ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 61

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

65. Jahrgang
4. Februar 2022


Inhalt

Seite

 

I   Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

 

ENTSCHLIEßUNGEN

 

Ausschuss der Regionen

 

146. Plenartagung des AdR – Hybrid-Sitzung, Videokonferenz über Interactio, 12.10.2021-14.10.2021

2022/C 61/01

Entschließung des Europäischen Ausschusses der Regionen zum EU-Jahresbarometer 2021 zur Lage der Gemeinden und Regionen

1

2022/C 61/02

Entschließung des Europäischen Ausschusses der Regionen zur COP 26 und zu globalen und lokalen Allianzen für den Klimaschutz

5

 

STELLUNGNAHMEN

 

Ausschuss der Regionen

 

146. Plenartagung des AdR – Hybrid-Sitzung, Videokonferenz über Interactio, 12.10.2021-14.10.2021

2022/C 61/03

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — EU-Strategie für die Rechte des Kindes und Europäische Kindergarantie

9

2022/C 61/04

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Wirksame Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Ausarbeitung der Partnerschaftsvereinbarungen und operationellen Programme für den Zeitraum 2021-2027

15

2022/C 61/05

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Eine EU-Agenda für Terrorismusbekämpfung: antizipieren, verhindern, schützen und reagieren

21

2022/C 61/06

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Schutz geografischer Angaben für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse in der Europäischen Union

26

2022/C 61/07

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Neue Verbraucheragenda — Stärkung der Resilienz der Verbraucher/-innen für eine nachhaltige Erholung

30

2022/C 61/08

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025

36


 

III   Vorbereitende Rechtsakte

 

Ausschuss der Regionen

 

146. Plenartagung des AdR – Hybrid-Sitzung, Videokonferenz über Interactio, 12.10.2021-14.10.2021

2022/C 61/09

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Europäische digitale Identität

42


DE

 


I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

ENTSCHLIEßUNGEN

Ausschuss der Regionen

146. Plenartagung des AdR – Hybrid-Sitzung, Videokonferenz über Interactio, 12.10.2021-14.10.2021

4.2.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 61/1


Entschließung des Europäischen Ausschusses der Regionen zum EU-Jahresbarometer 2021 zur Lage der Gemeinden und Regionen

(2022/C 61/01)

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

unter Bezugnahme auf sein „Jahresbarometer 2021 zur Lage der Gemeinden und Regionen“, das auf einem inklusiven, faktengestützten und wissenschaftlichen Ansatz unter Einbeziehung zahlreicher Partner und Institutionen beruht;

in der Erwägung, dass das Jahresbarometer die regionale und lokale Dimension der Lage der Union widerspiegeln, den politischen Entscheidungsträgern auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene Aufschluss über die dringendsten Herausforderungen für das kommende Jahr geben und grundlegende Empfehlungen dazu unterbreiten soll;

in der Erwägung, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Bekämpfung der Pandemie, aber auch bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Unterstützung der Menschen und von Unternehmen sowie bei der Vorbereitung der allmählichen und nachhaltigen Erholung an vorderster Front standen;

in der Erwägung, dass aus dem Jahresbarometer 2020 hervorging, dass die vielschichtigen Auswirkungen der COVID-19-Krise sehr asymmetrisch waren und es immer noch sind und eine starke territoriale Dimension aufweisen, weswegen die Auswirkungen der Pandemie auf die lokale und regionale Entwicklung zweifellos stärker differenziert betrachtet werden müssen:

1.

unterstreicht, dass die COVID-19-Pandemie und ihre unzähligen Folgen das Funktionieren unserer Demokratie und die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaften und insbesondere unsere Gesundheitssysteme auf eine harte Probe gestellt haben und einige davon bis an ihre Grenzen brachten; weist darauf hin, dass die Auswirkungen EU-weit unterschiedlich waren: Grenzregionen und städtische Gebiete haben sich als anfälliger erwiesen, während ländliche Gebiete, die in der Regel in Bezug auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung schlechter gestellt sind, vergleichsweise besser abgeschnitten haben; fordert eine stärker strategisch ausgerichtete politische Vorausschau und mehr Investitionen, damit die Europäische Gesundheitsunion Wirklichkeit wird, und betont nachdrücklich, dass die regionalen Gesundheitssysteme den Eckpfeiler der Resilienz der EU bilden und in die künftige Architektur für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen integriert werden müssen; fordert — auch vor dem Hintergrund des von der Europäischen Kommission für Anfang 2022 angekündigten Notfallinstruments für den Binnenmarkt —, dass in jeglichen Krisenfällen, die Auswirkungen auf Grenzregionen haben, die Wirkungen auf den europäischen Arbeitsmarkt bedacht und sich um nachhaltige Ausnahmeregelungen für alle Grenzgänger bemüht wird, um ungerechtfertigte Schutzlücken zu verhindern;

2.

weist darauf hin, dass die Pandemie auch die Resilienz unserer Wirtschaft auf die Probe gestellt hat. Hinter dem Rückgang des EU-BIP um 6 % im Jahr 2020 verbergen sich große regionale Unterschiede, die sich durch die in den Regionen jeweils geltenden Beschränkungen erklären lassen, aber auch durch ihre strukturellen Merkmale, wie den Anteil der Beschäftigten in gefährdeten Sektoren, das Bildungsniveau, den Anteil der Kleinstunternehmen oder die Qualität der Regierungsführung. Damit die Städte und Regionen NextGenerationEU bestmöglich nutzen und sich auf langfristige Investitionen konzentrieren können, um Verbesserungen bei diesen strukturellen Merkmalen zu erzielen, sollten die Aufbaumaßnahmen bis 2024 verlängert werden; der erhöhte Kofinanzierungssatz für die kurzfristigen Aufbaumaßnahmen sollte um ein weiteres Jahr verlängert werden, zudem muss für Kohärenz zwischen den verschiedenen Finanzierungsprogrammen und Regulierungsmaßnahmen gesorgt werden;

3.

betont, dass die Kombination aus sinkenden Einnahmen und steigenden Ausgaben einen beispiellosen Druck auf die Haushalte der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften ausübt, sodass die „Schere“ immer weiter aufgeht. Für 2020 ist diese Kluft für alle lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (LRG) in der EU zusammen mit rund 180 Mrd. EUR zu beziffern. Dieser Betrag ergibt sich aus einem Anstieg der Ausgaben um 124 Mrd. EUR für Maßnahmen u. a. in den Bereichen öffentliche Gesundheit und Unternehmensförderung sowie aus Mindereinnahmen von 55 Mrd. EUR aufgrund rückläufiger Tätigkeiten (und somit sinkender Steuer- und Gebühreneinnahmen). Dank der erheblichen Unterstützung der regionalen und kommunalen Haushalte durch die nationalen Regierungen und die EU wurde dieser Schereneffekt zwar abgeschwächt, jedoch in einem in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlichen Ausmaß, sodass die LRG im Jahr 2021 und auch danach weitere Unterstützung benötigen werden. Dies hat sich auch auf die Haushaltsstabilität ebenso wie auf die Fiskalautonomie im weiteren Sinne ausgewirkt, was die effiziente Erbringung öffentlicher Dienstleistungen beeinträchtigen kann. Die Bedürfnisse der LRG müssen bei der Überprüfung des EU-Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung — bei dem gegenwärtig nicht genügend zwischen laufenden Ausgaben und Ausgaben für langfristige/nachhaltige Investitionen unterschieden wird — stärker berücksichtigt werden. Insbesondere muss eine „goldene Regel“ für nachhaltige öffentliche Investitionen aufgestellt werden, nach der öffentliche Nettoinvestitionen aus der Berechnung des Haushaltsdefizits im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts ausgeklammert werden;

4.

bekräftigt, dass die LRG in die Evaluierung und Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität und insbesondere ihrer wichtigsten operativen Instrumente — der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne (NARP) — einbezogen werden müssen. Wie schon das erste Jahresbarometer befürchten ließ, werden sie nur sehr begrenzt einbezogen: Nur einige wenige Mitgliedstaaten haben die Einbeziehung ihrer LRG in den Konsultationsprozess ausführlich dargelegt oder die Rolle der LRG in jedem Politikbereich systematisch beschrieben. Diese mangelnde Einbeziehung ist besorgniserregend, weil die LRG für einen Großteil der öffentlichen Investitionen verantwortlich und die Ziele der Aufbau- und Resilienzfazilität für die LRG je nach Kompetenzverteilung von besonderer Bedeutung sind; vertritt die Auffassung, dass die Art und Weise, wie die NARP erstellt und die LRG einbezogen werden, der Eigenverantwortung für die Aufbaupläne nicht förderlich ist. Viele länderspezifische Empfehlungen wurden aufgrund mangelnder Eigenverantwortung der LRG und ihrer mangelnden Einbindung in das Europäische Semester nicht umgesetzt;

5.

hebt das große Potenzial der NARP für die Förderung einer grünen Erholung hervor. Mehr als die Hälfte der Schwerpunktthemen des Grünen Deals sind einer aktuellen AdR-Studie zufolge vollständig in die NARP eingebettet und durchschnittlich sind 41 % der Mittel der NARP für den Übergang zu einer grünen Wirtschaft vorgesehen. Da 75 % der EU-Bevölkerung in städtischen Gebieten leben (wo der größte Teil der Treibhausgasemissionen entsteht) und sich immer mehr LRG engagieren wollen, stehen sie beim Klimaschutz an vorderster Front. Die LRG müssen daher als vollwertige Partner mitreden, wenn es um die Gestaltung und Umsetzung von Initiativen im Rahmen des Grünen Deals geht, insbesondere in Politikbereichen wie z. B. Gebäuderenovierung, nachhaltige Mobilität oder Begrünung der Städte. Sie verfügen zudem über die besten Voraussetzungen, um für Kohärenz beim Einsatz des Aufbaufonds und der ESI-Fonds (einschließlich des Kohäsionsfonds und des EFRE) zu sorgen;

6.

unterstreicht, dass Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sowie Erhalt der Umwelt und Umweltsanierung wichtige Bausteine für resilientere und nachhaltigere Gesellschaften und Wirtschaften sind, da die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, des Klimawandels und der Umweltschädigung je nach den geografischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in den Regionen der EU sehr unterschiedlich ausfallen; bekräftigt, dass ein wirksamer Klima- und Umweltschutz die umfassende Beachtung des Grundsatzes der Multi-Level-Governance verlangt, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die subnationalen Ebenen in die Maßnahmen im Rahmen des europäischen Grünen Deals umfassend einzubinden; betont, dass die ganze Welt vom Klimawandel und dem Verlust der Biodiversität betroffen ist und dass 2021 insbesondere im Rahmen der COP 26 der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) und der COP 15 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (UN CBD) entscheidende Fortschritte bei weltweiten konzertierten Klimaschutzmaßnahmen in Bezug auf die formelle Anerkennung des Beitrags der LRG erzielt werden können. Der AdR wird in Zusammenarbeit mit Partnern wie der Europäischen Kommission, dem Büro der Vereinten Nationen für die Verringerung des Katastrophenrisikos (UNDRR) und der Gemeinsamen Forschungsstelle Möglichkeiten für die Einrichtung einer „Plattform für regionale Resilienz“ prüfen. Die Plattform soll lokale und regionale Gebietskörperschaften durch die Sammlung von Daten und bewährten Verfahren bei der Stärkung ihrer Resilienz gegenüber künftigen Krisen, die z. B. durch Naturkatastrophen oder den Klimawandel ausgelöst werden können, und bei möglichen künftigen Gesundheitskrisen unterstützen;

7.

bedauert, dass die Arbeitslosenquote 2020 in den meisten NUTS-2-Regionen der EU gestiegen ist und dass junge Menschen nach mehreren Jahren des Fortschritts von dieser Verschlechterung besonders betroffen sind. Damit bei der „neuen Normalität“ des Arbeitens, Lebens und Reisens in der EU niemand zurückgelassen wird, brauchen wir eine ernsthafte Debatte über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt sowie über den Zusammenhalt als übergeordneten Wert der EU. Der Sozialgipfel in Porto und die anschließende Erklärung von Porto für soziales Engagement müssen den Weg für die Stärkung der sozialen Dimension der EU ebnen, und es muss alles dafür getan werden, die darin für 2030 gesetzten Ziele zu erreichen. Für schwächere Bevölkerungsgruppen sollten spezifische Maßnahmen entwickelt werden. Beispielsweise sollten alle jungen Menschen Zugang zum Programm Erasmus+ haben, und alle jungen Europäerinnen und Europäer sollten eine „Mindestqualifikations- und Kompetenzgarantie“ erhalten, die in allen Mitgliedstaaten anerkannt wird;

8.

verweist darauf, dass diese „neue Normalität“ auch ihre guten Seiten hat, weil durch die Pandemie auch der digitale Wandel beschleunigt wurde. Allerdings besteht in den meisten EU-Mitgliedstaaten eine erhebliche digitale Kluft zwischen Stadt und Land in Bezug auf Infrastruktur, Internetnutzung und die Nutzung elektronischer Behördendienste. Zudem ballt sich die Technologiebranche in bestimmten Regionen der EU. Die Überwindung dieser digitalen Kluft durch umfassende Strategien, an denen alle Regierungs- und Verwaltungsebenen beteiligt sind, ist eine Voraussetzung für eine nachhaltige Erholung. Die Pandemie hat den Wert der digitalen Konnektivität und die Notwendigkeit des digitalen Zusammenhalts aufgezeigt, dem als Konzept der gleiche Wert wie dem wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt beigemessen werden sollte. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, einen robusten und umfassenden Datensatz auf lokaler und regionaler Ebene zu schaffen, um die digitalen Ziele des Digitalen Kompasses 2030 auf die subnationalen Ebenen zu übertragen — in Anerkennung der Bedeutung der LRG für den digitalen Wandel. Diese verbindlichen digitalen Ziele sollten in dem Bericht der Europäischen Kommission über die Umsetzung der langfristigen Vision für ländliche Gebiete berücksichtigt werden;

9.

befürwortet eine Stärkung der Rolle der LRG bei der Integration von Flüchtlingen und Migranten. Da die globalen Herausforderungen von Migration und Integration lokales Handeln erfordern, sind viele LRG aktiv in die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Migranten involviert und stellen wichtige städtische Infrastrukturen und Dienstleistungen bereit, um ihren Bedürfnissen gerecht zu werden, wie z. B. erschwinglichen und sozialen Wohnraum, hochwertige Bildung und Gesundheitsdienste. Daher müssen die Maßnahmen für die Aufnahme und Integration von Migrantinnen und Migranten in einem Bottom-up-Ansatz in Abstimmung mit den LRG konzipiert werden, damit sie die Realität in den Aufnahmegemeinschaften abbilden. Darüber hinaus muss der Zugang zu Fördermitteln für die LRG erleichtert werden. Städte und Gemeinden, die sich am EU-Umsiedlungsprogramm beteiligen und/oder eigene Integrationsprojekte entwickeln, sollten zudem Direkthilfen erhalten können;

10.

stellt mit Besorgnis fest, dass es dem Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU im Rahmen des Handels- und Kooperationsabkommens an territorialer „Tiefe“ mangelt. Der AdR ist bereit, an einer positiven Agenda für die territoriale Zusammenarbeit mit den LRG des Vereinigten Königreichs auf neuen Wegen mitzuwirken, die sich nicht nur aus dem institutionellen Rahmen des Handels- und Kooperationsabkommens ableiten. Diesbezüglich wären mehrere konkrete Initiativen denkbar, z. B. eine Änderung der Verordnung über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ), um die Gründung von EVTZ mit dem Vereinigten Königreich zu erleichtern, oder die gezielte Unterstützung der Verwaltungskapazität öffentlicher Einrichtungen, damit sie sich an Kooperationsprojekten mit britischen Partnern beteiligen können. Auch die Überwachung der Einbindung der LRG in die Umsetzung der Reserve für die Anpassung an den Brexit wird von großer Bedeutung sein, um zu überprüfen, ob die Auswirkungen des EU-Austritts des Vereinigten Königreichs auf die lokale und regionale Ebene abgefedert werden;

11.

weist darauf hin, dass laut der ersten Umfrage überhaupt, die im Auftrag des AdR unter mehr als einer Million gewählter Mandatsträgerinnen und Mandatsträger auf subnationaler Ebene durchgeführt wurde, fast zwei Drittel von ihnen (64 %) der Meinung sind, dass die Regionen, Städte und Dörfer nicht genug Einfluss auf die Politikgestaltung der EU haben. Europa könnte demokratisch gestärkt und auch in ökologischer Hinsicht widerstandsfähiger aus der COVID-19-Krise hervorgehen, wenn die aktive Subsidiarität offiziell anerkannt und angewandt wird, um so sicherzustellen, dass Maßnahmen auf derjenigen Ebene ergriffen werden, auf der das Handeln den größtmöglichen Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger erbringt, und koordinierte und wirksame Beschlussfassungsverfahren vorhanden sind;

12.

sieht in der Konferenz zur Zukunft Europas eine Gelegenheit, das Haus der europäischen Demokratie zu festigen. Als zentrale Akteure bei der Anwendung und Entwicklung von Verfahren der partizipativen und deliberativen Demokratie, die die repräsentative Demokratie ergänzen und stärken, sind die Städte und Regionen wichtig dafür, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die demokratische Beschlussfassung zu stärken; ruft daher die EU-Organe auf, die Konferenz als Chance zu begreifen, innovative Maßnahmen (wie z. B. die interaktive mehrsprachige digitale Plattform und die Bürgerforen), die möglicherweise zu dauerhaften Merkmalen der Beschlussfassungsverfahren der EU werden könnten, voranzubringen und sich ein besseres Bild von den Bedürfnissen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu machen. Eventuell notwendige Änderungen der Verträge sollten dabei berücksichtigt werden;

13.

betont, dass die Entwicklung der Regionen weitgehend von der Qualität ihrer Anbindung abhängt; verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass insbesondere die Schiene gestärkt werden muss, um das Problem anzugehen, dass abgelegene oder strukturschwache Regionen kaum mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind; unterstreicht, dass die Integration umweltfreundlicher, innovativer und sicherer Verkehrsträger vertieft werden muss; verweist zudem auf die zentrale Bedeutung von Regionalflughäfen für den territorialen Zusammenhalt der EU in dünn besiedelten, abgelegenen oder strukturschwachen Regionen; betont, dass die Regionen und Städte der EU angesichts der globalen Herausforderungen, die nur in Zusammenarbeit bewältigt werden können, ihren Fokus innerhalb und außerhalb der EU zugleich haben müssen;

14.

sieht großes Potenzial für die rund eine Million Regional- und Kommunalpolitiker und -politikerinnen in der EU, am Bau des Hauses der europäischen Demokratie mitzuwirken, und entnimmt seiner jüngsten Umfrage, dass eine überwältigende Mehrheit von ihnen der Ansicht ist, dass ihre stärkere Einbindung der Demokratie in der EU zugutekäme;

15.

beauftragt seinen Präsidenten, das Jahresbarometer 2021 zur Lage der Gemeinden und Regionen sowie diese Entschließung dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, der Präsidentin der Europäischen Kommission und dem Präsidenten des Europäischen Rates sowie den Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedstaaten zu übermitteln, und ruft die regionalen und lokalen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in Europa auf, das Jahresbarometer bei den Bürgerinnen und Bürgern und den örtlichen Medien bekannt zu machen.

Brüssel, den 13. Oktober 2021

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


4.2.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 61/5


Entschließung des Europäischen Ausschusses der Regionen zur COP 26 und zu globalen und lokalen Allianzen für den Klimaschutz

(2022/C 61/02)

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.   

ist zutiefst besorgt über die Ergebnisse des jüngsten Berichts des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) Climate Change 2021 — The Physical Science Basis (1), in dem bestätigt wird, dass dringend wirksame und umfassende Strategien auf den Weg gebracht werden müssen, um das Ziel des Übereinkommens von Paris zu erreichen, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, Klimaänderungen einzudämmen und sich daran anzupassen;

2.   

macht darauf aufmerksam, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (LRG) für die Umsetzung von 70 % der Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels, 90 % der Maßnahmen zur Anpassung an seine Folgen und 65 % der Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) zuständig sind und somit ein Drittel der öffentlichen Ausgaben und zwei Drittel der öffentlichen Investitionen in der EU verwalten. Damit kommt ihnen bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels auf lokaler und regionaler Ebene und der Verbesserung der Klimaresilienz ihrer Gebiete eine vordringliche Aufgabe zu;

3.   

weist darauf hin, dass die wichtige Rolle der Multi-Level-Governance in der Klimapolitik und die notwendige Einbeziehung von Regionen, Städten und nichtstaatlichen Akteuren im Übereinkommen von Paris anerkannt wird; dringt darauf, diesen Grundsatz über alle Regierungs- und Verwaltungsebenen hinweg umfassend in die Praxis umzusetzen, um Synergien zwischen nationalen, regionalen und lokalen Klimaschutzmaßnahmen zu schaffen und bestehende Lücken zu schließen; betont, dass die LRG in internationalen Verhandlungen und im Klimaschutz immer stärker auf den Plan treten und begrüßt bestehende Initiativen der Netze lokaler und regionaler Gebietskörperschaften sowie deren Beiträge zu der Plattform NAZCA (Non-State Actor Zone for Climate Action) der UN-Klimarahmenkonvention; unterstreicht die wichtige Rolle der Gruppe der lokalen und nachgeordneten Gebietskörperschaften (LGMA) bei der Bündelung dieser Stimmen auf globaler Ebene und beim kontinuierlichen Ausbau eines weltweiten Netzes nachgeordneter Gebietskörperschaften, die sich für den Klimaschutz engagieren;

4.   

erachtet die Aufwertung politisch relevanter, demokratisch gewählter nichtstaatlicher Akteure wie der LRG, der Verwaltungsebene, die den Bürgern am nächsten ist, im Rahmen des globalen Klimagovernancesystems als wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung der globalen Klimaschutzziele und hält es deshalb für wesentlich, dass diese Art basisgetriebener Governance im Vertragsregime der Klimarahmenkonvention bestätigt und offiziell als Bestandteil des Entscheidungsfindungsprozesses anerkannt wird;

5.   

unterstreicht die Schlüsselrolle des AdR als institutionelle Vertretungsinstanz von mehr als einer Million Kommunal- und Regionalpolitikern und „Netz der Netze“; ist der Ansicht, dass diese einzigartige Stellung genutzt werden sollte, um die Rolle des AdR im Rahmen der globalen Klimagovernance zu stärken; fordert die Klimarahmenkonvention daher auf, eine Vereinbarung mit dem Europäischen Ausschuss der Regionen als institutionelle Vertretungsinstanz der europäischen Städte und Regionen zu schließen, in der es insbesondere um das Thema Eindämmung des Klimawandels und Anpassung an seine Folgen in Bereichen gehen sollte, in denen die LRG bereits umfassend in die Governance einbezogen werden, wie bspw. in den Bereichen Energieversorgung und -nachfrage, Mobilität und Verkehr, Landwirtschaft, Abfallbewirtschaftung, Stadtplanung und Gebäude sowie Hochwassermanagement;

6.   

betont, dass das kontinuierliche Handeln und Engagement der Regionen und Städte bei den Vorbereitungen für die COP 26 der UN-Klimarahmenkonvention in Glasgow eine wichtige Rolle spielen und im Rahmen der Konferenz offiziell sichtbar gemacht werden sollte; ruft die UNFCCC daher zur Zusammenarbeit mit dem AdR und anderen einschlägigen Partnern aus der LGMA-Gruppe auf, um den Beitrag der subnationalen Ebene (in Form regional und lokal festgelegter Beiträge (Regionally and Locally Determined Contributions, RLDC)) formell anzuerkennen und die Bestrebungen von Städten, Kommunen und Regionen weltweit zur Verringerung ihrer CO2-Emissionen nach dem Vorbild der Erklärung von Edinburgh zur biologischen Vielfalt offiziell anzuerkennen, zu überwachen und zu fördern;

7.   

fordert den britischen Vorsitz der COP 26 auf, dafür zu sorgen, dass nichtstaatliche Akteure trotz der geplanten Gesundheitsschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie aktiv an den Arbeiten der COP 26 in Glasgow mitwirken können; appelliert in diesem Zusammenhang an die Europäische Kommission, eine ausreichende Beteiligung und Einbeziehung der AdR-Delegation als Teil der EU-Delegation bei der COP 26 sicherzustellen; bekräftigt seine Zusage zur Zusammenarbeit mit der EP-Delegation;

8.   

betont, dass das Ziel des europäischen Grünen Deals, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, intern durch eine durchgängige Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in allen EU-Politikbereichen umgesetzt und gleichzeitig das Tempo auf globaler Ebene vorgegeben werden muss; macht deutlich, dass der europäische Grüne Deal und lokale und regionale Initiativen im Rahmen des Grünen Deals Instrumente zur Verwirklichung der Ziele des Übereinkommens von Paris und zur vollständigen Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und ihrer Nachhaltigkeitsziele sein und einen ehrgeizigen Beitrag der EU zum globalen Biodiversitätsrahmen nach 2020 leisten sollten, über den auf der COP 15 der UN CBD (2) entschieden wird; gibt zu bedenken, dass der europäische Grüne Deal neben der Verwirklichung der Klimaneutralität auch auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Maßnahmen ausgerichtet sein sollte, um erhebliche Belastungen und Kosten für Verbraucher und Unternehmen zu vermeiden;

9.   

ist der festen Überzeugung, dass die COP 26 der Klimarahmenkonvention Gelegenheit bieten wird, nach vorne zu blicken und den Weg für eine ehrgeizige globale Agenda 2050 zu ebnen, die den Ansatz der Nachhaltigkeitsziele durch das Übereinkommen von Paris ergänzt. Da der europäische Grüne Deal bereits den systemischen Verbindungen zu vielen relevanten Politikbereichen Rechnung trägt, könnte er bei angemessener Umsetzung als Vorbild und Anregung für einen globalen Grünen Deal dienen;

10.   

fordert die Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention auf, in die Regeln für die weltweite Bestandsaufnahme eine Verpflichtung der Vertragsparteien zur Konsultierung und Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Ausarbeitung ihrer Vorlagen aufzunehmen; ruft die Vertragsparteien insbesondere auf, die nachgeordnete Ebene an der Überarbeitung ihrer national festgelegten Beiträge durch Einrichtung eines strukturierten nationalen Dialogs im Vorfeld der Vertragsstaatenkonferenzen zu beteiligen;

11.   

betont, dass die EU mit ihrer ehrgeizigen und inklusiven Klimapolitik die globalen Gespräche anführen muss, und erkennt daher das Europäische Klimagesetz als unbestreitbares Signal und Engagement an, mit dem die Europäische Union eine Führungsrolle im Klimaschutz übernimmt; warnt in diesem Zusammenhang auch nachdrücklich, dass die Klimaschutzziele nicht durch eine hohe Belastung der Privathaushalte, die großenteils schon erheblich unter den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie leiden, zu einer weiteren Entfremdung der Bürgerinnen und Bürger führen dürfen; ist der Auffassung, dass die Kosten ehrgeiziger Maßnahmenpakete nicht den Bürgern und kleinen Unternehmen aufgelastet werden sollten;

12.   

weist diesbezüglich darauf hin, dass viele europäische Regionen schon vor dem Europäischen Parlament den Klimanotstand ausgerufen und bereits eigene ehrgeizige Klimagesetze auf den Weg gebracht haben; ist daher der Ansicht, dass ihrem Fachwissen in der globalen Klimadiplomatie mehr Gewicht beigemessen werden sollte;

13.   

plädiert für eine raschere Anpassung und Umsetzung der geplanten EU-Missionen „Anpassung an den Klimawandel“ und „Klimaneutrale Städte“ sowie weiterer relevanter Missionen, u. a. zu den Themen gesunde Böden, Gesundheit sowie Meere und Ozeane, sobald sie gebilligt wurden; fordert die LRG auf, eigene Strategien zur Anpassung an den Klimawandel und zur Eindämmung seiner Folgen aufzustellen, um den Schutz und die Resilienz lokaler Gemeinschaften und natürlicher Lebensräume zu verbessern (3);

14.   

unterstützt die Ziele des Klimaschutzrahmens der EU voll und ganz, plädiert jedoch für konkrete Maßnahmen zur Flankierung dieser Ziele, um sicherzustellen, dass keine Region und kein Bürger zurückgelassen wird; hebt hervor, dass Kohleregionen, CO2-intensive Regionen, weniger entwickelte Regionen und Inseln besonderer Aufmerksamkeit und erhöhter gezielter Unterstützung bedürfen;

15.   

begrüßt den Start der Konferenz zur Zukunft Europas und fordert, dass der europäische Grüne Deal ein zentrales Thema sein sollte, da Klimawandel, gerechter Übergang und nachhaltige Entwicklung unmittelbare Auswirkungen auf die Wirtschaft, die öffentliche Gesundheit und das Wohlergehen der EU-Bürgerinnen und -Bürger haben; ist der Ansicht, dass der europäische Klimapakt in diesem Rahmen eine wesentliche Rolle spielen und zu einem bewährten Verfahren mit weltweitem Vorbildcharakter werden könnte;

16.   

ist bereit, gemeinsam mit der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und anderen einschlägigen Organisationen eine Reihe von Bürgerdialogen und einen „Tag des lokalen Klimaschutzes“ zu organisieren, um den Mehrwert des europäischen Grünen Deals hervorzuheben und verschiedene lokale Initiativen vorzustellen; ruft die AdR-Mitglieder gleichzeitig erneut auf, im Zusammenhang mit den Vertragsstaatenkonferenzen der Klimarahmenkonvention mit gutem Beispiel voranzugehen und einschlägige lokale und regionale Konferenzen an ihren Herkunftsorten zu fördern;

17.   

fordert alle Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention auf, in Zusammenarbeit mit nachgeordneten Regierungs- und Verwaltungsebenen und mit nichtstaatlichen Akteuren einen konstruktiven Beitrag zu dem Prozess im Vorfeld der COP 26 zu leisten, indem sie u. a. lokale beratende Gremien, Bürgerkonvente, lokale und regionale Veranstaltungen im Zusammenhang mit den Vertragsstaatenkonferenzen sowie halbformelle Einrichtungen wie lokale und regionale Jugendräte und -parlamente unterstützen;

18.   

betont, wie wichtig die Forschung und die Erhebung von Daten zu den prognostizierten Klimaschwankungen in verschiedenen Regionen sowie die Erstellung von Klimamodellen und Klimafolgenabschätzungen sind, um eine faktengestützte Klimapolitik unter Achtung des Grundsatzes der Technologieneutralität zu entwickeln; hält es für notwendig, die interregionale Zusammenarbeit zu fördern, um die am stärksten durch den Klimawandel gefährdeten Regionen und Menschen zu unterstützen und zu schützen;

19.   

plädiert dafür, lokale wissenschaftliche Plattformen zum Klimawandel (die als eine Art „lokale Klimaräte“ bereits in verschiedenen Regionen bestehen) zu entwickeln und in Netze für den Austausch von Informationen zu integrieren, um die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern zu fördern und die Entscheidungsfindung lokaler Mandatsträger zu unterstützen;

20.   

betont, dass viele Städte und Regionen trotz ehrgeiziger Maßnahmen ihren aktuellen und früheren THG-Ausstoß immer noch nicht kennen und über keine Analysen ihrer Klimaanfälligkeit verfügen, was es ihnen erschwert, ihre Anstrengungen zu quantifizieren und zu vergleichen; ruft die Europäische Kommission auf, die LRG in Abstimmung mit den für die Ausarbeitung der nationalen Treibhausgasinventare zuständigen nationalen Stellen insbesondere durch eine umfassende Einbindung lokaler und regionaler Energieagenturen, der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) und der Europäischen Umweltagentur (EUA) bei der Bewertung und Meldung ihrer Emissionen, bei der Analyse der wichtigsten Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Gebiet sowie bei der Aufstellung von Klimaschutzplänen, mit denen sie Verpflichtungen auf lokaler und regionaler Ebene eingehen, bspw. im Rahmen ihres Beitritts zum Bürgermeisterkonvent, zu unterstützen und ihre Anstrengungen durch die Bereitstellung von EU-Mitteln anzuerkennen;

21.   

begrüßt die Arbeiten der UNFCCC zum Ausbau der erneuerbaren Energien als Voraussetzung für einen erfolgreichen Klimaschutz; ist der Auffassung, dass ehrgeizige Ausbauziele und -maßnahmen sowie eine großräumige Planung dezentraler Infrastrukturen erforderlich sind, damit erneuerbare Energien in naher Zukunft flächendeckend genutzt werden können;

22.   

fordert die Europäische Kommission auf, mit dem AdR zusammenzuarbeiten, um zu prüfen, wie die regionalen Klimaschutzpläne als regional und lokal festgelegte Beiträge (Regionally and Locally Determined Contributions, RLDC) zum Übereinkommen von Paris beitragen und offiziell als Ergänzung der national festgelegten Beiträge (Nationally Determined Contributions, NDC) anerkannt werden könnten, wobei besonders auf die Vermeidung einer doppelten Anrechnung zu achten ist; zunächst sollten die RLDC im Rahmen einer Überarbeitung der Verordnung über das Governance-System für die Energieunion als fester Bestandteil in die nationalen Energie- und Klimapläne (National Energy and Climate Plans, NECP) aufgenommen werden;

23.   

unterstützt in diesem Zusammenhang den gemeinsamen Berichtsrahmen des globalen Bürgermeisterkonvents als Schritt in Richtung einer Vergleichbarkeit lokaler und regionaler Anstrengungen und fordert die Europäische Kommission auf, Initiativen wie den Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie innerhalb und außerhalb der EU weiter zu unterstützen und auszuweiten;

24.   

ist der Ansicht, dass die lokale Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen durch Informationsaustausch, Peer-Learning und die Berücksichtigung der territorialen Vielfalt ergänzt und bereichert werden muss; die Netze und Bündnisse lokaler und regionaler Akteure sind für die Verbesserung des Wissensstands auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene von zentraler Bedeutung;

25.   

wird seine Zusammenarbeit mit internationalen, europäischen und nationalen Verbänden lokaler und regionaler Gebietskörperschaften, mit Interessengruppen aus Regionen und Städten, mit nationalen Parlamenten und mit anderen Akteuren weiter ausbauen;

26.   

schätzt die interinstitutionelle Zusammenarbeit und die verstärkten Synergien mit seinen Partnern, zu denen u. a. zählen: Regionalparlamente im Rahmen der Konferenz der regionalen gesetzgebenden Parlamente Europas (CALRE), die von einer Gruppe von Regionen mit Gesetzgebungsbefugnissen angestoßene RLEG-Initiative, das RegHub-Netz und das Netz der Allianz für Kohäsionspolitik, die AdR-Kampagne zum europäischen Grünen Deal, junge Mandatsträger im Rahmen des YEP-Programms, für die Europe-Direct-Zentren zuständige Kommunal- und Regionalpolitiker und das Pilotprojekt „Aufbau Europas mit lokalen Gebietskörperschaften“ (Building Europe with Local Entities, BELE);

27.   

betont, wie wichtig Finanzmittel für die Verwirklichung der Klimaschutzziele und des Ziels der Anpassung an den Klimawandel sind und dass die lokalen Gebietskörperschaften mit dem Privatsektor und den Finanzinstituten zusammenarbeiten müssen, um nachhaltige Investitionen zu mobilisieren, die mit dem Ziel der Emissionsfreiheit, dem Null-Schadstoff-Ziel, dem Ziel der Abfallvermeidung und dem Ziel der Klimafolgenanpassung im Einklang stehen; fordert erneut, dass lokale und regionale Gebietskörperschaften für Projekte im Rahmen des Grünen Deals direkt auf EU-Mittel zugreifen können sollten, und schlägt vor, dass die Europäische Kommission ein spezielles Klimainnovationsprogramm für lokale Gebietskörperschaften auflegt;

28.   

betrachtet die weltweite Urbanisierung als klimapolitisch sehr relevanten Bereich für Klimaschutz und Klimaschutzfinanzierung (4); weist angesichts der zunehmenden Verstädterung auf die grundlegende Rolle hin, die Städte als Versuchslabore für Innovation und neue Ansätze zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Folgen auf dem Weg zur Klimaneutralität spielen, insbesondere im Hinblick auf Raumplanung, nachhaltige Mobilität, erschwinglichen Wohnraum und energieeffiziente Gebäude; bekräftigt seine Unterstützung für Initiativen, die darauf abzielen, bewährte Verfahren herauszustellen und Wissen weiterzugeben, wie z. B. die Mission zu klimaneutralen Städten im Rahmen von Horizont Europa, die Partnerschaften der EU-Städteagenda usw.;

29.   

ist der Auffassung, dass Europäische Verbünde für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) und andere grenzübergreifende Strukturen eine wichtige Rolle bei der Erleichterung und Förderung der grenzübergreifenden, transnationalen und interregionalen Zusammenarbeit in den Bereichen Klimafolgenanpassung und Klimaschutz spielen;

30.   

begrüßt die Arbeiten der UNFCCC zur Verknüpfung von Gleichstellungs- und Klimapolitik (5) und fordert die Europäische Kommission auf, ihre Bemühungen in dieselbe Richtung zu lenken; fordert globale und europäische Akteure auf, in geschlechtsspezifische Analysen und nach Geschlecht aufgeschlüsselte Daten zu investieren, um die Auswirkungen des Klimawandels auf alle schutzbedürftigen Gruppen vollständig erfassen zu können, Methoden zur Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung einzuführen und für alle Geschlechter und alle Ebenen einen gleichberechtigten Zugang zu Vertretungsstrukturen im Rahmen der Politikgestaltung sicherzustellen; unterstützt vor diesem Hintergrund die Forderung nach einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern in der EU-Delegation und den nationalen Delegationen für die COP 26;

31.   

fordert erneut, dass Umwelt- und Klimaschutzerwägungen im Rahmen der Außenbeziehungen und insbesondere der Handelspolitik der EU besser berücksichtigt werden sollten; hebt außerdem die Bedeutung des Peer-to-Peer-Erfahrungsaustauschs auf Plattformen für territoriale Zusammenarbeit wie ARLEM und CORLEAP sowie im Rahmen von Städtepartnerschaften hervor. Der Klimaschutz sollte weiterhin als strategische Priorität der EU-Diplomatie verfolgt werden, um Drittländer dabei zu unterstützen, ehrgeizige Maßnahmen zur Verwirklichung von Klimaneutralität und zur Erreichung der Ziele des Übereinkommens von Paris anzunehmen und durchzuführen;

32.   

ist der Auffassung, dass ein mit den WTO-Regeln zu vereinbarendes CO2-Grenzausgleichssystem den Übergang zur Klimaneutralität weltweit voranbringen könnte und dass eine klare Rolle der LRG darin besteht, durch subnationale Klimadiplomatie einen Beitrag zu diesem Prozess zu leisten;

33.   

unterstützt voll und ganz die wichtigsten Maßnahmen, die nach dem UN-Klimaschutzpfad für menschliche Siedlungen (Human Settlements Climate Action Pathway) (6) von den nationalen Regierungen und Finanzinstituten als Voraussetzungen für lokalen Klimaschutz ergriffen werden sollten;

34.   

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament, dem slowenischen Ratsvorsitz der Europäischen Union sowie dem Präsidenten des Europäischen Rates zu übermitteln.

Brüssel, den 13. Oktober 2021

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(1)  Der vollständige Bericht ist abrufbar unter https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/downloads/report/IPCC_AR6_WGI_Full_Report.pdf.

(2)  15. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt.

(3)  Stellungnahme des AdR „Ein klimaresilientes Europa aufbauen die neue EU-Strategie für die Anpassung an den Klimawandel“ (COR-2021-01903).

(4)  Sowohl städtische Mechanismen für umweltverträgliche Entwicklung (CDM)/Emissionshandelssysteme (Artikel 6 Absatz 4 zu marktbasierten Mechanismen) als auch nachhaltige, integrierte Raum- und Stadtentwicklung (Artikel 6 Absatz 8 zu nicht marktbasierten Mechanismen). Artikel 6 des Übereinkommens von Paris.

(5)  https://unfccc.int/gender

(6)  Partnerschaft von Marrakesch für weltweiten Klimaschutz, 2021.


STELLUNGNAHMEN

Ausschuss der Regionen

146. Plenartagung des AdR – Hybrid-Sitzung, Videokonferenz über Interactio, 12.10.2021-14.10.2021

4.2.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 61/9


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — EU-Strategie für die Rechte des Kindes und Europäische Kindergarantie

(2022/C 61/03)

Berichterstatter:

Jari ANDERESSON (FI/EVP), Mitglied einer Versammlung der lokalen Ebene: Gemeinderat von Sastamala

Referenzdokumente:

Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Einführung einer Europäischen Garantie für Kinder

COM(2021) 137 final

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — EU-Kinderrechtsstrategie

COM(2021) 142 final

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen und der Armutsbekämpfung spielen und von der Kommission und den Mitgliedstaaten daher in die Umsetzung der Mitteilung der Europäischen Kommission über eine EU-Kinderrechtsstrategie und des Vorschlags für eine Empfehlung des Rates zur Einführung einer europäischen Garantie für Kinder einbezogen werden müssen;

2.

erinnert daran, dass sich der Europäische Ausschuss der Regionen bereits früher zur Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Bekämpfung der Kinderarmut und der Förderung der Rechte des Kindes geäußert hat;

3.

betont, dass die Mitgliedstaaten ausreichend Informationen darüber erhalten, wie die bestehenden europäischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut und zur Förderung der Rechte des Kindes auf lokaler und regionaler Ebene umgesetzt werden;

4.

ist bereit, sich künftig gemeinsam mit der Europäischen Kommission, dem Rat, der Zivilgesellschaft, mit Kinderrechtsorganisationen und anderen Interessenträgern an Dialogen und der Zusammenarbeit im Bereich Kinder- und Jugendpolitik teilzunehmen;

Allgemeine Bemerkungen

5.

begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Empfehlung des Rates zur Einführung einer europäischen Kindergarantie und die Mitteilung über eine EU-Kinderrechtsstrategie, mit denen ein wirksamer Beitrag zu den Bemühungen der Mitgliedstaaten, Regionen und Kommunen zur Verringerung der Kinderarmut und zur Verbesserung der Kinderrechte in einer gerechteren und inklusiveren Union sowie in den einzelnen Regionen und Städten geleistet werden soll. Der Subsidiaritätsgrundsatz ist dabei zu achten;

6.

betont, dass ein Kind in erster Linie ein Kind ist — unabhängig von seiner ethnischen Herkunft, seinem Geschlecht, seiner Staatsangehörigkeit, seinem sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund, seinen Fähigkeiten oder seinem Wohnort —, und dass das Wohl des Kindes in allen Strategien, Verfahren und Maßnahmen, die Kinder auf allen Ebenen betreffen, berücksichtigt werden muss. Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die Rechte des Kindes in allen internen und externen Politikbereichen, Maßnahmen und Programmen der Union, die sich direkt oder indirekt auf Kinder auswirken, im Sinne des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Vorrang haben und entsprechend berücksichtigt werden und dass kohärente Entscheidungen getroffen werden;

7.

weist darauf hin, dass jedes Kind vom ersten Lebensjahr an das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard und Chancengleichheit im Sinne des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union haben muss. Die Stärkung der sozioökonomischen Inklusion von Kindern und ihren Familien ist von entscheidender Bedeutung, damit sich Armut und Benachteiligung nicht von einer Generation auf die andere überträgt. Zu diesem Zweck sind die Bereitstellung eines angemessenen Sozial- und Gesundheitsschutzes und einer angemessenen Unterstützung sowie die Gewährleistung des Zugangs zu hochwertiger Bildung, Ausbildung und Beschäftigung für die Familien von größter Bedeutung;

8.

fordert die Mitgliedstaaten auf, angemessene und ausreichende finanzielle Unterstützung bereitzustellen, um die wirksame Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1989 über die Rechte des Kindes zu gewährleisten, und weiterhin gegen strukturelle Ungleichheiten vorzugehen;

9.

unterstreicht die Bedeutung eines koordinierten Vorgehens der Behörden auf supranationaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene, um die mit den Initiativen der Europäischen Kommission angestrebten Ziele wirksam umzusetzen;

10.

erinnert daran, wie wichtig es ist, eng mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zusammenzuarbeiten, den Dialog mit den lokalen Gemeinschaften zu fördern, um den Schutz der Kinderrechte zu stärken, und Informations- und PR-Kampagnen auf lokaler und regionaler Ebene zu organisieren mit dem Ziel, mit finanzieller Unterstützung der Union das Bewusstsein der Gesellschaft im Allgemeinen und besonders der Kinder für ihre Rechte zu schärfen;

Kindergarantie

11.

weist darauf hin, dass die Armut bekämpft und die soziale Inklusion verschiedener ethnischer Gruppen und marginalisierter Gemeinschaften vorangetrieben werden muss, um einen wirksamen Schutz der Kinderrechte zu gewährleisten, denn Armut und soziale Ausgrenzung können die Zukunftschancen der Kinder und ihrer Familien erheblich einschränken;

12.

macht darauf aufmerksam, dass die in diesem Zusammenhang zu ergreifenden besonderen Maßnahmen vorrangig auf die schutzbedürftigsten Kinder ausgerichtet sein müssen. Jedem Kind muss eine hochwertige Bildung geboten werden, damit alle Kinder die gleichen Chancen haben, ihr Potenzial voll zu entfalten;

13.

unterstreicht die Notwendigkeit, bewährte Verfahren zu ermitteln, um Kinderarmut zu verringern, und den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen für Kinder und die Durchsetzung der Kinderrechte zu verbessern; schlägt in diesem Zusammenhang vor, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften überall in der EU an der Sensibilisierung der Öffentlichkeit und an der Verbreitung bewährter Verfahren zu beteiligen; empfiehlt, zu diesem Zweck internationale, nationale und regionale Konferenzen und Informationsbesuche zu veranstalten;

14.

begrüßt den Vorschlag zum Aufbau eines Netzwerks der Europäischen Union für die Rechte des Kindes, an dem nationale Vertreter, internationale und nichtstaatliche Organisationen, Vertreter lokaler und regionaler Behörden sowie Kinder beteiligt sind. Das Netz hat die Aufgabe, den Dialog und das wechselseitige Lernen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten über die Rechte des Kindes zu stärken und die Umsetzung, Überwachung und Bewertung der EU-Kinderrechtsstrategie zu unterstützen;

15.

begrüßt, dass die Mitgliedstaaten, in denen der Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Kinder über dem EU-Durchschnitt liegt, 5 % der Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds+ für die Bekämpfung von Kinderarmut bereitstellen müssen;

16.

fordert alle Mitgliedstaaten — nicht nur diejenigen, die am stärksten von Kinderarmut betroffen sind — dazu auf, ausreichende Mittel zur Unterstützung der Empfehlungen der Europäischen Kindergarantie bereitzustellen; hebt in diesem Sinne die positiven Auswirkungen der Unterstützungszahlungen für Familien mit Kindern als wirksames Mittel zur Bekämpfung der Kinderarmut hervor. Ziel sollte die Entwicklung eines umfassenden Investitionsökosystems für die Kinder in Europa sein, das auf der Kindergarantie, der Aufbau- und Resilienzfazilität, den Strukturfonds und nationalen Ressourcen aufbaut, um die wirksame Erbringung hochwertiger und inklusiver Dienstleistungen für alle Kinder zu verbessern;

17.

weist darauf hin, dass Unternehmen und soziales Unternehmertum eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Europäischen Kindergarantie spielen können und dass in den Kapazitätsaufbau, den Zugang zu Finanzmitteln und die unternehmerische Bildung investiert werden muss. Von entscheidender Bedeutung für die Umsetzung der Europäischen Kindergarantie ist auch der Aufbau von Bildungseinrichtungen und Sozialhilfesystemen in weniger entwickelten Mitgliedstaaten mit Hilfe von EU-Mitteln;

18.

begrüßt die Ziele der EU in den Bereichen Beschäftigung, Kompetenzen und Sozialschutz, einschließlich der Ziele in Bezug auf die Kinderarmut; erinnert daran, dass die Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte in der gemeinsamen Verantwortung der EU-Institutionen, der nationalen, regionalen und lokalen Behörden und der Sozialpartner liegt;

19.

befürwortet den Vorschlag, in jedem Mitgliedstaat einen nationalen Koordinator für die Kindergarantie (z. B. einen Bevollmächtigten für Kinderangelegenheiten) zu benennen, der mit angemessenen Ressourcen und einem entsprechenden Mandat ausgestattet ist, um die Kinderstrategie und die Fragen im Zusammenhang mit der Kindergarantie zu fördern, zu koordinieren und zu überwachen;

EU-Strategie für die Rechte des Kindes

20.

begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission zur Erstellung einer neuen umfassenden Strategie für die Rechte des Kindes;

21.

weist darauf hin, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in Europa besonders gut in der Lage sind, positive Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte von Kindern, der Förderung ihrer Entwicklung in einem Schutz, Respekt und gute Behandlung gewährleistenden Umfeld sowie zu ihrem Schutz vor jeglicher Form von Gewalt, einschließlich Missbrauch und Vernachlässigung, zu ergreifen. Es gilt, die Zusammenarbeit und wirksamere Partnerschaften zwischen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf europäischer Ebene und insbesondere den Austausch bewährter Verfahren zu fördern;

22.

fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eine angemessene Finanzausstattung der EU-Kinderrechtsstrategie zu gewährleisten, um die Umsetzung der in der Strategie festgelegten Prioritäten mit Mitteln aus EU-Fonds, externer Finanzierung sowie den nationalen Haushalten ausreichend zu unterstützen;

23.

schlägt vor, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und unter Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und spezialisierter Einrichtungen auf lokaler und regionaler Ebene einen Fahrplan und einen präziseren Zeitplan für die Umsetzung der Initiative aufzustellen;

Sozialer Schutz

24.

begrüßt die Zusage der Kommission, eine Initiative zur Unterstützung der Entwicklung und Stärkung integrierter Maßnahmen zum Schutz von Kindern vorzulegen. Mit dieser Initiative werden alle zuständigen Behörden und Dienste dazu angehalten, in diesem Bereich besser zusammenzuarbeiten;

25.

fordert die zuständigen nationalen Behörden auf, für wirksame und zugängliche Sozial- sowie Kinder- und Jugendschutzsysteme zu sorgen, die ein Sicherheit, gute Behandlung und Inklusion gewährleistendes Umfeld bieten, und dabei den Schwerpunkt auf Präventivmaßnahmen, frühzeitiges Eingreifen und Unterstützung schutzbedürftiger Familien zu legen;

26.

weist darauf hin, dass Kinder im Rahmen des nächsten Europäischen Semesters gebührend berücksichtigt werden müssen;

27.

fordert die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsgrundsatzes gemäß Art. 165 AEUV nachdrücklich auf, allen Kindern gleichberechtigten Zugang zu hochwertiger und inklusiver frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung (FBBE) zu garantieren, um die Barcelona-Ziele bezüglich der Teilnahme zu erreichen, und die FBBE von einem nachfrageorientierten Dienst zu einem im europäischen Recht verankerten gesetzlichen und sozialen Anspruch für jedes Kind zu machen;

Bildung

28.

fordert die Mitgliedstaaten zudem auf, für alle Kinder unabhängig von ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Staatsangehörigkeit, Aufenthalts- oder Einwanderungsstatus, Geschlecht oder sexueller Ausrichtung den gleichberechtigten Zugang zu hochwertiger Bildung sicherzustellen. Er fordert geeignete Maßnahmen, um die Ursachen für das Fernbleiben vom Unterricht und für Schulabbrüche anzugehen und zu bekämpfen;

29.

betont die Bedeutung einer Mindestschwelle für einen voll bezahlten Elternurlaub und Kindergeld. Der Elternurlaub könnte in separate Ansprüche für jeden Elternteil aufgeteilt werden und eine flexible Inanspruchnahme des Urlaubs, auch im späteren Kindesalter, ermöglichen;

30.

betont, dass sowohl die Verbesserung der Qualität der Erstausbildung als auch die Weiterbildung von Lehrkräften, Erziehern und Erzieherinnen sowie weiteren einschlägigen Fachkräften für die Bildung, das Wohlergehen und die Inklusion aller Kinder entscheidend sind; betont zudem die Notwendigkeit einer angemessenen, langfristig stabilen und bedarfsorientierten Finanzierung von Schulen und Kitas, die auch die Überlebensfähigkeit kleinerer Schulen im ländlichen Raum garantiert; zusätzlich können Bildungszuschüsse für Kinder mit niedrigem sozioökonomischen Status zum Einsatz kommen;

31.

sieht das Verhindern des Auseinanderdriftens der Schulqualität innerhalb von Mitgliedstaaten und innerhalb der Union als eine zentrale Zielsetzung an;

32.

begrüßt den Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zum Blended Learning für eine hochwertige und inklusive Primar- und Sekundarschulbildung sowie für eine Empfehlung des Rates für Wege zum schulischen Erfolg („Pathways to School Success“) mit dem Ziel, dass Bildungsniveau und -leistungen weniger vom sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Status abhängig sein sollen; unterstützt die Aufforderung der Europäischen Kommission an die Mitgliedstaaten, einen wirksamen, gleichberechtigten Zugang zu digitalen Instrumenten und Hochgeschwindigkeits-Internetverbindungen, Digitalkompetenzen, barrierefreien Online-Bildungsmaterialien und barrierefreien Bildungsinstrumenten für alle Kinder zu gewährleisten; betont gleichzeitig die Notwendigkeit, in die Strategie auch die Bereitstellung von Geräten und eine nachschulische Betreuung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen, die in Armut, in marginalisierten Gemeinschaften (z. B. Migranten- und Roma-Kinder) oder in abgelegenen und ländlichen Gebieten leben, sowie eine Hinführung zu und Ausbildung in digitalen Technologien für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche und deren Familien einzubeziehen; spricht sich dafür aus, öffentlich Mittel zur Finanzierung einer digitalen Ausrüstung für die betroffenen Kinder bereitzustellen;

33.

regt den Aufbau von gut ausgestatteten „Talentschulen“ an, insbesondere in Regionen mit großen sozialen Herausforderungen;

34.

betont, dass Online-Unterricht niemals ein dauerhafter Ersatz für Präsenzunterricht sein darf, insbesondere wenn die entsprechende Technologie nur begrenzt zur Verfügung steht. Präsenzunterricht hat große Bedeutung für die soziale Interaktion, hochwertiges Lernen und die Entwicklung;

35.

betont, wie wichtig es ist, dass junge Menschen Fähigkeiten entwickeln, um ein unabhängiges Leben zu führen, und dass Ausbilder und Lehrkräfte durch Zuschussprogramme geschult werden;

36.

betont, dass das Funktionieren der sozialen Dienste für junge Menschen, die aus dem Kinderschutzsystem herausfallen, sichergestellt werden muss, indem ihnen Wohnbeihilfen, Ausbildung und Unterstützung für ein eigenständiges Leben gewährt werden, damit sie sich sozial und beruflich integrieren können;

37.

weist darauf hin, dass Entwicklungszentren und kostenlose Förderprogramme für talentierte Kinder, die unter schwierigen Bedingungen leben und zum Lernen bereit sind, erforderlich sind;

38.

betont, dass Bildungseinrichtungen in der Lage sein sollten, grundlegende Dienstleistungen anzubieten, durch die ein angemessener (sowohl physischer als auch psychischer) Gesundheitszustand der Kinder, die diese Bildungseinrichtungen besuchen, gewährleistet werden soll;

Gewalt durch und gegen Kinder

39.

fordert die Europäische Union, ihre Mitgliedstaaten und Regionen zu verstärkten Anstrengungen auf, um alle Formen von Gewalt und Diskriminierung gegenüber Kindern zu beenden, einschließlich körperlicher, sexueller, wirtschaftlicher und psychischer Gewalt, Missbrauch, Vernachlässigung, Misshandlung, Online-Gewalt, Zwangsheirat, Menschenhandel mit Migrantenkindern, Peinigung, Ehrenmorde, Genitalverstümmelung, Inzest, Schulabbruch und Einsatz von Kindern als Soldaten;

40.

stellt fest, dass in der EU-Kinderrechtsstrategie alle legislativen und nichtlegislativen Initiativen, die die Rechte von Kindern betreffen, berücksichtigt werden müssen, um beim Schutz von Kindern vor Gewalt, Menschenhandel und Ausbeutung die erforderliche Kohärenz zu gewährleisten; fordert die Kommission zudem auf, einen genauen Zeitplan für die jeweiligen Vorschläge vorzulegen und die ordnungsgemäße Umsetzung der Empfehlungen sicherzustellen;

41.

betont, wie wichtig es ist, in der EU und den Mitgliedstaaten präventive Ansätze zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder in jeglicher Form zu entwickeln, unter anderem durch die Förderung einer guten Behandlung und die Schaffung eines schützenden Umfelds in allen Lebensbereichen der Kinder und Jugendlichen. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sowie spezialisierte Einrichtungen auf lokaler und regionaler Ebene müssen in die Entwicklung präventiver Konzepte auf nationaler Ebene einbezogen werden;

Kindergesundheit

42.

fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, wahrheitsgetreue Informationen über die Impfung zu fördern, um das Vertrauen in die Impfstrategie zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Gesundheit der Kinder nicht durch die Folgen der Desinformation gefährdet wird;

43.

begrüßt die Aufbau- und Resilienzstrategie, mit der eine rasche und inklusive Erholung von der COVID-19-Pandemie gefördert wird;

44.

weist auf die Notwendigkeit hin, eine spezifische Bewertung der Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen durchzuführen, die Investitionen in die psychische Gesundheitsversorgung zu erhöhen sowie Strategien zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor psychischen Erkrankungen zu konzipieren;

Kinderrechte und Migration

45.

weist darauf hin, dass es eine kindeswohlorientierte Justiz mit geeigneten und inklusiven Verfahren geben muss, die den besonderen Bedürfnissen von Kindern Rechnung trägt, und betont, dass das Recht des Kindes auf Anhörung, auf Information in klarer, einfacher Sprache, die für die Kinder leicht verständlich und ihrem Alter, ihrem Begriffsvermögen und ihrem Entwicklungsstand angepasst ist, und erforderlichenfalls auf Unterstützung durch einen gesetzlichen Vertreter zu gewährleisten ist;

46.

begrüßt, dass die Kommission die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung wirksamer und tragfähiger Alternativen zur Ingewahrsamnahme von Kindern in Migrationsverfahren unterstützen will;

47.

betont, wie wichtig es ist, minderjährigen Opfern häuslicher Gewalt zu helfen, indem ihr Zugang zu psychosozialen Gesundheitsdiensten erleichtert wird, sodass sie sich leichter erholen und ihr psychisches Wohlbefinden wiedererlangen können. Diese Dienste müssen auch eingreifen, wenn Minderjährige gewalttätig werden, und es muss für die leichtere Wiedereingliederung gewalttätiger Jugendlicher Sorge getragen werden;

48.

ist entschieden dagegen, dass Kinder aus Migrationsgründen in Gewahrsam genommen werden. Das Kindeswohl muss stets im Vordergrund stehen;

49.

fordert, dass Kinder in allen Phasen solcher Verfahren unter direkter Aufsicht der zuständigen Behörde und/oder des zuständigen Dienstes stehen müssen, die mit ihrem Schutz betraut sind;

50.

begrüßt die Zusage der Europäischen Kommission, darauf hinzuwirken, dass es in den Lieferketten von EU-Unternehmen keine Kinderarbeit gibt, insbesondere durch eine Gesetzgebungsinitiative zur nachhaltigen Unternehmensführung; fordert ein Einfuhrverbot für Erzeugnisse, die durch Kinderarbeit hergestellt wurden;

51.

betont, wie wichtig es ist, die soziale Inklusion unbegleiteter minderjähriger Migrantinnen und Migranten zu fördern sowie Rassismus und Diskriminierung, denen sie ausgesetzt sind, zu bekämpfen;

Anhörung und Einbeziehung von Kindern in sie betreffende Angelegenheiten und Entscheidungen

52.

weist erneut darauf hin, dass alle Kinder die Möglichkeit einer Beteiligung an den ihr Leben betreffenden Entscheidungen und einer alters- und reifegerechten Anhörung im Sinne des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union haben müssen;

53.

betont, wie wichtig es ist, Präventionsmaßnahmen zu entwickeln, um insbesondere dem Konsum von Alkohol, Tabak und Drogen durch junge Menschen entgegenzuwirken; empfiehlt in diesem Zusammenhang, lokale Behörden, Bildungseinrichtungen und spezialisierte Einrichtungen in die Konzipierung von Präventionsmaßnahmen und die Sensibilisierung für die Gefahren des Alkohol-, Tabak- und Drogenkonsums einzubeziehen;

54.

betont, dass das Bewusstsein für die Rechte des Kindes geschärft und die inklusive Teilhabe von Kindern an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen gefördert werden müssen;

55.

begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission, die inklusive und systematische Teilhabe von Kindern auf lokaler, nationaler und EU-Ebene durch die Einrichtung eines Forums für die Beteiligung von Kindern zu fördern und zu verbessern;

56.

appelliert an die Mitgliedstaaten und Regionen, angemessene Ressourcen für neue und bestehende Verfahren für die Teilhabe von Kindern auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene einzuführen, zu verbessern und bereitzustellen;

57.

fordert die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten auf, den Dialog zwischen den nationalen Verantwortlichen und den jungen Menschen stärker zu fördern; schlägt in diesem Zusammenhang vor, in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden gemeinsame Workshops zu veranstalten mit dem Ziel, junge Menschen in die Beschlussfassung einzubeziehen und ihre Ansichten zu den politischen Entwicklungen, die sie unmittelbar betreffen, zu berücksichtigen;

58.

begrüßt, dass vor Kurzem mit Biliana Sirakova erstmalig eine europäische Jugendkoordinatorin ernannt worden ist, wie es die Europäische Kommission in der EU Jugendstrategie 2019-2027 vorgeschlagen hat; bekräftigt seine Forderung, die Zusammenarbeit zwischen dem AdR und dem EU-Jugendkoordinator auf eine formale Grundlage zu stellen und regelmäßige Treffen zwischen ihnen abzuhalten (1);

SCHLUSSFOLGERUNGEN

59.

fordert, dass mindestens fünf Prozent der ESF+-Mittel unter geteilter Mittelverwaltung für die Unterstützung von Maßnahmen im Rahmen der Europäischen Kindergarantie bereitgestellt werden und dass ein wirksames Investitionsökosystem für die Kinder in Europa geschaffen wird, das mit EU-Mitteln und nationalen Mitteln finanziert wird. In jedem Mitgliedstaat sollte ein nationaler Koordinator für die Kindergarantie ernannt werden, der über die notwendigen Befugnisse verfügt, um die Kinderstrategie und Fragen im Zusammenhang mit der Kindergarantie voranzutreiben, zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten. Alle Kinder müssen im Sinne des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union die Möglichkeit einer Beteiligung an den ihr Leben betreffenden Entscheidungen und einer alters- und reifegerechten Anhörung haben;

60.

fordert, die wichtige Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Bekämpfung von Kinderarmut und beim Schutz von Kindern vor jeglicher Form von Gewalt sowie ihre entscheidende Rolle bei der Verhinderung von Ausgrenzung und sozialer Marginalisierung anzuerkennen. Dies ist insbesondere bei den lokalen Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie deutlich geworden. Viele Regionen, Städte und Gemeinden haben rasch gehandelt und Maßnahmen gegen die Kinderarmut ergriffen, indem sie beispielsweise bedürftigen Familien auf vielfältige Weise Nahrungsmittelhilfe gewährt haben;

61.

weist darauf hin, dass sich die Mitgliedstaaten und anderen Akteure auf eine ganze Reihe neuer postpandemischer Herausforderungen vorbereiten müssen, nachdem sich die Lebensbedingungen vieler Kinder und Familien verändert haben. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sind für die Bereitstellung gezielter Basisdienstleistungen zuständig und bilden damit bei der Umsetzung der Europäischen Kindergarantie die entscheidende Schnittstelle. Daher müssen sie als wichtige Partner in die Entwicklung und Umsetzung der Kindergarantie, der Förderung der Multi-Level-Governance und der Festlegung gemeinsamer Verantwortung und koordinierter Strategien auf lokaler, nationaler und EU-Ebene einbezogen werden.

Brüssel, den 12. Oktober 2021

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(1)  Stellungnahme des AdR zum Thema „Europäisches Solidaritätskorps und die neue EU-Strategie für die Jugend“, COR-2018-03892-00-00-AC-TRA.


4.2.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 61/15


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Wirksame Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Ausarbeitung der Partnerschaftsvereinbarungen und operationellen Programme für den Zeitraum 2021-2027

(2022/C 61/04)

Berichterstatter:

Juraj DROBA (SK/EKR), Vorsitzender des Bezirks Bratislava

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

weist darauf hin, dass die Kohäsionspolitik als wichtigstes Investitionsinstrument der EU in erster Linie auf die Verringerung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Gefälles zwischen den Regionen der EU und zur Lösung struktureller Probleme in den betroffenen Gebieten (darunter Beschäftigung, Schutz bestehender Arbeitsplätze, Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftswachstum, Bewältigung des Klimawandels, nachhaltige Mobilität und soziale Ausgrenzung) ausgerichtet ist; betont gleichzeitig, dass die Regionen, Städte und Gemeinden für die allseitige und nachhaltige Entwicklung ihres Gebiets verantwortlich sind und daher mit den erforderlichen finanziellen Mitteln ausgestattet werden sollten, um diese Aufgabe erfüllen zu können;

2.

unterstreicht, dass der Mehrwert der Kohäsionspolitik über deren nachweislich positive wirtschaftliche, soziale und territoriale Auswirkungen hinausgeht, da sie mit dem Engagement der Mitgliedstaaten und Regionen für die Stärkung der europäischen Integration verknüpft ist;

3.

erinnert daran, dass die kohäsionspolitischen Rechtsvorschriften der EU die Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in alle Phasen der Programmplanung — von der Planung über die Umsetzung bis zur Überwachung und Bewertung — erfordern; hält es für wesentlich, die Gebietskörperschaften im Rahmen der Programmplanung umfassend in die Bedarfsanalyse und die Ermittlung von Maßnahmen zur Vorbereitung von Partnerschaftsvereinbarungen und thematischen operationellen Programmen einzubeziehen, um die spezifischen Herausforderungen in den Regionen zu bewältigen und die kohäsionspolitischen Ziele zu verwirklichen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass bei der Erstellung dieser Dokumente den Erfordernissen vor Ort nicht entsprochen wird;

4.

betont, dass die wichtigsten Regeln für die Beteiligung von Partnern im „Europäischen Verhaltenskodex für Partnerschaften im Rahmen der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds“ (1) (Europäischer Kodex) verankert sind, der auch im neuen Programmplanungszeitraum gilt;

5.

stellt fest, dass die strategische Planung die Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung der Kohäsionspolitik bildet. Ihre wichtigsten Dokumente sind Partnerschaftsvereinbarungen und operationelle Programme, die strategische Prioritäten einschließlich der Mittelzuweisung und der vorgeschlagenen Maßnahmen enthalten und die Entwicklung der Regionen im nächsten Jahrzehnt maßgeblich beeinflussen werden;

6.

fordert die umgehende Annahme der wichtigsten Strategiepapiere für den neuen Programmplanungszeitraum mit dem Ziel, möglichst bald mit der eigentlichen Umsetzung zu beginnen;

7.

begrüßt, dass der slowenische EU-Ratsvorsitz das Thema Partnerschaft im Rahmen der ESI-Fonds im Sinne der besseren Umsetzung weiter beleuchten möchte und bekundet seine Kooperationsbereitschaft;

Anwendung der Grundsätze der Partnerschaft und der Multi-Level-Governance

8.

unterstreicht, dass das Partnerschaftsprinzip und das Modell des Mehrebenenregierens, die beide auf der verstärkten Zusammenarbeit von Behörden mit Wirtschafts- und Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft beruhen, wirksam dazu beitragen können, die politischen Ziele und Erfolge der EU besser zu vermitteln;

9.

erinnert daran, dass es sich bei dem partnerschaftlichen Ansatz um einen partizipativen und kollektiven Prozess der Einbeziehung europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Behörden sowie einschlägiger sozioökonomischer Partner und Vertreter der Zivilgesellschaft handelt;

10.

weist darauf hin, dass die Anwendung der Grundsätze der Partnerschaft und der Multi-Level-Governance dazu beiträgt, den Bedarf besser zu ermitteln, das gemeinsame Engagement für die Verwirklichung der Ziele und die Eigenverantwortung der beteiligten Partner zu stärken und die Komplementarität mit anderen Instrumenten zu verbessern. Außerdem schafft es Unterstützung für das gemeinsame europäische Projekt, indem vermittelt wird, wie die Kohäsionspolitik zur Lösung lokaler Probleme beiträgt. Dadurch wird die EU den Menschen nähergebracht und das Demokratiedefizit abgebaut;

11.

ist der Auffassung, dass eine eingehende Gebietsanalyse durch die jeweilige Gebietskörperschaft den Ausgangspunkt für eine korrekte Programmgestaltung bildet. Darüber hinaus verbessert die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der verschiedenen Regierungsebenen die Synergien zwischen ihren politischen Strategien und vermeidet Doppelarbeit und widersprüchliche Ansätze vor Ort;

12.

betont, dass die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften durch die Vorbereitung und Umsetzung mehrerer Programmplanungsperioden bereits vielfältige Erfahrungen sammeln konnten. Auf ihnen muss im Einklang mit dem Partnerschaftsprinzip aufgebaut werden, um den neuen Programmplanungszeitraum besser zu gestalten. Allerdings erinnert der AdR daran, dass die Grundsätze der Partnerschaft und des Mehrebenenregierens erfahrungsgemäß von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich eingehalten werden und die Zentralregierungen nicht immer inklusiv vorgehen;

13.

stellt fest, dass es in dezentralisierten Ländern oder Bundesstaaten mit etablierten Kooperationsmechanismen grundsätzlich feste Formen der Partnerschaft gibt, die jedoch noch verbesserungswürdig sind, während die Mitsprache der Gebietskörperschaften in kleineren Einheitsstaaten häufig begrenzt bleibt. Gleichzeitig herrscht in vielen Ländern das Gefühl vor, dass die Beteiligung der Regionen, Städte und Gemeinden an der Programmplanung mit zunehmendem Abstand von der Hauptstadt sinkt; fordert alle Mitgliedstaaten der EU auf, das Mehrebenenregieren so umzusetzen, dass alle lokalen und regionalen Gebietskörperschaften davon profitieren;

14.

ist tief besorgt darüber, dass das Partnerschaftsprinzip nicht in allen Mitgliedstaaten ordnungsgemäß angewendet werden kann. Die Verhandlungen über Partnerschaftsvereinbarungen und operationelle Programme haben gezeigt, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zwar in den meisten Fällen konsultiert wurden, ihre Einbeziehung jedoch nicht mit einer umfassenden Partnerschaft im Sinne des Europäischen Verhaltenskodexes für Partnerschaften gleichzusetzen ist;

15.

bedauert, dass es in einigen Mitgliedstaaten bei der Öffnung eines Raums für Dialog und Kommunikation im Hinblick auf die Festlegung der regionalen Strategiedokumente für den Programmplanungszeitraum 2021-2027 kaum Fortschritte gegeben hat. In einigen Fällen ist selbst die Mittelausstattung der Strukturfonds für die operationellen Programme noch nicht bekannt;

16.

zeigt sich besorgt angesichts der wichtigsten Erkenntnisse einer Studie (2), wonach sich die Einbeziehung der Partner in die Vorbereitung des neuen Programmplanungszeitraums im Vergleich zum Programmplanungszeitraum 2014-2020 nur geringfügig verbessert hat und die Art und Weise, wie die Partnerschaft umgesetzt wird, nur unwesentlich verändert wurde, sodass sie hinter ihrem Potenzial zurückbleibt; ist ebenso besorgt über die Feststellung, dass relativ viele Gebietskörperschaften zwar über öffentliche Konsultationen eingebunden werden, sich aber nicht direkt an der Ausarbeitung strategischer Dokumente beteiligen können. In denjenigen Ländern, in denen das Partnerschaftsprinzip noch nicht richtig etabliert ist, sondern eher als eine Formsache gesehen wird, sollte die Europäische Kommission auch dabei helfen, die entsprechenden Verfahren zu überprüfen, um die Partnerschaften auf den richtigen Weg zu bringen;

17.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die kohäsionspolitischen Fördermaßnahmen der EU durch weitere Vereinfachungen und die Begrenzung der Überregulierung attraktiver zu machen. Ferner sollte die Kommission prüfen, ob die Komplexität und gegebenenfalls die Zahl der Verordnungen und Leitlinien verringert werden könnten;

18.

ist der Ansicht, dass eine vollwertige Partnerschaft nicht durch Vorschriften oder rechtliche Regelungen angeordnet werden kann. Sie entsteht vielmehr durch einen langfristigen Dialog, der auf gegenseitigem Vertrauen, Respekt, politischer Kultur und dem aufrichtigen Interesse der Beteiligten an den besten Lösungen für das jeweilige Gebiet beruht; weist darauf hin, dass dieser langfristige und vertrauensvolle Dialog auch einen klaren und verlässlichen Rechts- und Handlungsrahmen erfordert, für den auch die Europäischen Institutionen Verantwortung tragen;

19.

bedauert, dass die Verordnung über die Aufbau- und Resilienzfazilität nicht die Anwendung des Verhaltenskodex vorschreibt, sondern lediglich empfiehlt, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften einzubeziehen. Das hat dazu geführt, dass die Ausarbeitung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne hinter verschlossenen Türen, unter sehr geringer Beteiligung und ohne nennenswerte Beiträge der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften stattgefunden hat, wodurch ihre Absorptions- und Ausführungskapazität in Frage gestellt wird. Dadurch bleibt den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften de facto lediglich die Umsetzung der von den Mitgliedstaaten in Bezug auf ihre eigenen Zuständigkeiten getroffenen Entscheidungen.

20.

weist darauf hin, dass das Potenzial der Partnerschaft in mehreren Ländern nur unzureichend ausgeschöpft und beachtet wird, und wünscht sich Beispiele für bewährte Verfahren, um die wirksame Einbeziehung der Akteure zu ermöglichen. Bedauerlich ist auch, dass die Regierungen mehrerer Mitgliedstaaten nicht offen für neue Wege zur Einbeziehung der Partner sind und sich mit der Fortführung eingefahrener Muster aus der Vergangenheit begnügen. Die Umsetzung einer wirksamen Partnerschaft wird dadurch behindert. Der AdR begrüßt diesbezüglich die Absicht der Europäischen Kommission, die „Europäische Community of Practice für Partnerschaften“ zu erneuern, um Erfahrungen auszutauschen und Kapazitäten aufzubauen. Der AdR ist bereit, sich aktiv an dieser Initiative zu beteiligen;

21.

betont, dass die Mobilisierung der Akteure, die Stärkung ihrer Kapazitäten und die Berücksichtigung ihrer Sichtweise nach wie vor die größte Herausforderung für die Umsetzung der Partnerschaft ist. Der AdR bedauert, dass etliche Einwände der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften aus dem vorigen Programmplanungszeitraum nicht berücksichtigt wurden und die Probleme bei der Mobilisierung von Partnern daher fortbestehen; fordert daher die Europäische Kommission auf, die Mitgliedstaaten nach den Gründen dafür zu fragen und konkrete Maßnahmen vorzulegen, um die Interessenträger im neuen Programmplanungszeitraum zu mobilisieren und zu stärken;

22.

ist der Ansicht, dass eine effiziente Gestaltung der Multi-Level-Governance nicht nur einen vertikalen Ansatz mit verschiedenen Regierungsebenen erfordert, sondern auch eine horizontale Dimension haben muss, an der relevante sozioökonomische Partner sowie Vertreter der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft mitwirken;

23.

weist darauf hin, dass die lokalen Gebietskörperschaften bei den Vorbereitungen häufig unterrepräsentiert sind, eine untergeordnete Rolle spielen oder gar nicht gehört werden. Die Gemeinden werden aufgrund ihrer großen Zahl in den Verhandlungen hauptsächlich durch ihre Dachverbände vertreten, denen somit eine wichtige Rolle im Vorbereitungsprozess zukommt. Die Verbände müssen jedoch über angemessene Kapazitäten verfügen, um einen effizienten Informationsfluss an die Städte und Gemeinden sicherzustellen, sodass diese über die laufenden Prozesse hinreichend unterrichtet sind und über ihre Verbände Einfluss nehmen können;

24.

betont, dass die Gebietskörperschaften maßgeblich in die Begleitausschüsse der operationellen Programme eingebunden werden müssen. Der AdR fordert die Verwaltungsbehörden auf, die Gebietskörperschaften auch umfassend in die Vorbereitung der Interreg-Programme einzubeziehen;

25.

fordert, dass das Partnerschaftsprinzip auch in neuen Instrumenten wie dem Fonds für einen gerechten Übergang, der Aufbau- und Resilienzfazilität und anderen neuen Instrumenten, die durch NextGenerationEU (NGEU) finanziert werden, vollständig umgesetzt wird; verweist auf die erheblichen Auswirkungen der Aufbau- und Resilienzfazilität auf die Kohäsionspolitik sowie auf die Gefahr möglicher Überschneidungen und Widersprüche zwischen diesen Instrumenten;

26.

fordert, dass das Partnerschaftsprinzip auch in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bei der Aufstellung und Umsetzung strategischer Pläne angewendet wird; dabei ist eine intensive Beteiligung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften insbesondere an den Interventionen des ELER vorzusehen; unterstreicht die Chancen, die die Anwendung des Partnerschaftsprinzips in der GAP bietet, insbesondere im Hinblick auf die Suche nach Synergien zwischen Projekten, die im Rahmen des EFRE und der zweiten Säule der GAP finanziert werden;

27.

betont die Bedeutung einer parallelen Diplomatie der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf europäischer Ebene und fordert die Europäische Kommission auf, sie in die Aushandlung der Partnerschaftsabkommen und operationellen Programme einzubeziehen, denn ihre Beiträge basieren auf konkreten Daten und der Kenntnis der Probleme vor Ort und können so zu einer wirksameren und realistischeren Prioritätensetzung in den strategischen Dokumenten beitragen;

28.

betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften ihre operationellen Programme so gestalten können, dass dem Gendermainstreaming im Einklang mit Artikel 16 Buchstabe f der Interinstitutionellen Vereinbarung eine wichtige Rolle zugemessen wird und der Absicht der Kommission entsprochen wird, Gendermainstreaming in den EU-Programmen zu verankern sowie die geplante Methode zur Bewertung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen in Folgenabschätzungen bis spätestens 1. Januar 2023 zu verwirklichen; fordert die Mitgliedstaaten und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, dies in allen Phasen der Programmplanung zu berücksichtigen;

29.

betont, dass unterschiedliche Zeitpläne für die Ausarbeitung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne und der Partnerschaftsvereinbarungen mitunter die wirksame institutionelle Koordinierung und die Suche nach Synergien behindern können. Die potenzielle Priorisierung von Finanzierungen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität auf Kosten der Kohäsionspolitik, die sich aus dem Druck zur raschen Ausführung und Inanspruchnahme ergibt, könnte sich negativ auf die Programmplanung und Umsetzung der Kohäsionspolitik 2021-2027 auswirken und sich in weiteren Verzögerungen und einer schlechteren Inanspruchnahme der Kohäsionsmittel niederschlagen; warnt vor der Gefahr einer ungleichmäßigen Erholung in den verschiedenen Gebieten Europas und vor der Zunahme der Ungleichheiten aufgrund des fehlenden territorialen Ansatzes bei der Aufstellung der mit der Aufbau- und Resilienzfazilität finanzierten Pläne; fordert daher die europäischen und nationalen Behörden auf, die Ausarbeitung von Partnerschaftsvereinbarungen und operationellen Programmen zu beschleunigen und die Synergien zwischen Partnerschaftsvereinbarungen und nationalen Aufbau- und Resilienzplänen zu stärken;

30.

fordert, dass den Gebietskörperschaften rechtzeitig vor den Arbeitssitzungen die entsprechenden Unterlagen übermittelt werden. Bedauerlicherweise wird den Partnern häufig zu wenig Zeit gegeben, um zu den Dokumenten Stellung zu nehmen, weshalb der AdR fordert, ihnen eine angemessene Frist einzuräumen, die der Bedeutung der zur Debatte stehenden Dokumente entspricht. Die Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften darf keinesfalls rein formaler Natur sein. Es sollten stets Rückmeldungen zu den vorgebrachten Bemerkungen gegeben werden;

31.

fordert die Kommission auf, die Anwendung des Partnerschaftsprinzips sowohl in informellen Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten als auch bei der Bewertung der Entwürfe von Partnerschaftsvereinbarungen und operationellen Programmen genau zu überwachen und Empfehlungen an die Mitgliedstaaten und die zuständigen Behörden zur Verbesserung der Partnerschaftsprozesse zu richten;

32.

schlägt einen gemeinsamen Workshop in Zusammenarbeit mit dem slowenischen EU-Ratsvorsitz vor mit dem Ziel, durch die Einbeziehung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und die Berücksichtigung ihrer Sichtweise die Vorbereitung und Umsetzung der kohäsionspolitischen Programme wirksamer zu gestalten. Weiterhin regt der AdR an, das Thema „Partnerschaft“ in den ESI-Fonds auch im Rahmen der Initiative „Bessere Rechtsetzung“ zu behandeln und auf die Tagesordnung der Ratstagungen zu setzen. So soll der Mehrwert der wirksamen Partnerschaft und des wirksamen Mehrebenenregierens bei der Vorbereitung und Umsetzung der kohäsionspolitischen Programme hervorgehoben und gleichzeitig deutlich gemacht werden, dass dieser Ansatz zur Verwirklichung gemeinsamer politischer Ziele der EU beiträgt und daher auch in anderen Politikbereichen angewendet werden sollte;

Europäischer Verhaltenskodex für Partnerschaften im Rahmen der europäischen Struktur- und Investitionsfonds

33.

betont, dass der europäische Verhaltenskodex für Partnerschaften von großer Bedeutung ist und dass das Partnerschaftsprinzip entscheidend dazu beiträgt, sich noch stärker gemeinschaftlich zur Kohäsionspolitik zu bekennen und die Eigenverantwortung in der Kohäsionspolitik zu fördern;

34.

erinnert daran, dass der Europäische Verhaltenskodex detaillierte Empfehlungen für die wirksame Umsetzung der Partnerschaft unter Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse der lokalen und regionalen Ebene enthält;

35.

erinnert daran, dass gemäß Artikel 6 der Delegierten Verordnung der Kommission eine ausgewogene Beteiligung der Partner an der Ausarbeitung von Partnerschaftsvereinbarungen und operationellen Programmen sowie die Einhaltung des Europäischen Verhaltenskodexes erforderlich ist. Der AdR fordert deshalb die zuständigen Behörden und zentralen Koordinierungsstellen auf, diese Anforderungen vollständig umzusetzen und die Partner über eine rein formelle Konsultation hinaus tatsächlich einzubeziehen;

36.

ist bestrebt, im Einklang mit seinen politischen Prioritäten für den Zeitraum 2020-2025 (3) die Umsetzung des Europäischen Verhaltenskodex bei der Ausarbeitung von Partnerschaftsvereinbarungen und operationellen Programmen genau zu überwachen; fordert die Kommission zudem auf, vor der Genehmigung der nationalen Partnerschaftsvereinbarungen und operationellen Programme zu prüfen, ob das Partnerschaftsprinzip wirksam angewendet wurde;

37.

stellt fest, dass das Partnerschaftsprinzip im Europäischen Verhaltenskodex für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 festgelegt wurde und daher nicht den neuen Instrumenten seit dem Ausbruch der Pandemie Rechnung trägt. Daher sollte es im Rahmen des Europäischen Verhaltenskodex gestärkt werden, wie es der AdR bereits in seinen früheren Stellungnahmen gefordert hat;

38.

fordert die umfassende Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Halbzeitüberprüfung des Programmplanungszeitraums 2021-2027. Der Prozess sollte auch eine Stellungnahme des AdR zu den Erfahrungen mit der Umsetzung in den ersten Jahren und den Erwartungen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in Bezug auf die Finanzausstattung und die technische Umsetzung für den Rest des laufenden Programmplanungszeitraums umfassen. Des Weiteren könnten die Erfahrungen mit der Anwendung der Empfehlungen des Europäischen Verhaltenskodexes nach zehn Jahren der Umsetzung 2024 in einer Studie bewertet werden. Der AdR sollte an der Ausarbeitung der Leistungsbeschreibung für die Studie beteiligt werden, die Studie erörtern und in die Formulierung von Empfehlungen zur Weiterverfolgung der Schlussfolgerungen der Studie einbezogen werden;

39.

fordert die Kommission auf, die Umsetzung des Europäischen Verhaltenskodexes genau zu überwachen und zu bewerten und ihn bei unzureichender Umsetzung der Partnerschaft anhand bewährter Verfahren der Mitgliedstaaten zu überarbeiten; fordert die Kommission auf, die Empfehlungen aus dieser Stellungnahme sowie die Schlussfolgerungen von Experten-Workshops bei einer etwaigen Überarbeitung des Europäischen Verhaltenskodexes zu berücksichtigen;

40.

empfiehlt der Europäischen Kommission, die Mitgliedstaaten aufzufordern, auf der Grundlage der zusammengetragenen guten Beispiele Aktionspläne zur Verbesserung des partnerschaftlichen Ansatzes bei der Umsetzung und Überwachung des laufenden Programmplanungszeitraums auszuarbeiten;

41.

rät der Europäischen Kommission, die Schaffung eines Barometers für die Umsetzung der Partnerschaft in Erwägung zu ziehen, um deren weitere Anwendung zu fördern;

Ortsbezogener Ansatz

42.

betont, dass die Einbeziehung der Gebietskörperschaften in die Ausarbeitung von Partnerschaftsvereinbarungen und operationellen Programmen eine wesentliche Voraussetzung für deren strategische Gestaltung ist, die den tatsächlichen Bedürfnissen der Gebietsebene Rechnung trägt. Der AdR hält die wirksame Umsetzung der Partnerschaft und des Mehrebenenregierens für wesentlich, um für den ESI-Fonds Investitionsprioritäten besser bestimmen zu können. Für den zielgerichteten Einsatz der Investitionen ist es unerlässlich, die regionalen und lokalen Besonderheiten des betreffenden Gebiets zu berücksichtigen, wozu auch die natürlichen und demografischen Faktoren gehören, durch die sie benachteiligt sind. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften vor Ort sollten auch in die Auswahl der Indikatoren und die Festlegung der regionalen Zuweisungen einbezogen werden, deren Umfang den strukturellen Problemen des jeweiligen Gebiets entsprechen sollte. Aufgrund des inter- und intraregionalen Gefälles besteht nach wie vor Investitionsbedarf bei grundlegenden Infrastrukturen und Basisdienstleistungen in den Bereichen Umwelt, Verkehr, Informations- und Kommunikationstechnologie, soziale Dienste, Gesundheit und Bildung;

43.

betont, dass es die Regionen, Städte und Gemeinden sind, die ihre Gebiete am besten kennen und wissen, wo bei ihnen die größten Herausforderungen bei der Umsetzung gemeinsamer europäischer Ziele wie Grüner Deal und globaler Agenden wie der Ziele für nachhaltige Entwicklung liegen. Sie kennen auch die Stärken und Schwächen ihres sozioökonomischen Gefüges (z. B. Problemgebiete in Bezug auf Mobilität, Umwelt und nachhaltigen Wandel, Klima, Energiewende, soziale Eingliederung und Bekämpfung von Ungleichheiten sowie Bildung und Digitalisierung). Sie können auf Grundlage der Daten die zu erwartende Wirkung einzelner Interventionen bewerten und spezifische Maßnahmenvorschläge oder die Umgestaltung bestehender Maßnahmen anregen;

44.

betont, dass die COVID-19-Pandemie erneut gezeigt hat, wie wichtig die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Umsetzung der Struktur- und Investitionsfonds sind. Zugleich hat die Pandemie die Unterfinanzierung vieler lokaler und regionaler Gebietskörperschaften aufgedeckt; begrüßt in diesem Zusammenhang die von der Kommission mit den Paketen CRII und CRII+ eingeführten Flexibilitätsmaßnahmen; fordert die Kommission auf, einen Vorschlag vorzulegen, um den Kofinanzierungssatz von 100 % um ein weiteres Jahr zu verlängern, die N+3-Regel zu verlängern und den Höchstbetrag für staatliche De-minimis-Beihilfen vorübergehend anzuheben, damit die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in dieser schwierigen Zeit ausreichende Unterstützung erhalten;

45.

ist der Ansicht, dass ein ortsbezogener Ansatz wesentlich zum nachhaltigen ökologischen und digitalen Wandel beitragen kann, und empfiehlt häufigere territoriale Folgenabschätzungen im Rahmen der verschiedenen kohäsionspolitischen Ziele, des europäischen Grünen Deals und der Digitalstrategie;

46.

ist der Ansicht, dass eine auf einem integrierten Ansatz basierende ortsbezogene Herangehensweise gegenüber einem rein sektoralen Ansatz bei der Bewältigung der territorialen Herausforderungen gestärkt werden sollte. Es geht hier um die negativen Folgen des „Schubladendenkens“ und der Missachtung der Interessen der Beteiligten, die einem umfassenden und integrierten Vorgehen bei der Problemlösung im Wege stehen;

47.

ist der Ansicht, dass integrierte territoriale Strategien für Städte und Regionen (auf der Grundlage von ITI und CLLD) ein enormes Potenzial haben, die Ausrichtung der nationalen operationellen Programme unter Berücksichtigung der spezifischen regionalen und lokalen Herausforderungen positiv zu beeinflussen; fordert daher, dass die operationellen Programme mit diesen Strategien im Einklang stehen, um die Maßnahmen gezielt auszurichten. Die regionale Dimension sollte auch in den entsprechenden Abschnitten der operationellen Programme verankert werden, damit keine Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen Strategiepapieren entstehen;

48.

begrüßt, dass im Programmplanungszeitraum 2021-2027 bei der Umsetzung ein besonderer Schwerpunkt auf integrierte territoriale Investitionen gelegt wird. Außerdem ist der AdR der Ansicht, dass die in den integrierten Strategien vorgeschlagenen Maßnahmen ggf. automatisch unterstützt werden sollten, ohne dass eine Interessenbekundung der Nachfragseite erforderlich ist. Die ITI-Strategien sollten umfassend sein und alle Maßnahmen unabhängig von den Zuständigkeiten der jeweils beteiligten Akteure (Staat, Regionen, Gemeinden) abdecken;

49.

weist darauf hin, dass es in den Regionen der EU im Rahmen der Umsetzung der ITI etablierte Kooperationsplattformen gibt, die auf den Grundsätzen der Partnerschaft und der Multi-Level-Governance beruhen. Mit ihnen können die wichtigsten Herausforderungen eindeutig ermittelt und die besten Lösungen gefunden werden;

50.

fordert wirksame Mechanismen, damit sich die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften nach Maßgabe des territorialen Prinzips und unabhängig von den Zuständigkeiten der involvierten Akteure an der Auswahl der ITI-Interventionen beteiligen können. Der AdR empfiehlt der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten die Auswertung vorhandener wirkungsvoller Kooperationsmechanismen in den Mitgliedstaaten, die als bewährte Verfahren dienen können;

51.

hält es für sinnvoll, die Prioritäten innerhalb kleinerer dynamischer thematischer Gruppen festzulegen, die auf der Grundlage überprüfbarer territorialer Daten für ein bestimmtes sektorales Thema die Herausforderungen analysieren und Lösungen vorschlagen;

52.

ist sich bewusst, dass die Datenlage auf regionaler Ebene und in grenzüberschreitenden Regionen unzureichend ist, was die wirksame Ausrichtung der Investitionen erschwert; fordert die Europäische Kommission daher auf, die Erhebung statistischer Daten (über Eurostat und ESPON) auf NUTS-3-Ebene im Rahmen der verschiedenen für die kohäsionspolitischen Ziele relevanten Politikbereiche zu verbessern. Diese Daten könnten gleichzeitig auch zur Messung der in einem Gebiet erzielten Fortschritte herangezogen werden; hält auch den EU-Index für sozialen Fortschritt, dessen aktualisierte Fassung Ende 2020 von der Europäischen Kommission vorgelegt wurde, für ein geeignetes Instrument;

53.

sieht mangelnde administrative bzw. analytische Kapazitäten ebenfalls als ein Hindernis für die wirksame Einbeziehung der Gebietskörperschaften an und fordert diesbezügliche Verbesserungen im neuen Programmplanungszeitraum;

Nutzung digitaler Instrumente und Folgen der Pandemie

54.

bedauert, dass der Ausbruch der Pandemie die Verhandlungen zwischen den Rechtsetzungsinstanzen über EU-Programme und so auch die Aufstellung der Partnerschaftsabkommen und operationellen Programme verzögert hat, die somit nicht rechtzeitig vor Beginn des neuen Programmplanungszeitraums abgeschlossen wurden, und fordert eine unverzügliche Beschleunigung dieser Vorarbeiten sowie eine Intensivierung der Gespräche;

55.

bedauert ferner, dass sich durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auch die Zusammenarbeit mit den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften mitunter monatelang verzögert hat oder ausgesetzt wurde, worunter die Entwicklung ihrer Gebiete leiden wird;

56.

warnt vor der Tendenz zu einer Zentralisierung bei der Programmplanung und Durchführung der ESI-Fonds im Gefolge der Pandemie und vor zwei parallel laufenden Programmplanungszeiträumen;

57.

stellt fest, dass die pandemiebedingte Krise auch die Chance eröffnet hat, Partner durch den breiten Einsatz digitaler Kommunikationsinstrumente einzubeziehen, die in gewissem Maße die Interaktion zwischen den Akteuren erleichtert haben und sich ggf. positiv auf die ausgewogene Einbeziehung von Partnern auswirken können, die andernfalls nicht in der Lage wären, sich an den Vorbereitungen zu beteiligen;

58.

hält die Interaktionsmöglichkeiten der Partner in Online-Sitzungen allerdings häufig für begrenzt und plädiert daher dafür, die Möglichkeiten zur Interaktion mit den Partnern während dieser Sitzungen kontinuierlich zu verbessern. Für den reibungslosen Ablauf von Online-Sitzungen ist es notwendig, unterschiedliche Techniken und Ansätze für die Durchführung der Sitzung einzusetzen, wozu auch eine entsprechende technische Unterstützung gehört;

59.

empfiehlt, auf Beispielen für bewährte Verfahren aufzubauen und auch in der Zukunft Online-Tools und interaktive Kommunikationsinstrumente einzusetzen, wenngleich digitale Lösungen Präsenzsitzungen und persönliche Konsultationen nicht ersetzen können und je nach Format und Art der Beratungen lediglich ergänzend genutzt werden sollten.

Brüssel, den 12. Oktober 2021

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(1)  Delegierte Verordnung (EU) Nr. 240/2014 der Kommission vom 7. Januar 2014 zum Europäischen Verhaltenskodex für Partnerschaften im Rahmen der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ABl. L 74 vom 14.3.2014, S. 1).

(2)  Application of the principles of partnership and multi-level governance in Cohesion Policy programming 2021-2027, https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/effcb753-a6ff-11eb-9585-01aa75ed71a1.

(3)  https://cor.europa.eu/de/our-work/Pages/cor-priorities.aspx


4.2.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 61/21


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Eine EU-Agenda für Terrorismusbekämpfung: antizipieren, verhindern, schützen und reagieren

(2022/C 61/05)

Berichterstatter:

Karl VANLOUWE (BE/EA)

Mitglied einer Versammlung der regionalen Ebene: Flämisches Parlament

Referenzdokument:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine EU-Agenda für Terrorismusbekämpfung: antizipieren, verhindern, schützen und reagieren

COM(2020) 795 final

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Einführung

1.

begrüßt die Agenda für Terrorismusbekämpfung der Kommission (1), in der die Schlüsselrolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auch für die Verhinderung von Radikalisierung und den Schutz des öffentlichen Raums anerkannt wird;

2.

stimmt mit der Kommission darin überein, dass der grenzüberschreitende Charakter terroristischer Netzwerke eine engere Zusammenarbeit erfordert, die unsere gemeinsamen Werte und Normen, unsere europäische Lebensweise und unsere pluralistische Gesellschaft schützt und bewahrt;

3.

weist darauf hin, dass die Terrorismusbekämpfung Teil der Sicherheitspolitik ist, die in die geteilte Zuständigkeit der Union und der Mitgliedstaaten fällt, wobei die Mitgliedstaaten gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (2) für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit verantwortlich sind; verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Rolle der regionalen Strafverfolgungsbehörden in manchen Mitgliedstaaten;

4.

stellt fest, dass Terroranschläge in der EU aus den verschiedensten Beweggründen verübt werden und dass Europol diese Beweggründe in fünf Kategorien unterteilt: dschihadistischer Terrorismus, Linksterrorismus und anarchistischer Terrorismus, Rechtsterrorismus, ethno-nationalistischer und separatistischer Terrorismus und streitfragenspezifischer Terrorismus; verweist darauf, dass wir es zunehmend mit Einzeltätern zu tun haben (3);

5.

weist darauf hin, dass die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch die COVID-19-Maßnahmen auch terroristische Aktivitäten behindert, Terroristen bedauerlicherweise aber trotzdem Wege finden, diese zu umgehen, und dass die sozioökonomischen Auswirkungen der Pandemie berücksichtigt werden müssen, die die Gefahr von Radikalisierung verschärfen und eine Krisensituation entstehen lassen, die Terroristen für ihre Ziele und Aktivitäten nutzen können (4) (5);

Antizipieren

Strategische Erkenntnisse und Bedrohungsanalyse

6.

verweist angesichts des grenzüberschreitenden Charakters terroristischer Netze auf die entscheidende Bedeutung des Zentrums der Europäischen Union für Informationsgewinnung und Lageerfassung (EU IntCEN) für die innere Sicherheit der EU und begrüßt die Forderung der Kommission nach einer stärkeren Berücksichtigung strategischer Erkenntnisse und der weiteren Bereitstellung qualitativer Bedrohungsanalysen durch nationale Sicherheits- und Nachrichtendienste sowie der erforderlichen Ressourcen für das EU-IntCEN;

Stärkung der Kapazitäten zur frühzeitigen Erkennung

7.

begrüßt im Zusammenhang mit der EU-Sicherheitsforschung den Ausbau der Kapazitäten für die frühzeitige Erkennung potenzieller terroristischer Bedrohungen und betont, wie wichtig Interoperabilität für den Informationsaustausch ist;

8.

befürwortet im Zusammenhang mit dem Politikzyklus „Sicherheit“ im Rahmen des Programms Horizont Europa die weitere Integration der Forschung, wobei Europol die Kommission bei der Ermittlung wichtiger Forschungsthemen sowie bei der Ausarbeitung und Umsetzung der EU-Rahmenprogramme für Forschung und Innovation unterstützen kann;

Dank neuer Technologien stets einen Schritt voraus

9.

verweist auf die Möglichkeiten neuer innovativer Technologien wie künstlicher Intelligenz und Drohnen für die frühzeitige Erkennung terroristischer Bedrohungen sowie als Beitrag zum Schutz des öffentlichen Raums; begrüßt die Bereitschaft der Kommission, im Rahmen der EU-Städteagenda (6) Projekte zur Entwicklung neuer Technologien zu finanzieren, und ruft dazu auf, bewährte Verfahren zwischen Regierungen, der Industrie und Experten auszutauschen;

10.

weist darauf hin, dass neue Technologien auch neue Bedrohungen entstehen lassen, und begrüßt daher unter anderem die Pläne der Kommission, potenziell böswillige Drohnen besser zu erkennen, zu verfolgen und zu identifizieren;

11.

macht darauf aufmerksam, dass stets, insbesondere jedoch bei neuen Technologien, Ausgewogenheit angestrebt werden muss zwischen dem Recht auf Sicherheit und körperliche Unversehrtheit auf der einen und den anderen elementaren Grundrechten und Freiheiten auf der anderen Seite; dabei muss ein System von Kontrolle und Gegenkontrolle eingebaut und vor allem auf das rechte Maß sowie unabhängige gerichtliche Kontrolle geachtet werden;

Verhindern

Bekämpfung extremistischer Ideologien im Internet

12.

begrüßt die Zusage der Kommission, in Zusammenarbeit mit Europol, dessen Meldestelle für Internetinhalte mit zusätzlichen Ressourcen und Kapazitäten ausgestattet werden muss, die weitere Umsetzung des EU-Krisenprotokolls zur Bekämpfung der viralen Ausbreitung terroristischer Inhalte im Internet zu unterstützen;

13.

nimmt die Zusage der Kommission, die Liste der Straftaten auf EU-Ebene (7) auf Hassdelikte und Hetze auszuweiten und ein Gesetz über digitale Dienste (8) vorzuschlagen, zur Kenntnis; betont, dass diesbezüglich die Rechtsrahmen in den Mitgliedstaaten zu achten sind, und weist darauf hin, dass alle Grundrechte und Grundfreiheiten, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, stets berücksichtigt werden müssen;

14.

betont, wie wichtig es ist, bei der Bekämpfung von Radikalisierung, Terrorismus und Desinformation Gegennarrative und alternative Darstellungen zu verbreiten, und begrüßt die Zusage der Kommission, die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung dieser strategischen Kommunikation zu unterstützen;

Unterstützung lokaler Akteure zwecks Aufbau resilienterer Gemeinschaften

15.

unterstreicht seine Entschlossenheit, sich weiterhin aktiv gegen Radikalisierung einzusetzen, und begrüßt die Unterstützung der Kommission für das Aufklärungsnetzwerk gegen Radikalisierung (9) und die EU-Initiative „Städte gegen Radikalisierung“ (10);

16.

hebt insbesondere im Hinblick auf die frühzeitige Erkennung von Radikalisierung die Bedeutung eines multidisziplinären Ansatzes in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft hervor, verweist auf bewährte Verfahren wie lokale integrale Sicherheitszellen, bei denen lokale Verwaltungen, die Polizei, sozialpräventive Organisationen, (informelle) Bildungsdienste, religiöse Berater usw. gemeinsam über den Umgang mit konkreten radikalisierten Personen beraten (11); weist in diesem Zusammenhang auf die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes des gemeinsamen Berufsgeheimnisses hin und ruft diesbezüglich zu einem Austausch bewährter Verfahren auf, wobei die Vorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz der Privatsphäre zu berücksichtigen sind;

17.

erinnert daran, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften am unmittelbarsten mit den Chancen und Herausforderungen der Integration konfrontiert sind, und erwartet insbesondere auf dieser Ebene die Unterstützung der Kommission bei der Wahrung und Stärkung des sozialen Zusammenhalts, unter anderem durch ihren Aktionsplan für Integration und Inklusion (12);

Gefängnisse, Rehabilitation und Wiedereingliederung

18.

begrüßt die Zusage der Kommission, stärker auf die Radikalisierung in Gefängnissen einzugehen, und zwar durch Deradikalisierung, Rehabilitation und Wiedereingliederung radikalisierter Häftlinge; betont, dass ein umfassender Ansatz erforderlich ist, bei dem Strafvollzugsbedienstete, Sozialarbeiter, religiöse Berater usw. speziell im Umgang mit radikalisierten Häftlingen geschult werden. Außerdem hört die Betreuung radikalisierter Personen nach ihrer Inhaftierung oder Deradikalisierung nicht auf; weist darauf hin, wie wichtig der Austausch bewährter Verfahren ist;

Konsolidierung von Wissen und Unterstützung

19.

begrüßt die Zusage der Kommission, den Aufbau und die Weiterentwicklung nationaler Netze relevanter Beteiligter zu unterstützen; begrüßt ferner den Vorschlag, ein EU-Wissenszentrum für die Prävention von Radikalisierung einzurichten, das neben dem Austausch von Wissen und Fachkenntnis auch die optimale Nutzung der Finanzierungsmöglichkeiten in verschiedenen EU-Programmen fördern sollte; macht auf das schon jetzt vorhandene hohe Maß an Wissen und Fachkenntnis der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften aufmerksam (13) und ruft dazu auf, der Beteiligung der zuständigen regionalen Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste bei der Entwicklung nationaler Netze relevanter Beteiligter und beim EU-Wissenszentrum für die Prävention von Radikalisierung Rechnung zu tragen;

20.

betont ferner die Bedeutung des Fonds für die innere Sicherheit (ISF) für die europäische Terrorismusbekämpfung, bei dem allerdings sichergestellt werden muss, dass die von den Mitgliedstaaten verwalteten Mittel alle nationalen und regionalen Behörden mit diesbezüglichen Zuständigkeiten erreichen;

Schützen

Schutz der Menschen im öffentlichen Raum

21.

hebt die Anfälligkeit des öffentlichen Raums für Terroranschläge hervor; begrüßt die Zusage der Kommission, integrierte Sicherheitslösungen zu stärken; sieht dem virtuellen Architekturbuch erwartungsvoll entgegen, damit Sicherheitsaspekte in die Gestaltung künftiger und die Renovierung bestehender öffentlicher Räume einbezogen werden können; weist darauf hin, dass ein Gleichgewicht zwischen der Sicherheit des öffentlichen Raums und der Offenheit, Lebensqualität und Barrierefreiheit in diesen Räumen gefunden werden muss;

22.

ist sich des hohen symbolischen Werts von Kultstätten bewusst, der sie häufig zur Zielscheibe von Terroristen macht; begrüßt diesbezüglich die Projekte, die die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zur Verbesserung des physischen Schutzes von Gotteshäusern unterstützen will, wobei wiederum ein Gleichgewicht zwischen Offenheit, Lebensqualität und Barrierefreiheit gefunden werden muss;

Städte als Rückgrat der urbanen Sicherheit

23.

begrüßt die Vorschläge der Kommission in Bezug auf das Engagement der EU für resiliente und sichere Städte sowie die neue Initiative „Städte gegen Radikalisierung und Terrorismus“ und ruft dazu auf, nach dem Grundsatz einer zentralen Anlaufstelle eine einzige Anlaufstelle einzurichten;

24.

fordert die Kommission auf, den Ausschuss der Regionen als vollwertigen Partner in das Engagement der EU für resiliente und sichere Städte einzubeziehen und ihn bei einschlägigen Vorschlägen stets zu konsultieren;

25.

betont, dass auch die Mittel der EU-Kohäsionspolitik dazu genutzt werden können, Radikalisierung zu verhindern und die öffentliche Infrastruktur durch Investitionen zu verbessern, die auf sozialen Zusammenhalt, Integration und Resilienz ausgerichtet sind;

Stärkung der Widerstandsfähigkeit kritischer Infrastrukturen

26.

verweist auf das Gefahrenpotenzial, das von kritischer Infrastruktur als Terrorziel ausgeht; hebt hervor, wie wichtig es ist, Cybervorfälle im Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften über die Netz- und Informationssicherheit zu melden (14); begrüßt die Vorschläge der Kommission zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Betreiber gegenüber physischen und digitalen Risiken sowie zur Stärkung der diesbezüglichen Sicherheit;

27.

begrüßt, dass der Anwendungsbereich des Vorschlags für eine Richtlinie zur Resilienz kritischer Infrastrukturen (15) bedeutend ausgeweitet wurde und nun folgende Sektoren umfasst: Energie, Verkehr, Gesundheit, Trinkwasser, Abwasser, digitale Infrastruktur, öffentliche Verwaltung und Raumfahrt; bekräftigt seine Aufforderung an die Kommission (16), für die Zukunft die Einbeziehung weiterer Sektoren in die Richtlinie zu erwägen, damit auch die Vertriebsketten für Grundbedarfsgüter erfasst werden;

Grenzsicherung

28.

weist darauf hin, dass der freie Personenverkehr innerhalb der EU untrennbar mit einer ordnungsgemäßen Kontrolle der Außengrenzen verbunden sein muss; stimmt mit der Kommission überein, dass mehr getan werden muss, um ein leistungsfähiges Grenzmanagementsystem zu schaffen, mit dem Ziel, alle Reisenden an den Außengrenzen systematisch zu kontrollieren, damit Terrorverdächtige ermittelt und ihnen die Einreise in die EU verweigert wird; sieht den Vorschlägen der Kommission für eine neue Schengen-Strategie erwartungsvoll entgegen;

29.

weist darauf hin, dass Interoperabilität und die rasche und vollständige Umsetzung des Einreise-/Ausreisesystems (EES) (17), des Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS) (18) sowie des Europäischen Informationssystems zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) (19) erreicht werden müssen;

30.

verweist im Zusammenhang mit den neuen Verordnungen über das Schengener Informationssystem (SIS) (20) darauf, dass das Automatisierte Fingerabdruckidentifizierungssystem (AFIS) eingeführt und Informationen über ausländische terroristische Kämpfer, die von vertrauenswürdigen Drittstaaten bereitgestellt werden, in das SIS aufgenommen werden müssen;

Terroristen handlungsunfähig machen

31.

ist sich der Gefahr bewusst, die von selbst hergestellten Explosivstoffen ausgeht, unterstützt die Forderung der Kommission nach vollständiger Umsetzung und Durchsetzung der Rechtsvorschriften über Ausgangsstoffe für Explosivstoffe (21) und hebt hervor, wie wichtig es ist, diese Rechtsvorschriften regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren;

Reagieren

Operative Unterstützung: Stärkung von Europol

32.

erkennt die entscheidende Rolle von Europol und seines Europäischen Zentrums zur Terrorismusbekämpfung (ECTC) an und betont, dass zusätzliche Mittel benötigt werden; begrüßt die Zusage der Kommission (22), das Mandat von Europol zu stärken, wodurch die effektive Zusammenarbeit von Europol mit privaten Akteuren sichergestellt, nationale strafrechtliche Ermittlungen in Bezug auf Terrorismus im Zusammenhang mit der Verarbeitung und Analyse großer und komplexer Datensätze („Big Data“) unterstützt und seine Fachkenntnis in den Bereichen Forschung und Innovation genutzt werden sollen;

Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung

33.

unterstreicht die Notwendigkeit einer grenz- und bereichsübergreifenden Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung; spricht sich für eine enge Zusammenarbeit zwischen regionalen und nationalen Strafverfolgungsbehörden und Europol aus; hebt den Mehrwert der einschlägigen Schulungen von CEPOL (23) hervor; begrüßt den Vorschlag der Kommission für einen EU-Kodex für die polizeiliche Zusammenarbeit und fordert sie auf, hierbei der dezentralen sicherheitspolitischen Kompetenzverteilung in einigen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen; begrüßt ferner die Zusage der Kommission, das ATLAS-Netz von Spezialeinheiten (24) weiter zu unterstützen und zu sichern; ruft dazu auf, Optionen für die Bündelung und gemeinsame Nutzung zu prüfen;

Intensivierung des Informationsaustauschs

34.

unterstreicht die Notwendigkeit einer stärkeren Koordinierung und Zusammenarbeit sowie eines stärkeren Informationsaustauschs zwischen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, den Mitgliedstaaten, Polizei, Justiz, Sicherheits- und Nachrichtendiensten untereinander sowie mit einschlägigen europäischen Agenturen; hebt bewährte Verfahren hervor, die multidisziplinäre Taskforces, Arbeitsgruppen und Sicherheitszellen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene nutzen (25); begrüßt die Vorschläge der Kommission zur Einrichtung eines effizienten Mechanismus für den Informationsaustausch in Fällen der Terrorismusbekämpfung und betont die Bedeutung von Vertraulichkeit und gegenseitigem Vertrauen;

35.

hält es für erforderlich, den Austausch von DNA-Profilen, Finger- und Handabdrücken sowie nationalen Fahrzeugregisterdaten zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern und gleichzeitig den operativen Erfordernissen der Strafverfolgungsbehörden und dem EU-Rechtsrahmen für den Datenschutz gerecht zu werden; sieht den Vorschlägen der Kommission zur Überarbeitung, Aktualisierung und Ausweitung der Prümer Beschlüsse erwartungsvoll entgegen (26);

Unterstützung von Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen

36.

hält die Verschlüsselung von Informationen nicht nur für ein wichtiges Instrument für den Schutz der Cybersicherheit und der Grundrechte, sondern weist darauf hin, dass sie auch von Terroristen missbraucht wird. Daher begrüßt er die von der Kommission vorgeschlagene Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, um Lösungen für einen rechtmäßigen Zugriff auszuloten und einen Ansatz zu fördern, der im Einklang sowohl mit unseren Grundrechten und -freiheiten als auch mit dem EU-Rechtsrahmen für den Datenschutz steht;

37.

hält die Ermittlung, Erkennung und Verfolgung zurückkehrender ausländischer terroristischer Kämpfer für erforderlich und macht darauf aufmerksam, dass die Erhebung von Beweismaterial und Beweismitteln aus Kampfgebieten sehr komplex ist; begrüßt die Initiativen der Kommission zur Unterstützung der Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht sowie die Zusage der Kommission, die Zusammenarbeit mit Drittländern zu verstärken;

Vermehrte Unterstützung für Terroropfer

38.

macht darauf aufmerksam, dass die Opfer von Terroranschlägen extrem unter den Auswirkungen leiden, und hält es für erforderlich, dass die Opferhilfe auf Anerkennung, Gedenken, Verurteilung und Wahrheitsfindung beruht;

39.

betont, dass den Opfern das Leben erleichtert werden muss, und verweist auf die bewährte Praxis eines Fallbearbeitungssystems mit Coaches, bei dem Opfer bei ihrem Kontakt mit Behörden sowie psychologisch individuell begleitet werden;

40.

unterstreicht den großen Wert des Pilotprojekts des EU-Kompetenzzentrums für Terroropfer (27); fordert, dieses über 2021 hinaus weiterzuentwickeln und auszuweiten, um vor Ort praktisch noch mehr zu erreichen; ruft zu einer engen Zusammenarbeit mit dem künftigen EU-Wissenszentrum zur Prävention von Radikalisierung auf, spricht sich jedoch gegen eine Zusammenlegung dieser beiden Zentren aus;

41.

begrüßt die Zusage der Kommission, Möglichkeiten zu prüfen, wie die Entschädigung der Opfer verbessert werden könnte, auch in Bezug auf Terroropfer, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem der Terroranschlag stattgefunden hat, ansässig sind; regt an, Systeme wie z. B. einen Garantiefonds für Terroropfer zu prüfen.

Brüssel, den 12. Oktober 2021

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(1)  COM(2020) 795 final.

(2)  Artikel 4, 67 und 72 AEUV.

(3)  Europol (2020). European Union Terrorism Situation and Trend Report (TE-SAT) 2020.

(4)  Europol (2020). European Union Terrorism Situation and Trend Report (TE-SAT) 2020.

(5)  Exekutivdirektorium des Ausschusses zur Bekämpfung des Terrorismus des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (2020). The impact of the COVID-19 pandemic on terrorism, counter-terrorism and countering violent extremism.

(6)  https://futurium.ec.europa.eu/en/urban-agenda/security-public-spaces

(7)  Artikel 83 Absatz 1 AEUV.

(8)  COM(2020) 825 final.

(9)  https://ec.europa.eu/home-affairs/what-we-do/networks/radicalisation_awareness_network_en

(10)  https://ec.europa.eu/home-affairs/policies/internal-security/counter-terrorism-and-radicalisation_en

(11)  https://preventie-radicalisering-polarisering.vlaanderen.be/sites/preventie-radicalisering-polarisering/files/leidraad_livc.pdf

(12)  COM(2020) 758 final.

(13)  Flämisches Parlament (2015). Abschnitt 366 (2014-2015) — Nr. 3 und Flämische Regierung (2017). Flämischer Aktionsplan zur Verhütung gewaltbereiter Radikalisierung und Polarisierung.

(14)  Richtlinie (EU) 2016/1148.

(15)  COM(2020) 829 final.

(16)  Stellungnahme des AdR zur Resilienz kritischer Einrichtungen, NAT-VII/017.

(17)  https://www.eulisa.europa.eu/Activities/Large-Scale-It-Systems/Sis-Ii

(18)  https://www.eulisa.europa.eu/Activities/Large-Scale-It-Systems/Etias

(19)  https://www.eulisa.europa.eu/Activities/Large-Scale-It-Systems/Ecris-Tcn

(20)  Verordnung (EU) 2018/1860, Verordnung (EU) 2018/1861 und Verordnung (EU) 2018/1862.

(21)  Verordnung (EU) 2019/1148.

(22)  COM(2020) 796 final.

(23)  https://www.cepol.europa.eu/education-training/what-we-teach/counter-terrorism

(24)  Beschluss 2008/617/JHA.

(25)  https://www.besafe.be/sites/default/files/2019-06/planr_en.pdf

(26)  Beschluss 2008/615/JI und Beschluss 2008/616/JI.

(27)  https://ec.europa.eu/info/policies/justice-and-fundamental-rights/criminal-justice/eu-centre-expertise-victims-terrorism_en


4.2.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 61/26


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Schutz geografischer Angaben für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse in der Europäischen Union

(2022/C 61/06)

Berichterstatterin:

Martine PINVILLE (FR/SPE), Mitglied des Regionalrats der Region Nouvelle-Aquitaine

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Allgemeine Bemerkungen

1.

begrüßt die Ankündigung der Europäischen Kommission in ihrem „Aktionsplan für geistiges Eigentum“ von November 2020, die Möglichkeit der Schaffung eines EU-Systems zum Schutz geografischer Angaben (g. A.) für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse zu prüfen, und erinnert daran, dass der AdR bereits im Februar 2015 eine solche Prüfung gefordert hatte (1);

2.

bekräftigt, dass laut Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) der Schutz und die Entwicklung des europäischen Kulturerbes zu den bei der Entwicklung des Binnenmarkts zu berücksichtigenden Zielen gehören, dass Artikel 118 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) darauf abzielt, einen einheitlichen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums in der Union im Binnenmarkt zu gewährleisten, und dass Artikel 169 AEUV den Schutz der Verbraucherrechte (einschließlich der Förderung ihres Rechts auf Information) gewährleistet;

3.

ist der Ansicht, dass der Begriff „geografische Angabe für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse“ klarer und spezifischer ist als der Begriff „geografische Angabe für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse“ und gibt dieser Formulierung den Vorzug;

4.

begrüßt die sehr breite Unterstützung für eine EU-Initiative zur Einführung einer Schutzregelung für g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse, und zwar sowohl im Rahmen der ersten, Ende 2020 von der Europäischen Kommission eingeleiteten öffentlichen Konsultation zur Folgenabschätzung als auch im Rahmen der Konsultation der Interessenträger vom 19. Mai 2021 im Vorfeld der Erarbeitung dieser Stellungnahme; fordert daher seine Mitglieder und die lokalen und regionalen Interessenträger auf, diese Unterstützung durch ihre aktive Beteiligung an der öffentlichen Konsultation zu g. A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse, die von der Europäischen Kommission am 29. April 2021 eingeleitet wurde und noch bis zum 22. Juli 2021 läuft (2), zum Ausdruck zu bringen;

5.

bedauert, dass die fehlende Harmonisierung auf europäischer Ebene im Bereich der g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse zu einer Vielfalt nationaler Rechtsinstrumente führt, was den Schutz von Produkten und Unternehmen schwächt;

6.

stellt fest, dass die rechtliche Behandlung auf EU-Ebene je nach Art der g. A. unterschiedlich ist, da die Europäische Union lediglich den Schutz von Ursprungsbezeichnungen und g. A. für Weine, aromatisierte Weine, Spirituosen und Agrarerzeugnisse/Lebensmittel regelt;

7.

betont, dass bei g. A. weder von der WTO (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums — TRIPS-Übereinkommen) noch in der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben, der die EU vor Kurzem beigetreten ist, nicht nach Art der Erzeugnisse unterschieden wird; ist des Weiteren der Ansicht, dass ihr Beitritt zur Genfer Akte eine Antwort der EU auf die Frage des Schutzes geografischer Angaben für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse erfordert;

8.

hebt hervor, dass es sich bei den Unternehmen, die sich an Strategien und Konzepten für g. A. beteiligen, vor allem um Kleinstunternehmen und KMU handelt, die in ihrem Gebiet — auch im ländlichen Raum — verankert sind, über ein profundes, aus der Geschichte der Region erwachsenes Wissen verfügen und echte Branchencluster bilden; zum Teil sind aus ihnen Weltmarktführer hervorgegangen, die für das Funktionieren der europäischen Wirtschaft und für die Unabhängigkeit der EU von den globalen Märkten von besonderer Bedeutung sind;

9.

stellt fest, dass g. A. auch der Entwicklung der Verbrauchernachfrage hin zu mehr Rückverfolgbarkeit und Transparenz der Herkunft und Herstellung eines Produktes sowie der Nachfrage nach lokalen Produkten entsprechen und dass sich diese Tendenz durch die COVID-19-Krise noch verstärkt hat;

10.

ist der Ansicht, dass die Anerkennung von g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse Teil der sich derzeit entwickelnden programmatischen Prioritäten der EU sind, darunter die der Industriestrategie, des Grünen Deals und der Überprüfung der Handelspolitik sowie der Zukunft der ländlichen Gebiete und der Entwicklung kurzer Versorgungsketten;

Erfordernis eines einheitlichen europäischen Rahmens mit territorialer Dimension

11.

ist der Ansicht, dass ein System sui generis zum Schutz von g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse insbesondere Folgendes ermöglichen würde: die Stärkung des rechtlichen Schutzes von Produkten mit g. A., auch im Internet; die Entwicklung von Hilfsinstrumenten zur Bekämpfung von Nachahmungen und unlauterem Wettbewerb; die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen und Ausbildungen in einer Region; mehr Transparenz für die Verbraucher; die effektive Anerkennung von teilweise außergewöhnlichem Know-how;

12.

erkennt an, dass das Markensystem keinen wirksamen Schutz von Produktbezeichnungen ermöglicht und den Inhabern erhebliche Kosten verursacht;

13.

spricht sich daher für die Ausweitung des Schutzes von g. A. auf gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse im Rahmen einer EU-Verordnung auf der Grundlage von Artikel 118 Absatz 1 AEUV aus. Ein solcher Rechtsakt würde sich auf die geteilten Zuständigkeiten der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten stützen und alle Voraussetzungen für die Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip erfüllen‚ insbesondere weil damit die Bedingungen für einen gleichwertigen und einheitlichen Schutz von g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse im gesamten Binnenmarkt geschaffen, gleichzeitig aber Wettbewerbsverzerrungen vermieden würden;

14.

ist der Ansicht, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in Europa über einen großen Reichtum an gewerblichen und handwerklichen Erzeugnissen verfügen, deren Herstellung ein häufig von Generation zu Generation überliefertes Wissen erfordert, und dass eine angemessene Aufwertung und ein geeigneter Schutz dieser Produkte dazu beitragen könnten, die Wertschöpfung und ortsgebundene Arbeitsplätze, insbesondere im ländlichen Raum, zu erhalten sowie das lokale Kulturerbe zu schützen;

15.

betont, dass die Zuerkennung einer g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse den Unternehmen eine bessere Positionierung ermöglichen würde, sodass manche Glieder ihrer Produktionskette rückverlagert werden könnten, was zur Reindustrialisierung einer Region und zu einer stärkeren wirtschaftlichen Unabhängigkeit der EU von den globalen Märkten beitrüge;

16.

betont, dass Studien über die Wirkung g. A. für landwirtschaftlich erzeugte Lebensmittel gezeigt haben, dass g. A. auch zu höheren Erzeugereinkommen führten, häufig in ländlichen oder abgelegenen Gebieten. Die Einführung einer europäischen Regelung für g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse dürfte ebenfalls eine solche Einkommenssteigerung erlauben und käme dem territorialen Zusammenhalt zugute. In der 2020 von der Europäischen Kommission veröffentlichten Studie über die wirtschaftlichen Aspekte des Schutzes von g. A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse (3) wird im Übrigen festgestellt, dass g. A. die Wettbewerbsfähigkeit der Erzeuger verbessern, indem sie die Erkennbarkeit und das Image der Produkte stärken und die Bereitschaft der Verbraucher erhöhen, für Produkte mit garantierten Eigenschaften und garantierter Herkunft zu zahlen;

17.

weist zudem darauf hin, dass das kulturelle und touristische Angebot der gesamten betreffenden Region durch g. A. strukturiert und diversifiziert wird, z. B. über den Industrietourismus und das Teilen von Savoir-faire und herausragenden Fertigkeiten;

18.

unterstreicht die Rolle, die lokale und regionale Gebietskörperschaften bei der Unterstützung der Sektoren sowohl in der Phase der Konzipierung der g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse (Konzertierung) als auch bei der Umsetzung (Entwicklung von Kommunikationsinstrumenten, Unterstützung bei der Zertifizierung, Rechtsberatung usw.) und der Absatzförderung spielen können und teilweise bereits spielen;

Praktische Aspekte der Eintragung, der Kontrolle und des Schutzes von g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse

19.

betont, dass im Rahmen eines für alle g. A. einheitlichen Systems möglichst auf die Erfahrungen aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft zurückgegriffen und ein harmonisierter Ansatz für die verschiedenen Regelungen bevorzugt werden sollte;

20.

empfiehlt daher, zur Gewährleistung der Kohärenz der beiden Systeme einen soliden Mechanismus zur Koordinierung der zuständigen Dienststellen der Europäischen Kommission einzurichten, insbesondere bei der Prüfung der Dossiers, um mögliche Konflikte bei der Namensverwendung zu vermeiden; fordert zudem‚ dass g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse in das europäische Register „GIview“ aufgenommen werden, das bereits g. A. für landwirtschaftliche Erzeugnisse enthält;

21.

bekräftigt seinen Standpunkt, dass der Schutz von g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse unbefristet gelten und auf jeden Fall die Möglichkeit bestehen sollte, ihn zu denselben Bedingungen wie bei g. A. für landwirtschaftliche Erzeugnisse aufzuheben (4);

22.

hält in den Mitgliedstaaten, die bereits über ein Schutzsystem verfügen, einen Übergangszeitraum für erforderlich, um die Anpassung der zuvor auf nationaler Ebene eingetragenen g. A. und ihre Integration in ein neues europäisches System zu ermöglichen;

23.

vertritt die Auffassung, dass auch ein Koordinierungs- oder Anerkennungssystem eingeführt werden sollte, das den Schutz von Erzeugnissen ermöglicht, die in einigen Mitgliedstaaten bereits eine Ursprungsbezeichnung tragen;

24.

hält die Verwendung eines verbindlichen europäischen Logos für unerlässlich, damit Verbraucher oder Kunden die entsprechenden Produkte erkennen und einordnen können;

25.

spricht sich dafür aus, das zweistufige Verfahren — zunächst, je nach interner Organisation des Mitgliedstaats, auf nationaler bzw. regionaler Ebene und dann auf europäischer Ebene — für die Eintragung von g. A. für landwirtschaftliche Erzeugnisse auch auf g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse anzuwenden;

26.

empfiehlt, dass das Eintragungsverfahren zeitlich begrenzt und vom Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum verwaltet wird, sofern dieses mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet wird;

27.

betont, dass der Zusammenhang zwischen geografischem Gebiet und Erzeugnis grundlegend ist, was sich auch in der herausragenden Bedeutung des Faktors Mensch und des Wissens um die Herstellung gewerblicher und handwerklicher Erzeugnisse zeigt. In einigen Regionen ist der Ausgangsstoff gar nicht mehr vorhanden oder nicht mehr geeignet, und dennoch bestehen Unternehmen und Fachkenntnisse fort oder entwickeln sich sogar weiter, sodass herausragende Produkte erzeugt werden;

28.

ist der Ansicht, dass die Spezifikationen für g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse transparent und glaubwürdig sein müssen, damit die Verbraucher Vertrauen in sie setzen. In den Produktspezifikationen müssen die Herstellungsschritte, der Herstellungsort und deren Kontrolle sowie Angaben zur Einhaltung der Nachhaltigkeitsziele aufgeführt sein;

29.

legt besonderes Augenmerk auf Innovation und Forschung, die durch die Produktspezifikationen nicht behindert werden dürfen. Viele Unternehmen sind innovativ (Gesamtkonzept, Design, Herkunft der Rohstoffe, soziale Innovation, Verwendung biobasierter oder wiederverwerteter Materialien, Einsatz von Technologien, Patente), schaffen eine Dynamik vor Ort und erhalten eine menschliche und berufliche Gemeinschaft rund um die betreffenden Produkte;

30.

ist der Auffassung, dass g. A. eine offizielle Garantie sind und die betreffenden Marktteilnehmer daher zuverlässig kontrolliert werden müssen, um die Einhaltung der Produktspezifikationen durch die Hersteller sowie die Sicherheit und das Vertrauen der Verbraucher zu gewährleisten;

31.

empfiehlt zu diesem Zweck eine Zertifizierung, um für eine externe, unabhängige Kontrolle zu annehmbaren Kosten zu sorgen;

32.

empfiehlt ein gleichwertiges Schutzniveau wie für g. A. für landwirtschaftliche Erzeugnisse und insbesondere geeignete administrative oder justizielle Maßnahmen seitens der Mitgliedstaaten, um die widerrechtliche Verwendung von g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse zu vermeiden oder zu beenden;

33.

betont, dass Vorschriften zum Schutz von g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse auch den Schutz im Internet umfassen sollten;

34.

ist der Auffassung, dass Erzeugergemeinschaften, die Produkte mit g. A. herstellen, das Fundament für g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse bilden, da sie für die Anerkennung von g. A. und ihre laufende Verwaltung sorgen. Deshalb sollten sie eine große Rolle bei der Überwachung, dem Schutz und der Förderung von g. A. spielen;

35.

bekräftigt seinen Standpunkt, dass es in bestimmten und genau begründeten Fällen sinnvoll wäre, die Eintragung einer g. A. einem einzelnen Erzeuger zu ermöglichen, wobei der Zugang dazu weiterhin allen weiteren Erzeugern, die die entsprechenden Vorschriften einhalten, offenstehen sollte (5);

36.

ist der Auffassung, dass die mit dem Antrags- und Registrierungsverfahren verbundenen Kosten für die Erzeuger nicht abschreckend sein dürfen und in Form eines einmaligen Beitrags wie etwa einer Eintragungsgebühr zu begleichen sein sollten. Umgekehrt sollten die Kosten, die den auf nationaler Ebene zuständigen Behörden entstehen, auf die Ermittlung, Förderung und gegebenenfalls Überwachung der Kontrollen sowie auf administrative oder justizielle Maßnahmen zur Unterbindung der widerrechtlichen Verwendung von g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse beschränkt sein;

Handels- und Wettbewerbsaspekte

37.

weist darauf hin, dass Erzeugnisse mit einer g. A. in verschiedenen Vertriebskanälen wie kurzen Vertriebsketten, dem Internet oder dem gewerblichen Vertrieb zum Beispiel im Hotel- und Gaststättengewerbe anzutreffen sind. Der durch die g. A. gewährte Schutz würde den Ausbau dieser Märkte ermöglichen, z. B. durch die Einbeziehung der entsprechenden Erzeugnisse in regionale und/oder nationale Werbekampagnen oder im Rahmen der Förderung des Industrietourismus;

38.

fordert die Kommission auf, zur Förderung eines nachhaltigen öffentlichen Beschaffungswesens zu eruieren, inwieweit Produkte mit g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nach objektiven Umweltkriterien, wie kurzen Lieferketten und der Internalisierung externer Kosten, berücksichtigt werden können;

39.

erinnert daran, dass viele gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse mit g. A. exportiert werden und sowohl innerhalb als auch außerhalb Europas geschützt werden müssen. Ohne einen umfassenderen Schutz können die kollektiven Strategien für g. A. und die betreffenden Unternehmen nicht wirklich effizient sein. Ein lückenhafter Schutz ihrer Rechte des gewerblichen Eigentums und das Fortbestehen von Nachahmungen und unlauterem Wettbewerb würden die — häufig im ländlichen Raum ansässigen — Unternehmen schwächen; dieser Schutz muss auch für in der EU vermarktete Erzeugnisse aus Drittländern gelten;

40.

unterstreicht schließlich, dass eine EU-Verordnung über g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse es ermöglichen würde, diese in die Liste der unter EU-Handelsabkommen mit Drittländern fallenden Produkte aufzunehmen und so ihren Schutz auf Schlüsselmärkten zu gewährleisten;

41.

fordert die Kommission deshalb auf, zum Schutz von g. A. für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse aus der Europäischen Union einen entsprechenden Verordnungsentwurf zu erarbeiten und zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen; bittet die Europäische Kommission, dabei die in dieser Stellungnahme ausgeführten Erwägungen und Empfehlungen zu berücksichtigen, und sichert seine aktive Mitarbeit und Unterstützung zu.

Brüssel, den 13. Oktober 2021

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(1)  AdR-Stellungnahme ECOS-V-064, COR-2014-05386-00-00-AC-TRA zum Thema „Ausdehnung des Schutzes der geografischen Angaben der EU auf nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse“.

(2)  https://ec.europa.eu/growth/content/commission-seeks-public-opinion-protection-industrial-designs-and-eu-wide-geographical_de

(3)  Europäische Kommission, Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU: Wirtschaftliche Aspekte des EU-weiten Schutzes geografischer Angaben für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse in der EU, Studie von ECORYS, VVA und ConPolicy, 2020.

(4)  Ebda.

(5)  Ebda.


4.2.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 61/30


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Neue Verbraucheragenda — Stärkung der Resilienz der Verbraucher/-innen für eine nachhaltige Erholung

(2022/C 61/07)

Berichterstatterin:

Alexia BERTRAND (BE/Renew Europe), Mitglied einer Versammlung der regionalen Ebene: Parlament der Region Brüssel-Hauptstadt

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Allgemeine Bemerkungen

1.

erinnert an die Bedeutung der EU-Verbraucherpolitik, mit der sichergestellt werden soll, dass die EU-Bürgerinnen und -Bürger über ein solides Fundament von Rechten verfügen, die sie vor schwerwiegenden Risiken und Bedrohungen schützen, gegen die sie sich nicht individuell wehren können. So sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt werden, sachkundige Entscheidungen zu treffen, ihr Wohlergehen zu verbessern sowie ihre Sicherheit und ihre wirtschaftlichen Interessen wirksam zu schützen. Außerdem soll gewährleistet werden, dass es Kontrollmechanismen und Rechtsbehelfe gibt, mit denen diese Rechte wirksam werden;

2.

betont, dass der Verbraucherschutz auf europäischer Ebene auch dazu beitragen wird, die wirtschaftliche Erholung in Europa voranzutreiben und gleichzeitig das Modell der Kreislaufwirtschaft umzusetzen sowie die Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu verringern;

3.

begrüßt die baldige Veröffentlichung einer neuen Verbraucheragenda, in der untersucht wird, wie der Schutz und die Widerstandsfähigkeit der Verbraucher während und nach der COVID-19-Pandemie verbessert werden können, während den europäischen Verbrauchern gleichzeitig die Möglichkeit gegeben wird, eine aktive Rolle beim ökologischen und digitalen Wandel einzunehmen;

4.

hebt hervor, dass der Verbraucherschutz und seine Durchsetzungsinstrumente weiterentwickelt werden müssen, um den großen Herausforderungen, vor denen die europäische Wirtschaft steht, wie der COVID-19-Krise, dem ökologischen und dem digitalen Wandel, der Globalisierung und dem Aufkommen spezifischer Bedürfnisse bestimmter schutzbedürftiger Verbraucher, optimal Rechnung zu tragen;

5.

betont die Notwendigkeit, den in der Mitteilung über bessere Rechtsetzung eingeführten One-in-one-out-Grundsatz nicht mechanisch anzuwenden, um hohe Verbraucherschutzstandards aufrechtzuerhalten;

6.

begrüßt, dass auf der Konferenz zur Zukunft Europas die Frage der europäischen Verbraucherpolitik behandelt wird;

Verbraucherschutz vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie

7.

betont nachdrücklich, dass die Verbraucherrechte und der gemeinschaftliche Besitzstand auch in Krisenzeiten gewahrt und strikt umgesetzt werden müssen, insbesondere um diese nicht zu schwächen und damit die Verbraucherinnen und Verbraucher in den Genuss eines angemessenen Rechtsschutzes kommen können;

8.

begrüßt die vom Europäische Parlament am 27. April 2021 verabschiedete Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (Neufassung), in der die Rechte und der Schutz der Nutzer von Eisenbahnverkehrsdiensten, insbesondere die anderweitige Beförderung und Unterstützung bei Verspätungen und Ausfällen sowie die Verbesserung der Hilfeleistung für Personen mit eingeschränkter Mobilität, bekräftigt werden. Diese Stärkung der Fahrgastrechte kann den Umstieg der Verbraucher auf diesen nachhaltigeren Verkehrsträger und die Interoperabilität mit Formen der sanften Mobilität fördern, wobei die Betreiber verpflichtet werden, Fahrradstellplätze in Zügen vorzusehen;

9.

empfiehlt, die Ausweitung auf andere Bereiche des Verbraucherschutzes bei Stornierungen z. B. in der Kultur- oder Veranstaltungsbranche zu prüfen;

10.

fordert die verschiedenen zuständigen Behörden auf, in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz und in Abstimmung mit den Online-Plattformen, den Anbietern von Vermittlungsdiensten und allen einschlägigen Akteuren weiterhin gegen Betrug vorzugehen, der auf Verbraucher abzielt;

11.

betont, dass die Lehren aus der Bewältigung dieser Krise bei der Festlegung von Produkt-, Prozess-, Dienstleistungs- und Qualitätsstandards berücksichtigt werden müssen, um Standards zu schaffen, die von Behörden und Unternehmen rasch mobilisiert werden können, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau für die Verbraucher von Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten;

12.

hebt die aus der COVID-19-Pandemie gezogenen Lehren hervor und unterstreicht, wie wichtig es ist, auch in Krisenzeiten ein hohes Verbraucherschutzniveau aufrechtzuerhalten; empfiehlt insofern, die Verordnung so zu überarbeiten, dass die Folgen der außergewöhnlichen Umstände festgestellt werden, die sich für die vor dem Eintreten dieser Umstände abgeschlossenen Verbraucherverträge ergeben (Rebus-sic-stantibus-Klausel oder Klausel der gleichbleibenden Umstände). Dies würde den Grundsätzen der Antizipation und Vorsorge Rechnung tragen, was den Verbraucherschutz stärken würde;

13.

fordert die Kommission auf, die langfristigen Auswirkungen der COVID-19-Krise auf das Konsumverhalten der Europäer zu analysieren und diese Analyse bei der Ausarbeitung künftiger politischer Initiativen der EU in diesem Bereich zu nutzen;

14.

unterstützt in diesem Zusammenhang die Initiativen zur Unterstützung des örtlichen Handels, darunter auch Kleinerzeuger, und zur Förderung des lokalen Handwerks;

15.

betont zudem, dass das Verbraucherrecht durch klarere und umfassendere Informationen dazu beitragen könnte, kurze Versorgungsketten für die Agrar- und Lebensmittelproduktion zu stärken und so die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen zu verringern; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, wie wichtig es ist, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Verbraucherschutzpolitik einzubeziehen;

16.

betont ferner, dass Maßnahmen unterstützt werden müssen, die auf eine Verringerung der digitalen Kluft abzielen, und zwar sowohl in Bezug auf die Ausrüstung und die territoriale Abdeckung als auch die erforderlichen Kompetenzen;

Der Übergang zu einer grünen Wirtschaft

17.

erinnert daran, dass nachhaltiger Verbrauch für die Verwirklichung der Ziele des Grünen Deals von entscheidender Bedeutung ist;

18.

unterstreicht, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU beim Übergang zu einer grünen Wirtschaft eine entscheidende Rolle spielen, weshalb sie informiert und in die Lage versetzt werden müssen, fundierte Entscheidungen auf der Grundlage vergleichbarer, transparenter und klarer Informationen zu treffen, die auf der Kommissionsmethodik zur Messung des Umweltfußabdrucks beruhen, etwa Informationen über die Nachhaltigkeit und Reparierbarkeit sowie die sozialen und ökologischen Fußabdrücke der Produkte. Diese Informationen müssen auf fundierten Daten und Ergebnissen der Verbraucherforschung beruhen. Bei der Informationsverbreitung wird die Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften empfohlen;

19.

betont, dass die Verbraucher unbedingt die Möglichkeit haben müssen, eine Entscheidung auf der Grundlage der Nachhaltigkeit der Produkte zu treffen, während gleichzeitig Anreize für die Hersteller geschaffen werden müssen, damit sie die Lebensdauer ihrer Produkte erhöhen; dringt zudem auf europäische Rechtsvorschriften, mit denen die geplante Obsoleszenz geahndet und die Langlebigkeit industrieller und technologischer Produkte belohnt wird;

20.

weist darauf hin, dass der Übergang zu einer grünen Wirtschaft nur gelingen kann, wenn sich die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen nicht auf bestimmte Verbrauchergruppen beschränkt, und unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass der Zugang zu nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen für alle Verbraucherinnen und Verbraucher unabhängig von ihrer finanziellen Situation zur Verwirklichung der Ziele sichergestellt sein muss;

21.

empfiehlt, möglichst über die Konzipierung von Gütezeichen einen ganzheitlichen Ansatz für die Information der Verbraucher zu entwickeln, bei dem Nachhaltigkeit, Gesundheit, Umweltschutz, Ursprung des Produktes unter besonderer Berücksichtigung seiner Herkunft aus der EU oder einem Drittland und fairer Handel berücksichtigt werden; betont ferner, dass es sinnvoll ist, soziale und ökologische Aspekte durch eine Reihe von Maßnahmen, einschließlich der Festlegung von Umweltmindestkriterien in sektorspezifischen Rechtsvorschriften, wie dies im neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vorgesehen ist, zunehmend in das öffentliche Beschaffungswesen zu integrieren;

22.

unterstreicht, wie wichtig es ist, dass Produktnormen den Herausforderungen der Nachhaltigkeit und der Kreislaufwirtschaft Rechnung tragen, und betont in diesem Zusammenhang, dass den für die Normung zuständigen EU-Einrichtungen eine wichtige Rolle zukommt, insbesondere durch die Entwicklung von Normen, mit denen festgelegt werden kann, was ein „grünes“ oder „nachhaltiges“ Produkt ist;

23.

hebt die Bedeutung einer verbesserten und garantierten Interoperabilität zwischen Geräten hervor;

24.

empfiehlt, die Prüfung der Zweckmäßigkeit einer Verlängerung des gesetzlichen Haftungszeitraums für Verbrauchsgüter mit einer besseren Information der Verbraucher über die erwartete Lebensdauer von Produkten zu kombinieren;

25.

empfiehlt, die Zweckmäßigkeit eines Systems zu prüfen, das eine vorherige Genehmigung umweltbezogener Angaben und von Umweltzeichen nach dem Vorbild des Systems für gesundheitsbezogene Angaben vorsieht;

26.

betont, dass es bezüglich fehlerhafter Produkte Lösungen geben muss, die dafür sorgen, dass die Produkte vorrangig wiederverwendet oder repariert anstatt entsorgt werden, sofern dies keinen Verlust von Verbraucherrechten bedeutet und die Wiederverwendung oder Reparatur nicht zur Herstellung von geringwertigeren Produkten führt;

27.

hebt hervor, dass die Verfügbarkeit von Ersatzteilen unbedingt sichergestellt werden muss, indem darauf geachtet wird, dass die Produkte repariert werden können und die Reparaturkosten die Verbraucher nicht abschrecken, wobei die Rechte der Verbraucher in Bezug auf Produktkonformität und -sicherheit zu wahren sind; empfiehlt der Kommission, zu prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um dies zu ermöglichen;

28.

ermutigt die Kommission dazu, im Zuge der Überprüfung der Richtlinie über den Warenhandel zu prüfen, wie die Reparatur und nachhaltigere, kreislauforientierte Produkte unter Wahrung der Verbraucherrechte und des wirtschaftlichen Gleichgewichts zwischen Verbrauchern und Unternehmern weiter gefördert werden können;

29.

unterstreicht die Bedeutung der Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in diesem Bereich und betont diesbezüglich, dass neue Verbrauchskonzepte und Verhaltensweisen auf lokaler und regionaler Ebene — wie die Wirtschaft des Teilens (Sharing Economy) — gefördert werden müssen;

30.

empfiehlt, Geschäftsmodelle zu unterstützen, die den Kauf einer Dienstleistung statt einer Ware ermöglichen, indem Reparaturen und Aktionen von Organisationen der Sozialwirtschaft sowie Gebrauchtmärkte gefördert werden;

31.

betont, dass ein Verzeichnis bewährter lokaler Verfahren für Reparaturen und Kreislaufwirtschaft erforderlich ist;

32.

unterstreicht, dass es darauf ankommt, Maßnahmen für lokalen Konsum auf die Dienstleistungswirtschaft auszudehnen, z. B. im Bereich der Gebäuderenovierung und der Anpassung der Wohnungen der Verbraucher an eine ökologischere und digitale Gesellschaft, insbesondere durch eine Stärkung der Informationsinstrumente für die Verbraucher;

33.

unterstützt Initiativen zur Förderung des lokalen Handels mit dem Ziel, die Marktposition der Verbraucher zu verbessern, die Umwelt zu schützen und das Handwerk zu fördern;

34.

hebt die Bedeutung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften für die Information und Sensibilisierung der Verbraucher hervor;

35.

betont, dass es wirksamer Lösungen bedarf, die von den Verbrauchern leicht verstanden und umgesetzt werden können;

36.

unterstützt die Absicht der Kommission, mit der Wirtschaft zusammenarbeiten, um die Akteure hier zu freiwilligen Zusagen für Maßnahmen zur Unterstützung nachhaltigen Konsums zu motivieren, die über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinausgehen;

37.

betont die Notwendigkeit, die Ökodesign-Richtlinie auf energieverbrauchsrelevante Produkte, aber auch auf ein breiteres Spektrum von Produkten mit hohen Umweltauswirkungen auszuweiten und Maßnahmen zur Abfallvermeidung vorzusehen;

38.

unterstützt nachdrücklich die Veröffentlichung der Initiative für nachhaltige Produkte, die darauf abzielt, nachhaltige Produkte zur Norm zu machen, um die vorzeitige Obsoleszenz zu bekämpfen und Nachhaltigkeit zu fördern;

39.

fordert die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, über finanzielle Anreize im Rahmen des EU-Aufbauplans den langfristigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt sicherzustellen und gleichzeitig den Ressourcenverbrauch zu verringern, die Nutzung gefährlicher Substanzen zu vermeiden oder einzustellen und die Kreislauffähigkeit von Materialien und Systemen zu verbessern;

40.

hebt ein weiteres Mal die dringende Notwendigkeit hervor, den Übergang zu einem Modell des regenerativen Wachstums zu beschleunigen, indem der Ressourcenverbrauch innerhalb der Belastungsgrenzen des Planeten gehalten und unser Fußabdruck verkleinert wird. Hierfür gilt es, Wachstum und Ressourcennutzung zu entkoppeln, eine wirklich kreislauforientierte Gesellschaft zu entwickeln und auf allen Ebenen von Regierung, Verwaltung und Gesellschaft zusammenzuarbeiten;

41.

betont, dass KMU und lokale Kleinerzeuger beim Übergang zu einer grünen Wirtschaft unterstützt werden müssen, ohne den Verwaltungsaufwand zu erhöhen. EU-Mittel sind für diese Übergänge von entscheidender Bedeutung; unterstreicht, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Bereitstellung von Informationen über die in diesem Zusammenhang verfügbaren EU-Mittel einbezogen werden müssen;

Der digitale Wandel

42.

erinnert daran, dass der digitale Wandel das Leben der Verbraucherinnen und Verbraucher grundlegend verändert, ihnen enorme Chancen bietet, sie aber auch vor neue Herausforderungen stellt. In diesem Zusammenhang muss gegen unlautere Geschäftspraktiken im Internet vorgegangen werden. Der Verbraucherschutz muss bei der Festlegung von Vorschriften für die digitale Wirtschaft und Anforderungen an künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge und die Robotik gestärkt werden; nimmt in diesem Zusammenhang den innovativen Vorschlag der Europäischen Kommission in ihrer Verordnung über harmonisierte Vorschriften für künstliche Intelligenz und in ihrer Mitteilung „Förderung eines europäischen Ansatzes für künstliche Intelligenz“ zur Kenntnis, die Gegenstand einer gesonderten Stellungnahme des AdR sein werden;

43.

unterstreicht, dass die Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken im Internet ausgeweitet werden müssen. Es geht insbesondere um die Entwicklung neuer normativer Instrumente oder Instrumente der Marktüberwachung, um die Verbraucher vor neuen Praktiken zu schützen, die sich aus Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz und dem Einsatz von Algorithmen ergeben (z. B. Angebote, deren Preise, Produkte oder Dienstleistungen mittels Profiling im Internet auf den jeweiligen Verbraucher zugeschnitten werden), und einen wirksamen Schutz ihrer personenbezogenen Daten zu gewährleisten; fordert die Kommission und die EU-Institutionen zudem auf, die Öffentlichkeit für die ökologischen und sozialen Auswirkungen von Online-Käufen zu sensibilisieren;

44.

betont, dass die europäischen Rechtsvorschriften bezüglich Produktsicherheit, die der physischen Sicherheit der Verbraucher dienen, modernisiert werden müssen, damit Fragen der Sicherheit vernetzter Objekte (Schutz personenbezogener Daten, Cybersicherheit, Zuverlässigkeit, Transparenz und Verbraucherinformation) berücksichtigt werden;

45.

betont, dass die EU-Rechtsvorschriften für den Verbraucherschutz und die für digitale Märkte kohärent sein und eine klare Wechselwirkung haben müssen, um für ein hohes Verbraucherschutzniveau in Bezug auf Verbraucherrechte, Zugang zu Waren und Dienstleistungen, einschließlich des grenzüberschreitenden Zugangs, Transparenz, Haftung und ein sicheres digitales Umfeld zu sorgen und die Rechenschaftspflicht von Online-Vermittlern zu klären und zu stärken. Es sollten Mechanismen für Online-Vermittler geschaffen werden, damit diese das Online-Angebot von Unternehmen im Laufe der Zeit überwachen können, um so eine Beeinträchtigung des Schutzes der Verbraucherrechte aufgrund der Volatilität dieser Online-Angebote zu verhindern;

46.

begrüßt die Absicht der Kommission, ein innovatives elektronisches Instrumentarium einzuführen, das die zuständigen Stellen bei der Ermittlung illegaler Online-Geschäftspraktiken unterstützen dürfte; weist darauf hin, dass solche E-Tools auch dazu dienen sollten, das Verschwinden von Unternehmen, die ihre Produkte online anbieten, zu überwachen;

47.

unterstreicht, dass es in bestimmten Bereichen nach wie vor Geoblocking-Verfahren gibt, die die Verbraucher daran hindern, digitale Inhalte in ganz Europa uneingeschränkt zu nutzen;

48.

empfiehlt, die Datenspeicher der Behörden zu nutzen, um die Verbraucher durch eine dynamische Politik der offenen Daten bestmöglich zu informieren;

49.

betont, dass KMU und lokale Kleinerzeuger beim Übergang zu einer digitalen Wirtschaft unterstützt werden müssen, ohne den Verwaltungsaufwand zu erhöhen. EU-Mittel sind für diesen Übergang von entscheidender Bedeutung; unterstreicht, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Bereitstellung von Informationen über die in diesem Zusammenhang verfügbaren EU-Mittel einbezogen werden müssen;

Wirksame Rechtsdurchsetzung und effektiver Rechtsschutz

50.

fordert die Kommission auf, die Mitgliedstaaten und die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften bei der Kontrolle der Wahrung der Verbraucherrechte koordinierend zu unterstützen, insbesondere indem sie sicherstellt, dass die von einem Mitgliedstaat ergriffenen Maßnahmen unabhängig vom Standort des Unternehmens greifen können, wie dies bei Sanktionen der Fall sein sollte;

51.

begrüßt, dass in der „Neuen Verbraucheragenda“ vorgesehen ist, dass die Kommission die Mitgliedstaaten bei der zügigen Umsetzung und Durchsetzung des Verbraucherrechts unterstützt, insbesondere über das Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz; betont in diesem Zusammenhang die positive Rolle der Europäischen Verbraucherzentren bei der Ausgestaltung des grenzüberschreitenden Verbraucherschutzes;

52.

stellt fest, dass die ordnungsgemäße Umsetzung der im Einklang mit der neuen Agenda notwendigen Kontrollmaßnahmen eine größere Zahl von Mitarbeitern erfordert, die Marktüberwachungsaufgaben wahrnehmen. Insofern gilt es, für die zu überwachenden Aktivitäten — betrügerische Praktiken, unlautere Praktiken, Online-Verkäufe usw. — die sektorale Spezialisierung der damit betrauten Mitarbeiter zu verbessern und entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen ebenso zur Verfügung zu stellen wie angemessene materielle Ressourcen. Außerdem ist es erforderlich, über ein angemessenes Netz akkreditierter Laboratorien zu verfügen, um mögliche Betrugsfälle oder Verstöße aufzudecken, die die Sicherheit beeinträchtigen könnten;

53.

rät zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften einerseits und den Verbraucherorganisationen andererseits;

54.

unterstützt die Entwicklung freiwilliger Maßnahmen zur Information der Verbraucher, die in Partnerschaft zwischen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und den Unternehmen erfolgt;

Berücksichtigung spezifischer Verbraucherbedürfnisse

55.

begrüßt, dass in der neuen Verbraucheragenda hervorgehoben wird, dass bestimmte Verbrauchergruppen vor allem infolge der digitalen Kluft in einigen Situationen besonders schutzbedürftig sein können und spezifische Schutzmaßnahmen benötigen, etwa Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen;

56.

betont, dass schutzbedürftige Verbraucher, die Kredite für den Erwerb grundlegender Güter und Dienstleistungen in Bereichen wie medizinische Versorgung, Bildung und öffentliche Dienstleistungen benötigen, besser geschützt werden müssen; in diesen Sektoren gilt es, Strategien und Instrumente zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Fall der Insolvenz von Unternehmen zu konzipieren, die kontinuierlich Dienstleistungen in den systemrelevanten Sektoren Gesundheit und Bildung erbringen, um bei entsprechenden Unternehmensschließungen den Schaden zu begrenzen;

57.

unterstreicht, dass es unerlässlich ist, das Finanzwissen der Verbraucherinnen und Verbraucher gerade auch im Bereich der neuen digitalen Technologien auszubauen, indem einschlägige Projekte auf lokaler und regionaler Ebene unterstützt werden;

58.

begrüßt, dass in der neuen Verbraucheragenda vorgesehen ist, die Finanzmittel für Maßnahmen zur Verbesserung der Verfügbarkeit von Schuldenberatungsdiensten in den Mitgliedstaaten ab 2021 aufzustocken, da die Maßnahmen der lokalen Behörden in diesem Bereich von großer Bedeutung sind;

59.

begrüßt die Absicht der Europäischen Kommission, Initiativen zur lokalen Beratung von Verbrauchern zu unterstützen, die aus strukturellen oder persönlichen Gründen keinen Zugang zu online oder bei zentralen Informationsstellen bereitgestellter Unterstützung und Information haben;

60.

fordert eine Zusammenarbeit zwischen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, den Verbraucherorganisationen und den Unternehmen bzw. deren Verstärkung, damit sie ihre Kräfte für eine maximale Ressourcennutzung bündeln;

61.

empfiehlt der Kommission in Bezug auf die Bemühungen zur Bekämpfung der Überschuldung, über Präventivmaßnahmen hinaus die Machbarkeit eines europäischen Rechtsinstruments zur kollektiven Regelung von Verbraucherschulden zu prüfen; fordert zudem spezifische Maßnahmen, mit denen sich für die Verbraucher erwiesenermaßen besonders schädliche Praktiken (z. B. revolvierende Karten) vermeiden lassen, die zu Verschuldung führen und die Wahrscheinlichkeit von Folgekrediten erhöhen;

62.

empfiehlt, die Aspekte der Schutzbedürftigkeit und des Ausschlusses von Verbrauchern in all ihren Dimensionen anzugehen, einschließlich der sich unmittelbar auf lokale Probleme beziehenden Aspekte, wie die digitale Kluft, von der Verbraucher betroffen sind, die in nicht, wenig oder schlecht vernetzten Gebieten leben; empfiehlt ferner, ein Verzeichnis grundlegender vor Ort angebotener Finanzdienstleistungen zu fördern und zu regeln sowie Maßnahmen zu ergreifen, um deren komplette oder teilweise Abschaffung zu verhindern, durch die die Verbraucher nach ihrem Zugang zu Finanzdienstleistungen diskriminiert würden;

63.

empfiehlt außerdem, das Problem der digitalen Kluft anzugehen, von der schutzbedürftige Verbraucher betroffen sind, die besonders in strukturschwachen Regionen ohne die notwendige Ausrüstung oder die erforderlichen Grundkenntnisse vom digitalen Wandel ausgeschlossen würden;

Verbraucherschutz im globalen Kontext

64.

betont, dass in einer globalisierten Welt, in der Online-Einkäufe über Grenzen hinweg getätigt werden, die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern entscheidend geworden ist;

65.

begrüßt die Ankündigung der Kommission, mit China einen Aktionsplan zur Verbesserung der Sicherheit von online verkauften Produkten auszuarbeiten und regulatorische Unterstützung, technische Hilfe und Unterstützung beim Kapazitätsaufbau für EU-Partnerregionen insbesondere in Afrika bereitzustellen;

66.

legt der Kommission jedoch nahe, mit denjenigen Drittstaaten eine Zusammenarbeit zu entwickeln bzw. diese zu verstärken, in denen Anbieter niedergelassen sind, die ihr Angebot auf das Gebiet der EU ausrichten;

67.

fordert die Europäische Kommission nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass in die EU eingeführte Waren und Dienstleistungen den einschlägigen Standards und Vorschriften der Europäischen Union entsprechen; begrüßt den Vorschlag der Kommission, die Rechenschaftspflicht der Unternehmen in Bezug auf Menschenrechte sowie Sozial- und Umweltstandards in ihrer gesamten Wertschöpfungskette (einschließlich ihrer Unterauftragnehmer) und auch in Drittländern zu stärken;

Anwendung der Verbraucherschutzpolitik auf andere Bereiche

68.

erinnert daran, dass Verbraucherpolitik wie kaum eine andere EU-Politik bereichsübergreifend ist, da sie zahlreiche Politikbereiche der EU berührt, wie etwa Produktsicherheit, den digitalen Markt, Finanzdienstleistungen, Lebensmittelsicherheit und -kennzeichnung, Energie, Reise und Verkehr;

69.

hebt hervor, dass die Erfordernisse des Verbraucherschutzes bei der Konzipierung und Umsetzung anderer Politikbereiche und Maßnahmen der Union berücksichtigt werden müssen, etwa bezüglich Energie, Telekommunikation, Verkehr, Versicherungen, Kredite usw.;

70.

unterstreicht, dass das Ziel der Förderung des Verbraucherwohls durch eine robuste Wettbewerbspolitik in der Europäischen Union weiterhin zu den vorrangigen Zielen bei der Umsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV gehören muss;

Steuerung

71.

betont die Notwendigkeit, das Verbraucherbarometer, das die Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher in der Europäischen Union abbildet, durch eine Reihe einschlägiger Indikatoren, einschließlich kreislaufwirtschaftlicher Indikatoren für den Verbrauch, weiterzuentwickeln, um die Steuerung und Überwachung der neuen Verbraucheragenda zu unterstützen;

72.

unterstützt die Absicht der Europäischen Kommission, ein neues Steuerungsmodell mit einer breit angelegten Partnerschaft unter Einbeziehung aller relevanten Akteure einzuführen. In diesem Zusammenhang ist das Bestreben der Kommission zu begrüßen, regelmäßige Debatten mit dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen zu führen und dabei im Rahmen der bestehenden Netze, Arbeitsgruppen oder Ad-hoc-Taskforces eng mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten;

73.

bekräftigt, dass der Europäische Ausschuss der Regionen in diese Arbeiten einbezogen werden sollte.

Brüssel, den 13. Oktober 2021

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


4.2.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 61/36


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025

(2022/C 61/08)

Berichterstatterin:

Kate FEENEY (IE/Renew Europe), Mitglied des Grafschaftsrates von Dún Laoghaire-Rathdown

Referenzdokument:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025

COM(2020) 698 final

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

stellt fest, dass Gleichheit zu den in den Verträgen und der Grundrechtecharta verankerten Grundwerten der EU zählt, woraus sich für diese sowohl ein Auftrag als auch eine Verantwortung für die Bekämpfung von Diskriminierung ergeben;

2.

bekräftigt, dass die Rechte lesbischer, schwuler, bisexueller, trans*, nichtbinärer, intersexueller und queerer (LGBTIQ) Personen Menschenrechte und somit allen Menschen zu eigen sind — unabhängig von ihrer Rechtsstellung als Nichtstaatsangehörige, Flüchtlinge, Zugewanderte oder ausländische Gebietsansässige, unabhängig davon, ob sie Frauen, Männer, Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen sind, und unabhängig von ihrer Religion, ihrem ethnischen Hintergrund, ihren politischen Ansichten oder ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität bzw. geschlechtlichen Ausdrucksform sowie ihren Geschlechtsmerkmalen;

3.

begrüßt alle bisherigen Arbeiten (1) auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene, einschließlich der Vorlage der Mitteilung der Europäischen Kommission Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025 und der darin definierten politischen Ziele und Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTIQ-Personen in der EU;

4.

gibt zu bedenken, dass diese erste LGBTIQ-Gleichstellungsstrategie der EU zwar ein lang erwarteter Schritt in die richtige Richtung in einem Europa ist, das das Motto „In Vielfalt geeint“ trägt, dass aber gleichzeitig Rückschritte in Bezug auf die Werte der EU zu verzeichnen sind — mit Regierungen, die sich kontinuierlich einer gegen LGBTIQ gerichteten Rhetorik bedienen und sogar diskriminierende Maßnahmen und Rechtsvorschriften beschließen;

5.

sieht sich durch die Tatsache ermutigt, dass die Europäische Kommission den AdR ausdrücklich erwähnt und dazu auffordert, den Dialog mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und der Zivilgesellschaft, einschließlich der Sozialpartner, zu fördern, um Fortschritte bei der Gleichstellung von LGBTIQ-Personen zu erreichen;

6.

ist besorgt darüber, dass strukturelle Diskriminierung und Marginalisierung von LGBTIQ-Personen in der gesamten EU trotz verstärkter politischer Anstrengungen nach wie vor Realität ist;

7.

ist daher der festen Überzeugung, dass den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine Schlüsselrolle beim Aufbau einer europäischen Gesellschaft zukommt, die auf der Inklusion aller und nicht auf der Ausgrenzung einiger beruht, und teilt die Auffassung, dass Inklusions- und Diversitätsstrategien sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor wichtig sind, um die komplexen Herausforderungen und Lebenssituationen, mit denen LGBTIQ-Personen konfrontiert sind, besser zu bewältigen;

8.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, sicherzustellen, dass die Grundprinzipien der EU geachtet werden und dass keine Gemeinde, keine Region und kein Staat systemische diskriminierende Initiativen wie „LGBT-freie Zonen“ einführt, die in Form einer „Kommunalen Charta der Rechte der Familie“ oder „Resolution gegen die LGBT-Ideologie“ verabschiedet werden, oder finanzielle Mittel auf eine Weise verwendet, die gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoßen;

9.

betont in diesem Zusammenhang, dass Maßnahmen gegen die Diskriminierung von LGBTIQ-Personen ergriffen werden müssen, begrüßt die Entschließung des Europäischen Parlaments (2), in der die gesamte EU zu einem Freiheitsraum für LGBTIQ-Personen ausgerufen wurde, und unterstreicht die Bedeutung gegenseitiger Toleranz unter den Bürgerinnen und Bürgern;

Welche Rolle kommt den Städten und Regionen zu?

10.

ist davon überzeugt, dass die Bekämpfung von Ungleichheit in der EU eine gemeinsame Verantwortung ist, die das Handeln auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen sowie die aktive und dauerhafte Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der LGBTIQ-Organisationen und -Interessengruppen erfordert, die allesamt eine Schlüsselrolle bei der Steuerung und Ausgestaltung der Gleichstellungspolitik und ihrer wirksamen Umsetzung spielen;

11.

glaubt an das Potenzial lokaler und regionaler Gleichstellungs- und Mainstreaming-Maßnahmen, da Regional- und Gemeinderatsmitglieder und Bürgermeister mit den Bürgerinnen und Bürgern täglich in einem anderen Kontext interagieren als nationale Politiker, etwa in Schulen, am Arbeitsplatz oder bei Kultur- und Sportveranstaltungen — allesamt Orte, an denen Menschenrechte geprägt und durchgesetzt werden;

12.

betont ferner, dass eine Aufgabe der lokalen Behörden darin besteht, die Menschen über ihre Rechte aufzuklären, die wichtigsten Herausforderungen für die örtliche Bevölkerung zu ermitteln, eine gleichberechtigte Teilhabe am Gemeinschaftsleben und einen gleichberechtigten Zugang zu Dienstleistungen sicherzustellen sowie maßgeschneiderte Dienstleistungen für marginalisierte Mitglieder der Gesellschaft einzuführen;

13.

teilt die Auffassung des Weltwirtschaftsforums (3), dass es eindeutige und positive Wechselwirkungen zwischen der Förderung von Gleichheit und Rechten einerseits und der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Wohlstand von Städten und Regionen anderseits gibt und dass sich jede Form ausgrenzenden Verhaltens negativ auf die Gemeinschaft als Ganzes sowie auf die Wirtschaft im Allgemeinen auswirkt. Dies ist jetzt, da wir mit dem Wiederaufbau unserer Städte und Gemeinden nach der COVID-19-Krise beginnen, umso wichtiger;

14.

ist besorgt über die offensichtliche Kluft zwischen ländlichen und städtischen Gebieten in Bezug auf den allgemeinen Respekt und die Akzeptanz von Diversität — eine Kluft, die das Risiko birgt, dass die demografischen Herausforderungen bestimmter Regionen verschärft und deren wirtschaftliche und soziale Entwicklung weiter beeinträchtigt werden;

15.

stellt fest und begrüßt, dass es lokale Gebietskörperschaften (4) gibt, die die Inklusion von LGBTIQ-Personen aktiv angehen, und dass sich manche bei der Festlegung LGBTIQ-freundlicher Maßnahmen sogar in den Fällen an die Spitze setzen, in denen die nationale Regierung hinterherhinkt;

Bekämpfung sämtlicher Formen von Gewalt

16.

verpflichtet sich, Städte als Freiheitsräume für LGBTIQ-Personen in der gesamten EU und darüber hinaus umfassend zu fördern;

17.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, gegen sämtliche Formen der Gewalt gegen LGBTIQ-Personen vorzugehen, und fordert Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Gewalt gegen LGBTIQ-Personen, einschließlich der Online-Gewalt, die unter jüngeren Menschen zu einer „Normalität“ werden könnte;

18.

fordert die Kommission auf, unter Anerkennung der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung Maßnahmen zu ergreifen, um Hetze, insbesondere im Internet, entgegenzuwirken. Hetze gegen LGBTIQ-Personen ist eine der Ursachen für Diskriminierung mit den größten negativen Folgen; sie artet häufig in Hasskriminalität und Gewalt aus. Die Bekämpfung von Hetze erfordert die Zusammenarbeit zwischen europäischen Institutionen, Regierungsstellen, lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und Privatsektor. Dies ist ein notwendiger Schritt, um der Diskriminierung und ihren verheerenden gesellschaftlichen Auswirkungen Einhalt zu gebieten;

19.

sieht dem bevorstehenden Vorschlag der Kommission, die Liste der EU-Straftatbestände gemäß Artikel 83 Absatz 1 AEUV um Hassdelikte und Hetze — einschließlich derjenigen, die sich gegen LGBTIQ-Personen, und zwar nicht nur wegen ihrer sexuellen Ausrichtung, sondern auch wegen ihrer Geschlechtsidentität, geschlechtlichen Ausdrucksform bzw. Geschlechtsmerkmale richten — zu erweitern, erwartungsvoll entgegen und betont, dass die Opferschutzrichtlinie dringend umgesetzt werden muss;

20.

fordert alle EU-Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul) zu ratifizieren, dessen Maßnahmen zum Schutz der Opferrechte ohne jegliche Diskriminierung Anwendung finden, einschließlich Diskriminierung aus Gründen des biologischen oder sozialen Geschlechts, der sexuellen Ausrichtung oder der Geschlechtsidentität; fordert die Europäische Kommission deshalb auf, ihre Zusage einzuhalten und den Abschluss des Übereinkommens zu einer entscheidenden Priorität zu machen, und erwartet mit Ungeduld u. a. den Vorschlag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, den Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union 2021 angekündigt hat;

21.

fordert die korrekte Umsetzung und strikte Anwendung der überarbeiteten Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die den Schutz vor Inhalten stärkt, die zu Hass oder Gewalt aufstacheln, und die audiovisuelle kommerzielle Kommunikationen verbietet, die jedwede Diskriminierung, auch aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Ausrichtung, enthalten oder fördern;

Freizügigkeit und Familien

22.

hält es für wichtig, dass in der Strategie ausdrücklich auf den regionalen — insbesondere transregionalen — Aspekt der Freizügigkeit Bezug genommen und dabei die vertraglich verankerte Tatsache beachtet wird, dass das Familienrecht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt; weist darauf hin, dass so Hindernisse für die Freizügigkeit entstehen können, da aufgrund der Unterschiede im Familienrecht zwischen den Mitgliedstaaten familiäre Bindungen möglicherweise nicht mehr anerkannt werden, wenn LGBTIQ-Familien die Binnengrenzen der EU überschreiten;

23.

begrüßt, dass die Europäische Kommission im November 2020 erstmals ihre EU-Strategie zur Gleichstellung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, nichtbinären, intersexuellen und queeren Personen (LGBTIQ) vorgestellt hat. Eine der vier Säulen dieser Strategie der Kommission bezieht sich auf die Gewährleistung der Sicherheit von LGBTIQ-Personen.

Das Phänomen der Gewalt gegen LGBTIQ ist allerdings bis heute nicht repräsentativ aufgearbeitet, um in einem zweiten Schritt relevante Arbeitsansätze zur künftigen Bekämpfung von Gewalt zu liefern.

Zwar liefert die von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) veröffentlichte Online-Umfrage „A Long Way to Go for LGBTI Equality“ wertvolle Hinweise zu Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen von LGBTIQ, die Umfrage ist jedoch als freiwillige Online-Erhebung statistisch nicht repräsentativ, da sie keine Zufallsstichprobe liefert. Der AdR fordert die Europäische Kommission vor diesem Hintergrund im Rahmen ihrer LGBTIQ-Strategie auf, in regelmäßigem Turnus eine anonyme und repräsentative Dunkelfeldstudie über Gewalterfahrungen inkl. Partnerschaftsgewalt von LGBTIQ-Personen in der EU zu initiieren und zu finanzieren, die für alle EU-Mitgliedstaaten unabhängig durchgeführt und ausgewertet wird;

24.

stimmt folgender Aussage der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, uneingeschränkt zu: „Wenn Sie in einem Land Vater oder Mutter sind, sind Sie in jedem Land Vater oder Mutter“ (5); begrüßt daher die Ankündigung einer Gesetzgebungsinitiative zur Förderung der gegenseitigen Anerkennung von Familien zwischen den Mitgliedstaaten;

25.

fordert die Mitgliedstaaten auf, für einen einfachen Zugang zu klaren Informationen über die Anerkennung grenzüberschreitender Rechte von LGBTIQ-Personen und ihren Familien in der EU und für die umfassende Unterrichtung von Beamten auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen zu sorgen;

26.

schließt sich der Forderung des Europäischen Parlaments in dessen Entschließung zu Rechten von LGBTIQ-Personen in der EU (6) zu Regenbogenfamilien und gleichgeschlechtlichen Paaren an und drängt die Kommission, zur Verbesserung der Stellung von Regenbogenfamilien beizutragen, indem das grenzüberschreitende Familienrecht strikt angewandt und die Dialoge (einschließlich gezielter Dialoge in Bezug auf die Umsetzung des Urteils in der Rechtssache Coman (7)) mit den Mitgliedstaaten intensiviert werden, in deren Zuständigkeit das materielle Familienrecht fällt;

27.

fordert die lokalen Behörden auf, ein positives Signal an die LGBTIQ-Personen vor Ort zu senden, indem sie Mut beweisen und ehrgeizige LGBTIQ-freundliche Maßnahmen ergreifen, und einen Wandel von der Basis aus herbeizuführen. Davon zeugt das Beispiel der Stadt Turin (8), deren Stadtverwaltung Lebenspartnerschaften zwischen Personen des gleichen Geschlechts offiziell anerkennt, obwohl dafür bis 2016 keine nationalen Bestimmungen existierten. Turin spielt seitdem nach wie vor eine Vorreiterrolle, indem es die rechtliche Elternschaft bei gleichgeschlechtlichen Paaren anerkannt hat, obwohl es keine entsprechenden Bestimmungen im nationalen Recht gibt;

Unterstützung von LGBTIQ-Jugendlichen in der EU

28.

stellt fest, dass LGBTIQ-Jugendliche in Europa besonders gefährdet sind, da sie von klein auf mit Diskriminierung, Viktimisierung, Stigmatisierung und Missbrauch konfrontiert sind. Sie erleben Schwierigkeiten beim Coming-out gegenüber Familienmitgliedern und ihrem sozialen Umfeld, stoßen auf geringes Verständnis für LGBTIQ-bezogene Themen seitens professioneller Dienstleister und der Gesellschaft im Allgemeinen und müssen geistige und körperliche Probleme, die auch die sexuelle Gesundheit betreffen, überwinden;

29.

begrüßt die am 24. März 2021 veröffentlichte umfassende Strategie der Kommission für die Rechte des Kindes, mit der sichergestellt wird, dass LGBTIQ-Kinder ihre Persönlichkeit frei entfalten können, und die den Schutz und die Ausübung ihrer Rechte garantiert und zudem Informationen und Leitlinien für die Familien umfasst, damit diese die uneingeschränkte Entwicklung der Kinder begleiten können; unterstützt ausdrücklich den Austausch bewährter Verfahren zur Beendigung nicht lebenswichtiger Operationen und medizinischer Eingriffe bei intersexuellen Kleinkindern und Jugendlichen, mit denen sie, ohne dass sie oder ihre Eltern unter genauer Kenntnis der Sachlage zugestimmt hätten, den typischen Definitionen von männlichem oder weiblichem Geschlecht angepasst werden sollen;

30.

ersucht die Mitgliedstaaten nachdrücklich, in ihren nationalen LGBTIQ-Gleichstellungsplänen Maßnahmen und Praktiken zu ermitteln, die LGBTIQ-Personen und insbesondere jungen Menschen schaden oder sie weiter ausgrenzen; fordert, dass die Mitgliedstaaten lokale Gemeinschaften unterstützen, indem sie geeignete Dienstleistungen für marginalisierte junge Menschen (z. B. durch die Schaffung sicherer Rahmenbedingungen) bereitstellen, und dass sie gleiche Beschäftigungschancen und ein inklusives Arbeitsumfeld sowie eine positive Vertretung und Teilhabe von LGBTIQ-Personen in den Bereichen Kultur, Gesellschaft und Sport gewährleisten;

31.

macht darauf aufmerksam, dass die Obdachlosigkeit von LGBTIQ-Personen ein verborgenes Problem in Europa darstellt, auch wenn in den wenigen einschlägigen Untersuchungen (9) bereits nachgewiesen wurde, dass es unter Obdachlosen überdurchschnittlich viele — insbesondere jüngere — LGBTIQ-Personen gibt: So bezeichnen sich schätzungsweise 25-40 % der jungen Obdachlosen als LGBTIQ (10); ruft daher dazu auf, diesem Problem auch im Rahmen der Europäischen Plattform zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen;

32.

unterstreicht, dass die Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf strikt umgesetzt und ihre Umsetzung sorgfältig überwacht und bewertet werden sollte; begrüßt, dass die Kommission die geltenden Rechtsvorschriften überprüfen und bewerten und in der Folge 2022 alle Rechtsvorschriften vorlegen wird, die aufgrund dessen erforderlich sind. Dies betrifft insbesondere auch die Rolle der Gleichstellungsstellen;

33.

fordert die Europäische Kommission und die nationalen, regionalen und lokalen Entscheidungsinstanzen auf, die Obdachlosigkeit junger LGBTIQ als extreme Form der sozialen Ausgrenzung stärker ins Blickfeld zu rücken sowie Betreuungseinrichtungen und Unterkünfte für die betroffenen Jugendlichen zu schaffen (nach dem Vorbild der Städte Krakau und Berlin);

Auswirkungen von COVID-19 auf das Leben von LGBTIQ-Personen

34.

stellt fest, dass die COVID-19-Krise komplexe gesundheitliche und gesellschaftliche Herausforderungen und Risiken für LGBTIQ-Personen mit sich bringt. Dazu zählen jüngsten Untersuchungen (11) zufolge: Verschlechterung der psychischen Gesundheit und Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung, Zunahme von Hetze und häuslicher Gewalt, Hürden beim Zugang zu öffentlichen Hilfsprogrammen (u. a. für Wohnraum, Verpflegung und Lebensunterhalt) und beim Zugang zur Justiz, zur Registrierung und zu anderen rechtlichen Verfahren;

35.

begrüßt die von einigen Gemeinden eingeführten Förderprogramme, mit denen psychologische Online-Hilfe, Aktivitäten im Freien, Zugang zur Gesundheitsversorgung, kommunale Wohnungen, sichere Unterkünfte und zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt werden; fordert die nationalen, regionalen und lokalen Gebietskörperschaften dazu auf, für die Diskriminierungsfreiheit von Not- und Wiederaufbaumaßnahmen zu sorgen;

Weiteres Vorgehen

36.

fordert, auf der Grundlage von Fakten die Zusammenarbeit und den Dialog zwischen Regierungsstellen und Interessenträgern auf allen Ebenen und über Grenzen hinweg — unter besonderer Berücksichtigung der persönlichen Erfahrungen von LGBTIQ-Personen — zu intensivieren sowie LGBTIQ-Fragen in bestehenden und neuen politischen Maßnahmen durchgängig zu berücksichtigen, um so die Annahme fundierter und entsprechend angepasster Strategien sicherzustellen, die die Diversität widerspiegeln;

37.

bekräftigt die Forderung (12), einen bereichsübergreifenden Ansatz stärker umzusetzen und die intersektionalen Maßnahmen mit erfolgreichen sektorspezifischen Maßnahmen zu koppeln;

38.

unterstützt alle Bemühungen zur Verhinderung von Konversionstherapien und erzwungenen medizinischen Eingriffen für intersexuelle und trans* Personen (einschließlich der intersexuellen Genitalverstümmelung und Zwangssterilisation); fordert die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, derartigen Initiativen, wenn sie in ihren Räumlichkeiten tätig sind, Einhalt zu gebieten und Mittel bereitzustellen, um solche Praktiken zu beenden, wobei dem Schutz von Kindern und Jugendlichen besondere Aufmerksamkeit gelten sollte;

39.

begrüßt den Ansatz der Europäischen Kommission, den Austausch bewährter Verfahren in Bezug auf Rechtsvorschriften und Verfahren zur Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit gemäß dem Grundsatz der Selbstbestimmung zu fördern, und begrüßt, dass ein sektorübergreifender Dialog eingeleitet werden soll, um das Bewusstsein für trans* und nichtbinäre Identitäten sowie intersexuelle Personen zu schärfen und die Inklusion bei allen einschlägigen Maßnahmen und Verfahren zu fördern;

40.

fordert einen verstärkten Schutz von trans* Personen, die in besonders hohem Maße Diskriminierung, Gewalt und Verfolgung ausgesetzt sind. Laut einer aktuellen Studie (13) sind in nur 13 der 31 untersuchten Länder nationale Rechtsvorschriften in Kraft, die zumindest bis zu einem gewissen Grad Schutz vor Diskriminierung aus Gründen der Geschlechtsidentität und/oder der Geschlechtsmerkmale bieten;

41.

unterstreicht die dringende Notwendigkeit von Multi-Level-Governance und Partnerschaften; unterstützt nachdrücklich die Arbeit des Kongresses der Gemeinden und Regionen in Europa in Bezug auf die Rolle und Zuständigkeiten lokaler Behörden beim Schutz von LGBTI-Personen und bittet um Erläuterung der Ergebnisse dieses Berichts;

42.

fordert, dass anerkannt wird, wie wichtig der Zugang zur Gesundheitsversorgung im Zusammenhang mit geschlechtsangleichenden Maßnahmen ist. Gesundheitliche Versorgung im Zusammenhang mit geschlechtsangleichenden Maßnahmen rettet Leben und muss auch so behandelt werden. Die COVID-19-Pandemie darf nicht als Vorwand herhalten, um den Zugang zu jeder Form der gesundheitlichen Versorgung, auch Behandlungen im Zusammenhang mit geschlechtsangleichenden Maßnahmen sowie laufende Behandlungen, zu verschieben, zu verzögern oder einzuschränken;

43.

bietet an, sowohl die Europäische Kommission als auch das Europäische Parlament, insbesondere seine interfraktionelle Arbeitsgruppe LGBTI, bei der Sammlung relevanter bewährter Methoden der lokalen und regionalen Ebene und der Umsetzung der einschlägigen EU-Rechtsvorschriften vor Ort zu unterstützen;

44.

fordert die Europäische Kommission nachdrücklich auf, die Erforschung der geografischen Unterschiede bei der Akzeptanz von LGBTIQ-Personen zu fördern, um die Methoden zur Bekämpfung von Diskriminierung außerhalb städtischer Gebiete zu verbessern;

45.

ist der Überzeugung, dass die Einbeziehung des AdR in die Schaffung der Initiative „Inklusive Hauptstadt“ einen erheblichen Mehrwert hätte, und fordert daher erneut, den AdR jedes Jahr in die Benennung einer oder mehrerer europäischer Hauptstädte für Inklusion und in das Netz staatlicher LGBTI-Kontaktstellen des Europarates formell einzubinden;

46.

fordert die Europäische Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften an der Gestaltung, Umsetzung und Überwachung der nationalen LGBTIQ-Gleichstellungspläne umfassend beteiligt werden;

47.

schließt sich dem Ansatz der Europäischen Kommission an, der auf beispielhaftes Handeln und die Schaffung eines uneingeschränkt inklusiven Arbeitsumfelds abzielt, und fordert Kontrollen im Hinblick auf Maßnahmen, die die Interessen von LGBTIQ-Bediensteten in den europäischen Institutionen untergraben;

48.

fordert alle politischen Entscheidungsträger auf, mit gutem Beispiel voranzugehen, indem sie jedwede Diskriminierung, homophobe, transphobe und interphobe Äußerung, Belästigung und Gewalt aufgrund der Geschlechtsidentität, der geschlechtlichen Ausdrucksform und der Geschlechtsmerkmale öffentlich anprangern;

49.

betont, dass Bildungsmaßnahmen und Informationskampagnen für alle Menschen gleich welchen Alters und Hintergrunds notwendig sind und dass die öffentlichen Dienste gestärkt, die die Kapazitäten im Bereich der professionellen Unterstützung ausgebaut und der opferzentrierte Zugang zur Justiz verbessert werden sollten;

50.

betont die Rolle der allgemeinen Sexualerziehung bei der Bekämpfung von Stereotypen und Diskriminierung, der Schaffung eines positiven Bildes von LGBTIQ-Personen und der Förderung einer Atmosphäre der Akzeptanz. Angriffe auf Lehrkräfte sollten verurteilt werden;

51.

sieht den neuen Vorschlägen zur potenziellen Finanzierung von Projekten zur Bekämpfung von intersektioneller Diskriminierung und Ungleichheit von LGBTIQ-Personen, geschlechtsspezifischen Vorurteilen und anderen Stereotypen im Rahmen des Programms „Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ erwartungsvoll entgegen;

52.

fordert, Mittel bereitzustellen, mit denen zivilgesellschaftliche LGBTIQ-Organisationen nicht nur auf Projektebene gefördert werden, und Gleichstellungs- und Diversitätsprogramme in Gemeinden und Regionen finanziell zu unterstützen, in denen LGBTIQ-Personen mit einer besonders feindseligen Haltung von offiziellen Stellen konfrontiert sind;

53.

fordert die Europäische Kommission auf sicherzustellen, dass keine EU-Mittel gewährt werden, wenn Mechanismen der strukturellen Diskriminierung bestehen, und dass Finanzhilfen in den Fällen ausgesetzt oder entzogen werden, in denen dieser Sachverhalt nachträglich festgestellt wird; ist der Ansicht, dass derartige Maßnahmen — in Verbindung mit Dialog — nachweislich in der Lage sind, eine vollständig inklusive EU zu schaffen;

54.

fordert die im AdR vertretenen und auch die übrigen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, dort, wo es keine nationalen Rechtsvorschriften gibt, vor Ort Bestimmungen zu erlassen, um Diskriminierung zu bekämpfen und das rechtliche Vakuum zu beseitigen und so letztlich Diversität, gegenseitige Akzeptanz und Respekt zu fördern.

Brüssel, den 14: Oktober 2021

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(1)  Von der Kommission 2015 veröffentlichte Liste der Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen, Ernennung eines für Gleichheitspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds, Helena Dalli, und die Tatsache, dass 21 Mitgliedstaaten gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich anerkannt haben, wobei vier Mitgliedstaaten Verfahren zur rechtlichen Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit ohne medizinische Anforderungen eingeführt haben.

(2)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. März 2021 zur Ausrufung der EU zum Freiheitsraum für LGBTIQ-Personen (https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0089_DE.html).

(3)  Great Reset: Why LGBT+ inclusion is the secret to cities’ post-pandemic success | World Economic Forum (weforum.org).

(4)  Als Beispiel können Städte der EU (wie Barcelona, Ljubljana, Berlin, Budapest und Łódź) sowie Städtenetze wie das RE.A.DY-Netzwerk in Italien angeführt werden.

(5)  Rede zur Lage der Union 2020.

(6)  2021/2679(RSP).

(7)  C-673/16: Der Gerichtshof stellt klar, dass der Begriff „Ehegatte“, wie er in der Freizügigkeitsrichtlinie verwendet wird, auch für gleichgeschlechtliche Partner gilt.

(8)  Stadtverordnung von Turin, 2010.

(9)  Europäischer Verband der nationalen Vereinigungen im Bereich der Obdachlosenhilfe (gemeinnützige Vereinigung): „LGBTIQ Homelessness“ (Herbst 2017) und „Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersex, and Queer (LGBTIQ) Youth Homelessness in Europe Survey“ (2019).

(10)  https://www.ilga-europe.org/sites/default/files/COVID19%20_Impact%20LGBTI%20people.pdf

(11)  covid19-lgbti-assessment-2020.pdf (ilga-europe.org).

(12)  AdR-Stellungnahme: Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025, Oktober 2020.

(13)  Studie der Europäischen Kommission: Trans and Intersex Equality Rights in Europe — A Comparative Analysis, 2018.


III Vorbereitende Rechtsakte

Ausschuss der Regionen

146. Plenartagung des AdR – Hybrid-Sitzung, Videokonferenz über Interactio, 12.10.2021-14.10.2021

4.2.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 61/42


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Europäische digitale Identität

(2022/C 61/09)

Berichterstatter:

Mark WEINMEISTER (DE/EVP), Staatssekretär für Europaangelegenheiten, Land Hessen

Referenzdokument:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 im Hinblick auf die Schaffung eines Rahmens für eine europäische digitale Identität

COM(2021) 281 final

I.   EMPFEHLUNGEN FÜR ÄNDERUNGEN

Änderung 1

COM(2021) 281

Artikel 1 Nummer 4

Verordnung (EU) Nr. 910/2014

Artikel 5

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung des AdR

Pseudonyme bei elektronischen Transaktionen

Unbeschadet der Rechtswirkungen, die Pseudonyme nach nationalem Recht haben, darf die Benutzung von Pseudonymen bei elektronischen Transaktionen nicht untersagt werden.

Pseudonyme bei elektronischen Transaktionen

Unbeschadet der Rechtswirkungen, die Pseudonyme nach nationalem Recht haben, darf die Benutzung von Pseudonymen bei elektronischen Transaktionen und auch bei der Nutzung in sozialen Netzwerken nicht untersagt werden.

Begründung

Soziale Netzwerke dürfen bei Registrierungen die Nutzung von Pseudonymen mit Verweis auf die EUid-Brieftasche nicht untersagen.

Änderung 2

COM(2021) 281

Artikel 1 Nummer 7

Verordnung (EU) Nr. 910/2014

Artikel 6a Absatz 1

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung des AdR

Damit alle natürlichen und juristischen Personen in der Union einen sicheren, vertrauenswürdigen und nahtlosen Zugang zu grenzüberschreitenden öffentlichen und privaten Diensten erhalten, gibt jeder Mitgliedstaat innerhalb von 12 Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung eine EUid-Brieftasche aus.

Damit alle natürlichen und juristischen Personen in der Union einen sicheren, vertrauenswürdigen und nahtlosen Zugang zu grenzüberschreitenden öffentlichen und privaten Diensten erhalten, gibt jeder Mitgliedstaat innerhalb von 24 Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung eine EUid-Brieftasche aus.

Begründung

Die EUid-Brieftaschen werden erfahrungsgemäß ein hochrangiges Ziel von IT-technischen Angriffen sein. In einem derartig sensiblen Umfeld persönlicher ID-Daten geht Qualität vor Schnelligkeit. Die für die Umsetzung auf nationaler Ebene vorgesehenen Fristen sind (teilweise auch in Abhängigkeit zu den Regelungen der NIS-2-Richtlinie) zu gering bemessen. Eine erweiterte Übergangsfrist ist daher erforderlich.

Änderung 3

COM(2021) 281 final — Teil 1

Artikel 1 Nummer 7

Verordnung (EU) Nr. 910/2014

Artikel 6a Absatz 12 (neu)

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung des AdR

 

Die EUid-Brieftasche wird Personen unter 18 Jahren nur dann zugänglich gemacht, wenn ihre Identität anhand eines elektronischen Personalausweises des gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen, der die Verantwortung für den Minderjährigen besitzt, authentifiziert wurde.

Begründung

Eine EUid-Brieftasche wird online und offline als Identitätsnachweis dienen. Für eventuelle rechtliche Auswirkungen/Folgen können Minderjährige nicht in vollem Umfang verantwortlich gemacht und zur Rechenschaft gezogen werden.

Änderung 4

COM(2021) 281 final — Teil 1

Artikel 1 Nummer 7

Verordnung (EU) Nr. 910/2014

Artikel 6c Absatz 5

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung des AdR

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Namen und Anschriften der in Absatz 3 genannten öffentlichen oder privaten Stellen mit. Die Kommission stellt diese Informationen den Mitgliedstaaten zur Verfügung.

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Namen und Anschriften der in Absatz 3 genannten öffentlichen oder privaten Stellen mit. Die Kommission stellt diese Informationen den Mitgliedstaaten spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der Verordnung zur Verfügung.

Begründung

Änderung von Artikel 6c Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014, da für die Mitteilung der Information eine Frist vorgesehen werden sollte.

Änderung 5

COM(2021) 281

Artikel 1 Nummer 9

Verordnung (EU) Nr. 910/2014

Artikel 7

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung des AdR

Innerhalb von 12 Monaten nach Inkrafttreten […]

Innerhalb von 24 Monaten nach Inkrafttreten […]

Begründung

Die EUid-Brieftaschen werden erfahrungsgemäß ein hochrangiges Ziel von IT-technischen Angriffen sein. In einem derartig sensiblen Umfeld persönlicher ID-Daten geht Qualität vor Schnelligkeit. Die für die Umsetzung auf nationaler Ebene vorgesehenen Fristen sind (teilweise auch in Abhängigkeit zu den Regelungen der NIS-2-Richtlinie) zu gering bemessen. Eine erweiterte Übergangsfrist ist daher erforderlich.

Änderung 6

COM(2021) 281

Artikel 1 Nummer 11

Verordnung (EU) Nr. 910/2014

Artikel 10a Absatz 4

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung des AdR

Die Kommission veröffentlicht die entsprechenden Änderungen an der in Artikel 6d genannten Liste unverzüglich im Amtsblatt der Europäischen Union.

Die Kommission veröffentlicht die entsprechenden Änderungen an der in Artikel 6d genannten Liste unverzüglich im Amtsblatt der Europäischen Union und stellt diese Änderungen in einer gesonderten Liste zur Verfügung .

Begründung

Eine übersichtliche Liste (Sperrliste) soll die Nutzung erleichtern.

Änderung 7

COM(2021) 281 — Teil 1

Artikel 1 Nummer 12

Verordnung (EU) Nr. 910/2014

Artikel 11a Absatz 4 (neu)

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung des AdR

 

Die Mitgliedstaaten gewährleisten durch einzigartige Identifizierungsmöglichkeiten, dass keine Bürgerin und kein Bürger auf der Grundlage mehrerer Staatsangehörigkeiten oder des Wohnsitzes in verschiedenen Mitgliedstaaten zwei oder mehr EUid-Brieftaschen ausgestellt bekommt.

Begründung

Es sollte sichergestellt werden, dass Bürgerinnen und Bürger mit mehreren Nationalitäten und/oder mehreren Wohnsitzen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten dennoch nur eine EUid-Brieftasche ausgestellt bekommen.

Änderung 8

COM(2021) 281 — Teil 1

Artikel 1 Nummer 14

Verordnung (EU) Nr. 910/2014

Artikel 12a Absatz 3

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung des AdR

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Namen und Anschriften der in Absatz 1 genannten öffentlichen oder privaten Stellen mit. Die Kommission stellt diese Informationen den Mitgliedstaaten zur Verfügung.

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Namen und Anschriften der in Absatz 1 genannten öffentlichen oder privaten Stellen mit. Die Kommission stellt diese Informationen den Mitgliedstaaten spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der Verordnung zur Verfügung.

Begründung

Änderung von Artikel 12a Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014, da für die Mitteilung der Information eine Frist vorgesehen werden sollte.

Änderung 9

COM(2021) 281

Artikel 1 Nummer 29

Verordnung (EU) Nr. 910/2014

Artikel 30 Absatz 3a

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung des AdR

Die Zertifizierung nach Absatz 1 gilt vorbehaltlich einer regelmäßigen zweijährlichen Schwachstellenbeurteilung für einen Zeitraum von 5 Jahren. Werden Schwachstellen festgestellt und nicht behoben, so wird die Zertifizierung widerrufen.

Die Zertifizierung nach Absatz 1 gilt vorbehaltlich einer regelmäßigen zweijährlichen Schwachstellenbeurteilung für einen Zeitraum von 5 Jahren. Werden Schwachstellen festgestellt und nicht behoben, so wird die Zertifizierung widerrufen. Eine Wiedererteilung kann frühestens nach einer Wartefrist von 2 Jahren und einer erneuten Schwachstellenbeurteilung erfolgen.

Begründung

Eine Sperrfrist zur Wiedererteilung erscheint sinnvoll, da eine Behebung der Schwachstellen ggf. nach einem grundsätzlichen technischen Neuaufbau möglich bleiben sollte.

II.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Einleitung

1.

befürwortet das Anliegen einer „European Digital Identity Wallet“, die als „digitale (Identitäts-)Brieftasche“ bezeichnet wird. Mit dieser „digitalen Brieftasche“ sollen Bürgerinnen und Bürger ihre Identität auch mobil nachweisen können, um auf Online-Dienste der öffentlichen Verwaltung zugreifen, digitale Dokumente austauschen oder nur ein bestimmtes persönliches Merkmal, wie z. B. das Alter, nachzuweisen zu können. Dies ist möglich, ohne ihre Identität oder andere persönliche Daten preiszugeben;

2.

begrüßt die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Schaffung einer europäischen digitalen Identität hin zu einer umfassenderen EUid-Brieftasche und die dafür notwendige Änderung der sogenannten eIDAS-Verordnung. Dabei beschränkt sich die EUid-Brieftasche nicht nur auf die persönlichen Identitätsdaten im engeren Sinne (EUid), sondern sie soll auch weitere (auch amtliche) Dokumente in elektronischer Form enthalten, wie z. B. Führerscheine oder Bildungsabschlüsse;

3.

unterstützt das Ziel der Europäischen Kommission, die eIDAS-Verordnung vor dem Hintergrund der veränderten Marktanforderungen auch auf eine Nutzung in der Wirtschaft weiterzuentwickeln und dabei die bisherigen nationalen notifizierten Identifizierungsmittel weiter zu nutzen. Sichere, elektronische Identifizierungsmittel sind für die Digitalisierung von Verwaltungsverfahren von besonderer Bedeutung;

4.

fordert klare Datenschutzbestimmungen im Vorschlag der Europäischen Kommission für eine europäische digitale Identität. Diese sollten den Grundsätzen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), insbesondere in Bezug auf die Datenwirtschaft, den Datenschutz und eine angemessene Begründung, entsprechen. Sie sollten ferner sicherstellen, dass die Nutzer kontrollieren können, welche Daten sie teilen wollen und an wen sie weitergegeben werden;

5.

sieht die EUid-Brieftasche durch ihre universelle Nutzbarkeit und gerade durch den mobilen Einsatz als ein Werkzeug, das gesellschaftliche Teilhabe erleichtern soll; durch seinen Einsatz in der gesamten EU kann es ein Element der individuell fassbaren europäischen Identität im Bewusstsein einer jeden Unionsbürgerin und eines jeden Unionsbürgers werden;

Nutzen für Bürgerinnen und Bürger

6.

sieht in der Schaffung einer EUid-Brieftasche die große Chance, bei Bürgerinnen und Bürgern eine physisch wahrnehmbare und praktisch nutzbare EU-Identität auch im gemeinsamen Binnenmarkt zu verankern. Mit der EUid-Brieftasche wird ein gemeinsam für alle Beteiligten eindeutig verbindendes Identifikationsmerkmal geschaffen, das in seiner Symbolik weit über den rein technischen Nutzen hinausgeht;

7.

stellt fest, dass die EUid-Brieftasche im Wesentlichen eine auf die mobile Nutzung ausgerichtete Technologie ist, die auch bei der Weiterentwicklung der derzeit gebräuchlichen Geräte (Smartphones bzw. -watches) ihre funktionale Nutzbarkeit behalten kann. Weiterentwicklungen wie z. B. digitale Brillen (z. B. Augmented-Reality-Brillen oder digitale Avatare) oder ähnliche digitale Alltagsgeräte sollten über eine entsprechende Schnittstelle (ggf. optisch) die EUid-Brieftasche nutzen können;

8.

empfiehlt, dass die Entwicklung und Einführung der europäischen eID und der EUid-Brieftasche mit Blick auf die Erbringung solcher Dienste erfolgen sollte, die mit einem echten grenzüberschreitenden Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger verbunden sind;

9.

betont, dass die Souveränität und Nichtdiskriminierung aller Nutzerinnen und Nutzer gewährleistet sein muss, und rät daher in der Mitteilung zu einer deutlichen Darlegung, dass bei Angeboten gegenüber natürlichen Personen kein mittelbarer Zwang zur Nutzung der EUid-Brieftasche ausgeübt werden darf. Die Nutzung ist grundsätzlich ein freiwilliger Akt;

10.

unterstreicht, dass die EUid-Brieftasche als Angebot an die Bürgerinnen und Bürger wahrgenommen werden sollte, sodass diese in der Zivilgesellschaft positiv angenommen wird;

11.

bittet um eine über den reinen Datenschutz und die Barrierefreiheit hinausgehende einfache Ausgestaltungsempfehlung im Sinne einer Toolbox, die auch Personen mit leichten Einschränkungen oder sprachlicher Unkenntnis (z. B. durch eine verstärkte Nutzung von Piktogrammen) eine Teilhabe an der EUid-Brieftasche ermöglicht;

12.

regt an, bei der Ausgestaltung Regelungen für die Nutzung digitaler Identitäten durch Minderjährige oder im Vormundschafts- bzw. Betreuungsfall sowie für den Umgang mit digitalen Identitäten im Todesfall vorzusehen;

Die Einbeziehung der Wirtschaft

13.

sieht gerade durch die Öffnung der bestehenden Regelungen in Bezug auf die Wirtschaft eine enge Einbeziehung der Technologieführer als einen wesentlichen Erfolgsfaktor an. Nur eine marktkonforme Lösung bietet Gewähr für eine entsprechende Nutzung in der EU;

14.

erinnert an einen wesentlichen Aspekt im Hinblick auf die wirtschaftliche Nutzbarkeit durch den Einsatz von e-Payment-Schnittstellen (Paypal, Google/Apple-Pay, SWIFT usw.), die derzeit in der Wirtschaft auf proprietären Benutzerkonten basieren. Eine EUid-Brieftasche sollte die entsprechenden Regelungen im Kontext „Geldwäsche“ und „Digitales Geld“ (Bitcoin, Ethereum, Digital-EUR usw.) mit berücksichtigen;

15.

bittet bei der wirtschaftlichen Nutzung der EUid-Brieftasche um Beachtung zweier bereits existierender und inhaltlich konkurrierender Geschäftsmodelle.

Einerseits sind dies die großen weltweit agierenden sozialen Netzwerke, die ein valides Interesse daran haben, ihre Pseudokonten ggf. durch eine öffentliche Institution validiert zu erhalten. Dies würde die Freiheit der Nutzung des Internets jedoch untergraben und nutzende Personen weiter aus dem geschützten Raum des Internets in das Darknet treiben. Daran kann aus Sicht des Ausschusses der Regionen kein Interesse bestehen.

Andererseits gibt es Identitätsprovider, die mit der EUid-Brieftasche konkurrierende Angebote machen und sich dafür ebenfalls eine von einer öffentlichen Institution validierte Identität zunutze machen wollen;

16.

empfiehlt, dass bei Zugriffen aus der Wirtschaft die Berechtigungsprüfung durch ein gesichertes Zertifikat so ausgestaltet sein sollte, dass die Gültigkeit des Zertifikats zeitlich limitiert ist bzw. zyklisch geprüft wird. Vergleichbare Überlegungen zu den Vertrauensdienstanbietern sieht der Ausschuss der Regionen positiv und verweist aber darauf, dass auch die Berechtigung der Nachfrage nach Daten aus der EUid-Brieftasche durch Einrichtungen bzw. Organisationen vor Missbrauch geschützt werden muss;

17.

weist darauf hin, dass in einigen Mitgliedstaaten bereits digitale Lösungen für den öffentlichen und den privaten Bereich entwickelt wurden und eingesetzt werden. Diese länderspezifischen Besonderheiten sollten weitestmöglich in die europäische eID integriert werden. Denn erstens wären Änderungen der bestehenden Systeme mit einem großen administrativen wie auch finanziellen Aufwand verbunden. Und zweitens haben die Bürgerinnen und Bürger dieser Mitgliedstaaten über die Jahre hinweg großes Vertrauen in die vorhandenen Systeme entwickelt, das durch die Einführung der europäischen eID nicht aufs Spiel gesetzt werden darf;

Umsetzung und Beteiligung der Mitgliedstaaten

18.

rät daher nachdrücklich zu einer engen Einbindung nationaler Expertise bei der im Legislativvorschlag der Kommission ausgesprochenen Empfehlung an die Mitgliedstaaten zur Erarbeitung eines gemeinsamen Instrumentariums für einen koordinierten Ansatz zur Schaffung des für die EUid notwendigen technischen Rahmens.

Hierbei sind bestehende Best-Practice-Beispiele, wie z. B. die Ergebnisse und Erfahrungen aus den nationalen Projekten „Digitale Identitäten“ und „Schaufenster Sichere Digitale Identitäten“, einzubeziehen;

19.

hält es bei der Betrachtung der anfallenden Kosten und Aufwendungen in der Planung für notwendig, auch die nationalen Parameter zu erheben und zu einem aufwandsgerechten EU-Gesamtplan zusammenzufassen. Hierbei sollen insbesondere neben den zeitlichen Vorläufen in der EU auch die nationalen Umsetzungszeitpläne erhoben und aufgenommen werden;

20.

bittet, bei der Gesamtplanung die personellen und monetären Aufwendungen für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten und in den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Auge zu behalten. Die EUid-Brieftasche wird dann zu einem Erfolg, wenn sie hinreichend oft genutzt werden kann.

Hier spielen neben der Wirtschaft auch die Verwaltungen aller Ebenen in den Mitgliedstaaten eine wesentliche Rolle. Diese werden aufgrund eigenen Tuns, aber auch durch Initiativen der Kommission immer stärker involviert. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie oder auch das EU-Zugangstor leisten hier wertvolle Beiträge zur Digitalisierung des EU-Binnenmarktes;

21.

schlägt vor, die Umsetzung, gerade in der Startphase, stufenweise auszugestalten. Dies ist wegen der teilweise völlig neuen Einbeziehung der in Teilen bisher ungeregelten Wirtschaft in die Nutzung elektronischer Identitäten im Vertrauensniveau „substanziell“ bis „hoch“ bei der Fortentwicklung aus dem bestehenden eIDAS-Kontext heraus von Bedeutung;

Datenschutz und Cybersicherheit

22.

warnt vor einer überhasteten Umsetzung der Lösung einer EUid-Brieftasche aus Gründen der technischen Risiken, die mit der zentralen Speicherung von Identitätsdaten in einer meist mobilen Anwendung einhergehen. Eine derartige Lösung wird zweifelsohne als ein hochrangiges Ziel verschiedenster Cyberattacken wahrgenommen und muss daher den jeweils aktuellen Bedrohungen standhalten;

23.

weist darauf hin, wie wichtig die angemessene Definition von Zertifizierungssystemen für digitale Brieftaschen und elektronische Identifizierungssysteme ist. Diese sollten nicht von gewerblichen Unternehmen, sondern von der Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit (ENISA) in enger Zusammenarbeit mit Sachverständigengruppen, einschließlich Vertretern der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, entwickelt werden;

24.

verweist auf das bestehende Risiko einer zentralen Bündelung von Identitätsarten unterschiedlichster Vertraulichkeit in einer einzelnen technischen Komponente. Sollte diese durch Dritte einer unberechtigten Nutzung unterliegen, bestehen für den berechtigten Nutzer Risiken in erheblichem Umfang. Neben Vermögensschäden sind auch Schädigungen des Ansehens und der Ehre denkbar. Auch ein gezieltes Spear-Phishing könnte erhebliche Folgeschäden erzeugen;

25.

fordert eine technische Umsetzung der EUid-Brieftasche dahin gehend, dass diese ausreichend gegen Cyberangriffe gehärtet wird und dass mit entsprechenden Sperrmöglichkeiten sowie dedizierten sicheren Backup-Systemen eine gesicherte Wiederinstallierung durch den Berechtigten ermöglicht wird.

Die Härtung der EUid-Brieftasche muss als permanenter Prozess angelegt sein. Sicherheit by design ist das Fundament für eine dauerhaft erfolgreiche Nutzung und ist auch für die nutzende Wirtschaft unabdingbar und sollte daher bereits im Instrumentarium bereitgestellt werden;

26.

hält neben den Anforderungen des Datenschutzes, der Barrierefreiheit, der Cybersicherheit auch eine methodisch durchgängige und auf die Zielgruppe der Nutzerinnen und Nutzer abgestimmte Lösung mit Information und Dokumentation für einen erfolgskritischen Faktor;

27.

schlägt vor, über verbindliche Regelungen die grundsätzlich einfache und transparente Einstellung für den Zugriff auf die Daten der EUid-Brieftasche durch einheitliche Werkzeuge (z. B. Dashboard) für Leistungsanbieter verpflichtend vorzuschreiben und für die Nutzerinnen und Nutzer sichtbar auszuweisen;

28.

spricht sich dafür aus, das Projekt EUid in einer Weise auszugestalten, die dem Ziel digitaler Resilienz Europas entspricht und das Ziel digitaler Souveränität Europas fördert;

29.

regt an zu prüfen, inwieweit durch die Bereitstellung einer von der EU zertifizierten und bereitgestellten Open-Source-Toolbox für die Grundfunktionen der EUid-Brieftasche eine allgemeine technische Grundlage geschaffen werden kann; die Wartung und Weiterentwicklung der Toolbox sollte dann von der EU koordiniert werden;

Einbeziehung in die Prozesse zur Nutzung

30.

empfiehlt, bei der Umsetzung der EUid-Brieftasche in konkreten Anwendungen den durchgängigen Nutzungsprozess in einer für die Zielgruppe der Nutzerinnen und Nutzer nachvollziehbaren prozessorientierten Form einzufordern.

Die EUid-Brieftasche ist in die Nutzungsszenarien als eine homogen einzufügende Komponente mit eindeutigen Schnittstellen zur Datenübergabe zur Anwendung auszuprägen und durch eine eindeutige Symbolik und Designsprache als ein Produkt der EU sichtbar darzustellen;

31.

schlägt vor, die Zugriffe auf die EUid-Brieftasche dahin gehend zu vereinheitlichen, dass die Nutzerinnen und Nutzer in quasi routinierter Form den Einsatz bzw. den Zugriff auf die EUid-Brieftasche freigeben können. Hierbei sind die Anforderungen der Datensparsamkeit zu berücksichtigen. Diese Routine erleichtert einerseits die Benutzung und ermöglicht andererseits selbst in IT-Dingen eher ungeübten Personen, eine fehlerhafte Nutzung zu vermeiden;

Kommunikation und Akzeptanz

32.

hält es für notwendig, auf die Bevölkerung in der EU mit einer intensiven Vermittlung der EUid-Brieftasche und der darin liegenden Chancen für die Nutzung im EU-Binnenmarkt und über die getroffene Vorsorge im Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit zuzugehen; weist darauf hin, dass Highspeed-Konnektivität für alle in der Europäischen Union bis in ländliche und abgelegene Gebiete eine Grundvoraussetzung dafür darstellt, dass Bürgerinnen und Bürger die EUid-Brieftasche nutzen und annehmen;

33.

befürwortet über die originäre Nutzung der EUid-Brieftasche hinaus auch eine Erweiterung zu einer EU-Identität weltweit z. B. auch mit Funktionen im Sinne eines Reisepasses (digitale Hinterlegung von z. B. Visa) oder einer offiziellen EU-Impfbestätigung. In diesem Sinne sollte mittels zu treffender Vereinbarungen die Nutzung der EUid-Brieftasche mit den darin enthaltenen Credentials auch außerhalb der EU ermöglicht werden;

34.

dringt darauf, dass die Europäische Kommission mit Anbietern von Geräten zur technischen Bereitstellung der EUid-Brieftasche für Endnutzer intensive Gespräche und Verhandlungen aufnimmt. Ziel ist die möglichst baldige Bereitstellung der technischen Grundlage auch in Geräten des niederpreisigen Sektors.

Derzeit stehen erste Gerätefamilien im mittleren und oberen Preissegment mit ausreichender Zertifizierung für das Vertrauensniveau „substanziell“ nach eIDAS zur Verfügung. Für die Verbreitung der EUid-Brieftasche ist eine möglichst starke Verbreitung auch im Sinne der Einbindung der Wirtschaft als Leistungsanbieter sinnvoll;

Subsidiarität

35.

stellt fest, dass der Verordnungsvorschlag dem Grundsatz der Subsidiarität entspricht. Eine derartige EU-weite technische Konstruktion entfaltet nur bei hinreichend einheitlichen Regelungen eine entsprechende Wirkung. Die konkrete Ausgestaltung ist den jeweiligen nationalstaatlichen Regelungen vorbehalten. Einzig die übergreifend einsetzbaren Werkzeuge aus dem Instrumentarium werden beurteilt werden müssen.

Brüssel, den 12. Oktober 2021

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS