   Rubrik der Produktspezifikation, auf die sich die Änderung bezieht

Name des Erzeugnisses

Beschreibung des Erzeugnisses

Geografisches Gebiet

Ursprungsnachweis

Erzeugungsverfahren

Zusammenhang mit dem geografischen Gebiet

Kennzeichnung

Sonstiges [bitte angeben]

4.   Art der Änderung(en)

Gemäß Artikel 53 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 als nicht geringfügig geltende Änderung der Produktspezifikation einer eingetragenen g. U. oder g. g. A.

Gemäß Artikel 53 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 als nicht geringfügig geltende Änderung der Produktspezifikation einer eingetragenen g. U. oder g. g. A., für die kein Einziges Dokument (oder etwas Vergleichbares) veröffentlicht wurde.

5.   Änderung(en)

Ausführliche Erläuterung und besondere Gründe für jede Änderung:

Die vorgeschlagenen Änderungen sind darauf zurückzuführen, dass die Produktspezifikation an die derzeitigen Gegebenheiten angepasst und der Fortbestand des Erzeugnisses sichergestellt werden muss, wobei die Qualität und die Eigenschaften des Enderzeugnisses erhalten bleiben müssen, ohne den Zusammenhang zwischen dem Erzeugnis und der Umgebung zu schwächen.

BESCHREIBUNG DES ERZEUGNISSES

Im Abschnitt über die Eigenschaften des Erzeugnisses in der Beschreibung des Erzeugnisses (Abschnitt B) wird vorgeschlagen, den in jeder Packung tolerierten maximalen Längenunterschied von 2 cm zu streichen, da durch die Festlegung der Längeneigenschaften für „Pimiento de Gernika“ (zwischen 6 und 9 cm) bereits die gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 der Kommission erforderliche Einheitlichkeit gewährleistet ist. Da es sich hierbei zudem um unreife Paprika handelt, deren Durchmesser und Länge daher „gering“ sind, unterliegt ihre handelsübliche Verpackung nicht der Bestimmung in der Vermarktungsnorm für Gemüsepaprika, die eine hinreichend einheitliche Länge von länglichen Gemüsepaprika vorschreibt.

Der maximale Längenunterschied von 2 cm in jeder Packung ist schließlich kein Merkmal der Paprika selbst, sondern eine Vermarktungsanforderung.

Diese Änderung wirkt sich auf Abschnitt 3.2 des Einzigen Dokuments aus.

Deshalb sollte der Text:

„Länge zwischen 6 und 9 cm. Der maximale tolerierte Längenunterschied in jeder Packung beträgt 2 cm.“

wie folgt ersetzt werden:

„Länge zwischen 6 und 9 cm.“

GEOGRAFISCHES GEBIET

Es wird vorgeschlagen, diesen Abschnitt dahin gehend zu ändern, dass das Gebiet der Verpackung gestrichen wird, da die Verpackung selbst keine Produktionsstufe des Erzeugnisses darstellt, während alle anderen Produktionsanforderungen, die sich auf die Qualität des Erzeugnisses auswirken, beibehalten werden.

Dies wird in Abschnitt 3.5 des Einzigen Dokuments festgelegt, aus dem die folgenden Sätze gestrichen wurden: „Besondere Vorschriften für Vorgänge wie Schneiden, Reiben, Verpacken usw. des Erzeugnisses mit dem eingetragenen Namen:“, „Das Gebiet der Aufbereitung und Verpackung entspricht dem Erzeugungsgebiet“, „Die Anforderung, dass die Aufbereitung und Verpackung innerhalb des Anbaugebiets erfolgen muss, dient dazu, den Ruf der geografischen Angabe zu schützen, indem zusätzlich zur Echtheit des Erzeugnisses auch die Wahrung seiner Qualität und seiner Eigenschaften sichergestellt wird.“.

URSPRUNGSNACHWEIS

Es wird vorgeschlagen, Absatz 4 zu ändern, da einer der Faktoren, die den Ursprung des Erzeugnisses garantieren, das Saatgut ist, dessen Echtheit dadurch sichergestellt wird, dass es nur von Erzeugern erworben werden kann, die unter der g. g. A. eingetragen sind. Das bedeutet, dass der Ursprung und die Echtheit der Erzeugnisse mit der geschützten geografischen Angabe nicht durch genetische (DNA) oder physikalisch-chemische Untersuchungen, sondern durch die Rückverfolgbarkeit des Saatguts garantiert werden.

Diese Änderung wirkt sich nicht auf das Einzige Dokument aus.

Deshalb sollte der Absatz:

„Das Kontroll- und Zertifizierungssystem ist ein wesentlicher Faktor dafür, den Ursprung, die Qualität und die Rückverfolgbarkeit des Erzeugnisses zu garantieren. Es besteht aus folgenden Prozessen:

Registrierte Erzeuger werden über Erzeugervereinigungen mit Saatgut beliefert. Registrierte Betriebe dürfen nur die für diese Paprika-Art zugelassenen Sorten anbauen. Um den Ursprung und die Echtheit des Erzeugnisses zu garantieren, unterliegt es einer genetischen (DNA) und physikalisch-chemischen Untersuchung durch die Kontrollstelle.“

folgende Fassung erhalten:

„Das Kontroll- und Zertifizierungssystem für das Saatgut ist ein wesentlicher Faktor dafür, den Ursprung, die Qualität und die Rückverfolgbarkeit des Erzeugnisses zu garantieren. Es besteht aus folgenden Prozessen:

Registrierte Erzeuger werden mit zertifiziertem Saatgut beliefert. Registrierte Betriebe dürfen nur die für diese Paprika-Art zugelassenen Sorten anbauen. Die Kontrollstelle verlangt eine Kaufbescheinigung zum Nachweis des Ursprungs und der Echtheit des zertifizierten Saatguts.

Der erste Absatz des Abschnitts E (Erzeugungsverfahren), in dem es um die Echtheit des zertifizierten Saatguts geht, lautet wie folgt:

„Die Erzeugervereinigungen wählen ihr eigenes Saatgut aus sortenechten Zuchtlinien aus und beliefern damit Betriebe, die unter der geografischen Angabe registriert sind und sich im geschützten Gebiet befinden. Um den Ursprung und die Echtheit des Erzeugnisses zu garantieren, wird dies von den Erzeugervereinigungen und von den registrierten Erzeugern selbst überwacht, und die Kontrollstelle erstellt darüber hinaus einen jährlichen Prüfungsplan.“

Der Text sollte folgende Fassung erhalten:

„Betriebe, die unter der geografischen Angabe registriert sind und sich im geschützten Gebiet befinden, garantieren den Ursprung und die Echtheit des Erzeugnisses durch die Rückverfolgbarkeit des zertifizierten Saatguts und durch die Selbstüberwachung der registrierten Erzeuger. Darüber hinaus erstellt die Kontrollstelle einen jährlichen Prüfungsplan.“

ERZEUGUNGSVERFAHREN

Die vorgeschlagene Änderung dieses Abschnitts ist darauf zurückzuführen, dass die Produktspezifikation an die derzeitigen Gegebenheiten und den technischen Fortschritt angepasst werden muss. Daher wird vorgeschlagen, einen zweiten Anbauzyklus zu ermöglichen, eine maximale Pflanzdichte festzulegen, die Erntehäufigkeit zu ändern und die maschinelle Verpackung sowie die Möglichkeit des Anbaus auf Substrat zuzulassen.

Es wird vorgeschlagen, die Absätze 3, 5, 13 und 19 dieses Abschnitts der Produktspezifikation wie folgt zu ändern:

1.

Abschnitt E Absatz 3 der Produktspezifikation:

Ein zweiter Anbauzyklus wird ermöglicht, weil die Qualität der Erzeugnisse während des gesamten Vermarktungszeitraums aufrechterhalten werden kann, wenn die Erzeuger immer mit Jungpflanzen arbeiten. Eine solche Staffelung des Anbaus steht im Einklang mit den traditionellen Anbauverfahren in diesem Gebiet.

Bei der Pflanzdichte ist nur eine Obergrenze sinnvoll, um die Qualität der Erzeugnisse sicherzustellen. Eine geringere Pflanzdichte verursacht keinen Qualitätsverlust.

Diese Änderung wirkt sich auf Abschnitt 3.4 des Einzigen Dokuments aus.

Der derzeitige Wortlaut:

„Beim Freilandanbau erfolgt die Auspflanzung während der Monate April und Mai, in Gewächshäusern oder Polytunneln erfolgt die Pflanzung während der Monate Februar, März und April. In ersterem Fall können die Früchte ab Juni und im zweiten Fall ab Mitte April geerntet werden. Der Großteil der Ernte findet zwischen April und November statt. Die Pflanzdichte beträgt drei bis vier Pflanzen pro Quadratmeter.“

erhält daher folgende Fassung:

„Beim Freilandanbau erfolgt die Auspflanzung während der Monate April und Mai, in Gewächshäusern oder Polytunneln erfolgt die Pflanzung während der Monate Februar, März und April; ein zweiter Anbauzyklus ab Juni ist zulässig. Die Paprikaernte erfolgt im ersten Fall ab Juni, im zweiten ab Mitte April. Der Großteil der Ernte findet zwischen April und November statt. Die Pflanzdichte beträgt höchstens vier Pflanzen pro Quadratmeter.“

2.

Absatz 5 wird geändert, um die Möglichkeit des Anbaus auf Substrat aufzunehmen, da er nicht zwangsläufig im Boden erfolgen muss.

Diese Änderung wirkt sich auf Abschnitt 5 des Einzigen Dokuments aus.

Die für den Anbau von „Pimiento de Gernika“ geeigneten Gebiete sind aufgrund der Geländeverhältnisse, der Stadtentwicklung und des Infrastrukturdrucks sowie aufgrund des typischen Aufbaus kleiner baskischer Betriebe sehr begrenzt. Infolgedessen wird nur selten Fruchtwechsel betrieben, und manchmal wird zwischen verwandten Arten (Tomaten/Paprika) abgewechselt, wodurch pathogene Mikroorganismen im Boden entstehen können, die so aggressiv sind, dass sie eine Kultur vernichten können. Durch diese erheblichen Probleme für die Pflanzengesundheit wird das Überleben des „Pimiento de Gernika“ gefährdet, einer Kulturpflanze, die ein wichtiger Teil der baskischen Landwirtschaft am Atlantik ist.

Die Haupterkrankungen, von denen „Pimiento de Gernika“ betroffen ist, stehen im Zusammenhang mit dem Boden, d. h. der Boden (das organische Material aus der Bodenzersetzung) ist das wichtigste Infektionsmaterial. Die Verursacher dieser bodenbedingten Krankheiten in den atlantischen Klimazonen der Autonomen Gemeinschaft Baskenland sind hauptsächlich Viren (Potyvirus oder Tobamovirus) und Pilze. Die Pilze der Gattungen Fusarium spp. und Phytophthora ssp. sind potenzielle Infektionsquellen für die „Pimiento de Gernika“. Laut einer 2014 durchgeführten Bodenuntersuchung sind diese Pilze in 70 % des für den Anbau von „Pimiento de Gernika“ verwendeten Bodens vorhanden. Dies wurde durch eine Studie von Santiago Larregla zur Resistenz gegen das Tobamovirus in Chili- und Paprikapflanzen („Resistencia al Tobamovirus en guindilla y pimiento“) aus dem Jahr 2015 bestätigt.

Im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2011 von Mireia Núñez-Zofío, Santiago Larregla und Carlos Garbisu zur Anwendung organischer Veränderungen und anschließender Bodenbedeckung mit Plastikfolie, um die Inzidenz von Phytophthora capsici in Paprikakulturen im gemäßigten Klima zu verringern, Crop Protection 30 1563–1572, wurde festgestellt, dass Biodesinfektion das einzige Mittel zur Deaktivierung des Inokulums im Boden ist, das die Pilzerkrankungen verursacht (Oosporen von Phytophthora capsici). Angesichts der klimatischen Bedingungen im atlantischen Einflussgebiet des Baskenlandes ist diese Methode nur dann wirksam, wenn sie im Frühjahr und Sommer während der Vegetationsperiode von „Pimiento de Gernika“ angewandt wird.

Mit Rücksicht auf die Umwelt und die biologische Vielfalt haben sich die Landwirte, die „Pimiento de Gernika“ im Einklang mit den strengen Vorschriften zur integrierten Produktion anbauen, um den Einsatz von Pestiziden zu begrenzen, dafür entschieden, für den Anbau Substrate als Alternative zum Boden zu verwenden.

Wie aus den unten genannten Studien hervorgeht, ist das Substrat in der Lage, dem Wurzelsystem der Pflanze Halt zu geben und als inerte Stütze zu dienen, ohne die Nährstoffaufnahme der Pflanze zu beeinträchtigen. Bei den für den Anbau von „Pimiento de Gernika“ geeigneten Substraten handelt es sich um inerte Substrate, wobei auch ein kleiner Anteil organischer Stoffe zur Verdichtung verwendet werden kann. Keine dieser beiden Komponenten liefert irgendeine Form von Makro- oder Mikronährstoffen, die von der Pflanze aufgenommen werden können. Das Substrat zeichnet sich hauptsächlich durch seine geringe Dichte aus, sodass seine Struktur luft- und wasserdurchlässig ist.

Folgende Studien wurden herangezogen:

Arriaga, H., Nunez-Zofio, M., Larregla, S., Merino, P., 2011: Gaseous emissions from soil biodisinfestation by animal manure on a greenhouse pepper crop (Gasförmige Emissionen aus der Biodesinfektion des Bodens durch Tierdung bei Paprikakulturen in Gewächshäusern). Crop Protection 30: 412–419.

Macia, H., Etxeandia A., Domingo M., Amenabar R., 1997: Effect of different N/K ratios in nutrient solutions on pepper of Gernika (Auswirkung unterschiedlicher N/K-Verhältnisse in Nährstofflösungen auf Gernika-Paprika). Acta Horticulturae 40: 475–478.

Larregla, S., 2003: Etiología y epidemiología de la „Tristeza“ del pimiento en Bizkaia (Ätiologie und Epidemiologie der „Paprika-Traurigkeit“ in der Biskaya). Wird geprüft. Dissertation. Universität des Baskenlandes. Leioa.

Larregla, S., Guerrero, M. M., Mendarte S., Lacasa, A., 2015: Biodisinfestation with Organic Amendments for Soil Fatigue and Soil-Borne Pathogens Control in Protected Pepper Crops (Biodesinfektion mit organischen Veränderungen zur Bekämpfung von Bodenmüdigkeit und Boden-Pathogenen in Kulturen geschützter Paprika-Arten). In: Organic Amendments and Soil Suppressiveness in Plant Disease Management, S. 437–456.

Nuñez-Zofío, M., Garbisu, C., Larregla, S., 2010: Application of Organic Amendments Followed by Plastic Mulching for the Control of Phytophthora Root Rot of Pepper in Northern Spain (Anwendung organischer Veränderungen und anschließender Bodenbedeckung mit Plastikfolie zur Bekämpfung von durch Phytophthora verursachter Wurzelfäule bei Paprikapflanzen in Nordspanien). Acta Horticulturae 883: 353–360.

Nuñez-Zofío, M., Larregla, S., Garbisu, C., 2012: Repeated biodisinfection controls the incidence of Phytophthora root and crown rot of pepper while improving soil quality (Wiederholte Biodesinfektion zur Bekämpfung der Inzidenz von durch Phytophthora verursachter Wurzel- und Kronenfäule bei Paprikapflanzen bei gleichzeitiger Verbesserung der Bodenqualität). Spanish Journal of Agricultural Research 10: 794–805.

http://www.euskobaratza.eus/wp-content/uploads/2015/12/ResistenciaTobamovirus_Jorn_Dic15.pdf

Aus den genannten Studien geht hervor, dass zwischen den im Boden und den auf Substrat angebauten Erzeugnissen keine Unterschiede bestehen.

Dementsprechend wird die Möglichkeit des Anbaus auf Substrat hinzugefügt, da das Substrat in der Lage ist, dem Wurzelsystem der Pflanze Halt zu geben und als inerte Stütze zu dienen, ohne die Nährstoffaufnahme der Pflanze zu beeinflussen. Das bedeutet, dass es keine Auswirkungen auf die Merkmale der „Pimiento de Gernika“ gibt.

Der derzeitige Wortlaut:

„Die Düngung muss so ausgelegt sein, dass das Gleichgewicht und der Gehalt der Nährstoffe im Boden und in der Pflanze aufrechterhalten werden, wobei der Verbrauch durch den Anbau, der Nährstatus der Pflanze, die Fruchtbarkeit des Bodens und Einträge aus anderen Quellen (Wasser, organisches Material usw.) berücksichtigt werden müssen.“

erhält folgende Fassung:

„Die ‚Pimiento de Gernika‘ kann sowohl im Boden als auch auf Substrat angebaut werden. Die Düngung muss so ausgelegt sein, dass das Gleichgewicht und der Gehalt der Nährstoffe im Boden und im Substrat aufrechterhalten werden.

Sowohl der Boden als auch das Substrat müssen jederzeit den einschlägigen Rechtsvorschriften zur integrierten Produktion entsprechen.

Das für den Anbau verwendete Substrat zeichnet sich durch seine geringe Dichte (30–150 kg/m3) aus, sodass seine Struktur luft- und wasserdurchlässig ist und der Pflanze als inerte Stütze dienen kann, ohne die Nährstoffaufnahme der Pflanze zu beeinflussen.“

3.

Absatz 13:

„Täglich“ wird durch „häufig“ ersetzt, da der erstgenannte Begriff dahin gehend ausgelegt werden könnte, dass jeden Tag geerntet werden muss. Es muss so häufig geerntet werden, wie es die Entwicklung der angebauten Pflanzen erfordert; die Häufigkeit variiert im Laufe des Produktionszyklus.

Darüber hinaus kann es erhebliche Produktionsspitzen geben. Da die Ernte von Hand erfolgen muss, kann sie aufgrund eines Mangels an Arbeitskräften manchmal länger dauern, denn bei den Betrieben handelt es sich überwiegend um Familienbetriebe.

Diese Änderung wirkt sich auf Abschnitt 3.5 des Einzigen Dokuments aus.

Der derzeitige Wortlaut:

„Da die Ernte zum optimalen Reifezeitpunkt des Erzeugnisses erfolgt, wird täglich geerntet, wobei die Verpackungsarbeiten am gleichen Tag ausgeführt werden. In Ausnahmefällen und bei Produktionsspitzen kann das Erzeugnis jedoch auch am Folgetag verpackt werden.“

erhält folgende Fassung:

„Da die Ernte zum optimalen Reifezeitpunkt des Erzeugnisses erfolgt, wird häufig geerntet, wobei die Verpackungsarbeiten am gleichen Tag ausgeführt werden. In Ausnahmefällen und bei Produktionsspitzen kann das Erzeugnis jedoch auch im Laufe der folgenden Tage verpackt werden.“

4.

Absätze 14 und 16:

Die Anforderung, dass die Verpackung im Erzeugungsgebiet erfolgen muss, ist zu streichen, da die Verpackung keine Produktionsstufe des Erzeugnisses darstellt und auch keine Auswirkungen auf die Gewährleistung der Qualität und Echtheit des Erzeugnisses hat. Die verbleibenden Verpackungsanforderungen, die Auswirkungen auf die Endqualität des Erzeugnisses haben können, werden beibehalten.

Diese Änderung wirkt sich auf Abschnitt 3.5 des Einzigen Dokuments aus.

Die nachstehend wiedergegebenen Absätze 14 und 16, die sich auf die Anforderung zur Verpackung im Anbaugebiet beziehen, werden gestrichen.

Absatz 14: „Die Anforderung, dass die Aufbereitung und Verpackung innerhalb des Anbaugebiets erfolgen muss, dient dazu, den Ruf der geografischen Angabe zu schützen, indem zusätzlich zur Echtheit des Erzeugnisses auch die Wahrung seiner Qualität und seiner Eigenschaften sichergestellt wird.“

Absatz 16: „Darüber hinaus erschwert die Verpackung außerhalb des Erzeugungsgebiets die Kontrollaufgaben, was sich negativ auf die Gewährleistung der Qualität und Echtheit des Erzeugnisses auswirken könnte.“

5.

Absatz 19:

Das Pflücken muss von Hand erfolgen, da bestimmte Qualitätsaspekte nur von Hand bestimmt werden können (z. B. dass die Haut nicht zu dick ist). Die maschinelle Verpackung ist jedoch zulässig, da der technische Fortschritt eine sorgfältige Handhabung des Erzeugnisses ermöglicht und gleichzeitig das Verfahren beschleunigt hat.

Diese Änderung wirkt sich nicht auf das Einzige Dokument aus.

Der derzeitige Wortlaut:

„Die Verpackung erfolgt von Hand und stets mit großer Sorgfalt, um die physischen Eigenschaften des Erzeugnisses zu bewahren.“

erhält folgende Fassung:

„Das Pflücken erfolgt von Hand, und sowohl die Sortierung als auch die Verpackung sind stets mit großer Sorgfalt vorzunehmen, um die physischen Eigenschaften des Erzeugnisses zu bewahren.“

ZUSAMMENHANG MIT DEM GOGRAFISCHEN GEBIET

Dieser Absatz musste angepasst werden, um die Verweise auf den Anbau im Boden und unter Abdeckungen zu streichen, da dies nichts mit dem Zusammenhang zu tun hat, denn dieser beruht auf dem Ansehen des Erzeugnisses.

Abschnitt 5 des Einzigen Dokuments über den Zusammenhang mit dem geografischen Gebiet musste geändert werden, um den Begriff „Boden“ aus der ersten Zeile des Abschnitts 5.1 Absatz 3, dem zweiten Teil des Abschnitts 5.1 Absatz 4 und Abschnitt 5.3 Absatz 10 zu streichen, und zwar aus denselben Gründen, die für die Änderung des Abschnitts F der Produktspezifikation angeführt wurden, d. h. um den Anbau auf Substrat im Abschnitt „Erzeugungsverfahren“ hinzuzufügen, und weil Boden und Substrat keine Faktoren sind, die für den geografischen Zusammenhang von Bedeutung sind, da dieser bei der „Pimiento de Gernika“/„Gernikako Piperra“ auf dem Ansehen des Erzeugnisses beruht.

Das zweite Element, das den Zusammenhang rechtfertigt (die „traditionellen Verfahren“), wird beibehalten, da überliefertes Wissen unabhängig von der Verwendung von Substrat ist.

Die „Pimiento de Gernika“/„Gernikako Piperra“ ist bei den Verbrauchern im Baskenland sehr beliebt, da es sich um eine Pflanze handelt, die seit Jahrhunderten in der Region angebaut wird, und ihr Saatgut und die Anbaumethoden von Generation zu Generation weitergegeben werden, was sie zu einem Teil der Geschichte der Provinz Bizkaia macht. Darüber hinaus hat dieses System des Anbaus und der Lagerung von Saatgut, das von Generation zu Generation weitergegeben wird, zur natürlichen Anpassung der „Pimiento de Gernika“ an die Umgebung geführt und Sorten mit einzigartigen genetischen Eigenschaften (Iker und Derio) hervorgebracht. Aufgrund der Bedeutung dieses Erzeugnisses für die Gastronomie des Baskenlandes gibt es dort eine Gilde, die „Cofradía del Gernikako Piperra“, die dazu beiträgt, das Ansehen dieses Erzeugnisses auf dem Land und in den Städten zu fördern.

EINZIGES DOKUMENT

„PIMIENTO DE GERNIKA“/„GERNIKAKO PIPERRA“

EU-Nr.: PGI-ES-0673-AM01- 22. Februar 2016

g. g. A. (X) g. U. ( )

1.   Name(n)

„Pimiento de Gernika“/„Gernikako Piperra“

2.   Mitgliedstaat Oder Drittland

Spanien

3.   Beschreibung des Agrarerzeugnisses oder des Lebensmittels

3.1.   Art des Erzeugnisses

Klasse 1.6. Obst, Gemüse und Getreide, unverarbeitet und verarbeitet

3.2.   Beschreibung des Erzeugnisses, für das der unter Punkt 1 aufgeführte Name gilt

Paprika mit der geschützten geografischen Angabe „Gernikako Piperra“/„Pimiento de Gernika“ sind Früchte der Art Capsicum annuum L., die zu der Landsorte der Unterart Gernika gehören. Sie sind frisch für den menschlichen Verzehr bestimmt, wozu sie als frühreife Paprika frittiert werden. Innerhalb dieser Landsorte wurden mehrere Linien ausgewählt, von denen zwei unter den Bezeichnungen „Derio“ und „Iker“ in das Verzeichnis der Handelssorten aufgenommen wurden. Jede andere Linie dieser Landsorte, die die Definitionsmerkmale der Unterart „Pimiento de Gernika“ aufweist, kann ebenfalls durch die geografische Angabe geschützt werden.

Bei der Frucht der „Pimiento de Gernika“ handelt es sich um eine milde Paprika, die kein oder nur geringe Mengen Capsaicin enthält, weshalb sie unter den Umgebungsbedingungen des Baskenlandes üblicherweise keine Schärfe entwickelt. Das Fruchtfleisch ist dünn (2 bis 3 mm dick*), und der Längsschnitt weist eine mittlere bis schmale dreieckige Form auf, die den Typen C3 und C1 der Pochard-Klassifikation (1966) entspricht.

Von dieser Paprika werden hauptsächlich die frischen Früchte im frühreifen Zustand verwendet und frittiert. Dies hat sich zur beliebtesten Form des Verzehrs entwickelt. Die Ernte der Früchte erfolgt, solange sie überall noch einheitlich grün sind und bevor sie ihre endgültige Größe erreicht haben. Ohne den Blütenstiel weisen sie eine Länge von 6 bis 9 cm, eine Breite von 2 bis 3 cm und ein Gewicht von 10 bis 12 g auf. Ihre Farbe schwankt zwischen einem mittleren und einem dunklen Grün. Ihre Form ist länglich schmal. Sie haben einen dreieckigen Längsschnitt und einen elliptischen bis dreieckigen Querschnitt mit zwei oder drei kaum ausgeprägten Rippen. Sie sind spitz zulaufend, und der Blütenstiel ist intakt, lang und dünn. Im Bereich des Stielansatzes ist die Form zumeist flach oder konvex. Die Schale ist dünn und nicht lederartig und wird beim Verzehr nicht wahrgenommen. Die Paprika haben eine glatte Textur und sehen frisch aus. Innen sind unvollständig ausgeformte perlmuttfarbene Samen enthalten.

Die Unterart „Gernika“ ist auch als „Pimiento choricero“ und als „Pimiento de Bizkaia“ bekannt.

Die Erzeugnisse werden größtenteils frisch verzehrt, bevor sie ihre endgültige Größe erreicht haben.

(*

Merkmale der Paprika im reifen Zustand)

3.3.   Futter (nur für Erzeugnisse tierischen Ursprungs) und Rohstoffe (nur für Verarbeitungserzeugnisse)

3.4.   Besondere Erzeugungsschritte, die in dem abgegrenzten geografischen Gebiet erfolgen müssen

Die Paprika müssen innerhalb des geografischen Gebiets erzeugt worden sein.

Das Anpflanzen kann sowohl im Freiland als auch unter Abdeckung erfolgen. Bei der Erzeugung werden die für eine optimale Entwicklung und Fruchtbildung der Paprika am besten geeigneten Anbautechniken eingesetzt. Beim Anbau dürfen keine Produkte oder Systeme verwendet werden, die die Produktqualität beeinträchtigen.

Beim Freilandanbau erfolgt die Auspflanzung während der Monate April und Mai, in Gewächshäusern oder Polytunneln erfolgt die Pflanzung während der Monate Februar, März und April; ein zweiter Anbauzyklus ab Juni ist zulässig. In ersterem Fall können die Früchte ab Juni und im zweiten Fall ab Mitte April geerntet werden. Der Großteil der Ernte findet zwischen April und November statt. Die Pflanzdichte beträgt höchstens vier Pflanzen pro Quadratmeter.

Behandlungen sind auf das erforderliche Mindestmaß zu beschränken. Soweit machbar sind biologische Bekämpfungsmittel oder -verfahren einzusetzen.

Die Ernte erfolgt von Hand und in mehreren Schritten mit der erforderlichen Anzahl an Durchgängen. Sie muss zum optimalen Reifezeitpunkt des Erzeugnisses erfolgen. Dabei ist auf eine sorgfältige Ausführung zu achten, damit die Früchte nicht beschädigt und ihre physischen Eigenschaften bewahrt werden.

3.5.   Besondere Vorschriften für Vorgänge wie Schneiden, Reiben, Verpacken usw. des Erzeugnisses mit dem eingetragenen Namen

Da die Ernte zum optimalen Reifezeitpunkt des Erzeugnisses erfolgt, wird häufig geerntet, wobei die Verpackungsarbeiten am gleichen Tag ausgeführt werden. In Ausnahmefällen und bei Produktionsspitzen kann das Erzeugnis jedoch auch im Laufe der folgenden Tage verpackt werden.

Es handelt sich um ein frisches Erzeugnis mit kurzer Haltbarkeit. Wegen der negativen Auswirkungen auf die Produktqualität wird von einer Aufbewahrung in Kühlräumen sowie von unnötigen Transporten und Wartezeiten abgeraten.

Aufgrund der besonderen Eigenschaften des Erzeugnisses (Vertrieb als frisches Lebensmittel, dünne Schale und dünnes Fruchtfleisch, frühreifes Erzeugnis) handelt es sich um eine Paprika, die sehr empfindlich auf plötzliche Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen reagiert und schnell altert. Aus diesem Grund führen jede Behandlung und jeder Transport, die über das für die Aufbereitung für den Endverbraucher unbedingt notwendige Maß hinausgehen, zu einer Beeinträchtigung der Qualitätsmerkmale des Erzeugnisses.

3.6.   Besondere Vorschriften für die Kennzeichnung des Erzeugnisses mit dem eingetragenen Namen

Auf dem Etikett von Paprika mit der geschützten geografischen Angabe „Pimiento de Gernika“ oder „Gernikako Piperra“ muss zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen allgemeinen Angaben der Vermerk „Pimiento de Gernika“ oder „Gernikako Piperra“ sowie das entsprechende Emblem enthalten sein.

4.   Kurzbeschreibung der Abgrenzung des geografischen Gebietes

Das geografische Gebiet umfasst die Provinzen Gipuzkoa und Bizkaia sowie die folgenden Gebiete von Alava: das kantabrische Gebiet von Alava mit den Gemeinden Ayala, Okondo, Llodio, Amurrio und Artziniega sowie das Gebiet mit den Ausläufern des Gorbea, die Gemeinden Urkabustaiz, Zuya, Zigoitia, Legutiano und Aramaio.

5.   Zusammenhang mit dem geografischen Gebiet

5.1.   Besonderheit des geografischen Gebiets

Das geeignete geografische Anbaugebiet ist auf die atlantische Ebene des Baskenlands begrenzt, wo ein als mesothermisch bezeichnetes sehr regenreiches Klima mit moderaten Temperaturen herrscht. Das Gebiet weist keinen einzigen Trockenmonat und besonders viele Niederschläge während der Herbst-Winter-Zeit auf. Es handelt sich dabei um das Atlantische Klima, bei dem die in West-Ost-Richtung verlaufenden Meeresströmungen dafür verantwortlich sind, dass das Klima in dieser Region (mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 13 °C und einem Temperaturunterschied von 11 °C) deutlich wärmer und die Luftfeuchtigkeit höher ist, als anzunehmen wäre, wenn man nur vom Breitengrad ausgehen würde.

Die optimale relative Umgebungsfeuchte beträgt zwischen 60 und 75 %. Geringere Umgebungsfeuchten, die von Hitzeperioden und hoher Sonneneinstrahlung begleitet werden, begünstigen das Auftreten von physiologischen Problemen, die die Handelsqualität der Früchte beeinträchtigen. Ein Beispiel dafür ist eine zu dicke Haut (wodurch die hauptsächliche Verwendung als Paprika zum Frittieren eingeschränkt wird).

Kommt es unter diesen Umgebungsbedingungen zu Wassermangel und zu einer hohen Evapotranspiration, so können zwei weitere physiologische Schäden auftreten, die die Qualität der Früchte verschlechtern, und zwar die „Blütenendfäule – blossom end rot“ – und/oder das Auftreten einiger scharfer Früchte aufgrund des ansteigenden Gehalts an Capsaicin.

Das Klima des Baskenlandes bietet der Paprika optimale agroklimatische Bedingungen. In der atlantischen Ebene des Baskenlandes findet die Paprika die erforderlichen moderaten und nicht zu heißen Temperaturen und die Sicherheit, dass kein Frost auftritt.

Die agroklimatischen Bedingungen in dem abgegrenzten geografischen Gebiet statten diese Paprika mit einigen besonderen Qualitätsmerkmalen aus, denen sie ihre Bekanntheit verdankt, und verhindern oder reduzieren Beeinträchtigungen wie Schärfe, zu dicke Haut oder „Blütenendfäule“, die ihre Qualität mindern.

5.2.   Besonderheit des Erzeugnisses

Bei der „Pimiento de Gernika“ oder „Gernikako piperra“ handelt es sich um eine Landsorte, die optimal an die agroklimatischen Bedingungen der atlantischen Ebene des Baskenlandes angepasst ist.

Die agroklimatischen Bedingungen des Anbaugebiets statten diese Paprika mit einigen besonderen Merkmalen wie beispielsweise fehlender Schärfe und zartem Fruchtfleisch aus, denen sie ihre Bekanntheit verdankt.

Diese Paprika-Art ist, was die Temperaturen anbelangt, anspruchsvoll. Bei weniger als 15 °C verlangsamt sich ihre Entwicklung und unterhalb von 10 °C kommt sie vollständig zum Stillstand. Temperaturen über 35 °C können dazu führen, dass Blüten und Fruchtansätze abfallen. Am besten für die vegetative Entwicklung und die Fruchtbildung sind Tages-/Nachttemperaturen von 25/18 °C. Bei 1 °C kommt es zu Frostschäden. Für ihre Entwicklung benötigt die Pflanze eine Bodentemperatur von mehr als 12 °C, und damit sich die Anbaukultur gut entwickelt, muss das Tagesmittel der Umgebungstemperatur 20 °C erreichen, wobei die Unterschiede zwischen Tag und Nacht nur gering sein dürfen.

Eine weitere Besonderheit ist die Größe, denn die frühe Ernte der Paprika sorgt für die Zartheit des Fruchtfleischs, den angenehmen Geschmack und dafür, dass man die Haut beim Verzehr nicht wahrnimmt.

Es handelt sich um eine Paprika, die für ihr außergewöhnliches Aroma und ihre Spitzenqualität bekannt ist, und die üblicherweise frittiert als Appetithäppchen, Beilage oder Vorspeise verzehrt wird und zu den typischsten Lebensmitteln der baskischen Küche zählt.

5.3.   Ursächlicher Zusammenhang zwischen dem geografischen Gebiet und der Qualität oder den Merkmalen des Erzeugnisses (im Falle einer g. U.) bzw. einer bestimmten Qualität, dem Ansehen oder sonstigen Eigenschaften des Erzeugnisses (im Falle einer g. g. A.)

Der Zusammenhang zwischen dem begrenzten geografischen Gebiet und der „Pimiento de Gernika“/„Gernikako Piperra“ beruht auf dem Ansehen und den von alters her eingesetzten Anbaumethoden, was unter anderem durch die große Beliebtheit, der sich das Erzeugnis bei den Verbrauchern im Baskenland erfreut, sowie durch seine Notierung auf dem Markt zum Ausdruck kommt.

Die „Pimiento de Gernika“ oder „Gernikako Piperra“ zählt zu den ältesten bekannten Kulturpflanzen des Baskenlandes. Ihr Saatgut sowie das Wissen über ihren Anbau werden bereits seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben und sind zu einem Teil der Geschichte der Provinz Bizkaia geworden.

Große Restaurantkritiker des Baskenlandes und aus dem Rest des Landes (Llona Larrauri, Busca Isusi, J. L. Iturrieta, J. J. Lapitz, José Castillo, Marquesa de Parebere oder Ignacio Domenech) haben dieses Erzeugnis in ihren Artikeln gelobt oder in eines ihrer Rezepte aufgenommen. Auch weltweit berühmte baskische Köche wie Arguiñano oder Subijana verwenden dieses Erzeugnis in ihren Gerichten.

So wurde 1998 mit dem einzigen Ziel, die „Pimiento de Gernika“ oder „Gernikako Piperra“ bekannter zu machen, die Vereinigung „Cofradía del Gernikako Piperra“ gegründet. Dieser Verband organisiert verschiedene Aktionen zur Verkaufsförderung der „Pimiento de Gernika“, wie beispielsweise Verkostungen dieses Erzeugnisses auf dem traditionellen Markt in Gernika. Die Paprika ist nach dieser Gemeinde benannt, da sie traditionell dort am meisten angebaut wurde und weil dort jeden Montag der berühmte Obst- und Gemüsemarkt stattfindet, auf dem die Paprika zu den wichtigsten Erzeugnissen zählt.

Der „Letzte Montag von Gernika“ ist die größte Landwirtschaftsmesse des Baskenlandes. Sie zieht mehr als 100 000 Besucher an und findet am letzten Montag im Oktober statt. Dieser Markt wurde bereits 1366 in der Gründungsurkunde von Gernika erwähnt.

Das Ansehen dieses Erzeugnisses wird außerdem durch den Bekanntheitsgrad bestätigt, der sich aus der Studie des Marktforschungsunternehmens IKERFEL über Erzeugnisse von anerkannter Qualität ergibt, und der mittels quantitativer Methodik auf der Grundlage von 900 persönlichen Interviews ermittelt wurde, die vom 16. bis zum 30. Juli 2009 mit Personen, die in der Autonomen Gemeinschaft des Baskenlandes wohnen und im Haushalt für den Einkauf zuständig sind, durchgeführt wurden. Laut dieser Studie ist die „Pimiento de Gernika“ oder „Gernikako Piperra“ insgesamt bei 83 % der Bevölkerung der Autonomen Gemeinschaft des Baskenlandes bekannt (Spontanäußerung + auf Vorschlag).

Wie bereits dargelegt wurde, spielt abgesehen vom Ansehen und den Anbaumethoden das Klima in dem abgegrenzten geografischen Gebiet eine wesentliche Rolle für die Qualität und die Besonderheit dieses Erzeugnisses.

Das Klima in dem geografischen Gebiet bietet sowohl die Temperaturen als auch die Feuchtigkeitsbedingungen, die für den Anbau dieser Paprika-Art erforderlich sind, damit eine einwandfreie vegetative Entwicklung und Fortpflanzung stattfinden kann.

Als diese Paprika in anderen Regionen im Süden Spaniens mit wärmerem Klima und zu Zeiten angebaut wurde, in denen hohe Temperaturen mit geringer Feuchtigkeit zusammenfielen, hat dies die Handelsqualität der Früchte beeinträchtigt, weil bei einer größeren Menge der Früchte die vorstehend beschriebenen physiologischen Probleme (zu dicke Haut, „Blütenendfäule“ und/oder schärfere Früchte) auftraten.

Die Landsorte ist das direkte Ergebnis der Beobachtungsgabe und des Know-hows der örtlichen Landwirte. Sie bringt die Beziehung zur Umgebung zum Ausdruck und ist außerordentlich gut an die klimatischen Bedingungen des Gebiets angepasst. Im Laufe vieler Jahre ist es dem Menschen gelungen, die Unterart der „Pimiento de Gernika“ sowie deren Anbau und besondere gewerbliche Verwendung erfolgreich zu schützen. Dadurch konnte die Originalität dieser Paprika-Art bewahrt werden. Die „Pimiento de Gernika“ verdankt ihre Besonderheit ihrer perfekten Anpassung an das Anbaugebiet.

Hinweis auf die Veröffentlichung der Produktspezifikation

http://www.nasdap.ejgv.euskadi.eus/r50-4633/es/contenidos/informacion/dop_pimiento/es_agripes/dop_pimiento.html


(1)  ABl. L 343 vom 14.12.2012, S. 1.