ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 465

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Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

64. Jahrgang
17. November 2021


Inhalt

Seite

 

 

EUROPÄISCHES PARLAMENT
SITZUNGSPERIODE 2020-2021
Sitzungen vom 8. bis 11. Februar 2021
ANGENOMMENE TEXTE

1


 

I   Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

 

ENTSCHLIEßUNGEN

 

Europäisches Parlament

 

Dienstag, 9. Februar 2021

2021/C 465/01

Beschluss des Europäischen Parlaments, sich nicht gegen den Entwurf einer Verordnung der Kommission zur Änderung der Verordnungen (EU) 2019/424, (EU) 2019/1781, (EU) 2019/2019, (EU) 2019/2020, (EU) 2019/2021, (EU) 2019/2022, (EU) 2019/2023 und (EU) 2019/2024 in Bezug auf Ökodesign-Anforderungen an Server und Datenspeicherprodukte, Elektromotoren und Drehzahlregelungen, Kühlgeräte, Lichtquellen und separate Betriebsgeräte, elektronische Displays, Haushaltsgeschirrspüler, Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrockner sowie Kühlgeräte mit Direktverkaufsfunktion auszusprechen (D069494/02 — 2020/2917(RPS))

2

 

Mittwoch, 10. Februar 2021

2021/C 465/02

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu der Europäischen Zentralbank — Jahresbericht 2020 (2020/2123(INI))

4

2021/C 465/03

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu dem neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (2020/2077(INI))

11

2021/C 465/04

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer (2020/2029(INI))

30

2021/C 465/05

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu der Umsetzung von Artikel 43 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (2020/2047(INI))

47

2021/C 465/06

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zum Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten (Artikel 122 Absatz 7 der Geschäftsordnung) — Jahresbericht für die Jahre 2016 bis 2018 (2019/2198(INI))

54

2021/C 465/07

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu der Verringerung der Ungleichheiten mit besonderem Augenmerk auf der Erwerbstätigenarmut (2019/2188(INI))

62

2021/C 465/08

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu den Auswirkungen von COVID-19 auf junge Menschen und Sport (2020/2864(RSP))

82

 

Donnerstag, 11. Februar 2021

2021/C 465/09

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zur Umsetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine (2019/2202(INI))

87

2021/C 465/10

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Europäische Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz (2020/2818(RSP))

110

2021/C 465/11

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zur Sicherheit des Kernkraftwerks in Astrawez (Belarus) (2021/2511(RSP))

123

2021/C 465/12

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zur humanitären und politischen Lage im Jemen (2021/2539(RSP))

126

2021/C 465/13

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zur Lage in Myanmar (2021/2540(RSP))

135

2021/C 465/14

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu Ruanda: der Fall Paul Rusesabagina (2021/2543(RSP))

143

2021/C 465/15

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zur Lage der Menschenrechte in Kasachstan (2021/2544(RSP))

147

2021/C 465/16

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu der politischen Lage in Uganda (2021/2545(RSP))

154

2021/C 465/17

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu anstehenden Herausforderungen mit Blick auf die Frauenrechte in Europa: mehr als 25 Jahre nach der Erklärung und Aktionsplattform von Peking (2021/2509(RSP))

160


 

II   Mitteilungen

 

GEMEINSAME ERKLÄRUNGEN

 

Europäisches Parlament

 

Dienstag, 9. Februar 2021

2021/C 465/18

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 9. Februar 2021 über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Álvaro Amaro (2019/2150(IMM))

170


 

III   Vorbereitende Rechtsakte

 

Europäisches Parlament

 

Dienstag, 9. Februar 2021

2021/C 465/19

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 9. Februar 2021 über den Vorschlag der Europäischen Zentralbank zur Ernennung des stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums der Europäischen Zentralbank (N9-0080/2020 — C9-0425/2020 — 2020/0910(NLE))

172

2021/C 465/20

P9_TA(2021)0032
Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen ***I
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 9. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen (kodifizierter Text) (COM(2020)0048 — C9-0017/2020 — 2020/0029(COD))
P9_TC1-COD(2020)0029
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 9. Februar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie (EU) 2021/… des Europäischen Parlaments und des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen (kodifizierter Text)

174

2021/C 465/21

Beschluss des Europäischen Parlaments, keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung der Kommission vom 19. Januar 2021 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Beträge der Unionsförderung für die Entwicklung des ländlichen Raums im Jahr 2021 zu erheben (C(2021)00188 — 2021/2517(DEA))

175

2021/C 465/22

Beschluss des Europäischen Parlaments keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung der Kommission vom 27. Januar 2021 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2020/884 zur Abweichung für das Jahr 2020 von der Delegierten Verordnung (EU) 2017/891 der Kommission in Bezug auf den Obst- und Gemüsesektor sowie von der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 der Kommission in Bezug auf den Weinsektor im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 zu erheben (C(2021)00371 — 2021/2530(DEA))

176

2021/C 465/23

Beschluss des Europäischen Parlaments keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung der Kommission vom 21. Dezember 2020 zur Änderung in der Delegierten Verordnung (EU) 2016/2251 festgelegter technischer Standards hinsichtlich des Zeitplans für die Anwendbarkeit bestimmter Risikomanagementverfahren für die Zwecke des Austauschs von Sicherheiten zu erheben (C(2020)9147 — 2020/2942(DEA))

178

2021/C 465/24

Beschluss des Europäischen Parlaments, keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung der Kommission vom 21. Dezember 2020 zur Änderung der in den Delegierten Verordnungen (EU) 2015/2205, (EU) 2016/592 und (EU) 2016/1178 der Kommission festgelegten technischen Regulierungsstandards hinsichtlich des Zeitpunkts, ab dem die Clearingpflicht für bestimmte Arten von Kontrakten wirksam wird, zu erheben (C(2020)9148 — 2020/2943(DEA))

180

 

Mittwoch, 10. Februar 2021

2021/C 465/25

P9_TA(2021)0038
Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität ***I
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Aufbau- und Resilienzfazilität (COM(2020)0408 — C9-0150/2020 — 2020/0104(COD))
P9_TC1-COD(2020)0104
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 10. Februar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2021/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität

182

 

Donnerstag, 11. Februar 2021

2021/C 465/26

P9_TA(2021)0046
Märkte für Finanzinstrumente ***I
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU im Hinblick auf die Informationspflichten, die Produktüberwachung und die Positionslimits zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie (COM(2020)0280 — C9-0210/2020 — 2020/0152(COD))
P9_TC1-COD(2020)0152
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 11. Februar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie (EU) 2021/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU im Hinblick auf die Informationspflichten, die Produktüberwachung und die Positionslimits sowie der Richtlinien 2013/36/EU und (EU) 2019/878 im Hinblick auf ihre Anwendung auf Wertpapierfirmen, zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Krise

185

2021/C 465/27

P9_TA(2021)0047
EU-Wiederaufbauprospekt und gezielte Anpassungen für Finanzintermediäre zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie ***I
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 im Hinblick auf den EU-Wiederaufbauprospekt und gezielte Anpassungen für Finanzintermediäre zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie (COM(2020)0281 — C9-0206/2020 — 2020/0155(COD))
P9_TC1-COD(2020)0155
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 11. Februar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2021/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 im Hinblick auf den EU-Wiederaufbauprospekt und gezielte Anpassungen für Finanzintermediäre und der Richtlinie 2004/109/EG im Hinblick auf das einheitliche elektronische Berichtsformat für Jahresfinanzberichte zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Krise

186

2021/C 465/28

P9_TA(2021)0048
Nutzung von Zeitnischen an Flughäfen der Union: vorübergehenden Entlastung ***I
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates hinsichtlich der vorübergehenden Entlastung von den Vorschriften für die Nutzung von Zeitnischen an Flughäfen der Gemeinschaft aufgrund der COVID-19-Pandemie (COM(2020)0818 — C9-0420/2020 — 2020/0358(COD))
P9_TC1-COD(2020)0358
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 11. Februar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2021/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates hinsichtlich der vorübergehenden Entlastung von den Vorschriften für die Nutzung von Zeitnischen an Flughäfen der Union aufgrund der COVID-19-Krise

188

2021/C 465/29

P9_TA(2021)0049
Vorübergehende Maßnahmen hinsichtlich der Gültigkeit von Bescheinigungen und Lizenzen (Omnibus II) ***I
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung besonderer und vorübergehender Maßnahmen im Hinblick auf die anhaltende COVID-19-Krise hinsichtlich der Erneuerung oder Verlängerung bestimmter Bescheinigungen, Lizenzen und Genehmigungen, der Verschiebung bestimmter regelmäßiger Kontrollen und Weiterbildungen in bestimmten Bereichen des Verkehrsrechts und für die Verlängerung bestimmter in der Verordnung (EU) 2020/698 vorgesehenen Zeiträume (COM(2021)0025 — C9-0004/2021 — 2021/0012(COD))
P9_TC1-COD(2021)0012
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 11. Februar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2021/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung besonderer und vorübergehender Maßnahmen im Hinblick auf die anhaltende COVID-19-Krise hinsichtlich der Erneuerung oder Verlängerung bestimmter Bescheinigungen, Lizenzen und Genehmigungen, der Verschiebung bestimmter regelmäßiger Kontrollen und Weiterbildungen in bestimmten Bereichen des Verkehrsrechts und für die Verlängerung bestimmter in der Verordnung (EU) 2020/698 vorgesehenen Zeiträume

189


Erklärung der benutzten Zeichen

*

Anhörungsverfahren

***

Zustimmungsverfahren

***I

Ordentliches Gesetzgebungsverfahren (erste Lesung)

***II

Ordentliches Gesetzgebungsverfahren (zweite Lesung)

***III

Ordentliches Gesetzgebungsverfahren (dritte Lesung)

(Die Angabe des Verfahrens beruht auf der im Entwurf eines Rechtsakts vorgeschlagenen Rechtsgrundlage.)

Änderungsanträge des Parlaments:

Neue Textteile sind durch Fett- und Kursivdruck gekennzeichnet. Auf Textteile, die entfallen, wird mit dem Symbol ▌hingewiesen oder diese Textteile erscheinen durchgestrichen. Textänderungen werden gekennzeichnet, indem der neue Text in Fett- und Kursivdruck steht und der bisherige Text gelöscht oder durchgestrichen wird.

DE

 


17.11.2021   

DE

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C 465/1


EUROPÄISCHES PARLAMENT

SITZUNGSPERIODE 2020-2021

Sitzungen vom 8. bis 11. Februar 2021

ANGENOMMENE TEXTE

 


I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

ENTSCHLIEßUNGEN

Europäisches Parlament

Dienstag, 9. Februar 2021

17.11.2021   

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Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/2


P9_TA(2021)0033

Keine Einwände gegen einen Durchführungsrechtsakt: Ökodesign-Anforderungen für energiebetriebene Produkte

Beschluss des Europäischen Parlaments, sich nicht gegen den Entwurf einer Verordnung der Kommission zur Änderung der Verordnungen (EU) 2019/424, (EU) 2019/1781, (EU) 2019/2019, (EU) 2019/2020, (EU) 2019/2021, (EU) 2019/2022, (EU) 2019/2023 und (EU) 2019/2024 in Bezug auf Ökodesign-Anforderungen an Server und Datenspeicherprodukte, Elektromotoren und Drehzahlregelungen, Kühlgeräte, Lichtquellen und separate Betriebsgeräte, elektronische Displays, Haushaltsgeschirrspüler, Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrockner sowie Kühlgeräte mit Direktverkaufsfunktion auszusprechen (D069494/02 — 2020/2917(RPS))

(2021/C 465/01)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Entwurf einer Verordnung der Kommission zur Änderung der Verordnungen (EU) 2019/424, (EU) 2019/1781, (EU) 2019/2019, (EU) 2019/2020, (EU) 2019/2021, (EU) 2019/2022, (EU) 2019/2023 und (EU) 2019/2024 in Bezug auf Ökodesign-Anforderungen an Server und Datenspeicherprodukte, Elektromotoren und Drehzahlregelungen, Kühlgeräte, Lichtquellen und separate Betriebsgeräte, elektronische Displays, Haushaltsgeschirrspüler, Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrockner sowie Kühlgeräte mit Direktverkaufsfunktion (D069494/02,

gestützt auf die Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte (1), insbesondere auf Artikel 15,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des in Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie 2009/125/EG genannten Ausschusses vom 11. November 2020,

unter Hinweis auf das Schreiben der Kommission vom 14. Dezember 2020, in dem diese das Parlament ersucht, zu erklären, dass es sich nicht gegen den Entwurf einer Verordnung der Kommission aussprechen wird,

unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 28. Januar 2021 an den Vorsitzenden der Konferenz der Ausschussvorsitze,

gestützt auf Artikel 5a Absatz 3 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (2),

gestützt auf Artikel 112 Absatz 4 Buchstabe d und Artikel 111 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Empfehlung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit für einen Beschluss,

unter Hinweis darauf, dass innerhalb der in Artikel 111 Absatz 6 dritter und vierter Spiegelstrich seiner Geschäftsordnung vorgesehenen Frist, die am 9. Februar 2021 auslief, keine Einwände erhoben wurden,

A.

in der Erwägung, dass die Kommission dem Parlament am 5. Dezember 2020 den Entwurf der Verordnung der Kommission übermittelt hat, womit die Frist zur Prüfung von Einwänden des Parlaments gegen diese Verordnung zu laufen begann;

B.

in der Erwägung, dass die Kommission im Jahr 2019 die Verordnungen (EU) 2019/424 (3), (EU) 2019/1781 (4), (EU) 2019/2019 (5), (EU) 2019/2020 (6), (EU) 2019/2021 (7), (EU) 2019/2022 (8), (EU) 2019/2023 (9) und (EU) 2019/2024 (10) (die „geänderten Verordnungen“) in Bezug auf Ökodesign-Anforderungen an Server und Datenspeicherprodukte, Elektromotoren und Drehzahlregelungen, Kühlgeräte, Lichtquellen und separate Betriebsgeräte, elektronische Displays, Haushaltsgeschirrspüler, Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrockner sowie Kühlgeräte mit Direktverkaufsfunktion erlassen hat;

C.

in der Erwägung, dass technische Ungereimtheiten festgestellt wurden, durch die die ordnungsgemäße Umsetzung der geänderten Verordnungen gefährdet würde, sobald sie 2021 in Kraft treten; in der Erwägung, dass die Kommission aus diesem Grund einen Entwurf einer Verordnung ausgearbeitet hat, um diese technischen Ungereimtheiten zu beheben und einige Bestimmungen in den geänderten Verordnungen zu präzisieren und einander anzugleichen; in der Erwägung, dass im Entwurf einer Verordnung der Kommission unter anderem der Begriff „angegebener Wert“ einheitlich definiert wird, damit klargestellt wird, welche Werte den Marktaufsichtsbehörden zur Überprüfung der Konformität und insbesondere im Hinblick auf die physische Prüfung zu übermitteln sind;

D.

in der Erwägung, dass der Entwurf einer Verordnung der Kommission spätestens am 1. März 2021 in Kraft treten sollte, sodass die Änderungen der geänderten Verordnungen am selben Tag Gültigkeit erlangen wie die meisten der geänderten Verordnungen;

E.

in der Erwägung, dass der vorliegende Beschluss eine einmalige Maßnahme ist, um zu vermeiden, dass für die Akteure, die die in den geänderten Verordnungen festgelegten Anforderungen erfüllen müssen, eine Zeit lang Rechtsunsicherheit besteht;

1.

erklärt, sich nicht gegen den Entwurf einer Verordnung der Kommission auszusprechen;

2.

beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss der Kommission und — zur Information — dem Rat zu übermitteln.

(1)  ABl. L 285 vom 31.10.2009, S. 10.

(2)  ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

(3)  Verordnung (EU) 2019/424 der Kommission vom 15. März 2019 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Server und Datenspeicherprodukte gemäß der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 617/2013 der Kommission (ABl. L 74 vom 18.3.2019, S. 46).

(4)  Verordnung (EU) 2019/1781 der Kommission vom 1. Oktober 2019 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Elektromotoren und Drehzahlregelungen gemäß der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 641/2009 im Hinblick auf die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von externen Nassläufer-Umwälzpumpen und in Produkte integrierten Nassläufer-Umwälzpumpen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 640/2009 der Kommission (ABl. L 272 vom 25.10.2019, S. 74).

(5)  Verordnung (EU) 2019/2019 der Kommission vom 1. Oktober 2019 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Kühlgeräte gemäß der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 643/2009 der Kommission (ABl. L 315 vom 5.12.2019, S. 187).

(6)  Verordnung (EU) 2019/2020 der Kommission vom 1. Oktober 2019 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Lichtquellen und separate Betriebsgeräte gemäß der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 244/2009, (EG) Nr. 245/2009 und (EU) Nr. 1194/2012 der Kommission (ABl. L 315 vom 5.12.2019, S. 209).

(7)  Verordnung (EU) 2019/2021 der Kommission vom 1. Oktober 2019 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an elektronische Displays gemäß der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1275/2008 der Kommission und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 642/2009 der Kommission (ABl. L 315 vom 5.12.2019, S. 241).

(8)  Verordnung (EU) 2019/2022 der Kommission vom 1. Oktober 2019 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Haushaltsgeschirrspüler gemäß der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1275/2008 der Kommission und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1016/2010 der Kommission (ABl. L 315 vom 5.12.2019, S. 267).

(9)  Verordnung (EU) 2019/2023 der Kommission vom 1. Oktober 2019 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrockner gemäß der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1275/2008 der Kommission und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1015/2010 der Kommission (ABl. L 315 vom 5.12.2019, S. 285).

(10)  Verordnung (EU) 2019/2024 der Kommission vom 1. Oktober 2019 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Kühlgeräte mit Direktverkaufsfunktion gemäß der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 315 vom 5.12.2019, S. 313).


Mittwoch, 10. Februar 2021

17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/4


P9_TA(2021)0039

Europäische Zentralbank — Jahresbericht 2020

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu der Europäischen Zentralbank — Jahresbericht 2020 (2020/2123(INI))

(2021/C 465/02)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Jahresbericht der Europäischen Zentralbank (EZB) 2019,

unter Hinweis auf das „Feedback zu den Anregungen des Europäischen Parlaments in seiner Entschließung zum Jahresbericht der Europäischen Zentralbank 2018“ durch die EZB,

unter Hinweis auf die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der EZB, insbesondere auf Artikel 15 und Artikel 21,

unter Hinweis auf Artikel 123, Artikel 127 Absätze 1, 2 und 5, Artikel 130, Artikel 132 und Artikel 284 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

unter Hinweis auf Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV),

unter Hinweis auf die von Experten des Eurosystems erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen für das Euro-Währungsgebiet und die vom EZB-Rat am 4. Juni 2020 angenommenen Maßnahmen,

unter Hinweis auf die EZB-Erhebung über den Zugang der Unternehmen im Euro-Währungsgebiet zu Finanzmitteln für den Zeitraum Oktober 2019 bis März 2020, die am 8. Mai 2020 veröffentlicht wurde;

unter Hinweis auf die von Experten der EZB erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen für das Euro-Währungsgebiet, die am 10. September 2020 veröffentlicht wurden;

unter Hinweis auf die geld- und währungspolitischen Dialoge mit der Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, am 6. Februar, am 8. Juni und am 28. September 2020,

unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 28. März 2019 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (1),

unter Hinweis auf das im September 2020 herausgegebene Occasional Paper der EZB-Task-Force für Kryptoanlagen mit dem Titel „Stablecoins: Implications for monetary policy, financial stability, market infrastructure and payments, and banking supervision in the euro area“ (Stablecoins: Auswirkungen auf die Geldpolitik, die Finanzstabilität, die Marktinfrastruktur und den Zahlungsverkehr sowie die Bankenaufsicht im Euro-Währungsgebiet),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. März 2019 zum ausgewogenen Verhältnis von Frauen und Männern bei Nominierungen für Positionen im Bereich Wirtschaft und Währung auf EU-Ebene (2),

unter Hinweis auf den Bericht der EZB vom Oktober 2020 über einen digitalen Euro,

unter Hinweis auf das Occasional Paper Nr. 201 der EZB vom November 2017 mit dem Titel „The use of cash by households in the euro area“ (Die Verwendung von Bargeld durch private Haushalte im Euro-Währungsgebiet),

unter Hinweis auf die Umwelterklärung der EZB — aktualisierte Fassung 2020,

gestützt auf Artikel 142 Absatz 1 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A9-0002/2021),

A.

in der Erwägung, dass in der Wirtschaftsprognose der Kommission vom Sommer 2020 unter Berücksichtigung der durch die COVID-19-Pandemie verursachten wirtschaftlichen Schocks davon ausgegangen wird, dass die Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets 2020 um 8,7 % schrumpfen und 2021 um 6,1 % wachsen und die Wirtschaft der EU-27 2020 um 8,3 % schrumpfen und 2021 um 5,8 % wachsen wird;

B.

in der Erwägung, dass sich die anhand des harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene jährliche Inflation im Euro-Währungsgebiet gemäß den von Experten der EZB erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen vom September 2020 im Jahr 2020 auf 0,3 %, im Jahr 2021 auf 1,0 % und im Jahr 2022 auf 1,3 % belaufen wird, wobei es sich um Durchschnittswerte handelt und es bei den Inflationsprognosen für die einzelnen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets eine erhebliche Schwankungsbreite gibt;

C.

in der Erwägung, dass die Arbeitslosenquote Eurostat zufolge im August 2020 in der EU 7,4 % und im Euro-Währungsgebiet 8,1 % betrug; in der Erwägung, dass mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote gerechnet wird; in der Erwägung, dass die Arbeitslosenquoten in der Union ungleich sind; in der Erwägung, dass bei der Arbeitslosigkeit sowohl innerhalb der Mitgliedstaaten als auch zwischen den Mitgliedstaaten weiterhin erhebliche regionale Ungleichheiten bestehen; in der Erwägung, dass eine hohe Jugendarbeitslosenquote in der EU weiterhin ein schwerwiegendes Problem ist, mit dem man sich befassen muss;

D.

in der Erwägung, dass aus den EZB-Daten zum HVPI für 2020 hervorgeht, dass die COVID-19-Krise in mehreren Mitgliedstaaten deflationäre Auswirkungen hat;

E.

in der Erwägung, dass den September-Prognosen der EZB zufolge das weltweite reale BIP (außerhalb des Euro-Währungsgebiets) 2020 um 3,7 % sinken und 2021 um 6,2 % und 2022 um 3,8 % steigen wird;

F.

in der Erwägung, dass ungeachtet der wiederholt geäußerten Forderung des Europäischen Parlaments, ihm für die Besetzung von Stellen im EZB-Direktorium eine Auswahlliste vorzulegen, die ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis aufweist und mindestens zwei Namen umfasst, auf der Auswahlliste für die Ernennung des neuen Mitglieds des Direktoriums, das die Nachfolge von Yves Mersch antreten wird, nur Männer standen; in der Erwägung, dass Frauen im EZB-Rat nach wie vor stark unterrepräsentiert sind;

G.

in der Erwägung, dass der Nettogewinn der EZB im Jahr 2019 2 366 Mrd. EUR betrug (2018: 1 575 Mrd. EUR); in der Erwägung, dass dieser Anstieg hauptsächlich auf den Anstieg der Nettozinserträge auf das US-Dollar-Portfolio und auf das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (APP — Asset Purchase Programme) zurückzuführen ist;

H.

in der Erwägung, dass die Bilanzsumme des Eurosystems zum Ende des Jahres 2019 auf 4 671 425 Mio. EUR angewachsen ist, d. h. auf den zweithöchsten Stand überhaupt nach dem historischen Höchststand 2018;

I.

in der Erwägung, dass KMU, die weiterhin das Rückgrat der Wirtschaft und Gesellschaft der EU bilden und den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt stärken, zusätzlicher Unterstützung bedürfen;

J.

in der Erwägung, dass KMU von der COVID-19-Krise stark betroffen sind; in der Erwägung, dass sich die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Aussichten negativ auf den Zugang von KMU zu Finanzmitteln auswirkt;

K.

in der Erwägung, dass im AEUV als Mandat der EZB festgelegt ist, dass sie die Preisstabilität gewährleistet und die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union unterstützt, um zur Verwirklichung der Ziele der Union beizutragen;

L.

in der Erwägung, dass die EU sich verpflichtet hat, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, und dass es Aufgabe der EZB ist, dazu beizutragen; in der Erwägung, dass sich die Aufgaben der EZB nicht auf die Preisstabilität beschränken, sondern auch die Sicherheit und Solidität des Bankensystems und die Stabilität des Finanzsystems umfassen;

M.

in der Erwägung, dass sich laut der Eurobarometer-Umfrage vom November 2019 die Unterstützung der Öffentlichkeit für die europäische Wirtschafts- und Währungsunion mit einer einheitlichen Währung, dem Euro, im Jahr 2019 auf 62 % belief;

N.

in der Erwägung, dass die EZB am 18. März 2020 ein Pandemie-Notfallankaufprogramm (PEPP — Pandemic Emergency Purchase Programme) angekündigt hat: ein neues, zeitlich befristetes Programm zum Ankauf von Wertpapieren des privaten und öffentlichen Sektors im Gesamtvolumen von 750 Mrd. EUR, um den durch die COVID-19-Pandemie verursachten Risiken für den Transmissionsmechanismus der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet entgegenzuwirken;

O.

in der Erwägung, dass der EZB-Rat am 4. Juni 2020 beschlossen hat, dass das Gesamtvolumen des PEPP auf 1,35 Billionen EUR ausgeweitet wird, dass der Zeitraum für die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP bis mindestens Ende Juni 2021 verlängert wird und dass Kapitalauszahlungen aus zur Fälligkeit gelangten Wertpapieren, die im Rahmen des PEPP gehalten werden, mindestens bis zum Ende des Jahres 2022 reinvestiert werden; in der Erwägung, dass außerdem die Nettoankäufe im Rahmen des APP mit einem monatlichen Umfang von 20 Mrd. EUR fortgesetzt werden, während zugleich eine vorübergehende Ausweitung der Nettoankäufe von Vermögenswerten in Höhe von 120 Mrd. EUR bis zum Ende des Jahres 2020 erfolgte;

P.

in der Erwägung, dass weitere politische Maßnahmen eingeleitet wurden, um Liquidität bereitzustellen, wie beispielsweise gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) sowie längerfristige Pandemie-Notfallrefinanzierungsgeschäfte (PELTRO — Pandemic Emergency Longer-Term Refinancing Operation);

Q.

in der Erwägung, dass sich das europäische Einlagenversicherungssystem trotz der Vorschläge der Kommission und der EZB zur dringenden Notwendigkeit, Einlagen auf EU-Ebene zu schützen, erheblich verzögert;

Allgemeiner Überblick

1.

begrüßt die Rolle der EZB bei der Wahrung der Stabilität des Euro; betont, dass die satzungsgemäße und in den Verträgen verankerte Unabhängigkeit der EZB eine Voraussetzung für die Erfüllung ihres Mandats sowie für die Wahrung ihrer demokratischen Legitimität ist; weist darauf hin, dass ihre Unabhängigkeit bedingt, dass die EZB keine Anweisungen von Organen oder Einrichtungen der Union, von Regierungen von Mitgliedstaaten oder von sonstigen Stellen einholen oder entgegennehmen darf; betont, dass diese Unabhängigkeit nicht verletzt werden darf, und hebt darüber hinaus hervor, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank stets mit einem entsprechenden Maß an Rechenschaftspflicht einhergehen muss; hebt hervor, dass im AEUV festgelegt ist, dass die EZB neben ihrem vorrangigen Auftrag, die Preisstabilität zu gewährleisten, auch die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union unterstützen muss, um zur Verwirklichung der Ziele der Union beizutragen, solange dies dem vorrangigen Auftrag nicht entgegensteht; hebt hervor, dass nachhaltige Entwicklung, Konvergenz, Vollbeschäftigung und sozialer Fortschritt gemäß Artikel 3 AEUV allgemeine Ziele der Union sind;

2.

begrüßt die Einrichtung eines Zentrums für den Klimawandel als neue Abteilung innerhalb der EZB;

3.

betont die Unumkehrbarkeit der gemeinsamen Währung; hebt hervor, dass der Euro nicht nur ein Währungsprojekt, sondern auch ein politisches Projekt ist;

4.

ist besorgt über die beispiellose Gesundheits-, Wirtschafts- und soziale Krise, die durch die COVID-19-Pandemie ausgelöst wurde und die zu einem drastischen Konjunktureinbruch im Euro-Währungsgebiet und sich rasch verschlechternden Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt, einschließlich steigender Arbeitslosigkeit, geführt hat; stellt fest, dass erwartet wird, dass sich die Wirtschaftstätigkeit im Euro-Währungsgebiet wieder erholt, dass Tempo und Ausmaß der Erholung jedoch nach wie vor äußerst ungewiss sind und je nach Mitgliedstaat unterschiedlich ausfallen werden;

5.

ist darüber hinaus besorgt darüber, dass in einem Kontext außergewöhnlicher Unsicherheit, in dem das Ausmaß der Rezession und der Erholung von der Dauer und Wirksamkeit der Eindämmungsmaßnahmen, dem Erfolg der fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen zur Linderung der negativen Auswirkungen auf Einkommen und Beschäftigung sowie dem Ausmaß, in dem die Angebotskapazität, die Binnennachfrage und die internationalen Lieferketten dauerhaft beeinträchtigt werden, abhängen wird, die Abwärtsrisiken für die Wachstumsaussichten nach wie vor überwiegen;

6.

fordert dringend eine Neubewertung des systemischen Risikos im Finanzsektor nach der Pandemie; begrüßt in diesem Zusammenhang die Einsetzung einer Arbeitsgruppe für die Pandemie im Europäischen Ausschuss für Systemrisiken; empfiehlt, in künftige Stresstests eine qualitative Bewertung des idiosynkratischen Risikos aufzunehmen;

7.

begrüßt die Anstrengungen der EZB zur Gewährleistung der Preisstabilität; stellt fest, dass das Inflationsziel nicht systematisch erreicht worden ist und dass weitere Wachsamkeit erforderlich ist; hebt hervor, dass im Euro-Währungsgebiet in den letzten Monaten eine Deflation zu verzeichnen war; hebt hervor, dass sich aus einer Deflation erhebliche Risiken für die Volkswirtschaften des Euro-Währungsgebiets ergeben, sodass ein konsequentes Eingreifen der EZB erforderlich sein könnte;

8.

begrüßt es, dass die EZB die Anpassung ihrer Inflationsmessungen erörtert; stellt fest, dass der HVPI ein sehr enger Begriff für das Verfahren der Inflationsmessung ist, bei dem die Inflation im Euro-Währungsgebiet unterschätzt wird, da der Anteil der Wohnkosten im HVPI-Warenkorb unzureichend ist (3); fordert eine Neugewichtung des Warenkorbs, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die europäischen Haushalte 24 % ihres Einkommens für Ausgaben im Zusammenhang mit Wohnraum aufwenden; fordert die EZB auf, auch die Inflation der Vermögenspreise zu berücksichtigen, die unter anderem auf niedrige Zinssätze zurückzuführen ist; erkennt die Herausforderungen für die Transmission der Geldpolitik an;

9.

begrüßt die entschiedene Forderung von Präsidentin Lagarde nach einer vollständigen Abstimmung der Fiskal- und Geldpolitik sowie ihre Entschlossenheit, alle verfügbaren Instrumente einzusetzen, um ein möglichst wirksames, effizientes und angemessenes Ergebnis zu erzielen und so die wirtschaftliche Erholung im Euro-Währungsgebiet zu unterstützen; betont, dass es starke Komplementaritäten zwischen Fiskal- und Geldpolitik gibt; begrüßt das Pandemie-Notfallankaufprogramm der EZB, mit dem darauf abgezielt wird, die wirtschaftliche Erholung im Euro-Währungsgebiet zu unterstützen;

Geldpolitik

10.

begrüßt die rasche und umfassende geldpolitische Reaktion der EZB auf die COVID-19-Krise in einer Notlage; erkennt die positiven Auswirkungen dieser Reaktion auf die Wirtschaftslage im Euro-Währungsgebiet an; erwartet, dass die EZB ihre Unterstützung so lange wie nötig aufrechterhält; nimmt die Erklärung von Yves Mersch, Mitglied des Aufsichtsgremiums der EZB, zur Kenntnis, dass diese Flexibilität nicht auf andere Geschäfte ausgeweitet wird;

11.

betont, dass Geldpolitik allein nicht ausreichen wird, um eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung zu erreichen; betont, dass Reformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des sozialen Zusammenhalts erforderlich sind, um das Wirtschaftswachstum in der gesamten Union wiederherzustellen und zu verbessern; ist der Ansicht, dass die Geldpolitik allein nur ein begrenztes Potenzial zur Förderung der Erholung birgt, und fordert die EZB — unter Achtung der Unabhängigkeit und des Mandats der EZB — auf, innerhalb der Grenzen ihres Mandats die Möglichkeit zu prüfen, andere politische Maßnahmen einzusetzen, die das Potenzial aufweisen, die Wirtschaft anzukurbeln; betont die Spillover-Effekte einer sehr akkommodierenden Geldpolitik, wie etwa die Auswirkungen auf die Sparer oder das Risiko einer Vermögenspreisinflation; warnt die Mitgliedstaaten davor, das Niedrigzinsumfeld für eine Selbstverständlichkeit zu erachten, da ein Anstieg der Zinssätze zu negativen Auswirkungen auf die Bedienung der Staatsschulden führen könnte;

12.

warnt jedoch vor den Risiken zu hoher Bewertungen auf den Anleihemärkten, die möglicherweise schwer zu handhaben wären, wenn die Zinsen wieder steigen, insbesondere für Länder, die einem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit unterliegen, oder Länder mit hoher Verschuldung;

13.

stellt fest, wie wichtig eine aktive Geldpolitik ist, wenn es darum geht, den Druck aufgrund knapper Finanzmittel für kleine und mittlere Unternehmen zu verringern; nimmt zur Kenntnis, dass der Anteil der KMU, die mit knappen Finanzmitteln zu kämpfen haben, von 18 % im Zeitraum 2009-12 auf 8 % im Zeitraum 2016-19 zurückgegangen ist; hebt hervor, dass die COVID-19-Krise erhebliche Auswirkungen auf KMU hat; erkennt die Bedeutung von Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen in der EU an; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass private und öffentliche Investitionen sowie Reformen gefördert werden müssen, und fordert daher weitere Bemühungen, um die Finanzierung der Realwirtschaft sicherzustellen;

14.

fordert die EZB auf, die Verhältnismäßigkeit der quantitativen Lockerung in Bezug auf die Risiken in ihren Bilanzen, die Vermögenspreisinflation und die mögliche Fehlallokation von Ressourcen zu überwachen;

15.

nimmt die Auswirkungen von langfristig niedrigen Zinssätzen zur Kenntnis; betont, dass niedrige Zinssätze einerseits Chancen für Verbraucher, Unternehmen, einschließlich KMU, Arbeitnehmer und Kreditnehmer bieten, da diese von einer stärkeren wirtschaftlichen Dynamik, geringerer Arbeitslosigkeit und geringeren Kreditkosten profitieren können; erkennt an, dass die EZB-Politik unterschiedliche Verteilungseffekte hat; fordert die EZB auf, die Auswirkungen ihrer Politik auf die Vermögensungleichheit zu untersuchen; bedauert andererseits die Zunahme unrentabler und hoch verschuldeter Unternehmen, den verringerten Anreiz für Regierungen, wachstums- und nachhaltigkeitsfördernde Reformen durchzuführen, sowie die negativen Auswirkungen auf Versicherer und Pensionsfonds, und betont die finanzielle Belastung, die dies für viele Bürger in der gesamten Union bedeutet;

16.

nimmt den Zusammenhang zwischen Geldpolitik und steigenden Wohnimmobilienpreisen im Euro-Währungsgebiet zur Kenntnis; betont, dass die anhaltend hohe Überlastungsrate bei den Wohnkosten von 9,6 % im Jahr 2018 aufgrund der Pandemie voraussichtlich noch zunehmen wird, und fordert die EZB auf, die regionalen und sektorspezifischen Auswirkungen sowie die Auswirkungen auf die Generationengerechtigkeit ihres Programms der quantitativen Lockerung im Hinblick auf die Lebenshaltungskosten in der gesamten Union zu bewerten;

17.

ist sich bewusst, dass die EZB aufgrund der Schwere der Krise gezwungen war, ihre Aufmerksamkeit von ihrer strategischen Überprüfung des geldpolitischen Rahmens weg zu verlagern; nimmt die von Präsidentin Lagarde beim geld- und währungspolitischen Dialog am 28. September 2020 abgegebene Zusage zur Kenntnis, eng mit dem Parlament zusammenzuwirken und für regelmäßige Dialoge zu sorgen;

18.

hebt hervor, dass bei jeder strategischen Überprüfung des geldpolitischen Rahmens dem Wesen der Wirtschaft in der EU — die zunehmend auf Dienstleistungen beruht und digitalisiert ist — sorgfältig Rechnung getragen werden sollte und bewertet werden sollte, inwiefern dies die Transmission der Geldpolitik auf die Realwirtschaft beeinträchtigt;

Maßnahmen gegen den Klimawandel

19.

nimmt unter Achtung der Unabhängigkeit der EZB die Auswirkungen des Klimawandels auf die Inflationsdynamik und die Transmissionsrisiken in der Geldpolitik zur Kenntnis; erinnert an die Rolle der EZB bei der Gewährleistung der Preisstabilität; ruft in Erinnerung, dass die EZB als Organ der EU an das Übereinkommen von Paris gebunden ist;

20.

nimmt zur Kenntnis, dass Präsidentin Lagarde zugesagt hat zu prüfen, wie die Tätigkeiten der EZB im Sinne des Klimaschutzes verändert werden können, sowie alle denkbaren Wege zur Bekämpfung des Klimawandels zu erkunden; fordert die EZB auf, ihren Sicherheitenrahmen an die Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel anzupassen und offenzulegen, inwieweit er dem Übereinkommen von Paris entspricht, und eine solche Angleichung im Bankensektor zu prüfen;

21.

fordert einen proaktiven und qualitativen Risikomanagementansatz, bei dem systemische Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel berücksichtigt werden;

22.

begrüßt die Tatsache, dass die Ankäufe grüner Anleihen und ihr Anteil am Portfolio der EZB weiter zunehmen;

23.

unterstützt Bemühungen, die Forschungskapazitäten in Bezug auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzstabilität und das Euro-Währungsgebiet auszubauen;

Sonstige Aspekte

24.

fordert die EZB auf, ihre Bemühungen fortzusetzen, um die Stabilität der Finanzmärkte mit Blick auf alle Eventualfälle in Verbindung mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU sicherzustellen;

25.

bringt seine Besorgnis über die beständig zunehmenden Unterschiede bei den TARGET2-Salden innerhalb des ESZB zum Ausdruck; stellt fest, dass die Interpretation dieser Unterschiede umstritten ist;

26.

nimmt die Ergebnisse der von der EZB-Task-Force für Kryptoanlagen durchgeführten Untersuchung zur Kenntnis; fordert die EZB auf, sich mit den Risiken im Hinblick auf Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstige kriminelle Handlungen zu befassen, die sich aus der Anonymität ergeben, für die durch Kryptoanlagen gesorgt wird; fordert die EZB auf, die Entwicklung von Kryptoanlagen, einschließlich Stable Coins, und die zunehmenden Risiken für die Cybersicherheit stärker zu überwachen;

27.

begrüßt die von der EZB durchgeführten Analysen und vorbereitenden Arbeiten im Hinblick auf die Einführung eines digitalen Euro; stellt fest, dass ein digitaler Euro keine Kryptoanlage darstellt; betont, dass ein digitaler Euro eine ganze Palette von Mindestanforderungen wie Robustheit, Sicherheit, Effizienz und Schutz der Privatsphäre erfüllen müsste; betont, dass ein digitaler Euro Bargeld als Zahlungsmittel nicht gefährden darf; unterstützt die von der EZB abgegebene Empfehlung, dass die Ausgabe eines digitalen Euro auch außerhalb des Euro-Währungsgebiets zugänglich sein sollte — wobei hinsichtlich der Modalitäten der Einklang mit den Zielen des Eurosystems zu wahren ist –, um die Nachfrage nach dem Euro bei ausländischen Anlegern anzuregen und auf diese Weise für eine stärkere internationale Rolle des Euro zu sorgen; fordert die EZB auf, für ein angemessenes Gleichgewicht zu sorgen, sodass einerseits regulatorische Innovationen im Bereich Finanztechnologien ermöglicht werden und andererseits die Finanzstabilität sichergestellt wird;

28.

teilt die Bedenken der EZB hinsichtlich des raschen Wachstums des Nichtbankenfinanzsektors, der auch als „Schattenbankwesen“ bezeichnet wird; betont, dass eine angemessene Regulierung in diesem Bereich benötigt wird; betont, dass die EZB unbedingt das systemische Risiko verringern muss, das dadurch entsteht, dass sich immer mehr nicht der Bankenaufsicht unterliegende Unternehmen um Banken herum scharen, um Zugang zu deren Zahlungssystem zu erhalten;

29.

begrüßt die laufenden Bemühungen der EZB, ihre Reaktions- und Wiederherstellungsfähigkeiten im Falle eines Cyberangriffs auf ihre eigene Organisation weiter zu stärken; nimmt mit Besorgnis die jüngsten technischen Ausfälle des TARGET2-Abwicklungssystems im Oktober und November 2020 zur Kenntnis; begrüßt die anschließende Untersuchung dieser Ausfälle durch die EZB und fordert, dass die Ergebnisse dem Parlament offengelegt werden;

30.

erkennt den Erfolg der EZB bei der Bekämpfung von Fälschungen an, der durch den anhaltend geringen Anteil gefälschter Banknoten am Gesamtumlauf belegt wird; begrüßt die Einführung modernisierter 100-EUR- und 200-EUR-Banknoten mit verbesserten Sicherheitsmerkmalen im Jahr 2019; weist auf die Bedeutung von Bargeld als Zahlungsmittel für die Unionsbürger hin; fordert die EZB auf, die Menge der verschiedenen im Umlauf befindlichen Banknoten nicht weiter zu verringern;

31.

fordert die EZB auf, Möglichkeiten zu prüfen, die internationale Rolle des Euro zu stärken, da dies die Fähigkeit der EU verbessern würde, ihren politischen Kurs unabhängig von anderen globalen Mächten festzulegen, und ein Schlüsselelement für die Wahrung der europäischen wirtschaftlichen Souveränität ist; stellt fest, dass die internationale Nutzung des Euro weiter gefördert werden kann, indem dafür Sorge getragen wird, dass der Euro als Reservewährung attraktiver wird; betont, dass die Stärkung der Rolle des Euro eine Vertiefung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion erfordert; begrüßt die wiederholten Forderungen der EZB nach einer Vollendung der Bankenunion; betont, dass die Schaffung einer gut konzipierten europäischen sicheren Anlage die finanzielle Integration erleichtern und dazu beitragen könnte, die negativen Rückkopplungen zwischen Staaten und den inländischen Bankensektoren zu verringern;

32.

begrüßt den Beitritt Bulgariens und Kroatiens zum WKM II im Juli 2020; befürwortet ein baldiges Zieldatum für die Einführung des Euro in beiden Ländern; begrüßt die umfassende Überprüfung kroatischer und bulgarischer Banken durch die EZB im Juli und August 2019; weist darauf hin, dass gemäß den Verträgen jeder Mitgliedstaat außer Dänemark verpflichtet ist, die gemeinsame Währung einzuführen, sobald er die Konvergenzkriterien von Maastricht erfüllt;

33.

fordert die EZB auf, ihre fruchtbare Zusammenarbeit auch mit den Mitgliedstaaten, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, fortzusetzen;

Rechenschaftspflicht

34.

betont — wie dies Präsidentin Lagarde getan hat –, dass es offen für einen intensiveren Dialog ist, und weist darauf hin, dass die Regelungen zur Rechenschaftspflicht und Transparenz der EZB weiter verbessert werden müssen; betont, dass darüber nachgedacht werden muss, wie die Kontrolle der EZB durch das Europäische Parlament sowie durch den Dialog mit den nationalen Parlamenten verbessert werden kann; fordert, eine förmliche Interinstitutionelle Vereinbarung auszuhandeln, um über die bestehende Praxis der Rechenschaftslegung im Zusammenhang mit den geldpolitischen Funktionen hinauszugehen und sie zu formalisieren;

35.

äußert sich tief besorgt darüber, dass nur zwei von 25 Mitgliedern des EZB-Rates Frauen sind, obwohl das Parlament und Führungspersonen innerhalb der EZB, darunter die Präsidentin Christine Lagarde, immer wieder gefordert haben, das Geschlechtergleichgewicht bei den Nominierungen für die Organe und Einrichtungen der EU im Bereich Wirtschaft und Währung zu verbessern; betont, dass die Nominierungen der Mitglieder des Direktoriums im Einklang mit den Verträgen sorgfältig, unter vollständiger Transparenz und gemeinsam mit dem Parlament vorbereitet werden sollten; fordert den Rat auf, für alle zukünftigen freien Stellen eine Auswahlliste mit Kandidaten aufzustellen, die ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis aufweist, und diese dem Parlament zu übermitteln, damit das Parlament seiner Beratungsfunktion im Zuge des Ernennungsverfahrens besser nachkommen kann; bedauert, dass bislang keine zufrieden stellenden Fortschritte erzielt wurden; weist darauf hin, dass die Gleichbehandlung von Männern und Frauen ein konstitutioneller Grundsatz ist, der strikt eingehalten werden muss;

36.

erinnert daran, dass nur zwei der sechs Mitglieder des Direktoriums der EZB Frauen sind; weist darauf hin, dass der Rat die zahlreichen Forderungen des Parlaments, sich mit dem unausgewogenen Geschlechterverhältnis im Direktorium der EZB zu befassen, bislang nicht ernst genommen hat; erinnert an die Zusage des Parlaments, keine Listen zu berücksichtigen, bei denen der Grundsatz eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses nicht beachtet wurde; fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten, den Europäischen Rat, den Rat, die Euro-Gruppe und die Kommission auf, sich bei künftigen Vorschlägen für Auswahllisten und Ernennungen aktiv um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu bemühen;

37.

begrüßt, dass die EZB ein detailliertes und aufschlussreiches Feedback zu der Entschließung des Parlaments zum EZB-Jahresbericht 2018 vorgelegt hat, in dem auf die einzelnen Abschnitte eingegangen wird; fordert die EZB auf, sich auch künftig für die Einhaltung der Rechenschaftspflicht einzusetzen und ihr schriftliches Feedback zu der Entschließung des Parlaments zum Jahresbericht der EZB jedes Jahr zu veröffentlichen;

38.

nimmt die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2020 zur EZB sowie die Erklärung des EZB-Rates vom selben Tag zur Kenntnis; erkennt an, dass die Verhältnismäßigkeit aller Programme laufend durch die EZB überprüft wird; nimmt den anschließenden Beschluss der EZB zur Kenntnis, nicht öffentliche Dokumente im Zusammenhang mit dem Programm zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (PSPP) an das Europäische Parlament, die deutsche Bundesregierung, den Bundestag und die Bundesbank weiterzugeben;

39.

würdigt die laufenden Bemühungen um eine Verbesserung der Kommunikation und Transparenz gegenüber dem Europäischen Parlament und beglückwünscht die EZB und Präsidentin Lagarde dazu; stimmt ferner mit der EZB-Präsidentin darin überein, dass die EZB ihre Kommunikation mit den Bürgern über die Auswirkungen ihrer Maßnahmen verbessern muss; regt jedoch einen regelmäßigen Dialog unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Parlaments und relevanten Vertretern der EZB an, der sich jeweils an die Veröffentlichung des jüngsten verfügbaren Berichts über die Beratungen des EZB-Rats anschließt und mit dem darauf abgezielt wird, die Beschlüsse der EZB im Vorfeld der geld- und währungspolitischen Dialoge und parallel dazu zu bewerten;

40.

begrüßt die Veröffentlichung der Stellungnahme des Ethikausschusses der EZB zu Interessenkonflikten und Erwerbstätigkeit von Mitgliedern des Direktoriums, des Rates und des Aufsichtsrates der EZB nach dem Ende ihres Mandats; fordert die EZB auf, die Unabhängigkeit der Mitglieder ihres internen Prüfungsausschusses sicherzustellen, dafür zu sorgen, dass der Ethikausschuss nicht von einem ehemaligen Präsidenten oder anderen ehemaligen Mitgliedern des EZB-Rates oder von anderen Personen, bei denen Interessenkonflikte wahrscheinlich sind, geleitet wird und diesem Beispiel in Bezug auf potenzielle Interessenkonflikte und Erwerbstätigkeit nach dem Ende des Mandats zu folgen;

41.

stellt fest, dass die EZB ihre Politik, wonach der Chefökonom im Anschluss an Treffen, in denen politische Entscheidungen getroffen werden, private Telefongespräche mit Großinvestoren führen darf, „überdenkt“, ist jedoch der Ansicht, dass diese Praxis sofort eingestellt werden muss, da es dabei an Transparenz fehlt;

42.

bekräftigt seine Forderung nach der Annahme einer verstärkten Strategie zur Meldung von Missständen und einer Überarbeitung der Dienstvorschriften der EZB, die mindestens mit den Standards und Zielen der Richtlinie (EU) 2019/1937 zum Schutz von Hinweisgebern (4) im Einklang stehen sollte, damit Hinweisgeber sowohl geschützt sind als auch überhaupt in die Lage versetzt werden, mutmaßliche Verstöße zu melden, indem Möglichkeiten geschaffen werden, Hinweise vertrauensvoll ohne Angst vor Vergeltung und erforderlichenfalls auch anonym zu geben;

43.

fordert eine detailliertere Offenlegung in den Bereichen Soziales, Arbeitnehmerbelange und Governance im Einklang mit der Richtlinie 2014/95/EU über die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen (5);

o

o o

44.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie der Europäischen Zentralbank zu übermitteln.

(1)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0325.

(2)  ABl. C 23 vom 21.1.2021, S. 105.

(3)  Vgl. „Persistent low inflation in the euro area: Mismeasurement rather than a cause for concern?“ (Anhaltend niedrige Inflation im Euro-Währungsgebiet: Messfehler statt Grund zur Sorge?) (https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/IDAN/2018/614214/IPOL_IDA(2018)614214_EN.pdf).

(4)  Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17).

(5)  Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen (ABl. L 330 vom 15.11.2014, S. 1).


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/11


P9_TA(2021)0040

Neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu dem neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (2020/2077(INI))

(2021/C 465/03)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. März 2020 mit dem Titel „Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft — Für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa“ (COM(2020)0098) sowie auf die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen mit dem Titel „Leading the way to a global circular economy: state of play and outlook“ (Vorreiter auf dem Weg zu einer globalen Kreislaufwirtschaft: Bestandsaufnahme und Ausblick, SWD(2020)0100),

unter Hinweis auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und die Ziele für nachhaltige Entwicklung, einschließlich Nachhaltigkeitsziel 12 — „Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster“ — und Nachhaltigkeitsziel 15 — „Leben an Land“,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 14. Oktober 2020 mit dem Titel „Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit — Für eine schadstofffreie Umwelt“ (COM(2020)0667) (1),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Juli 2020 zu der Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien (2),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 10. März 2020 mit dem Titel „Eine neue Industriestrategie für Europa“ (COM(2020)0102),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. Mai 2020 mit dem Titel „EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 — Mehr Raum für die Natur in unserem Leben“ (COM(2020)0380),

unter Hinweis auf den Globalen Sachstandsbericht des Weltbiodiversitätsrats vom Mai 2019 über die biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. Mai 2020 mit dem Titel „‚Vom Hof auf den Tisch‘ — eine Strategie für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem“ (COM(2020)0381),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. Oktober 2018 mit dem Titel „Eine nachhaltige Bioökonomie für Europa — Stärkung der Verbindungen zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt“ (COM(2018)0673),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 16. Januar 2018 mit dem Titel „Eine europäische Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft“ (COM(2018)0028),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. März 2019 zu einer europäischen strategischen, langfristigen Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft (3),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. November 2019 zum Klima- und Umweltnotstand (4),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Juli 2017 zum Thema „Längere Lebensdauer für Produkte: Vorteile für Verbraucher und Unternehmen“ (5),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Juli 2015 zu dem Thema „Ressourceneffizienz: Wege zu einer Kreislaufwirtschaft“ (6),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. September 2018 zu dem Thema „Umsetzung des Pakets zur Kreislaufwirtschaft: Optionen zur Regelung der Schnittstelle zwischen Chemikalien-, Produkt- und Abfallrecht“ (7),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Juli 2020 zu einem umfassenden europäischen Konzept für die Energiespeicherung (8),

unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2020/741 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 2020 über Mindestanforderungen an die Wasserwiederverwendung (9),

unter Hinweis auf den von der Kommission am 14. Oktober 2020 vorgelegten Vorschlag für das 8. Umweltaktionsprogramm, insbesondere auf das in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c des Vorschlags festgelegte vorrangige Ziel, den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. Dezember 2019 mit dem Titel „Der europäische Grüne Deal“ (COM(2019)0640),

unter Hinweis auf die Sonderberichte des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) über Klimawandel, Desertifikation, Landdegradierung, nachhaltiges Landmanagement, Ernährungssicherheit und Treibhausgasflüsse in terrestrischen Ökosystemen, über den Ozean und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima bzw. über 1,5 oC globale Erwärmung sowie auf den fünften Sachstandsbericht (AR5) des IPCC und den dazugehörigen Synthesebericht vom September 2018,

unter Hinweis auf den im Jahr 2015 vorgestellten Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft (Mitteilung der Kommission vom 2. Dezember 2015 mit dem Titel „Den Kreislauf schließen — Ein Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft“ (COM(2015)0614)) und die nach diesem Plan ergriffenen Maßnahmen,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Juli 2020 zu der Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien (10),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2020 zum europäischen Grünen Deal (11),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. September 2018 zur europäischen Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft (12),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. September 2018 zu dem Thema „Umsetzung des Pakets zur Kreislaufwirtschaft: Optionen zur Regelung der Schnittstelle zwischen Chemikalien-, Produkt- und Abfallrecht“ (13),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 31. Mai 2018 über die Umsetzung der Ökodesign-Richtlinie (14),

unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2019/904 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt (15) („Richtlinie über Einwegkunststoffartikel“),

unter Hinweis auf die 2018 überarbeiteten EU-Abfallvorschriften: Richtlinie (EU) 2018/851 vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle (16) („Abfallrahmenrichtlinie“), Richtlinie (EU) 2018/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle (17), Richtlinie (EU) 2018/850 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 1999/31/EG über Abfalldeponien (18) und Richtlinie (EU) 2018/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2000/53/EG über Altfahrzeuge, der Richtlinie 2006/66/EG über Batterien und Akkumulatoren sowie Altbatterien und Altakkumulatoren sowie der Richtlinie 2012/19/EU über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (19),

unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (20) („CLP-Verordnung“),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 26. Januar 2017 mit dem Titel „Der Beitrag der energetischen Verwertung von Abfällen zur Kreislaufwirtschaft“ (COM(2017)0034),

unter Hinweis auf die Berichte des International Resource Panel mit den Titeln „Global Resources Outlook 2019“ (Weltressourcenbericht 2019) (21) und „Resource Efficiency and Climate Change“ (Ressourceneffizienz und Klimawandel) (22),

unter Hinweis auf die Veröffentlichung mit dem Titel „Evaluating scenarios toward zero plastic pollution“ (Bewertung von Szenarien auf dem Weg zur Beseitigung der Verschmutzung durch Kunststoffe) in der Fachzeitschrift „Science“ (23),

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, des Ausschusses für internationalen Handel, des Ausschusses für Verkehr und Tourismus und des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (A9-0008/2021),

A.

in der Erwägung, dass aus dem Bericht des International Resource Panel mit dem Titel „Global Resources Outlook 2019“ hervorgeht, dass die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen und mehr als 90 % des Verlusts an biologischer Vielfalt und des Wasserstresses auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen zurückzuführen sein dürften; in der Erwägung, dass die Weltwirtschaft Ressourcen verbraucht, die dem eineinhalbfachen Wert der Ressourcen des Planeten entsprechen und dass bereits jetzt drei Planeten benötigt würden, wenn alle Menschen in demselben Tempo Ressourcen verbrauchen würden wie die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger im Durchschnitt, und in der Erwägung, dass eine deutliche Senkung des Gesamtverbrauchs von natürlichen Ressourcen und eine deutliche Verringerung des Abfallaufkommens in der EU das übergeordnete Ziel der Kreislaufwirtschaft sein sollten; in der Erwägung, dass hierfür eine Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch erforderlich ist, wobei auf die Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Entkopplung zu achten ist;

B.

in der Erwägung, dass diese Zahlen veranschaulichen, dass der nachhaltige Verbrauch von Ressourcen, insbesondere von Primärrohstoffen, von zentraler Bedeutung ist und dass die entsprechenden Maßnahmen auf allen Ebenen und in der ganzen Welt verstärkt werden müssen; in der Erwägung, dass das Konzept der Kreislaufwirtschaft naturgemäß einen Querschnittscharakter hat und entscheidend zur Verwirklichung anderer Umweltschutzziele, etwa der Ziele des Übereinkommens von Paris, beitragen soll;

C.

in der Erwägung, dass der Übergang zur Kreislaufwirtschaft im Hinblick auf die Verringerung der Treibhausgasemissionen der EU und die Verwirklichung des Klimaziels der Union für 2030 sowie des Ziels, die Union bis spätestens 2050 treibhausgasneutral zu machen, eine entscheidende Rolle spielt und einen tiefgreifenden Wandel der Wertschöpfungsketten in der gesamten Wirtschaft erforderlich macht;

D.

in der Erwägung, dass ein Übergang zur Kreislaufwirtschaft das Potenzial birgt, ein nachhaltiges Geschäftsgebaren zu fördern, und in der Erwägung, dass von den Unternehmen und Volkswirtschaften in der EU erwartet wird, dass sie im globalen Wettlauf um die Verwirklichung der Kreislaufwirtschaft die Führung übernehmen und auch Nutzen daraus ziehen, da die EU über gut entwickelte Geschäftsmodelle, über Kenntnisse im Bereich der Kreislaufwirtschaft sowie über Erfahrungen im Bereich Recycling verfügt;

E.

in der Erwägung, dass die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft das Kernstück der europäischen und nationalen Industriepolitik sowie der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne der Mitgliedstaaten im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität sein sollten;

F.

in der Erwägung, dass der Gesamtenergieverbrauch in der EU sehr hoch ist und die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft auch die Energieeffizienz und die nachhaltige Nutzung von Energiequellen betreffen sollten;

G.

in der Erwägung, dass die Kreislaufwirtschaft für mehrere Ziele für nachhaltige Entwicklung, einschließlich des Ziels 12 — „Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen“ — und des Ziels 13 — „Klimaschutz“, von Belang ist;

H.

in der Erwägung, dass die Produktgestaltung ohne Abfallverursachung und Umweltverschmutzung einer der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft ist;

I.

in der Erwägung, dass die Kreislaufwirtschaft aktuellen Studien zufolge das Potenzial hat, eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der EU um zusätzliche 0,5 % und die Schaffung von mehr als 700 000 neuen Arbeitsplätzen bis 2030 zu bewirken (24) sowie die Qualität der Arbeitsplätze zu verbessern; in der Erwägung, dass die Zahl der mit der Kreislaufwirtschaft verbundenen Arbeitsplätze in der EU von 2012 bis 2018 um 5 % auf rund 4 Millionen anstieg; in der Erwägung, dass davon ausgegangen wird, dass die Wiederaufarbeitung in der EU dank unterstützender Maßnahmen und Investitionen der Industrie bis 2030 einen jährlichen Wert von etwa 70 bis 100 Mrd. EUR erreichen und sich die Anzahl der damit verbundenen Arbeitsplätze auf etwa 450 000 bis fast 600 000 belaufen könnte;

J.

in der Erwägung, dass eine nachhaltige und verantwortungsvolle Beschaffung von Primärrohstoffen entscheidend dazu beiträgt, Ressourceneffizienz zu erreichen und die auf die Kreislaufwirtschaft bezogenen Ziele zu verwirklichen; in der Erwägung, dass daher Normen für eine nachhaltige Beschaffung vorrangig benötigter Materialien und Rohstoffe entwickelt werden müssen;

K.

in der Erwägung, dass bis zu 80 % der Umweltauswirkungen eines Produkts bereits in der Entwurfsphase festgelegt werden und nur 12 % der in der EU-Industrie verwendeten Werkstoffe aus dem Recycling stammen;

L.

in der Erwägung, dass es durch die rasche Zunahme des elektronischen Handels zu einem deutlich vermehrten Aufkommen von Verpackungsabfällen wie Einwegkunststoff und Kartonabfällen gekommen ist; in der Erwägung, dass die Verbringung von Abfällen in Drittstaaten nach wie vor Anlass zur Sorge gibt;

M.

in der Erwägung, dass Schätzungen zufolge in der EU jedes Jahr 88 Mio. Tonnen Lebensmittel verschwendet werden und über 50 % der verschwendeten Lebensmittel in den Haushalten und bei den Verbrauchern anfallen; in der Erwägung, dass die Lebensmittelverschwendung etwa 6 % der gesamten Treibhausgasemissionen in der EU verursacht und somit erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt hat;

N.

in der Erwägung, dass Kunststoffe, wenn sie nicht ordnungsgemäß entsorgt werden, Umweltprobleme im Hinblick auf Vermüllung, auf Schwierigkeiten bei Wiederverwendung und Recycling sowie auf bedenkliche Stoffe, Treibhausgasemissionen und den Ressourcenverbrauch verursachen;

O.

in der Erwägung, dass die ECHA ein wissenschaftliches Gutachten angenommen hat, um die Verwendung von Mikroplastik einzuschränken, das Produkten auf dem EU-/EWR-Markt absichtlich in Konzentrationen mit einem Massenanteil von über 0,01 % zugesetzt wird;

P.

in der Erwägung, dass nach Schätzungen der Europäischen Umweltagentur (EUA) die Menge der pro Person in der EU gekauften Kleidungsstücke zwischen 1996 und 2012 um 40 % gestiegen ist, während gleichzeitig mehr als 30 % der Kleidungsstücke in den Kleiderschränken in der EU seit mindestens einem Jahr nicht mehr getragen wurden; in der Erwägung, dass ferner mehr als die Hälfte der aussortierten Kleidungsstücke nicht rezykliert wird, sondern im gemischten Hausmüll landet und in der Folge in Verbrennungsanlagen oder auf Deponien entsorgt wird (25);

Q.

in der Erwägung, dass der IPCC vor nunmehr über zwei Jahren seinen Sonderbericht über 1,5 oC globale Erwärmung veröffentlicht hat, in dem es heißt, eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 oC erfordere rasche, weitreichende und bislang beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft;

1.   

begrüßt den von der Kommission vorgelegten neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft; hebt hervor, dass die Kreislaufwirtschaft in Kombination mit dem Null-Schadstoff-Ziel für eine schadstofffreie Umwelt von entscheidender Bedeutung ist, wenn es darum geht, den gesamten ökologischen Fußabdruck der Produktion und des Konsums in der Union zu verringern, die Belastbarkeitsgrenzen des Planeten nicht zu überschreiten, die Gesundheit des Menschen zu schützen und gleichzeitig für eine wettbewerbsfähige und innovative Wirtschaft Sorge zu tragen; betont, dass die Kreislaufwirtschaft einen erheblichen Beitrag dazu leisten kann, die Ziele des Übereinkommens von Paris, die Ziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung zu erreichen;

2.   

fordert die Kommission auf, sämtliche im Aktionsplan genannten Initiativen zu den Terminen vorzulegen, die im Anhang der Mitteilung festgelegt sind, und die einzelnen Gesetzgebungsvorschläge auf eine umfassende Folgenabschätzung zu stützen; betont, dass auch die Kosten der Untätigkeit berücksichtigt werden müssen;

3.   

betont, dass mit der Kreislaufwirtschaft Lösungen für die neuen Herausforderungen, die durch die COVID-19-Krise verursacht wurden und deutlich zutage getreten sind, geschaffen werden können, indem die Wertschöpfungsketten in der EU und weltweit gestärkt und die Schwachstellen dieser Ketten verringert werden und indem das Umfeld für die Industrie in der EU widerstandsfähiger und nachhaltiger sowie wettbewerbsfähiger und einträglicher gestaltet wird; stellt fest, dass dadurch die strategische Autonomie der EU vorangebracht und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beigetragen wird; betont, dass die COVID-19-Pandemie gezeigt hat, dass ein günstiges Umfeld für die Kreislaufwirtschaft geschaffen werden muss; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Kreislaufwirtschaft durchgängig in ihre nationalen Aufbau- und Resilienzpläne einzubeziehen;

4.   

ist der Ansicht, dass der EU und den Unternehmen aus der EU durch die Kreislaufwirtschaft die Möglichkeit geboten wird, auf dem Weltmarkt innovativ und wettbewerbsfähig zu bleiben und gleichzeitig ihren jeweiligen ökologischen Fußabdruck zu verringern; fordert deshalb die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich zu Direktinvestitionen auf, um Kreislaufwirtschaftsinitiativen auszuweiten und Innovation zu unterstützen; vertritt die Auffassung, dass mithilfe des Aufbauinstruments der Europäischen Union (NextGenerationEU), des Fonds für einen gerechten Übergang und von Horizont Europa Initiativen, Verfahren, Infrastruktur und Technologien im Bereich der Kreislaufwirtschaft eingerichtet und unterstützt werden sollten;

5.   

betont, dass die Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarkts eine Voraussetzung für die Verwirklichung der Kreislaufwirtschaft in der EU ist; hebt insbesondere hervor, dass es für einen gut funktionierenden, nachhaltigen Binnenmarkt wichtig ist, die bestehenden Vorschriften ordnungsgemäß umzusetzen und wirksam durchzusetzen; weist erneut darauf hin, dass die EU die zweitgrößte Wirtschaftsmacht und die größte Handelsmacht der Welt ist; weist darauf hin, dass der Binnenmarkt ein wirkungsvolles Instrument ist, das zur Entwicklung nachhaltiger und kreislauforientierter Produkte oder Technologien genutzt werden muss, die in der Zukunft als Maßstab gelten, sodass die Bürgerinnen und Bürger sichere, unbedenkliche, gesunde und umweltverträgliche Produkte und Erzeugnisse zu einem erschwinglichen Preis erwerben können;

6.   

unterstreicht, dass die vollständige Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch unbedingt notwendig ist; fordert die Kommission auf, wissenschaftlich fundierte bindende mittel- und langfristige Ziele der EU für die Senkung des Verbrauchs von Primärrohstoffen und die Verringerung der Umweltauswirkungen vorzuschlagen; fordert, die Ziele der EU mittels eines rückblickenden Ansatzes festzulegen, damit die politischen Ziele in glaubwürdiger Weise so gestaltet werden, dass spätestens 2050 eine CO2-neutrale, ökologisch nachhaltige, schadstofffreie und vollständig kreislauforientierte Wirtschaft innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen des Planeten erreicht ist;

7.   

fordert die Kommission auf, bindende EU-Ziele für 2030 vorzuschlagen, mit denen der Materialfußabdruck und der Konsumfußabdruck der EU erheblich verringert und bis 2050 die Belastbarkeitsgrenzen des Planeten nicht mehr überschritten werden, und dabei die Indikatoren heranzuziehen, die bis Ende 2021 als Teil des aktualisierten Überwachungsrahmens zu beschließen sind; fordert die Kommission auf, die ehrgeizigsten Mitgliedstaaten als Vorbild heranzuziehen, dabei aber die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf Ausgangslage und Fähigkeiten gebührend zu berücksichtigen;

8.   

fordert die Kommission nachdrücklich auf, bis 2021 harmonisierte, vergleichbare und einheitliche Kreislaufindikatoren einzuführen, die aus Indikatoren für den Material- und den Konsumfußabdruck sowie aus einer Reihe von Subindikatoren für die Ressourceneffizienz und Ökosystemleistungen bestehen; ist der Ansicht, dass mit diesen Indikatoren der Ressourcenverbrauch und die Ressourcenproduktivität gemessen und auf Ein- und Ausfuhren auf der Ebene der EU, der Mitgliedstaaten und der Branchen abgestellt werden sollte und dass diese Indikatoren mit den harmonisierten Methoden zur Lebenszyklusbewertung und zur Bilanzierung des Naturkapitals im Einklang stehen sollten; vertritt die Auffassung, dass die Indikatoren bei allen Politikbereichen, Finanzinstrumenten und Regelungsinitiativen der Union angewandt werden sollten;

9.   

begrüßt die Zusage der Kommission, den Überwachungsrahmen für die Kreislaufwirtschaft zu aktualisieren und zu überarbeiten; bedauert, dass der gegenwärtige Überwachungsrahmen keine umfassende und vollständige Reihe von Indikatoren enthält, anhand deren sich die Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch und den Auswirkungen auf die Umwelt messen lässt; hebt hervor, dass der Überwachungsrahmen die genannten Kreislaufindikatoren umfassen und überdies das gesamte Spektrum der Ziele und der konkreten Maßnahmen des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft abdecken sollte, damit sich der Grad der Kreislauffähigkeit und der Fortschritt im Hinblick auf die Verwirklichung der Ziele insgesamt und effizient messen lassen;

10.   

betont zudem, dass wissenschaftlich fundierte Messverfahren erforderlich sind, um Synergieeffekte zwischen der Kreislaufwirtschaft und der Eindämmung des Klimawandels zu erfassen, auch mittels Verfahren zur Messung des CO2-Fußabdrucks;

11.   

hebt hervor, dass mit der optimierten Nutzung von Produkten und Dienstleistungen zusätzlich zu Maßnahmen zur Verlängerung des Lebenszyklus und zur längeren Nutzung von Materialien Chancen verbunden sind; betont in diesem Zusammenhang insbesondere, dass Möglichkeiten bestehen, Kreislaufwirtschaftslösungen und die Digitalisierung miteinander zu kombinieren; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, politische Strategien zu erarbeiten, um neue nachhaltige und kreislauforientierte Geschäftsmodelle zu unterstützen, etwa Ansätze wie „Produkt als Dienstleistung“, mit denen Ressourcen geschont und die Auswirkungen auf die Umwelt verringert werden, gleichzeitig aber der Verbraucherschutz gewahrt wird; fordert die Kommission auf, im Rahmen der neuen Initiative für nachhaltige Produkte Ansätze wie „Produkt als Dienstleistung“ zu fördern, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, unangemessene rechtliche und steuerliche Hindernisse für diese Ansätze zu beseitigen und die Entwicklung von Infrastrukturen zu fördern, mit denen die Kreislaufwirtschaft und eine nachhaltige digitale Wirtschaft ermöglicht werden; weist nochmals darauf hin, dass die Digitalisierung auch erhebliche Auswirkungen auf Klima und Umwelt hat, etwa eine steigende Energienachfrage und Rohstoffgewinnung und die Entstehung von Elektronikabfällen; fordert die Kommission auf, diese Herausforderungen zu bewerten und anzugehen, indem sie Methode zur Überwachung und Quantifizierung der Auswirkungen von digitalen Technologien, Strukturen und Dienstleistungen und auch von Rechenzentren auf die Umwelt ausarbeitet und Maßnahmen — erforderlichenfalls auch Gesetzgebungsmaßnahmen — vorschlägt, um die ökologische Nachhaltigkeit digitaler Lösungen sicherzustellen, indem die Energieeffizienz, die Verringerung der THG-Emissionen und des Ressourcenverbrauchs und die Einführung der Kreislaufwirtschaft in den Mittelpunkt eines nachhaltigen digitalen Wandels gestellt werden;

12.   

fordert die Kommission auf, zu ermitteln, welche Regelungsmaßnahmen und sonstigen Maßnahmen erforderlich sind, um administrative und rechtliche Hindernisse zu beseitigen, die einer Kreislaufwirtschaft des Teilens und der Dienstleistungen im Wege stehen, und Anreize für den Aufbau dieser Wirtschaftsform zu setzen; fordert die Kommission insbesondere auf, Lösungen für Probleme wie Haftungsfragen und Eigentumsrechte im Zusammenhang mit der Wirtschaft des Teilens und der Dienstleistungen zu prüfen und dabei zu berücksichtigen, dass die Verbesserung der Rechtssicherheit von entscheidender Bedeutung ist, wenn derartige Wirtschaftskonzepte sowohl von den Herstellern als auch von den Verbrauchern angenommen werden sollen; regt an, dass die Kommission in Betracht zieht, eine europäische Strategie für die Wirtschaft des Teilens und der Dienstleistungen auszuarbeiten und darin auf diese Angelegenheiten wie auch auf sozialpolitische Fragen einzugehen;

13.   

betont, dass ein besseres Verständnis dessen erforderlich ist, wie die Kreislaufwirtschaft mithilfe von KI-Technologien vorangebracht werden kann, indem KI-Anwendungen in den Bereichen Gestaltung, Geschäftsmodelle und Infrastruktur gefördert werden; erachtet es als wichtig, die Digitalisierung als Wegbereiter der Kreislaufwirtschaft zu betrachten, insbesondere im Hinblick auf Produktpässe oder Materialinformationen in einem unionsweiten „Datenraum“; betont, dass die Verbesserung der Verfügbarkeit und Weitergabe von Daten, während gleichzeitig dafür gesorgt wird, dass die Akteure aktiv zusammenarbeiten, künftig von entscheidender Bedeutung dafür ist, dass neue Ansätze tatsächlich fair und inklusiv bleiben und Datenschutz und Datensicherheit garantiert sind;

14.   

hält es für dringend geboten, wirtschaftliche Anreize zu setzen und ein passendes Regelungsumfeld für Innovationen in Bezug auf kreislauforientierte Lösungen, Materialien und Geschäftsmodelle zu schaffen und gleichzeitig marktverzerrende und umweltschädliche Subventionen abzuschaffen, und fordert im Rahmen der neuen Industriestrategie für Europa und der KMU-Strategie zur Unterstützung hierfür auf; hebt hervor, dass Pionierunternehmen, KMU (kleine und mittlere Unternehmen) und Start-up-Unternehmen beim Übergang zur Kreislaufwirtschaft eine besondere Funktion übernehmen; unterstreicht, dass die Erforschung von nachhaltigen Materialien, Verfahren, Technologien und Produkten sowie ihrer breiten industriellen Nutzung Unternehmen aus der EU einen weltweiten Wettbewerbsvorteil verschaffen kann; betont, dass Strategien auf der Ebene der EU und der Mitgliedstaaten benötigt werden, um Vorreiter im Bereich der Kreislaufwirtschaft und kreislauforientierte Geschäftsmodelle zu unterstützen;

15.   

betont, dass die Industrie aus der EU als Akteur in den Übergang zu einer stärker ausgeprägten Kreislaufwirtschaft eingebunden werden muss; weist erneut darauf hin, dass Maßnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung einer dekarbonisierten Industrie sind; fordert, dass in der Wirtschaft auf allen Ebenen der Produktgestaltung, der Materialbeschaffung, der Wiederverwendung und des Recyclings von Produkten sowie der Abfallbewirtschaftung kreislauforientierte Ansätze verfolgt werden, und betont, dass die Entwicklung von Leitmärkten für nachhaltige industrielle Materialien und Produkte gefördert werden muss;

16.   

regt die Unternehmen dazu an, im Rahmen ihrer jährlichen Berichterstattung Pläne für den Übergang auszuarbeiten, in denen sie beschreiben, wie und wann sie Klimaneutralität, die Kreislaufwirtschaft im eigenen Unternehmen und Nachhaltigkeit zu erreichen gedenken;

17.   

fordert die Mitgliedstaaten auf, Optionen mit minimalem Verwaltungsaufwand Vorrang einzuräumen und die Entwicklung öffentlich-privater Partnerschaften im Bereich Forschung und Entwicklung zu stärken, die systemische und gesamtheitliche Lösungen bieten;

18.   

fordert die Kommission auf, einen Rechtsrahmen für die Zertifizierung aller naturbasierten und technologischen Lösungen zur Entfernung von CO2 zu schaffen, zu denen auch die CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Nutzung (CCSU) zählt;

19.   

betont, dass der Biomimetik als Beschleuniger der Kreislaufwirtschaft eine entscheidende Funktion bei der Förderung biomimetischer Lösungen zukommt, bei denen dank ihrer Konzeption der Material- und Energieverbrauch und die Verwendung toxischer Verbindungen minimiert wird und die nachhaltige, regenerative und innovative Lösungen bieten, die auf Beispielen aus der Natur beruhen und sich für eine Vielzahl von Branchen eignen;

20.   

fordert eine angemessene Personal- und Mittelausstattung für die Dienststellen der Kommission, die für die erfolgreiche Umsetzung des Aktionsplans zuständig sind; hebt hervor, dass die Mittelzuweisungen sowohl den aktuellen als auch den langfristigen politischen Prioritäten entsprechen müssen, und erwartet daher im Zusammenhang mit dem europäischen Grünen Deal, dass insbesondere in der Generaldirektion Umwelt der Kommission in erheblichem Maße Personal eingestellt wird;

Ein Rahmen für eine nachhaltige Produktpolitik

21.

betont, dass die lineare Wirtschaft des Nehmens, Herstellens und Wegwerfens in eine echte Kreislaufwirtschaft umgewandelt werden muss, die auf folgenden Grundsätzen beruht: Verringerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs, Werterhaltung in der Wirtschaft, Abfallvermeidung, Produktgestaltung ohne Abfallverursachung, Schadstofffreisetzung und Umweltverschmutzung, Verwendung von Produkten und Materialien in geschlossenen Kreisläufen, Schutz der Gesundheit des Menschen, Förderung von Vorteilen für die Verbraucher und Regeneration natürlicher Systeme; ist der Ansicht, dass diese Ziele die Leitprinzipien für den neuen Rahmen für eine nachhaltige Produktpolitik, die Strategie für die Kreislaufwirtschaft als Ganzes und die Industriestrategie sein sollten; betont, dass das Konzept nachhaltiger Kreislaufsysteme vollständig in alle Tätigkeiten, einschließlich Strategien, Produkte, Produktionsverfahren und Geschäftsmodelle, integriert werden muss;

22.

betont, dass nachhaltige, kreislauforientierte, sichere und schadstofffreie Produkte und Materialien auf dem Binnenmarkt nicht die Ausnahme sein, sondern zur Regel werden und als für alle Verbraucher attraktive, erschwingliche und erhältliche Standardoption gelten sollten; begrüßt deshalb den Plan der Kommission, einen Gesetzgebungsinitiative zu nachhaltigen Produkten vorzuschlagen, in der Grundsätze für die Produktpolitik und bindende Anforderungen an Produkte festgelegt werden, die im Binnenmarkt in Verkehr gebracht werden;

23.

spricht sich nachdrücklich dafür aus, den Geltungsbereich der Ökodesign-Richtlinie (26) so zu erweitern, dass auch Produkte ohne Energiebezug erfasst werden und dass für im Binnenmarkt in Verkehr gebrachte Produkte horizontale Nachhaltigkeitsgrundsätze und produktspezifische Vorgaben in Bezug auf Leistungsfähigkeit, Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparierbarkeit, Schadstofffreiheit, Aufrüstbarkeit, Rezyklierbarkeit, Rezyklatanteil und Ressourcen- und Energieeffizienz festgelegt werden, und fordert die Kommission auf, hierfür 2021 einen Vorschlag vorzulegen; bekräftigt gleichzeitig seine Forderung an die Kommission, innerhalb des derzeitigen Anwendungsbereichs der Ökodesign-Richtlinie bei der Einführung von Ökodesign-Anforderungen an alle energieverbrauchsrelevanten Produkte ambitioniert vorzugehen, auch in Bezug auf Aspekte der Kreislaufwirtschaft;

24.

erachtet es als sehr wichtig, einen schlüssigen und eindeutigen Rechtsrahmen der Union für nachhaltige Produkte beizubehalten, und hebt hervor, dass die Synergieeffekte mit anderen Maßnahmen, etwa der Vergabe des EU-Umweltzeichens, verstärkt werden müssen; hebt hervor, dass es neben der Festlegung rechtlicher Mindestanforderungen an die Produktgestaltung auch wichtig ist, Marktanreize für die am nachhaltigsten wirtschaftenden Unternehmen und für nachhaltige Produkte und Materialien zu setzen;

25.

fordert die Kommission auf, für alle auf dem Binnenmarkt in Verkehr gebrachten Produktkategorien und auch für die CO2-intensivsten Halbfabrikate bindende Ziele in Bezug auf den Materialfußabdruck und den ökologischen Fußabdruck während des gesamten Produktlebenszyklus vorzuschlagen; fordert die Kommission zudem auf, produkt- bzw. branchenspezifische bindende Ziele für den Rezyklatanteil einzuführen und dafür zu sorgen, dass die Produkte dabei leistungsfähig und sicher bleiben und rezyklierbar ausgelegt sind; fordert die Kommission nachdrücklich auf, förderliche technologische, regulatorische und marktmäßige Bedingungen zu schaffen, um diese Ziele zu verwirklichen, und dabei den in den einzelnen Wirtschaftszweigen erforderlichen Investitionszyklen und industriellen Wandlungsprozessen Rechnung zu tragen; fordert die Kommission mit dem gleichen Nachdruck auf, verbindliche Anforderungen in Betracht zu ziehen, um die Nachhaltigkeit von Dienstleistungen zu steigern;

26.

unterstützt den Plan zur Einführung digitaler Produktpässe, um Unternehmen, Verbrauchern und Marktüberwachungsbehörden dabei zu helfen, die Auswirkungen eines Produkts auf das Klima, die Umwelt, die Gesellschaft usw. in der gesamten Wertschöpfungskette zu verfolgen und verlässliche, transparente und leicht zugängliche Informationen bereitzustellen, was die Haltbarkeit eines Produkts, die Möglichkeiten zu seiner Wartung, Wiederverwendung, Reparatur und Demontage und die Handhabung am Ende seiner Lebensdauer sowie seine materialbezogene und chemische Zusammensetzung und deren Auswirkungen auf die Umwelt und weitere Auswirkungen betrifft; fordert die Kommission auf, die Möglichkeiten im Hinblick auf eine diesbezügliche Kennzeichnung zu prüfen; ist der Ansicht, dass Produktpässe so eingeführt werden sollten, dass Unternehmen und insbesondere KMU dabei kein unnötiger Regelungsaufwand entsteht; vertritt die Auffassung, dass diese Pässe mit anderen digitalen Instrumenten wie dem künftigen Gebäuderenovierungspass und der SCIP-Datenbank kompatibel sein sollten;

27.

erachtet es als besonders wichtig, schadstofffreie und restaurative Materialkreisläufe zu verwirklichen, damit die Kreislaufwirtschaft zu einem Erfolg wird, ein nachhaltiger Binnenmarkt geschaffen wird und letztendlich die Unionsbürgerinnen und -bürger in einer schadstofffreien Umwelt leben können; bekräftigt daher seine Standpunkte, die es in seiner Entschließung zu der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit und seiner Entschließung zu der Schnittstelle zwischen Chemikalien-, Produkt- und Abfallgesetzgebung vertritt, und beharrt darauf, dass rasch Maßnahmen ergriffen werden, um die Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit für eine schadstofffreie Umwelt umzusetzen;

28.

betont das Recht der Verbraucher auf klarere, harmonisierte und genaue Informationen über die Auswirkungen von Produkten und Dienstleistungen auf die Umwelt und das Klima während ihres gesamten Lebenszyklus, auch im Hinblick auf die Haltbarkeit und Reparierbarkeit, und fordert Maßnahmen gegen Grünfärberei und falsche Umweltaussagen in Bezug auf online und offline angebotene Produkte; bestärkt die Kommission nachdrücklich in ihrem Bestreben, Vorschläge für Vorschriften vorzulegen, die den Gebrauch von Umweltaussagen betreffen und die Einführung zuverlässiger und harmonisierter Berechnungsmethoden über die gesamte Wertschöpfungskette vorsehen, und zwar auf der Grundlage harmonisierter Indikatoren und Lebenszyklusbewertungen des ökologischen Fußabdrucks, auch im Hinblick auf Abfallvermeidung, Rohstoffverbrauch, Schadstoffvermeidung, Haltbarkeit und Langlebigkeit des Produkts und ein auf Reparierbarkeit und Rezyklierbarkeit ausgelegtes Design; betont, dass die kürzlich geänderte Richtlinie 2005/29/EG (27) durch vorausschauende Maßnahmen zum Umgang mit Umweltaussagen durchgesetzt werden muss;

29.

fordert die Kommission auf, die Entwicklung digitaler Instrumente für Verbraucherinformationen zu unterstützen, um die Verbraucher im digitalen Zeitalter zu stärken; betont die Bedeutung von Online-Plattformen und -Marktplätzen für die Förderung nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen und stellt fest, dass sie den Verbrauchern klarere und verständlichere Informationen über die Haltbarkeit und Reparierbarkeit der dort angebotenen Produkte liefern könnten;

30.

betont, dass das EU-Umweltzeichen als Maßstab für ökologische Nachhaltigkeit gestärkt werden muss, indem seine Bekanntheit und sein Wiedererkennungswert auf dem Markt und bei den Verbrauchern erhöht wird, umfassende Vorgaben festgelegt werden, das System auf weitere einschlägige Produkte ausgeweitet wird und seine Verwendung im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge erleichtert wird;

31.

unterstützt die geplanten Initiativen zur Verbesserung der Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Abfallvermeidung in der Abfallhierarchie bei gleichzeitiger Stärkung der Verbraucherrechte sowohl auf den Business-to-Consumer- als auch auf den Business-to-Business-Märkten; begrüßt deshalb ausdrücklich die geplanten Initiativen zur Einführung eines neuen „Rechts auf Reparatur“, das sich mindestens auf den erweiterten Lebenszyklus von Produkten, auf den Zugang zu Ersatzteilen und umfassenden Informationen und auf für die Verbraucher erschwingliche Reparaturdienstleistungen erstrecken sollte;

32.

fordert in diesem Zusammenhang Maßnahmen, mit denen allen Marktteilnehmern unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Verbrauchersicherheit und unbeschadet der Richtlinie (EU) 2016/943 (28) kostenloser Zugang zu den erforderlichen Reparatur- und Wartungsinformationen einschließlich Informationen über Ersatzteile und Softwareaktualisierungen gewährt wird, mit denen der Zugang zu Ersatzteilen ohne unfaire Hindernisse für alle an Reparaturen beteiligten Akteure einschließlich unabhängiger Reparaturbetriebe und der Verbraucher sichergestellt wird und mit denen verbindliche Mindestzeiträume für die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und/oder Aktualisierungen sowie maximale Lieferfristen für eine erweiterte Produktpalette unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieser Produkte festgelegt werden, und fordert, dass geprüft wird, wie Reparaturen im Rahmen der gesetzlichen Garantieregelungen gefördert werden können; betont, dass die Verkäufer alle Marktteilnehmer über die Reparierbarkeit ihrer Produkte informieren sollten;

33.

fordert zur Erleichterung der Entscheidungsfindung der Verbraucher eine klare und leicht verständliche harmonisierte Kennzeichnung, die die Form eines Index annehmen könnte, zur Haltbarkeit (d. h. der geschätzten Lebensdauer) und Reparierbarkeit des Produkts sowie die Entwicklung einer einheitlichen Reparaturkennzahl und die Einführung von Verbrauchszählern für bestimmte Produktkategorien; fordert Mindestinformationspflichten gemäß den Richtlinien 2005/29/EC und 2011/83/EU (29); fordert die Kommission auf, bei den Vorbereitungsarbeiten für die Überarbeitung der Richtlinie (EU) 2019/771 (30) in Erwägung zu ziehen, sowohl die gesetzlichen Garantierechte als auch die Regeln für die umgekehrte Beweislast für bestimmte Produktkategorien mit einer höheren geschätzten Lebensdauer auszuweiten und die unmittelbare Herstellerhaftung einzuführen;

34.

fordert gesetzgeberische Maßnahmen, mit denen Praktiken, die zu einer geplanten Obsoleszenz führen, unterbunden werden, auch indem in Betracht gezogen wird, solche Praktiken in die Liste in Anhang I der Richtlinie 2005/29/EC aufzunehmen;

35.

begrüßt die Absicht der Kommission, Rechtsvorschriften einzuführen, mit denen die Vernichtung nicht verkaufter langlebiger Waren untersagt wird, sofern mit ihnen kein Sicherheits- oder Gesundheitsrisiko verbunden ist; hebt hervor, dass das Recycling, die Wiederverwendung und das erneute Inverkehrbringen von Bedarfsgütern die Norm sein und mittels Rechtsvorschriften durchgesetzt werden sollten;

36.

erachtet es als sehr wichtig, den Binnenmarkt für nachhaltige Produkte zu stärken, und ist der Ansicht, dass die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangehen sollte; stellt fest, dass öffentliche Stellen häufig immer noch nur das Kriterium des niedrigsten Preises als Vergabekriterium für die Auswahl des besten Angebots für Waren, Dienstleistungen oder Bauarbeiten anwenden; unterstützt die Einführung verpflichtender Mindestkriterien und -ziele für die umweltgerechte Vergabe öffentlicher Aufträge in branchenspezifischen Rechtsvorschriften;

37.

betont, dass der umweltgerechten Vergabe öffentlicher Aufträge hohe Bedeutung zukommt, wenn es gilt, den Übergang zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen, und hält es für dringend geboten, im Zuge der wirtschaftlichen Erholung in der EU auf die umweltgerechte Vergabe öffentlicher Aufträge zurückzugreifen;

38.

fordert die Kommission auf, einen Gesetzgebungsvorschlag über Verfahren für die umweltgerechte Vergabe öffentlicher Aufträge vorzulegen; ist der Ansicht, dass wiederverwendete, reparierte, aufbereitete, aufgearbeitete und andere energieeffiziente und ressourcenschonende Produkte und Lösungen, mit denen die Umweltauswirkungen während des gesamten Lebenszyklus so gering wie möglich gehalten werden, im Einklang mit den Zielen des europäischen Grünen Deals bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die Standardoption sind und dass der Grundsatz „Befolgen oder erläutern“ Anwendung finden sollte, wenn diese Option nicht gewählt wird; fordert die Kommission außerdem auf, Leitlinien zur Förderung der nachhaltigen Auftragsvergabe durch Unternehmen bereitzustellen; fordert Berichtspflichten für die Kommission und die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Nachhaltigkeit ihrer Beschaffungsentscheidungen, wobei das Subsidiaritätsprinzip zu achten ist.

39.

hält es für sehr wichtig, hochwertige Abläufe für die Sammlung von Materialien, eine hochwertige Wiederverwendung und hochwertiges Recycling von Materialien zu fördern, den höchstmöglichen Wert von Materialien zu erhalten und saubere, schadstofffreie und nachhaltige geschlossene Materialkreisläufe zu verwirklichen; erachtet es als sehr wichtig, die Verfügbarkeit und Qualität von Rezyklaten zu verbessern und dabei den Schwerpunkt darauf zu legen, dass sich ein Werkstoff dazu eignet, seine inhärenten Eigenschaften nach dem Recycling beizubehalten und bei künftigen Anwendungen Primärrohstoffe zu ersetzen; hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass sowohl Anreize für höhere Rezyklierbarkeit bei der Produktgestaltung gesetzt als auch Maßnahmen wie wirksame Systeme für die getrennte Sammlung und Pfandrückgabesysteme gefördert werden müssen; fordert Unterstützung für den Bau von Recyclinganlagen und die Errichtung von Recyclingkapazitäten nach dem Grundsatz der örtlichen Nähe an Orten, an denen es noch keine solchen Anlagen und Einrichtungen gibt;

40.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Entwicklung hochwertiger Sammel- und Sortierinfrastrukturen und hochwertiger Infrastrukturen für die Wiederverwendung und das Recycling von Materialien zu unterstützen und die Forschung im Bereich der Entwicklung neuer innovativer Technologien zu fördern, mit denen im Vergleich zu anderen Technologien der Ressourcenverbrauch und die Entstehung von Siedlungsabfällen so gering wie möglich gehalten wird, die Ergiebigkeit und die Qualität von rezyklierbaren und wiederverwendbaren Sekundärstoffen gesteigert wird, Rezyklate dekontaminiert werden und der ökologische Fußabdruck — einschließlich des energetischen und des klimatischen Fußabdrucks — insgesamt verringert wird; ist der Ansicht, dass mit chemischem Recycling, sofern es diese Kriterien erfüllt, dazu beigetragen werden könnte, den Materialkreislauf bei bestimmten Abfallströmen zu schließen;

41.

fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Auswirkungen von Prozessen und Ergebnissen neuer Recycling- und Rückgewinnungstechnologien auf Gesundheit, Umwelt und Klima auf industrieller Ebene gründlich bewertet werden, bevor Anreize für sie geschaffen werden, und bei der Evaluierung durchweg Transparenz sicherzustellen;

42.

ist der Ansicht, dass das chemische Recycling die Definition von Recycling nach Maßgabe der Abfallrahmenrichtlinie erfüllen muss, damit die erneute Verarbeitung in Materialien und Stoffen, die als Brennstoff verwendet werden sollen, nicht als chemisches Recycling gilt; fordert die Kommission nachdrücklich auf, diesbezüglich eine juristische Bestätigung herbeizuführen;

43.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Einführung neuer digitaler Technologien wie der Blockchain und digitalen Wasserzeichen zu unterstützen und diese Technologien interoperabel zu machen, sodass mit ihnen der Aufbau der Kreislaufwirtschaft vorangebracht werden kann, indem der Ressourcenverbrauch und Produktflüsse in allen Phasen des Lebenszyklus ermittelt, nachverfolgt und erfasst werden;

44.

erachtet es als sehr wichtig, den Zugang zu Finanzmitteln für Forschungs- und Innovationsprojekte zur Kreislaufwirtschaft zu verbessern; fordert die Kommission daher auf, die Maßnahmen im Rahmen des Programms Horizont Europa verstärkt auf die Förderung von Forschung und Entwicklung folgender Bereiche auszurichten:

Recyclingverfahren und -technologien,

Ressourceneffizienz industrieller Prozesse,

innovative und nachhaltige Materialien, Produkte, Verfahren, Technologien und Dienstleistungen sowie deren breite industrielle Nutzung,

Bioökonomie durch biogestützte Innovationen, wozu auch die Entwicklung biogestützter Materialien und Produkte gehört,

Erdbeobachtungssatelliten, da sie eine wichtige Funktion bei der Überwachung der Entwicklung der Kreislaufwirtschaft übernehmen können, indem die Nachfrage nach neuen Rohstoffen und die Emissionswerte bewertet werden;

45.

betont, dass nachhaltigen erneuerbaren Ressourcen bei Kreislaufprozessen im Hinblick auf die Dekarbonisierung hohe Bedeutung zukommen kann und dass durch die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen die Berücksichtigung des Kreislaufprinzips in Lebenszyklen von Produkten verbessert und gleichzeitig die Energiewende vorangetrieben werden kann;

46.

betont, dass sich die Rechtsvorschriften eines „Rahmens für eine nachhaltige Produktpolitik“ auf ein robustes und transparentes System für die CO2- und Umweltbilanzierung stützen sollten, das als Katalysator für Investitionen in Produkte und Verfahren der Kreislaufwirtschaft dient;

47.

erachtet es als sehr wichtig, dass der gesamte Lebenszyklus eines Produkts „von der Wiege bis zur Bahre“ und die Auswirkungen der Beschaffung und von Halbfabrikaten, Ersatzteilen und Nebenprodukten in der gesamten Wertschöpfungskette bei der Festlegung von Produktnormen bezüglich der Auswirkungen auf Klima und Umwelt berücksichtigt werden; vertritt die Auffassung, dass diese Normen in einem offenen, transparenten und wissenschaftsgestützten Verfahren unter Beteiligung aller relevanten Interessenträger festgelegt werden müssen; fordert in diesem Zusammenhang die Festlegung gemeinsamer Methoden für die Lebenszyklusanalyse und eine verbesserte Datenerhebung;

48.

betont, dass die Normung für die Umsetzung einer nachhaltigen Produktpolitik von entscheidender Bedeutung ist, da hierdurch zuverlässige Definitionen, Parameter und Tests für Merkmale wie Haltbarkeit und Reparierbarkeit bereitgestellt werden;

49.

beharrt darauf, dass EU-Normen zeitnah und in Übereinstimmung mit den realen Nutzungsbedingungen ausgearbeitet werden, wobei für die beteiligten Akteure keine Verwaltungsengpässe entstehen dürfen, die zu Verzögerungen bei der Veröffentlichung der Normen führen;

50.

weist auf die Mitteilung der Kommission vom 1. Juni 2016 mit dem Titel „Europäische Normen für das 21. Jahrhundert“ und die Arbeiten an einer „Gemeinsamen Normungsinitiative“ (GNI) hin; fordert die Kommission auf, die GNI weiter zu stärken und neue Maßnahmen und Projekte zur Verbesserung der Funktionsweise der europäischen Normungsorganisationen anzunehmen;

51.

betont, dass eine wirksame Umsetzung und Durchsetzung der EU-Rechtsvorschriften in Bezug auf Produktsicherheits- und Nachhaltigkeitsanforderungen von entscheidender Bedeutung ist, damit die in Verkehr gebrachten Produkte diesen Vorschriften nach Maßgabe der Verordnung (EU) 2019/1020 (31) entsprechen; fügt hinzu, dass sehr viele Produkte, die online gekauft und in die EU eingeführt werden, die Mindestsicherheitsanforderungen der EU nicht erfüllen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen zu intensivieren, damit Produkte, einschließlich online verkaufter Produkte, den Vorschriften entsprechen, und gegen die Risiken vorzugehen, die gefälschte Produkte für die Sicherheit der Verbraucher darstellen, und zwar durch verstärkte Marktüberwachung und gleichwertige Zollkontrollvorschriften sowie durch verstärkte Zusammenarbeit in diesem Bereich und durch die Aufstockung der finanziellen und personellen Mittel; fordert daher eine wirksamere Aufsicht durch die EU, indem harmonisierte Vorschriften für die Mindestanzahl und die Häufigkeit der Kontrollen festgelegt werden und der Kommission die Befugnis übertragen wird, die Tätigkeiten der nationalen Marktüberwachungsbehörden zu kontrollieren und zu prüfen;

52.

betont, dass sich freiwillige Vereinbarungen als unwirksam erwiesen haben, um eine nachhaltige und einheitliche Ladelösung für Mobilfunkgeräte zu finden; fordert die Kommission erneut auf, die Bestimmungen der Richtlinie 2014/53/EU (32) über Funkanlagen unverzüglich umzusetzen und insbesondere ein einheitliches Ladegerät für Smartphones und alle kleinen und mittelgroßen elektronischen Geräte einzuführen, um bestmöglich für die Normung, Kompatibilität und Interoperabilität der Lademöglichkeiten, einschließlich des drahtlosen Aufladens, im Rahmen der globalen Strategie zur Verringerung von Elektronikabfällen Sorge zu tragen; fordert die Kommission auf, zeitnah eine Entkopplungsstrategie auszuarbeiten, mit der sichergestellt wird, dass die Verbraucher nicht verpflichtet sind, mit neuen Geräten auch neue Ladegeräte zu kaufen, um so größere Umweltvorteile, Kosteneinsparungen und einen Nutzen für die Verbraucher zu erzielen; bekräftigt, dass es wichtig ist, den Verbrauchern durch eine harmonisierte Kennzeichnung in einem leicht lesbaren Format vertrauenswürdige und einschlägige Informationen über relevante Merkmale von Ladegeräten wie Interoperabilität und Ladeleistung, einschließlich der Einhaltung von USB 3.1 oder höher, bereitzustellen, damit sie eine möglichst zweckdienliche, kosteneffiziente und nachhaltige Wahl treffen können;

53.

erachtet es als sehr wichtig, dass bei sämtlichen vorhandenen und künftigen Maßnahmen auf der Ebene der Union und der Mitgliedstaaten politische Kohärenz gewahrt wird, damit die Ziele des Aktionsplans tatsächlich erreicht werden und für wirtschaftliche Sicherheit und Investitionssicherheit in Bezug auf Technologien, Produkte und Dienstleistungen der Kreislaufwirtschaft gesorgt wird, wodurch zudem die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Union gestärkt werden; fordert die Kommission auf, alle etwaigen Regelungsunstimmigkeiten, Hemmnisse bzw. Formen von Rechtsunsicherheit anzugehen, durch die die flächendeckende Einführung der Kreislaufwirtschaft behindert wird; fordert wirtschaftliche Anreize wie eine CO2-Bepreisung, eine erweiterte Herstellerverantwortung mit umweltbezogener Gebührenstaffelung und steuerliche Anreize sowie weitere finanzielle Anreize zur Förderung nachhaltigen Verbraucherverhaltens; ist der Ansicht, dass diese Maßnahmen, falls relevant, mit den in der Taxonomie-Verordnung festgelegten technischen Bewertungskriterien für die Kreislaufwirtschaft im Einklang stehen sollten; fordert die Mitgliedstaaten auf, den Zielen der Kreislaufwirtschaft in sämtlichen einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften Rechnung zu tragen und sicherzustellen, dass diese Rechtsvorschriften vollständig mit den Zielen und Maßnahmen der Strategie der EU für die Kreislaufwirtschaft im Einklang stehen; fordert die Kommission zudem auf, sich auf die Umsetzung der Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft zu konzentrieren, damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Produktionsverfahren und Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft sichergestellt sind;

Zentrale Produktwertschöpfungsketten: Elektronik und Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)

54.

unterstützt die „Initiative für auf die Kreislaufwirtschaft ausgerichtete Elektronik“, mit der die Defizite bei der Haltbarkeit, dem nachhaltigen Design, dem Gehalt an gefährlichen Stoffen und Schadstoffen, dem Rezyklatanteil, der Reparierbarkeit, der Verfügbarkeit von Ersatzteilen, der Aufrüstbarkeit sowie bei der Vermeidung, der Sammlung, der Wiederverwendung und dem Recycling von Elektronikabfällen in Angriff genommen werden sollten; fordert zudem, dass auch Probleme im Zusammenhang mit frühzeitiger Obsoleszenz und auch der durch Softwareänderungen verursachten Produktobsoleszenz in die Initiative aufgenommen werden; fordert die Harmonisierung und Verbesserung der Recyclinginfrastruktur für Elektro- und Elektronik-Altgeräte in der EU;

55.

ist der Ansicht, dass die Sammlung von Elektronikschrott für die Verbraucher wesentlich erleichtert werden muss; begrüßt die Zusage der Kommission, Optionen für ein unionsweites Rücknahmesystem für IKT-Produkte zu prüfen, und vertritt die Auffassung, dass ein möglichst breites Spektrum an Produkten unter dieses System fallen sollte; hält es für sehr wichtig, ein solches Rücknahmesystem und andere Sammelmodelle so zu gestalten, dass die Wiederverwendbarkeit von IKT-Produkten sichergestellt ist und Wiederverwendungsbetrieben Zugang zu wiederverwendbaren Waren gewährt wird;

56.

betont das Potenzial von Ökodesign-Maßnahmen und weist darauf hin, dass dank der Ökodesign-Richtlinie und der Richtlinie über die Energieeffizienzkennzeichnung (33) nahezu die Hälfte der von der EU für 2020 festgelegten Zielvorgaben für Einsparungen durch Energieeffizienzmaßnahmen erreicht werden konnte; bekräftigt, dass die laufenden Arbeiten an Ökodesign-Anforderungen an Elektronik und IKT, insbesondere für Smartphones, Tablets, Computer und Drucker (einschließlich Kartuschen), Mobilfunknetzstationen und -teilsysteme und Netzwerkgeräte rasch abgeschlossen werden müssen, damit spätestens 2021 Maßnahmen vorgeschlagen werden können;

57.

erachtet es als sehr wichtig, bei elektronischen Geräten und IKT ein nachhaltigeres Konsumverhalten und nachhaltigere Produktionsmuster zu fördern, und fordert die Kommission auf, die Möglichkeit zu prüfen, den Verbrauchern Informationen zur Unterscheidung zwischen Korrekturaktualisierungen und von den Nutzern veranlassten Aktualisierungen und zu den durch den Datenverbrauch verursachten CO2-Emissionen zur Verfügung zu stellen;

58.

fordert die Einführung eines obligatorischen Zertifizierungssystems für Elektronikabfallrecyclingbetriebe, um für eine effiziente Materialrückgewinnung und den Umweltschutz Sorge zu tragen;

59.

fordert die Kommission auf, neben der Initiative für auf die Kreislaufwirtschaft ausgerichtete Elektronikgeräte eine Initiative für eine kreislauforientierte und nachhaltige Digitalisierung, IKT und KI auszuarbeiten;

Zentrale Produktwertschöpfungsketten: Batterien und Fahrzeuge

60.

betont, dass eine strategische, ökologisch nachhaltige und ethische Herangehensweise an die neuen Legislativrahmen für Batterien und Fahrzeuge im Zusammenhang mit dem Übergang zu emissionsfreier Mobilität und aus erneuerbaren Energiequellen gespeisten Stromnetzen wichtig ist und für eine nachhaltige und ethische Beschaffung von Rohstoffen und kritischen Rohstoffen gesorgt werden muss; fordert, wettbewerbsfähige und resiliente Wertschöpfungsketten für die Herstellung, die Wiederverwendung und das Recycling von Batterien in der EU zu schaffen;

61.

begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine neue Verordnung über Batterien und Altbatterien und ist der Ansicht, dass der neue Rechtsrahmen der EU für Batterien mindestens eine nachhaltige, ethische und sichere Beschaffung, das Ökodesign einschließlich Maßnahmen zum Rezyklatanteil, die möglichst weitgehende Substitution gefährlicher und schädlicher Stoffe, Verbesserungen bei der getrennten Sammlung, der Wiederverwendung, der Aufbereitung, der Aufarbeitung, der Umwidmung und dem Recycling sowie höhere Recyclingziele, die Rückgewinnung wertvoller Materialien, eine erweiterten Herstellerverantwortung und Verbraucherinformationen umfassen sollte; ist der Ansicht, dass in diesem Rahmen die Auswirkungen auf die Umwelt über den gesamten Lebenszyklus behandelt werden und spezielle Bestimmungen über Batterien im Zusammenhang mit Mobilität und Energiespeicherung enthalten sein sollten;

62.

ist besorgt darüber, dass die EU bei der Batterieherstellung stark von Rohstoffeinfuhren abhängig ist; ist davon überzeugt, dass ein erheblicher Teil der Rohstoffe, die für die Batterieherstellung in der EU benötigt werden, durch bessere Regelungen für das Recycling von Batterien bereitgestellt werden könnte;

63.

bringt seine Besorgnis über die sozioökonomischen Auswirkungen der mineralgewinnenden Industrie, insbesondere in der Kobaltindustrie, zum Ausdruck; fordert die Kommission auf, Optionen für einen tragfähigen Rechtsrahmen zu prüfen, mit dem die ethische Materialbeschaffung und die Einführung verbindlicher Rechtsvorschriften über die Sorgfaltspflicht sichergestellt wird, um negative Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte in einem internationalen Kontext anzugehen;

64.

begrüßt die Pläne der Kommission zur Überprüfung der Altfahrzeug-Richtlinie (34); fordert die Kommission auf, diese Richtlinie zu aktualisieren, um den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft vollständig Ausdruck zu verleihen und Geltung zu verschaffen, zu denen auch Produktgestaltung ohne Abfallverursachung, Aufrüstbarkeit, Modularität, Reparierbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Rezyklierbarkeit der Materialien auf höchstem Wertniveau zählen, wobei der Wiederverwendung oberste Priorität eingeräumt wird; fordert die Kommission auf, sich für effiziente Wiederverwendungsketten einzusetzen und dazu Systeme der erweiterten Herstellerhaftung für Automobilhersteller einzuführen; fordert die Kommission auf, das Meldewesen bezüglich Altfahrzeugen mittels einer unionsweiten Datenbank zu verbessern; fordert die Kommission auf, den Grundsatz zu verdeutlichen, zu stärken und zu überwachen, dass das Zerlegen des Fahrzeugs und die Wiederverwendung der Teile stets vor dem Verschrotten und Schreddern von Autos erfolgen müssen;

65.

betont, dass Forschung und Innovation im Hinblick auf Recyclingverfahren und -technologien im Rahmen von Horizont Europa weiter gefördert werden müssen, um das Kreislaufwirtschaftspotenzial von Batterien zu erhöhen; stellt fest, dass KMU in den Branchen Sammelsysteme und Recycling eine wichtige Rolle spielen;

Zentrale Produktwertschöpfungsketten: Verpackungen

66.

bekräftigt das Ziel, alle Verpackungen bis 2030 auf wirtschaftlich tragfähige Weise wiederverwendbar oder rezyklierbar zu machen, und fordert die Kommission auf, unverzüglich einen Legislativvorschlag vorzulegen, der in der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle auch Maßnahmen und Ziele zur Abfallreduzierung und ambitionierte wesentliche Anforderungen enthält, um übermäßige Verpackungen — auch im elektronischen Handel — zu reduzieren, die Rezyklierbarkeit zu verbessern, die Komplexität von Verpackungen so gering wie möglich zu halten, den Rezyklatanteil zu erhöhen, die Verwendung gefährlicher und schädlicher Stoffe schrittweise einzustellen und die Wiederverwendung zu fördern; betont, dass die Lebensmittelsicherheit nicht beeinträchtigt werden darf und die Lebensmittelhygienevorschriften eingehalten werden müssen; fordert, dass mit diesen Maßnahmen angestrebt werden sollte, im Einklang mit der Abfallhierarchie das bestmögliche Gesamtergebnis für die Umwelt und einen kleinen CO2-Fußabdruck zu erzielen;

67.

betont, dass Verpackungen für die Produktsicherheit von entscheidender Bedeutung sind, insbesondere für die Lebensmittelsicherheit und -hygiene und für die Verringerung der Lebensmittelverschwendung, und fordert die Industrie auf, Regulierungsmaßnahmen durch zusätzliche freiwillige Maßnahmen zu ergänzen, um unnötige Verpackungen noch besser zu vermeiden und die Menge der von ihr in Verkehr gebrachten Verpackungen erheblich zu verringern, ressourcenschonendere, kreislauforientierte und klimafreundliche Verpackungslösungen wie harmonisierte Verpackungsformate und wiederverwendbare und wiederbefüllbare Verpackungen zu entwickeln und die Verwendung wiederverwendbarer Transportverpackungen zu erleichtern; unterstützt Initiativen wie die Allianz für die Kunststoffkreislaufwirtschaft und den europäischen Kunststoffpakt;

68.

bekräftigt, dass hochwertiges Recycling eine echte Marktnachfrage nach rezykliertem Material erzeugt und zu den wichtigsten Faktoren bei der Steigerung der Gesamtmenge an Verpackungen gehört, die gesammelt, sortiert und rezykliert werden, und fordert den Einsatz moderner und effizienter Sortieranlagen und Trenntechnologien in Verbindung mit einem besseren Ökodesign von Verpackungen, wozu auch gehört, dass Verpackungslösungen auf der Grundlage verbesserter Ökobilanzkriterien neu gestaltet werden müssen;

69.

fordert die Kommission auf, verschiedene Arten von im elektronischen Handel verwendeten Verpackungen zu analysieren, um bewährte Verfahren bei der Optimierung von Verpackungen zu ermitteln und Umverpackungen zu reduzieren; fordert die Kommission auf, die Wiederverwendung von Verpackungsmaterialien zur Lieferung mehrerer Artikel als Alternative zu Einwegverpackungsmaterialien zu befürworten;

70.

betont, dass der Verkauf unverpackter Produkte bei der Verringerung des Verpackungsaufkommens von entscheidender Bedeutung sein kann, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, derartige Maßnahmen zu fördern, aber gleichzeitig für die Lebensmittelsicherheit und -hygiene Sorge zu tragen;

71.

hebt hervor, dass Innovationsfonds und -programme von zentraler Bedeutung für Innovationen in den Bereichen Materialreduzierung und Recycling sind;

72.

stellt fest, dass der Online-Verkauf wächst und dabei auch der Paketversand zunimmt; fordert die Kommission nachdrücklich auf, Maßnahmen zu ergreifen, damit alle Online-Verkäufer unabhängig von ihrem Standort die wesentlichen Anforderungen erfüllen, die Produkte in die Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung in den EU-Mitgliedstaaten, in denen die Produkte in Verkehr gebracht werden, eintragen und einen finanziellen Beitrag zu diesen Systemen leisten;

73.

fordert die Kommission auf, die getrennte Sammlung und Sortierung von Verpackungsabfällen zu unterstützen, wie sie in der Richtlinie (EU) 2018/852 verankert ist, und sicherzustellen, dass sie von den Mitgliedstaaten zeitnah umgesetzt wird; fordert die Kommission auf, die Möglichkeit einer Überarbeitung des Kennzeichnungssystems für Verpackungsmaterialien (Entscheidung 97/129/EG (35)) zu prüfen, um die getrennte Sammlung für die Bürger im Einklang mit der Rezyklierbarkeit von Verpackungen zu erleichtern;

74.

fordert die Kommission auf, Möglichkeiten für kompatible nationale Pfandrückgabesysteme zu unterstützen und zu prüfen, um die erforderliche Sammelquote von 90 % bei Kunststoffgetränkebehältern zu erreichen und einen Schritt zur Schaffung eines Binnenmarkts für Verpackungen, insbesondere in benachbarten Mitgliedstaaten, zu unternehmen; ist der Ansicht, dass kompatible Systeme durch Serialisierung und eine kodifizierte und einheitliche Kennzeichnung verwirklicht werden könnten; vertritt die Auffassung, dass den Mitgliedstaaten, die kein solches System haben oder eine Umgestaltung ihres Systems planen, nahegelegt werden sollte, anhand bewährter Verfahren und einschlägiger wissenschaftlicher Erkenntnisse ein System zu wählen, das mit denen anderer Mitgliedstaaten vergleichbar oder damit kompatibel ist;

Zentrale Produktwertschöpfungsketten: Kunststoffe

75.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Umsetzung der europäischen Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft fortzusetzen, insbesondere durch die Förderung von besserem Design, Geschäftsmodellen der Kreislaufwirtschaft und innovativen Produkten und Ansätze im Bereich „Produkt als Dienstleistung“, die den Weg zu einem nachhaltigeren Verbraucherverhalten eröffnen;

76.

fordert die Kommission auf, sich umfassend des Problems der Kunststoffe einschließlich Mikroplastik anzunehmen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, die allgemeine allmähliche Abschaffung der absichtlichen Zusetzung von Mikroplastik zu beschließen und im Wege neuer verbindlicher Regulierungsmaßnahmen die unbeabsichtigte Freisetzung sämtlicher Mikroplastikteilchen, etwa aus Reifen, Textilien, Kunstrasen und bei der Herstellung von Kunststoffpellets, zu verringern; hält es für besonders wichtig, die Lücken bei den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Mikroplastik und Nanoplastik zu schließen und die Entwicklung von weniger bedenklichen Alternativen und Wettbewerbsmärkte mit mikroplastikfreien Produkten zu fördern; bekräftigt gleichzeitig, dass dringend binnen kurzer Zeit Maßnahmen ergriffen werden müssen; hebt hervor, dass der größte Teil der Verschmutzung durch Mikroplastik auf den Abbau von Makroplastik in der Umwelt zurückzuführen ist, und befürwortet gezielte Maßnahmen bei Kunststoffprodukten, etwa Ökodesign-Anforderungen schon während der Produktionsphase, um die Freisetzung von sekundären Mikrokunststoffen in die Umwelt zu verhindern; fordert die Kommission auf, die Quellen, die Verteilung, den Verbleib und die Auswirkungen sowohl von Makro- als auch Mikroplastik im Zusammenhang mit der Abwasserbehandlung und der Regenwasserbewirtschaftung zu untersuchen; weist darauf hin, dass 80 % der Abfälle im Meer ihren Ursprung an Land haben, und fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, in den mit besonders viel Meeresmüll belasteten Bereichen von Flüssen und Mündungsgebieten tätig zu werden;

77.

hebt hervor, dass Einwegprodukte eine erhebliche Belastung für die Umwelt und die Ressourcen sind und Einwegprodukte auf umweltfreundliche Weise und ohne Beeinträchtigung der Lebensmittelhygiene und -sicherheit durch wiederverwendbare Produkte ersetzt werden sollten, sofern wiederverwendbare bzw. langlebige Alternativen vorhanden sind; fordert die Kommission diesbezüglich auf, Legislativmaßnahmen in Erwägung zu ziehen, beispielsweise indem im Zuge der Überprüfung der Richtlinie über Einwegkunststoffartikel der Geltungsbereich ausgeweitet wird; fordert die Kommission auf, Vorgaben für wiederverwendbare Verpackungen und in Bezug auf Ersatzprodukte für Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck auszuarbeiten;

78.

stellt fest, dass biobasiertem und biologisch abbaubarem und kompostierbarem Kunststoff in der Kreislaufwirtschaft durchaus eine Funktion zukommen kann, gibt jedoch warnend zu bedenken, dass biobasierte und/oder biologisch abbaubare Kunststoffe allein keine Lösung für die mit Kunststoffen verbundenen Umweltprobleme sind, und erachtet es als besonders wichtig, das Bewusstsein für die richtige Verwendung von biobasierten und biologisch abbaubaren Kunststoffen zu schärfen;

79.

befürwortet den Vorschlag zu eindeutigen internationalen Normen für Materialien, Produkte, Design und Recycling;

80.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, einen einheitlichen Transparenzrahmen zu schaffen und Berichtspflichten für alle Akteure der Wertschöpfungskette in Bezug auf die Herstellung von, den Handel mit sowie die Verwendung und Entsorgung von Kunststoffen am Ende ihrer Lebensdauer einzuführen;

81.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung zu entwickeln, mit denen die Hersteller hinsichtlich der Lebensdauer von Kunststoffprodukten in die Verantwortung genommen werden;

Zentrale Produktwertschöpfungsketten: Textilien

82.

hält eine neue umfassende EU-Strategie für Textilien für wichtig, mit der die Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sowie die Rückverfolgbarkeit und Transparenz in der Textil- und Kleidungsbranche der EU gefördert und dem globalen Charakter der Wertschöpfungsketten und der Schnelllebigkeit der Modebranche Rechnung getragen wird; fordert, dass eine solche Strategie kohärente strategische Maßnahmen umfasst und mit ihr neue Geschäftsmodelle gefördert werden, um das gesamte Spektrum an ökologischen und sozialen Auswirkungen in der gesamten Wertschöpfungskette zu berücksichtigen, indem Textilien so gestaltet werden, dass sich ihre Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit und mechanische Rezyklierbarkeit verbessern, insbesondere durch eine Kombination aus Ökodesign-Anforderungen, Regelungen für die Herstellerverantwortung und Kennzeichnungssystemen;

83.

begrüßt die Anwendung des neuen produktpolitischen Rahmens für Textilien und betont, dass dabei im Einklang mit der Abfallhierarchie der Abfallvermeidung, der Haltbarkeit, der Wiederverwendbarkeit und der Reparierbarkeit sowie der Vermeidung gefährlicher und schädlicher Chemikalien Vorrang eingeräumt werden muss; fordert Maßnahmen in der Entwurfs- und Produktionsphase gegen den Verlust synthetischer Mikrofasern sowie weitere Maßnahmen wie die Entwicklung eines kontrollierten und umweltschonenden industriellen Vorwaschens und Normen für die Ausstattung neuer Waschmaschinen mit Mikrofaserfiltern; fordert spezifische EU-weite Abfallendekriterien für Textilien;

84.

fordert, dass die Anwendung des neuen produktpolitischen Rahmens für Textilien mit anderen politischen Instrumenten im Einklang steht, insbesondere mit dem bevorstehenden Vorschlag für EU-Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und zur Sorgfaltspflicht im Umweltbereich, damit Aspekte der Arbeitnehmerrechte, der Menschenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter in allen Abschnitten der textilen Wertschöpfungskette berücksichtigt werden;

Zentrale Produktwertschöpfungsketten: Bauwirtschaft und Gebäude

85.

fordert die Kommission auf, die Initiative „Renovierungswelle“ im Einklang mit den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft umzusetzen und dabei der Vielfalt der Branche Rechnung zu tragen; fordert die Kommission auf, sowohl horizontale als auch produktspezifische Anforderungen festzulegen; betont das Potenzial für Treibhausgaseinsparungen und Umweltvorteile durch die Verlängerung der Lebensdauer von Gebäuden anstelle des Abrisses; fordert die Kommission auf, die Festlegung von Reduktionszielen für den CO2-Fußabdruck und den Materialfußabdruck von Gebäuden in der EU und die Anwendung des Rahmens für nachhaltige Gebäude als verbindlichen Rahmen für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden in Erwägung zu ziehen; hält es für notwendig, rechtliche Mindestanforderungen an die Umweltverträglichkeit von Gebäuden aufzunehmen, um die Ressourceneffizienz und die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern;

86.

weist darauf hin, dass die Kommission gemäß der Abfallrahmenrichtlinie verpflichtet ist, eine Überarbeitung der in den EU-Rechtsvorschriften festgelegten Zielvorgaben für die stoffliche Verwertung von Bau- und Abbruchabfällen und ihrer materialspezifischen Fraktionen zu prüfen, und ist der Ansicht, dass dies eine Zielvorgabe für die stoffliche Verwertung von ausgehobenen Böden umfassen sollte; schlägt vor, Zielvorgaben für Wiederverwendung und Recycling sowie für die Verwendung von Sekundärrohstoffen in Bauanwendungen aufzunehmen und diese leichter rückverfolgbar zu machen; fordert die Kommission auf, die Bauprodukteverordnung zu überarbeiten, und begrüßt die Ankündigung einer Strategie für eine nachhaltige Bauwirtschaft im Jahr 2021; ist der Ansicht, dass die Einführung digitaler Lösungen in der baulichen Umwelt, etwa zur Rückverfolgbarkeit von Abfällen, eine bessere Energieeffizienz von Gebäuden und eine verbesserte Kreislauforientierung in der Bauwirtschaft ermöglichen würde;

87.

erachtet es als wichtig, hochwertige Planungsstrategien für das Gebäudewesen zu entwickeln, indem Lösungen Priorität eingeräumt wird, bei denen, wo immer möglich, der Erneuerung, Umnutzung und Weiternutzung von Gebäuden Vorrang vor Neubaulösungen eingeräumt wird;

88.

betont, dass 90 % der baulichen Umwelt von 2050 schon jetzt vorhanden sind und deshalb besondere Anforderungen an die Sanierungsbetriebe gestellt werden sollten, damit bis 2050 vollständig modulare, an verschiedene Nutzungsarten anpassbare Gebäude und Plusenergiehäuser entstehen; ist der Ansicht, dass dieses Vorhaben auch tiefgreifende Sanierungen, die Produktion vor Ort und die Wiederverwendbarkeit umfasst;

Zentrale Produktwertschöpfungsketten: Lebensmittel, Wasser und Nährstoffe

89.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, Legislativvorschläge vorzulegen, um das Ziel der Halbierung der Lebensmittelabfälle bis 2030 zu verwirklichen, und zwar im Einklang mit der Abfallrahmenrichtlinie und den Verpflichtungen im Rahmen der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und auf der Grundlage der Daten, die gemäß der Abfallrahmenrichtlinie von den Mitgliedstaaten übermittelt werden; fordert die Kommission auf, die Vermeidung von Lebensmittelverlusten und Lebensmittelabfällen entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette in die einschlägigen politischen Maßnahmen der EU einzubeziehen, wie in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ dargelegt, und weist darauf hin, dass diese Maßnahmen im Einklang mit der Abfallhierarchie stehen sollten; fordert die Mitgliedstaaten auf, umfassende Maßnahmen zu ergreifen, um die Menge der Lebensmittelabfälle deutlich zu begrenzen und Lebensmittelspenden zu fördern;

90.

fordert die Kommission dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um den Nährstoffkreislauf in der Landwirtschaft zu schließen, die Abhängigkeit der Union von Einfuhren pflanzlicher Proteine, die an Tiere verfüttert werden, zu verringern und anstelle von synthetischen Düngern die Verwendung wiederverwerteten Tiermists und anderer organischer Nährstoffe, wie Kompost und Gärrückstände, zu erhöhen und gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit, die Umwelt und die Ökosysteme sicherzustellen;

91.

fordert eine Kreislaufwirtschaft, die auf einem umweltgerechten Regelungsrahmen beruht, um möglichen negativen toxischen Auswirkungen auf aquatische Ökosysteme entgegenzuwirken; begrüßt die unlängst verabschiedete Verordnung über Mindestanforderungen für die Wiederverwendung von Wasser und die Überarbeitung der Trinkwasserrichtlinie (36), und fordert deren vollständige Umsetzung; fordert die Kommission auf, den Zusammenhang zwischen Wasser und Energie vollständig in die Politik der EU einzubeziehen, und weist darauf hin, dass die Qualität der Wasserressourcen und der Zugang zu ihnen von einer guten Umsetzung der Kontrolle an der Quelle und dem Verursacherprinzip abhängen; spricht sich für einen kreislauforientierten Ansatz bei der Abwasserbehandlung und -bewirtschaftung aus, um die Rückgewinnung von kommunalem Abwasser zu fördern; hebt hervor, dass aus Abwasser Ressourcen gewonnen werden können, die von Zellulose über Biokunststoffe bis hin zu Nährstoffen, Energie und Wasser reichen, auch durch eine weitere Analyse möglicher Wiederverwendungsoptionen bei gleichzeitiger Senkung des Energie- und Wasserverbrauchs; unterstützt die geplante Überarbeitung der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser (37); fordert die Kommission auf, die Möglichkeit zu prüfen, legislative Maßnahmen zu ergreifen, um die Wassereffizienz von Gebäuden zu verbessern;

92.

betont, dass durch einen verbesserten Zugang zu Wasser für alle Menschen in der Europäischen Union der Kreislaufaspekt erheblich verbessert und gleichzeitig die Abhängigkeit von abgepacktem Wasser reduziert werden kann; fordert, dass die in der Trinkwasserrichtlinie enthaltenen Bestimmungen über den Zugang zu Wasser vollständig umgesetzt werden;

93.

hebt hervor, dass nachhaltigen biobasierten Produkten beim Übergang zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft eine wichtige Funktion zukommt, insbesondere im Hinblick eine bessere Verwertung von Bioabfällen und die Nutzung von Rückständen und Nebenprodukten;

94.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass mit der getrennten Sammlung von Bioabfällen, wie sie durch die Abfallrahmenrichtlinie eingeführt wurde, das Ziel verfolgt wird, hochwertigen Kompost zu erzeugen, um die Bodenverbesserung, ungefährliche Chemikalien, andere Produkte und die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen zu unterstützen, soweit dies machbar und der Umwelt förderlich ist;

95.

betont das Potenzial einer nachhaltigen Bioökonomie und eines nachhaltigen forstbasierten Sektors; erachtet es als sehr wichtig, die Strategien der EU für Bioökonomie und biologische Vielfalt umzusetzen, um die Kreislauforientierung zu verbessern, indem fossile Materialien durch erneuerbare, biobasierte Materialien ersetzt werden, soweit diese umweltfreundlich und nachhaltig sind, auch im Hinblick auf die biologische Vielfalt, wobei die steigende Nachfrage nach biobasierten Materialien zu berücksichtigen ist;

Weniger Abfall, mehr Wert

96.

hält es für sehr wichtig, dass sowohl bei der Produktpolitik als auch bei der Abfallpolitik die Abfallvermeidung im Einklang mit der EU-Abfallhierarchie Vorrang erhält; fordert die Kommission auf, bei der für 2024 vorgesehenen Überprüfung der Abfallrahmenrichtlinie und der Deponierichtlinie verbindliche Zielvorgaben für die Abfallreduzierung insgesamt und die Verringerung von Abfällen in bestimmten Abfallströmen und Produktgruppen sowie Zielvorgaben für die Begrenzung der Erzeugung von Restabfällen vorzuschlagen; ist der Ansicht, dass die Ziele für die Vorbereitung auf die Wiederverwendung und für das Recycling voneinander getrennt sein sollten, um der Vorbereitung auf die Wiederverwendung die Priorität einzuräumen, die sie in der Abfallhierarchie hat;

97.

bringt seine Besorgnis über die ungleiche Umsetzung der EU-Abfallziele in den Mitgliedstaaten zum Ausdruck; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die derzeitigen Abfallziele und das Abfallpaket für 2018 von allen Mitgliedstaaten wirksam und vollständig umgesetzt werden, und fordert alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Rechtsvorschriften von 2018 unverzüglich vollständig umzusetzen;

98.

ist der Ansicht, dass der Aufbau der Kreislaufwirtschaft unter anderem durch nicht wettbewerbsfähige Preise und einen Mangel an hochwertigen Sekundärrohstoffen und Märkten für solche Rohstoffe behindert wird; fordert die Kommission auf, Maßnahmen zu prüfen, um Sekundärrohstoffe wettbewerbsfähiger zu machen und gleichzeitig zu einer schadstofffreien Umwelt beizutragen;

99.

hält die Privatwirtschaft für einen starken Partner bei der Steigerung der Nachfrage und des Kundeninteresses an kreislauforientierten Lösungen und Produkten und fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Unternehmen zu unterstützen, die über Geschäftsmodelle, Dienstleistungen oder Produkte verfügen, mit denen Abfälle und der Ressourcenverbrauch reduziert werden, und ihre Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen;

100.

befürwortet nachdrücklich das Ziel, unbeschadet der Bestimmungen der Abfallrahmenrichtlinie und der Verordnung über die Verbringung von Abfällen einen gut funktionierenden EU-Markt für hochwertige, schadstofffreie Sekundärrohstoffe einzurichten, und hebt hervor, dass hierfür gemeinsame Qualitätsnormen erforderlich sein werden; weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene Kriterien für Nebenprodukte und das Ende der Abfalleigenschaft festlegen können, und fordert die Kommission auf, im Einklang mit der Abfallrahmenrichtlinie harmonisierte EU-Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft für die wichtigsten Abfallströme vorzuschlagen, um Marktbarrieren zu beseitigen und eine hochwertige Materialrückgewinnung sicherzustellen; bedauert, dass die Kommission keine spezifischen EU-Kriterien für Papier, Reifen und Textilien festgelegt hat, wie dies in der Abfallrahmenrichtlinie vorgesehen war;

101.

fordert die Kommission auf, den Vorschriften für die grenzüberschreitende Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen zwischen den EU-Mitgliedstaaten Aufmerksamkeit zu schenken und eine Anpassung dieser Vorschriften zu erwägen, um ihre Klarheit und Verständlichkeit zu verbessern, administrative Hemmnisse zu beseitigen und gleichzeitig die Wirksamkeit der Rechtsvorschriften zum Schutz der Gesundheit des Menschen und der Umwelt aufrechtzuerhalten sowie ihre Umsetzung in den EU-Mitgliedstaaten zu harmonisieren, auch durch die Einrichtung eines unionsweit einheitlichen elektronischen Systems zur Erfassung von Abfallverbringungen;

102.

unterstützt die laufenden Arbeiten der Kommission, um die angemessene Behandlung von Altölen sicherzustellen; fordert die Kommission auf, wie es in der Richtlinie 2008/98/EG (38) festgelegt ist, bis 2022 einen Legislativvorschlag mit zusätzlichen Maßnahmen zur Förderung der Altölaufbereitung, einschließlich der Einführung quantitativer Ziele, vorzulegen;

103.

weist erneut darauf hin, dass alle Mitgliedstaaten verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass Bioabfälle bis zum 31. Dezember 2023 entweder an der Quelle getrennt und rezykliert oder getrennt gesammelt und nicht mit anderen Abfallarten vermischt werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich zu Direktinvestitionen auf, um die Sammlung und Kompostierung organischer Abfälle auszuweiten;

104.

hebt unter Verweis auf die EU-Abfallziele hervor, dass die EU und die Mitgliedstaaten gemäß der Abfallhierarchie verpflichtet sind, die Abfallvermeidung und die Vorbereitung auf die Wiederverwendung zu stärken, vermehrt auf hochwertiges Recycling zu setzen, sich von der Abfalldeponierung abzuwenden und zugleich die Müllverbrennung so weit wie möglich zu reduzieren; fordert die Kommission auf, einen gemeinsamen unionsweiten Ansatz für die Bewirtschaftung von nicht rezyklierbaren Siedlungsabfällen festzulegen, damit sie optimal behandelt werden und bei der Müllverbrennung auf der Ebene der EU keine Überkapazitäten entstehen, durch die Knebeleffekte verursacht werden könnten und die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft behindert werden könnte; ist der Ansicht, dass die Verbrennung — sofern auf diese Art der Abfallbehandlung gesetzt wird — in der EU in modernsten Anlagen zur energetischen Verwertung von Abfällen mit hoher Energieeffizienz und geringen Emissionen erfolgen sollte;

105.

unterstreicht, dass die getrennte Sammlung von Abfällen eine Voraussetzung dafür ist, dass hochwertiges Recycling erfolgen kann und wertvolle Stoffe und Produkte im Recyclingkreislauf gehalten werden; unterstützt die Pläne der Kommission, Maßnahmen zur Verbesserung und Harmonisierung der bestehenden Systeme der getrennten Sammlung vorzuschlagen, bei denen bewährte Verfahren in den Mitgliedstaaten berücksichtigt und die unterschiedlichen regionalen und lokalen Gegebenheiten berücksichtigt werden sollten und die sich nicht negativ auf gut funktionierende bestehende Systeme auswirken sollten; fordert die Kommission auf, eine ordnungsgemäße Umsetzung der Bestimmungen der Abfallrahmenrichtlinie sicherzustellen;

106.

betont, dass Abfallstrategien und politische Maßnahmen auf soliden wissenschaftlichen Daten und Methoden aufbauen müssen, um die Zuverlässigkeit und Vergleichbarkeit der EU-Statistiken zu verbessern; fordert die Kommission daher auf, die Abfallstatistiken weiter zu harmonisieren und an drei Stellen Daten über rezyklierte Materialien und Abfälle zu erheben, nämlich bei der Sammlung, am Eintrittspunkt der Recyclinganlage und bezüglich des Anteils der tatsächlichen Wiederverwendung rezyklierter Materialien;

107.

bedauert, dass in der Deponierichtlinie die Abfallvermeidung nicht im Mittelpunkt steht, und fordert daher ihre Anpassung an die übergeordneten Prinzipien des Aktionsplans der EU für die Kreislaufwirtschaft und eine Zielvorgabe von 10 % für die Ablagerung von Abfällen auf Deponien, ausgehend von einem Referenzjahr und einer jährlichen Menge an Abfall pro Person, um die Verlagerung von der Ablagerung auf die Müllverbrennung zu verhindern;

108.

weist darauf hin, dass die Industriesymbiose ein zentrales Element ist, um durch die Förderung von Verbundnetzen eine Kreislaufwirtschaft zu verwirklichen, bei der die Abfälle eines Industriezweigs zum Rohstoff eines anderen werden und Energie und Materialien immer wieder den Kreis durchlaufen, damit die Ressourcen so lange wie möglich produktive Verwendung finden; fordert daher verstärkte Bemühungen zur Erweiterung der Industriesymbiose auf der Ebene der EU und zur effizienteren und wettbewerbsfähigeren Gestaltung der industriellen Wertschöpfungskette;

109.

hebt hervor, dass die territorialen Einheiten im Interesse der Entwicklung einer Industriesymbiose ihre lokalen Ressourcenströme besser nachvollziehen und verwalten müssen, damit sie in der Folge in Zusammenarbeit mit Industrie, Interessenträgern, kommunaler Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern neue Strategien der Raumplanung umsetzen können; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich dazu auf, den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften vorzuschreiben, durch genaue Zuordnung der wirtschaftlichen Vorgänge und eine verbindliche Analyse der Ressourcenströme Möglichkeiten der Industriesymbiose zu ermitteln;

110.

erachtet es als sehr wichtig, dass Artikel 8a Absatz 1 der Abfallrahmenrichtlinie umgesetzt wird, in dem eindeutig festgelegt ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Zuständigkeiten und Aufgaben von Organisationen zur Herstellerverantwortung genau zu definieren;

111.

ist der Ansicht, dass der Ausbau lokaler Wertschöpfungsketten auf der Grundlage der stofflichen Verwertung von Bioabfall zur Erzeugung erneuerbarer Energie, beispielsweise Biomethan, unterstützt werden sollte, um engere Beziehungen zwischen ländlichen und städtischen Gemeinschaften zu schaffen, wobei die Abfallhierarchie vollständig angewandt wird;

112.

betont, dass die Kreislaufwirtschaft und die Ressourcenintensität von Produkten in grenzüberschreitende Ausgleichsmechanismen einbezogen werden muss;

Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft für Menschen, Regionen und Städte

113.

stellt fest, dass Regionalregierungen, Gebietskörperschaften, Kommunen und KMU in der Kreislaufwirtschaft, bei der Abfallbewirtschaftung und bei der Umsetzung der Maßnahmen aus dem Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft eine wichtige Aufgabe zukommt; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Einrichtung und Zusammenarbeiten von Knotenpunkten der Kreislaufwirtschaft in allen europäischen Regionen, Industrieclustern und lokalen Gebietskörperschaften im Sinne der Initiative „Neues europäisches Bauhaus“ zu fördern, um die Entwicklung von Kreislaufmodellen in den Bereichen Konzeption, Auftragsvergabe und Abfallbewirtschaftung zu unterstützen;

114.

unterstützt den Vorschlag, die Kompetenzagenda im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft zu aktualisieren, und fordert die Kommission auf, diese Agenda auf spezielle Arbeitsmarktbedürfnisse, darunter auch Anforderungen an die allgemeine und berufliche Bildung, sowie auf die neuen Arbeitsplätze, die für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft geschaffen werden müssen, auszurichten; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft mit der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte und der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter verknüpft wird, und einen gerechten Übergang sicherzustellen; betont auch, dass die Sozialpartner bei den beschäftigungsbezogenen und sozialen Aspekten des Übergangs zur Kreislaufwirtschaft eine sehr wichtige Aufgabe haben;

115.

betont, dass den Verbrauchern bei der Abfallvermeidung und -bewirtschaftung eine zentrale Funktion zukommt und dass den Bürgerinnen und Bürgern die Mitwirkung an der getrennten Abfallsammlung erleichtert werden muss; weist erneut darauf hin, dass es für die Mitgliedstaaten und die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften wichtig ist, die Öffentlichkeit für nachhaltigen Konsum, einschließlich Verbrauchsmustern, die auf Wiederverwendung, Miete oder gemeinsamer Nutzung beruhen, sowie für Abfallvermeidung und die effiziente Abfalltrennung und -entsorgung zu sensibilisieren;

116.

fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft bei allen Tätigkeiten zum Tragen kommen, und dass sie die Mitgliedstaaten beim Austausch von Wissen und bewährten Verfahren in Bezug auf die diversen Bemühungen unterstützt, die in der EU auf regionaler und lokaler Ebene zur Förderung der Kreislaufwirtschaft unternommen werden;

117.

betont, dass die Zusammenarbeit zwischen Regierungen, lokalen Gebietskörperschaften Hochschulen und Unternehmen, einschließlich Herstellern und Käufern wichtig ist, um kreislauforientierte Maßnahmen anzuregen und auszuweiten; erachtet es als sehr wichtig, diese Zusammenarbeit auf weitere Akteure wie Sozialunternehmen, Start-up-Unternehmen und nichtstaatliche Organisationen auszuweiten;

118.

stellt fest, dass die Reparatur- und Wartungsbranche über ein beträchtliches Potenzial verfügt, Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, und dass ihre Entwicklung unterstützt und gefördert werden muss, insbesondere was lokale, bürgernahe und gemeinschaftliche Reparaturinitiativen, Genossenschaften und Sozialunternehmen betrifft;

119.

betont die Rolle, die die umweltverträgliche CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Verwendung spielen können, wenn es darum geht, die Ziele des europäischen Grünen Deals zu erreichen; unterstützt einen integrierten politischen Kontext, um die Übernahme umweltfreundlicher Anwendungen der CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Verwendung zu begünstigen, mit denen eine Nettoreduzierung der Treibhausgasemissionen bewirkt wird, damit die Schwerindustrie klimaneutral wird, wenn keine direkten Emissionsminderungsoptionen zur Verfügung stehen (39); bekräftigt jedoch, dass die Union im Rahmen ihrer Strategie zur Emissionsneutralität direkten Emissionsminderungen sowie Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der natürlichen Senken und Reservoirs der Union Vorrang einräumen sollte (40);

Führungsrolle bei den Bemühungen auf globaler Ebene

120.

unterstützt das Vorhaben der Kommission, die Abfallverbringungsverordnung zu überarbeiten, um für Transparenz und Rückverfolgbarkeit des Handels mit Abfällen innerhalb der EU zu sorgen, die Ausfuhr von umwelt- und gesundheitsschädlichen Abfällen in Drittstaaten zu unterbinden und wirksamer gegen illegale Praktiken vorzugehen, damit sichergestellt ist, dass alle Abfälle gemäß den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft behandelt werden; unterstützt die Kommission zudem bei der Umsetzung der jüngsten Änderungen des Basler Übereinkommens über Kunststoffabfälle sowie bei der uneingeschränkten Einhaltung der Verpflichtungen, die sich für die EU aus diesem Übereinkommen ergeben; fordert die Kommission auf, den Schwerpunkt auch auf Folgendes zu legen:

finanzielle Anreize zur Schaffung eines echten Binnenmarkts und gleicher Wettbewerbsbedingungen für hochwertige Sekundärrohstoffe,

Erleichterung von Verfahren zur Förderung von Recyclingkapazitäten und -infrastrukturen für die Abfallbehandlung in der EU,

die Umsetzung des Systems für den elektronischen Datenaustausch (EDI), um Abfallströme besser zu überwachen,

die Umsetzung der Richtlinie über die Verbringung von Abfällen (41) und der Abfallrahmenrichtlinie;

121.

begrüßt die globale Allianz für Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz zur Beschleunigung des globalen Übergangs zu einer klimaneutralen, ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft und fordert die Kommission auf, bei den Bemühungen um eine internationale Vereinbarung über die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen eine führende Rolle einzunehmen, damit bei der Nutzung der natürlichen Ressourcen die Belastbarkeitsgrenzen des Planeten nicht überschritten werden;

122.

unterstützt die Bemühungen der Kommission auf internationaler Ebene, eine globale Vereinbarung zu Kunststoffen zu erzielen und die weltweite Übernahme des EU-Konzepts zur Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe zu fördern; unterstreicht, dass sichergestellt werden muss, dass die verschiedenen auf EU-Ebene und globaler Ebene eingegangenen Verpflichtungen auf integrierte und transparente Weise zurückverfolgt werden können; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eine aktive Führungsrolle zu übernehmen, damit weiter an internationalen Maßnahmen zur Bekämpfung der Kunststoffabfälle im Meer und von Mikroplastik gearbeitet wird;

123.

betont, dass vorgeschrieben werden sollte, dass in die EU eingeführte Primär- und Sekundärrohstoffe Vorgaben in den Bereichen Menschenrechte, Gesundheit des Menschen und Umweltschutz entsprechen müssen, die den in der EU geltenden Vorgaben gleichwertig sind, darunter auch der bevorstehende Legislativvorschlag der Kommission zu nachhaltiger Unternehmensführung und Sorgfaltspflichten, und dass gleiche Wettbewerbsbedingungen in den wichtigsten Lieferketten der EU sichergestellt werden müssen; hält es für sehr wichtig, im Hinblick auf die Ziele des europäischen Grünen Deals und des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft für Kohärenz zwischen den internen und der externen politischen Maßnahmen der Union zu sorgen, auch was die Außenbeziehungen der Union und Außenhandelsabkommen betrifft;

124.

fordert die Hersteller aus der Union auf, beim Verkauf von Produkten in Drittstaaten Verantwortung zu übernehmen, und schlägt vor, dass sich die Wirtschaftsakteure dazu verpflichten, ihre Herstellerverantwortung auf die Organisation oder Finanzierung einer getrennten Sammlung ihrer Produkte auszudehnen, wenn diese in Drittstaaten zu Abfällen werden; fordert die Hersteller zudem auf, Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der Qualität von Ausfuhrprodukten und solchen, die auf dem EU-Markt verkauft werden, zu beseitigen;

125.

befürwortet, dass sich die Kommission für multilaterale Gespräche über ein nachhaltiges Niveau der Ressourcennutzung und über die Belastungsgrenzen des Planeten einsetzt, einschließlich der Sondierung wissenschaftlich fundierter Ziele für die Ressourcennutzung;

126.

betont, dass die Agenda 2030 im Hinblick auf Aspekte, die sich auf die Stärkung des internationalen Managements von durch Chemikalien verursachten Gesundheits- und Umweltschäden und des Schutzes vor ihnen beziehen, dringend umgesetzt werden muss; hebt vor allem den Stellenwert des laufenden Prozesses gemäß dem strategischen Ansatz für das internationale Chemikalienmanagement (SAICM) hervor, damit im Juli 2021 auf der ICCM 5 in Bonn ein solider Rahmen für das ordnungsgemäße Management von Chemikalien und Abfällen über 2020 hinaus vereinbart wird;

127.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, mithilfe internationaler Übereinkommen die Nutzung von Indikatoren für Ressourceneffizienz zu fördern, damit eine Vergleichbarkeit zwischen Industriezweigen und Volkswirtschaften herbeigeführt und für gleiche Wettbewerbsbedingungen gesorgt wird, und sich für den Dialog und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten einzusetzen;

128.

ist der Ansicht, dass unter Berücksichtigung der Prämisse, dass die Ressourcen der Erde begrenzt sind, ein internationales Übereinkommen zur Ressourcensuffizienz geschlossen werden sollte, damit Gespräche über den Zugang zu Ressourcen und die Folgen des Ressourcenverbrauchs stattfinden, bei denen Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit im Mittelpunkt stehen;

129.

weist darauf hin, dass zusätzlich zu der Verabschiedung von Maßnahmen zur Verwirklichung des EU-Ziels der Klimaneutralität bis 2050 der CO2-Fußabdruck im Zusammenhang mit der Nachfrage der EU nach eingeführten Erzeugnissen verringert werden muss; fordert die Kommission auf, Hemmnisse für umweltverträgliches Wachstum und Öko-Innovation sowie solche, die den Zugang kreislauforientierter Produkte und Dienstleistungen aus Drittstaaten zum Markt behindern oder beschränken, zu ermitteln und zu beseitigen; fordert die Kommission auf, die Möglichkeiten und Vorteile einer Verringerung tarifärer und nichttarifärer Hemmnisse für bestimmte Produkte auszuloten, um die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft auch im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Überarbeitung des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) der EU zu fördern; legt der Kommission in diesem Zusammenhang nahe, die Kreislaufwirtschaft als Thema in die Verhandlungen über das Abkommen über den Handel mit Umweltschutzgütern aufzunehmen, und ist der Ansicht, dass diese Verhandlungen intensiviert werden sollten; fordert die Kommission auf, die besonderen Bedürfnisse der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu berücksichtigen, KMU bei der Integration der Kreislaufwirtschaft in ihr Geschäftsmodell, auch durch Anreize, zu unterstützen und sie bei der Umsetzung von Geschäftsstrategien für die Ausfuhr von kreislauforientierten Produkten zu unterstützen, insbesondere durch die Einführung eines Risikobewertungsinstruments für Ursprungsregeln, wie es derzeit von der Kommission in Erwägung gezogen wird; fordert die Kommission auf, im Rahmen der WTO eine Führungsrolle zu übernehmen, um Produkte auf der Grundlage der mit ihnen verbundenen CO2-Emissionen zu bewerten und so für gleiche Wettbewerbsbedingungen im Bereich der Regulierung zu sorgen;

130.

ist der Ansicht, dass Handelsabkommen rechtlich solide Bestimmungen enthalten müssen, damit einschlägige EU-Rechtsvorschriften über die Kreislaufwirtschaft nicht als Handelshemmnis gelten;

131.

betont, dass eine strategische Handelspolitik ein wesentliches Instrument ist, um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft und die Nachhaltigkeitsagenda der EU und der Vereinten Nationen weltweit bis 2030 voranzubringen, und hebt daher hervor, dass unbedingt sichergestellt werden muss, dass Handels- und Investitionsabkommen mit den Strategien im Bereich der Kreislaufwirtschaft im Einklang stehen;

132.

legt der Kommission nahe, in einen offenen und transparenten Dialog mit den Handelspartnern der EU zu treten und mit ihnen zusammenzuarbeiten, um die Ziele der Kreislaufwirtschaft weiter voranzubringen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, im Rahmen internationaler Foren (UNCTAD, WTO, G20, G7) weitere Anstrengungen zu unternehmen, um die Agenda der EU zur Kreislaufwirtschaft zu verfolgen und gemeinsam mit den internationalen Partnern weltweit für gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen, indem die Möglichkeit geprüft wird, mithilfe digitaler Pässe die Verfügbarkeit von Daten über die Zusammensetzung, den CO2-Fußabdruck und die Rezyklierbarkeit eines Produkts zu fördern, die verstärkte Kreislauforientierung zu ermöglichen und die erweiterte Herstellerverantwortung sowie nachhaltige Verbraucherentscheidungen zu fördern; schlägt in diesem Zusammenhang ferner vor, dass die Kommission mit den entsprechenden multilateralen Organisationen zusammenarbeitet, um eine Einigung über eine internationale Kennzeichnung zu erzielen, die für Verbraucher leicht verständlich ist und anzeigt, ob ein Produkt rezyklierbar ist; betont zudem, dass besonders darauf geachtet werden muss, wie weniger entwickelte Partnerländer an der Kreislaufwirtschaft teilhaben und sie sich zunutze machen können; fordert die Kommission auf, die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft insbesondere in ihre Strategie mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer umfassenden Strategie mit Afrika“ einzubeziehen; fordert die Kommission auf, unter Rückgriff auf die Handelshilfe und das APS+ Entwicklungsländer bei der Einführung von Verfahren der Kreislaufwirtschaft, etwa von Produktnormen, zu unterstützen;

o

o o

133.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2020/DE/COM-2020-667-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF

(2)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0201.

(3)  ABl. C 23 vom 21.1.2021, S. 116.

(4)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0078.

(5)  ABl. C 334 vom 19.9.2018, S. 60.

(6)  ABl. C 265 vom 11.8.2017, S. 65.

(7)  ABl. C 433 vom 23.12.2019, S. 146.

(8)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0198.

(9)  ABl. L 177 vom 5.6.2020, S. 32.

(10)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0201.

(11)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0005.

(12)  ABl. C 433 vom 23.12.2019, S. 136.

(13)  ABl. C 433 vom 23.12.2019, S. 146.

(14)  ABl. C 76 vom 9.3.2020, S. 192.

(15)  ABl. L 155 vom 12.6.2019, S. 1.

(16)  ABl. L 150 vom 14.6.2018, S. 109.

(17)  ABl. L 150 vom 14.6.2018, S. 141.

(18)  ABl. L 150 vom 14.6.2018, S. 100.

(19)  ABl. L 150 vom 14.6.2018, S. 93.

(20)  ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1.

(21)  https://www.resourcepanel.org/reports/global-resources-outlook

(22)  https://resourcepanel.org/reports/resource-efficiency-and-climate-change

(23)  https://science.sciencemag.org/content/369/6510/1455

(24)  https://www.ellenmacarthurfoundation.org/assets/downloads/publications/EllenMacArthurFoundation_Growth-Within_July15.pdf

(25)  Umweltindikatorenbericht 2014: Environmental Impacts of Production-Consumption Systems in Europe (Ökologische Auswirkungen der Produktions- und Verbrauchssysteme in Europa). Europäische Umweltagentur, 2014.

(26)  Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte (ABl. L 285 vom 31.10.2009, S. 10).

(27)  Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22).

(28)  Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1).

(29)  Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64).

(30)  Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG (ABl. L 136 vom 22.5.2019, S. 28).

(31)  Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/42/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 765/2008 und (EU) Nr. 305/2011 (ABl. L 169 vom 25.6.2019, S. 1).

(32)  Richtlinie 2014/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/5/EG (ABl. L 153 vom 22.5.2014, S. 62).

(33)  Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Angabe des Verbrauchs an Energie und anderen Ressourcen durch energieverbrauchsrelevante Produkte mittels einheitlicher Etiketten und Produktinformationen (ABl. L 153 vom 18.6.2010, S. 1).

(34)  Richtlinie 2000/53/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über Altfahrzeuge (ABl. L 269 vom 21.10.2000, S. 34).

(35)  Entscheidung 97/129/EG der Kommission vom 28. Januar 1997 zur Festlegung eines Kennzeichnungssystems für Verpackungsmaterialien gemäß der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Verpackungen und Verpackungsabfälle (ABl. L 50 vom 20.2.1997, S. 28).

(36)  Richtlinie 98/83/EG des Rates vom 3. November 1998 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (ABl. L 330 vom 5.12.1998, S. 32).

(37)  Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (ABl. L 135 vom 30.5.1991, S. 40).

(38)  Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. L 312 vom 22.11.2008, S. 3).

(39)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Januar 2020 zum europäischen Grünen Deal, Ziffer 33.

(40)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. März 2019 zum Klimawandel — eine europäische strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris, Ziffer 13.

(41)  Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (ABl. L 190 vom 12.7.2006, S. 1).


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/30


P9_TA(2021)0041

Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer (2020/2029(INI))

(2021/C 465/04)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und Artikel 8, 79 und 83 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

unter Hinweis auf die Artikel 3, 5 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (1) („Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels“),

unter Hinweis auf die Konvention des Europarates gegen Menschenhandel und die einschlägigen Empfehlungen des Europarates,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität („Übereinkommen von Palermo“) und die dazugehörigen Protokolle, und, insbesondere das Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels („UN-Protokoll gegen den Menschenhandel“), und das Protokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes und das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie und die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2019 zum 30. Jahrestag des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (2),

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

unter Hinweis auf die Arbeit des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über den Menschenhandel, insbesondere den Frauen- und Kinderhandel,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), insbesondere auf Artikel 6, der darauf abzielt, alle Formen des Frauenhandels und der Ausbeutung der Prostitution von Frauen zu bekämpfen,

unter Hinweis auf die Konvention zur Unterbindung des Menschenhandels und der Ausnutzung der Prostitution anderer,

unter Hinweis auf die Erklärung und die Aktionsplattform von Peking, die am 15. September 1995 von der Vierten Weltfrauenkonferenz angenommen wurden, auf die entsprechenden Abschlussdokumente, die im Rahmen der Sondertagungen der Vereinten Nationen Peking + 5 (2000), Peking + 10 (2005) und Peking + 15 (2010) angenommen wurden, sowie auf die Abschlussdokumente der Überprüfungskonferenz Peking + 20,

unter Hinweis auf den gemeinsamen UN-Kommentar zur EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer, in der gefordert wird, dass den Opfern des Menschenhandels geschlechtsspezifisch internationaler Schutz gewährt wird,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 29 von 1930 über Zwangsarbeit, das dazugehörige Protokoll von 2014, das Übereinkommen der IAO Nr. 105 von 1957 über die Abschaffung der Zwangsarbeit und die Empfehlung der IAO Nr. 203 von 2014 zu Zwangsarbeit (zusätzliche Maßnahmen), das Übereinkommen Nr. 182 von 1999 zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit und das Übereinkommen Nr. 189 von 2011 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte,

unter Hinweis auf die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte,

unter Hinweis auf die vom UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) am 23. Juli 2015 abgegebene allgemeine Empfehlung Nr. 33 über den Zugang von Frauen zur Justiz,

unter Hinweis auf die am 25. September 2015 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Resolution mit dem Titel „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, insbesondere das darin festgelegte Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG) 5.2, alle Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen im öffentlichen und privaten Bereich, einschließlich des Menschenhandels und sexueller und anderer Formen der Ausbeutung, zu beseitigen;

unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Übereinkommen von Istanbul“),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI des Rates (3) („Opferschutzrichtlinie“),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (4) („Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie der Kinderpornografie“),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (5),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (6),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/81/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren (7) („Richtlinie über Aufenthaltstitel“),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28. November 2002 zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (8) sowie auf den Rahmenbeschluss 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (9),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 24. Juni 2020 mit dem Titel „Eine EU-Strategie für die Rechte von Opfern“ (2020-2025) (COM(2020)0258),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 19. Juni 2012 mit dem Titel „Die Strategie der EU zur Beseitigung des Menschenhandels 2012–2016“ (COM(2012)0286),

unter Hinweis auf das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen vom 17. Oktober 2014 mit dem Titel „Zwischenbericht über die Umsetzung der Strategie der EU zur Beseitigung des Menschenhandels“ (SWD(2014)0318) und den diesbezüglichen ersten (COM(2016)0267)), zweiten (COM(2018)0777) und dritten (COM(2020)0661) Fortschrittsbericht,

unter Hinweis auf den Bericht der Kommission zur Bewertung der von den Mitgliedstaaten zur Einhaltung der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer ergriffenen notwendigen Maßnahmen (gemäß Artikel 23 Absatz 1) (COM(2016)0722),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2020 zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Rahmen der Außen- und Sicherheitspolitik der EU (10),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. November 2019 zum Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul und zu weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt (11),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Juli 2016 zur Bekämpfung des Menschenhandels in den Außenbeziehungen der EU (12),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Mai 2016 über die Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer aus einer geschlechtsspezifischen Perspektive (13),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. Februar 2014 zur sexuellen Ausbeutung und Prostitution und deren Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter (14),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 4. Dezember 2017 zur Berichterstattung über die Folgemaßnahmen zur Strategie der EU zur Beseitigung des Menschenhandels und zur Ermittlung weiterer konkreter Maßnahmen (COM(2017)0728),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. März 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025“ (COM(2020)0152),

unter Hinweis auf die Studie der Kommission von 2020 über die wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Kosten des Menschenhandels in der EU, ihre Studie von 2020 über die Überprüfung der Funktionsweise der nationalen und länderübergreifenden Verweismechanismen der Mitgliedstaaten, ihre Studie von 2020 über die Erhebung von Daten zum Menschenhandel in der EU und ihre Studie von 2016 über die geschlechtsspezifische Dimension des Menschenhandels,

unter Hinweis auf die gemeinsame Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Menschenhandels, die 2018 vom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol), der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust), der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound), der Agentur der Europäischen Union für die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung (CEPOL), der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA), der Agentur der Europäischen Union für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (eu-LISA), der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) und dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) unterzeichnet wurde,

unter Hinweis auf den Europol-Lagebericht vom 18. Februar 2016 zum Menschenhandel in der EU,

unter Hinweis auf den Europol-Bericht vom 18. Oktober 2020 über die Herausforderungen bei der Bekämpfung des Menschenhandels im digitalen Zeitalter,

unter Hinweis auf die von Europol für 2017 vorgelegte Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der schweren und organisierten Kriminalität (SOCTA),

unter Hinweis auf den am 15. Mai 2020 vorgelegten 4. Jahresbericht des bei Europol angesiedelten Europäischen Zentrums zur Bekämpfung der Migrantenschleusung,

unter Hinweis auf den am 29. Mai 2015 von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte vorgelegten Bericht mit dem Titel „Schwere Formen der Arbeitsausbeutung: Arbeitnehmer, die innerhalb der EU umziehen oder in die EU einwandern“,

unter Hinweis auf den Eurostat-Bericht zum Thema Menschenhandel vom 17. Oktober 2014,

unter Hinweis auf die Resolution 9/1 der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (UNTOC) zur Einrichtung eines Mechanismus, mit dem die Umsetzung des Übereinkommens von Palermo und seiner Protokolle überprüft werden soll,

unter Hinweis auf die Richtlinien des UNHCR vom 7. April 2006 zum internationalen Schutz mit dem Titel „Anwendung von Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge auf die Opfer von Menschenhandel und entsprechend gefährdete Personen“,

unter Hinweis auf den Weltbericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zum Menschenhandel von 2018,

unter Hinweis auf die vom UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) am 6. November 2020 abgegebene allgemeine Empfehlung Nr. 38 über Frauen- und Mädchenhandel im Kontext der globalen Migration,

unter Hinweis auf die Bewertung der europäischen Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU: Migration und geschlechterspezifische Fragen, die am 15. September 2020 von der Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst veröffentlicht wurde (15),

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung sowie auf Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e und Anlage 3 des Beschlusses der Konferenz der Präsidenten vom 12. Dezember 2002 zum Verfahren für die Genehmigung der Ausarbeitung von Initiativberichten,

unter Hinweis auf die gemeinsamen Beratungen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter gemäß Artikel 58 der Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A9-0011/2021),

A.

in der Erwägung, dass der Menschenhandel eine in unserem täglichen Leben anzutreffende Verletzung der Menschenwürde sowie der körperlichen und geistigen Unversehrtheit des Menschen und eine schwerwiegende Verletzung von Grundrechten gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union darstellt;

B.

in der Erwägung, dass der Menschenhandel eine in hohem Maße geschlechtsspezifische Gegebenheit ist, wobei fast drei Viertel (16) aller in den Jahren 2017 und 2018 in der EU gemeldeten Opfer Frauen und Mädchen waren, die hauptsächlich zu Zwecken der sexuellen Ausbeutung gehandelt wurden; in der Erwägung, dass sexuelle Ausbeutung seit 2008 der häufigste Grund für Menschenhandel in der EU ist;

C.

in der Erwägung, dass die Zahl der registrierten Opfer von Menschenhandel im Untersuchungszeitraum der letzten Studie der Kommission (2017 und 2018) im Vergleich zum vorangegangenen Zeitraum zugenommen hat und weiter ansteigt (17); in der Erwägung, dass die tatsächliche Zahl der Opfer wahrscheinlich deutlich höher ist, als den gemeldeten Daten zu entnehmen ist, da viele Opfer unerkannt bleiben;

D.

in der Erwägung, dass Kinder bei der Zahl der Opfer von Menschenhandel einen beträchtlichen Anteil ausmachen; in der Erwägung, dass 78 % aller gehandelten Kinder Mädchen und 68 % der gehandelten Erwachsenen Frauen sind (18);

E.

in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Ungleichheit, Armut, Vertreibung, Arbeitslosigkeit, fehlende sozioökonomische Perspektiven, mangelnder Zugang zu Bildung, geschlechtsbezogene Gewalt, Diskriminierung und Ausgrenzung sowie Korruption zu den Faktoren zählen, die dazu beitragen, dass Menschen, insbesondere Frauen und Kinder, für Menschenhandel anfällig sind; in der Erwägung, dass die Grundursachen des Menschenhandels weiterhin nicht ausreichend bekämpft werden;

F.

in der Erwägung, dass die Opfer von Menschenhandel häufig mehreren und sich überschneidenden Formen der Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind, auch aufgrund von Geschlecht, Alter, Rasse, Behinderung, ethnischer Herkunft, Kultur und Religion sowie Nationalität oder sozialer Herkunft bzw. sonstigem Status, und dass diese Formen der Diskriminierung selbst den Menschenhandel begünstigen können (19);

G.

in der Erwägung, dass es viele Formen des Menschenhandels gibt, die jedoch alle darauf beruhen, dass die inhärente Verletzlichkeit der Opfer mit dem Ziel der Ausbeutung ausgenutzt wird; in der Erwägung, dass die Opfer von Menschenhandel unterschiedliche legale oder illegale Tätigkeiten ausüben, unter anderem in der Landwirtschaft, der Lebensmittelverarbeitung, der Pornoindustrie, der Hausarbeit, der Fertigung, der Pflege, der Reinigung und anderer Branchen (insbesondere der Dienstleistungsbranche) sowie Bettelei, Kriminalität, Zwangsheirat, sexuelle Ausbeutung im Internet und außerhalb des Internets, illegale Adoption und Organhandel; in der Erwägung, dass es andere Formen des Menschenhandels gibt, die noch immer kaum erfasst und gemeldet werden, darunter einige Formen, die in hohem Maße geschlechtsspezifisch sind, beispielsweise Zwangsheirat und Leibeigenschaft Hausangestellter;

H.

in der Erwägung, dass die letzten Jahre gezeigt haben, dass Migranten und Asylsuchende einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sind, Opfer von Menschenhandel zu werden; in der Erwägung, dass unbegleitete Minderjährige und Frauen aus dieser Gruppe ein besonderes Ziel der Menschenhandelsnetze sind;

I.

in der Erwägung, dass Europol darauf hingewiesen hat, dass die Zahl der Opfer aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie weiter steigen (20) und die Wahrscheinlichkeit, dass Menschenhändler von den Strafverfolgungsbehörden aufgespürt werden, abnehmen könnte und dass eine Rezession im Zuge der COVID-19-Krise auch gefährliche Folgen im Bereich des Menschenhandels haben könnte (21); in der Erwägung, dass sich die Lage der Opfer von Menschenhandel seit Beginn der Krise verschlechtert hat und die Unterstützungsdienste Schwierigkeiten haben, den Opfern zu helfen;

J.

in der Erwägung, dass der Einsatz digitaler Technologien laut Europol (22) die Fähigkeit der Kriminellen erweitert hat, zu Zwecken verschiedener Art der Ausbeutung Menschenhandel zu betreiben; in der Erwägung, dass neue Technologien in jeder Phase der sexuellen Ausbeutung von Menschenhändlern ausgenutzt werden, von der Anwerbung und Vermarktung der Opfer bis zu ihrer Erpressung und der Kontrolle über ihre Bewegungen; in der Erwägung, dass neue Instrumente Menschenhändlern zunehmende Anonymität bieten und es den Strafverfolgungsbehörden erschweren, sie aufzuspüren; in der Erwägung, dass durch die Interaktion im Internet sowohl Risiken als auch Chancen für Kriminelle, Opfer und Strafverfolgungsbehörden entstehen;

K.

in der Erwägung, dass der Menschenhandel nach wie vor ein komplexes und häufig anzutreffendes Verbrechen ist, das die Möglichkeit beeinträchtigt, sämtliche Ziele für nachhaltige Entwicklung zu verwirklichen, insbesondere Ziel 5 (Geschlechtergleichstellung), Ziel 8 (menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum), Ziel 16 (Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen) und Ziel 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele);

L.

in der Erwägung, dass der Menschenhandel in erster Linie eine schwere Straftat gegen einzelne Personen darstellt, aber dadurch auch Kosten für die Gesellschaft verursacht werden, so etwa durch die zusätzliche Nutzung von öffentlichen Diensten, darunter Strafverfolgung, spezialisierte Dienste, Gesundheitsfürsorge und Sozialschutz, entgangene Wirtschaftsleistungen, der Wert an verlorener Lebensqualität und die Koordinierung der Arbeit zur Verhütung von Menschenhandel; in der Erwägung, dass sich die Kosten für die EU der 28 auf schätzungsweise 3 700 524 433 EUR belaufen (23);

M.

in der Erwägung, dass der Menschenhandel ein komplexes grenzüberschreitendes Phänomen ist, das nur wirksam bekämpft werden kann, wenn EU-Organe, Mitgliedstaaten, Drittländer, Organisationen der EU und internationale Organisationen auf koordinierte Weise zusammenarbeiten; betont, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit für die Beseitigung des Menschenhandels sind, und zwar durch die Synergie bestehender innen- und außenpolitischer Maßnahmen wie der Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, des EU-Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie 2020–2024, sowie durch entsprechende Informationskampagnen in den beteiligten Ländern; in der Erwägung, dass der Menschenhandel bei der Legislativtätigkeit in Bezug auf den dritten Aktionsplan für die Gleichstellung berücksichtigt werden sollte;

N.

in der Erwägung, dass die wirksame Erkennung der Opfer von Menschenhandel aus verschiedenen Gründen, darunter mangelnde Sprachkenntnisse und die fehelende Bereitschaft, sich an die Polizei zu wenden, oder begrenzte Kapazitäten der Strafverfolgungsbehörden, in den meisten Mitgliedstaaten nach wie vor ein Problem darstellt; in der Erwägung, dass die Erkennung von Kindern als Opfer häufig durch ihr fehlendes Verständnis dafür, dass sie Opfer sind, erschwert wird; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen müssen, um Menschenhandel zu verhindern, Fälle des Menschenhandels zu untersuchen und die Täter zu bestrafen, die Opfer zu unterstützen und zu befähigen sowie ihre Würde zu wahren, und für ihren Schutz und den Zugang zu Abhilfen zu sorgen, und dass eine Unterlassung gegen die Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten der Opfer verstößt, diese beeinträchtigt oder aufhebt;

O.

in der Erwägung, dass mit der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels Mindeststandards festgelegt wurden, die in der gesamten Europäischen Union angewendet werden sollen, um dem Menschenhandel vorzubeugen und ihn zu bekämpfen, die Opfer zu schützen und den Begriff „Menschenhandel“ zu definieren; in der Erwägung, dass die vollständige und ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels in innerstaatliches Recht, gefolgt von ihrer uneingeschränkten Anwendung nicht nur verbindlich, sondern auch notwendig ist, um bei der Bekämpfung des Menschenhandels Fortschritte zu erzielen;

P.

in der Erwägung, dass die Kontrollberichte zeigen, dass fast zehn Jahre nach Verabschiedung der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels weiterhin Hindernisse für ihre vollständige Umsetzung auf Ebene der Mitgliedstaaten bestehen, wobei die meisten Opfer unerkannt bleiben und die Zahl der Strafverfahren und Gerichtsurteile gegen die Täter nach wie vor gering ist; in der Erwägung, dass erhebliche Lücken beim Abdeckungsgrad und der Umsetzung nationaler Gesetze und Strategien im Zusammenhang mit dem Menschenhandel von kriminellen Organisationen aktiv ausgenutzt werden können und viele Menschen anfälliger für Ausbeutung machen;

Q.

in der Erwägung, dass die Umsetzung der Opferschutzrichtlinie insbesondere aufgrund der unvollständigen bzw. fehlerhaften Umsetzung nicht zufriedenstellend ist;

R.

in der Erwägung, dass der Menschenhandel eine sehr lukrative Form der organisierten Kriminalität ist und daher durch Nachfrage und Gewinn gesteuert wird; in der Erwägung, dass eine Eindämmung der Nachfrage, auch in Bezug auf die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen, bei der Bekämpfung des Menschenhandels im Mittelpunkt stehen muss; in der Erwägung, dass körperliche, psychische und sexuelle Gewalt grundlegende Elemente des Menschenhandels zu Zwecken der sexuellen Ausbeutung und der Gewalt gegen Frauen sind;

S.

in der Erwägung, dass die Ratifizierung des Übereinkommens von Istanbul durch die EU die Bemühungen der EU und der Mitgliedstaaten im Kampf gegen den Menschenhandel ergänzen könnte;

T.

in der Erwägung, dass schwere Formen der Ausbeutung der Arbeitskraft in vielen Wirtschaftsbereichen in der EU vorkommen und unterschiedliche Gruppen von Grenzgängern sowohl aus der EU als auch aus Drittländern betreffen; in der Erwägung, dass solche Praktiken, wie von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) empfohlen (24), bekämpft werden sollten, unter anderem durch ein umfassendes System zur gezielten Kontrolle von Arbeitsbedingungen;

1.   

weist darauf hin, dass ein abgestimmter, einheitlicher und kohärenter Rahmen auf EU-Ebene erforderlich ist, der auf effizienteren Bewertungs- und Folgemechanismen beruht und mit dem dafür gesorgt wird, dass die Verhütung des Menschenhandels zusammen mit der Unterstützung, der Betreuung und dem Schutz seiner Opfer gestärkt wird und auf die vollständige Beseitigung des Menschenhandels abzielt, unter anderem durch eine koordinierte Umsetzung entsprechend der aus der Opferschutzrichtlinie, der Richtlinie über Aufenthaltstitel, der Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der Kinderpornografie und der Entschädigungsrichtlinie (25) abgeleiteten Rechte, da es sich bei Menschenhandel um eine Straftat mit grenzüberschreitender Dimension handelt, der man allein auf einzelstaatlicher Ebene nicht beikommen kann;

2.   

würdigt die erfolgreiche Arbeit, die die Kommission für die Bekämpfung des Menschenhandels bei der Koordinierung der Reaktion der EU auf den Menschenhandel und beim Aufbau einer Wissens- und Datenbasis zu den unterschiedlichen Aspekten des Menschenhandels, darunter die Erforschung der geschlechtsspezifischen Dimension und die besondere Gefährdung von Kindern, geleistet hat; fordert die Kommission auf, die Fortführung dieser Arbeit sicherzustellen und dazu die Vollzeitstelle eines EU-Koordinators für die Bekämpfung des Menschenhandels einzurichten, der über das relevante Fachwissen und ein klares Mandat verfügt und mit einem Netz nationaler Vertreter aus den Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft zusammenarbeitet, sodass für eine stetige Kooperation gesorgt wird;

3.   

betont, dass die Mittel für die Programme des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF), des Programms Daphne, des Europäischen Sozialfonds Plus und des Fonds für die innere Sicherheit (ISF) weiterhin für Projekte zur Bekämpfung des Menschenhandels eingesetzt werden und andere verfügbare Instrumente genutzt werden müssen, zum Beispiel EU-Programme wie das Programm „Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft“, Finanzinstrumente wie das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI) und der Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika und Initiativen wie EMPACT, die Spotlight-Initiative der EU und der Vereinten Nationen und GLO.ACT; weist erneut darauf hin, dass Initiativen und Projekte in Bezug auf die geschlechtsspezifische Dimension des Menschenhandels erforderlich sind, und fordert eine umfassende Grundsatzüberprüfung der von der EU finanzierten Projekte; fordert die Mitgliedstaaten auf, für eine stabile Finanzierung und ein angemessenes Personal zu sorgen, um die Opfer zu ermitteln und zu schützen, und ist besorgt über den Mangel an angemessenen Finanzmitteln für Opferorganisationen, insbesondere für solche, die Frauen unterstützen und aufgrund erheblicher Mittelkürzungen Schwierigkeiten haben, sich weiterhin um die Opfer zu kümmern;

4.   

hebt hervor, dass fehlende einheitliche, vergleichbare und ausführliche Daten eine angemessene faktenbasierte Bewertung des Ausmaßes und der Entwicklungen beim Menschenhandel weiterhin erschweren; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Anstrengungen und ihre Finanzierung im Bereich der Forschung, Analyse und Erhebung von Daten zu allen Formen des Menschenhandels zu verstärken und die Koordinierung zwischen den Datenquellen auf nationaler und EU-Ebene sowie die Erhebung aktuellerer, zentralisierter und umfassender Daten, aufgeschlüsselt nach Art des Menschenhandels, Alter und Geschlecht, Rasse und ethnischer Herkunft, einschließlich zu Personen, die innerhalb eines Landes Opfer von Menschenhandel geworden sind,, zu verbessern, indem in Zusammenarbeit mit den beteiligten institutionellen Akteuren, der Zivilgesellschaft, dem EIGE und allen einschlägigen internationalen Organisationen statistische Informationen unter gebührender Beachtung des Rechts auf Privatsphäre und Schutz personenbezogener Daten zusammengestellt werden; fordert die Kommission auf, diese Daten für die EU regelmäßig zusammenzustellen und zu veröffentlichen;

5.   

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten eindringlich auf, zwischen Menschenhandel und Menschenschmuggel zu differenzieren, die eine fundiertere Analyse und unterschiedliche rechtliche und politische Gegenmaßnahmen erfordern; hebt hervor, dass eine Verwechslung dieser Begriffe häufig dazu führt, dass Opfer nicht richtig ermittelt werden und nicht sichergestellt wird, dass sie Zugang zu Schutzmaßnahmen erhalten und eine sekundäre Viktimisierung vermieden wird;

6.   

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Nutzung digitaler Technologien, sozialer Medien und Internetdienste als wichtigste Instrumente zur Anlockung von Opfern des Menschenhandels zu analysieren und zu bewerten und die Strafverfolgungsbehörden und Organisationen der Zivilgesellschaft zur Bekämpfung des Menschenhandels zu befähigen, indem sie ihnen das notwendige Fachwissen und die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellen, mit denen sie auf die Herausforderungen der neuen Technologien reagieren können; fordert sie ferner auf, Vorschriften hinsichtlich der Haftung Dritter für Technologieunternehmen einzuführen, die zu Zwecken des Missbrauchs dienliche Inhalte veröffentlichen, die in Gerichtsverfahren und bei der Strafverfolgung von Menschenhändlern eingesetzten Rechtsinstrumente zu verbessern, den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden, Internetdiensteanbietern und Unternehmen sozialer Medien zu fördern, öffentliche Informationskampagnen zum Menschenhandel in der gesamten EU zu unterstützen und gleichzeitig das Recht der Opfer auf Privatsphäre und Sicherheit zu achten sowie ihre Grundrechte zu wahren und den Schutz ihrer Datenschutz sicherzustellen, verstärkt den Aufbau von grenzüberschreitendem Fachwissen und technologiegestützte Lösungen zu verstärken, mit denen zum Beispiel die Anwerbung von Opfern verhindert werden kann;

7.   

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, das Kampagnen zur Sensibilisierung für Cybersicherheit, die sich an Schulen, Universitäten, Unternehmen und Forschungseinrichtungen richten, als vorrangige Aufgabe zu betrachten und auf vorhandenem Fachwissen wie dem auf der Website „Better Internet for Kids“ (Besseres Internet für Kinder) aufzubauen; betont, dass die Sensibilisierung im Zusammenhang mit dem online auf sozialen Medien stattfindenden Menschenhandel unerlässlich ist, damit neue Opfer nicht Teil von Menschenhandelsnetzen werden; fordert die Kommission auf, bei der Entwicklung gemeinsamer Leitlinien und Aktionspläne aktiv mit den Plattformen zusammenzuarbeiten, um den mithilfe des Internets betriebenen Menschenhandel zu unterbinden und zu bekämpfen;

Ermittlung, Schutz, Unterstützung und Betreuung der Opfer

8.

betont, dass eine frühzeitige Erkennung von Opfern weiterhin eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung ist und entscheidende Bedeutung im Hinblick darauf hat, den Opfern die Ausübung ihrer Rechte zu ermöglichen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Opfer zu schützen, mehr Akteuren (einschließlich Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen, Polizei- Einwanderungs- und Asylbeamten, Arbeitsinspektoren sowie Sozialarbeitern und Fachkräften im Gesundheitswesen und sonstigen beteiligten Fachkräften und Akteuren) die Zuständigkeit für die Erkennung von Opfern von Menschenhandel in allen Phasen des Verfahrens zu übertragen und entsprechende Sensibilisierungsmaßnahmen für sie zu ermöglichen; betont, dass ein Ansatz vonnöten ist, der auf den vier Schlüsselstrategien Prävention, Strafverfolgung, Opferschutz und Partnerschaft auf mehreren Ebenen beruht; fordert alle Mitgliedstaaten auf, angemessene Mittel für die Ermittlung, den Schutz, die Unterstützung und die Betreuung der Opfer von Menschenhandel in allen Phasen bereitzustellen; weist darauf hin, dass bei einer Früherkennung die Besonderheiten von besonders anfälligen Bereichen und Gruppen, wie Frauen und Mädchen, die zu Opfern geworden sind, zu berücksichtigen sind;

9.

fordert alle Mitgliedstaaten auf, die Rechte von Opfern durch die Bereitstellung eines Rechtsbeistands zum frühestmöglichen Zeitpunkt wirksam zu wahren, einschließlich zugänglicher Informationen über ihre gesetzlichen Rechte und Ansprüche, sie mithilfe einer geschlechtersensiblen und kindergerechten Vorgehensweise zu schützen und zu unterstützen und gleichzeitig für die Komplementarität mit der Opferschutzrichtlinie zu sorgen; weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels verpflichtet sind, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit den zuständigen Behörden die Möglichkeit eingeräumt wird, Opfer von Menschenhandel wegen ihrer Beteiligung an kriminellen Handlungen, zu denen sie gezwungen wurden, nicht strafrechtlich zu verfolgen bzw. keine Strafen gegen sie zu verhängen;

10.

bedauert den Mangel an zielgerichteten Schutzprogrammen für besonders gefährdete Opfer in vielen Mitgliedstaaten; betont, wie wichtig es ist, Maßnahmen für die besonderen Bedürfnisse von Opfern in prekären Situationen zu ergreifen und eigens Leitlinien für Opfer von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung bereitzustellen; betont, dass für bedingungslosen und individualisierten Schutz und die Unterstützung und Betreuung der Opfer gesorgt werden muss, auch unter Berücksichtigung der direkt von ihnen abhängigen unterhaltsberechtigten Personen, und zwar auch bei Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit straf- oder zivilrechtlichen bzw. sonstigen Maßnahmen gegen Menschenhändler oder Ausbeuter; fordert, dass die Opferschutzrichtlinie und alle damit zusammenhängenden Rechtsvorschriften in allen Mitgliedstaaten wirksam umgesetzt werden, wobei ein geschlechts- und opferorientierter Ansatz verfolgt wird; weist darauf hin, dass Menschen, die sich für den Schutz und die Unterstützung der Opfer des Menschenhandels einsetzen, wegen dieser Tätigkeit nicht strafrechtlich verfolgt werden sollten;

11.

stellt fest, dass die Opfer von Menschenhandel besondere Dienstleistungen benötigen, darunter die sichere kurz- und langfristige Unterbringung, Zeugenschutzprogramme, Gesundheitsversorgung und Beratung, Übersetzungs- und Dolmetscherdienste, Rechtsbehelfe, Entschädigung, Aus- und Weiterbildungsangebote einschließlich Unterricht zum Erlernen der Sprache des Aufenthaltslandes, Zugang zum Arbeitsmarkt und Arbeitsvermittlung, (Wieder-)Eingliederung, Umsiedlungsbeihilfen und individuell angepasste Dienstleistungen unter besonderer Berücksichtigung der Geschlechterperspektive; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, für eine angemessene und zielgerichtete geschlechtsspezifische Bereitstellung von Dienstleistungen für Opfer von Menschenhandel zu sorgen;

12.

bedauert, dass die besonderen Bedürfnisse von besonders schutzbedürftigen Opfern wie Frauen, Kindern, LGBTI, Menschen mit Behinderungen und rassistisch verfolgten Menschen oft vernachlässigt werden, und fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, für geschlechterspezifische Dienstleistungen und eine entsprechende Unterstützung der Opfer zu sorgen, die ihren Bedürfnissen entsprechen; fordert die Mitgliedstaaten auf, insbesondere die Bedürfnisse von LGBTI zu berücksichtigen, da sie durch die kumulative Wirkung verschiedener Arten von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität in Bezug auf den Menschenhandel stark gefährdet sind;

13.

weist darauf hin, dass die Roma-Gemeinschaften laut den drei Fortschrittsberichten der Kommission stark von allen Formen des Menschenhandels und der Ausbeutung betroffen sind, und zwar insbesondere deren Frauen und Kinder; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, im Rahmen der nationalen Strategien zur Integration der Roma für 2020 bis 2030 besondere Maßnahmen gegen Menschenhandel auszuarbeiten; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, statistische Daten zu Opfern von Menschenhandel basierend auf deren ethnischen Zugehörigkeit zu erheben;

14.

ist besorgt, dass Opfer von Menschenhandel häufig nicht angemessen über ihre Rechte sowie die Unterstützungs- und Betreuungsmaßnahmen informiert werden, die ihnen zur Verfügung stehen; betont, dass für die Opfer und die Mitarbeiter vor Ort, die möglicherweise mit ihnen in Kontakt treten, klare und fundierte Informationen zur Verfügung stehen;

15.

betont, dass die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zwar noch nicht in vollem Umfang messbar sind, es jedoch offensichtlich ist, dass die am meisten schutzbedürftigen Opfer des Menschenhandels die Krise unverhältnismäßig stark von der Krise betroffen sind, insbesondere Frauen, Kinder und Menschen in prekären Situationen, und dass viele Schutzunterkünfte aufgrund gemeldeter Infektionen gezwungen sind, ihre Dienste vorübergehend oder dauerhaft einzustellen, sodass die Opfer des Menschenhandels dann weder über eine Unterbringung noch über Gesundheitsversorgung oder einen Rechtsbeistand verfügen; betont in diesem Zusammenhang, dass der diskriminierungsfreie Zugang zu Pflege- und Sozialdiensten gewährleistet werden sollte; weist darauf hin, dass die Ursachen für Menschenhandel durch die Pandemie noch stärker zur Wirkung kommen, indem gefährdete Bevölkerungsgruppen einem höheren Risiko des Menschenhandels ausgesetzt und immer mehr solcher Opfer im Internet angeboten werden, und angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Sexualstraftäter, die sich Kinder als Opfer suchen, und der Fälle von sexueller Ausbeutung im Internet angestiegen ist und auch die Nachfrage nach Kinderpornografie zugenommen hat; fordert die Mitgliedstaaten auf, mit Unterstützung von Organisationen der Zivilgesellschaft und EU-Agenturen wie Europol wirksame Maßnahmen zu ergreifen, die im März 2020 einen Bericht mit dem Titel „Pandemic profiteering: how criminals exploit the COVID-19 crisis“ (Profiteure der Pandemie: Wie Kriminelle die COVID-19-Krise ausnutzen) veröffentlicht hat; fordert von der Kommission, daher eine gründlichere Analyse der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf potenzielle Opfer des Menschenhandels sowie der Struktur und Funktionsweise des Menschenhandels im Allgemeinen vorzunehmen, damit eigens Maßnahmen zur Beendigung des Menschenhandels entworfen werden;

16.

weist darauf hin, dass voll funktionsfähige, kohärente nationale Verweismechanismen, die auf transnationale Verweismechanismen abgestimmt und durch eigens dafür vorgesehene Mittelzuweisungen finanziert werden, erforderlich sind, um den Herausforderungen bei der Koordinierung verschiedener Akteure zu begegnen und die Mängel zu beheben, die zu einem geringen Vertrauen der Opfer führen, was sich negativ auf eine wirksame Verweisung auswirken kann; hebt hervor, dass eine gute Zusammenarbeit zwischen der Polizei und nichtstaatlichen Organisationen als Ergänzung zu einem umfassenden nationalen Verweismechanismus dienen sollte, wobei die Aufgaben und Zuständigkeiten aller relevanten Akteure (26) so festgelegt werden, dass die Grundrechte der Opfer von Menschenhandel gewahrt und gefördert werden; legt den Mitgliedstaaten nahe, nationale Einrichtungen zu schaffen, die auf die Betreuung und Aufnahme von Opfern des Menschenhandels spezialisiert sind, und die direkte und effiziente grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen diesen Einrichtungen sowie zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den entsprechenden EU-Agenturen voranzutreiben;

17.

fordert die Kommission auf, die Lage der Entschädigung der Opfer in den Mitgliedstaaten und grenzüberschreitend im Hinblick auf Zugang, Durchsetzung und tatsächliche Zahlungen zu überwachen und zu bewerten und spezifische Maßnahmen vorzulegen, um einen besseren, schnelleren und kostenfreien Zugang zu Entschädigung in allen Mitgliedstaaten zu erreichen, unbeschadet anderer Formen der Wiedergutmachung;

18.

begrüßt, dass die Einrichtung des Mechanismus zur Überprüfung der Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und die dazugehörigen Protokolle 2018 angenommen wurden und dass mit dem Überprüfungsverfahren 2020 begonnen wurde; fordert die Kommission auf, in diesem Überprüfungsprozess eine Vorbildfunktion zu übernehmen; betont, wie wichtig ein besseres Verständnis für den Menschenhandel als komplexes und sich stetig weiterentwickelndes Verbrechen ist; fordert die Mitgliedstaaten und die Organe der EU auf, dafür zu sorgen, dass ein menschenrechtsbasierter Ansatz weiterhin im Mittelpunkt der Analyse und der Maßnahmen gegen den Menschenhandel steht, und weist erneut darauf hin, dass dabei eine Zusammenarbeit mit den Bürgern und den Organisationen der Zivilgesellschaft vonnöten ist; hebt die wichtige Rolle des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente hervor; ersucht die Kommission und die Mitgliedstaaten, sich an der internationalen Kampagne der Vereinten Nationen gegen Menschenhandel zu beteiligen; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, sämtliche einschlägigen internationalen Instrumente in Bezug auf den Menschenhandel, darunter das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels, zu ratifizieren;

Menschenhandel als geschlechtsspezifisches Verbrechen und Bekämpfung des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung

19.

betont, dass sexuelle Ausbeutung seit 2008 nach wie vor die am häufigsten vorkommende und gemeldete Form von Menschenhandel in der EU ist, da 60 % der Opfer zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung gehandelt werden; stellt fest, dass mehr als 92 % dieser Opfer Frauen und Mädchen und dass über 70 % der Menschenhändler Männer sind (27), wodurch deutlich wird, dass der Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung auf die Ungleichbehandlung der Geschlechter zurückzuführen ist;

20.

fordert die Mitgliedstaaten daher nachdrücklich auf, eigens Maßnahmen zu ergreifen, um geschlechtsspezifische Gewalt, Gewalt gegen Frauen und Minderjährige, die gesellschaftliche Akzeptanz von Gewalt und die Kultur der Straflosigkeit sowie strukturelle geschlechtsspezifische Ungleichheiten und Stereotypen als Ursachen des Menschenhandels anzugehen, und zwar insbesondere durch Bildungs-, Informations- und Sensibilisierungskampagnen, die durch den Austausch bewährter Verfahren ergänzt werden, darunter Programme und Schulungen, die sich an Männer und Jungen richten; empfiehlt der Kommission, die Geschlechterdimension bei der Überwachung der Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels zu stärken und weiterzuentwickeln, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, bei ihrer Bewertung der Einhaltung und Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels durch die Mitgliedstaaten weiterhin darauf zu achten;

21.

fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zu untersuchen, wie die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen dem Menschenhandel Vorschub leistet, da es laut Europol „Mitgliedstaaten gibt, in denen Prostitution legal ist, was es den Menschenhändlern sehr viel leichter macht, ein legales Umfeld für die Ausbeutung ihrer Opfer zu nutzen“ (28); weist auf die Erkenntnisse von Europol hin, wonach Verdächtige in einigen EU-Mitgliedstaaten, in denen Prostitution legal ist, nicht nur erwachsene Opfern, sondern auch Kinder ausbeuten konnten (29); hebt hervor, dass der Menschenhandel durch die hohen Gewinne der Menschenhändler und die Nachfrage, die jegliche Form der Ausbeutung begünstigt, gefördert wird; betont, dass es für Menschenhändler durchaus üblich ist, legale Geschäfte zum Verschleiern von Tätigkeiten zum Zweck der Ausbeutung zu nutzen; weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten rechtlich verpflichtet sind, der Nachfrage nach allen Formen der Ausbeutung entgegenzuwirken und diese zu verringern, was ein zentrales Ziel der Präventions- und Strafverfolgungsbemühungen sein sollte;

22.

fordert die Kommission auf, der Prävention des Verbrechens des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung Vorrang einzuräumen, unter anderem durch Aufklärungs- Sensibilisierung- und Bildungskampagnen sowie durch Maßnahmen und Programme, mit denen der Nachfrage entgegengewirkt und sie verringert wird, sowie eventuell in Zukunft entsprechende Rechtsvorschriften einzuführen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die wissentliche Inanspruchnahme von Dienstleistungen von Opfern des Menschenhandels als Straftat in ihre nationalen Gesetze aufzunehmen, wie dies in Artikel 18 der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandelns empfohlen und von der Kommission im Jahr 2018 bekräftigt wurde (30), und wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Strafen einzuführen; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, eng mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenzuarbeiten, die Opfer von Menschenhandel betreuen;

23.

fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission nachdrücklich auf, den Fokus auf die wiederkehrenden und neu entstehenden Muster von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung zu richten, wie die zunehmende Ausbeutung von Kindern und Frauen, unter anderem durch Grooming und sexuelle Erpressung und durch die Loverboy-Methode als das häufigste Mittel, um Opfer durch die Nutzung von Technologien des Internets für sich zu gewinnen und gefügig zu machen; fordert, dass die Mitgliedstaaten und die Kommission zu diesem Zweck ihre digitalen Fähigkeiten unter anderem in Bezug auf ein sicheres Internet, in Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren ausbauen; weist darauf hin, dass sich die herkömmliche Vorgehensweise der kriminellen Netze, die am Menschenhandel beteiligt sind, durch die zunehmende Nutzung von Technologie erheblich verändert hat, insbesondere in einigen Phasen des Prozesses des Menschenhandels;

24.

hebt die Bedeutung geschlechtsdifferenzierter und am Wohl der Kinder orientierter Schulungen für alle Beamten, Richter, Interessenträger und anderen Akteure, die sich mit Fällen des Menschenhandels, Untersuchungen und potenziellen Opfern befassen, hervor und fordert mehr solcher Schulungen, damit die frühzeitige Erkennung von Personen verbessert wird, die möglicherweise Opfer des Menschenhandels zu Zwecken der sexuellen Ausbeutung sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zur Unterstützung von Opfern zu ergreifen, wie Ausstiegsprogramme, psychologische Betreuung, Möglichkeiten für eine menschenwürdige soziale und berufliche Wiedereingliederung, Bildungsangebote sowie der Zugang zu Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und zu Gerichten sowie die Möglichkeit der Durchsetzung damit verbundener Ansprüche, wobei die Zivilgesellschaft, die Sozialpartner und der private Sektor eingebunden werden; betont in diesem Zusammenhang auch, wie wichtig Sensibilisierungsprogramme für die breite Öffentlichkeit sind, um potenzielle Opfer zu erkennen und zu schützen; betont, dass angemessene Mittel für Schulungszwecke vorgesehen werden müssen, und fordert die Mitgliedstaaten daher auf, angemessene Ressourcen zur Verfügung zu stellen;

25.

fordert die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, auf eine umfassende auf das jeweilige Alter und die Entwicklungsstufe angepasste Sexualerziehung als wichtiges Mittel der Verhütung von jeglicher Form der Gewalt gegen Frauen und Mädchen, einschließlich Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung, zu setzen und auch die Themen Einwilligung und Beziehungen in den Unterricht aufzunehmen, um eine gesunde Einstellung des Respekts und der Gleichstellung bei allen Interaktionen zu fördern;

Menschenhandel zu Zwecken der Ausbeutung der Arbeitskraft

26.

bedauert zutiefst, dass mehrere Mitgliedstaaten und zivilgesellschaftliche Organisationen beim Menschenhandel zu Zwecken der Ausbeutung der Arbeitskraft eine Zunahme verzeichnen (31); bedauert, dass Kinder zunehmend Opfer des Menschenhandels zu Zwecken der Ausbeutung der Arbeitskraft geworden sind, und fordert dringend Maßnahmen seitens der nationalen Arbeitsaufsichtsbehörden in den Mitgliedstaaten, um solche Praktiken zu erkennen und ihnen ein Ende zu setzen; fordert zudem die Europäische Arbeitsbehörde auf, schwere Formen der Ausbeutung der Arbeitskraft vorrangig anzugehen und die Mitgliedstaaten beim Kapazitätsaufbau in diesem Bereich zu unterstützen, um Praktiken, die schwere Formen der Ausbeutung der Arbeitskraft umfassen, durch gezielte Kontrollen zu erkennen und zu bestrafen; hebt hervor, wie wichtig es ist, das Thema Ausbeutung der Arbeitskraft in die Schulungsprogramme für Beamte, die Opfer betreuen, einzuschließen, um die frühzeitige Erkennung von Personen zu verbessern, die Opfer des Menschenhandels zu Zwecken der Zwangsarbeit sind; fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zu untersuchen, wie die Nachfrage nach günstigen Arbeitsleistungen den Menschenhandel zu Zwecken der Ausbeutung der Arbeitskraft fördert; fordert die Behörden der Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre Bemühungen zur Beseitigung aller Formen informeller und ungeregelter Arbeit zu verstärken und damit die Arbeitnehmerrechte für alle Arbeitnehmer sicherzustellen; hebt hervor, dass der prekäre Arbeitsstatus der betroffenen Arbeitnehmer sie von ihren Arbeitgebern abhängig macht und dadurch die Ausbeutung der Opfer durch Personen, die Menschenhandel betreiben, ermöglicht wird;

Andere Formen der Ausbeutung

27.

fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission nachdrücklich auf, sich auf die wiederkehrenden und neu entstehenden Muster aller Formen des Menschenhandels zu konzentrieren, unter anderem jene zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft, der Zwangsbettelei, der Zwangs- und Scheinehe und der Zwangskriminalität; hebt hervor, dass der Menschenhandel durch hohe Gewinne für Menschenhändler und durch die Nachfrage, die jegliche Form der Ausbeutung begünstigt, gefördert wird; stellt mit Besorgnis fest, dass viele EU-Mitgliedstaaten nicht über angemessene Rechtsvorschriften für Opfer aller Formen von Ausbeutung verfügen; fordert die Mitgliedstaaten auf, beim Schutz und bei der Betreuung der Opfer sowie bei der Unterstützung für Opfer alle Formen des Menschenhandels zu berücksichtigen; stellt fest, dass trotz jüngster Berichte über kriminelle Netze, die in der gesamten EU zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft und anderer Formen der Ausbeutung Menschenhandel betreiben, ein Mangel an angemessenen Daten, Rechtsvorschriften und Zugang zu Unterstützungsleistungen für Opfer dieser Formen der Ausbeutung besteht;

28.

stellt fest, dass der Menschenhandel zu anderen Zwecken der Ausbeutung laut dem dritten Bericht der Kommission 18 % der Opfer betrifft (32) und Aktivitäten in den Bereichen der Zwangsbettelei, der erzwungenen Kriminalität, des Verkaufs von Säuglingen, der Organentnahme, der illegalen Adoption und der finanziellen Ausbeutung durch Betrug sowie den Menschenhandel durch Leihmutterschaft umfasst; weist darauf hin, dass viele der Opfer von Zwangsbettelei und erzwungener Kriminalität häufig aus ausgegrenzten Roma-Gemeinschaften stammen und dass es sich dabei häufig um Kinder handelt;

29.

betont, dass innerhalb des rechtlichen und politischen Rahmens der EU in Bezug auf Menschenhandel die interne und externe Dimension miteinander verbunden werden, und erkennt an, dass die Bekämpfung des Menschenhandels, der eine schwere Straftat und eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte darstellt, zu den klaren Zielen des auswärtigen Handelns der EU zählt; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Zusammenarbeit mit Drittländern zu verbessern, um jegliche Formen des Menschenhandels zu bekämpfen, und Bemühungen um gemeinsame Untersuchungen und eine spezialisierte Strafverfolgung zu verstärken;

Menschenhandel im Kontext von Asyl und Migration

30.

betont, dass die Mehrzahl der Opfer zwar EU-Bürger sind, dass aber kriminelle Organisationen die Migrationsrouten für den Menschenhandel in die EU missbrauchen, wobei Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende den Menschenhändlern durch humanitäre Krisen noch stärker ausgesetzt sind; weist darauf hin, dass es in den letzten Jahren einen starken Anstieg bei der Zahl von Frauen und Mädchen gab, die über die zentrale Mittelmeerroute zu Zwecken der sexuellen Ausbeutung in die EU geschmuggelt werden (33); fordert die Mitgliedstaaten und die EU auf, diese Frauen und Mädchen zu ermitteln und ähnlichen Fällen in Zukunft vorzubeugen, indem ein kohärenter und abgestimmter, auf Rechten basierender und geschlechtsspezifischer sowie kindgerechter Ansatz zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels gewählt wird; weist darauf hin, dass Frauen und Kinder entlang der Migrationsrouten als Gegenleistung für Schutz und Grundversorgung häufig Opfer sexuellen Missbrauchs werden; unterstreicht, dass für diese Frauen und Kinder die Kriterien für die Gewährung des offiziellen Status eines Opfers von Menschenhandel oft zu starr sind und sie daher nicht die erforderliche Hilfe erhalten können, um den Schaden, dem sie ausgesetzt sind, zu beheben;

31.

bekräftigt, dass Asylbewerber, Flüchtlinge und Migranten sowie insbesondere unbegleitete und von ihren Familien getrennte Minderjährige, was den Menschenhandel betrifft, besonders gefährdet sind und dass ein besonderes Augenmerk auf den Handel mit Frauen, Kindern und gefährdeten Gruppen gelegt werden sollte; hebt hervor, dass in den verschiedenen Phasen des Migrationsprozesses Gefährdungen und Risiken bestehen: vor der Migration selbst, auf dem Weg in die EU, am Bestimmungsort sowie für diejenigen, die möglicherweise zurückkehren; stellt fest, dass begrenzte Kenntnisse der Landessprache und/oder ein fehlendes Verständnis der Rechte, ein begrenzter Zugang zu umsetzbaren Möglichkeiten für die Bestreitung des Lebensunterhalts oder zu hochwertiger Bildung sowie Einschränkungen ihrer Freizügigkeit auch zu dem Risiko beitragen, Opfer von Menschenhandel zu werden;

32.

hebt die sehr geringe Zahl der registrierten Opfer von Menschenhandel bei den Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes hervor; fordert die Mitgliedstaaten auf, ankommende Personen, auch mit Hilfe von Übersetzung und Verdolmetschung, verstärkt über ihre Rechte und die gemäß dem EU-Recht geltenden Verfahren zu informieren, auch über die Möglichkeiten, Unterstützung durch Rechtsanwälte und kulturelle Mediatoren, die versuchen, Menschenhandel zu verhindern, zu erhalten;

33.

weist darauf hin, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen und als Opfer des Menschenhandels ermittelt wurden, in einigen Mitgliedstaaten beschlossen haben oder dazu gezwungen gewesen sein könnten, andere Verfahren einzuschlagen und einen Aufenthaltstitel gemäß der Richtlinie über Aufenthaltstitel geltend zu machen (34); fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Bekämpfung des Menschenhandels und Asylverfahren miteinander verbunden werden und einander ergänzen können;

34.

fordert die Mitgliedstaaten auf, eine kohärente Anwendung der in der Dublin III-Verordnung, der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels und der Richtlinie über die Erteilung von Aufenthaltstiteln enthaltenen Bestimmungen sicherzustellen, um die in einigen Mitgliedstaaten bestehende Vorgehensweise zu vermeiden, Opfer des Menschenhandels in das Land zu überstellen, in dem sie bei ihrer Erstankunft ausgebeutet wurden, wodurch sie dem Risiko, erneut dem Menschenhandel zum Opfer zu fallen und erneut traumatisiert zu werden, stärker ausgesetzt sind;

35.

fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen um eine frühzeitige Erkennung möglicher Opfer zu verstärken, insbesondere innerhalb von Migrationsströmen und Hotspots, und Schutz- und Präventionsmaßnahmen zu ergreifen; betont, dass ermittelten möglichen Opfern Schutz und Zugang zu einem sicheren Ort gewährt werden sollte, an dem sie Informationen und Rechtsbeistand erhalten können; fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu ergreifen, damit alle Opfer einschließlich Migranten unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus Zugang zur Justiz haben;

36.

fordert die Mitgliedstaaten auf, angemessene Mittel und spezialisierte Einrichtungen für tatsächliche und mutmaßliche Opfer des Menschenhandels, einschließlich Frauen, unbegleiteter und von ihren Familien getrennter Minderjähriger, bereitzustellen und für ausreichend Platz in Unterkünften zu sorgen; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass in geschlechtsspezifischen Fragen geschulte Bedienstete in Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung stehen, und die mit ihnen arbeitenden zivilgesellschaftlichen Organisationen angemessen zu unterstützen und zu finanzieren;

37.

fordert die Mitgliedstaaten auf, das Recht der Opfer des Menschenhandels auf ein Familienleben sicherzustellen und die mögliche Ausdehnung des den Opfern gewährten internationalen Schutzes auf ihre Familienangehörigen zu prüfen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Verfahren zur Familienzusammenführung der Familienangehörigen der gefährdeten Opfer im Herkunftsland zu beschleunigen;

38.

weist darauf hin, dass nationale Mechanismen zur Erhebung von Daten über Opfer von Menschenhandel eingerichtet werden müssen, um die Weiterverfolgung der ermittelten Fälle im Rahmen internationaler Schutzverfahren sicherstellen zu können;

39.

zeigt sich besorgt darüber, dass die Erholungs- und Bedenkzeit an die Mitwirkung des Opfers während des Ermittlungsverfahrens gebunden ist und von den Strafverfolgungsbehörden gewährt wird; bedauert, dass in einigen Mitgliedstaaten (35) dieser Zeitraum weder Opfern von Menschenhandel, die Staatsangehörige der EU und/oder des EWR sind, noch Asylbewerbern gewährt wird; fordert die Kommission auf, die Umsetzung der verfügbaren rechtlichen Lösungen auf der Ebene der Mitgliedstaaten zu überwachen, insbesondere die Gewährung einer Erholungs- und Bedenkzeit;

40.

weist darauf hin, dass Migrantenschleusung und Menschenhandel laut Europol bisweilen von den gleichen kriminellen Banden (36) durchgeführt werden, und dass Untersuchungen zeigen, dass Menschenhändler zunehmend Migranten und Asylsuchende in der EU auszubeuten versuchen (37); betont, dass Prävention und Bekämpfung des Menschenhandels bei der Zusammenarbeit mit Herkunftsländern oder Transitländern für die Bekämpfung von Migrantenschleusung sowie der Schutz der Opfer wichtig sind, wobei dafür gesorgt werden muss, dass umfassende Unterstützungs-, Wiedereingliederungs- und Rehabilitationsprogramme zur Verfügung stehen;

41.

weist die Mitgliedstaaten erneut darauf hin, dass sich die Gefährdung von Asylsuchenden durch den Menschenhandel aufgrund fehlender Möglichkeiten einer sicheren und legalen Migration zunimmt, da sie sowohl während der Durchreise als auch bei der Ankunft ausgebeutet werden können; fordert die Mitgliedstaaten auf, mehr sichere und legale Migrationswege wie humanitäre Visa zu schaffen, um die Ausbeutung schutzbedürftiger Personen zu verhindern;

42.

stellt fest, dass im Falle von Migranten ohne Ausweispapiere oder mit einem abhängigen Status die Wahrscheinlichkeit von Viktimisierung steigt und die Wahrscheinlichkeit, dass Opfer Hilfe suchen oder Missbrauch melden, aufgrund der Angst vor negativen Folgen sinkt, wodurch sie Gefahr laufen, ausgebeutet und missbraucht zu werden; stellt fest, dass die erheblichen Lücken beim Abdeckungsgrad und bei der Umsetzung nationaler Gesetze und Strategien im Zusammenhang mit dem Menschenhandel von den Tätern ausgenutzt werden können, um Opfer mit irregulärem Status auszubeuten, wodurch große Gruppen von Menschen anfälliger für Ausbeutung werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, Durchsetzungsmaßnahmen im Bereich Migration von Strafverfolgungsmaßnahmen zu trennen; betont, dass eine sichere Selbstauskunft ermöglicht und wirksame Beschwerdemechanismen für schutzbedürftige Personen eingerichtet werden sollten;

Kinderhandel

43.

stellt fest, dass Kinder etwa ein Viertel aller Opfer in der EU ausmachen und Mädchen (78 %) die große Mehrzahl der minderjährigen Opfer in der EU bilden; weist darauf hin, dass etwa 75 % aller minderjährigen Opfer in der EU Unionsbürger waren; ist in besonderem Maße besorgt über die Gewalt, den Missbrauch und die Ausnutzung, denen minderjährige Opfer in der EU ausgesetzt sind, insbesondere diejenigen, die zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung gehandelt werden (38);

44.

weist erneut auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten hin, den Opfern des Kinderhandels besondere Aufmerksamkeit zu schenken, wobei das Kindeswohl bei allen Maßnahmen an erster Stelle steht; verweist nachdrücklich auf den körperlichen und psychischen Schaden, den die Opfer des Kinderhandels erleiden, und ihre erhöhte Anfälligkeit für Ausbeutung; fordert die Mitgliedstaaten auf, umfassende Maßnahmen für den Kinderschutz zu ergreifen und für die Berücksichtigung der Kindheit und eine Einschätzung des Alters des Kindes, den Schutz vor und während des Strafverfahrens, den Zugang zu Unterstützung ohne Vorbedingungen, Entschädigung, Straffreiheit, Hilfe und Betreuung für das Familienmitglied eines Opfers im Kindesalter sowie Prävention zu sorgen;

45.

fordert die Mitgliedstaaten auf, den Schwerpunkt auf die Erkennung minderjähriger Opfer zu legen und sie bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen; betont, dass für minderjährige Opfer sowie unbegleitete minderjährige Opfer unverzüglich gut ausgebildete und angemessen unterstützte Vormunde bestellt werden müssen, darunter auch Vormunde für einen befristeten Zeitraum als Sofortmaßnahme, und betont, wie wichtig eine kindgerechte Justiz und spezialisierte Dienste sind; fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, Maßnahmen zu ergreifen, um denjenigen, die mit Opfern des Kinderhandels zu tun haben, eine angemessene und geeignete Ausbildung, insbesondere eine juristische und psychologische Ausbildung, zu gewähren, und die Anzahl der Vormunde durch die Organisation von Sensibilisierungskampagnen zu erhöhen;

46.

fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Konsulatsbedienstete bei der Erfassung der biometrischen Daten von Minderjährigen im Visumantragsverfahren besonders darauf achten, dass die Identität des Minderjährigen und die Verbindung zu der Person bzw. den Personen, die die elterliche Sorge oder die gesetzliche Vormundschaft haben, korrekt überprüft wird; fordert die Kommission auf, in enger Zusammenarbeit mit Europol und Organisationen der Zivilgesellschaft sowie den Mitgliedstaaten den nationalen, lokalen und regionalen Behörden gezielte und wirksame Aus- und Fortbildungsmaßnahmen sowie Informationen über die von den Menschenhändlern angewandten Methoden zur Verfügung zu stellen, um Kinderhandel vorzubeugen;

47.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie vollumfänglich umzusetzen und die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit zur Verhinderung und Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung auf EU-Ebene zu verstärken; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, mit Organisationen der Zivilgesellschaft und den EU-Agenturen, insbesondere mit Europol und Eurojust, zusammenzuarbeiten, den Informationsaustausch zu erweitern und grenzüberschreitende Ermittlungen zu fördern;

48.

nimmt mit großer Sorge zur Kenntnis, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern weit verbreitet ist und es zu einer Musterbildung und Normalisierung des Handels und der sexuellen Ausbeutung von Kindern kommt, und fordert eine angemessene Reaktion von Online-Plattformen, um zu verhindern, dass pornographisches Material, in dem der Missbrauch von Kindern dargestellt wird, verfügbar ist;

49.

stellt fest, dass Mittel wie das Internet und soziale Medien genutzt werden, um mögliche Opfer zu rekrutieren und anzulocken; fordert die Internetplattformen auf, der Entwicklung geeigneter Werkzeuge besondere Aufmerksamkeit zu schenken; fordert, dass sich das Gesetz über digitale Dienste mit dieser Nutzung von Methoden für Gewalt im Internet befasst; fordert die Mitgliedstaaten auf, ein Modell zur Erkennung, frühzeitigen Unterstützung und Hilfe für Kinder, die Opfer von sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch im Internet sind, sowie Sensibilisierungskampagnen und kindgerechte Beschwerdemechanismen zu entwickeln; legt der Kommission und den Mitgliedstaaten nahe, weitere Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Online-Kriminalität zu ergreifen und die Präventionsmaßnahmen auszuweiten; bekräftigt daher erneut, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und der grenzüberschreitende Austausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden und Jugendämtern verbessert werden müssen und dass ein System entwickelt werden muss, das eine schnelle Suche nach Familienangehörigen unbegleiteter Minderjähriger ermöglicht und ihnen alternative Betreuungsmöglichkeiten bietet;

50.

weist darauf hin, dass Opfer im Kindesalter besonders unterstützt werden müssen, wobei ihre Interessen und ihre besondere Verwundbarkeit zu berücksichtigen sind; legt den Mitgliedstaaten nahe, dafür Sorge zu tragen, dass Fachkräfte, die mit minderjährigen Opfern in Kontakt stehen, wie Mitarbeiter von Strafverfolgungsbehörden, Grenzschutzbeamte, Beamte, Justizmitarbeiter sowie im Gesundheits- und Sozialwesen tätige Personen, einschließlich derjenigen, die in Jugendbetreuungseinrichtungen arbeiten, angemessen darin geschult werden, Opfer von Menschenhandel zu identifizieren, zu unterstützen und an andere Stellen zu verweisen; bedauert, dass spezialisierte Teams innerhalb der Strafverfolgungsbehörden, die darin geschult sind, Zeugenaussagen von Kindern audiovisuell aufzunehmen, nicht konsequent an der Befragung aller Kinder, die Opfer von Menschenhandel wurden, beteiligt sind; fordert die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, dies als Standard festzulegen und das Personal der Strafverfolgungsbehörden in dieser Art der kindgerechten Befragung zu schulen; legt den Mitgliedstaaten nahe, einen starken „Kettenansatz“ mit engen Verknüpfungen zwischen spezieller Unterstützung im Bereich Menschenhandel, wie spezialisierte Einrichtungen für die Unterstützung und Aufnahme von Opfern von Menschenhandel, und etablierten Modulen für die Jugendfürsorge zu entwickeln, wobei auf die spezifischen Bedürfnisse jedes minderjährigen Opfers von Menschenhandel eingegangen werden muss;

51.

nimmt zur Kenntnis, dass Roma-Kinder in Bezug auf Ausbeutung und Menschenhandel besonders gefährdet sind, wobei ein hohes Risiko besteht, dass sie Opfer von sexueller Ausbeutung, Ausbeutung der Arbeitskraft und Zwangsbettelei werden;

52.

begrüßt die Entscheidung der Kommission, in der EU-Strategie zur wirksameren Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern vom 24. Juli 2020 die Einrichtung eines Zentrums zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorzusehen, wie vom Europäischen Parlament in seiner Entschließung vom 26. November 2019 über die Rechte des Kindes gefordert, als Stütze eines koordinierten europäischen Mehrparteienansatzes, der die Prävention und Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern und die Unterstützung von Opfern umfasst;

53.

stellt fest, dass Kinder und insbesondere unbegleitete und von ihren Familienangehörigen getrennte Migrantenkinder bei der Migration weiterhin einem hohen Risiko ausgesetzt sind, auf den Migrationsrouten in die und innerhalb der EU Opfer von Gewalt, Menschenhandel und Ausbeutung zu werden; stellt fest, dass Mädchen auf den Migrationsrouten der Gefahr sexueller Ausbeutung und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, unbegleiteten minderjährigen Opfern von Menschenhandel Hilfe, Unterstützung und Schutzmaßnahmen zu gewähren, die ihren besonderen Bedürfnissen entsprechen, ihnen bei ihrer Ankunft einen Vormund zuzuweisen und ihnen angemessene und angepasste Lebensbedingungen zu bieten; weist erneut darauf hin, dass solche Maßnahmen dem Wohl der unbegleiteten Kinder sowohl in kurzfristiger als auch in langfristiger Perspektive Rechnung tragen sollten; verurteilt, dass einige Mitgliedstaaten die Inhaftierung als „Schutz“ für unbegleitete Minderjährige, auch in Zellen in Polizeidienststellen, einsetzen; weist erneut darauf hin, dass die Mitgliedstaaten Alternativen zur Inhaftierung, insbesondere von Kindern, prüfen sollten; weist darauf hin, dass eine Ingewahrsamnahme nicht dem Kindeswohl dient und dass die Mitgliedstaaten für eine kindgerechte Unterbringung ohne Freiheitsentzug sorgen sollten;

54.

stellt fest, dass Menschenhändler häufig Aufnahmeeinrichtungen genutzt haben, um mögliche Opfer zu identifizieren und deren Beförderung zu den Orten der Ausbeutung zu organisieren, und dass die zuständigen Behörden und andere zuständige Akteure in den Mitgliedstaaten daher besonders wachsam sein und diese Einrichtungen überwachen und schützen müssen, wobei den am stärksten gefährdeten Personen, wie etwa Kindern, besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss bei gleichzeitiger Verbesserung ihres Schutzes durch Information und Stärkung mittels Sensibilisierungskampagnen in Schulen, Jugendzentren und Jugendbewegungen; betont, dass ein koordinierter europäischer Ansatz erforderlich ist, um unbegleitete Migranten im Kindesalter zu finden, wenn sie verschwinden, und sie zu schützen;

Effizienz von Strafrechtssystemen und Kriminalisierung der Inanspruchnahme von Diensten von Opfern

55.

weist auf die geringe Zahl von Strafverfolgungen und Verurteilungen wegen der Straftat des Menschenhandels hin; fordert die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, Maßnahmen zu ergreifen und zu beschleunigen, um die Untersuchung von Menschenhandelsfällen durch verstärkte polizeiliche Bemühungen sowohl auf nationaler als auch auf grenzüberschreitender Ebene zu verbessern und harte Strafen für das Verbrechen des Menschenhandels einzuführen; betont, dass die bestehenden nationalen Sanktionen und die Mittel zu ihrer Vollstreckung in den einzelnen Mitgliedstaaten immer noch sehr unterschiedlich sind; betont, dass ein besonderes Augenmerk auf Bereiche gelegt werden sollte, über die zu wenig berichtet und in denen zu wenig ermittelt wird, insbesondere auf die saisonale und befristete Beschäftigung in den Sektoren, in denen gering qualifizierte Arbeitnehmer beschäftigt sind, die schlecht bezahlt werden, darunter die Ausbeutung der Arbeitnehmer in der Landwirtschaft; fordert die Mitgliedstaaten auf, der Straflosigkeit durch einen koordinierten Ansatz zwischen den einschlägigen EU-Agenturen in Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten, den EU-Organen, Organisationen der Zivilgesellschaft und anderen Partnern entgegenzuwirken und dadurch die Wirksamkeit von Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen zu erhöhen, unter anderem durch den wirksamen Einsatz der bestehenden Plattformen, die von Agenturen wie Europol und Eurojust betrieben werden; fordert daher die für die Verhütung, Aufdeckung, Aufklärung oder strafrechtliche Verfolgung von schwerer Kriminalität, einschließlich Fällen von Menschenhandel, zuständigen Behörden auf, IT-Großsysteme, einschließlich des Schengener Informationssystems (SIS II), im Einklang mit den Bestimmungen der einschlägigen Rechtsvorschriften zu nutzen, um die Mitgliedstaaten zu unterstützen;

56.

weist darauf hin, dass nicht alle Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Artikel 18 der Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels (39) erlassen haben; stellt fest, dass unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen für die Kriminalisierung der Inanspruchnahme von Diensten von Opfern die Bemühungen um eine Senkung der Nachfrage behindern; bedauert, dass die Rate der strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung der sexuellen Ausbeutung und der Inanspruchnahme von Diensten, die von Opfern erbracht werden, in der EU niedrig ist; bekräftigt seine dringende Forderung an die Mitgliedstaaten, die bewusste Inanspruchnahme von Dienstleistungen von Opfern des Menschenhandels als Straftatbestand in die Rechtsordnung aufzunehmen;

57.

betont, dass es für die Strafverfolgungsbehörden in der EU von entscheidender Bedeutung ist, effiziente und erweiterte Ermittlungsfähigkeiten zu entwickeln, um auf die ständig zunehmenden internetgestützten kriminellen Muster des Menschenhandels zu reagieren; fordert die Kommission auf, die EU-Agenturen wie etwa Europol finanziell zu unterstützen und den Mitgliedstaaten über spezielle sektorale EU-Fonds wie den ISF Mittel zur Verfügung zu stellen, um für die besten Standards in Bezug auf die Ermittlungen und angemessene Instrumente zur Verarbeitung zunehmend komplexer Informationsmengen zu sorgen;

58.

stellt fest, dass Frauen aufgrund ihrer sozioökonomischen Lage oder ihres Migrantenstatus unverhältnismäßig oft kriminalisiert und am gleichberechtigten Zugang zur Justiz gehindert werden, und zwar aufgrund von geschlechtlicher Stereotypisierung, diskriminierenden Gesetzen, sich überschneidender oder verschärfter Diskriminierung, sowie Anforderungen und Praktiken in Bezug auf Verfahren und Beweise; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass der Zugang zur Justiz allen Frauen physisch, wirtschaftlich, sozial und kulturell zur Verfügung steht; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Hindernisse für den Zugang von Frauen zur Justiz zu beseitigen;

59.

bedauert, dass die Bedingungen, unter denen ein Opfer eines offiziellen Status eines Opfers von Menschenhandel erhält, oft zu starr sind, um sie zu erfüllen, insbesondere für Minderjährige und andere gefährdete Opfer, die finanziell und emotional von ihren Menschenhändlern abhängig sind; bedauert die Tatsache, dass die Opfer immer noch strafrechtlichen Anklagen und Verurteilungen wegen Straftaten ausgesetzt sind, zu denen die gezwungen wurden, oft im Zusammenhang mit der illegalen Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, die häufig mit dem Menschenhandel einhergeht; fordert die Mitgliedstaaten auf, eindeutige Bestimmungen über den Verzicht auf Strafverfolgung oder über die Straffreiheit der Opfer von Menschenhandel und zur Trennung von Schutz der Opfer und Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden vorzusehen, die derzeit die gesamte Beweislast auf das Opfer übertragen; fordert, dass die Mitgliedstaaten stattdessen den Bedürfnissen der Opfer in Bezug auf psychologische Unterstützung gerecht werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass die Unterstützung und Betreuung eines Opfers nicht von dessen Bereitschaft, bei den strafrechtlichen Ermittlungen, der strafrechtlichen Verfolgung oder beim Gerichtsverfahren zu kooperieren, abhängig gemacht wird, in Übereinstimmung mit Artikel 11 der Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels;

60.

bedauert, dass Daten über die Identität der Opfer von Menschenhandel in Polizeiberichten und während des gesamten Verfahrens offengelegt werden, was es den Opfern erschwert, sich zu äußern oder es erschwert, sie vor Vergeltungsmaßnahmen zu schützen; legt den Mitgliedstaaten nahe, die Namen und anderen Daten über die Identität der Opfer in getrennten Dateien zu speichern, die der Polizei und der Staatsanwaltschaft zugänglich sind, aber nicht an die mutmaßlichen Menschenhändler oder ihre Anwälte weitergegeben werden dürfen, wobei das Recht auf ein faires Verfahren zu wahren ist;

61.

hebt den Stellenwert der Finanzermittlungen und der Verfolgung der Geldkanäle als zentrale Strategie hervor, um gegen die Netzwerke der organisierten Kriminalität, die vom Menschenhandel profitieren, Untersuchungen und Strafverfolgungsmaßnahmen einzuleiten; fordert die Mitgliedstaaten auf, Finanzermittlungen einzuleiten und mit Sachverständigen im Bereich Geldwäsche zusammenzuarbeiten, wenn eine neue Untersuchung von Menschenhandelsfällen eingeleitet wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Zusammenarbeit beim Einfrieren und der Einziehung der Vermögenswerte von Personen, die am Menschenhandel beteiligt sind, und bei der Entschädigung der Opfer zu verstärken, unter anderem durch die Verwendung von eingezogenen Erträgen zur Unterstützung und zum Schutz der Opfer, wie in Erwägungsgrund 13 der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels angeregt wird; fordert die Kommission auf, die Nutzung der bestehenden justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit und der bestehenden Instrumente, wie der gegenseitigen Anerkennung von Gerichtsurteilen, gemeinsame Ermittlungsgruppen und der Europäischen Ermittlungsanordnung, zu fördern; fordert in diesem Sinne einen verstärkten ganzheitlichen Ansatz, mit dem darauf abgezielt wird, in allen Bereichen wie Migration, Beschäftigung, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und vielen anderen ein gemeinsames Denken zu fördern;

Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und mit den Agenturen der EU

62.

weist auf die Rolle der EU-Agenturen bei der frühzeitigen Erkennung von Opfern und der Bekämpfung des Menschenhandels hin; fordert mehr Mittel für die EU-Agenturen im Bereich Justiz und Inneres (JI), damit deren Mitarbeiter geschult und Instrumente zum Kapazitätsaufbau im Bereich der Ermittlung von Opfern entwickelt werden können, wozu auch die Einstellung von in geschlechts- und kinderspezifischen Fragen geschulten Bediensteten gehört, und zwar insbesondere in den Mitgliedstaaten, in denen eine Zunahme gemischter Migrationsströme zu verzeichnen ist; fordert die Kommission auf, Leitlinien auszuarbeiten, um geschlechter- und menschenrechtsbezogenes Fachwissen in die Tätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden in der EU einfließen zu lassen, u. a. durch die Entwicklung nachhaltiger Programme zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Männern und Frauen in Entscheidungsprozessen und bei der Stellenbesetzung in den — insbesondere für den Menschenhandel relevanten — JI-Agenturen;

63.

begrüßt, dass die JI-Agenturen eine gemeinsame Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Menschenhandels abgegeben haben; fordert in diesem Zusammenhang, dass die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung des Menschenhandels die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und den Wissensaustausch mit den einschlägigen EU-Agenturen intensivieren, darunter Eurojust, Europol, die FRA, Frontex, CEPOL, das EIGE und das EASO;

64.

weist auf die entscheidende Rolle hin, die Eurojust bei der Zusammenarbeit und Koordinierung komplexer Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen der Justizbehörden in den Mitgliedstaaten spielt, unter anderem durch den Europäischen Haftbefehl und die Europäische Ermittlungsanordnung sowie durch den Einsatz gemeinsamer Ermittlungsgruppen; fordert die Mitgliedstaaten auf, Fälle des Menschenhandels öfter und schneller an Eurojust zu verweisen, um die Koordinierung der Ermittlungen und der Strafverfolgung zwischen den Mitgliedstaaten und mit Drittländern zu verbessern; begrüßt den verstärkten Einsatz von gemeinsamen Ermittlungsgruppen mit Unterstützung von Eurojust und Europol, da sich dieses Instrument der justiziellen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Menschenhandels als besonders wirksam erwiesen hat;

65.

legt den Mitgliedstaaten nahe, den Daten- und Informationsaustausch bei der Bekämpfung des Menschenhandels zu verstärken, indem sie die einschlägigen Ressourcen und Datenbanken von Europol nutzen;

66.

fordert die CEPOL auf, Schulungen für die zuständigen Strafverfolgungsbehörden anzubieten, um für standardisierte Vorgehensweisen bei Ermittlungen und beim Schutz von Opfern zu sorgen;

Empfehlungen

67.

fordert die Kommission auf, die Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels nach einer gründlichen Folgenabschätzung zu überarbeiten, um die Maßnahmen zur Prävention, Bekämpfung und Verfolgung aller Formen des Menschenhandels, insbesondere der sexuellen Ausbeutung, die den größten Bereich des Menschenhandels ausmacht, zu verbessern; fordert sie ferner auf, der Nutzung von Online-Technologien sowohl bei der Verbreitung als auch bei der Prävention von Menschenhandel Rechnung zu tragen; fordert sie außerdem auf, die Maßnahmen zur Prävention und zur frühzeitigen Ermittlung von Opfern zu verbessern, für einen bedingungslosen und unkomplizierten Zugang zu Unterstützung und Schutz zu sorgen und dabei bereichsübergreifend geschlechts- und kinderspezifische Aspekte bei allen Formen des Menschenhandels stärker zu berücksichtigen;

68.

fordert die Kommission auf, die Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels dahingehend zu ändern, dass die wissentliche Inanspruchnahme aller von Opfern des Menschenhandels erbrachten Dienste, die mit Ausbeutung einhergehen, von den Mitgliedstaaten ausdrücklich unter Strafe gestellt wird, wie es in Artikel 18 der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels vorgesehen ist, zumal diese Straftat ein gravierendes, in der gesamten EU weit verbreitetes Phänomen ist, das vergleichsweise selten verfolgt wird; bedauert, dass es für die Strafverfolgungsbehörden schwierig ist, die Inanspruchnahme von Diensten, die von Opfern des Menschenhandels erbracht wurden, nachzuweisen; betont, dass Schwierigkeiten bei der Beweisfindung nicht unbedingt als schlüssige Begründung dafür herangezogen werden können, bestimmte Verhaltensweisen nicht als strafbare Handlungen anzusehen; stellt fest, dass die Beschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf Fälle, in denen der Kunde unmittelbar und tatsächlich Kenntnis davon hat, dass die betroffene Person Opfer von Menschenhandel ist, die Strafverfolgung vor große Hürden stellt; ist der Ansicht, dass der Kenntnisstand, der erforderlich sein sollte, damit der Straftatbestand als erfüllt gilt, eingehend geprüft werden sollte; ist der Ansicht, dass Personen, die Dienste in Anspruch nehmen, nachweisen sollten, dass sie alle zumutbaren Schritte unternommen haben, um sicherzugehen, dass sie keine Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die von einem Opfer des Menschenhandels erbracht werden; ist besorgt über die Tatsache, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht über genügend Kenntnisse bezüglich der wissentlichen Inanspruchnahme der von Opfern des Menschenhandels bereitgestellten Dienste verfügen, sowie über die mangelnde gerichtliche Praxis in Bezug auf die entsprechende Bestimmung und über die unzureichende und unsachgemäße Personalausstattung; betont, dass die Mitgliedstaaten größere Anstrengungen zur Erhöhung der Anzahl der Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen unternehmen und die während der Beweiserhebungsverfahren auf den Opfern und ihren Zeugen ruhende Last verringern müssen; fordert regelmäßige und maßgeschneiderte Schulungen für Ermittler, Staatsanwälte und Richter und den systematischen Einsatz von Finanzuntersuchungen und anderen wirksamen erkenntnisgestützten Ermittlungsinstrumenten, die zusätzlich zu den Zeugenaussagen der Opfer eine Vielzahl von Beweismitteln hervorbringen können; fordert die Mitgliedstaaten auf, ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen bereitzustellen, damit ordnungsgemäß gegen diese Straftat vorgegangen wird;

69.

fordert die Kommission auf, unverzüglich eine spezifische Strategie der EU zur Beseitigung des Menschenhandels zu veröffentlichen und den Menschenhandel in der EU im Wege eines umfassenden rechtlichen und politischen Rahmens, der geschlechts- und kinderspezifisch ist und die Opfer in den Mittelpunkt stellt, vorrangig anzugehen;

70.

weist erneut darauf hin, dass die Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels vollständig umgesetzt und von allen Akteuren in diesem Bereich, einschließlich Gesetzgebern, Richtern, Staatsanwälten, Polizei und Behörden, kohärent und gewissenhaft angewendet werden muss; betont, dass die geeignete Schulung all dieser Akteure wesentlich ist, ebenso wie Sensibilisierungskampagnen zur Prävention und die Zusammenarbeit zwischen Behörden und den Organisationen der Zivilgesellschaft; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, ihre Anstrengungen in dieser Hinsicht zu verstärken;

71.

fordert die Kommission auf, die Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels durch die Mitgliedstaaten regelmäßig zu bewerten und einen Bericht gemäß Artikel 23 Absatz 1 vorzulegen, in dem bewertet wird, inwieweit die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergriffen haben, um dieser Richtlinie nachzukommen, und wie sich die geltenden nationalen Vorschriften auswirken, und umgehend Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn es an einer wirksamen Umsetzung mangelt, dem Parlament Bericht zu erstatten und Vorschläge zu ihrer Überarbeitung vorzulegen;

72.

fordert die Kommission auf, eine Überarbeitung der Richtlinie über Aufenthaltstitel zu überprüfen und dafür zu sorgen, dass die Opfer nach Ablauf der Bedenkzeit nicht zurückgeschickt werden, und dass die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Opfer von Menschenhandel nicht von ihrer Teilnahme oder Bereitschaft zur Teilnahme an den Ermittlungen oder dem Strafverfahren des jeweiligen Falls abhängig gemacht wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass der in der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels vorgeschriebene Zugang zu Unterstützung und Betreuung ohne Vorbedingung mit der Richtlinie über Aufenthaltstitel und ihrer Umsetzung in Einklang gebracht wird;

73.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ausreichende Mittel für die Bekämpfung des Menschenhandels entweder auf einzelstaatlicher oder auf EU-Ebene festzulegen, zuzuweisen und bereitzustellen, und zwar über die Finanzierungsmöglichkeiten der europäischen Fonds und Projekte, z. B. den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF), den Fonds für die innere Sicherheit und den Aktionsbereich „Daphne“ des Programms „Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ im Rahmen des neuen mehrjährigen Finanzrahmens;

74.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Informationskampagnen zu organisieren, die sich an potenzielle Opfer richten und sie über Unterstützungs- und Schutzangebote sowie ihre Rechte in allen EU-Staaten informieren;

75.

fordert die Kommission auf, evidenzbasierte Untersuchungen zu den Risikofaktoren für potenzielle Opfer und zu der Frage durchzuführen, wie sich die verschiedenen Politikbereiche mit dem Menschenhandel in Risikosektoren überschneiden;

76.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, einen menschenrechtsbasierten Ansatz zur Verhütung des Menschenhandels mit Schwerpunkt auf den Rechten der Opfer umzusetzen, mit der Zivilgesellschaft bei der Bereitstellung der erforderlichen Dienstleistungen und Unterstützung für die Opfer zusammenzuarbeiten und sicherzustellen, dass diese Zugang zur Justiz, zu Entschädigungen und zu Wiedergutmachungen haben;

77.

betont, dass ein kohärenter Ansatz wichtig ist, um die Ermittlung potenzieller Opfer im Kontext von Migrationsströmen und in den Hotspots zu verbessern, für einen besseren Zugang zu Asylverfahren zu sorgen und deren Komplementarität mit den Verfahren im Zusammenhang mit dem Menschenhandel sicherzustellen; fordert die Kommission auf, die Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels zu bewerten und Vorschläge zu ihrer Überarbeitung vorzulegen;

78.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass geschleuste Personen Opfer von Menschenhandel werden, Sofortmaßnahmen gegen kriminelle Gruppen zu ergreifen, die im Bereich der Schleusung von Migranten und im Menschenhandel aktiv sind, und das Risiko zu beurteilen, dem Migranten und insbesondere unbegleitete Minderjährige und von ihren Familienangehörigen getrennte Kinder und Frauen ausgesetzt sind; unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass es mehr legale und sichere Migrationsrouten geben muss, wenn es gilt, die Ausbeutung schutzbedürftiger Personen mit irregulärem Status zu verhindern;

79.

fordert die Mitgliedstaaten auf, als Reaktion auf COVID-19 einen Notfallplan auszuarbeiten, um die Mindestfunktionsfähigkeit der Systeme zur Bekämpfung des Menschenhandels unter Notfallbedingungen zu gewährleisten; nimmt zur Kenntnis, dass mit dem Notfallplan für ein Mindestangebot an Dienstleistungen gesorgt werden sollte, das den Opfern zur Befriedigung ihrer unmittelbaren Bedürfnisse in solchen Zeiten zur Verfügung steht, wenn nur eingeschränkte Möglichkeiten im Hinblick auf die Befassung, den Schutz, die Untersuchung des Falles und das Gerichtsverfahren zur Verfügung stehen;

80.

fordert die Kommission auf, die Kontinuität der Tätigkeit des EU-Koordinators für die Bekämpfung des Menschenhandels sicherzustellen und dazu einen EU-Koordinator für die Bekämpfung des Menschenhandels in Vollzeit zu ernennen und dies in die neue Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels aufzunehmen;

o

o o

81.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1.

(2)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0066.

(3)  ABl. L 315 vom 14.11.2012, S. 57.

(4)  ABl. L 18 vom 21.1.2012, S. 7.

(5)  ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24.

(6)  ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 9.

(7)  ABl. L 261 vom 6.8.2004, S. 19.

(8)  ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 17.

(9)  ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1.

(10)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0286.

(11)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0080.

(12)  ABl. C 101 vom 16.3.2018, S. 47.

(13)  ABl. C 76 vom 28.2.2018, S. 61.

(14)  ABl. C 285 vom 29.8.2017, S. 78.

(15)  Bewertung der europäischen Umsetzung — „Implementation of Directive 2011/36/EU: Migration and gender issues“ (Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU: Migration und geschlechterspezifische Fragen), Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst, Referat Ex-post-Bewertung, 15. September 2020.

(16)  Dritter Bericht der Europäischen Kommission über die Fortschritte bei der Bekämpfung des Menschenhandels (2020) gemäß Artikel 20 der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer COM(2020)0661.

(17)  COM(2020)0661.

(18)  Data Collection on Trafficking in Human Beings in the EU (Datenerhebung zum Menschenhandel in der EU) 2020.

(19)  COM(2020)0661, S. 1.

(20)  COM(2020)0661, S. 1.

(21)  www.europol.europa.eu/publications-documents/challenges-of-countering-human-trafficking-in-digital-era

(22)  www.europol.europa.eu/publications-documents/challenges-of-countering-human-trafficking-in-digital-era

(23)  Studie über die wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Kosten des Menschenhandels in der EU (2020).

(24)  Severe labour exploitation: workers moving within or into the European Union (Schwere Formen der Arbeitsausbeutung: Arbeitnehmer, die innerhalb der EU umziehen oder in die EU einwandern) http://fra.europa.eu/en/publication/2015/severe-labour-exploitation-workers-moving-within-or-european-union

(25)  Richtlinie 2004/80/EG des Rates vom 29. April 2004 zur Entschädigung der Opfer von Straftaten (ABl. L 261 vom 6.8.2004, S. 15).

(26)  Zu den Empfehlungen der Expertengruppe für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) des Europarates gehört, dass die Anwendung des nationalen Verweismechanismus auf Asylbewerber und Personen in Abschiebehaft sichergestellt werden muss.

(27)  Data Collection on Trafficking in Human Beings in the EU (Datenerhebung zum Menschenhandel in der EU), 2020.

(28)  Europol-Lagebericht „Trafficking in Human Beings in the EU“ (Menschenhandel in der EU), 18. Februar 2016.

(29)  COM(2018)0777, S. 6.

(30)  COM(2018)0777, S. 6.

(31)  Dritter Bericht der Europäischen Kommission über die Fortschritte bei der Bekämpfung des Menschenhandels (2020) gemäß Artikel 20 der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels, COM(2020)0661.

(32)  COM(2020)0661.

(33)  Zweiter Fortschrittsbericht, COM(2018)0777, S. 3.

(34)  Bewertung der europäischen Umsetzung — „Implementation of Directive 2011/36/EU: Migration and gender issues“ (Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU: Migrations- und Gleichstellungsaspekte), Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst, Referat Ex-post-Bewertung, 15. September 2020, S. 49.

(35)  9. Gesamtbericht über die Tätigkeiten der Expertengruppe für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA), S. 57.

(36)  4. Jahresbericht des Europäischen Zentrums von Europol zur Bekämpfung der Migrantenschleusung (2020).

(37)  Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der schweren und organisierten Kriminalität 2017 (SOCTA).

(38)  Europol, Europäisches Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung, Vierter Jährlicher Tätigkeitsbericht — 2020.

(39)  Zweiter Fortschrittsbericht, COM(2018)0777, S. 29.


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/47


P9_TA(2021)0042

Umsetzung von Artikel 43 der Asylverfahrensrichtlinie

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu der Umsetzung von Artikel 43 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (2020/2047(INI))

(2021/C 465/05)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, sowie auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes,

unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK),

unter Hinweis auf das Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 und das dazugehörige Protokoll von 1967 sowie insbesondere das Recht auf Nichtzurückweisung,

unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“), insbesondere die Artikel 1, 3, 4, 6, 7, 18, 19, 20 und 47,

unter Hinweis auf den globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, der am 19. Dezember 2018 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde,

unter Hinweis auf Artikel 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (1) (Asylverfahrensrichtlinie),

unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Richtlinie über Aufnahmebedingungen) (2),

unter Hinweis auf die vorläufige Einigung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat vom 14. Juni 2018 über die Neufassung der Richtlinie über Aufnahmebedingungen,

unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (3),

unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist („Dublin-III-Verordnung“) (4),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 16. April 2020 mit dem Titel „COVID-19: Hinweise zur Umsetzung der einschlägigen EU-Bestimmungen im Bereich der Asyl- und Rückführungsverfahren und zur Neuansiedlung“ (C(2020)2516),

unter Hinweis auf die Evaluierung der europäischen Umsetzung der Asylverfahren an der Grenze durch den Wissenschaftlichen Dienst des Europäischen Parlaments (EPRS) von November 2020 (5),

unter Hinweis auf die Studie des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom September 2020 mit dem Titel „Border Procedures for Asylum Applications in EU+ Countries“ (Verfahren an der Grenze für Asylanträge in EU+-Ländern) und auf die EASO-Veröffentlichung vom September 2019 mit dem Titel „Guidance on asylum procedure: operational standards and indicators“ (Leitlinien zum Asylverfahren: operative Standards und Indikatoren),

unter Hinweis auf den Grundrechtebericht 2020 der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA),

unter Hinweis auf die Stellungnahme der FRA 3/2019 vom 4. März 2019 mit dem Titel „Update of the 2016 Opinion of the European Union Agency for Fundamental Rights on fundamental rights in the ‚hotspots‘ set up in Greece and Italy“ (Update der Stellungnahme der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte von 2016 über Grundrechte an den „Hotspots“ in Griechenland und Italien),

unter Hinweis auf den Bericht der FRA vom 8. Dezember 2020 mit dem Titel „Migration: Fundamental Rights Challenges at Land Borders“ (Migration: Herausforderungen für die Grundrechte an den Landesgrenzen),

unter Hinweis auf die empfohlenen Grundsätze und Richtlinien über die Menschenrechte an internationalen Grenzen des Amtes des Hohen Kommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen,

unter Hinweis auf die Interinstitutionelle Vereinbarung von 2016 über bessere Rechtsetzung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 30. Mai 2018 zur Auslegung und Umsetzung der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung (6),

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres vom 22. Mai 2018 für den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 2013/32/EU,

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung sowie auf Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e und Anlage 3 des Beschlusses der Konferenz der Präsidenten vom 12. Dezember 2002 zum Verfahren für die Genehmigung der Ausarbeitung von Initiativberichten,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0005/2021),

A.

in der Erwägung, dass mit dieser Entschließung das Ziel verfolgt wird, den gesetzgebenden Organen faktengestützte Informationen über die derzeitige Anwendung von Grenzverfahren zur Verfügung zu stellen, indem bewertet wird, wie die Mitgliedstaaten Artikel 43 der Asylverfahrensrichtlinie und die damit zusammenhängenden Bestimmungen umsetzen; in der Erwägung, dass diese Entschließung weder den überfälligen ausführlichen Bericht über die Umsetzung der Asylverfahrensrichtlinie durch die Kommission noch die legislativen Verhandlungen über den neuen geänderten Vorschlag für eine Asylverfahrensverordnung ersetzen soll;

B.

in der Erwägung, dass aufgeschlüsselte und vergleichbare Daten über die Umsetzung von Artikel 43 der Asylverfahrensrichtlinie häufig nicht erhoben werden oder nicht öffentlich zugänglich sind; in der Erwägung, dass keine Daten zu den finanziellen Kosten im Zusammenhang mit Verfahren an der Grenze verfügbar sind; in der Erwägung, dass der Freiheitsentzug erhebliche menschliche Kosten für Einzelpersonen verursachen kann, insbesondere wenn die Gewahrsamseinrichtungen an den Grenzen unzureichend sind oder wenn Verfahrensgarantien nicht oder nur unzureichend angewandt werden;

C.

in der Erwägung, dass die Asylverfahrensrichtlinie weder eine klare Definition der Verfahren an der Grenze enthält noch deren Ziele präzisiert; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 43 Absatz 1 der Asylverfahrensrichtlinie Verfahren an der Grenze anwenden können; in der Erwägung, dass 14 Mitgliedstaaten über ein Verfahren an der Grenze verfügen und dass drei der Mitgliedstaaten, die in der europäischen Umsetzungsbewertung des EPRS aufgeführt sind, sich auf Gründe stützen, die über die Asylverfahrensrichtlinie hinausgehen; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten unter genau festgelegten Umständen Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit und/oder Begründetheit von Anträgen an der Grenze oder in einer Transitzone vorsehen können; in der Erwägung, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten an der Grenze oder in Transitzonen auch über die Anwendbarkeit eines Dublin-Verfahrens entscheidet; in der Erwägung, dass Verfahren an der Grenze nur einen geringen Prozentsatz der Arbeitsbelastung der Asylbehörden ausmachen, was allerdings nicht für Griechenland gilt, wo infolge der Erklärung EU-Türkei mehr als 50 % der Anträge in einem beschleunigten Verfahren bearbeitet werden;

D.

in der Erwägung, dass in Artikel 43 der Asylverfahrensrichtlinie nicht ausdrücklich festgelegt ist, an welchen Grenzen die Mitgliedstaaten Verfahren an der Grenze anwenden können; in der Erwägung, dass in der europäischen Umsetzungsbewertung des EPRS festgestellt wird, dass der Begriff „Grenze“ im oben genannten Artikel so zu verstehen ist, dass er die Außengrenzen der EU bezeichnet; in der Erwägung, dass zwei Mitgliedstaaten auch Grenzverfahren an den Binnengrenzen anwenden und Antragsteller in polizeilichen Einrichtungen in Gewahrsam nehmen;

E.

in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten Asylbewerber ohne Rechtsgrundlage im nationalen Recht im Rahmen von Grenzverfahren in Gewahrsam nehmen; in der Erwägung, dass dies neben unzureichenden Garantien für Antragsteller auch dazu führen kann, dass Mitgliedern des Parlaments das Besuchsrecht verweigert wird;

F.

in der Erwägung, dass die Ingewahrsamnahme im Rahmen von Verfahren an der Grenze denselben Regeln unterliegt wie die Ingewahrsamnahme von Antragstellern an einem anderen Ort im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats; in der Erwägung, dass in der Richtlinie über Aufnahmebedingungen festgelegt ist, dass Antragsteller nur als letztes Mittel in Gewahrsam genommen werden dürfen, nachdem alle alternativen Maßnahmen zum Freiheitsentzug ordnungsgemäß geprüft worden sind, und dass die Ingewahrsamnahme auf den Grundsätzen der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit beruhen muss; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten von Amts wegen und/oder auf Antrag des Antragstellers für eine zügige gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme sorgen müssen, wenn diese von einer Verwaltungsbehörde angeordnet wird; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten nach dem geltenden Rechtsrahmen auch alles daran setzen müssen, Minderjährige aus dem Gewahrsam zu entlassen und sie in einer für Minderjährige geeigneten Unterkunft unterzubringen;

G.

in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten trotz der erheblichen Zunahme mutmaßlicher Grundrechtsverletzungen an den Außengrenzen der EU nicht verpflichtet sind, einen unabhängigen Überwachungsmechanismus einzurichten, der den Schutz der Grundrechte an den Außengrenzen gewährleistet;

H.

in der Erwägung, dass Drittstaatsangehörige und Staatenlose bei Verfahren an der Grenze klare Informationen und angemessene Unterstützung — insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen — erhalten sollten, was auch Rechtsberatung und Verdolmetschung umfasst;

I.

in der Erwägung, dass in der europäischen Umsetzungsbewertung des EPRS festgestellt wurde, dass die in der Asylverfahrensrichtlinie vorgesehenen Verfahrensgarantien, insbesondere das Recht auf Information, Rechtsberatung und Verdolmetschung, von den in der Bewertung untersuchten Mitgliedstaaten in der Praxis nicht oder nur restriktiv angewandt werden;

J.

in der Erwägung, dass in der europäischen Umsetzungsbewertung des EPRS mehrere Fälle von Verstößen gegen die Asylverfahrensrichtlinie aufgezeigt werden; in der Erwägung, dass die Kommission nur gegen zwei Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat;

Allgemeine Bemerkungen

1.

weist darauf hin, dass die Kommission im Zuge der Vorbereitung des neuen Migrations- und Asylpakets Interessenträger konsultiert und sich mit dem Parlament und den Mitgliedstaaten ausgetauscht hat; betont jedoch, dass die Kommission trotz ihrer gesetzlichen Berichtspflicht und der Anforderungen, die sich aus der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung ergeben, nie einen Umsetzungsbericht zur Asylverfahrensrichtlinie vorgelegt hat und dass sie 2016 und 2020 Vorschläge für eine Asylverfahrensverordnung vorgelegt hat, ohne eine Folgenabschätzung vorzusehen; erwartet, dass die Kommission diesen Bericht vorlegt, der seit 2017 überfällig ist;

2.

hält es nach wie vor für wichtig, dass bei einer kohärenten politischen Entscheidungsfindung ein evidenzbasierter Ansatz angewendet wird;

3.

weist darauf hin, dass Überwachung und statistische Daten von wesentlicher Bedeutung sind, damit die Einhaltung des Unionsrechts sichergestellt werden kann; fordert die Mitgliedstaaten auf, weitere statistische Daten über i) die Anzahl der in Verfahren an der Grenze geprüften Asylanträge und die Kategorie der Antragsteller, ii) die Gründe für die Anwendung des Verfahrens an der Grenze und deren Häufigkeit, iii) die Ergebnisse der Verfahren an der Grenze — sowohl in erster als auch in zweiter Instanz — und iv) Anzahl und Kategorien von Personen, die nicht in das Verfahren an der Grenze geleitet werden, zu erheben;

Anwendungsbereich

4.

hebt hervor, dass Verfahren an der Grenze derzeit Ausnahmen von der gesetzlich festgelegten Regel darstellen, dass Asylbewerber das Recht haben, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen; weist darauf hin, dass Anträge auf internationalen Schutz oftmals an der Grenze oder in Transitzonen eines Mitgliedstaats gestellt werden, bevor eine Entscheidung über die Einreise des Antragstellers vorliegt; stellt fest, dass die Mitgliedstaaten in diesen Fällen Verfahren an der Grenze nur in den Fällen vorsehen können, die in Artikel 31 Absatz 8 und Artikel 33 der Asylverfahrensrichtlinie erschöpfend aufgeführt sind und im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien des Kapitels II der Asylverfahrensrichtlinie stehen; weist darauf hin, dass die Umsetzung und Anwendung der Verfahren an der Grenze im Rahmen der Asylverfahrensrichtlinie von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ist, was zu einem Mangel an Einheitlichkeit in der EU führt; nimmt zur Kenntnis, dass die meisten Mitgliedstaaten Verfahren an der Grenze nur in einer begrenzten Anzahl von Fällen anwenden und dass mehrere Mitgliedstaaten grundsätzlich davon Abstand nehmen, Verfahren an der Grenze anzuwenden; betont jedoch, dass drei der sieben Mitgliedstaaten, die in der europäischen Umsetzungsbewertung des EPRS untersucht wurden, Verfahren an der Grenze anwenden, die über die in Artikel 43 der Asylverfahrensrichtlinie genannten Gründe hinausgehen, und fordert sie auf, davon abzusehen; fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, davon abzusehen, Grenzverfahren an den Binnengrenzen anzuwenden;

5.

weist darauf hin, dass alle Personen, die einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, ein Interesse daran haben, dass ihr Antrag so rasch und effizient wie möglich bearbeitet wird, wobei alle Anträge einer individuellen Bewertung zu unterziehen sind und sichergestellt sein muss, dass die Verfahrensgarantien und Rechte, die den Antragstellern gemäß Unionsrecht zustehen, zur Anwendung kommen und wirksam wahrgenommen werden können;

Rechtliche Fiktion der Nichteinreise und Gewahrsam

6.

erinnert daran, dass Verfahren an der Grenze die Prüfung eines Asylantrags an der Grenze oder in einer Transitzone vor einer Entscheidung über die Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erfordern; bekräftigt, dass die Einreiseverweigerung gemäß dem Schengener Grenzkodex die Anwendung besonderer Bestimmungen über das Asylrecht und das Recht auf internationalen Schutz unberührt lassen muss; stellt fest, dass die Mitgliedstaaten daher verpflichtet sind, zu prüfen, ob ein Asylbewerber Schutz benötigt;

7.

weist ferner darauf hin, dass es Antragstellern gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Asylverfahrensrichtlinie gestattet ist, im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu verbleiben, auch an der Grenze oder in Transitzonen, an der bzw. in denen der Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist;

8.

weist darauf hin, dass der Umstand, dass ein Antragsteller nicht rechtmäßig in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats eingereist ist, während er sich tatsächlich in diesem Hoheitsgebiet aufhält, eine rechtliche Fiktion darstellt; betont, dass sich diese rechtliche Fiktion ausschließlich auf das Recht auf Einreise und Aufenthalt auswirkt, aber nicht bedeutet, dass der Antragsteller nicht der Gerichtsbarkeit des betreffenden Mitgliedstaats unterliegt;

9.

hebt hervor, dass Antragsteller, die einem Verfahren an der Grenze unterzogen werden, während der Prüfung ihres Asylantrags wahrscheinlich in Gewahrsam genommen werden; weist ferner darauf hin, dass alle Mitgliedstaaten, die im Rahmen der europäischen Umsetzungsbewertung des EPRS untersucht wurden, Asylbewerber im Rahmen von Verfahren an der Grenze in Gewahrsam nehmen;

10.

bekräftigt, dass Mitgliedstaaten — wie in der Richtlinie über Aufnahmebedingungen festgelegt — eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen dürfen, weil sie einen Antrag gestellt hat, und dass Antragsteller nur unter ganz klar festgelegten außergewöhnlichen Umständen in Gewahrsam genommen werden dürfen; erinnert an seine gemeinsame vorläufige Einigung mit dem Rat über die Neufassung der Richtlinie über Aufnahmebedingungen, wonach die Mitgliedstaaten einen Antragsteller nicht aufgrund ihrer/seiner Staatsangehörigkeit in Gewahrsam nehmen dürfen; betont, dass in der Richtlinie über Aufnahmebedingungen festgelegt ist, dass die Inhaftnahme eines Antragstellers lediglich als letztes Mittel, für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange eingesetzt werden darf, wie die in Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie über Aufnahmebedingungen genannten Gründe gegeben sind, und dass in Gewahrsam genommenen Personen die Möglichkeit gegeben werden muss, einen Rechtsbehelf gegen ihren Freiheitsentzug einzulegen; bekräftigt, dass das Recht auf Freiheit gemäß Artikel 6 der Charta und Artikel 5 EMRK auch an den Grenzen der EU gilt; bedauert, dass kaum Alternativen zum Freiheitsentzug entwickelt und in Verfahren an der Grenze angewandt wurden, und fordert die Mitgliedstaaten auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Alternativen zur Inhaftnahme zur Verfügung stehen;

11.

ist besorgt darüber, dass einige Mitgliedstaaten Asylbewerber in Verfahren an der Grenze ohne eine einschlägige Rechtsgrundlage für einen Freiheitsentzug im Rahmen von Verfahren an der Grenze nach nationalem Recht in Gewahrsam nehmen, da dies zu unzureichenden Garantien führen kann; betont, dass Mitgliedstaaten, die sich für eine Ingewahrsamnahme entscheiden, im nationalen Recht eine Rechtsgrundlage dafür schaffen sollten;

12.

weist erneut darauf hin, dass der EuGH in den verbundenen Rechtssachen C-924/19 PPU und C-925/19 PPU entschied, dass selbst dann, wenn ein Antragsteller eine Transitzone in Richtung eines Drittlands verlassen darf, diese Situation als Ingewahrsamnahme einzustufen sein kann;

13.

äußert sich zutiefst besorgt über Berichte über schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte und unzumutbare Bedingungen des Gewahrsams in Transitzonen oder in Gewahrsamseinrichtungen in Grenzgebieten; fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, im Einklang mit den in der Richtlinie über Aufnahmebedingungen festgelegten Mindestnormen für menschenwürdige Aufnahmebedingungen in den Einrichtungen an der Grenze zu sorgen; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in Gewahrsam befindliche Antragsteller unter uneingeschränkter Achtung ihrer Menschenwürde behandelt werden sollten;

14.

weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Asylverfahrensrichtlinie gemäß der Charta und dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes von 1989 das Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigen sollten; stellt fest, dass der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes klargestellt hat, dass Kinder niemals aufgrund von Einwanderung in Gewahrsam genommen werden sollten; bekräftigt seinen Standpunkt in Bezug auf die Asylverfahrensverordnung, wonach Minderjährige niemals im Rahmen von Verfahren an der Grenze in Gewahrsam genommen werden sollten und dass das Verfahren an der Grenze nur auf Minderjährige angewandt werden darf, wenn eine Alternative zu ihrer Ingewahrsamnahme zur Verfügung steht; fordert die Mitgliedstaaten, die derzeit das Verfahren an der Grenze auf Minderjährige anwenden, auf, im Einklang mit dem Wohl des Kindes alternative Maßnahmen zum Freiheitsentzug einzuführen; fordert die Mitgliedstaaten auf, Verfahren an der Grenze nur dann anzuwenden, wenn solche Alternativen zum Freiheitsentzug vorhanden sind;

Einreiseverweigerung und Überwachung

15.

hebt die jüngsten Erkenntnisse der FRA hervor, insbesondere die Tatsache, dass die Zahl der mutmaßlichen Vorfälle von Grundrechtsverletzungen, die an den Außengrenzen gemeldet wurden, in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat; stellt fest, dass dies zahlreiche Fälle einschließt, in denen Personen die Einreise verweigert wird, ohne dass ihre Asylanträge registriert würden, auch im Zusammenhang mit Verfahren an der Grenze; bekräftigt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, unbefugte Grenzübertritte zu verhindern, und erinnert daran, dass diese Verpflichtung die Rechte von Personen, die internationalen Schutz beantragen, unberührt lässt; stimmt mit der FRA darin überein, dass die Regelmäßigkeit und die Schwere dieser mutmaßlichen Vorfälle ein ernstes grundrechtliches Problem darstellen; bekräftigt, dass automatische Einreiseverweigerung, Zurückweisung und Kollektivausweisungen nach Unions- und Völkerrecht nicht zulässig sind; betont ferner, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 8 der Asylverfahrensrichtlinie verpflichtet sind, Personen über die Möglichkeit zu informieren, Asyl zu beantragen, wenn Hinweise darauf vorliegen, dass diese Personen Schutz benötigen, und dass Personen, denen die Einreise verweigert wird, im Einklang mit dem EU-Recht und der EMRK Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf erhalten müssen; bedauert alle Fälle, in denen die Mitgliedstaaten ihre diesbezüglichen Verpflichtungen nicht einhalten, und fordert sie auf, diesen Verpflichtungen uneingeschränkt nachzukommen; fordert die Kommission auf, wirksam dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten diese Verpflichtungen einhalten, unter anderem durch die Aussetzung von Zahlungen der EU in Fällen schwerwiegender Mängel;

16.

hält es für wichtig, einen unabhängigen Mechanismus zur Überwachung einzurichten, und fordert die Mitgliedstaaten auf, Überwachungsgremien uneingeschränkten Zugang zu Grenzanlagen zu gewähren, um den wirksamen Schutz der Grundrechte und die systematische Meldung von Verstößen im Sinne der Empfehlungen sicherzustellen, die die FRA in ihrem Bericht über Herausforderungen für die Grundrechte an den Landesgrenzen abgegeben hat; vertritt die Auffassung, dass die unabhängige Überwachung sich auch auf die Qualität und das Ergebnis des Entscheidungsprozesses sowie auf die Bedingungen des Gewahrsams und die Einhaltung der Verfahrensgarantien erstrecken sollte; ist der Ansicht, dass unabhängige und kompetente nationale Menschenrechtsinstitutionen und nichtstaatliche Organisationen, EU-Agenturen wie die FRA sowie internationale Organisationen wie das UNHCR Teil der Überwachungsgremien sein sollten;

Unbegleitete Minderjährige und schutzbedürftige Antragsteller, die besondere Verfahrensgarantien im Grenzverfahren benötigen

17.

stellt fest, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 24 der Asylverfahrensrichtlinie innerhalb einer angemessenen Frist nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz prüfen müssen, ob es sich bei dem Antragsteller um einen Antragsteller handelt, der besondere Verfahrensgarantien benötigt, und dass sie das Verfahren an der Grenze nicht anwenden dürfen, wenn besagte Garantien innerhalb dieses Rahmens nicht erbracht werden können;

18.

betont, dass die Mitgliedstaaten zwar Mechanismen zur Ermittlung von Antragstellern, die besondere Verfahrensgarantien benötigen, eingerichtet haben, dass diese jedoch bei der Erkennung solcher Bedürfnisse häufig nicht wirksam sind und dass, wenn Bedürfnisse ermittelt werden, häufig nur sichtbare Bedürfnisse bewertet werden; stellt fest, dass die wirksame und rasche Ermittlung von Antragstellern, die besondere Verfahrensgarantien benötigen, nach wie vor eine Herausforderung darstellt; betont, dass schutzbedürftige Personen Anspruch darauf haben, dass ihre Bedürfnisse in Bezug auf besondere Verfahrensgarantien bewertet werden und dass ihnen, wenn Verfahren an der Grenze angewandt werden, angemessene Unterstützung im Rahmen des EU-Rechts gewährt wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass alle Antragsteller, die besondere Verfahrensgarantien benötigen, wirksam ermittelt werden und uneingeschränkten Zugang zu diesen besonderen Garantien und zu Unterstützung erhalten, wie es in der Richtlinie über Aufnahmebedingungen vorgesehen ist; betont, dass die Asylbehörde in Fällen, in denen im Rahmen des Verfahrens an der Grenze keine angemessene Unterstützung geleistet werden kann, oder wenn die Asylbehörde der Auffassung ist, dass der Antragsteller besondere Verfahrensgarantien benötigt, wobei den Opfern von Folter, Vergewaltigung oder anderen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer, sexueller oder geschlechtsbezogener Gewalt besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist, diese Verfahren nicht oder nicht mehr auf den Antragsteller anwenden darf;

19.

weist erneut darauf hin, dass Artikel 25 Absatz 6 Buchstabe b der Asylverfahrensrichtlinie eine eingeschränkte Liste von Umständen vorgibt, unter denen es Mitgliedstaaten erlaubt ist, den Antrag von unbegleiteten Minderjährigen in einem Verfahren an der Grenze zu bearbeiten; betont, dass die untersuchten Mitgliedstaaten keine angemessene Verfahren zur Altersbestimmung eingeführt haben; fordert die Mitgliedstaaten auf, für die Wahrung des Kindeswohls zu sorgen und Kinder, einschließlich der Opfer von Menschenhandel, zu schützen; betont, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Asylverfahrensrichtlinie die Option haben, unbegleitete Minderjährige von Verfahren an der Grenze auszunehmen und ihre Anträge gemäß dem regulären Asylverfahren zu bearbeiten; fordert die Mitgliedstaaten auf, unbegleitete Minderjährige von den Verfahren an der Grenze auszunehmen;

Verfahrensgarantien

20.

weist darauf hin, dass Verfahren an der Grenze beschleunigte Verfahren sind, und verweist darauf, dass gemäß Artikel 43 der Asylverfahrensrichtlinie Antragstellern in Verfahren an der Grenze die gleichen Rechte und Garantien zustehen wie Antragstellern in normalen Verfahren;

21.

betont, dass in allen untersuchten Mitgliedstaaten signifikante Probleme in Bezug auf den Zugang und die Qualität der Rechtsberatung gemeldet wurden; betont, dass Rechtsberatung von entscheidender Bedeutung ist, um faire Asylverfahren sicherzustellen; empfiehlt, bereits in erster Instanz unentgeltliche Rechtsberatung zu gewährleisten, sobald der Asylantrag registriert ist; fordert die Mitgliedstaaten auf, auch einen wirksamen Zugang zu Rechtsberatung in der Praxis zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass ausreichend qualifizierte Rechtsberater zur Verfügung stehen;

22.

weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Asylverfahrensrichtlinie die Option haben, nichtstaatlichen Organisation Zugang zum Verfahren an der Grenze zu gewähren, um Antragsteller zu unterstützen; bedauert, dass im Rahmen von Verfahren an der Grenze zahlreiche Mitgliedstaaten den genannten Zugang für spezialisierte nichtstaatliche Organisationen in Grenzeinrichtungen, an Grenzübergangsstellen und in Transitzonen nicht regeln, der eine wesentliche Rolle dabei spielen kann, die Rechts- und Verfahrensgarantien des jeweiligen Antragstellers sicherzustellen und die Qualität der erstinstanzlichen Entscheidungen zu verbessern;

23.

betont, dass Verfahren an der Grenze durch die Kombination von kurzen Verfahrensfristen und Ingewahrsamnahme gekennzeichnet sind; hält effiziente Verfahrensfristen für erforderlich, damit der vorübergehende Entzug der Bewegungsfreiheit im Falle der Ingewahrsamnahme von Personen so kurz wie möglich dauert; weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten kürzere, aber angemessene Fristen einführen können, unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung und des tatsächlichen Zugangs des Antragstellers zu den in der Asylverfahrensrichtlinie vorgesehenen grundlegenden Garantien und Grundsätzen; stellt fest, dass die Frist für eine Entscheidung in einem Verfahren an der Grenze in den einzelnen Mitgliedstaaten zwischen zwei Tagen und 28 Tagen und für die Einlegung eines Rechtsbehelfs zwischen zwei Tagen und sieben Tagen variiert; weist darauf hin, dass kurze Fristen für eine gründliche Vorbereitung der Anhörung oder eines Rechtsbehelfs und somit für eine faire Anwendung des Verfahrens eine Herausforderung darstellen können, vor allem wenn die in der Asylverfahrensrichtlinie verankerten Verfahrensgarantien nicht wirksam angewandt werden;

24.

weist erneut darauf hin, dass die Mitgliedstaaten gemäß den in der Asylverfahrensrichtlinie niedergelegten Vorschriften dazu verpflichtet sind, Antragstellern Zugang zu Unterstützung, Rechtsvertretung und verfahrenstechnischen Auskünften zu gewähren; betont, dass Antragsteller rechtzeitig Zugang zu angemessenen und verständlichen Informationen über Verfahren an der Grenze sowie über ihre Rechte und Pflichten haben müssen; weist darauf hin, dass Dolmetscher persönlich und in allen Phasen des Grenzverfahrens zur Verfügung gestellt werden sollten; weist erneut darauf hin, dass persönliche Anhörungen mit der Pflicht der Mitgliedstaaten einhergehen, Antragstellern eine wirksame Möglichkeit einzuräumen, die Gründe für ihren Antrag sowie wichtige Elemente für das Untersuchungsverfahren darzulegen, und dass sie durch angemessen ausgebildetes Personal durchzuführen sind; betont, dass den Antragstellern ausreichend Zeit eingeräumt werden sollte, um das Gespräch vorzubereiten; stellt mit Besorgnis fest, dass die Mitgliedstaaten, die in der europäischen Umsetzungsbewertung des EPRS untersucht wurden, ihren Verpflichtungen im Rahmen der Asylverfahrensrichtlinie im Zusammenhang mit Verfahren an der Grenze nicht nachkommen, und betont, dass die Schwierigkeiten von Antragstellern beim Zugang zu Verfahrensgarantien schwerwiegende Auswirkungen auf ihre in der Charta garantierten Rechte haben können; fordert die Mitgliedstaaten auf, die in der Asylverfahrensrichtlinie verankerten Garantien vollständig umzusetzen und anzuwenden;

25.

nimmt zur Kenntnis, dass es die Asylverfahrensrichtlinie dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlässt, ob Rechtsmittel automatisch eine aufschiebende Wirkung haben; weist jedoch erneut darauf hin, dass der EuGH anerkannt hat, dass ein Rechtsmittel gegen eine Abschiebungsentscheidung, bei deren Vollstreckung für den betroffenen Drittstaatsangehörigen die ernsthafte Gefahr von Zurückweisung besteht, aufschiebende Wirkung haben muss;

Verfahren an der Grenze und Ankunft einer großen Zahl von Menschen

26.

weist darauf hin, dass gemäß Artikel 43 Absatz 3 der Asylverfahrensrichtlinie in Fällen, in denen an der Grenze oder in einer Transitzone eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen ankommt und einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, Verfahren an der Grenze auch für diese Personen angewandt werden können, sofern und solange diese Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen normalerweise an Orten in der Nähe der Grenze oder der Transitzone untergebracht werden;

27.

weist erneut darauf hin, dass die in Kapitel II der Asylverfahrensrichtlinie festgelegten Garantien auch im Fall des massiven Zustroms von Menschen Anwendung finden; hält es in diesem Zusammenhang für wesentlich, dass ausreichend Personal und Ressourcen zur Verfügung stehen; stellt mit Besorgnis fest, dass die ordnungsgemäße Anwendung von Verfahren an der Grenze in diesen Fällen eine Herausforderung darstellen kann, die Gefahr von Grundrechtsverletzungen bergen und Bedenken hinsichtlich der Effizienz aufwerfen kann;

28.

teilt die von der FRA, dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge und dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Menschenrechte von Migranten in Bezug auf Verfahrensgarantien und Grundrechte geäußerte Besorgnis bezüglich der an den griechischen Hotspots angewandten beschleunigten Verfahren an der Grenze; bedauert die gravierenden Lücken in den Grundrechten, die in den von der FRA ermittelten europäischen Hotspots bestehen;

29.

weist darauf hin, dass Agenturen der Europäischen Union die Mitgliedstaaten im Falle der Ankunft einer großen Zahl von Asylsuchenden an einer Grenzübergangsstelle unterstützen können, um für alle Antragsteller ein rasches und faires Verfahren sicherzustellen; weist insbesondere darauf hin, dass das EASO operative Unterstützung in verschiedenen Phasen des Asylverfahrens leisten kann und dass Frontex Unterstützung bei der Personenüberprüfung, der Identitätsfeststellung und der Abnahme von Fingerabdrücken gewähren kann; stellt fest, dass das EASO bislang nur in Griechenland Unterstützung im Rahmen des sogenannten beschleunigten Grenzverfahrens für Inseln geleistet hat; weist ferner darauf hin, dass zwar Verbesserungen erzielt wurden, dass jedoch nach wie vor gravierende Mängel bestehen, wie etwa eine durchschnittliche Dauer von mehreren Monaten bei Verfahren an der Grenze; hofft, dass die geplante Asylagentur der Europäischen Union dazu beitragen wird, diese Mängel zu beheben;

Anwendung der Verfahren an der Grenze

30.

erinnert daran, dass die Anwendung von Verfahren an der Grenze nach wie vor im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt; weist erneut darauf hin, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie Verfahren an der Grenze anwenden, Bedingungen vorsehen sollten, die ein faires und angemessenes Verfahren sowie eine rasche Klärung der Ergebnisse für Personen, die internationalen Schutz beantragen, gewährleisten; stellt fest, dass insbesondere in komplexeren Fällen die Wirksamkeit der Verfahrensgarantien, wie etwa des Rechts auf Rechtsbeistand, untergraben werden kann; betont, dass effiziente Verfahren und Verfahrensgarantien Hand in Hand gehen müssen; betont, dass in Fällen, in denen es nicht möglich ist, spätestens innerhalb von vier Wochen eine Entscheidung zu treffen, der Antrag gemäß den übrigen Bestimmungen der Asylverfahrensrichtlinie zu bearbeiten ist; fordert die Mitgliedstaaten auf, die in der Asylverfahrensrichtlinie festgelegten Verfahrensgarantien in vollem Umfang gesetzlich und in der Praxis einzuhalten;

31.

fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, einen laufenden Austausch bewährter Verfahren zur korrekten Anwendung der derzeitigen Verfahren an der Grenze zu pflegen und sich mit der Kommission darüber auszutauschen;

32.

fordert die Mitgliedstaaten auf, kritisch zu bewerten, ob ihre derzeitige operative Kapazität ausreicht, um die Erfüllung ihrer Verpflichtungen in Verfahren an der Grenze sicherzustellen; fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, die operative Zusammenarbeit und die gegenseitige Unterstützung bei Bedarf auszuweiten;

33.

fordert die Kommission auf, die Umsetzung des Artikels 43 und der zugehörigen Bestimmungen der Asylverfahrensrichtlinie wirksam zu überwachen und im Fall von Nichteinhaltung Maßnahmen zu treffen, was gegebenenfalls auch die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren umfasst;

o

o o

34.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 60.

(2)  ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 96.

(3)  ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1.

(4)  ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31.

(5)  W. van Ballegooij, K. Eisele, „Asylum procedures at the border, European Implementation Assessment“, Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, 2020.

(6)  ABl. C 76 vom 9.3.2020, S. 86.


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/54


P9_TA(2021)0043

Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten in den Jahren 2016–2018

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zum Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten (Artikel 122 Absatz 7 der Geschäftsordnung) — Jahresbericht für die Jahre 2016 bis 2018 (2019/2198(INI))

(2021/C 465/06)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere die Artikel 1, 9, 10, 11 und 16, und den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere Artikel 15,

unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“), insbesondere auf Artikel 41 und 42,

unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (1),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. März 2014 zu dem Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten (Artikel 104 Absatz 7 GO) für die Jahre 2011–2013 (2),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. April 2016 zu dem Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten (Artikel 116 Absatz 7 GO) für die Jahre 2014–2015 (3) ,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. September 2017 zu Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Organen (4),

unter Hinweis auf die Jahresberichte der Europäischen Bürgerbeauftragten und ihren Sonderbericht zur strategischen Untersuchung OI/2/2017 betreffend die Transparenz des Rechtsetzungsprozesses des Rates,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Januar 2019 zur strategischen Untersuchung OI/2/2017 der Bürgerbeauftragten zur Transparenz der Diskussionen im Rahmen des Rechtsetzungsverfahrens in den vorbereitenden Gremien des Rates der EU (5),

unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR),

unter Hinweis auf die Berichte der Kommission, des Rates und des Parlaments über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 aus den Jahren 2016, 2017 und 2018,

unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (6),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. November 2017 zu dem Jahresbericht 2016 über die Tätigkeit des Europäischen Bürgerbeauftragten (7),

unter Hinweis auf die politischen Leitlinien 2019–2024 für die Kommission von Präsidentin Ursula von der Leyen,

gestützt auf Artikel 54 und Artikel 122 Absatz 7 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sowie die Stellungnahme des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (A9-0004/2021),

A.

in der Erwägung, dass in den Verträgen verankert ist, dass die „Union […] den Grundsatz der Gleichheit ihrer Bürgerinnen und Bürger [achtet], denen ein gleiches Maß an Aufmerksamkeit seitens der Organe […] zuteil wird“ (Artikel 9 EUV); in der Erwägung, dass „[a]lle Bürgerinnen und Bürger […] das Recht [haben], am demokratischen Leben der Union teilzunehmen“, und dass „[d]ie Entscheidungen […] so offen und bürgernah wie möglich getroffen [werden]“ (Artikel 10 Absatz 3 EUV, ausgelegt im Sinne der Erwägung 13 seiner Präambel sowie von Artikel 1 Absatz 2 und Artikel 9);

B.

in der Erwägung, dass gemäß Artikel 15 AEUV „die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit“ handeln, „[u]m eine verantwortungsvolle Verwaltung zu fördern und die Beteiligung der Zivilgesellschaft sicherzustellen“, und dass „[j]eder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsgemäßem Sitz in einem Mitgliedstaat […] das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union“ hat;

C.

in der Erwägung, dass das Recht auf Zugang zu Dokumenten und sein Status als Grundrecht zudem mit Artikel 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union hervorgehoben werden, die mittlerweile mit den Verträgen „rechtlich gleichrangig“ ist (Artikel 6 Absatz 1 EUV); in der Erwägung, dass das Recht auf Zugang zu Dokumenten den Bürgern ermöglicht, ihr Recht auf Kontrolle der Tätigkeit und der Aktivitäten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU und insbesondere des Gesetzgebungsverfahrens effektiv wahrzunehmen;

D.

in der Erwägung, dass die Arbeitsweise der Organe der EU mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit vereinbar sein sollte; in der Erwägung, dass die EU-Organe höchstmögliche Transparenz-, Rechenschaftspflichts- und Integritätsstandards anstreben müssen; in der Erwägung, dass diese grundlegenden Prinzipien maßgeblich dafür sind, dass eine verantwortungsvolle Verwaltung innerhalb der Organe der EU gefördert und mehr Offenheit in Bezug auf die Funktionsweise der EU und ihren Beschlussfassungsprozess sichergestellt wird; in der Erwägung, dass das Vertrauen der Bürger in die Organe der EU von ausschlaggebender Bedeutung für Demokratie, verantwortungsvolle Verwaltung und wirksame Politikgestaltung ist; in der Erwägung, dass Transparenz und der Zugang zu Dokumenten auch mit Blick auf die Art und Weise sichergestellt sein sollten, in der Maßnahmen der EU auf allen Ebenen umgesetzt und EU-Gelder verwendet werden; in der Erwägung, dass Offenheit und die Beteiligung der Zivilgesellschaft wesentliche Voraussetzungen dafür sind, dass eine verantwortungsvolle Verwaltungstätigkeit in den EU-Organen gefördert wird; in der Erwägung, dass die Bürger im Einklang mit den Grundprinzipien der Demokratie das Recht haben, über den Beschlussfassungsprozess informiert zu sein und ihn nachzuverfolgen; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seinem Legislativverfahren — auch auf Ausschussebene — ein hohes Maß an Transparenz an den Tag legt, sodass Bürger, Medien und Interessengruppen nachvollziehen können, wie und warum Entscheidungen getroffen werden, die im Parlament vertretenen verschiedenen Standpunkte und die Herkunft der jeweiligen Vorschläge eindeutig erkennen können und die Annahme endgültiger Beschlüsse nachverfolgen können;

E.

in der Erwägung, dass der Rat gemäß Artikel 16 Absatz 8 EUV öffentlich tagen muss, wenn er über Entwürfe von Rechtsakten berät und abstimmt; in der Erwägung, dass die derzeit gängige Einstufung der meisten vorbereitenden Dokumente in laufenden Gesetzgebungsverfahren als „LIMITE“ der Bürgerbeauftragten zufolge eine unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts der Bürger auf den möglichst umfassenden Zugang zu Legislativdokumenten darstellt (8); in der Erwägung, dass das mangelnde Engagement für die Gewährleistung von Transparenz im Rat deutlich macht, dass es seiner Funktion als Mitgesetzgeber der EU an Rechenschaftspflicht mangelt;

F.

in der Erwägung, dass die Bedenken in den von der Bürgerbeauftragten im Jahr 2018 abgeschlossenen Untersuchungen in erster Linie Transparenz, Rechenschaftspflicht und den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen und Dokumenten (24,6 %) betrafen, gefolgt von Dienstleistungskultur (19,8 %) und der angemessenen Nutzung von Ermessensspielräumen (16,1 %); in der Erwägung, dass weitere Untersuchungen die Achtung von Verfahrensrechten wie den Anspruch auf rechtliches Gehör, die Achtung der Grundrechte, ethische Fragen, die Beteiligung der Öffentlichkeit am EU-Entscheidungsprozess — auch in Bezug auf Vertragsverletzungsverfahren –, die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung in Bezug auf Ausschreibungen, Finanzhilfen und Verträge der EU, Einstellungsverfahren und eine gute Personalverwaltung in der EU betrafen;

G.

in der Erwägung, dass die Bürgerbeauftragte im Jahr 2018 eine neue Website eingerichtet hat, die eine überarbeitete und benutzerfreundliche Bedienoberfläche für potenzielle Beschwerdeführer umfasst; in der Erwägung, dass das „beschleunigte Verfahren“ der Bürgerbeauftragten für die Bearbeitung von Beschwerden über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten ihr Bestreben deutlich macht, die Personen, die um Hilfe ersuchen, zu unterstützen und rasch Entscheidungen zu treffen;

H.

in der Erwägung, dass die strategische Untersuchung OI/2/2017/TE der Bürgerbeauftragten ergab, dass die mangelnde Transparenz beim Rat, was den Zugang der Öffentlichkeit zu seinen legislativen Dokumenten betrifft, und sein derzeitiges Vorgehen bei Beschlussfassungsverfahren insbesondere während der Vorbereitungsphase in den Vorbereitungsgremien des Rates wie etwa seinen Ausschüssen, Arbeitsgruppen und dem Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) Missstände in der Verwaltungstätigkeit darstellen; in der Erwägung, dass die Bürgerbeauftragte am 16. Mai 2018 angesichts der mangelnden Bereitschaft des Rates, ihre Empfehlungen umzusetzen, dem Parlament den Sonderbericht OI/2/2017/TE über die Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens im Rat vorlegte; in der Erwägung, dass sich das Parlament in seiner Entschließung vom 17. Januar 2019 zur strategischen Untersuchung der Bürgerbeauftragten den Empfehlungen der Bürgerbeauftragten anschloss;

I.

in der Erwägung, dass die Bürgerbeauftragte im Fall 1302/2017/MH zum Umgang der Kommission mit einem Antrag auf Zugang der Öffentlichkeit zu den Stellungnahmen ihres Juristischen Diensts zum Transparenz-Register zu dem Schluss gekommen ist, dass es sich bei der fortgesetzten Weigerung der Kommission, einen umfassenderen Zugang zu den Dokumenten zu gewähren, um einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit handelte, da sich die Kommission mit Blick auf die eigentliche Maßnahme zur Förderung der Transparenz als Mittel zur Stärkung der Legitimität und der Rechenschaftspflicht der EU nicht so offen und entgegenkommend wie möglich zeigte;

Transparenz im weiteren Sinne

1.

ist fest entschlossen in seinem Bestreben, die Bürger seinem Beschlussfassungsverfahren näherzubringen; betont, dass Transparenz und Rechenschaftspflicht von wesentlicher Bedeutung sind, wenn es darum geht, das Vertrauen der Bürger in die Politik-, Gesetzgebungs- und Verwaltungsprozesse der EU zu bewahren; betont, dass in Artikel 10 Absatz 3 EUV die partizipative Demokratie als einer der wichtigsten demokratischen Grundsätze der EU anerkannt wird, indem hervorgehoben wird, dass die Entscheidungen so bürgernah wie möglich getroffen werden müssen; ruft in Erinnerung, dass eine uneingeschränkt demokratische und in hohem Maß transparente Beschlussfassung auf europäischer Ebene unabdingbar dafür ist, dass das Vertrauen der Bürger in die Organe der EU gestärkt wird; hält es für geboten, dass sämtliche EU-Organe dasselbe Maß an Transparenz an den Tag legen;

2.

nimmt mit Zufriedenheit zur Kenntnis, dass ein für Transparenz zuständiges Kommissionsmitglied benannt worden ist, das den Auftrag hat, mehr Transparenz in das Gesetzgebungsverfahren der EU-Organe einzubringen;

3.

ruft in Erinnerung, dass das Parlament — wie von der Bürgerbeauftragten bestätigt — die Interessen der Bürger Europas offen und transparent vertritt, damit sie stets umfassend informiert sind, und nimmt die Fortschritte der Kommission bei der Verbesserung ihrer Transparenzstandards zur Kenntnis; ist zutiefst besorgt darüber, dass der Rat trotz der Aufforderungen und Empfehlungen des Parlaments und der Bürgerbeauftragten noch keine vergleichbaren Standards umgesetzt hat und der Entscheidungsprozess im Rat alles andere als transparent ist; fordert den Rat auf, die einschlägigen Urteile des EuGH in die Praxis umzusetzen und sie nicht zu umgehen; würdigt die bewährten Verfahren bestimmter Ratsvorsitze und auch einiger Mitgliedstaaten bei der Veröffentlichung von Ratsdokumenten einschließlich der Vorschläge des Ratsvorsitzes;

4.

begrüßt den Beschluss des Rates der EU, nach der Einleitung der Rechtssache 1011/2015/TN durch die Bürgerbeauftragte die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 auf Dokumente anzuwenden, die sich im Besitz seines Generalsekretariats befinden, und zwar im Zusammenhang mit Unterstützungsaufgaben für verschiedene zwischenstaatliche Organe und Einrichtungen, wie etwa die Stellungnahmen des entsprechenden Ausschusses zur Eignung der Bewerber für die Ausübung des Amts eines Richters und Generalanwalts beim Gerichtshof und beim Gericht der Europäischen Union; begrüßt die Auffassung der Bürgerbeauftragten, dass es mehr Offenheit geben sollte, wenn es gilt, zwischen dem notwendigen Schutz der personenbezogenen Daten von Personen, deren Eignung für ein hohes öffentliches Amt geprüft wird, und der erforderlichen größtmöglichen Transparenz bei Ernennungen für hohe öffentliche Ämter richtig abzuwägen;

5.

missbilligt die gängige Praxis der Kommission, dem Parlament häufig nur sehr begrenzte Informationen über die Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften zur Verfügung zu stellen; fordert die Organe auf, den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zu achten und diese Informationen proaktiv zu veröffentlichen; bedauert die Weigerung der Kommission, Statistiken über die Wirksamkeit der politischen Maßnahmen der EU zu veröffentlichen, was jegliche öffentliche Kontrolle von Maßnahmen behindert und sich in erheblichem Maße auf die Grundrechte auswirkt; fordert die Kommission auf, solche Statistiken vermehrt proaktiv zu veröffentlichen, um nachzuweisen, dass diese Maßnahmen erforderlich und ihrem jeweiligen Ziel angemessen sind; fordert die Kommission auf, mehr Transparenz mit Blick auf Verträge mit Dritten walten zu lassen; fordert die Kommission auf, im Vergleich zu ihren derzeit angewandten Verfahren vermehrt proaktiv vorzugehen, indem sie möglichst viele Informationen über die Ausschreibungsverfahren veröffentlicht;

6.

hebt die Bedeutung der Maßnahmen hervor, die ergriffen wurden, um die Transparenz der im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren ergangenen Entscheidungen zu erhöhen; fordert insbesondere, dass die im Rahmen dieser Verfahren von der Kommission an die Mitgliedstaaten übersandten Dokumente und die entsprechenden Antworten öffentlich zugänglich gemacht werden;

7.

hebt hervor, dass internationalen Übereinkünften eine bindende Wirkung zukommt und dass sie Auswirkungen auf das EU-Recht haben, und betont, dass die Verhandlungen während des gesamten Verfahrens transparent sein müssen; ruft in Erinnerung, dass das Parlament nach Artikel 218 AEUV in allen Phasen während der Verhandlungen unverzüglich und umfassend zu unterrichten ist; fordert die Kommission auf, ihre Bemühungen zu intensivieren und für die uneingeschränkte Einhaltung von Artikel 218 AEUV zu sorgen;

8.

bedauert zutiefst, dass die Kommission und der Rat ohne angemessene Begründung auf Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit bestehen; ist der Ansicht, dass Anträge auf Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit angemessen geprüft werden sollten; fordert eindeutige Kriterien und Regeln für Anträge auf den Ausschluss der Öffentlichkeit bei Sitzungen in den EU-Organen;

9.

weist darauf hin, dass transparente Rechtsetzung für die Bürger von größter Bedeutung und unabdingbar dafür ist, sie aktiv am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen; begrüßt die Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung von 2016 (IIV) und die darin enthaltene Zusage der drei Organe, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsvorschriften und der einschlägigen Rechtsprechung für Transparenz bei den Gesetzgebungsverfahren zu sorgen, indem sie unter anderem auch die trilateralen Verhandlungen angemessen handhaben;

10.

fordert die Organe nachdrücklich auf, ihre Erörterungen über die in der IIV im Interesse erhöhter Transparenz vereinbarte Einrichtung einer gesonderten und benutzerfreundlichen gemeinsamen Datenbank zum jeweiligen Stand der Gesetzgebungsdossiers (gemeinsame Gesetzgebungsdatenbank) fortzusetzen;

11.

begrüßt die bereits eingeleiteten Initiativen, die auf die Forderungen der Öffentlichkeit nach mehr Transparenz eingehen, wie etwa das im Dezember 2017 eingeführte Interinstitutionelle Register der delegierten Rechtsakte, bei dem es sich um ein gemeinsames Instrument des Parlaments, der Kommission und des Rates handelt, in dem Informationen über in Ausarbeitung befindliche und erlassene delegierte Rechtsakte bereitgestellt werden;

12.

weist darauf hin, dass die Transparenz der Ausschussverfahren und die Zugänglichkeit des Registers der Komitologie weiter verbessert werden sollten und dass Änderungen an seinem Inhalt vorgenommen werden sollten, um für eine bessere Transparenz des Entscheidungsprozesses zu sorgen; hebt hervor, dass die Verbesserung der Suchfunktionen des Registers, um Recherchen nach Politikbereichen zu ermöglichen, im Zuge dieser Überarbeitung Priorität genießen sollte;

13.

begrüßt den im Februar 2018 in Kraft getretenen neuen Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder, in dem die Transparenz primär in Bezug auf die Treffen zwischen Kommissionsmitgliedern und Interessenvertretern und auf die Kosten der Dienstreisen einzelner Kommissionsmitglieder erhöht wird; bedauert, dass der Rat noch immer keinen Verhaltenskodex für seine Mitglieder angenommen hat, und fordert den Rat eindringlich auf, dies unverzüglich nachzuholen; beharrt darauf, dass der Rat genauso rechenschaftspflichtig und transparent sein muss wie die anderen Organe;

14.

weist auf seine überarbeitete Geschäftsordnung hin, der zufolge sich die Mitglieder systematisch nur mit Interessenvertretern treffen sollen, die im Transparenz-Register registriert sind; weist außerdem darauf hin, dass die Mitglieder alle geplanten Treffen mit Interessenvertretern, die in den Geltungsbereich des Transparenz-Registers fallen, im Internet veröffentlichen sollen, während Berichterstatter, Schattenberichterstatter und Ausschussvorsitze für jeden Bericht alle geplanten Treffen mit Interessenvertretern, die in den Geltungsbereich des Transparenz-Registers fallen, im Internet veröffentlichen müssen; stellt jedoch in diesem Zusammenhang fest, dass es gewählten Vertretern ohne Einschränkung freisteht, jede Person zu treffen, die sie für ihre politische Arbeit als relevant und bedeutsam erachten;

15.

ist der Ansicht, dass die derzeitige Möglichkeit, sich über das Abstimmungsverhalten von Mitgliedern des Europäischen Parlaments zu informieren, im Wege von PDF-Dateien auf der Website des Parlaments, in denen hunderte Abstimmungen aufgelistet sind, weder benutzerfreundlich ist noch zur Transparenz der EU beiträgt; fordert ein benutzerfreundliches System, bei dem der Text, über den abgestimmt wurde, und die Abstimmungsergebnisse für jede namentliche Abstimmung nach Fraktion und MdEP gefiltert und somit gleichzeitig eingesehen werden können;

16.

begrüßt es, dass die Verhandlungen über den Vorschlag der Kommission für eine IIV über ein verbindliches Transparenzregister (COM(2016)0627) endlich abgeschlossen sind, und fordert die drei Organe nachdrücklich auf, die Vereinbarung rasch umzusetzen; betont, dass es für die Wahrung eines hohen Maßes an Vertrauen der Bürger in die europäischen Organe mehr Transparenz in Bezug auf die in den Organen stattfindenden Sitzungen bedarf;

17.

fordert ferner die Mitglieder der nationalen Regierungen und Parlamente auf, sich um mehr Transparenz mit Blick auf ihre Treffen mit Interessenvertretern zu bemühen, da sie bei Entscheidungen über EU-Angelegenheiten im weiteren Sinne Teil der EU-Gesetzgebung sind;

Zugang zu Dokumenten

18.

ruft in Erinnerung, dass das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den Dokumenten der Organe ein durch die Verträge und durch die Charta geschütztes Grundrecht und untrennbar mit dem demokratischen Charakter der Organe verbunden ist; hebt hervor, dass dieses Recht in einem frühen Stadium möglichst umfassend wahrgenommen werden muss, da es die demokratische Kontrolle der Tätigkeit und der Aktivitäten der EU-Organe sicherstellt; weist darauf hin, dass das Vertrauen der Bürger in politische Institutionen eine grundlegende Voraussetzung für repräsentative Demokratien ist;

19.

ruft seine in früheren Entschließungen zum Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten erhobenen Forderungen in Erinnerung; bedauert, dass weder Kommission noch Rat angemessene Folgemaßnahmen zu Vorschlägen des Parlaments ergriffen haben;

20.

weist darauf hin, dass nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 Transparenz und der umfassende Zugang zu den Dokumenten der Organe die Regel sein müssen und dass die Ausnahmen von dieser Regel — wie bereits durch die ständige Rechtsprechung des EuGH festgelegt — unter Berücksichtigung des überwiegenden öffentlichen Interesses an einer Offenlegung streng ausgelegt werden müssen;

21.

bekräftigt, dass es sehr wichtig ist, dass Dokumente nicht zu hoch klassifiziert werden, da sich dies nachteilig auf die öffentliche Kontrolle auswirken könnte; bedauert, dass offiziellen Dokumenten häufig eine zu hohe Geheimhaltungsstufe zugewiesen wird; bekräftigt seinen Standpunkt, dass klare und einheitliche Regeln für die Festsetzung und Aufhebung der Geheimhaltungsstufe von Dokumenten festgelegt werden sollten;

22.

nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission die höchste Anzahl an Erstanträgen (6 912 im Jahr 2018) auf bestimmte Dokumente aufweist, gefolgt vom Rat (2 474 im Jahr 2018) und vom Parlament (498 im Jahr 2018); nimmt den insgesamt erfreulichen Anteil der positiven Bescheide zur Kenntnis (im Jahr 2018 beliefen sich die Zahlen bei der Kommission auf 80 %, beim Rat auf 72,2 % und beim Parlament auf 96 %);

23.

nimmt mit Interesse zur Kenntnis, dass die Hauptgründe für eine Verweigerung darauf beruhten, dass das Beschlussfassungsverfahren der Organe, die Privatsphäre und Integrität von Einzelpersonen und die Handelsinteressen einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person geschützt werden mussten; stellt ferner fest, dass beim Parlament in Fällen, in denen hauptsächlich Präsidiumsdokumente angefordert wurden, auch der Schutz der Rechtsberatung ein maßgeblicher Verweigerungsgrund war, während bei der Kommission die Durchführung von Untersuchungen, Ermittlungen und Prüfungen sowie die öffentliche Sicherheit ebenfalls maßgebliche Gründe waren, den Zugang zu Dokumenten zu verweigern;

24.

begrüßt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-213/15 P (Kommission gegen Patrick Breyer), in der der Gerichtshof das Urteil des Gerichts bestätigt und festgestellt hat, dass die Kommission den Zugang zu einer schriftlichen Eingabe eines Mitgliedstaates, die sich in ihrem Besitz befindet, nicht allein deshalb verweigern darf, weil es sich um ein Dokument handelt, das Gerichtsverfahren betrifft; stellt fest, dass das Gericht der Auffassung ist, dass jede Entscheidung über einen solchen Antrag auf Zugang auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 zu treffen ist und dass Dokumente im Zusammenhang mit der Rechtsprechungstätigkeit des Gerichtshofs nicht grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich der Verordnung fallen, wenn sie sich im Besitz der in der Verordnung aufgeführten EU-Organe befinden, wie etwa der Kommission in diesem konkreten Fall;

25.

unterstützt die Forderung der Zivilgesellschaft (9), dass öffentliche Anhörungen des Europäischen Gerichtshofs per Livestream übertragen werden, wie es bereits bei einigen nationalen und internationalen Gerichten der Fall ist, beispielsweise beim französischen Verfassungsgericht und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte;

26.

weist auf seine Forderungen an die Kommission und den Rat in seiner Entschließung vom 28. April 2016 zu dem Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten für die Jahre 2014–2015 hin;

27.

weist darauf hin, dass die Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 seit 2012 blockiert ist, und nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass die Kommission beabsichtigt, diesen Vorschlag zurückzuziehen; fordert alle beteiligten Parteien nachdrücklich auf, wieder in den Prozess einzutreten und die Überarbeitung fortzusetzen, um die Bestimmungen der Verordnung an den Vertrag von Lissabon anzupassen und sicherzustellen, dass sich der Geltungsbereich auf alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU erstreckt, mit dem letztendlichen Ziel, den Unionsbürgern einen breiteren und verbesserten Zugang zu EU-Dokumenten zu gewähren;

28.

betont, dass sich das Recht auf Zugang zu Dokumenten seit dem Inkrafttreten des EUV und des AEUV gemäß Artikel 15 Absatz 3 AEUV auf alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU erstreckt; ist der Ansicht, dass die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 überarbeitet und modernisiert werden sollte, um sie mit den Verträgen in Einklang zu bringen, um auf die Entwicklungen in diesem Bereich zu reagieren und um der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH und des EGMR Rechnung zu tragen; fordert daher alle drei Organe nachdrücklich auf, konstruktiv tätig zu werden, damit eine überarbeitete Verordnung erlassen werden kann;

29.

betont, dass es in den Verträgen rechtlich vorgeschrieben und eine Grundvoraussetzung für demokratische Kontrolle und Demokratie insgesamt ist, dass dafür Sorge getragen wird, dass die Bürger das Legislativverfahren verstehen, detailliert nachvollziehen und sich daran beteiligen können; ist der Ansicht, dass Dokumente, die im Rahmen von Trilogen erarbeitet werden — wie Tagesordnungen, Zusammenfassungen von Ergebnissen, Protokolle und allgemeine Ausrichtungen im Rat — und in einem Format verfügbar sind, einen Bezug zu Gesetzgebungsverfahren aufweisen und grundsätzlich nicht anders als sonstige legislative Dokumente behandelt werden dürfen;

30.

betont die Bedeutung der Transparenz und des Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten; hebt hervor, dass ein hohes Maß an Transparenz im Gesetzgebungsverfahren unabdingbar dafür ist, dass Bürger, die Medien, die Zivilgesellschaft und andere Interessengruppen ihre gewählten Amtsträger und Regierungen zur Rechenschaft ziehen können; erkennt an, dass die Bürgerbeauftragte eine wertvolle Rolle wahrnimmt, wenn es darum geht, als Verbindungsstelle und Vermittler zwischen den Organen der EU und den Bürgerinnen und Bürgern zu fungieren, und hebt die Anstrengungen der Bürgerbeauftragten hervor, das Gesetzgebungsverfahren der EU gegenüber der Öffentlichkeit stärker rechenschaftspflichtig zu machen;

31.

weist darauf hin, dass nach Ansicht der Bürgerbeauftragten Einschränkungen des Zugangs zu Dokumenten, insbesondere zu Legislativdokumenten, Ausnahmecharakter haben sollten und auf das absolut Notwendige beschränkt sein sollten; begrüßt das beschleunigte Verfahren der Bürgerbeauftragten für den Zugang zu Dokumenten, bedauert jedoch, dass ihre Empfehlungen nicht rechtsverbindlich sind;

32.

weist darauf hin, dass jede Ablehnung des Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten auf einer klar und genau definierten rechtlichen Ausnahmeregelung beruhen und ordnungsgemäß und konkret begründet sein muss, damit der Bürger die Ablehnung des Zugangs verstehen und von den ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen effektiv Gebrauch machen kann; stellt mit Besorgnis fest, dass Bürgern, die die Ablehnung eines Antrags auf den Zugang zu Dokumenten anfechten wollen, derzeit nur als einziger Rechtsweg offensteht, rechtliche Schritte beim EuGH einzuleiten, was langwierige Verfahren, das Risiko hoher Kosten und einen ungewissen Ausgang bedeutet, und dass die Bürger, die einen Beschluss anfechten wollen, einer unverhältnismäßigen Belastung ausgesetzt sind, was sie davon abhält, dies zu tun;

33.

fordert in diesem Zusammenhang die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU auf, schnellere, weniger aufwändige und besser zugängliche Verfahren für den Umgang mit Beschwerden gegen die Verweigerung des Zugangs einzurichten; ist der Auffassung, dass mit einem vorausschauenderen Ansatz wirksame Transparenz sichergestellt und unnötigen Rechtsstreitigkeiten vorgebeugt werden würde, die sowohl den Bürgern als auch den Organen unnötige Kosten und überflüssigen Aufwand verursachen könnten; ist der Ansicht, dass die Bürger aufgrund fehlender Mittel nicht daran gehindert werden sollten, Entscheidungen anzufechten; weist erneut auf die in der Charta verankerte Möglichkeit hin, Prozesskostenhilfe zu beantragen; hält die EU-Organe dazu an, die Gegenpartei nicht aufzufordern, die Kosten von Gerichtsverfahren zu tragen;

34.

weist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen der Bürgerbeauftragten vom 19. Dezember 2017 im Fall 682/2014/JF hin, wonach die Forderung der Kommission, dass alle Personen, die den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten beantragen, ihre Postanschrift für den Versand der Dokumente in Papierform angeben müssen, einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit darstellt und betont wurde, dass die Forderung nach erneuerten Anträgen und Verfahrensformalitäten, wenn sie unnötig sind und keinem offensichtlichen Nutzen dienen, eine mangelnde Achtung der Grundrechte der Bürger deutlich macht;

35.

bedauert zutiefst, dass der Rat die meisten Dokumente zu legislativen Dossiers nicht proaktiv veröffentlicht, den Bürgern dadurch die Möglichkeit verwehrt, darüber Bescheid zu wissen, welche Dokumente es überhaupt gibt, und auf diese Weise das Recht der Bürger auf die Beantragung des Zugangs zu Dokumenten einschränkt; bedauert, dass der Rat die verfügbaren Informationen über legislative Dokumente in einem Register bereitstellt, das unvollständig und nicht benutzerfreundlich ist; fordert den Rat auf, die Dokumente im Zusammenhang mit Gesetzgebungsdossiers in einem benutzerfreundlichen öffentlichen Register aufzuführen, damit dem öffentlichen Interesse an Transparenz umfassend Rechnung getragen wird und eine legitime Kontrolle nicht nur durch die Bürger, sondern auch durch die nationalen Parlamente ermöglicht wird;

36.

fordert den Rat nachdrücklich auf, seine Arbeitsmethoden an die in den Verträgen geforderten Standards einer parlamentarischen und partizipativen Demokratie anzupassen, und bekräftigt, dass der Rat ebenso rechenschaftspflichtig und transparent sein muss wie die anderen Organe;

37.

unterstützt uneingeschränkt die Empfehlungen der Europäischen Bürgerbeauftragten an den Rat nach der strategischen Untersuchung, und zwar: a) die von den Mitgliedstaaten in Gesprächen mit den Vorbereitungsgremien geäußerten Standpunkte systematisch zu erfassen, b) klare und öffentlich zugängliche Kriterien dafür zu entwickeln, wie Dokumente mit dem Vermerk „LIMITE“ gekennzeichnet werden, und c) den „LIMITE“-Status von Dokumenten vor der endgültigen Annahme eines Rechtsakts systematisch zu überprüfen und diese Überprüfung vor informellen Verhandlungen in Trilogen, bei denen der Rat bereits einen ersten Standpunkt erreicht haben dürfte, vorzunehmen; fordert den Rat eindringlich auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Empfehlungen der Bürgerbeauftragten möglichst rasch umzusetzen, um so für die Transparenz der legislativen Debatten in seinen Vorbereitungsgremien zu sorgen;

38.

hält die derzeit weit verbreitete und willkürliche Praxis des Rates, die meisten vorbereitenden Dokumente in laufenden Gesetzgebungsverfahren als „LIMITE“ zu kennzeichnen, für eine Beschränkung des Rechts der Bürger auf größtmöglichen Zugang der Öffentlichkeit zu legislativen Dokumenten;

39.

nimmt zur Kenntnis, dass das Parlament nach dem Urteil des Gerichts in der Rechtssache De Capitani (10) einen erheblichen Anstieg bei den Anträgen auf Zugang der Öffentlichkeit zu den in Trilogsitzungen erörterten mehrspaltigen Dokumenten verzeichnet hat, und stellt mit Zufriedenheit fest, dass das Parlament seit dem Urteil alle mehrspaltigen Dokumente offengelegt hat, zu denen der Zugang gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 beantragt wurde; begrüßt dies, da die Offenheit des Gesetzgebungsverfahrens dazu beiträgt, den Organen in den Augen der EU-Bürger mehr Legitimität zu verleihen; betont, dass die allgemeine Verpflichtung, Zugang zu Dokumenten zu gewähren, das geeignetste Instrument für alle EU-Organe ist, um auf die enorme Zunahme der Zahl der Anträge auf Zugang zu Dokumenten reagieren zu können;

40.

unterstreicht, dass es im Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache De Capitani im März 2018 hieß, dass die in den vierspaltigen Arbeitsdokumenten wiedergegebenen Ansichten der Organe nicht unter eine allgemeine Vermutung der Nichtoffenlegung fallen; stellt fest, dass die Sensibilität des in den Trilog-Dokumenten behandelten Gegenstands an sich nicht als ausreichender Grund für die Verweigerung des Zugangs der Öffentlichkeit erachtet wurde;

41.

weist darauf hin, dass die Schlussfolgerungen des Gerichts für alle EU-Organe gelten und dass der Gerichtshof klarstellt, dass in Fällen, in denen für ein Dokument eines EU-Organs eine Ausnahmeregelung in Bezug auf das Recht auf Zugang der Öffentlichkeit gilt, das betroffene Organ schlüssig bewerten und erläutern muss, warum der Zugang zu diesem Dokument dem Interesse, das durch die Ausnahme geschützt wird, in der Praxis konkret zuwiderlaufen könnte, insbesondere warum ein uneingeschränkter Zugang zu den fraglichen Dokumenten den Entscheidungsprozess konkret und tatsächlich untergraben würde, womit er also verlangt, dass dieses Risiko vernünftigerweise vorhersehbar und nicht rein hypothetisch ist; betont, dass jede Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten in jedem Einzelfall umfassend begründet werden muss;

42.

begrüßt es, dass in der Rechtssache ClientEarth gegen Kommission die Bedeutung des Begriffs „legislative Dokumente“ maßgeblich klargestellt wird und dass der EuGH festgestellt hat, dass Dokumente, die im Rahmen einer Folgenabschätzung erstellt wurden, als legislative Dokumente einzustufen sind und daher nicht nach einer allgemeinen Vermutung vor Offenlegung geschützt werden können;

43.

bedauert, dass die Rechtsgutachten des jeweiligen Juristischen Dienstes des Rates, der Kommission und des Parlaments nur eingeschränkt zugänglich sind und dass die Rechtsgutachten des Juristischen Dienstes des Parlaments oft nicht einmal den Mitgliedern anderer Ausschüsse zur Verfügung stehen; fordert die Organe auf, für Transparenz zu sorgen;

44.

nimmt die von der Europäischen Bürgerbeauftragten 2020 eingeleiteten Untersuchungen zu Praktiken der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) in Bezug auf ihre Verpflichtungen gemäß EU-Vorschriften hinsichtlich des Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten zur Kenntnis; fordert die Agentur nachdrücklich auf, Folgemaßnahmen zu den Erkenntnissen der Europäischen Bürgerbeauftragten zu ergreifen und ihre Empfehlungen zur Aktualisierung des Dokumentenregisters und zur Veröffentlichung der Zahl der sensiblen Dokumente, die sich im Besitz der Agentur befinden und nicht in ihrem Dokumentenregister verzeichnet sind, umzusetzen (11);

45.

betont, dass Hinweisgeber von wesentlicher Bedeutung sind, was die Aufdeckung von Missständen in der Verwaltungstätigkeit angeht, und unterstützt Maßnahmen, um den Schutz von Hinweisgebern vor Vergeltung zu verbessern; fordert alle Organe auf, ihre internen Vorkehrungen zur Meldung von Fehlverhalten zu bewerten und bei Bedarf zu überarbeiten;

46.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, für den öffentlichen Zugang in vollständiger Form zu allen Vereinbarungen über eine Abnahmegarantie zu sorgen, die zwischen der EU und privaten Unternehmen im Gesundheitsbereich, insbesondere bei der Bestellung von Impfstoffen, geschlossen wurden;

Fazit

47.

betont, dass das Transparenzerfordernis sorgfältig gegen die Notwendigkeit, personenbezogene Daten zu schützen und erforderlichenfalls Entscheidungen mit einem gewissen Maß an Vertraulichkeit zu treffen, abgewogen werden sollte;

48.

betont nachdrücklich, dass Ausnahmen vom Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten oder Informationen der EU von Fall zu Fall geprüft werden müssen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Zugang zu solchen Dokumenten die Regel ist, während Ausnahmen von der Regel eng auszulegen sind;

49.

fordert die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen auf, für den Zugang zu Dokumenten, einschließlich des Verfahrens für Trilog-Materialien, einen kohärenten Ansatz auszuarbeiten und ständig neue Methoden und Maßnahmen zu erschließen und zu entwickeln, um ein Höchstmaß an Transparenz zu erreichen;

50.

fordert die Organe auf, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsvorschriften und der Rechtsprechung sowie der Empfehlungen der Bürgerbeauftragten für die Transparenz der Gesetzgebungsverfahren zu sorgen;

51.

fordert alle Organe auf, die Kommunikation während des gesamten Gesetzgebungszyklus zu verbessern und mehr Dokumente zu Legislativverfahren im Vorfeld auf möglichst einfache, benutzerfreundliche und zugängliche Weise über ihre öffentlichen Websites und über alle anderen Kommunikationsmittel zu verbreiten; betont, dass mehr Transparenz in Bezug auf die Beschlussfassung im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren erforderlich ist; fordert die Organe auf, ihre Bemühungen um die in der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vereinbarte Einrichtung einer speziellen und benutzerfreundlichen gemeinsamen Datenbank zum jeweiligen Stand der laufenden Gesetzgebungsdossiers zu verstärken, um die Transparenz der verschiedenen Schritte des Gesetzgebungsprozesses sicherzustellen und den Bürgern ein besseres Verständnis der EU-Gesetzgebungsverfahren zu vermitteln;

52.

weist darauf hin, dass der Reichtum der sprachlichen Vielfalt der Union gemäß Artikel 3 EUV und gemäß der Charta gewahrt werden muss; fordert die Organe der Europäischen Union auf, sich nach Kräften um die Bereitstellung des Zugangs zu Dokumenten in allen Amtssprachen der Europäischen Union zu bemühen;

53.

betont, dass offene demokratische Gesellschaften darauf angewiesen sind, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Lage sind, auf eine Vielfalt an überprüfbaren Informationsquellen zuzugreifen, um sich von verschiedenen Themen ein Bild zu machen; weist darauf hin, dass der Zugang zu Informationen die Rechenschaftspflicht bei der Entscheidungsfindung stärkt und daher für das Funktionieren von demokratischen Gesellschaften von grundlegender Bedeutung ist;

o

o o

54.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Europäischen Bürgerbeauftragten, den anderen Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie dem Europarat zu übermitteln.

(1)  ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43.

(2)  ABl. C 378 vom 9.11.2017, S. 27.

(3)  ABl. C 66 vom 21.2.2018, S. 23.

(4)  ABl. C 337 vom 20.9.2018, S. 120.

(5)  ABl. C 411 vom 27.11.2020, S. 149.

(6)  ABl. L 264 vom 25.9.2006, S. 13.

(7)  ABl. C 356 vom 4.10.2018, S. 77.

(8)  https://www.ombudsman.europa.eu/de/recommendation/en/89518

(9)  https://thegoodlobby.eu/campaigns/openletter-to-the-president-of-the-court-ofjustice-of-the-european-union-asking-foreu-courts-to-live-stream-their-publichearings

(10)  Urteil des Gerichts vom 22. März 2018, Emilio de Capitani gegen Europäisches Parlament, T-540/15, ECLI:EU:T:2018:167.

(11)  https://www.ombudsman.europa.eu/en/solution/en/137293


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/62


P9_TA(2021)0044

Verringerung der Ungleichheiten mit besonderem Augenmerk auf der Erwerbstätigenarmut

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu der Verringerung der Ungleichheiten mit besonderem Augenmerk auf der Erwerbstätigenarmut (2019/2188(INI))

(2021/C 465/07)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf die Artikel 2 und 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV),

unter Hinweis auf das in Artikel 3 EUV festgelegte Kohäsionsziel, insbesondere die soziale Aufwärtskonvergenz,

unter Hinweis auf die in Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) enthaltene horizontale Sozialklausel,

unter Hinweis auf die Sozialpolitik gemäß Artikel 151 ff. AEUV,

unter Hinweis auf die überarbeitete Europäische Sozialcharta,

unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gemäß Artikel 6 EUV,

unter Hinweis auf die europäische Säule sozialer Rechte, insbesondere auf die Grundsätze 5 und 6,

unter Hinweis auf die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDG),

unter Hinweis auf die Übereinkommen und Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO),

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (VN-BRK) und dessen Inkrafttreten in der Europäischen Union am 21. Januar 2011 gemäß dem Beschluss 2010/48/EG des Rates vom 26. November 2009 über den Abschluss des VN-BRK durch die Europäische Gemeinschaft (1),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (3),

unter Hinweis auf die politischen Leitlinien von Ursula von der Leyen,

unter Hinweis auf das angepasste Arbeitsprogramm der Kommission für 2020,

unter Hinweis auf das in der Strategie Europa 2020 festgelegte Ziel im Hinblick auf die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung,

unter Hinweis auf den EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Oktober 2008 zur Förderung der sozialen Integration und zur Bekämpfung der Armut, einschließlich der Kinderarmut, in der EU (4),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Oktober 2010 zu der Bedeutung des Mindesteinkommens für die Bekämpfung der Armut und die Förderung einer integrativen Gesellschaft in Europa (5),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Juni 2020 zum europäischen Schutz von Grenzgängern und Saisonarbeitskräften im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise (6),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. November 2015 zur Verringerung von Ungleichheit mit besonderem Schwerpunkt auf Kinderarmut (7),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Januar 2014 zu wirksamen Kontrollen am Arbeitsplatz als Strategie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Europa (8),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. Mai 2016 zu dem Thema „Armut: eine geschlechtsspezifische Perspektive“ (9),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 29. November 2018 zur Situation von Frauen mit Behinderungen (10),

unter Hinweis auf den Gleichstellungsindex des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. März 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025“ (COM(2020)0152),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Oktober 2017 über Strategien zu der Sicherstellung des Mindesteinkommens als Mittel zur Armutsbekämpfung (11),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2020 zu abgestimmten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen (12),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Juli 2017 zu Arbeitsbedingungen und prekären Beschäftigungsverhältnissen (13),

unter Hinweis auf den Globalen Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbunds (IGB) (14),

unter Hinweis auf die Berichte des Europäischen Netzes gegen Armut sowie die einschlägigen Berichte des Europäischen Behindertenforums und des Europäischen Netzwerks von Roma-Basisorganisationen (European Roma Grassroots Organisations Network, ERGO),

unter Hinweis auf die im europäischen Grünen Deal festgelegten Ziele, einen gerechten und fairen Übergang zu erreichen, indem der Zugang zu Umschulungsprogrammen und Beschäftigungsmöglichkeiten in neuen Wirtschaftsbereichen ermöglicht wird,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 14. Januar 2020 mit dem Titel „Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang“ (COM(2020)0014),

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter und des Petitionsausschusses,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (A9-0006/2021),

Zunehmende Ungleichheit und Armut

A.

in der Erwägung, dass zu den Stärken der EU ihr Sozialmodell gehört; in der Erwägung, dass die technologischen Entwicklungen und der globale Trend zu zunehmenden Ungleichheiten es erfordern, dass das Sozialmodell neu bewertet und an unser modernes, schnelllebiges, komplexes und unvorhersehbares globales Umfeld angepasst wird;

B.

in der Erwägung, dass nach der Definition von Eurostat Personen von Erwerbstätigenarmut bedroht sind, wenn sie länger als ein halbes Jahr arbeiten und ihr jährliches verfügbares Äquivalenzeinkommen weniger als 60 % des nationalen medianen Haushaltseinkommens (nach Sozialtransfers) beträgt; in der Erwägung, dass aus den jüngsten Zahlen von Eurostat hervorgeht, dass 9,4 % der europäischen Arbeitnehmer im Jahr 2018 von Armut bedroht waren (15);

C.

in der Erwägung, dass Ungleichheiten sowohl in als auch zwischen den Mitgliedstaaten bestehen und die Ungleichheiten sehr unterschiedlich sind; in der Erwägung, dass sich die Kluft beim Nettovermögen zwischen den wohlhabendsten Perzentilen und allen anderen vergrößert; in der Erwägung, dass, während das Nettovermögen pro Haushalt in den Ländern der Eurogruppe im Jahr 2017 bei den niedrigsten 20 % zurückging, es in den oberen 20 % (16) relativ stark zunahm und die unteren 20 % der Haushalte über Nettoschulden von durchschnittlich 4 500 EUR, die reichsten 10 % hingegen über ein Nettovermögen von durchschnittlich 1 189 700 EUR verfügten (17);

D.

in der Erwägung, dass die Faktoren, die zur Armut und zur Zunahme der Ungleichheiten beim Nettovermögen beitragen, komplex und miteinander verknüpft sind und in erster Linie Lohnungleichheit, geschlechtsspezifische Diskrepanz, den Mangel an bezahlbarem Wohnraum, Diskriminierung, ein niedriges Bildungsniveau, technologische Veränderungen in der Arbeitswelt und strukturelle Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt umfassen; in der Erwägung, dass durch eine steigende Produktivität ohne entsprechende Lohn- und Gehaltserhöhungen auch die wirtschaftlichen Unterschiede in und zwischen den Mitgliedstaaten verschärft werden;

E.

in der Erwägung, dass das Risiko, dass das Phänomen der Einkommensausgrenzung von Arbeitnehmern zunimmt, nicht nur auf gering qualifizierte Arbeitnehmer, sondern auch auf Absolventen (einschließlich Hochschulabsolventen), die in den Arbeitsmarkt eintreten, besondere Auswirkungen hat; in der Erwägung, dass sich das Einkommensgefälle zwischen den Höchst- und den Niedrigstverdienern voraussichtlich vergrößern wird;

F.

in der Erwägung, dass jeder sechste Arbeitnehmer in der EU einen Niedriglohn bezieht, d. h. einen Lohn, der weniger als zwei Drittel des nationalen Medianeinkommens beträgt, und dass dieser Anteil stetig steigt; in der Erwägung, dass sich die Schere zwischen niedrigen Löhnen und anderen Löhnen in vielen Mitgliedstaaten weiter geöffnet hat, wodurch sich die Einkommensungleichheiten und die Erwerbstätigenarmut verschärft haben und die Fähigkeit von Geringverdienern, wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bewältigen, verringert wird;

G.

in der Erwägung, dass der Abschwung auf dem Arbeitsmarkt während der vorangegangenen Krise zu einem drastischen Anstieg der Zahl der unfreiwilligen Teilzeitbeschäftigten geführt hat, die am ehesten in einfachen oder niedriger eingestuften Dienstleistungsberufen und Branchen mit einem sehr hohen Risiko für Erwerbstätigenarmut tätig sind;

H.

in der Erwägung, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Nichtdiskriminierung zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören, die im EUV und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind;

I.

in der Erwägung, dass Frauen in der EU-27 im Durchschnitt 15 % weniger verdienen als Männer (18) (bzw. 9,38 % weniger, wenn diese Zahl um verschiedene Ursachen bereinigt wird) (19); in der Erwägung, dass das jahrzehntelange Lohngefälle zwischen Frauen und Männern zu einem geschlechtsspezifischen Rentengefälle von 37 % geführt hat, was eine Lage darstellt, bei der ein ungleiches Maß an wirtschaftlicher Unabhängigkeit zwischen älteren Frauen und Männern geschaffen wird;

J.

in der Erwägung, dass die ungleiche Verteilung von Betreuungs- und Pflegepflichten in der EU — wobei Frauen eine unverhältnismäßig große Last als Hauptbetreuerinnen in Familien tragen — zusammen mit dem begrenzten Zugang zu Kinderbetreuungs- und Altenpflegeeinrichtungen in einigen Mitgliedstaaten zu Zeiten der Abwesenheit vom Arbeitsmarkt und somit zu geschlechtsspezifischen Lohn- und Rentengefällen führt; in der Erwägung, dass diese ungleiche Verteilung der Betreuungs- und Pflegepflichten sowie die ungleiche Entlohnung für von in der Regel von Frauen ausgeführten Tätigkeiten und die Auswirkungen, die Unterbrechungen der Berufstätigkeit auf berufliche Beförderungen und das Rentenniveau haben, allesamt Faktoren für Frauenarmut sind;

K.

in der Erwägung, dass im Jahr 2017 das Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung für Frauen mit 23,3 % höher war als für Männer (21,6 %) (20);

L.

in der Erwägung, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle bei Berufseinsteigern im Allgemeinen geringer ist (21); in der Erwägung, dass die Chancengleichheit weiterhin gefördert werden sollte, um die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern weiter abzubauen;

M.

in der Erwägung, dass die Beschäftigung von Frauen im Dienstleistungssektor erheblich höher ist als in der Industrie, wobei Frauen vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Einzelhandel, im verarbeitenden Gewerbe, im Bildungswesen und in der Wirtschaft beschäftigt sind und der Anteil der Frauen, die einer Teilzeitbeschäftigung bzw. einem Gelegenheitsjob nachgehen, zunimmt;

N.

in der Erwägung, dass die durchgängige Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung ein wichtiges Instrument für die Einbindung der Geschlechtergleichstellung in alle politischen Strategien, Maßnahmen und Aktionen der EU darstellt, wie etwa in Strategien in den Bereichen Arbeitsmarkt und Soziales, mit denen Chancengleichheit gefördert und alle Formen der Diskriminierung von Frauen bekämpft werden sollen;

O.

in der Erwägung, dass Empfehlungen zu Geschlechtergleichstellung, Chancengleichheit und aktiver Unterstützung für Beschäftigung Bestandteil der europäischen Säule sozialer Rechte sind;

P.

in der Erwägung, dass in Grundsatz 6 der europäischen Säule sozialer Rechte festgelegt ist, dass Erwerbstätigenarmut verhindert werden muss und dass angemessene Mindestlöhne sichergestellt werden müssen, die vor dem Hintergrund der nationalen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen den Bedürfnissen der Arbeitnehmer und ihrer Familien gerecht werden und gleichzeitig den Zugang zu Beschäftigung und die Motivation, sich Arbeit zu suchen, wahren; in der Erwägung, dass gemäß der europäischen Säule sozialer Rechte jede Bezugnahme auf Arbeitnehmer im Rahmen eines Grundsatzes alle erwerbstätigen Personen betrifft, unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus, der Art oder Dauer der Beschäftigung;

Q.

in der Erwägung, dass junge Menschen Schwierigkeiten haben, hochwertige und stabile Arbeitsplätze zu finden, die mit unbefristeten Arbeitsverträgen verbunden sind, und dass sie häufig von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind; in der Erwägung, dass viele Mitgliedstaaten den Arbeitgebern gestatten, jüngeren Arbeitnehmern ein niedrigeres Gehalt zu zahlen, was eine Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer darstellt; in der Erwägung, dass junge Menschen häufig unbezahlte Praktika ohne eine Aussicht auf Beschäftigung annehmen;

R.

in der Erwägung, dass einige Gruppen von prekären Beschäftigungsverhältnissen deutlich stärker betroffen sind als andere Personengruppen, wobei einige Bevölkerungsgruppen, wie etwa Roma, in atypischen, instabilen und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen überrepräsentiert sind; in der Erwägung, dass 80 % der Roma und ihre Kinder von einem Einkommen unterhalb der jeweiligen nationalen Armutsgefährdungsschwelle leben (22), unabhängig davon, ob sie einer Beschäftigung nachgehen oder nicht; in der Erwägung, dass die Roma von der Pandemie und den Eindämmungsmaßnahmen schwer betroffen sind (23);

S.

in der Erwägung, dass 95 Millionen Menschen (21,7 %) in der EU von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, was bedeutet, dass das wirtschaftliche Überleben, die soziale Teilhabe und die Lebensqualität (24) von jedem fünften Menschen im drittgrößten Wirtschaftsraum der Welt gefährdet sind; in der Erwägung, dass nach Sozialtransfers 85,3 Millionen Menschen (16,9 %) in der EU von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen sind;

T.

in der Erwägung, dass aus den EU-Statistiken über Armut hervorgeht, dass zwischen den Mitgliedstaaten größere Unterschiede bestehen, wenn es darum geht, das Ziel der Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu verwirklichen;

U.

in der Erwägung, dass es im Vergleich zur Ausgangslage im Jahr 2008 8,2 Millionen Menschen gelang, die Kategorien der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen hinter sich zu lassen, was größtenteils auf die verbesserten Arbeitsmarktbedingungen und den Rückgang der schweren materiellen Deprivation (25) und des Anteils der Menschen, die in einigen Mitgliedstaaten in Haushalten mit sehr geringer Erwerbsintensität leben (26), zurückzuführen ist;

V.

in der Erwägung, dass die EU trotz einer erheblichen Verbesserung der Lage in einigen Mitgliedstaaten ihr im Rahmen der Strategie Europa 2020 festgelegtes Ziel, die absolute Zahl der von Armut bedrohten Menschen bis 2020 im Vergleich zu 2008 um 20 Mio. Personen zu verringern, verfehlt hat;

W.

in der Erwägung, dass einige Kategorien von Arbeitnehmern, wie etwa Saisonarbeitskräfte oder bestimmte Grenzgänger, besonders stark von Erwerbstätigenarmut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind und häufig im Rahmen kurzfristiger Arbeitsverträge beschäftigt werden, wobei ihnen nur ein geringes Maß an Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitsrechten oder sozialem Schutz geboten wird oder diese Faktoren überhaupt nicht vorhanden sind;

X.

in der Erwägung, dass prekäre Lebens- und Arbeitsbedingungen und Erwerbstätigenarmut verschiedene wirtschaftliche und soziale Folgen haben, darunter ein geringeres subjektives psychisches Wohlbefinden, Probleme im Zusammenhang mit dem Wohnraum und dem eigenen Lebensumfeld, schlechte Beziehungen und das Gefühl der sozialen Ausgrenzung (27);

Y.

in der Erwägung, dass Arbeitnehmer, die von Erwerbstätigenarmut betroffen sind, häufig einer Beschäftigung unter nicht hinnehmbaren Arbeitsbedingungen nachgehen, worunter u. a. das Fehlen eines Tarifvertrags, Verstöße gegen die Arbeitszeitregelungen (28) und berufsbedingte Gesundheits- und Sicherheitsrisiken gehören;

Z.

in der Erwägung, dass sich diese Arbeitnehmer in Zeiten einer Rezession in einer noch schwächeren Position auf dem Arbeitsmarkt befinden;

AA.

in der Erwägung, dass Teilzeitbeschäftigte und insbesondere unfreiwillig Teilzeitbeschäftigte insgesamt einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt sind, wenn verschiedene Risikofaktoren zusammenfallen, darunter niedrige Entlohnung, unsichere Arbeitsplätze, Alleinverdiener zu sein und mit abhängigen Haushaltsmitgliedern zusammenzuleben (29);

AB.

in der Erwägung, dass im Jahr 2019 5,8 % der Bevölkerung der EU-27 in einem Zustand schwerer materieller Deprivation lebten, und in der Erwägung, dass in zahlreichen Regionen und Gemeinden extreme Armut herrscht; in der Erwägung, dass dieser Anteil angesichts der COVID-19-Pandemie wahrscheinlich erheblich steigen wird, was dieses Problem noch dringlicher macht;

AC.

in der Erwägung, dass Energiearmut in ganz Europa ein besonders weit verbreitetes Problem ist, wobei zwischen 50 und 125 Millionen Menschen sich keinen angemessenen Wärmekomfort in ihren Wohnräumen leisten können (30); in der Erwägung, dass 11 % der Haushalte in der EU über keinen Internetzugang verfügen (31);

AD.

in der Erwägung, dass die Zahl der von Armut betroffenen Haushalte (32) langsam abnimmt (33), wobei jedes vierte Kind unter 18 Jahren von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht ist und damit in einem Kreislauf gefangen ist, in dem die soziale Benachteiligung von Generation zu Generation weitergegeben wird (34); in der Erwägung, dass Alleinerziehende (34,2 %) und kinderreiche Familien besonders betroffen sind (35); in der Erwägung, dass Familien mit einem Kind oder anderen Angehörigen mit Behinderungen einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt sind;

AE.

in der Erwägung, dass in den meisten Mitgliedstaaten die Mieten stetig steigen; in der Erwägung, dass die Quote der Überbelastung durch Wohnkosten (36) in der EU 9,6 % beträgt, was bedeutet, dass die in diesen Haushalten lebenden Menschen 40 % oder mehr ihres verfügbaren Äquivalenzeinkommens für Wohnraum ausgeben (37); in der Erwägung, dass in manchen Mitgliedstaaten die Quote der Überbelastung durch Wohnkosten sogar bei 50–90 % liegt (38); in der Erwägung, dass einkommensschwache Mieterhaushalte in der EU im Median mit Wohnkosten zwischen 20 und 45 % ihres verfügbaren Einkommens konfrontiert sind;

AF.

in der Erwägung, dass die Entwicklungen der Immobilienpreise zu den Hauptfaktoren für das Nettovermögensgefälle gehören; in der Erwägung, dass die Knappheit an erschwinglichem Wohnraum in vielen Mitgliedstaaten zur Hauptursache für Ungleichheiten wird;

AG.

in der Erwägung, dass die Obdachlosigkeit in ganz Europa zunimmt und im Jahr 2019 schätzungsweise 700 000 Menschen obdachlos waren (39), d. h. 70 % mehr als vor zehn Jahren (40);

AH.

in der Erwägung, dass im Jahr 2017 der Anteil der jungen Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren, die trotz Erwerbstätigkeit von Armut bedroht waren, in der Europäischen Union auf 11 % und in Rumänien auf bis zu 28,2 % geschätzt wurde (41);

AI.

in der Erwägung, dass die Altersarmut weiter zunimmt, wobei die Armutsgefährdungsquote bei über 65-Jährigen im Durchschnitt bei 16,1 % (EU-27) lag; in der Erwägung, dass diese Zahl vor allem aufgrund prekärer und atypischer Beschäftigungsverhältnisse, die bei älteren Menschen besonders häufig vorkommen, weiter ansteigen wird (42);

AJ.

in der Erwägung, dass durch Erwerbstätigenarmut die Arbeit ihren grundlegenden Zweck verfehlt, den Arbeitnehmern und ihren Familien ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, zumal sie daran gehindert werden, wirtschaftlich unabhängig zu werden;

AK.

in der Erwägung, dass in Artikel 4 der Europäischen Sozialcharta des Europarates festgelegt ist, dass alle Arbeitnehmer das Recht auf ein gerechtes Arbeitsentgelt haben, welches ausreicht, um ihnen und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu sichern;

Sinkende Tarifbindung

AL.

in der Erwägung, dass die Tarifbindung in den OECD-Ländern in den letzten drei Jahrzehnten von durchschnittlich 46 % auf 32 % zurückgegangen ist; in der Erwägung, dass in mindestens 14 Mitgliedstaaten der EU 50 % der Arbeitnehmer ohne Tarifvertrag beschäftigt sind; in der Erwägung, dass nur in sieben Mitgliedstaaten die Rate der Tarifbindung höher als 80 % liegt (43); in der Erwägung, dass der Rückgang in Ländern, in denen Strukturreformen durchgeführt wurden, die auf Tarifverhandlungen abzielten, am schnellsten erfolgte (44);

AM.

in der Erwägung, dass durch gut koordinierte Tarifverhandlungssysteme mit umfassender Bindung eine gute Lage auf dem Arbeitsmarkt gefördert wird, und in der Erwägung, dass Arbeitnehmer, die unter Tarifverträge fallen, in der Regel in den Genuss von besseren Arbeitsbedingungen und einem qualitativ besseren Arbeitsumfeld kommen als diejenigen, die nicht unter Tarifverträge fallen;

AN.

in der Erwägung, dass die Zahl der Länder weltweit, in denen Arbeitnehmern das Recht auf die Gründung einer Gewerkschaft oder den Beitritt zu einer Gewerkschaft verwehrt wird, von 92 im Jahr 2018 auf 107 im Jahr 2019 gestiegen ist; in der Erwägung, dass der höchste Anstieg in Europa zu verzeichnen war; in der Erwägung, dass 40 % der europäischen Länder den Arbeitnehmern nicht gestatten, Gewerkschaften beizutreten, und 68 % der europäischen Länder das Streikrecht und 50 % das Recht auf Tarifverhandlungen verletzen (45);

AO.

in der Erwägung, dass es für Arbeitnehmer in ländlichen Gebieten schwieriger ist, eine gewerkschaftliche Vertretung zu erhalten und lokale Tarifverträge und Branchentarifverträge auszuhandeln, was auch von der Branche abhängt;

AP.

in der Erwägung, dass das Lohnwachstum im Euro-Währungsgebiet zwischen 2000 und 2016 unter dem Produktivitätswachstum lag (46); in der Erwägung, dass die Lohnerhöhungen nicht mit dem Anstieg der Wertschöpfung Schritt gehalten haben, was die bestehende Ungleichheit verfestigt hat;

AQ.

in der Erwägung, dass mit Tarifverhandlungen und Branchentarifverträgen nicht nur das Lohnniveau, sondern auch die Arbeitsbedingungen, wie z. B. Arbeitszeit, bezahlter Urlaub, sonstiger Urlaub und Weiterbildungsmöglichkeiten, geregelt werden;

AR.

in der Erwägung, dass starke Sozialpartner und Tarifverhandlungen sich positiv auf das gesamte Lohnniveau in Europa auswirken können, einschließlich des Mindestlohns und des Medianeinkommens; in der Erwägung, dass durch Tarifverhandlungen sichergestellt wird, dass den Arbeitnehmern Gehör verschafft wird und sie geachtet werden; in der Erwägung, dass es Belege für eine positive Korrelation zwischen der Beteiligung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz und der Leistung und den Einnahmen des Unternehmens gibt (47);

Zunahme von atypischen und prekären Beschäftigungsverhältnissen

AS.

in der Erwägung, dass die Beschäftigungsquote für Menschen mit Behinderungen (50,6 %) im Jahr 2017 deutlich niedriger war als die Gesamtbeschäftigungsquote (74,8 %) (48);

AT.

in der Erwägung, dass Menschen mit Behinderungen infolgedessen einem höheren Risiko der Erwerbstätigenarmut ausgesetzt sind (11 % gegenüber dem EU-Durchschnitt von 9,1 %) (49);

AU.

in der Erwägung, dass nur 20,7 % der Frauen mit Behinderungen und 28,6 % der Männer mit Behinderungen vollzeitbeschäftigt sind (50);

AV.

in der Erwägung, dass in einigen Mitgliedstaaten Menschen mit Behinderungen häufig bei Aufnahme einer Beschäftigung ihre Leistungsansprüche im Zusammenhang mit ihrer Behinderung verlieren, was ihr Risiko, von Erwerbstätigenarmut betroffen zu sein, erhöht;

AW.

in der Erwägung, dass in einigen Mitgliedstaaten Menschen mit Behinderungen, die in geschützten Werkstätten beschäftigt sind, nicht unbedingt einen Arbeitnehmerstatus, Arbeitnehmerrechte oder einen garantierten Mindestlohn haben (51);

AX.

in der Erwägung, dass sich im Zuge der Finanzkrise die Integration von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt als noch schwieriger erwiesen hat (52);

AY.

in der Erwägung, dass der Anteil der Arbeitnehmer, die in einem von Armut bedrohten Haushalt leben, innerhalb von zehn Jahren von 8 % auf 9,4 % gestiegen ist, was 20,5 Millionen Menschen entspricht (53);

AZ.

in der Erwägung, dass eine Korrelation zwischen der Zunahme von atypischen Beschäftigungsformen und dem erhöhten Anteil der von Erwerbstätigenarmut bedrohten Europäer festgestellt wurde (54); in der Erwägung, dass 16,2 % der Personen, die in Teilzeit oder im Rahmen von befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt sind, ein höheres Risiko haben, von Erwerbstätigenarmut betroffen zu sein, als Personen, die im Rahmen von unbefristeten Arbeitsverträgen beschäftigt sind (6,1 %);

BA.

in der Erwägung, dass das Bildungsniveau eine maßgebliche Bedeutung für das Risiko der Erwerbstätigenarmut hat; in der Erwägung, dass das Risiko der Erwerbstätigenarmut für gering qualifizierte Arbeitskräfte erheblich höher ist; in der Erwägung, dass in einigen Mitgliedstaaten sogar für höher qualifizierte Arbeitskräfte ein Risiko besteht, trotz Erwerbstätigkeit in Armut zu fallen (55);

BB.

in der Erwägung, dass es in der EU unterschiedliche Lohnsetzungsmechanismen gibt;

BC.

in der Erwägung, dass Mindestlohnsysteme — so es sie denn gibt — in den Mitgliedstaaten nach Umfang und Deckung stark variieren (56); in der Erwägung, dass Mindestlohnsysteme hinsichtlich ihres absoluten und relativen Niveaus ebenfalls variieren, und in der Erwägung, dass erhebliche Lücken in Bezug auf Deckung und Angemessenheit bestehen, wenn es darum geht, ein menschenwürdiges Leben zu sichern; in der Erwägung, dass, selbst wenn diese Unterschiede geringer ausfallen, wenn den Unterschieden beim Preisniveau Rechnung getragen wird, die Unterschiede gemessen in Kaufkraftstandards nach wie vor hoch sind (57); in der Erwägung, dass auch der Prozentsatz der Menschen, die einen Mindestlohn erhalten, in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausfällt;

BD.

in der Erwägung, dass der Mindestlohn nur in drei Mitgliedstaaten durchweg über der definierten Armutsrisikoschwelle (60 % des Bruttomedianlohns) liegt und dass er in anderen Mitgliedstaaten nicht vor Armut schützt; in der Erwägung, dass bestimmte Branchen, Arbeitnehmergruppen und Arbeitsformen teilweise nicht in Mindestlohnregelungen oder Tarifverträge einbezogen oder darin erfasst werden;

BE.

in der Erwägung, dass Arbeitnehmer, die einen Mindestlohn beziehen, häufig Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen; in der Erwägung, dass sieben von zehn Arbeitnehmern, die einen Mindestlohn beziehen, zumindest „gewisse“ Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen, während dies unter anderen Umständen bei fünf von zehn Arbeitnehmern der Fall ist, wobei erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen (58);

BF.

in der Erwägung, dass infolge des Beschäftigungsrückgangs im Zuge der Finanzkrise im Jahr 2008 die Zahl der Menschen in atypischer Beschäftigung, Kurzarbeit und Teilzeitbeschäftigung, einschließlich unfreiwilliger Teilzeitbeschäftigung, drastisch zugenommen hat (59); in der Erwägung, dass unfreiwillig Teilzeitbeschäftigte am ehesten in einfachen oder niedriger eingestuften Dienstleistungsberufen und Branchen arbeiten und mit am stärksten vom Risiko der Erwerbstätigenarmut betroffen sind; in der Erwägung, dass über ein Drittel der Teilzeitbeschäftigten unfreiwillig in Teilzeit arbeitet und jeder Zweite in einem kurzfristigen Beschäftigungsverhältnis (60);

BG.

in der Erwägung, dass unbefristete Standardverträge mit Vollzeitbeschäftigung 59 % der Beschäftigung in der EU insgesamt ausmachen, während es immer mehr atypische Beschäftigungsverhältnisse (die häufig, aber nicht immer prekär sind) gibt (61);

BH.

in der Erwägung, dass kurzfristige Beschäftigung für die Weiterentwicklung und Schulung der Arbeitnehmer sowie für die Anpassung ihrer Kompetenzen an ein sich veränderndes Arbeitsumfeld nicht förderlich ist;

BI.

in der Erwägung, dass es bei der Zahl der Erwerbstätigen, die in der EU prekärer Arbeit nachgehen, große Schwankungen gibt, was den Groß- und Einzelhandel, das Verkehrswesen, das Hotel- und Gaststättengewerbe (62) sowie die Bereiche Kultur und Event-Management betrifft;

BJ.

in der Erwägung, dass Erwerbstätigenarmut auch junge Berufstätige mit hohem Bildungsniveau betreffen kann, insbesondere in Mitgliedstaaten mit hoher Jugendarbeitslosigkeit; in der Erwägung, dass der Prozentsatz junger Menschen, die von Erwerbstätigenarmut betroffen sind, bei denjenigen, die über einen Hochschulabschluss verfügen, zwar geringer ist als bei denjenigen mit einem niedrigeren Bildungsniveau, in einigen Mitgliedstaaten jedoch nach wie vor hoch ist; in der Erwägung, dass diese jungen Erwachsenen häufig mit niedrigen Löhnen, unfairen Arbeitsbedingungen, Scheinselbständigkeit, atypischen Arbeitsverträgen oder sogar nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit fertigwerden müssen (63);

BK.

in der Erwägung, dass zusätzliches Einkommen, eine größere Flexibilität, Erfahrungsgewinn, Kundengewinnung und mangelnde Chancen auf dem traditionellen Arbeitsmarkt die Hauptbeweggründe für die Plattformarbeit zu sein scheinen; in der Erwägung, dass die Plattformarbeit für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt im Allgemeinen positiv ist (64); in der Erwägung, dass die Plattformarbeit heterogen ist und eine einheitliche Lösung daher die Entstehung wichtiger Arbeitsformen untergaben würde (65);

BL.

in der Erwägung, dass die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) im Juli 2019 eingerichtet wurde, um die Mitgliedstaaten und die Kommission bei der wirksamen Anwendung und Durchsetzung des Unionsrechts im Zusammenhang mit der Arbeitskräftemobilität und der Koordinierung der sozialen Sicherheit zu unterstützen; in der Erwägung, dass davon ausgegangen wird, dass die ELA ihre volle Einsatzfähigkeit bis 2024 erreicht;

BM.

in der Erwägung, dass die Kommission zwar ihre Absicht bekundet hat, einen Vorschlag für eine Europäische Sozialversicherungsnummer vorzulegen, dass allerdings noch keine konkreten Vorschläge im Raum stehen;

BN.

in der Erwägung, dass die Quote der Erwachsenenbildung in der EU 2018 bei 11,1 % lag, während das Ziel für 2020 bei 15 % lag (66); in der Erwägung, dass Technologie und Innovation ein großes Chancenpotenzial haben, allerdings über 40 % der Erwachsenen in der EU nicht über grundlegende digitale Fähigkeiten verfügen:

Wirtschaftliche und soziale Folgen der COVID-19-Pandemie

BO.

in der Erwägung, dass während der Finanzkrise 2008 die Arbeitslosigkeit sowie prekäre und atypische Beschäftigung sprunghaft angestiegen sind und in der COVID-19-Krise auch die soziale Frage mit Arbeitsplatzverlust, Kurzarbeit und Existenznot, beispielsweise in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), im Kleinhandwerk, bei kleinen Gewerbetreibenden und Grenzgängern, in den Fokus rücken; in der Erwägung, dass der Mittelstand schrumpft, die Schere zwischen Arm und Reich wächst und die Ungleichgewichte in und zwischen den Mitgliedstaaten durch die COVID-19-Krise verschärft werden;

BP.

in der Erwägung, dass im Zuge der COVID-19-Pandemie im April 2020 50 % der Arbeitnehmer in der EU eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit hinnehmen mussten, wobei mehr als ein Drittel (34 %) der Erwerbstätigen angaben, dass die Arbeitszeit „stark“ zurückgegangen sei, bzw. 16 %, dass sie „leicht“ zurückgegangen sei (67);

BQ.

in der Erwägung, dass 75 % der EU-Bürger der Ansicht sind, dass ihre finanzielle Lage derzeit schlechter ist als vor der COVID-19-Pandemie, während 68 % der Menschen berichten, dass sie Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen, und 68 % nicht in der Lage sind, ihren Lebensstandard länger als drei Monate ohne Einkommen aufrechtzuerhalten; in der Erwägung, dass 16 % der Arbeitnehmer in der EU davon ausgehen, dass sie in naher Zukunft ihren Arbeitsplatz wahrscheinlich verlieren (68);

BR.

in der Erwägung, dass die durch die COVID-19-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise schwerwiegende und langfristige Folgen für den Arbeitsmarkt und insbesondere für junge Menschen oder schutzbedürftige Arbeitnehmer haben könnte, die in der Folge womöglich gezwungen werden, prekäre und atypische Beschäftigungsverhältnisse einzugehen, wodurch die Arbeitsbedingungen erheblich verschlechtert und bestehende Ungleichheiten verschärft werden;

BS.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie daher aller Wahrscheinlichkeit nach unmittelbare Auswirkungen in Form einer zunehmenden Armut und Erwerbstätigenarmut (69) zeitigen wird, insbesondere was die schutzbedürftigsten Gruppen in der Gesellschaft betrifft;

BT.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie die Notwendigkeit eines umfassenderen Sozialschutzes für alle Arten von Arbeitnehmern aufgezeigt hat, insbesondere für Selbstständige und Plattformbeschäftigte;

BU.

in der Erwägung, dass niedrig- und hochbezahlte Arbeitsplätze weiter zunehmen, die Zahl der Berufe mit mittlerer Bezahlung jedoch sinkt; in der Erwägung, dass gering bezahlte Arbeitsplätze nicht zwangsläufig mit geringen Qualifikationen gleichzusetzen sind, insbesondere wenn es um Plattformbeschäftigte geht; in der Erwägung, dass die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften, selbst bei schlecht bezahlten Arbeitsplätzen, zunimmt;

1.   

betont, dass die EU gemäß Artikel 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dafür zu sorgen hat, dass für alle Arbeitnehmer gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen bestehen, und macht darauf aufmerksam, dass durch Armut und Ausgrenzung auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft Ungleichheiten und Segregation verschärft werden; weist darauf hin, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ihrer Strategien das Sozialmodell der EU weiter stärken und den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, der Gewährleistung eines angemessenen Lebensstandards und einer angemessenen sozialen Absicherung für alle sowie der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung Rechnung tragen sollten;

2.   

betont, dass im EUV festgelegt ist, dass die Union die grundlegende Pflicht hat, auf eine nachhaltige Entwicklung in Europa hinzuarbeiten, und zwar unter anderem auf der Grundlage einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt sowie auf ein hohes Schutzniveau abzielt; betont, dass die EU soziale Ausgrenzung und Diskriminierung bekämpfen und soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes fördern sollte;

3.   

stimmt mit der Kommission darin überein, dass die Einkommensungleichheit in der EU als Weltregion geringer ist als in einigen anderen großen fortgeschrittenen Volkswirtschaften, aber weiterhin Anlass zur Sorge gibt; betont, dass eine hohe Ungleichheit Bedenken hinsichtlich der Fairness aufwirft, da eine verfestigte Ungleichheit zu Chancenungleichheit führen und das Wachstumspotenzial verringern kann; betont, dass eine relativ hohe Ungleichheit mit einer höheren Armutsgefährdungsquote, einer stärker ausgeprägten sozialen Ausgrenzung und einem häufigeren Auftreten finanzieller Notlagen einhergehen kann, wodurch wiederum der soziale Zusammenhalt geschwächt werden könnte (70);

4.   

weist darauf hin, dass zwar in den Mitgliedstaaten der Anteil an Frauen, die in Armut leben, jeweils ganz unterschiedlich hoch ist, dass aber das Risiko von Armut und gesellschaftlicher Ausgrenzung für die Risikogruppen, etwa für ältere Frauen, alleinstehende Frauen, Frauen mit Kindern und alleinerziehende Mütter, weibliche Flüchtlinge und Migrantinnen, farbige Frauen, Frauen, die zu ethnischen Minderheiten gehören, homosexuelle, bisexuelle und Transgender-Frauen sowie Frauen mit Behinderungen, hoch ist, wobei Frauen im Allgemeinen einem höheren Risiko von Armut und gesellschaftlicher Ausgrenzung ausgesetzt sind als Männer (22,8 % im Jahr 2018 in der EU); weist darauf hin, dass weitere zusätzliche Risikofaktoren wie etwa Beschäftigungslosigkeit und unzureichende Betreuungsmöglichkeiten von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen das Armutsrisiko für bestimmte Gruppen von Frauen noch erhöhen;

5.   

betont, dass einer von zwei Migranten aus Drittstaaten von Armut oder gesellschaftlicher Ausgrenzung bedroht ist, dass Migrantinnen und weibliche Flüchtlinge besonders häufig von prekären Beschäftigungsverhältnissen betroffen sind und dass die Armutsquote unter Menschen in Abhängigkeitsverhältnissen oder mit irregulärem Status extrem hoch ist; betont, dass vier von fünf Roma Einkommen unterhalb der Armutsgrenze beziehen und nicht einmal jede fünfte Roma-Frau im Alter von 16 Jahren und darüber einer Beschäftigung nachgeht; hebt hervor, dass Diskriminierung beim Zugang zu hochwertiger Bildung, Ausbildung und Beschäftigung zu dieser Situation beiträgt; fordert die EU auf, mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um dafür Sorge zu tragen, dass die Beschäftigungsnormen der EU und der Mitgliedstaaten ohne Diskriminierungen gleich welcher Art umfassend umgesetzt werden, auch durch Überwachungs-, Beschwerde- und Rechtsmittelverfahren, die wirksam, unabhängig und für alle Arbeitnehmer zugänglich sind;

6.   

weist darauf hin, dass nach Angaben von Eurostat derzeit 64,6 Mio. Frauen und 57,6 Mio. Männer in den Mitgliedstaaten in Armut leben, was deutlich macht, dass Frauen und Männer in unterschiedlicher Weise von Armut betroffen sind; stellt fest, dass diese Zahlen erkennbar machen, wie viele Frauen betroffen sind, und zusammen mit anderen Indikatoren wie Alter, Lebenserwartung, Einkommensungleichheiten, Lohngefälle zwischen Frauen und Männern, Haushaltsart und Sozialtransfers untersucht werden müssen, um ihre Bedeutung in vollem Umfang zu verstehen; hebt hervor, dass vermutlich unterschätzt wird, wie sehr Frauen von Armut betroffen sind, und fordert die Mitgliedstaaten auf, Daten zur Armut so zu erfassen, dass sie sowohl die Lage des Haushalts, in dem eine Person lebt, als auch ihre individuelle Lage wiedergeben, und auch einschlägige Daten zur Gleichstellung zu erfassen und geschlechtsbezogene Analysen der Armutsstatistiken und der Maßnahmen zur Armutsbekämpfung durchzuführen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Mittel unter den Männern und Frauen eines Haushalts jeweils gleichmäßig aufgeteilt werden;

Maßnahmen gegen Ungleichheit

7.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, durch eine soziale und wirtschaftliche Aufwärtskonvergenz das Ziel vergleichbarer Lebensbedingungen zu verwirklichen, gegen die zunehmenden Ungleichheiten innerhalb der und zwischen den Mitgliedstaaten vorzugehen und die Solidarität zu stärken; legt den Mitgliedstaaten nahe, Tarifverhandlungssysteme zu stärken und ein Mindestniveau für den Sozialschutz sowie Sozialversicherungssysteme für alle Altersgruppen sicherzustellen; betont, dass diese Ziele durch Instrumente wie Mindesteinkommen, Mindestlöhne und Mindestrenten im Rahmen der ersten Säule (71) im Einklang mit den Zuständigkeiten und Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten und unter Achtung aller allgemeinen Grundsätze der Europäischen Union, einschließlich der Grundrechte, der Verhältnismäßigkeit, der Rechtssicherheit, der Gleichheit vor dem Gesetz und der Subsidiarität, erreicht werden können;

8.

erinnert die Kommission und die Mitgliedstaaten daran, dass das Ziel, Erwerbstätigenarmut zu verhindern und zu bekämpfen, im Rahmen des Gesamtziels, die Armut in der Europäischen Union zu beseitigen, verfolgt werden muss;

9.

vertritt die Auffassung, dass die Verfügbarkeit von erschwinglichen, zugänglichen und hochwertigen Diensten (insbesondere von öffentlichen Diensten) von grundlegender Bedeutung ist, um Ungleichheiten und Armut zu verringern; hält es daher für wesentlich, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um den Zugang zu hochwertigen Diensten und in der Folge einen universellen Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, erschwinglichem Wohnraum, Energieversorgung und sozialem Schutz zu gewährleisten;

10.

ist davon überzeugt, dass der Grundsatz „Arbeit ist das beste Mittel gegen Armut“ angesichts von Niedriglohnbeschäftigung und prekären Arbeitsbedingungen (darunter Formen von atypischer Beschäftigung) heute nicht immer zutrifft, wodurch die Nachhaltigkeit und die Angemessenheit der Systeme der sozialen Sicherheit beeinträchtigt werden; ist ferner davon überzeugt, dass funktionierende Tarifvertrags- und Mindestlohnsysteme — soweit vorhanden — wichtige Instrumente zur Bekämpfung von Armut sind;

11.

weist darauf hin, dass Wachstum für die Bekämpfung von prekären Beschäftigungsverhältnissen und Armut von grundlegender Bedeutung ist; vertritt die Auffassung, dass unternehmerische Initiativen auch bei Frauen und jungen Menschen gefördert werden müssen; weist darauf hin, dass KMU unterstützt werden müssen, da sie Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen und das Rückgrat der europäischen Wirtschaft bilden; weist darauf hin, dass sie die Dynamik der Regionen ankurbeln und zur Innovation und zum Aufbau eines wettbewerbsfähigen, diversifizierten und nachhaltigen Arbeitsmarkts beitragen; betont, dass die Gesetzgebung der Union unternehmensfreundlich gestaltet werden muss, vor allem in Bezug auf KMU;

12.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, auf der Grundlage ihrer Verpflichtungen gemäß den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation und der revidierten Europäischen Sozialcharta sowie ihrer Zusagen im Rahmen der europäischen Säule sozialer Rechte und der Nachhaltigkeitsziele Tarifverhandlungen zu fördern; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre nationalen Rechtsvorschriften anzupassen, falls dadurch Tarifverhandlungen und das Recht, sich zu vereinigen und Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, beeinträchtigt werden, und, soweit erforderlich, das Recht auf faire Mindestlöhne zu achten und durchzusetzen;

13.

hebt hervor, dass technologische Entwicklungen und der Wandel in der Wirtschaftsstruktur zu einer erhöhten Konzentration der Wirtschaftstätigkeit und hochqualifizierter Arbeitsplätze in Ballungsräumen führen, wodurch sich soziale und geografische Ungleichheiten verschärfen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Investitionen in digitale Technologie im ländlichen Raum zu verstärken, um die öffentlichen Dienstleistungen auszubauen, ihre Qualität und Effizienz zu steigern und neue Arten der Bereitstellung von Dienstleistungen in entlegenen und unterversorgten Gebieten zu schaffen, damit gegen Ungleichheiten vorgegangen und für bessere Beschäftigungsmöglichkeiten gesorgt wird;

14.

begrüßt die von der Kommission vorgeschlagene Kompetenzagenda; hebt hervor, dass ein niedriger Bildungsstand zu den eigentlichen Ursachen der Erwerbstätigenarmut zählt, wogegen vorgegangen werden muss;

15.

fordert die Mitgliedstaaten auf, einen gleichberechtigten Zugang zu einer inklusiven allgemeinen und beruflichen Bildung für alle sicherzustellen und ihre Anstrengungen zur Verringerung von Schulabbrüchen zu verstärken;

16.

unterstreicht, dass eine hochwertige Bildung von früher Kindheit an, eine berufliche Ausbildung sowie Umschulungen und Fortbildungen wesentlich sind, um Ungleichheiten abzubauen und die Fähigkeit von Arbeitnehmern, sich an ein verändertes Arbeitsumfeld anzupassen, zu verbessern und einen erfolgreichen Übergang in eine Beschäftigung in die Wege zu leiten;

17.

fordert die Mitgliedstaaten daher auf, eng mit den Sozialpartnern, den Trägern der allgemeinen und beruflichen Bildung, Unternehmen und anderen einschlägigen Interessenträgern zusammenzuarbeiten, um die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung zu stärken und besser zu gestalten und ihre Qualität und Relevanz für den Arbeitsmarkt und die Selbstentfaltung zu verbessern, auch damit Menschen einen Zugang zu lebenslangem Lernen haben können;

18.

betont, dass aufgrund des digitalen Wandels und der zunehmenden Anzahl hochqualifizierter und anspruchsvoller Berufe gezielte Investitionen in lebenslanges Lernen erforderlich sind; legt der Kommission und den Mitgliedstaaten nahe, kohärente und umfassende Unterstützung bereitzustellen, damit die erforderlichen digitalen Kompetenzen, auch bei älteren Arbeitnehmern, entwickelt werden; fordert daher gezielte Investitionen in die digitale Umschulung und Fortbildung, damit sich Arbeitnehmer an den Wandel anpassen und höhere Löhne sichergestellt werden können;

19.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, junge Menschen mit einem angemessenen Grad an allgemeiner und beruflicher Bildung auszustatten, sodass sie den Bedarf und die Herausforderungen des Arbeitsmarkts meistern können, und ihnen Wissen über ihre Arbeits- und Sozialrechte zu vermitteln, damit sie nicht in atypische und prekäre Beschäftigungsverhältnisse geraten;

20.

weist die Kommission und die Mitgliedstaaten darauf hin, dass bei Kollisionen der wirtschaftlichen Grundfreiheiten mit grundlegenden Sozial- und Arbeitnehmerrechten Letztere gleichrangig mit den wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarkts behandelt werden;

21.

verlangt eine übergreifende europäische Strategie zur Armutsbekämpfung, die mit ehrgeizigen Zielen zur Verringerung der Armut und zur Beseitigung extremer Armut in Europa bis 2030 einhergeht, mit den in der europäischen Säule sozialer Rechte niedergelegten Grundsätzen im Einklang steht und den Nachhaltigkeitszielen Rechnung trägt;

22.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Finanzierungsinstrumente wie die Jugendgarantie und EU-Programme zu nutzen, um Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, die Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen zu verbessern und sie dazu anzuregen, stabile und nicht-prekäre Arbeitsplätze anzunehmen;

23.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, konkrete Maßnahmen gegen Steuervermeidung und Steuerbetrug zu ergreifen, um so einen wichtigen Beitrag zum Abbau wirtschaftlicher Ungleichheiten und zur Verbesserung des Steueraufkommens in den Mitgliedstaaten zu leisten;

24.

fordert die Kommission auf, ihren Rahmen für die Gründung und Entwicklung von Genossenschaften und Unternehmen der Sozialwirtschaft, die ihrem Wesen nach mehr Gewicht auf faire Arbeitsbedingungen und die Stärkung der Gestaltungs- und Entscheidungsmacht der Beschäftigten legen, zu aktualisieren;

25.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Initiativen zur Stärkung der Position von Frauen durch Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen sowie zur Verbesserung des Zugangs von Frauen zu Finanzierung, unternehmerischer Selbständigkeit und zukunftsorientierten Wirtschaftszweigen vorzulegen, um den Zugang zu hochwertigen Beschäftigungsverhältnissen sicherzustellen; fordert insbesondere eine verstärkte Förderung von MINT-Fächern, digitaler Bildung, künstlicher Intelligenz und Finanzwissen, um die bestehenden Stereotype zu bekämpfen und dafür zu sorgen, dass sich mehr Frauen für diese Wirtschaftszweige entscheiden und zu ihrer Weiterentwicklung beitragen;

26.

hebt den regelmäßigen Dialog zwischen Frauen, die von Armut betroffen sind, und Entscheidungsträgern im Rahmen von Foren auf nationaler, regionaler und EU-Ebene hervor, in dessen Rahmen die Wirksamkeit aktueller politischer Strategien und Dienste bewertet wird und Lösungen vorgeschlagen werden;

27.

betont, dass nichtstaatliche Organisationen angemessen finanziert werden müssen; hebt hervor, dass sie Zugang zu EU-Mitteln haben müssen, um innovative und wirksame Dienstleistungen zur Bekämpfung der Armut bereitstellen zu können;

28.

begrüßt das Vorhaben der Kommission, unverzüglich eine Kindergarantie einzuführen (72);

29.

fordert die Mitgliedstaaten auf, den Zugang zu menschenwürdigem, bezahlbarem, zugänglichem, energieeffizientem und gesundem Wohnraum für alle sicherzustellen und sich stärker dafür einzusetzen, Sozialwohnungen, auch Wohnungen der öffentlichen Hand, zu fördern; fordert die Mitgliedstaaten auf, den Austausch bewährter Verfahren im Bereich der wirksamen sozialen Wohnungspolitik zu stärken;

30.

fordert die Mitgliedstaaten und die lokalen Behörden auf, eine geeignete Wohnungspolitik zu verfolgen, um Voraussetzungen für Investitionen in sozialen und erschwinglichen Wohnraum zu schaffen und diese zu unterstützen und um gegen Energiearmut vorzugehen;

31.

fordert die Kommission auf, angesichts der Wechselwirkungen zwischen Erwerbstätigenarmut und Obdachlosigkeit einen strategischen EU-Rahmen für die nationalen Strategien gegen Obdachlosigkeit vorzulegen; fordert die Mitgliedstaaten auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um Obdachlosigkeit vorzubeugen und dagegen vorzugehen und Zwangsräumungen zu unterbinden;

32.

betont, wie wichtig es ist, die Mittel für die am stärksten von Armut betroffenen Personen im Rahmen des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) aufzustocken, da es sich dabei um ein Grundelement der europäischen Solidarität und um einen Beitrag zur Bekämpfung der schlimmsten Formen der Armut in der EU, wie Nahrungsmangel und Kinderarmut, handelt;

Mindestabsicherung der Lebens- und Arbeitsbedingungen

33.

vertritt die Auffassung, dass ein Rechtsrahmen zur EU-weiten Regulierung der Telearbeit erforderlich ist, um menschenwürdige Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in der digitalen Wirtschaft sicherzustellen und auf diese Weise zur Verringerung von Ungleichheiten beizutragen sowie gegen das Problem der Erwerbstätigenarmut anzugehen;

34.

fordert die Kommission auf, einen EU-Rahmen für Mindesteinkommen vorzulegen;

35.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu investieren, um die europäischen Beschäftigten und Volkswirtschaften widerstandsfähiger zu machen und die Beschäftigten mit wertvollen Kompetenzen auszustatten;

36.

würdigt den Vorschlag der Kommission zur Ausarbeitung einer EU-Richtlinie, mit der sichergestellt werden soll, dass Arbeitnehmer in der Europäischen Union durch angemessene Mindestlöhne geschützt werden, die ihnen einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen;

37.

betont, dass die Richtlinie klare Garantien in den Mitgliedstaaten vorsehen sollte, in denen die Löhne in der Regel durch Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern vereinbart werden;

38.

weist auf die in den politischen Leitlinien der Kommission für den Zeitraum 2019–2024 (73) vorgeschlagenen Maßnahmen hin, mit denen sichergestellt werden soll, dass Arbeitnehmer in der Union faire Mindestlöhne beziehen, die ihnen am Ort ihrer Arbeit einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen;

39.

erinnert daran, dass die Richtlinien über Arbeitnehmerrechte im Einklang mit dem Grundsatz des Regressionsverbots und unbeschadet günstigerer Bestimmungen Mindeststandards vorsehen und dass es den einzelnen Mitgliedstaaten freisteht, für ein höheres Schutzniveau und höhere Standards zu sorgen;

40.

ist der Ansicht, dass mit dieser Richtlinie mittels Tarifverträgen und gesetzlicher Mindestlöhne sichergestellt werden sollte, dass Arbeitnehmer oder ihre Familien nicht armutsgefährdet sind und dass jeder von seiner Arbeit leben und an der Gesellschaft teilhaben kann;

41.

unterstreicht, dass mit der endgültigen Fassung der Richtlinie gewährleistet werden sollte, dass gesetzliche Mindestlöhne — sofern vorhanden — oberhalb der Armutsschwelle liegen;

42.

fordert die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner auf, Mindestlöhne sicherzustellen, und zwar in Übereinstimmung mit nationalen Gepflogenheiten und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Erwerbstätigenarmut;

43.

betont, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um zu verhindern, dass Arbeitgeber auf Praktiken zurückgreifen, in deren Zuge die Kosten zur Verrichtung der Arbeit, etwa die Kosten für Unterkunft, Arbeitskleidung, Werkzeuge, persönliche Schutzausrüstung und sonstige Ausrüstung, vom Mindestlohn abgezogen werden;

44.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Rechtsrahmen für Mindestarbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmer durchzusetzen, insbesondere wenn es um Arbeitnehmer geht, die unter prekären Arbeitsbedingungen beschäftigt sind, was häufig auch auf atypische Arbeitnehmer und nicht standardmäßig Beschäftigte in der Gig-Ökonomie zutrifft, und diesen Rahmen zu verbessern, indem Lücken in der Gesetzgebung geschlossen und bestehende Richtlinien (74) verbessert oder bei Bedarf neue Rechtsakte erlassen werden;

45.

fordert die Mitgliedstaaten auf, Sozialversicherungssysteme für alle Arbeitnehmer sicherzustellen, und fordert die Kommission auf, die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer zu ergänzen und zu unterstützen;

46.

hebt hervor, dass die Mobilität der Arbeitskräfte von entscheidender Bedeutung ist, um die Talente und Ambitionen der Europäer optimal zu nutzen, die Wirtschaftsleistung und den Erfolg von Unternehmen und Einzelpersonen zu maximieren und den Menschen eine Vielzahl an Möglichkeiten zu bieten; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Hindernisse, die der Mobilität in der Union nach wie vor entgegenstehen, zu beseitigen;

47.

fordert die Mitgliedstaaten auf, für die Bereitstellung von angemessenen Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen am Arbeitsplatz Sorge zu tragen (75);

48.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Praktiken zu bekämpfen, die zur Erwerbstätigenarmut beitragen, wie nicht erfasste Überstunden, unzuverlässige oder unvorhersehbare Arbeitszeitplanung vonseiten der Arbeitgeber, Null-Stunden-Verträge, nicht angemeldete Wirtschaftstätigkeit und Schattenwirtschaft; ruft in Erinnerung, dass die Arbeitgeber für den Gesundheitsschutz und die Sicherheit am Arbeitsplatz verantwortlich sind und dass berufliche Fortbildungsmaßnahmen während der Arbeitszeit stattfinden müssen;

49.

nimmt zur Kenntnis, dass das von der Kommission auszurichtende europäische Gipfeltreffen zur Plattformarbeit, in dessen Rahmen Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten ausgelotet werden sollten, aufgrund der COVID-19-Krise verschoben wurde; fordert die Kommission nachdrücklich auf, dieses Gipfeltreffen so bald wie möglich abzuhalten;

50.

nimmt die gesellschaftlichen Folgen der Plattformarbeit zur Kenntnis, die darin bestehen, dass Arbeitnehmer nicht in den Genuss von Arbeitnehmerrechten und sozialem Schutz kommen und dass es keine Sozialabgaben und Steuern gibt;

51.

erkennt das Vorhaben der Kommission, einen Legislativvorschlag (76) zu Plattformbeschäftigten anzunehmen, an; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbeziehungen zwischen Plattformen und Arbeitnehmern an die neuen Gegebenheiten einer digitalisierten Gesellschaft und Wirtschaft angepasst und mittels der Abdeckung dieser Arbeitnehmer durch bestehende arbeitsrechtliche Vorschriften und Bestimmungen im Bereich der sozialen Sicherheit klar geregelt werden, um die Arbeitsbedingungen, die Kompetenzen und die Bildung von Plattformbeschäftigten zu verbessern und sicherzustellen, dass ihre Arbeitszeiten vorhersehbar sind;

52.

betont, dass mit dem Legislativvorschlag der EU sichergestellt werden sollte, dass Plattformbeschäftigte Arbeitnehmervertretungen bilden und sich zu Gewerkschaften zusammenschließen können, um Tarifverträge abzuschließen;

53.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben rasch umzusetzen und uneingeschränkt anzuwenden (77);

54.

fordert die Mitgliedstaaten auf, den Zugang zu erschwinglicher und hochwertiger Kinderbetreuung im Allgemeinen und insbesondere für Alleinerziehende, Eltern von Kindern mit Behinderungen und Eltern in kinderreichen Familien sicherzustellen; weist darauf hin, dass der Zugang zu Kinderbetreuung für Arbeitsuchende und Arbeitnehmer in einer instabilen Beschäftigungssituation, unabhängig von der Art des Vertrags, sowie der Zugang zu Betreuungseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen und pflegebedürftige Angehörige besonders wichtig sind, um zu verhindern, dass derartige Arbeitnehmer mit Betreuungs- und Pflegepflichten in prekären Beschäftigungsverhältnissen gefangen sind, die häufig zu Erwerbstätigenarmut führen;

55.

betont, dass verbesserte Möglichkeiten zur geteilten Nutzung der Elternzeit positive Auswirkungen auf die Beschäftigung von Frauen haben könnten; fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Begünstigten von Elterngeld und vergleichbaren Leistungen davor geschützt sind, unter die Armutsgrenze zu fallen;

56.

betont, dass die Einhaltung der Vorschriften über die Gleichstellung sichergestellt werden muss, um gegen sämtliche Formen von Diskriminierung, insbesondere in Bezug auf die Löhne und Arbeitsbedingungen, vorzugehen, dass Chancengleichheit geboten werden muss und dass Lücken in der Rechtsetzung, die benachteiligte Gruppen betreffen, geschlossen werden müssen; fordert ferner, dass die horizontale Antidiskriminierungsrichtlinie nicht länger blockiert wird;

57.

fordert die Kommission auf, gleichberechtigte Teilhabe und Chancengleichheit für Frauen und Männer am Arbeitsmarkt zu fördern und Initiativen vorzulegen, mit denen der Zugang von Frauen zu Finanzmitteln, die unternehmerische Tätigkeit von Frauen und die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen gefördert werden;

58.

hebt hervor, dass es für die Bekämpfung der Erwerbstätigenarmut unter Frauen von entscheidender Bedeutung ist, gegen das geschlechtsspezifische Lohngefälle und das sich daraus ergebende Rentengefälle vorzugehen; weist darauf hin, dass es wichtig ist, angemessene finanzielle Unterstützung für Kinderbetreuung während des Mutterschafts- und Elternurlaubs bereitzustellen;

59.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die Berücksichtigung von Kindererziehungspflichten in Rentensystemen in Betracht zu ziehen, wenn Frauen während derartiger Zeiträume nicht in der Lage sind, zu arbeiten und angemessene Beiträge zu leisten;

60.

betont, dass Maßnahmen zur Lohntransparenz darauf ausgerichtet sein sollten, Lohngleichheit zu erreichen, und es Sozialpartnern ermöglichen sollten, Tarifverträge abzuschließen, um dieses Ziel zu verwirklichen;

61.

fordert die Kommission auf, eine Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen für den Zeitraum nach 2020 vorzulegen, um die umfassende Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt sicherzustellen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen mit den erforderlichen Kompetenzen ausgestattet werden, um einen Arbeitsplatz auf dem offenen Arbeitsmarkt zu finden, und dass sie durch das Arbeitsrecht, Sozialschutz und Mindestlöhne abgedeckt sind;

62.

fordert die Mitgliedstaaten auf, Menschen mit Behinderungen nicht ihren Ansprüchen auf Leistungen im Zusammenhang mit ihrer Behinderung zu entziehen, mit denen ihre mit der Behinderung verbundenen zusätzlichen Aufwendungen abgedeckt werden, wenn sie sich in den Arbeitsmarkt eingliedern oder ein bestimmtes Einkommensniveau überschreiten, da diese Praxis zur Erwerbstätigenarmut beiträgt; fordert die Mitgliedstaaten auf, Menschen mit Behinderungen bei der Überwindung von Hindernissen zu unterstützen;

63.

fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen ihre Arbeitnehmerrechte und ihre gewerkschaftlichen Rechte in der gleichen Weise wahrnehmen können wie andere Arbeitnehmer;

64.

bekräftigt seine Forderung (78) an die Kommission, im Einklang mit ihrer Zusage in der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025 unverzüglich verbindliche Maßnahmen zur Lohntransparenz vorzulegen (79); ist der Ansicht, dass bei diesen Maßnahmen die Autonomie der nationalen Sozialpartner uneingeschränkt geachtet werden sollte;

65.

besteht darauf, dass alle Arbeitgeber im öffentlichen und privaten Sektor der Lohntransparenz nachkommen sollten, wobei die Besonderheiten von KMU gebührend zu berücksichtigen sind, während Praktiken, mit denen die Verwirklichung des Grundsatzes „gleiches Entgelt für gleiche Arbeit“ untergraben wird, zu verhindern sind;

66.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, gegen Erwerbstätigenarmut unter jungen Menschen vorzugehen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen gegen Scheinselbstständigkeit und die Ausbeutung junger Arbeitnehmer durch niedrige Löhne und unklare oder ungerechte Arbeitsbedingungen, die Erwerbstätigenarmut zur Folge haben können, zu ergreifen; betont, dass es dringend erforderlich ist, den europäischen Qualitätsrahmen für Praktika zu überarbeiten und zu stärken und dabei in die Qualitätskriterien den Grundsatz aufzunehmen, dass Praktika zu vergüten sind, sowie den angemessenen Zugang zu den Sozialschutzsystemen sicherzustellen; erklärt erneut, dass die Beschäftigung junger Menschen nicht als Möglichkeit für billige Arbeitskraft gesehen werden sollte und dass junge Menschen im Einklang mit ihrer Erfahrung und ihren Qualifikationen gerechte Arbeitsbedingungen und Löhne sowie reguläre Arbeitsverträge erhalten sollten;

67.

äußert sich besorgt darüber, dass atypische und prekäre Beschäftigungsverhältnisse aufgrund der COVID-19-Krise zunehmen könnten; hebt hervor, dass gesetzliche Mindestlöhne für alle Arbeitnehmer gelten sollten, einschließlich der derzeit ausgenommenen Arbeitnehmer, die beispielsweise in atypischen Beschäftigungsverhältnissen tätig sind;

68.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, detailliertere statistische Daten zur Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse und einiger Formen atypischer Beschäftigung auf den Arbeitsmärkten zu erheben und reaktive Maßnahmen zu ergreifen, indem die bestehenden arbeitsrechtlichen Vorschriften angepasst und modernisiert werden;

69.

begrüßt die Initiativen der Mitgliedstaaten zur Verringerung prekärer Beschäftigungsverhältnisse und zur Beseitigung betrügerischer Praktiken, die auf Lohnunterbietung und die Vermeidung von Sozialabgaben ausgerichtet sind (80), und fordert die Kommission auf, im Rahmen ihrer durch die Verträge festgelegten Zuständigkeiten Vorschläge vorzulegen;

70.

weist darauf hin, dass öffentliche Arbeitsverwaltungen weiterhin möglichst viele hochwertige Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten sollten;

71.

fordert die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, die Verwendung von Null-Stunden-Verträgen schrittweise abzuschaffen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, gegen unfreiwillige Teilzeitbeschäftigung vorzugehen und entschiedene Anstrengungen zu unternehmen, um unbefristete Beschäftigung zu fördern und den Einsatz von immer wieder verlängerten befristeten Arbeitsverträgen einzuschränken;

72.

vertritt entschieden die Auffassung, dass Arbeitgeber die volle Verantwortung dafür tragen, ihren Arbeitnehmern die erforderliche Ausrüstung, Kleidung und Versicherung bereitzustellen, sodass diese ihre Aufgaben erfüllen können, ohne dass ihnen Kosten entstehen; hebt hervor, dass die Arbeitgeber die volle Verantwortung dafür tragen, die anfallenden Kosten zu übernehmen bzw. die erforderliche Schulung bereitzustellen, sodass die Arbeitnehmer ihre Funktion erfüllen können;

73.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass die EU-Rechtsvorschriften über die Mobilität der Arbeitskräfte und die Koordinierung der sozialen Sicherheit ordnungsgemäß durchgesetzt werden, und insbesondere dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmer vor der Unterzeichnung ihrer Verträge in einer für sie verständlichen Sprache über ihre Rechte, Pflichten und Verfahrensgarantien informiert werden (81); fordert die ELA und die Mitgliedstaaten auf, die Einhaltung der geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften zu überwachen; fordert die Mitgliedstaaten auf, Arbeitskontrollen einzurichten und in grenzüberschreitenden Fällen die ELA einzubeziehen;

74.

betont, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen sollten, dass nationale Arbeitsaufsichtsbehörden wirksame und angemessene Kontrollen und Prüfungen durchführen, geeignete Beschwerdemechanismen bereitstellen und die Rechte aller Arbeitnehmer, insbesondere derjenigen in prekären Beschäftigungsverhältnissen und einigen Formen atypischer Beschäftigung, wahren, und dafür sorgen sollten, dass sie ausreichende Finanzmittel erhalten;

75.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die überarbeitete Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern durchzusetzen, um echten Schutz für die Arbeitnehmer dieser Gruppe sicherzustellen;

76.

betont, dass Aufsicht und Kontrolle insbesondere in Fällen von Drittstaatsangehörigen, die in der Union arbeiten, besonders wichtig sind, um ihren Schutz sicherzustellen und Verstöße zu verhindern; fordert die Mitgliedstaaten auf, in diesem Zusammenhang eng mit der ELA zusammenzuarbeiten;

77.

fordert, dass die ELA tatsächliche Kontrollbefugnisse erhält, damit sie wirksam gegen illegale Praktiken sowie die Ausbeutung und den Missbrauch von Arbeitnehmern vorgehen kann;

78.

begrüßt die Leitlinien der Kommission vom 16. Juli 2020 zum Schutz von Saisonarbeitnehmern und die Schlussfolgerungen des Rates vom 9. Oktober 2020 zu Saisonarbeitnehmern;

79.

nimmt zur Kenntnis, dass beim Petitionsausschuss eine hohe Zahl von Petitionen eingegangen ist, in denen auf den Missbrauch befristeter Arbeitsverträge sowohl im öffentlichen (82) als auch im privaten (83) Sektor hingewiesen wird, und stellt in diesem Zusammenhang fest, dass als häufigste Ursache von Stress bei der Arbeit prekäre Beschäftigungsverhältnisse genannt werden; fordert die Kommission auf, sich mit diesen Petitionen zu befassen und besser darauf zu reagieren, wobei ihre Befugnisse und die der Mitgliedstaaten zu wahren sind, um die Erwerbstätigenarmut, die soziale Ausgrenzung und prekäre Arbeitsverhältnisse wirksam zu bekämpfen;

80.

hält Prostitution für eine schwere Form der Gewalt und Ausbeutung, von der vor allem Frauen und Kinder betroffen sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Ursachen der Prostitution zu bekämpfen und Prostituierte bei ihrer gesellschaftlichen und beruflichen Wiedereingliederung zu unterstützen;

81.

ist der Ansicht, dass größeres Augenmerk auf Werte und politische Maßnahmen gelegt werden sollte, mit denen die Arbeit und ihre Bedeutung für die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen gefördert werden, wobei diese Werte und Maßnahmen einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des sozialen und physischen Umfelds der Menschen leisten sollten;

82.

begrüßt die Annahme des Mobilitätspakets; vertritt die Auffassung, dass das Mobilitätspaket ein wirksames Instrument ist, um gegen Sozialdumping und Erwerbstätigenarmut in der Verkehrsbranche vorzugehen; fordert, dass die Verordnung (EU) 2020/1054 (84) über Lenkzeiten, Ruhezeiten und Fahrtenschreiber zugunsten von Lastkraftwagenfahrern in ganz Europa rasch und umfassend umgesetzt wird; hebt hervor, dass weitere vergleichbare Initiativen auf den Weg gebracht werden müssen, um gegen Sozialdumping und Erwerbstätigenarmut in anderen Branchen vorzugehen, die von Sozialdumping und schlechten Arbeitsbedingungen betroffen sind, wie beispielsweise Luft- und Seeverkehr;

83.

vertritt die Auffassung, dass Unternehmen Praktika nicht als kostenlose Arbeit, sondern als Investition betrachten sollten; ruft in Erinnerung, dass junge Menschen, während sie ein Praktikum absolvieren, oftmals über keine anderen Einkommensquellen verfügen; vertritt die Auffassung, dass Praktikanten einen wertvollen und wesentlichen Beitrag leisten und eine Entlohnung verdienen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, der Praxis unbezahlter Praktika ein Ende zu setzen und hochwertige Praktika mit angemessener Entlohnung sicherzustellen;

84.

vertritt die Auffassung, dass junge erwachsene Arbeitnehmer entsprechend ihrer Erfahrung entlohnt werden sollten und keiner Diskriminierung in Gestalt einer deutlich niedrigeren Entlohnung, die lediglich auf ihrem Alter beruht, ausgesetzt sein sollten; fordert die Mitgliedstaaten daher auf, der Praxis, wonach junge erwachsene Arbeitnehmer einen gesetzlichen Lohn erhalten können, der unter dem Mindestlohn liegt, ein Ende zu setzen;

Tarifverträge

85.

weist darauf hin, dass die Autonomie von Sozialpartnern ein wertvolles Gut ist, und betont, dass sie in allen Mitgliedstaaten sichergestellt und ihre Einhaltung auf Ebene der EU überwacht werden muss; weist auf den Vorschlag der Kommission (85) hin, die Tarifverhandlungssysteme auf nationaler Ebene, insbesondere auf Branchenebene, zu schützen und zu stärken;

86.

fordert die Kommission auf, den Einsatz des ESF+ für den Kapazitätsaufbau unter den Sozialpartnern zu fördern, um die Tarifverhandlungen in Europa zu stärken; fordert die Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen Institutionen und Mechanismen einzurichten, um Tarifverhandlungen zu unterstützen, wobei besonderes Augenmerk auf branchenspezifische Tarifverhandlungen zu legen ist; fordert die Mitgliedstaaten auf, die nationalen Sozialpartner zu konsultieren und sie gegebenenfalls in Gesetzgebungsprozesse einzubeziehen;

87.

nimmt den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis, wonach die Mitgliedstaaten Maßnahmen vorsehen sollten, um bei einer Abdeckung von weniger als 70 % (86) der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für Tarifverhandlungen zu schaffen; betont, dass die Sozialpartner bei der Einleitung derartiger Maßnahmen in die Beschlussfassung einbezogen werden müssen; vertritt die Auffassung, dass durch Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang ergriffen werden, die Autonomie der Sozialpartner nicht beeinträchtigt werden darf;

88.

fordert, dass das Vereinigungsrecht aller Arbeitnehmer sowie ihr Recht, Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, von der Kommission überwacht und von den Mitgliedstaaten sichergestellt wird, und dass bei Verletzungen dieses Rechts umgehend Maßnahmen ergriffen werden;

89.

fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass Gewerkschaften Zugang zum Arbeitsplatz haben, auch bei Telearbeit, um die Organisation der Beschäftigten, den Austausch von Informationen sowie Beratung zu ermöglichen;

90.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, zur Unterbindung von Wettbewerb zulasten der Löhne die Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge (87) so zu verbessern, dass nur erfolgreich bieten kann, wer geltende Tarifverträge nicht unterläuft; fordert die Mitgliedstaaten auf, für Einhaltung, Überwachung und Durchsetzung zu sorgen;

91.

stellt fest, dass die Digitalisierung und die Globalisierung zu einer erheblichen Zunahme von selbständiger Erwerbstätigkeit und atypischen Beschäftigungsformen geführt haben; begrüßt die Zusage der Kommission, zu bewerten, ob es erforderlich ist, Maßnahmen auf Ebene der EU anzunehmen, die es alleine arbeitenden Selbständigen ermöglichen, sich zusammenzuschließen und Tarifverträge abzuschließen, sowie ihre Zusage, erforderlichenfalls Änderungen der Rechtsvorschriften vorzuschlagen, und die in diesem Zusammenhang kürzlich veranstaltete öffentliche Konsultation; sieht der Veröffentlichung der Folgenabschätzung zu den ersten Möglichkeiten für künftige Maßnahmen erwartungsvoll entgegen; hebt hervor, dass dies nicht dazu dienen darf, andere Initiativen der Kommission zum Vorgehen gegen Scheinselbstständigkeit und zur Sicherstellung der Rechte von Arbeitnehmern in atypischen Beschäftigungsverhältnissen zu verzögern;

92.

ist der Auffassung, dass alle Arbeitnehmer Zugang zu einem vollständigen Überblick über ihren Arbeitgeber und ihre Lohn- und Arbeitnehmerrechte haben müssen, entweder gemäß dem Branchentarifvertrag oder gemäß den nationalen Rechtsvorschriften; vertritt die Ansicht, dass diese Informationen Arbeitsaufsichtsbehörden zur Verfügung stehen sollten; ist der Auffassung, dass dies in Form eines speziellen Ausweises für grenzüberschreitende Arbeitnehmer umgesetzt werden könnte, der sich in einigen Mitgliedstaaten bereits als wirksam erwiesen hat; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, umgehend eine digitale europäische Sozialversicherungsnummer einzuführen; vertritt die Ansicht, dass eine europäische Sozialversicherungsnummer ein erhebliches Potenzial als Kontrollmechanismus sowohl für Einzelpersonen als auch für die zuständigen Behörden bietet, um sicherzustellen, dass Sozialversicherungsbeiträge im Einklang mit den Vorschriften gezahlt werden, und um gegen Betrug im Bereich der sozialen Sicherheit vorzugehen;

Soziale Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

93.

fordert von der Kommission eine Reaktion auf EU-Ebene, um die Unterstützung für KMU, die von Frauen geführt werden, während und nach der Krise auszuweiten;

94.

weist darauf hin, dass die COVID-19-Krise erhebliche Auswirkungen auf Beschäftigte und benachteiligte Personen hatte; betont, dass die politischen Reaktionen auf die Pandemie auf den Menschen ausgerichtet sein müssen und dass weltweite Solidarität zugrunde zu legen ist; betont nachdrücklich, dass insbesondere Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und Erwerbstätigenarmut erforderlich sind, und dass diese auf eine rasche, gerechte und grüne Erholung ausgerichtet sein sollten; fordert die Mitgliedstaaten auf, während der Pandemie einen angemessenen Schutz aller gefährdeten Arbeitnehmer sicherzustellen und mit den Sozialpartnern zusammenzuarbeiten, um wirksame, praktikable und gerechte Lösungen für die Herausforderungen zu erarbeiten, die sich durch die Pandemie ergeben; erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass ein hinreichender Anteil der im Rahmen von REACT-EU bereitgestellten zusätzlichen Mittel dazu verwendet werden sollte, die im Rahmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen bereitgestellten Mittel aufzustocken, um diesen Personenkreis zu unterstützen; betont ferner, dass im Rahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens unbedingt genügend Mittel für den ESF+ vorgesehen werden müssen;

95.

fordert die Kommission auf, besonderes Augenmerk auf die wirtschaftlichen Auswirkungen von Kurzarbeitsregelungen, dauerhaft oder vorübergehend entlassene Personen und die sozialen Auswirkungen auf in prekären Verhältnissen lebende Menschen zu richten; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Kurzarbeitsregelungen nicht in allen Mitgliedstaaten identisch sind und sich die Zulagen erheblich unterscheiden können, wobei Arbeitnehmer, die niedrige Zulagen erhalten, in besonderem Maße von Erwerbstätigenarmut bedroht sind; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, Arbeitnehmer zu schützen, um dazu beizutragen, dass sie ihren Arbeitsplatz behalten können, unter anderem durch die Bereitstellung finanzieller Unterstützung, etwa durch Kurzarbeitsregelungen und Unterstützung für Personen in prekären Beschäftigungsverhältnissen und einigen Formen atypischer Beschäftigung, und finanzielle Unterstützung für einige Arten von alleine arbeitenden Selbständigen, die aufgrund der Krise ihre finanzielle Grundlage verloren haben, in Betracht zu ziehen; fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, in prekären Verhältnissen lebende Menschen zu schützen;

96.

fordert die Mitgliedstaaten auf, Mindeststandards für ihre jeweiligen nationalen Arbeitslosenversicherungssysteme und Mindestsicherungssysteme in Form von Rechtsrahmen vorzulegen, um die Arbeitnehmer und Einwohner in Europa sozial besser abzusichern;

97.

fordert, dass Maßnahmen ergriffen werden, um zu verhindern, dass es infolge von COVID-19 erneut zu einer Zunahme der unfreiwilligen Teilzeitbeschäftigung kommt;

98.

verweist auf beunruhigende Berichte über Verstöße gegen die Rechte von Grenzgängern und Saisonarbeitnehmern im Zusammenhang mit ihren Arbeits- und Lebensbedingungen, die während der Krise aufgetaucht sind; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, gegen missbräuchliche Praktiken vorzugehen und die Rechte von Saisonarbeitnehmern und Grenzgängern in der gesamten Untervergabe- und Lieferkette zu schützen; fordert in diesem Zusammenhang die Mitgliedstaaten auf, für angemessene und erschwingliche Unterkünfte für Beschäftigte zu sorgen, ohne dass die Kosten dafür von deren Lohn abgezogen werden;

99.

hebt hervor, dass sich während der COVID-19-Krise gezeigt hat, wie wichtig die Beschäftigung in Berufen ist, die sich als systemrelevant für unsere Wirtschaft und Gesellschaft erwiesen haben; weist darauf hin, dass in einigen Mitgliedstaaten viele der Arbeitnehmer, die an vorderster Front tätig sind, schlecht bezahlte Arbeitsplätze haben, häufig nicht ausreichend wertgeschätzt und unterbezahlt werden und unsichere Arbeitsbedingungen hinnehmen müssen, unter anderem da es an Gesundheits- und Sozialschutz fehlt; betont, dass diese Berufe überwiegend von Frauen ausgeübt werden; weist darauf hin, dass in Bezug auf die Gesundheitsversorgung eine Aufwärtskonvergenz erforderlich ist;

100.

hebt hervor, dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Bewältigung erheblicher Schocks langfristige Strategien annehmen sollten, um die Beschäftigung und die Qualifikationen von Arbeitnehmern zu erhalten und den Druck auf die nationalen öffentlichen Finanzen zu mindern;

101.

fordert die Kommission auf, eine EU-Strategie für Betreuung vorzulegen, die sich mit den sozialen Auswirkungen auf Personen mit Betreuungs- und Pflegepflichten befasst, bei denen es sich überproportional häufig um Frauen handelt; hebt hervor, dass mit dieser Strategie umfangreiche Investitionen in die Pflegewirtschaft bewirkt und die Maßnahmen zum Ausgleich zwischen Arbeit und Betreuungs- und Pflegepflichten während der gesamten Lebenszeit ausgebaut werden sollten und dass der Arbeitskräftemangel insbesondere durch Ausbildung, Anerkennung von Qualifikationen und verbesserte Arbeitsbedingungen in diesen Branchen behoben werden sollte;

102.

sieht angesichts dessen, dass die Entlassungen wahrscheinlich zunehmen werden, dem anstehenden Vorschlag der Kommission für eine langfristige europäische Arbeitslosenrückversicherungsregelung entgegen; fordert, dass mit diesem Vorschlag die Länder der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) erfasst werden und ferner die Möglichkeit besteht, Ländern, die nicht der WWU angehören, die Beteiligung zu gestatten;

103.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die schwerwiegendsten Folgen von COVID-19 durch gezielte Unterstützung der EU und der Mitgliedstaaten abzufedern und dafür ausreichende Mittel bereitzustellen; begrüßt in dieser Hinsicht die Einrichtung des Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE) und fordert die Mitgliedstaaten auf, es rasch umzusetzen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Unternehmen, die in Ländern registriert sind, die in Anhang 1 der Schlussfolgerungen des Rates zur überarbeiteten EU-Liste der nicht kooperativen Gerichtsbarkeiten für Steuerzwecke aufgeführt sind, keine finanzielle Unterstützung gewährt wird; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass Begünstigte die in den Verträgen verankerten Grundwerte einhalten und dass Unternehmen, die öffentliche finanzielle Unterstützung erhalten, die Arbeitnehmer schützen, angemessene Arbeitsbedingungen garantieren, Gewerkschaften achten und geltende Tarifverträge einhalten, ihren Anteil an Steuern entrichten, keine Aktienrückkäufe tätigen und keine Boni an die Leitungsebenen oder Dividenden an Aktionäre auszahlen;

104.

legt den Mitgliedstaaten nahe, Investitionen in die Ausweitung des Zugangs zu Breitband-Internet, Fernunterricht und Fernlernen in ländlichen Gebieten zu tätigen, die von Entvölkerung und generationsbedingter Armut bedroht sind;

105.

schlägt vor, das vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden, um einer möglichen hohen Arbeitslosigkeit mithilfe von Strategien der EU und der Mitgliedstaaten und nationalen Beschäftigungsprogrammen entgegenzuwirken und einen grünen, digitalen, sozialen, nachhaltigen und gerechten Wandel, bei dem niemand zurückgelassen wird, zu fördern, indem in neue, nachhaltige und zugängliche hochwertige Arbeitsplätze, Umschulungsprogramme, zukunftsorientierte Infrastruktur, Innovation und den digitalen Wandel investiert wird; vertritt die Auffassung, dass der Förderung der Beschäftigung junger Menschen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte;

106.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten die Folgen der Krise anzugehen und den Übergang zu erleichtern und daher eine rasche Zuweisung der verfügbaren Mittel sicherzustellen, etwa durch Schulungen für zukunftsorientierte Arbeitsplätze, Weiterbildungen und Umschulungen, und indem der ESF+ zu diesem Zweck finanziell weiterentwickelt wird;

107.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, insbesondere die Branchen zu überwachen, in denen ein hohes Maß an prekärer Beschäftigung herrscht, um den Missbrauch von Arbeitnehmern, etwa von denjenigen auf befristeten Stellen in der Landwirtschaft, in denen Saisonarbeiter mit missbräuchlichen Beschäftigungsbedingungen konfrontiert sind, die in einigen Fällen nicht nur die Arbeitnehmerrechte, sondern auch die Grundrechte der Arbeitnehmer verletzen, zu verhindern;

108.

hebt hervor, dass Beschäftigte mit niedrigem Einkommen einem höheren COVID-19-Risiko ausgesetzt sind, da sie in Branchen mit deutlich mehr Kontakt zu anderen Menschen tätig sind, etwa im Gesundheits- und Verkehrswesen, oder Arbeit über Online-Plattformen annehmen und keine Möglichkeit zur Telearbeit haben; kritisiert scharf, dass es so lange gedauert hat, COVID-19 im Rahmen der Richtlinie über biologische Arbeitsstoffe (88) einzustufen; fordert dringend eine Überarbeitung der Richtlinie über biologische Arbeitsstoffe, um sie an globale Pandemien und andere außergewöhnliche Umstände anzupassen und so schnell wie möglich den umfassenden Schutz der Arbeitnehmer vor Expositionsrisiken sicherzustellen;

109.

hebt hervor, dass Beschäftigte mit niedrigem Einkommen häufig in Branchen arbeiten, in denen ein hohes Risiko einer körperlichen Beeinträchtigung besteht, was mit langfristigen Auswirkungen auf das körperliche und psychische Wohlergehen verbunden sein kann und die zukünftige Fähigkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen, beeinträchtigt; vertritt die Auffassung, dass in den derzeitigen Rechtsvorschriften über den Gesundheitsschutz und die Sicherheit kein ausreichendes Gewicht auf die Verhinderung von berufsbedingten Verletzungen gelegt wird; fordert die Kommission auf, so schnell wie möglich einen neuen strategischen Rahmen für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz für die Zeit nach 2020 vorzulegen, und ersucht die Kommission in diesem Zusammenhang darum, die Herausforderungen für Beschäftigte mit niedrigem Einkommen zu ermitteln und Instrumente vorzuschlagen, mit denen für Abhilfe gesorgt werden kann; hebt hervor, dass in dieser Strategie auch ein Schwerpunkt auf Plattformbeschäftigte und Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen gelegt werden muss; fordert die Kommission auf, die Richtlinie 2004/37/EG (89) zu ändern und die Grenzwerte für die Exposition am Arbeitsplatz im Hinblick auf eine Reihe von krebserregenden oder erbgutverändernden Stoffen zu überarbeiten und ihren Geltungsbereich auszuweiten;

110.

hebt hervor, dass arbeitsbedingter Stress in Branchen mit niedrigem Einkommen weit verbreitet ist; vertritt die Auffassung, dass arbeitsbedingtem Stress in den europäischen Rechtsvorschriften über den Gesundheitsschutz und die Sicherheit Vorrang eingeräumt werden muss; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern in den Mitgliedstaaten eine Richtlinie über arbeitsbedingten Stress vorzulegen, die Leitlinien dazu enthält, wie auf Unternehmensebene gegen arbeitsbedingte Stressfaktoren vorzugehen ist, und durch die alle Unternehmen verpflichtet werden, eine Unternehmensstrategie zu arbeitsbedingtem Stress auszuarbeiten;

111.

erachtet es als äußerst wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass bei der Umsetzung des Aufbauplans für Europa darauf abgezielt wird, Armut und sozioökonomische Ungleichheiten zu beseitigen, und dass diese Umsetzung auf einem wirksamen Mechanismus beruht, der Zielvorgaben und Richtwerte umfasst, die eine transparente Messung der erzielten Fortschritte ermöglichen; hebt hervor, dass das Europäische Parlament in die Ex-ante- und die Ex-post-Prüfung des Aufbauplans umfassend einbezogen werden muss und dass seine gewählten Mitglieder eine förmliche Rolle erhalten müssen, um einen umfassend demokratischen und transparenten Bewertungs- und Umsetzungsprozess sicherzustellen;

o

o o

112.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  ABl. L 23 vom 27.1.2010, S. 35.

(2)  ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16.

(3)  ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.

(4)  ABl. C 9 E vom 15.1.2010, S. 11.

(5)  ABl. C 70 E vom 8.3.2012, S. 8.

(6)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0176.

(7)  ABl. C 366 vom 27.10.2017, S. 19.

(8)  ABl. C 482 vom 23.12.2016, S. 31.

(9)  ABl. C 76 vom 28.2.2018, S. 93.

(10)  ABl. C 363 vom 28.10.2020, S. 164.

(11)  ABl. C 346 vom 27.9.2018, S. 156.

(12)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0054.

(13)  ABl. C 334 vom 19.9.2018, S. 88.

(14)  https://www.ituc-csi.org/rechtsindex-2019

(15)  https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_01_41/default/table?lang=de

(16)  Household Finance and Consumption Network (Netzwerk für Finanzen und Konsum der Haushalte), „The Household Finance and Consumption Survey: Results from the 2017 wave“ (Haushaltsbefragung zu Finanzen und Konsum: Ergebnisse der Welle 2017), Statistik-Papier-Reihe der Europäischen Zentralbank Nr. 36, März 2020, S. 25. https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/scpsps/ecb.sps36~0245ed80c7.en.pdf?bd73411fbeb0a33928ce4c5ef2c5e872

(17)  Household Finance and Consumption Network (Netzwerk für Finanzen und Konsum der Haushalte), „The Household Finance and Consumption Survey: Wave 2017 — Statistical tables“ (Haushaltsbefragung zu Finanzen und Konsum: Welle 2017 — statistische Tabellen), Juni 2020, S. 5. https://www.ecb.europa.eu/home/pdf/research/hfcn/HFCS_Statistical_Tables_Wave_2017.pdf?656f4e10de45c91c3c882840e9174eac

(18)  https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20200227STO73519/geschlechtsspezifisches-lohngefalle-zahlen-und-fakten-infografik

(19)  Die Bereinigung ist eine statistische Methode, die es ermöglicht, Bevölkerungsgruppen zu vergleichen, indem Unterschiede in der Verteilung verschiedener Faktoren (Tätigkeitsbereich, Alter, Erwerbstätigkeit usw.) zwischen diesen Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden. Das unbereinigte geschlechtsspezifische Lohngefälle wird als relativer Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Stundenverdienst von Frauen und Männern berechnet. Es stellt einen einfachen Indikator für Lohnungleichheiten dar, was seine umfangreiche Verwendung durch politische Entscheidungsträger erklärt. Das unbereinigte geschlechtsspezifische Lohngefälle umfasst jedoch auch die mögliche Diskriminierung zwischen Männern und Frauen im Sinne von „ungleiches Entgelt für gleiche Arbeit“ sowie die Auswirkungen von Unterschieden bei den durchschnittlichen Merkmalen von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/aid_development_cooperation_fundamental_rights/report-gender-pay-gap-eu-countries_october2018_en_0.pdf.

(20)  https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/products-eurostat-news/-/EDN-20181017-1?inheritRedirect=true

(21)  https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Gender_pay_gap_statistics#Gender_pay_gap_much_lower_for_young_employees

(22)  https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2016-eu-minorities-survey-roma-selected-findings_de.pdf

(23)  http://ergonetwork.org/2020/04/eu-recovery-plan-the-case-of-roma/

(24)  Lebensqualität ist der Begriff des menschlichen Wohlergehens (Wohlbefindens), was anhand sozialer Indikatoren und nicht durch quantitative Messgrößen in Form von Einkommen und Produktion gemessen wird (Quelle: Eurostat).

(25)  Materielle Deprivation umfasst die wirtschaftliche Belastung und ist definiert als die unfreiwillige Unfähigkeit (im Unterschied zur Wahlfreiheit), für folgende Ausgaben aufkommen zu können: unerwartete Ausgaben, einen einwöchigen Jahresurlaub an einem anderen Ort, jeden zweiten Tag eine Fleisch-, Geflügel- oder Fischmahlzeit, angemessene Beheizung der Wohnung oder langlebige Gebrauchsgüter wie Waschmaschine oder Farbfernseher. Eine erhebliche materielle Deprivation bezieht sich hingegen auf die Unfähigkeit, für mindestens vier der folgenden elf Kategorien von Ausgaben aufkommen zu können: Hypotheken- oder Mietschulden oder Rechnungen für Versorgungsleistungen, Mietkaufraten oder sonstige Kreditzahlungen, einen einwöchigen Jahresurlaub, eine fleisch-, fisch- oder eiweißhaltige Mahlzeit jeden zweiten Tag, unerwartete finanzielle Ausgaben, ein Telefon (einschließlich eines Mobiltelefons), ein Farbfernseher, eine Waschmaschine, ein Auto oder eine Heizung (https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Quality_of_life_indicators_-_material_living_conditions#General_overview).

(26)  Der Indikator „Personen, die in einem Haushalt mit sehr niedriger Erwerbsintensität leben“ wird definiert als die Anzahl der Personen, die in Haushalten leben, in denen die Personen im erwerbsfähigen Alter in den vorangegangenen zwölf Monaten weniger als 20 % ihres gesamten Erwerbspotentials gearbeitet haben. Die Erwerbsintensität des Haushalts bezieht sich auf die Anzahl der Monate im Einkommensbezugsjahr, in denen alle Haushaltsmitglieder im erwerbsfähigen Alter erwerbstätig waren, im Verhältnis zur Anzahl der Monate, in denen eine Erwerbstätigkeit dieser Haushaltsmitglieder theoretisch möglich gewesen wäre. Personen im erwerbsfähigen Alter sind Personen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren, mit Ausnahme von Schülern und Studenten zwischen 18 bis 24 Jahren. Haushalte, die nur aus Kindern, Schülern und Studenten und/oder Personen im Alter von unter 25 Jahren und/oder Personen im Alter von 60 Jahren und darüber bestehen, fließen nicht in die Berechnung des Indikators ein.

(27)  Eurofound, „Erwerbstätigenarmut in der EU“, 5. September 2017.

(28)  Im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie, ABl. L 299 vom 18.11.2003, S. 9.

(29)  Eurofound, „Erwerbstätigenarmut in der EU“, 5. September 2017.

(30)  https://ec.europa.eu/energy/content/introduction-5_de

(31)  https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Digital_economy_and_society_statistics_-_households_and_individuals/de

(32)  Ein Haushalt ist in Zusammenhang mit Erhebungen über die sozialen Bedingungen definiert als gemeinsam wirtschaftende Einheit oder operativ als eine soziale Einheit, die eine gemeinsame Haushaltsführung aufweist, die sich die Haushaltsausgaben oder die täglichen Ausgaben teilt und die eine Wohnung gemeinsam nutzt. Ein Haushalt besteht demnach entweder aus einer allein lebenden Person oder einer Gruppe von — nicht unbedingt verwandten — Personen, die in derselben Wohnung leben und eine gemeinsame Haushaltsführung haben, also in der Regel täglich zusammen essen oder gemeinsam ein Wohnzimmer nutzen.

(33)  https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/10163468/3-16102019-CP-EN.pdf/edc3178f-ae3e-9973-f147-b839ee522578

(34)  Eurostat, „EU statistics on income and living conditions (EU-SILC) methodology — 2011 intergenerational transmission of disadvantages“ (Methode der EU-Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) — Übertragung der Benachteiligungen von einer Generation zur nächsten Generation 2011) (https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/EU_statistics_on_income_and_living_conditions_(EU-SILC)_methodology_-_2011_intergenerational_transmission_of_disadvantages).

(35)  https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Quality_of_life_indicators_-_material_living_conditions#General_overview

(36)  Prozentualer Anteil der Bevölkerung in Haushalten, in denen die Gesamtwohnkosten (nach Abzug von Wohngeld) mehr als 40 % des insgesamt verfügbaren Haushaltseinkommens (nach Abzug von Wohngeld) ausmachen.

(37)  https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Housing_statistics/de

(38)  https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tessi163/default/table?lang=de

(39)  https://www.europarl.europa.eu/news/en/agenda/briefing/2020-01-13/11/housing-urgent-action-needed-to-address-homelessness-in-europe

(40)  https://www.feantsa.org/public/user/Resources/magazine/2019/Spring/Homeless_in_Europe_magazine_-_Spring_2019.pdf; https://www.feantsa.org/en/news/2020/07/23/fifth-overview-of-housing-exclusion-in-europe-2020

(41)  https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/products-eurostat-news/-/DDN-20190122-1?inheritRedirect=true

(42)  https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tessi012/default/table?lang=de

(43)  OECD, Visser (2016) ICTWSS-Datenbank.

https://www.etuc.org/en/document/etuc-reply-first-phase-consultation-social-partners-under-article-154-tfeu-possible-action, S. 6, Ziffer 15.

(44)  Eurofound, „Industrial relations: Developments 2015-2019“ (Beziehungen zwischen den Sozialpartnern: Entwicklungen 2015–2019), 11. Dezember 2020.

(45)  https://www.ituc-csi.org/IMG/pdf/2019-06-ituc-global-rights-index-2019-report-en-2.pdf

(46)  OECD, „Negotiating Our Way Up: Collective Bargaining in a Changing World of Work“ (Den Weg nach oben verhandeln: Tarifverhandlungen in einer sich verändernden Arbeitswelt), 18. November 2019, Abbildung 3.10, S. 125.

(47)  Van den Berg, A., Grift, Y., van Witteloostuijn, A., „The effect of employee workplace representation on firm performance: a cross-country comparison within Europe“ (Die Auswirkungen der betrieblichen Arbeitnehmervertretung auf die Unternehmensleistung: ein länderübergreifender Vergleich innerhalb Europas), Forschungspapier 2013-008, ACED 2013-016, Universität Antwerpen, April 2013.

(48)  https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20200604STO80506/parlament-fordert-ehrgeizige-strategie-zugunsten-von-menschen-mit-behinderungen

(49)  https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/pdfscache/34425.pdf

(50)  Gleichstellungsindex 2019.

(51)  https://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2014_2019/documents/empl/dv/empl20141120-wss-people-disabilities-/empl20141120-wss-people-disabilities-en.pdf

(52)  Erläuterung der Eurostat-Statistiken, „Europe 2020 indicators — poverty and social exclusion“ (Indikatoren für Europa 2020 — Armut und soziale Ausgrenzung), 11. Juni 2020 (https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Archive:Europe_2020_indicators_-_poverty_and_social_exclusion&oldid=394836).

(53)  https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=89&furtherNews=yes&langId=de &newsId=9378

(54)  Eurofound, „Erwerbstätigenarmut in der EU“, 5. September 2017.

(55)  https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/ilc_peps04/default/table?lang=de

(56)  https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Minimum_wage_statistics

(57)  https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Minimum_wage_statistics#Minimum_wages_expressed_in_purchasing_power_standards

(58)  Eurofound, „Minimum wages in 2020: Annual review“, 4. Juni 2020.

(59)  ETUI, Benchmarking Working Europe 2019, Kapitel „Labour market and social developments“, 2019.

https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=89&furtherNews=yes&langId=de &newsId=9378

(60)  https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2016/587285/IPOL_STU(2016)587285_EN.pdf

(61)  Eurofound, „In-work poverty in the EU“, 5. September 2017 (https://www.eurofound.europa.eu/de/publications/report/2017/in-work-poverty-in-the-eu).

(62)  https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/products-eurostat-news/-/DDN-20200511-1

(63)  https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/products-eurostat-news/-/DDN-20200511-1

(64)  https://www.eurofound.europa.eu/sites/default/files/ef_publication/field_ef_ document/ef18001en.pdf

(65)  https://www.eurofound.europa.eu/sites/default/files/ef_publication/field_ef_ document/ef18001en.pdf

(66)  https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/products-eurostat-news/-/DDN-20190517-1

(67)  Eurofound, „Living, Working and COVID-19 dataset“, 28. September 2020 (http://eurofound.link/covid19data).

(68)  Eurofound, „Living, Working and COVID-19 dataset“, 28. September 2020 (http://eurofound.link/covid19data).

(69)  https://www.worldbank.org/en/topic/poverty/brief/projected-poverty-impacts-of-COVID-19

(70)  Employment and Social Developments in Europe 2019 (https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=738&langId=en&pubId=8219).

(71)  Die „erste Säule“ eines typischen Drei-Säulen-Ansatzes für Renten besteht aus gesetzlichen Renten, die vom Staat verwaltet und in der Regel aus Sozialversicherungsbeiträgen und/oder allgemeinen Steuereinnahmen nach dem Umlageverfahren finanziert werden. Quelle: EPRS-Briefing, „European Union pension systems: adequate and sustainable?“, November 2015.

(72)  Vgl. die Entschließung vom 24. November 2015 zur Verringerung von Ungleichheit mit besonderem Schwerpunkt auf Kinderarmut (ABl. C 366 vom 27.10.2017, S. 19) und politische Leitlinien der Europäischen Kommission für den Zeitraum 2019 bis 2024: „Um jedes bedürftige Kind zu unterstützen, werde ich das vom Europäischen Parlament vorgeschlagene Konzept einer Europäischen Kindergarantie aufgreifen und umsetzen.“

(73)  „Eine Union, die mehr erreichen will: Meine Agenda für Europa“, Politische Leitlinien für die künftige Europäische Kommission (2019–2024).

(74)  Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 105).

(75)  Die Bereitstellung von angemessenen Vorkehrungen gehört zu den Pflichten gemäß der EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16) und gemäß Artikel 5 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

(76)  Anhänge des Arbeitsprogramms der Kommission für 2021 (COM(2020)0690), politisches Ziel Nr. 9 unter dem Abschnitt mit dem Titel „Ein Europa für das digitale Zeitalter“.

(77)  Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates (ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 79).

(78)  Entschließung vom 30. Januar 2020 zu den Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern, Ziffer 2, Angenommene Texte (P9_TA(2020)0025).

(79)  Der Strategie zufolge hätte die Kommission bis Ende 2020 verbindliche Maßnahmen zur Lohntransparenz vorgelegt haben sollen.

(80)  Beispielsweise die Gründung von Tochterunternehmen (oder Briefkastenfirmen) und/oder von Zeitarbeitsagenturen in Mitgliedstaaten mit niedrigeren Löhnen, die lediglich dazu dienen, entsandte Arbeitnehmer zu beschäftigen, statt Arbeitnehmer vor Ort einzustellen.

(81)  Gemäß der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 105).

(82)  Darunter folgende Petitionen: 0240/18, 0328/18, 0365/18, 0374/18, 0396/18, 0419/18, 0829/2018, 0897/2018, 1161/2018, 0290/19, 0310/2019, 0335/2019, 0579/19, 0624/19, 0652/19, 0683/2019, 0737/2019, 1017/19, 1045/2019, 1241/2019, 1318/2019 und 0036/2020.

(83)  Darunter folgende Petitionen: 1378/2013, 0019/2016, 0020/2016, 0021/2016, 0099/2017, 1162/2017, 0110/2018 und 0335/2019.

(84)  Verordnung (EU) 2020/1054 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich der Mindestanforderungen an die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten, und der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 hinsichtlich der Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern (ABl. L 249 vom 31.7.2020, S. 1).

(85)  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Oktober 2020 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union (COM(2020)0682).

(86)  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Oktober 2020 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union (COM(2020)0682).

(87)  Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1). Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65). Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243).

(88)  Richtlinie 2000/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (ABl. L 262 vom 17.10.2000, S. 21).

(89)  Richtlinie 2004/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene bei der Arbeit (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 50).


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/82


P9_TA(2021)0045

Die Auswirkungen von COVID-19 auf junge Menschen und Sport

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu den Auswirkungen von COVID-19 auf junge Menschen und Sport (2020/2864(RSP))

(2021/C 465/08)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf die Artikel 165 und 166 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union und das den Verträgen beigefügte Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit,

gestützt auf Artikel 14 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2020 zu abgestimmten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen (1),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juli 2020 zu den Rechten von Menschen mit geistiger Behinderung und von ihren Familien in der COVID-19-Krise (2),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. September 2020 zur Erholung der Kultur in Europa (3),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Oktober 2020 zu der Jugendgarantie (4),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. Oktober 2020 zu der Zukunft der Bildung in Europa vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie (5),

unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission zu den Auswirkungen von COVID-19 auf junge Menschen und Sport (O-000074/2020 — B9-0005/2021),

gestützt auf Artikel 136 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Entwurf einer Entschließung des Ausschusses für Kultur und Bildung,

A.

in der Erwägung, dass der Internationalen Arbeitsorganisation zufolge (6) die anhaltende COVID-19-Pandemie junge Menschen unverhältnismäßig hart trifft und sie wahrscheinlich schwerwiegende negative und lang anhaltende Auswirkungen auf ihre wirtschaftlichen Umstände, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden erleiden werden, wozu auch gehört, dass sie in einer entscheidenden Phase ihrer Entwicklung Chancen in den Bereichen Bildung, Freiwilligenarbeit und Ausbildung verpassen;

B.

in der Erwägung, dass durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Funktionieren der Jugend- und Bildungsprogramme der EU in den Bereichen Jugendarbeit und ehrenamtliche Tätigkeit, auf die nationalen Bildungssysteme, auf Beschäftigung und Einkommen sowie auf die bürgerlichen Freiheiten die Ungleichheiten verschärft werden, wie aus den Statistiken der OECD hervorgeht, die deutlich machen, dass trotz der Bemühungen der Länder, Lösungen zum Online-Lernen anzubieten, nur etwa die Hälfte der Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, größtenteils oder vollständig auf den Lehrplan zuzugreifen; in der Erwägung, dass durch diese Situation die Folgen der digitalen Kluft verschärft werden und die Entwicklung der erforderlichen digitalen Fähigkeiten behindert wird, während der Zugang zum Lernstoff nicht immer bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler mit Schwierigkeiten in der Lage sind, zu lernen;

C.

in der Erwägung, dass junge Menschen sich zurzeit stark in solidarisch motivierte Tätigkeiten einbringen, um sich angesichts der COVID-19-Pandemie in ihrem Umfeld zu engagieren, ein Einsatz, der von der Durchführung von Sensibilisierungskampagnen über den Einsatz an vorderster Front im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps bis hin zu anderen ehrenamtlichen Initiativen reicht;

D.

in der Erwägung, dass die negativen Auswirkungen der Pandemie so weitreichend sind, dass sie dazu beigetragen haben, dass der zivilgesellschaftliche Raum in den Mitgliedstaaten in ganz Europa weiter schrumpft, und dass in der Folge viele Organisationen im Bereich Jugendarbeit und Sport mit der Aussicht konfrontiert sind, ihre Tätigkeit einstellen zu müssen, was sich negativ auf die etablierten Strukturen der europäischen und internationalen Zusammenarbeit auswirken und das zivilgesellschaftliche Engagement erheblich einschränken würde;

E.

in der Erwägung, dass sich die psychosozialen Auswirkungen von COVID-19 in der psychischen Gesundheit junger Menschen wie auch in ihrer Fähigkeit niederschlagen, Kontakte zu pflegen, was sowohl auf unmittelbare als auch auf längerfristige Faktoren zurückzuführen ist; in der Erwägung, dass die fehlenden Freizeitaktivitäten und die gesellschaftlichen Einschränkungen sich unverhältnismäßig stark auf Kinder und Jugendliche mit Behinderungen auswirken;

F.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie verheerende Auswirkungen auf den Sport und damit verknüpfte Sektoren und Branchen hat; in der Erwägung, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Profisport enorm sind, da die Einnahmen stark zurückgegangen sind, nachdem zahlreiche Veranstaltungen auf allen Ebenen abgesagt werden oder ohne Zuschauer stattfinden mussten;

G.

in der Erwägung, dass die anhaltenden Auswirkungen der Pandemie auf den Halbprofi- und den Breiten- und Freizeitsport verheerend sind und viele Sportvereine vor einer existenziellen Bedrohung stehen, da sie per se nicht gewinnorientiert sind und größtenteils auf freiwilliger Basis betrieben werden und daher keine finanziellen Reserven haben;

H.

in der Erwägung, dass die Einschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie und das Fehlen ausreichender Möglichkeiten für regelmäßiges Training und Üben von Sportarten mit Körperkontakt dem Fortschritt und der Entwicklung der Sportler abträglich sind;

I.

in der Erwägung, dass Sport ein wichtiger Wirtschaftssektor ist, auf den 2,12 % des gesamten BIP und 2,72 % der Gesamtbeschäftigung in der EU entfallen und der schätzungsweise 5,67 Millionen Arbeitsplätze schafft;

J.

in der Erwägung, dass Sport wichtige gesellschaftliche Funktionen erfüllt, etwa indem er die soziale Inklusion, Integration, Zusammenhalt und Werte wie gegenseitige Achtung und Verständnis, Solidarität, Vielfalt und Gleichstellung, einschließlich der Gleichstellung der Geschlechter, fördert; in der Erwägung, dass Sport und damit verbundene freiwillige Tätigkeiten die körperliche und psychische Gesundheit und insbesondere die Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen verbessern und auch dazu beitragen können, junge Menschen von Gewalt, einschließlich geschlechtsbezogener Gewalt, Kriminalität und Drogenkonsum, fernzuhalten;

Junge Menschen

1.

ist besorgt darüber, dass aufgrund der besonderen Empfindlichkeit des Jugendarbeitsmarktes gegenüber Konjunkturzyklen und Wirtschaftskrisen die Jugendbeschäftigung stärker von den Auswirkungen der derzeitigen Pandemie betroffen ist, wodurch sich die negativen Tendenzen in einem Sektor verstärken, der weitgehend von prekärer, schlecht bezahlter Teilzeitbeschäftigung mit schwächerem rechtlichem Schutz und niedrigeren Sozialversicherungsstandards geprägt ist;

2.

unterstreicht die besonders gravierenden Auswirkungen der derzeitigen Pandemie auf junge Menschen, die keine Schule besuchen, keiner Arbeit nachgehen und keine Berufsausbildung absolvieren (NEET), und betont, dass die Probleme junger Menschen aus benachteiligten Gruppen in Angriff genommen werden müssen; betont, dass den erheblichen geschlechtsspezifischen Unterschieden in Bezug auf das Verhältnis bei den NEET Rechnung getragen werden muss;

3.

unterstreicht, dass arbeitsintensive Branchen, die häufig durch niedrige Löhne gekennzeichnet sind, etwa der Groß- und Einzelhandel, Beherbergung, Tourismus und Gastronomie, in denen üblicherweise gering qualifizierte junge Arbeitnehmer und Werkstudenten beschäftigt sind, am stärksten betroffen sind; stellt fest, dass Jugendarbeitslosigkeit und Jugendarmut seit dem Ausbruch der Pandemie stetig zugenommen haben; ist der Auffassung, dass die Jugendarbeitslosigkeit kurzfristig weiter ansteigen wird und langfristig möglicherweise über dem Niveau von vor der Pandemie bleiben wird;

4.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den katastrophalen Auswirkungen auf die Jugendbeschäftigung entgegenzuwirken, u. a. durch makroökonomische (steuerliche und geldpolitische) Maßnahmen, mit denen die öffentlichen Ausgaben auf die Bereitstellung von Beihilfen für die Einstellung oder von Jugendgarantien zur Unterstützung maßgeschneiderter Programme für die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen und für die Weiterqualifizierung und Umschulung junger Menschen ausgerichtet werden, sowie durch Investitionen in Wirtschaftssektoren, die das Potenzial haben, junge Arbeitssuchende aufzunehmen, indem sie hochwertige Arbeitsplätze und menschenwürdige Arbeits- und Entlohnungsbedingungen bieten;

5.

verweist auf die Rolle, die ehrenamtliche Tätigkeiten bei der Entwicklung der Lebens- und Beschäftigungskompetenzen von jungen Menschen spielen; vertritt die Auffassung, dass eine finanziell unterstützte Freiwilligentätigkeit das Potenzial hat, arbeitslosen jungen Menschen dabei zu helfen, den wirtschaftlichen Schock der COVID-19-Krise zu überstehen, während sie gleichzeitig einen Beitrag zur Gesellschaft leisten und wertvolle Erfahrungen sammeln, die ihnen den Übergang zu einer langfristigen regulären Beschäftigung erleichtern; vertritt die Auffassung, dass das Europäische Solidaritätskorps jungen Europäerinnen und Europäern Chancen und Möglichkeiten eröffnen kann, die außerhalb ihrer lokalen Wirklichkeit liegen; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf, für Klarheit und einheitliche Leitlinien für die Durchführung von Programmen in Krisensituationen zu sorgen und Faktoren, die eine Teilnahme erschweren, auszuschalten, unter anderem mangelnde Flexibilität bei der Finanzierung, Mittelkürzungen, verstärkte Beschränkungen bei der Erteilung von Visa an Freiwillige aus Partnerländern und die fehlende Zuerkennung des Rechtsstatus junger Menschen als Freiwillige;

6.

betont, welch wichtige Rolle das informelle und nicht formale Lernen, Kunst und Sport sowie ehrenamtliche und soziale Aktivitäten für die Förderung der Teilhabe junger Menschen und des gesellschaftlichen Zusammenhalts spielen, wie groß ihre Wirkung auf Gemeinschaften vor Ort sein kann und wie sie dazu beitragen können, viele der heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen;

7.

hebt hervor, dass der Europäische Rat mit seiner Einigung vom 21. Juli 2020 im Hinblick auf die Unterstützung der jungen Generationen — der Zukunft Europas — ehrgeiziger hätte sein sollen, nicht zuletzt indem junge Menschen durch die Aufbaupläne stärker unterstützt werden, indem 10 % für Bildung und ein Beitrag in Höhe von 20 % für die europäische digitale Strategie und die Verwirklichung eines digitalen Binnenmarkts bereitgestellt werden; unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass sektorspezifische Programme, bei denen der Schwerpunkt unmittelbar auf jungen Menschen liegt, wie Erasmus+, das Europäische Solidaritätskorps, die Jugendgarantie und die Kindergarantie, oder die das Potenzial haben, den Übergang zu einem gerechteren und sozial und ökologisch nachhaltigeren Europa zu unterstützen, so mobilisiert werden müssen, dass ihr volles Potenzial ausgeschöpft wird, da die Gefahr besteht, dass ihre ehrgeizigen Ziele verfehlt werden, was für junge Menschen und künftige Generationen eine bittere Enttäuschung wäre;

8.

unterstreicht, dass die derzeitige Pandemie die digitale Kluft in der EU verschärft hat, und betont daher, dass es dringend erforderlich ist, digitale Kompetenz für alle zu fördern und die breite Nutzung, Anerkennung und Validierung von Alternativen zu unterstützen, einschließlich informeller und nichtformaler Lernangebote wie Lernen und Ausbildung online und digital; fordert insbesondere eine starke Fokussierung auf und Unterstützung von jungen Lernenden, die in der technischen, dualen und beruflichen Aus- und Weiterbildung Einkommenseinbußen erlitten haben, sowie die Entwicklung und umfassende Nutzung von hochwertigen digitalen Tools, Lehr- und Lernmaterialien und -inhalten, um Schul- und Bildungsabbrüche zu verhindern und für einen reibungslosen und wirksamen Übergang von der Schule ins Berufsleben zu sorgen; betont, dass es ungeachtet der besonderen Umstände von COVID-19 wichtig ist, Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten, um sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wird, insbesondere nicht Kinder, gefährdete Gruppen und junge Menschen aus schwierigen sozioökonomischen Verhältnissen ohne technologische Mittel oder Kompetenzen;

9.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, verstärkt in digitale Lösungen und digitale Kompetenz im Hinblick auf die Entwicklung praktischer Fähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen zu investieren, allen Menschen den Zugang zu digitaler Kompetenz zu ermöglichen und die Entwicklung unabhängiger, mehrsprachiger, inklusiver und kostenloser Online-Lerntools zu fördern, um im Rahmen der Umsetzung des Aktionsplans für digitale Bildung (2021–2027) das Gesamtniveau der digitalen Fähigkeiten und Kompetenzen zu verbessern; betont, dass die Kompetenzen von Lehrkräften, Ausbildern, Schulleitern, Eltern und Führungskräften weiterentwickelt werden müssen, um die Bereitstellung von Online- und Fernunterricht sowie von integriertem Lernen zu verbessern, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf Programmen zur Kompetenzentwicklung liegen sollte;

10.

ist besorgt darüber, dass aufgrund der COVID-19-Krise Ängste und Befürchtungen unter jungen Menschen zugenommen haben, was erhebliche Auswirkungen auf ihr Leben und ihren Übergang von der Schule ins Berufsleben haben könnte; fordert den breiten Einsatz von maßgeschneiderten Leistungen im Bereich der psychischen Gesundheit, von psychosozialer Unterstützung und von sportlichen Aktivitäten entweder als eigenständige oder als modulare Maßnahme sowie eine verstärkte Unterstützung des psychischen Wohlbefindens in Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen, um sicherzustellen, dass die Pandemie keine langfristigen psychologischen Folgen nach sich zieht; hebt die Auswirkungen der Pandemie auf junge Menschen mit Behinderungen und junge Menschen, die in ländlichen und abgelegenen Gebieten leben, hervor und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Bedürfnissen dieser Gruppe besondere Aufmerksamkeit zu widmen, indem die verfügbaren Unterstützungsmaßnahmen und -leistungen angepasst werden;

11.

fordert, dass den verschiedenen politischen Maßnahmen, um gegen die vielfältigen Formen der Diskriminierung junger Menschen während der COVID-19-Krise vorzugehen, ein rechtebasierter Ansatz zugrunde liegt, der auf den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung und der Gleichheit beruht, und erinnert die Kommission und die Mitgliedstaaten daran, dass es eines besonderen Ansatzes bedarf, um schutzbedürftige Gruppen wie junge Menschen mit Behinderungen, junge Menschen aus benachteiligten Verhältnissen, die unter Umständen auch von häuslicher Gewalt bedroht sind, junge Migranten und Flüchtlinge sowie junge Angehörige der LGTBIQ+-Gemeinschaft zu unterstützen und zu schützen; betont, wie wichtig der freie Zugang zu verlässlichen Informationen über die COVID-19-Pandemie als Gesamtbild, angepasst an die Bedürfnisse junger Menschen, ist;

12.

weist darauf hin, dass Sport und Jugendarbeit in all ihrer Vielfalt europaweit besonders gefährdet sind, was dazu führt, dass der zivilgesellschaftliche Raum schrumpft, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Strukturen zu erhalten und die Angebotsvielfalt in den Bereichen Jugend und Sport zu gewährleisten; weist darauf hin, dass Kommunalbehörden, Organisationen der Zivilgesellschaft und die Sozialpartner eng in die Umsetzung von Lösungen eingebunden werden müssen, die darauf abzielen, junge Menschen sowie Jugend- und Sportorganisationen zu unterstützen; hebt die Bedeutung hervor, die organisierten Sport- und Jugendorganisationen im Hinblick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt zukommt;

Sport

13.

ist sehr besorgt über mögliche dauerhafte Schäden für den Bereich des Sports, nicht nur im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage und die Beschäftigung, sondern auch auf die Gesellschaft insgesamt;

14.

betont, dass Sport und körperliche Betätigung unter den durch die Pandemie verursachten Umständen besonders wichtig sind, da sie die körperliche und geistige Widerstandsfähigkeit stärken; begrüßt es, dass den Daten zufolge die Ausgangsbeschränkungen manche Menschen dazu gebracht haben, bestimmte Einzelsportarten häufiger und aktiver auszuüben; ist andererseits besorgt über den Mangel an körperlicher Betätigung, der während der Ausgangsbeschränkungen bei vielen jungen Menschen festgestellt wurde, und die Folgen, die dies für die öffentliche Gesundheit nach sich ziehen könnte;

15.

betont, dass das europäische Sportmodell bewahrt und gefördert werden muss, da Solidarität, Fairness und ein auf Werten beruhender Ansatz für die Erholung des Sports und für das Überleben des Breitensports wichtiger sein werden als jemals zuvor

16.

weist darauf hin, dass beim Sport Werte wie gegenseitige Achtung und Verständnis füreinander, Solidarität, Vielfalt, Fairness, Zusammenarbeit und Bürgerbeteiligung gefördert und gelehrt und Zusammenhalt und die Eingliederung von Migranten und Flüchtlingen begünstigt werden; betont, dass Sport keine Grenzen kennt und Menschen verschiedener sozioökonomischer und ethnischer Hintergründe eint; ist der Auffassung, dass insbesondere der Breitensport insbesondere für die Förderung der gesellschaftlichen Inklusion von Menschen mit geringeren Chancen, Angehörigen schutzbedürftiger Gruppen und Menschen mit Behinderung eine wesentliche Rolle spielt; fordert diesbezüglich die Kommission auf, die Inklusion durch Sport zu stärken und neue Wege zu erkunden, um deren Wirkung und Reichweite zu maximieren; fordert mehr Unterstützung für Familien mit geringem Einkommen, damit ihre Kinder am Sport und an anderen Freizeitaktivitäten teilnehmen können;

17.

betont, dass Menschen mit Behinderungen beim Zugang zum Sport sowohl im Breitensport als auch auf professioneller Ebene erhebliche finanzielle und organisatorische Probleme bewältigen müssen, die sich während der COVID-19-Pandemie verschärft haben, und fordert die Kommission daher nachdrücklich auf, dieses Problem in ihrer kommenden Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen konkret anzugehen;

18.

betont, dass die COVID-19-Pandemie auf den gesamten Bereich des Sports auf allen Ebenen verheerende Auswirkungen hat, insbesondere auf Sportorganisationen und -vereine, -ligen, Sporthallen und Fitnessstudios, Sportlerinnen und Sportler, Trainerinnen und Trainer, Personal und die sportbezogene Wirtschaft, einschließlich Sportveranstalter und Sportmedien; geht davon aus, dass der Weg zur Erholung eine schwierige Aufgabe sein wird, und betont, dass gezielte Entlastungsmaßnahmen benötigt werden;

19.

ist der Auffassung, dass die von der EU als Reaktion auf die Krise angenommenen allgemeinen Aufbauinstrumente dazu beitragen müssen, den Bereich des Sports kurzfristig zu unterstützen, und fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass nationale Unterstützungsfonds, die Strukturfonds und nationale Aufbau- und Resilienzpläne dem Bereich des Sports trotz seiner besonderen Merkmale und Organisationsstrukturen zugutekommen;

20.

betont die Bedeutung von Rettungspaketen, die sich an alle Sportarten richten; betont, dass zwar große Zuschauersportarten oft finanziell am härtesten getroffen sind, dass sie aber nicht als Einzige für finanzielle Hilfe infrage kommen oder dabei vorrangig behandelt werden sollten;

21.

ist der Ansicht, dass die bestehende finanzielle Unterstützung womöglich nicht ausreicht, und fordert die Kommission auf, alle Möglichkeiten zu prüfen, sowohl dem Amateur- als auch dem Profisport gezielte Unterstützung zukommen zu lassen, um die Lebensfähigkeit des gesamten Bereichs zu verbessern;

22.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Erholung und Krisenfestigkeit des Sports allgemein und des Breitensports im Besonderen mittels der verfügbaren Unionsprogramme, mit denen dieser Bereich gefördert werden kann, unter anderem des Programms Erasmus+ und des Europäischen Solidaritätskorps, zu stärken und dafür zu sorgen, dass der Sport uneingeschränkten Zugang zur Aufbau- und Resilienzfazilität, zum Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, dem Kohäsionsfonds, zum Europäischen Sozialfonds Plus und zu EU4Health hat; unterstreicht, dass hierfür darauf ankommt, den Sport in die entsprechenden Vorschriften einzubeziehen und alle Hindernisse im Antragsverfahren auf nationaler Ebene auszuräumen;

23.

fordert die Kommission auf, gründlich zu prüfen, wie sich die COVID-19-Pandemie wirtschaftlich und sozial auf den Sport in den Mitgliedstaaten ausgewirkt hat, und auf der Grundlage dieser Prüfung einen europäischen Ansatz zu entwickeln, um die Herausforderungen zu bewältigen und die möglichen Folgen abzumildern;

24.

fordert einen strukturierten und systematischen Austausch bewährter Vorgehensweisen zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bewältigung der Auswirkungen der Krise auf den Sport und eine systematische Analyse von Daten und Informationen über die Beteiligung am Sport und die Auswirkungen von COVID-19; erachtet es als zweckmäßig, die Entwicklung neuer Formen der sportlichen Betätigung in Situationen, in denen man voneinander Abstand halten muss, zu prüfen;

25.

ist der Auffassung, dass es dringend einer breiten spartenübergreifenden Zusammenarbeit bedarf, um die Herausforderungen zu meistern, die infolge der COVID-19-Pandemie im Bereich des Sports entstanden sind; unterstreicht diesbezüglich, dass die Zusammenarbeit auf allen Ebenen, einschließlich aller am Sport Beteiligten, der sportbezogenen Unternehmen und anderer einschlägiger Interessenträger, weiterhin gefördert werden sollte;

26.

stellt fest, dass während der Krise die Nutzung digitaler Lösungen wie Sport-Apps zugenommen hat; ist der Ansicht, dass der Bereich des Sports durch die weitere Digitalisierung künftigen Krisen besser standhalten wird; fordert die Entwicklung digitaler Instrumente, mit denen sportliche Betätigungen während der Pandemie finanziert werden können;

27.

fordert die Kommission auf, alle Maßnahmen, die zur Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie auf den Sport ergriffen werden, in einem speziellen EU-Aktionsplan zu koordinieren;

28.

fordert den Rat eindringlich auf, im kommenden Arbeitsplan der EU für den Sport Maßnahmen und Aktionen Vorrang einzuräumen, die diesem Bereich dabei helfen sollen, die Folgen der Pandemie kurz- und langfristig zu bewältigen;

29.

geht davon aus, dass so lange, wie die Pandemie weiter voranschreitet, im Rahmen eines koordinierten Dialogs zwischen europäischen und internationalen Sportverbänden und den Mitgliedstaaten erörtert werden muss, wie große internationale Sportveranstaltungen und Wettbewerbe sicher fortgesetzt werden können; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, in Bezug auf die Zuschauer in Stadien, Reisebeschränkungen und COVID-19-Tests einen koordinierten Ansatz anzustreben, damit gesamteuropäische Sportwettbewerbe wirksam geplant und verantwortungsvoll organisiert werden können;

30.

fordert Maßnahmen zur Stärkung der Dopingprävention während der Ausgangsbeschränkungen wegen COVID-19 und danach, um die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler und das Fairplay im europäischen Sport zu fördern;

31.

ist der Auffassung, dass verschiedene Sportarten in unterschiedlichem Maße betroffen sind und dass innerhalb bestimmter Sportarten kleinere Vereine, Wettbewerbe in unteren Klassen und der Breitensport gelitten haben, was insbesondere daran liegt, dass sie wirtschaftlich von kleinen Sponsoren oder den eigenen Beiträgen der Sportlerinnen und Sportler abhängen; betont, dass der Amateursport die Grundlage für den Sport auf professioneller Ebene bildet, da kleine Vereine im Breitensport einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung junger Sportlerinnen und Sportler leisten und meistens ehrenamtlich arbeiten; betont, dass innerhalb der europäischen Sportgemeinschaft der Solidarität sowohl sportartübergreifend als auch innerhalb einzelner Sportarten eine wichtige Rolle zukommt, und fordert eine verstärkte Unterstützung für Minderheitensportarten und den Breitensport, da die Aufrechterhaltung ihrer Tätigkeiten wirtschaftliche Schwierigkeiten aufwirft;

32.

weist darauf hin, dass die durch die COVID-19-Pandemie verursachten Einschränkungen und der Mangel ausreichender Möglichkeiten zu regelmäßigem Training und regelmäßiger Praxis in Sportarten, die körperlichen Kontakt erfordern, dem Fortschritt und der Entwicklung der Sportlerinnen und Sportler geschadet haben; ist der Auffassung, dass Veranstalter, Trainerinnen und Trainer und die Sportlerinnen und Sportler selbst für die möglichen Auswirkungen des anhaltenden Mangels an intensivem Training sensibilisiert werden sollten; fordert eine Zusammenarbeit zwischen Sportinstituten und -organisationen bei der Unterstützung von Projekten und Konzepten, die darauf ausgerichtet sind, verlorene Fähigkeiten zurückzuerlangen;

33.

ist der Auffassung, dass in unseren Gesellschaften Sportstätten und Stadien im Mittelpunkt des sozialen Gefüges der Ökosysteme von Sport und Kultur stehen; erkennt an, dass es für die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Bürgerinnen und Bürger und für die wirtschaftliche Erholung sowohl jetzt als auch in Zukunft von entscheidender Bedeutung ist, dass die Veranstaltungsorte wieder geöffnet werden können;

o

o o

34.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission und dem Rat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0054.

(2)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0183.

(3)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0239.

(4)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0267.

(5)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0282.

(6)  Global report, Youth & COVID-19: Impacts on jobs, education, rights and mental well-being (Junge Menschen und COVID-19: Auswirkungen auf Beschäftigung, Bildung, Rechte und psychische Gesundheit, Bericht), 11. August 2020.


Donnerstag, 11. Februar 2021

17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/87


P9_TA(2021)0050

Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zur Umsetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine (2019/2202(INI))

(2021/C 465/09)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf Artikel 8 und Titel V, insbesondere Artikel 21, 22, 36, 37 und 49, des Vertrags über die Europäische Union (EUV) sowie den Fünften Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

unter Hinweis auf das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits, einschließlich eines vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens, das am 1. September 2017 in Kraft getreten ist, und auf die dazugehörige Assoziierungsagenda,

unter Hinweis auf das Inkrafttreten der Regelung für visumfreies Reisen für Staatsangehörige der Ukraine am 11. Juni 2017 als Ergebnis von Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates, die vom Europäischen Parlament und dem Rat vorgenommen wurden,

unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (1),

unter Hinweis auf seine vorherigen Entschließungen zur Ukraine, insbesondere die Entschließungen vom 12. Dezember 2018 zur Umsetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine (2) und vom 21. Januar 2016 zu Assoziierungsabkommen sowie den vertieften und umfassenden Freihandelszonen mit Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine (3) sowie auf seine Empfehlung vom 19. Juni 2020 an den Rat, die Kommission und den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zur Östlichen Partnerschaft im Vorfeld des Gipfeltreffens im Juni 2020 (4),

unter Hinweis auf die Berichte des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) über die Ukraine, insbesondere den 30. Bericht von September 2020 über die Lage der Menschenrechte in der Ukraine,

unter Hinweis auf den Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 19. Juni 2020 mit dem Titel „Lage der Menschenrechte in der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol (Ukraine)“,

unter Hinweis auf die gemeinsame Arbeitsunterlage der Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes vom 12. Dezember 2019 zum Bericht über die Umsetzung des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine (SWD(2019)0433),

unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung im Anschluss an das 22. Gipfeltreffen zwischen der EU und der Ukraine vom 6. Oktober 2020,

unter Hinweis auf die Empfehlungen und Tätigkeiten der Parlamentarischen Versammlung EURO-NEST, des zivilgesellschaftlichen Forums der Östlichen Partnerschaft und weiterer Vertreter der Zivilgesellschaft in der Ukraine,

unter Hinweis auf die Abschlusserklärungen und Empfehlungen der Sitzung des Parlamentarischen Assoziationsausschusses EU-Ukraine vom 19. Dezember 2019,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen seiner Wahlbeobachtungsmissionen in der Ukraine zu der Präsidentschaftswahl vom 31. März und 21. April 2019 und der vorgezogenen Parlamentswahl vom 21. Juli 2019,

unter Hinweis auf die am 29. Mai 2020 erfolgte Auszahlung eines Darlehens in Höhe von 500 Mio. EUR an die Ukraine im Rahmen des vierten Makrofinanzhilfeprogramms der Kommission,

unter Hinweis auf die beispiellosen Hilfspakete, die die EU zur Unterstützung der Nachbarländer bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eingerichtet hat, und insbesondere auf die langfristigen Darlehen in Höhe von 1,2 Mrd. EUR, die der Ukraine mit dem Beschluss (EU) 2020/701 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 2020 über die Bereitstellung einer Makrofinanzhilfe für Erweiterungs- und Nachbarschaftspartner vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie zu sehr vorteilhaften Konditionen zur Verfügung gestellt wurden (5),

unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung des NATO-Ukraine-Ausschusses vom 31. Oktober 2019,

unter Hinweis auf den fünften Länderbericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI), der im September 2017 veröffentlicht wurde, und auf die Schlussfolgerungen zur Ukraine hinsichtlich des Stands der Umsetzungen der Empfehlungen aus dem Jahr 2017, die im Juni 2020 veröffentlicht wurden;

unter Hinweis auf die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten über Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität (6) und die von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats angenommenen Standards,

unter Hinweis auf den Abschlussbericht der Wahlbeobachtungsmission des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der OSZE vom 21. Juli 2019 über die vorgezogene Parlamentswahl in der Ukraine,

unter Hinweis auf den Korruptionswahrnehmungsindex 2019 von Transparency International, in dem die Ukraine unter 180 bewerteten Ländern und Gebieten den 126. Rang belegt (wobei der erste Rang der beste ist),

unter Hinweis auf das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten und die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, die am 5. November 1992 angenommen wurde,

unter Hinweis auf die Stellungnahme der Venedig-Kommission zum Gesetz zur Unterstützung der Verwendung der ukrainischen Sprache als Staatssprache und ihre Stellungnahme zu den Bestimmungen des Bildungsgesetzes vom 5. September 2017, die den Gebrauch der Staatssprache und von Minderheitensprachen und anderen Sprachen im Bildungswesen betreffen,

unter Hinweis auf die Stellungnahme der Venedig-Kommission vom 10. Dezember 2020 zum Verfassungsgericht der Ukraine,

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung sowie auf Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e und Anlage 3 des Beschlusses der Konferenz der Präsidenten vom 12. Dezember 2002 zum Verfahren für die Genehmigung der Ausarbeitung von Initiativberichten,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für internationalen Handel,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A9-0219/2020),

A.

in der Erwägung, dass das Assoziierungsabkommen einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens der Eckpfeiler der auf politischer Assoziierung und wirtschaftlicher Integration beruhenden Beziehungen der Europäischen Union zur Ukraine und ein Fahrplan für Reformen ist, dessen vollständige Umsetzung als Befähigung zur stetigen Annäherung an die Union betrachtet werden sollte, was in der Folge zur allmählichen Integration in den Binnenmarkt der Union und zur umfassenden Entfaltung des Potenzials und der Vorteile des Assoziierungsabkommen einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens führt;

B.

in der Erwägung, dass die Ukraine gemäß Artikel 49 EUV eine europäische Perspektive hat und beantragen kann, Mitglied der Union zu werden, sofern sie alle Kopenhagener Kriterien und die Grundsätze der Demokratie erfüllt und die Grundfreiheiten sowie die Menschen- und Minderheitenrechte achtet und die Rechtsstaatlichkeit wahrt;

C.

in der Erwägung, dass auf dem 22. Gipfeltreffen EU-Ukraine die auf Europa gerichteten Bestrebungen der Ukraine gewürdigt und ihre Entscheidung für Europa begrüßt, die von der Ukraine in ihrem Reformprozess erzielten erheblichen Fortschritte anerkannt und die bei der Umsetzung des Assoziierungsabkommens bereits erzielten Ergebnisse und der Erfolg des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens begrüßt wurden;

D.

in der Erwägung, dass in der Ukraine 2019 sowohl vor der Präsidentschafts- als auch vor der Parlamentswahl schwierige Wahlkämpfe stattfanden und dass das Land für die Handhabung der Verfahren und die anschließende friedliche und geordnete Machtübergabe belobigt werden sollte;

E.

in der Erwägung, dass die landesweiten Kommunalwahlen am 25. Oktober 2020 einen weiteren Test für den Stand der Demokratie und eine Gelegenheit zur weiteren Konsolidierung darstellten; in der Erwägung, dass im Vorfeld der Kommunalwahlen vom 25. Oktober 2020 versucht wurde, während des laufenden Wahlkampfs das Wahlgesetz zu ändern, und dass das Fehlen klarer Maßnahmen zur Reaktion auf die COVID-19-Krise nach wie vor Anlass zu erheblicher Sorge hinsichtlich der Annahme neuer Vorgaben für eine sichere Stimmabgabe gibt;

F.

in der Erwägung, dass die beschränkte Wahlbeobachtungsmission des BDIMHR zu dem Schluss kam, dass die Kommunalwahlen vom 25. Oktober 2020 in der Ukraine nach den jüngsten Dezentralisierungsreformen, in deren Rahmen beträchtliche Befugnisse und Ressourcen an die Einrichtungen der kommunalen Selbstverwaltung übertragen wurden, besonders wichtig waren, dass der Wahlprozess im Allgemeinen ruhig, gut organisiert und transparent verlief und dass die Zentrale Wahlkommission der Ukraine insgesamt alle gesetzlichen Fristen eingehalten und in unparteiischer, offener und transparenter Weise agiert hat;

G.

in der Erwägung, dass sich örtliche Parteiorganisationen, Kandidatinnen und Kandidaten und Mitglieder der Wahlkommissionen der Zivilgesellschaft und Wahlexperten zufolge nicht angemessen auf die Registrierung der Kandidatinnen und Kandidaten vorbereiten konnten, da das Wahlgesetz unmittelbar vor dem Wahlverfahren angenommen wurde;

H.

in der Erwägung, dass durch die Einführung von Kontrollmechanismen, die von oben nach unten ausgerichtet sind, und durch die Einführung des imperativen Mandats und eines Mindestschwellenwerts von 10 000 Wählerinnen und Wählern für Parteilisten der demokratische Charakter der Wahlen geschwächt wird;

I.

in der Erwägung, dass die Zivilgesellschaft Kritik an der von der Zivil- und Militärverwaltung ohne schlüssige Begründung getroffenen Entscheidung äußerte, in 18 Gemeinden in den Oblasten Donezk und Luhansk, die sich unter der Kontrolle der Regierung befinden, keine Wahlen abzuhalten, wodurch faktisch rund 475 000 Wählerinnen und Wählern, die in diesen Gemeinden leben, die Ausübung ihres Stimmrechts verweigert wurde;

J.

in der Erwägung, dass insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2019 in dem Bestreben, die im Wahlkampf versprochenen Reformen rasch umzusetzen, ein besonders hohes Tempo bei der Gesetzgebungstätigkeit zu verzeichnen war und dies nach wie vor der Fall ist, was mitunter zulasten der parlamentarischen Kontrolle, der Transparenz und der Qualität der Gesetzgebung geht;

K.

in der Erwägung, dass die Ukraine bei der Umsetzung ihrer Verpflichtungen aus dem Assoziierungsabkommen und der Integration in die Union zwar erhebliche Fortschritte erzielt hat, mehrere der eingeleiteten Reformen jedoch noch abgeschlossen werden müssen, insbesondere in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, verantwortungsvolle Staatsführung und Korruptionsbekämpfung; in der Erwägung, dass die Reformen in der Ukraine trotz erkennbarer Fortschritte nach wie vor durch weitverbreitete Korruption gehemmt werden; in der Erwägung, dass die anhaltende Verfassungskrise die Fähigkeit des Präsidenten und der Werchowna Rada, Reformen durchzuführen, gefährdet; in der Erwägung, dass Oligarchen offenbar wieder politischen Einfluss erlangen; in der Erwägung, dass noch einige zusätzliche Maßnahmen — unter besonderer Berücksichtigung der Justiz — ergriffen werden müssen, damit es nicht zu Rückschritten kommt;

L.

in der Erwägung, dass das volle Potenzial der beschlossenen Reformen aufgrund der Dynamik der Reformen und der damit einhergehenden institutionellen Herausforderungen nicht ausgeschöpft wird; in der Erwägung, dass Reformen zudem durch interne institutionelle Instabilität und Widersprüche, das Fehlen eindeutiger Bezugswerte, unzureichende Kapazitäten, begrenzte Ressourcen und externe Faktoren wie die COVID-19-Pandemie sowie durch einen Mangel an politischer Entschlossenheit, die uneingeschränkte Unabhängigkeit der Justiz und der Wirtschaft anzuerkennen und sicherzustellen sowie den selektiven Einsatz der Justiz zu verhindern, beeinträchtigt werden;

M.

in der Erwägung, dass die Ukraine in der gemeinsamen Erklärung des NATO-Ukraine-Ausschusses vom 31. Oktober 2019 aufgefordert wird, ihre internationalen Verpflichtungen und Zusagen einzuhalten, die Menschenrechte und die Minderheitenrechte zu achten und die Empfehlungen und Schlussfolgerungen der Venedig-Kommission zum Bildungsgesetz umfassend umzusetzen;

N.

in der Erwägung, dass im jüngsten Bericht des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) hervorgehoben wird, dass bei Strafverfahren im Zusammenhang mit schweren Menschenrechtsverletzungen, die mutmaßlich von ukrainischen Kräften begangen wurden, unzureichende Fortschritte zu verzeichnen sind und dass die Ermittlungen zu Straftaten im Zusammenhang mit den Majdan-Protesten nach wie vor zögerlich und unzureichend geführt werden;

O.

in der Erwägung, dass der Korruptionswahrnehmungsindex in der Ukraine laut dem jüngsten Bericht von Transparency International auf den Stand des Jahres 2017 zurückgefallen ist;

P.

in der Erwägung, dass die Unterstützung für Modernisierung, Entoligarchisierung, Reformen und Korruptionsbekämpfung unter den Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine nach wie vor sehr hoch ist und dass ihre Erwartungen umgehend erfüllt werden sollten;

Q.

in der Erwägung, dass sich die Wirtschaft der Ukraine vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie stabilisierte und zufriedenstellendes Wachstum sowie sinkende Arbeitslosigkeit aufwies, was durch die Fortschritte bei der Nutzung des Potenzials des Assoziierungsabkommens einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens genährt wurde;

R.

in der Erwägung, dass es notwendig ist, dass die Ukraine ihre makroökonomische Stabilität erhält, indem sie ihre Zusagen an den Internationalen Währungsfonds einhält und sämtliche im Rahmen des Makrofinanzhilfeprogramms der EU vereinbarten mittelfristigen Strukturreformen umsetzt und indem sichergestellt wird, dass die Nationalbank der Ukraine stark und unabhängig ist;

S.

in der Erwägung, dass angesichts der anhaltenden weltweiten Krise ein koordinierter Ansatz und außerordentliche Pakete von Unterstützungsmaßnahmen erforderlich sind; in der Erwägung, dass etwaige Notmaßnahmen angemessen und zeitlich befristet sein sowie unter Achtung der Grundfreiheiten getroffen werden müssen;

T.

in der Erwägung, dass die EU der ukrainischen Bevölkerung seit Beginn der COVID-19-Pandemie beigestanden und finanzielle und materielle Unterstützung im Rahmen bilateraler und regionaler Programme bereitgestellt hat, beispielsweise die Pakete, die die Union der Ukraine im März, April und Mai 2020 zur Verfügung gestellt hat;

U.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie die Probleme im ukrainischen Gesundheitswesen verschärft hat; in der Erwägung, dass die Gesundheitsversorgung nach ukrainischem Gesetz zwar kostenlos ist, viele Bürgerinnen und Bürger des Landes in der Realität aufgrund des unverhältnismäßig langwierigen Reformprozesses des ukrainischen Gesundheitsministeriums aber andere Erfahrungen machen, wenn sie medizinische Behandlung benötigen;

V.

in der Erwägung, dass es angesichts der COVID-19-Pandemie von noch dringlicherer Bedeutung ist, dass auch künftig humanitäre Hilfe erbracht wird und dass die OSZE-Sonderbeobachtermission, die Agenturen der Vereinten Nationen, nichtstaatliche Organisationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz ungehinderten Zugang zu den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten haben;

W.

in der Erwägung, dass die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen sowie ihre Fähigkeit, erforderliche wirtschaftliche und soziale Reformen umzusetzen, nach wie vor durch gezielte Desinformationskampagnen, Cyberangriffe und andere hybride Bedrohungen sowie durch den ungelösten Konflikt im Osten des Landes, der durch die anhaltende militärische Aggression Russlands und die anhaltende Besetzung großer Teile der Oblaste Donezk und Luhansk durch Russland sowie durch die anhaltende rechtswidrige Besetzung der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durch Russland verursacht worden ist, erheblich untergraben wird, was zu einer Verschärfung der Menschenrechtslage führt und sich hinderlich auf den Wohlstand, die Stabilität und das Wirtschaftswachstum des Landes auswirkt;

X.

in der Erwägung, dass die EU die anhaltende Aggression Russlands gegen die Ukraine, einschließlich der unter Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität des Landes erfolgten rechtswidrigen Annexion der Krim und Sewastopols, scharf verurteilt hat, eine Politik der Nichtanerkennung verfolgt und daran festhalten wird und in dieser Hinsicht nach wie vor restriktive Maßnahmen gegen Einzelpersonen und Organisationen durchsetzt, die an dieser Verletzung des Völkerrechts beteiligt sind;

Y.

in der Erwägung, dass die EU unverändert hinter den Bemühungen des Normandie-Formats, der OSZE, der trilateralen Kontaktgruppe und der OSZE-Sonderbeobachtermission in der Ukraine steht, den konstruktiven Ansatz der Ukraine im Normandie-Format und in der trilateralen Kontaktgruppe begrüßt und Russland aufgefordert hat, dem Beispiel der Ukraine zu folgen;

Z.

in der Erwägung, dass am 17. Juli 2014 der Flug MH17 der Malaysia Airlines von Amsterdam nach Kuala Lumpur über der Oblast Donezk im Zusammenhang mit russischen Anstrengungen, die territoriale Integrität der Ukraine zu untergraben, abgeschossen wurde und dabei alle 298 Passagiere und die Besatzungsmitglieder ums Leben kamen; in der Erwägung, dass die unter niederländische Leitung tätige Gemeinsame Ermittlungsgruppe (GEG) zu der Erkenntnis gelangte, dass der Flug MH17 mit einer Boden-Luft-Rakete des Typs Buk abgeschossen wurde, die von der in Kursk stationierten 53. Luftabwehrbrigade des russischen Heeres bereitgestellt wurde;

AA.

in der Erwägung, dass dank der Zusammenarbeit der Ukraine mit der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe (GEG) am 9. März 2020 ein Gerichtsverfahren nach niederländischem Recht gegen vier Hauptverdächtige im Zusammenhang mit dem Abschuss des Flugs MH17 der Malaysia Airlines eröffnet werden konnte; in der Erwägung, dass die Niederlande am 10. Juli 2020 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine zwischenstaatliche Klage gegen die Russische Föderation wegen deren Rolle beim Abschuss des Flugs MH17 eingereicht haben; in der Erwägung, dass Russland Druck auf die Ukraine ausgeübt hat, in einen Gefangenaustausch am 7. September 2019 eine fünfte Person aufzunehmen, die Gegenstand der genannten Untersuchungen ist, nämlich Wolodymyr Zemach; in der Erwägung, dass Russland am 15. Oktober 2020 seine Mitwirkung in den mit Australien und den Niederlanden geführten trilateralen Konsultationen zur Wahrheitsfindung einseitig eingestellt hat; in der Erwägung, dass Russland sämtliche Anstrengungen, die Täter vor Gericht zu stellen, konsequent behindert, unter anderem indem es die Ergebnisse der GEG zurückweist, Desinformationen über den Flug MH17 verbreitet und sein Vetorecht im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dazu missbraucht, die Einrichtung eines internationalen Gerichtshofs zu verhindern;

AB.

in der Erwägung, dass die EU Russland dafür verurteilt hat, dass es die Zusammenarbeit hinsichtlich der Rechtssachen im Zusammenhang mit dem Flug MH17 eingestellt hat; in der Erwägung, dass die EU Russland nachdrücklich zu einer umfassenden Zusammenarbeit bei den Untersuchungen und Rechtssachen im Zusammenhang mit dem Flug MH17 aufgefordert hat;

AC.

in der Erwägung, dass seit Beginn des Krieges in der Ostukraine 13 000 Menschen — ein Viertel von ihnen Zivilisten — getötet und 30 000 verletzt worden sind; in der Erwägung, dass rund 1,5 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer aufgrund des bewaffneten Konflikts mit von Russland unterstützen bewaffneten Gruppen gezwungen waren, aus ihren Heimatorten zu fliehen; in der Erwägung, dass Hunderte von Ukrainerinnen und Ukrainern von Russland und seinen Statthaltern inhaftiert wurden und der Aufenthaltsort zahlreicher weiterer Menschen nach wie vor ungeklärt ist; in der Erwägung, dass der anhaltende militärische Konflikt eine humanitäre Krise mit verheerenden Auswirkungen für 4,4 Millionen Menschen — darunter rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene — verursacht hat; in der Erwägung, dass 3,4 Millionen Menschen, die an der Kontaktlinie leben, humanitäre Hilfe und Schutz benötigen; in der Erwägung, dass sich die örtliche Bevölkerung infolge von Angriffen auf die öffentliche Infrastruktur mit eingeschränktem Zugang zu Gesundheitsversorgungseinrichtungen, Schulen, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung konfrontiert sieht;

AD.

in der Erwägung, dass sich die Menschenrechtslage in den besetzten Gebieten im Osten der Ukraine und auf der besetzten Halbinsel Krim deutlich verschlechtert hat, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Religionsfreiheit und Eigentumsrechte systematisch verletzt werden, Bildungs- und Sprachrechte gravierend eingeschränkt werden, die Medien zielgerichtet missbräuchlich eingesetzt werden, die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft nach einem festen System erzwungen wird und die Achtung der grundlegenden Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht sichergestellt ist; in der Erwägung, dass die selbsternannten Behörden auf der besetzten Krim weiterhin Angehörige der krimtatarischen Bevölkerung schikanieren und Dutzende von Menschen mittels erfundener Terrorismusanschuldigungen strafrechtlich verfolgen; in der Erwägung, dass laut Schätzungen des ukrainischen Zentrums für bürgerliche Freiheiten mindestens 94 ukrainische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger aus politischen Gründen auf der Krim oder in Russland verfolgt wurden, von denen 71 Krimtataren sind, darunter Marlen Asanov, Memet Belyalov, Timur İbragimov, Seyran Saliyev, Server Mustafayev, Server Zekiryayev und Edem Smailov, die im September 2020 zu Haftstrafen zwischen 13 und 19 Jahren verurteilt wurden;

AE.

in der Erwägung, dass die Ukraine auf der Rangliste der Pressefreiheit 2020 den 96. Platz belegt; in der Erwägung, dass die Ukraine eine Reihe von Reformen — darunter ein Gesetz zur Transparenz der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich — angenommen hat, wobei jedoch noch wesentlich mehr erforderlich ist, um den festen Griff, in dem die Oligarchen die Medien halten, zu lockern, die redaktionelle Unabhängigkeit zu stärken und der Straflosigkeit von Gewaltverbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten entgegenzutreten;

AF.

in der Erwägung, dass die Medienlandschaft in der Ukraine nach wie unter dem starken Einfluss von Medieneigentümern oligarchischer Art steht, und in der Erwägung, dass Medienschaffende — insbesondere Journalistinnen und Journalisten, die Recherchen zu Korruption und Betrug durchführen, — sich laufend mit Gewaltandrohungen und Einschüchterungen konfrontiert sehen und vom Tod bedroht sind, wie im Fall des Journalisten Wadym Komarow im Jahr 2019, und dass ihre journalistische Arbeit häufig durch begrenzten Zugang zu Informationen, rechtlichen Druck, z. B. in den Strafverfahren gegen Bihus.info, und — unter anderem — durch Cyberangriffe behindert wird;

AG.

in der Erwägung, dass die Ukraine ein erhebliches Problem im Bereich der geschlechtsspezifischen Ungleichheit hat; in der Erwägung, dass Gleichheit vor dem Gesetz nicht gleichbedeutend mit tatsächlicher Gleichheit ist, sondern dass sich Frauen in der Praxis nach wie vor mit erheblichen Hindernissen insbesondere am Arbeitsplatz konfrontiert sehen; in der Erwägung, dass die Ukraine im globalen Index des Weltwirtschaftsforums zur Gleichstellung der Geschlechter 2018 auf Platz 65 von 149 Ländern liegt; in der Erwägung, dass laut dem Indikator für Einkommensungleichheit in der Ukraine pro 100 USD, die von Männern verdient werden, Frauen nur 63,10 USD verdienen;

AH.

in der Erwägung, dass LGBTI-Personen sowie feministische Aktivistinnen und Aktivisten laufend unter Hetze und gewalttätigen Angriffen zu leiden haben und dass sich Roma mit diskriminierendem Sprachgebrauch und Hetze seitens des Staates, der örtlichen Verwaltung und der Medien konfrontiert sehen;

AI.

in der Erwägung, dass die Strafverfolgungsorgane es in zahlreichen Fällen abgelehnt haben, Strafanzeigen von LGBTI-Personen, insbesondere von Teilnehmerinnen und Teilnehmern von Pride-Paraden, im Zusammenhang mit Hassverbrechen oder Hetze nachzugehen, weil im Strafgesetzbuch Bestimmungen fehlen, durch die die Aufstachelung zu Hass oder Gewalt aufgrund der sexuellen Ausrichtung oder der Geschlechteridentität unter Strafe gestellt werden; in der Erwägung, dass die ECRI empfohlen hat, dass Strafgesetzbuch so zu ändern, dass die genannten Gründe aufgeführt und als erschwerende Umstände eingestuft werden;

AJ.

in der Erwägung, dass das Parlament zu würdigen weiß, dass die staatlichen Stellen der Ukraine bei der Gewährung ausreichenden Schutzes für nationale Pride-Paraden mit gutem Beispiel vorangehen und den entsprechenden politischen Willen zeigen; in der Erwägung, dass Hetze und Hassverbrechen gegen LGBTI-Personen trotzdem nach wie vor weit verbreitet sind und polizeilicher Schutz nicht immer zur Stelle ist, wie bei den gewalttägigen Angriffen während der Parade in Kiew zu sehen war, bei der es den Demonstrantinnen und Demonstranten nicht möglich war, von ihrem Grundrecht auf friedliche Versammlung umfassend Gebrauch zu machen und zugleich vor Gewalt geschützt zu sein;

AK.

in der Erwägung, dass mit dem Assoziierungsabkommen einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens das Ziel verfolgt wird, die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Normen der Ukraine an jene der EU heranzuführen, auch im sozialen Bereich; in der Erwägung, dass trotz der genannten Zusagen die Umsetzung im sozialen Bereich nach wie vor nicht zufriedenstellend ist; in der Erwägung, dass die Ukraine die wichtigsten internationalen Instrumente zwar ratifiziert, aber noch immer nicht umgesetzt hat;

AL.

in der Erwägung, dass trotz der Verpflichtungen gemäß dem Assoziierungsabkommen und der zahlreichen Appelle der Gewerkschaften an die Regierung, die erforderlichen Maßnahmen zur Förderung des sozialen Dialogs zu ergreifen, das Konzept der dreigliedrigen Beratung im Grunde nach wie vor nicht funktioniert; in der Erwägung, dass der drittelparitätisch besetzte Wirtschafts- und Sozialrat der Ukraine fast ein Jahrzehnt nach seiner Gründung unverändert schwach und unwirksam ist, keinen echten Einfluss auf den sozialen Dialog hat und laufend unter einer unzureichenden Personalausstattung und einer uneinheitlichen Koordinierung seiner Tätigkeiten leidet; in der Erwägung, dass im Jahr 2019 von 177 gesamtukrainischen Gewerkschaften, die beim Justizministerium registriert sind, nur ein Drittel die Gelegenheit erhielt, an Tarifverhandlungen mitzuwirken;

Gemeinsame Werte und allgemeine Grundsätze

1.

stellt fest, dass das Assoziierungsabkommen einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens dem gemeinsamen Streben der EU und der Ukraine nach politischer Assoziation und wirtschaftlicher Integration entspringt, was als Blaupause für Reformen dienen kann, und betont, dass ihm insbesondere in den derzeitigen außergewöhnlichen Zeiten herausragende Bedeutung zukommt; fordert nachdrücklich, dass das Abkommen vollständig umgesetzt und sein Potenzial vollumfänglich ausgeschöpft wird; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine zudem auf, die Umsetzung des Abkommens trotz der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie auch künftig ganz oben auf ihrer Agenda zu belassen; betont, dass die Unterstützung der Ukraine seitens der EU an strikte Bedingungen geknüpft ist, und bekräftigt, dass die Ukraine neuerlich zeigen muss, dass sie sich für Reformen engagiert und den Grundsätzen der Union verpflichtet fühlt; weist erneut darauf hin, dass das Assoziierungsabkommen einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens einer Aktualisierung bedarf, um die notwendige Weiterentwicklung des Regelungsrahmens und der Wirtschaft zu berücksichtigen und die Überwachungsmechanismen zu stärken; empfiehlt, dass die EU und die Ukraine die anstehende regelmäßige Überprüfung der Verwirklichung der Ziele des Assoziierungsabkommens nutzen, um Möglichkeiten zur Aktualisierung der handelsbezogenen und sektorspezifischen Elemente zu prüfen;

2.

begrüßt, dass die Union der Ukraine — als Mitglied von Team Europe — beispiellose Hilfspakete einschließlich Makrofinanzhilfe zur Verfügung gestellt hat, mit denen darauf abgezielt wird, die Partnerländer bei der Bewältigung der COVID-19-Notlage zu unterstützen; stellt fest, dass dies in Zeiten dieser beispiellosen Krise ein wichtiges Zeichen der Solidarität der EU ist; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine auf, für ein Umfeld zu sorgen, das Investitionen zuträglich ist, und die für die Auszahlung der Makrofinanzhilfe der EU in der Vereinbarung festgelegten Bedingungen rasch umzusetzen; erinnert die ukrainische Regierung daran, dass die im Dezember 2020 ohne spezifische politische Auflagen erfolgte Auszahlung der ersten Tranche der 1,2 Mrd. EUR umfassenden Makrofinanzhilfe in Höhe von 600 Mio. EUR eine einmalige Ausnahme darstellt, die auf den Notfallcharakter dieser Unterstützung zurückgeht, und nicht dazu missbraucht werden darf, vereinbarte Reformen rückgängig zu machen;

3.

ist zufrieden, dass die Wahlbeobachtungsmissionen des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), an denen auch das Europäische Parlament mitwirkte, die Präsidentschaftswahl 2019 und die Parlamentswahl 2019 insgesamt als wettbewerbsgeprägt, gut organisiert und effizient durchgeführt bewertet haben, was belegt, dass sich die Ukraine den demokratischen Werten der Union verpflichtet fühlt, und angesichts der anhaltenden Anstrengungen Russlands zur Destabilisierung der Ukraine besonders bemerkenswert ist; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine nachdrücklich auf, gegen die Mängel anzugehen, die in den Erklärungen der Leitung der Delegationen des Europäischen Parlaments festgestellt wurden, und den Empfehlungen zu folgen, die in den Abschlussberichten der Wahlbeobachtungsmission des BDIMR der OSZE enthalten sind; beobachtet weiterhin aufmerksam, inwieweit die demokratischen Standards hinsichtlich der Abhaltung von freien und fairen Wahlen in der Ukraine eingehalten werden, während das Land seine ersten Kommunalwahlen nach der begrüßenswerten Dezentralisierungsreform abgehalten hat; fordert die ukrainische Regierung auf, für freie und faire Wahlkämpfe — ohne unzulässige Methoden zur Wahlkampffinanzierung — zu sorgen, in denen kein Platz für Stimmenkauf ist; betont, dass das Wahlverfahren und die Stimmabgabe am Wahltag höheren Sicherheitsstandards genügen sollten und dass besondere Sicherheitsvorkehrungen in Erwägung gezogen werden sollten, um die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern; stellt fest, dass bei der vorgezogenen ukrainischen Parlamentswahl 2019 die Wahlkreise für Einzelmandate in einer für die Vertretung der nationalen Minderheiten ungünstigen Weise abgegrenzt worden waren; stellt fest, dass in einigen Oblasten, etwa Transkarpatien, Fälle von Wahlmissbrauch zu beobachten waren, wie etwa die Aufstellung von „Klon-Kandidaten“, wodurch die Chancen der ungarischen Minderheit, im Parlament vertreten zu sein, verringert wurden;

4.

begrüßt, dass im Dezember 2019 ein neues Wahlgesetz mit Bestimmungen zu den Rechten von Binnenvertriebenen angenommen wurde; weist jedoch darauf hin, dass immer neue Änderungen am Wahlgesetz während eines laufenden Wahlverfahrens im Widerspruch zu den Empfehlungen der Venedig-Kommission stehen, Rechtsunsicherheit auslösen und sich negativ auf die Arbeit der Wahlkommissionen auswirken; fordert die Ukraine nachdrücklich auf, auch künftig gegen illegale Wahlkampfmethoden, Stimmenkauf, missbräuchliche Nutzung von Ressourcen der Verwaltung und die Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit Wahlkampfaktivitäten in den sozialen Medien vorzugehen;

5.

betont nachdrücklich, dass das Wahlgesetz verbessert und mit internationalen Normen in Einklang gebracht werden sollte, um Fragen wie Wahlkampfaktivitäten in den sozialen Medien, Transparenz der Wahlkampfausgaben und Zugang von unabhängigen Kandidaten zur Wahl anzugehen; erachtet es mit Blick auf die Kommunalwahlen zudem als sehr wichtig, bürokratische Schranken bei der Wählerregistrierung von Binnenvertriebenen zu beseitigen, Obergrenzen für Wahlkampfausgaben festzulegen und die Teilnahme von einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten zu ermöglichen, indem auch die Absicht, Kandidatinnen und Kandidaten in kleinen Gemeinden zur Hinterlegung von Barsicherheiten zu verpflichten, nochmals überdacht wird;

Reformen und institutioneller Rahmen

6.

hebt hervor, dass prodemokratische Reformen und das Vertrauen in die Institutionen die wirksamsten Sicherheitsmechanismen und mithin wichtig sind; fordert die Kommission auf, die Umsetzung von Reformen durch die Ukraine mittels der bestehenden Mechanismen zu erleichtern und zu unterstützen; schlägt vor, in enger Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft qualitative und quantitative Mechanismen zur Überwachung der Umsetzung von Reformen durch die Ukraine, die auch klare Richtwerte, Empfehlungen und Grundsätze der Konditionalität enthalten, auszuarbeiten und umzusetzen und die Methodik der jährlichen Umsetzungsberichte mit diesen Mechanismen zu verbessern, die wirksame Instrumente zur Steuerung der Reformen werden sollten;

7.

betont, dass verbesserte Lenkungs- und Berichtsmechanismen erforderlich sind, um die von der Ukraine erzielten Fortschritte — insbesondere in den Bereichen Reform des Justizwesens, Korruptionsbekämpfung, staatseigene Unternehmen, Unternehmensführung und Energiereformen — zu bewerten, wobei eine Verknüpfung mit der wirtschaftlichen Unterstützung und der Investitionsförderung erfolgen sollte;

8.

empfiehlt eine Fokussierung auf eine begrenzte Anzahl von Prioritäten, auf die die politischen Anstrengungen, die finanzielle Unterstützung und die technische Hilfe konzentriert werden sollten, um wirksam die institutionellen Kapazitäten aufzubauen, die erforderlich sind, um den langfristigen Erfolg der Reformen — nicht nur in der Gesetzgebung, sondern auch in der Praxis — sicherzustellen; unterstützt die Stärkung der branchenspezifischen Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine in vorrangigen Bereichen wie beispielsweise digitale Wirtschaft, Energie, Klimawandel und Handel; begrüßt die Bestrebungen der Ukraine, sich durch Übernahme des einschlägigen Besitzstands an den digitalen Binnenmarkt der EU sowie an die politischen Maßnahmen und Strategien des europäischen Grünen Deals anzunähern;

9.

würdigt den Status der Ukraine und der anderen Unterzeichner von Assoziierungsabkommen und vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen als assoziierte Partner und fordert einen verstärkten politischen Dialog mit ihnen, damit die weitere wirtschaftliche Integration und die Harmonisierung der Rechtsvorschriften vorangetrieben werden; fordert die EU im Hinblick auf die Umsetzung des Grundsatzes „mehr für mehr“ auf, für die drei assoziierten Länder, einschließlich der Ukraine, die Schaffung einer Strategie für eine an Bedingungen geknüpfte verstärkte Zusammenarbeit in Bezug auf Reformen und Investitionen in Erwägung zu ziehen, die unter anderem Bereiche wie den Aufbau von Investitionskapazitäten, Verkehr, Energie, Justiz und die digitale Wirtschaft umfassen und den Weg für eine ehrgeizige Agenda zur Integration in die EU ebnen würde; fordert die Kommission auf, bis Ende 2020 in Abstimmung mit internationalen Finanzierungsinstitutionen für die Ukraine und andere mit der EU assoziierte Länder einen detaillierten, an Bedingungen geknüpften und maßgeschneiderten Wirtschafts- und Investitionsplan im Zusammenhang mit der Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie zu erstellen; fordert die Organe der EU ferner auf, die Möglichkeit zu prüfen, die Ukraine und die anderen assoziierten Länder als Beobachter in die Arbeiten der nach Artikel 291 AEUV und der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 (7) eingesetzten Ausschüsse sowie in die Sitzungen der Arbeitsgruppen und Ausschüsse des Europäischen Rates einzubeziehen, um das Engagement der EU für eine weitere Integration auszudrücken und die Reformorientierung zu stärken und die Kenntnisse der Verwaltung in diesen Ländern zu mehren;

10.

bringt seine Unterstützung für eine umfassende Überarbeitung des Assoziierungsabkommens einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens zum Ausdruck, die gemäß den Bestimmungen des Abkommens und im Hinblick auf die vollständige Nutzung des Potenzials der politischen Assoziierung und wirtschaftlichen Integration erfolgen sollte, was auch eine verstärkte branchenspezifische Integration der Ukraine in die EU einschließt;

11.

fordert die Kommission auf, die vernachlässigten Bereiche der Assoziierungsabkommen einschließlich der vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen im Hinblick auf wichtige Politikbereiche wie die durchgängige Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung und den Umgang mit Gesundheitskrisen zu aktualisieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie den unbedingt erforderlichen Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen oder Initiativen im Rahmen des europäischen Grünen Deals nicht zuwiderlaufen;

12.

fordert die Kommission auf, Investitionen in Bereiche zu fördern, die Potenzial für Entwicklung, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in der EU aufweisen und in denen die wirtschaftliche Diversifizierung weiter vorangetrieben werden könnte, beispielsweise nachhaltige Energie und Klimaschutz, digitaler Binnenmarkt, Cybersicherheit und Verkehr;

13.

begrüßt, dass die Ukraine bei der Erfüllung ihrer im Assoziierungsabkommen verankerten Verpflichtungen Fortschritte erzielt hat, insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Energie, Banken, Dezentralisierung, digitale Wirtschaft, Umwelt und Wahlverfahren; stellt jedoch fest, dass gemäß dem Überprüfungsmechanismus des Assoziierungsabkommens („Puls des Assoziierungsabkommens“) im Jahr 2019 nur 37 % der umsetzungsbezogenen Aufgaben des Assoziierungsabkommens abgeschlossen wurden (während es im Jahr 2018 noch 52 % waren); nimmt zur Kenntnis, dass in der zweiten Jahreshälfte 2019 Anstrengungen unternommen wurden, um die Reformen rascher voranzutreiben; fordert die zuständigen ukrainischen Institutionen jedoch auf, der Geschwindigkeit der Reformen nicht den Vorrang gegenüber der Qualität der angenommenen Rechtsvorschriften einzuräumen, und hält es für sehr wichtig, dass das Land seine Verpflichtungen auch künftig umsetzt;

14.

betont in diesem Zusammenhang, dass die Ukraine nicht übersehen darf, dass der Umfang der politischen, technischen und finanziellen Unterstützung durch die EU davon abhängt, inwieweit sie die Verpflichtungen erfüllt, die sie gegenüber der Union und ihren Mitgliedstaaten eingegangen ist, insbesondere im Hinblick auf die Reformen, die Achtung der Menschenrechte, der Minderheiten und der Grundfreiheiten sowie die Schaffung einer echten und wirksamen Rechtsstaatlichkeit;

15.

begrüßt, dass Regierung und Parlament 2018 einen gemeinsamen Fahrplan angenommen und im November 2019 eine gemeinsame Plattform für die europäische Integration eingerichtet haben, und hofft, dass sich aus diesen Initiativen eine verstärkte Abstimmung zwischen den verschiedenen Organen ergeben wird, die an der Gestaltung, Annahme und Umsetzung von Reformen beteiligt sind; fordert das Parlament und die Regierung der Ukraine auf, dieses Instrument wirksamer zu nutzen und ihre Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Assoziierungsabkommen und bei der Angleichung der Rechtsvorschriften zu überarbeiten, um möglichst viele Synergieeffekte zu nutzen, insbesondere bei den Kompetenzen in den Bereichen EU-Rechtsvorschriften und Konformitätsbewertungen;

16.

belobigt die Ukraine für die Fortschritte bei der Reform ihrer öffentlichen Verwaltung und erachtet es als sehr wichtig, die derzeitige Geschwindigkeit beizubehalten, um weitere Fortschritte zu erzielen, sowie etwaige während des COVID-19-Zeitraums erfolgte vorläufige Ernennungen so bald wie möglich durch leistungsabhängige Einstellungsverfahren zu überprüfen; ist sich bewusst, dass dies eine große Herausforderung für die Staatsführung, die Institutionen und die öffentliche Verwaltung in der Ukraine darstellt, und fordert die Kommission auf, angemessene fachliche und finanzielle Unterstützung zu leisten;

17.

begrüßt, dass die 2014 eingeleitete Reform zur Dezentralisierung und zur Stärkung der Gemeinden gelungen ist und sich bisher als eine der erfolgreichsten Reformen erwiesen hat; stellt fest, dass das Projekt U-LEAD breite Unterstützung gefunden hat und dass im Rahmen dieses Projekts fast 1 000 freiwillig zusammengelegte Gemeinden mit etwa 11,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern gebildet worden sind; bewertet die Schritte positiv, die bislang unternommen wurden, um die staatlichen Stellen und die öffentlichen Finanzen durch ein Paket von Rechtsakten und deren praktische Umsetzung zu dezentralisieren; fordert die Kommission auf, die Einzelheiten der Dezentralisierungsreform eingehend zu analysieren und sie möglicherweise als erfolgreiche Fallstudie für andere Länder zu nutzen;

18.

fordert die Ukraine nachdrücklich auf, die Dezentralisierungsreform im Rahmen eines breiten und offenen Dialogs, insbesondere mit den Einrichtungen der kommunalen Selbstverwaltung und ihren Verbänden, abzuschließen, wobei das Ziel verfolgt werden sollte, die Autonomie und die Zuständigkeiten der Einrichtungen der kommunalen Selbstverwaltung auszuweiten und den regelmäßigen Austausch zwischen den Einrichtungen der Zentralregierung und den landesweiten Verbänden der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften über alle politischen Maßnahmen und Strategien, die möglicherweise Auswirkungen auf die Gebietskörperschaften haben, zu fördern;

19.

begrüßt die Organisation der ersten Runde der Kommunalwahlen am 25. Oktober 2020, bei der die Wahlbeteiligung bei über 36 % lag und die frei und gerecht waren, jedoch mit einer parallel durchgeführten öffentlichen Konsultation einhergingen, die dem BDIMR der OSZE zufolge einen unrechtmäßigen politischen Vorteil schufen und die Grenzen zwischen Staat und Partei verschwimmen ließen; fordert die staatlichen Stellen auf, die Autonomie der kommunalen Selbstverwaltung zu achten und die Verwaltungskapazitäten der Städte und Gemeinden zu unterstützen; fordert die Einführung des Konzepts einer Gebietskörperschaft als juristische Person, was in der Europäischen Union gängige Praxis und in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung anerkannt ist; begrüßt, dass am Haushaltsgesetz Änderungen vorgenommen wurden, gemäß denen die Gemeinden einen garantierten Anteil von 60 % aus der Einkommensteuer als notwendigen Beitrag zu gesunden öffentlichen Finanzen auf kommunaler Ebene erhalten; warnt vor der Einrichtung von Parallelstrukturen auf lokaler Ebene, durch die Auseinandersetzungen über Zuständigkeiten hervorgerufen werden könnten, regt jedoch an, die Übertragung doppelter Zuständigkeiten auf Amtsinhaber, die lokale Zuständigkeiten übernehmen und gleichzeitig als die unterste Verwaltungsebene des Staates fungieren, zu prüfen; nimmt die Entschließung der Werchowna Rada vom 17. Juli 2020 über die Bildung und Auflösung von Rajonen zur Kenntnis, wonach die Regelungen hinsichtlich der Zusammenlegung von Rajonen grundsätzlich auch für das Gebiet der Krim und die Rajone der Oblaste Donezk und Luhansk gelten, die derzeit nicht unter der Kontrolle der Regierung der Ukraine stehen;

Zusammenarbeit im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)

20.

würdigt den einzigartigen Erfahrungsschatz und Sachverstand der Ukraine, begrüßt die Teilnahme der Ukraine an Missionen, Gefechtsverbänden und Operationen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), ihre Beiträge zu EU-Gefechtsverbänden, ihre zunehmende Ausrichtung an den Feststellungen und Erklärungen der EU zu internationalen und regionalen Fragen sowie ihre Beiträge dazu und beglückwünscht die Ukraine zu ihrem neuen Status als Partnerstaat der NATO mit erweiterten Möglichkeiten;

21.

begrüßt, dass im Bereich der wissenschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit — einschließlich der Raumfahrtindustrie — und im Verteidigungsbereich Fortschritte erzielt wurden, insbesondere die Konvergenz im operativen Bereich, in der Aus- und Weiterbildung und im institutionellen Bereich, und dass die erforderlichen internen Veränderungen in den genannten Bereichen vorgenommen wurden; belobigt die Bereitschaft der Ukraine zur Teilnahme an den Rahmenprogrammen für Forschung und Innovation der EU „Horizont Europa“ und den Forschungsprogrammen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA); stellt fest, dass das Verteidigungsministerium der Ukraine und die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) fruchtbar zusammenarbeiten, und regt an, diese Zusammenarbeit weiter auszubauen; fordert die EU und die Ukraine auf, ihre Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung zu intensivieren und dabei besonderes Augenmerk auf den Konflikt in der Ostukraine und auf die Anstrengungen Russlands zur Aushöhlung der Souveränität der Ukraine und zur Verletzung ihrer territorialen Integrität zu richten; fordert die EU und die Ukraine auf, dabei auf Versöhnung und auf Zusammenarbeit in den Bereichen Cybersicherheit und Bekämpfung von Desinformationen zu setzen sowie die Widerstandsfähigkeit von Familien, Gemeinschaften und staatlichen Einrichtungen zu stärken;

22.

unterstützt die mögliche Teilnahme der Ukraine an ausgewählten Projekten der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), einschließlich der Zusammenarbeit mit der EDA, und insbesondere der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ), sofern sie– wie andere Drittländern auch — einen vereinbarten Katalog von politischen, inhaltlichen und rechtlichen Bedingungen erfüllt; begrüßt, dass die EU kürzlich entschieden hat, die Ukraine zur Teilnahme an der EU-Operation Althea in Bosnien und Herzegowina einzuladen, und fordert beide Seiten — die EU und die Ukraine — dazu auf, die Teilnahme der Ukraine an Missionen und Operationen der Europäischen Union auszuweiten;

23.

begrüßt die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Stellen der Ukraine und dem europäischen öffentlichen und privaten Sektor bei der Bekämpfung hybrider Bedrohungen — vor allem aus Russland –, mit denen unter anderem darauf abgezielt wird, falsche Informationen zu verbreiten, zu Gewalt aufzurufen sowie gegen die Regierung und gegen die EU gerichtete Ressentiments zu schüren; vertritt die Auffassung, dass die EU und die Ukraine so bald wie möglich einen Dialog über Cyberfragen aufnehmen sollten und erachtet einen solchen Schritt angesichts der derzeitigen Lage als angemessen; bringt seine Unterstützung dafür zum Ausdruck, das Spektrum des Dialogs über Sicherheit und Verteidigung auszuweiten, um auf derzeitige und künftige Bedrohungen — insbesondere im Einklang mit der Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union — angemessen reagieren zu können;

Territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine

24.

bekräftigt die uneingeschränkte Unterstützung und das Engagement der Union für die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen und seine Unterstützung für international abgestimmte Sanktionen gegen die Regierung Russlands und Akteure, die die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine untergraben, wobei diese Unterstützung gilt, bis alle einschlägigen Bedingungen für die Aufhebung der Sanktionen erfüllt sind, einschließlich der vollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen und der Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen;

25.

verurteilt weiterhin die rechtswidrige Annexion der Krim und Sewastopols und die faktische Besetzung bestimmter Gebiete in den Oblasten Donezk und Luhansk; fordert die Russische Föderation auf, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen, ihre Streitkräfte aus dem Territorium der Ukraine abzuziehen und die Resolutionen der Vollversammlung der Vereinten Nationen zur territorialen Integrität der Ukraine sowie zur Krim und zu der Stadt Sewastopol vollständig umzusetzen;

26.

betont, dass bei allen Abkommen mit der Russischen Föderation der vollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen, der Einhaltung der Resolutionen der Vereinten Nationen zum Status der Krim und der Achtung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine durch die Russische Föderation Rechnung getragen werden muss;

27.

begrüßt, dass die Friedensgespräche im Normandie-Format am 9. Dezember 2019 in Paris nach dreijährigem Stillstand wieder aufgenommen wurden; fordert alle Seiten auf, sich an die Waffenstillstandsvereinbarung zu halten; erachtet es als sehr wichtig, weitere Entflechtungsgebiete auszuweisen, die Minenräumung voranzutreiben und Übergangsstellen entlang der Kontaktlinie zu eröffnen, und fordert Russland auf, seinen entscheidenden Einfluss auf die von ihm unterstützten bewaffneten Gruppierungen geltend zu machen, sodass die Verpflichtungen, die im Rahmen der Minsker Vereinbarungen und im Rahmen der kürzlich abgehaltenen Treffen im Normandie-Format und in der trilateralen Kontaktgruppe eingegangen worden sind, eingehalten und vollständig umgesetzt werden; bekräftigt, dass in den besetzten Gebieten in der Ostukraine — wie in Minsk und in der sogenannten Steinmeier-Formel vereinbart — Kommunalwahlen gemäß den ukrainischen Rechtsvorschriften und unter der Aufsicht der OSZE durchgeführt werden müssen; hebt hervor, dass die Voraussetzungen für freie und faire Wahlen in der derzeitigen Situation in den Oblasten Donezk und Luhansk nicht gegeben sind; begrüßt, dass der Plan verworfen worden ist, die von Russland unterstützten Separatisten als Partei in die Gespräche der trilateralen Kontaktgruppe aufzunehmen; bedauert Äußerungen von hochrangigen Mitgliedern der ukrainischen Delegation in der trilateralen Kontaktgruppe, in denen die militärische Beteiligung Russlands am Konflikt im Donezbecken abgestritten wird;

28.

verurteilt die destabilisierenden Handlungen Russlands und sein militärisches Eingreifen in der Ukraine scharf; äußert sich besorgt über Russlands anhaltenden Ausbau militärischer Einrichtungen und Anlagen auf der Halbinsel Krim, darunter weit über 30 000 Soldaten, neue Boden-Luft- und Boden-Boden-Raketen-Systeme, U-Boote, die als Träger für Kernwaffen eingesetzt werden können, und strategische Bomber; verurteilt die rechtswidrigen Handlungen, mit denen Russland darauf abzielt, die Kontrolle über die Straße von Kertsch zu erlangen, da diese Handlungen einen Verstoß gegen internationales Seerecht und Russlands internationale Verpflichtungen darstellen, insbesondere den Bau der Brücke über die Straße von Kertsch und ihre Anbindung an das Eisenbahnnetz ohne Einwilligung der Ukraine, das Verlegen von Unterseekabeln sowie die Schließung und Militarisierung der Durchfahrt ins Asowsche Meer, durch die die Wirtschaftstätigkeit der Ukraine erheblich behindert wird; fordert Russland auf, im Einklang mit dem Völkerrecht die ungehinderte und freie Einfahrt in das Asowsche Meer und Ausfahrt aus dem Asowschen Meer sicherzustellen und internationalen nichtstaatlichen Organisationen und internationalen humanitären Organisationen Zugang zu den besetzten ukrainischen Gebieten im Donezbecken und auf der annektierten Krim zu gewähren; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das 2018 eingeführte russische System zur Kontrolle der Seewege für alle Schiffe, die die von Russland kontrollierte Straße von Kertsch auf ihrem Weg zum und vom Asowschen Meer durchqueren, weiterhin negative wirtschaftliche Folgen für die Region hat; fordert die Freilassung aller ukrainischen politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen, die in Russland, auf der Krim und in den Teilen des Donezbeckens, die derzeit nicht unter der Kontrolle der ukrainischen Regierung stehen, festgehalten werden; äußert sich allerdings besorgt hinsichtlich der aufgezwungenen Einbeziehung von russischen Staatsbürgern, die mutmaßlich am Abschuss des Flugs MH17 der Malaysia Airlines beteiligt waren, in den Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und Russland;

29.

hebt hervor, dass eine politische Lösung für den Konflikt in der Ostukraine gefunden werden muss; fordert die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) auf, ihre Anstrengungen zur friedlichen Beilegung des Konflikts zu intensivieren, indem sie die Anstrengungen aller Seiten im Friedensprozess unterstützen sowie die vertrauensbildenden Maßnahmen verstärken und ein Mandat zur Entsendung einer friedenssichernden Mission der Vereinten Nationen im gesamten besetzten Territorium der Ukraine unterstützen; fordert, den Konfliktparteien im Rahmen der vollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen den Einsatz einer EU-geführten zivilen GSVP-Mission zur Unterstützung bei Aufgaben wie der Minenräumung, der Vorbereitung von Kommunalwahlen und der Sicherstellung des ungehinderten Zugangs für Hilfsorganisationen anzubieten, sobald die Lage dies gestattet; fordert die Organe der EU gleichzeitig auf, sich erforderlichenfalls auf eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland vorzubereiten, beispielsweise falls Russland seinen Verpflichtungen aus dem Minsker Protokoll — insbesondere im Bereich Sicherheit — nicht nachkommt;

30.

fordert die Ukraine nachdrücklich auf, ihren Verpflichtungen zur Reform staatlicher Ausfuhrkontrollen im Einklang mit den Anforderungen und Normen der EU sowie im Sinne der Umsetzung einer konsequenten und systematischen Sanktionspolitik nachzukommen; fordert den EAD und die Kommission auf, die Umsetzung von EU-Sanktionen besser zu überwachen und zu diesem Zweck unter anderem die Tätigkeit der staatlichen Einrichtungen in den Mitgliedstaaten, die für die Umsetzung der gemeinsamen EU-Regeln zuständig sind, besser zu beaufsichtigen;

31.

fordert den EAD auf, eine — durch den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) verkörperte — aktivere Funktion für die EU bei der friedlichen Beilegung des anhaltenden Kriegs in der Ostukraine auszuarbeiten, auch im Rahmen des Normandie-Formats; empfiehlt, die Ernennung eines EU-Sondergesandten für die Krim und das Donezbecken zu prüfen;

32.

bekräftigt seine Forderung nach einem internationalen Format unter aktiver Beteiligung der EU für Verhandlungen über die Beendigung der Besetzung der Halbinsel Krim; fordert den VP/HR, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, alle erforderliche Unterstützung zur Einrichtung einer internationalen Plattform für die Krim zu gewähren, auf der die Anstrengungen zur Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine koordiniert, formalisiert und systematisiert werden könnten; erachtet es als wichtig, den Medschlis des krimtatarischen Volkes als einziges international anerkanntes Vertretungsorgan der Krimtataren in die Aktivitäten dieser Plattform einzubeziehen;

33.

weist darauf hin, dass gemäß dem humanitären Völkerrecht inzwischen die Russische Föderation — als Besatzungsmacht — umfassend dafür verantwortlich ist, den Bedürfnissen der Bevölkerung der vorübergehend besetzten Halbinsel Krim, einschließlich ihrer Wasserversorgung, gerecht zu werden; weist ferner darauf hin, dass gemäß dem IV. Genfer Abkommen, dessen Vertragspartei Russland ist, die Einwohner eines besetzten Gebietes nicht zum Dienst in den bewaffneten Streitkräften oder Hilfskräften der Besatzungsmacht gezwungen werden dürfen;

34.

verurteilt die Russische Föderation wegen der Ansiedelung russischer Staatsangehöriger auf der besetzen Krim und in den Oblasten Donezk und Luhansk, um auf diese Weise das Zahlenverhältnis zwischen den Inhabern von russischen Pässen und Ukrainern zu verändern, wegen der fortgesetzten Ausstellung russischer Pässe an Bewohner der vorübergehend besetzten Gebiete der Ukraine, was gegen die Souveränität der Ukraine und die Ziele und Bestimmungen der Minsker Vereinbarungen verstößt, sowie wegen ihrer Versuche, am 13. September 2020 in der zur Ukraine gehörenden Autonomen Republik Krim Kommunalwahlen abzuhalten; stellt fest, dass die Wahl des Gouverneurs von Sewastopol sowie die Wahl von Vertretern für den sogenannten Staatsrat der „Republik Krim“, die sogenannte Gesetzgebende Versammlung der Stadt Simferopol und den sogenannten Rajonsrat des Rajons Rosdolne rechtswidrig und unter Verstoß gegen das Völkerrecht erfolgt sind; fordert die EU auf, Sanktionen gegen die Personen zu verhängen, die für die Organisation und Durchführung dieser Wahlen verantwortlich sind; bedauert das Vorgehen Russlands, junge Männer auf der besetzten Krim zum Wehrdienst in den russischen Streitkräften einzuziehen, von denen 85 % zur Ableistung des Dienstes in die Russische Föderation entsandt wurden; fordert Russland auf, die Rekrutierungen auf der Krim zu beenden und ihre Verpflichtungen im Rahmen der Genfer Abkommen umfassend einzuhalten;

35.

bringt seine umfassende Unterstützung für alle Anstrengungen zum Ausdruck, allen 298 Opfern des Abschusses des Flugs MH17 der Malaysia Airlines mit einer von Russland bereitgestellten Boden-Luft-Rakete und ihrer Angehörigen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, was das von der internationalen Gemeinschaft getragene Strafverfahren nach niederländischem Recht gegen vier Tatverdächtige und die beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen Russland eingereichte Klage umfasst; belobigt die Ukraine für ihre kontinuierliche Zusammenarbeit mit der gemeinsamen Ermittlungsgruppe (GEG), um die Wahrheit ans Licht zu bringen, die Tatverdächtigen zu identifizieren und vor Gericht zu bringen; verurteilt Russland dafür, dass es sich einseitig aus den mit Australien und den Niederlanden geführten trilateralen Konsultationen zur Wahrheitsfindung zurückgezogen hat; fordert Russland zur umfassenden Zusammenarbeit bei allen laufenden Anstrengungen auf, mit denen darauf abgezielt wird, sämtliche Einzelpersonen oder Organisationen, die am Abschuss des Flugs MH17 beteiligt waren, zur Rechenschaft zu ziehen; fordert Russland daher unter anderem auf, den mit Australien und den Niederlanden geführten Dialog zur Wahrheitsfindung wiederaufzunehmen, hinsichtlich der von den Niederlanden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereichten zwischenstaatlichen Klage seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen sowie Wolodymyr Zemach an die Niederlande auszuliefern; fordert Russland nachdrücklich auf, nicht länger Desinformationen hinsichtlich des Fluges MH17 zu verbreiten;

36.

fordert die Ukraine auf, die Zentralregierung der Republik Moldau bei ihren Anstrengungen zu unterstützen, gemäß dem Grundsatz der territorialen Integrität der Republik Moldau die Kontrolle über Transnistrien wiederzuerlangen;

37.

nimmt zur Kenntnis, dass im Juni 2018 das Gesetz über die nationale Sicherheit und im Jahr 2020 das Gesetz über die Beschaffung von Verteidigungsgütern und Geheimdienste angenommen wurden; fordert jedoch nachdrücklich, dass zusätzliche Rechtsvorschriften, mit denen die Zuständigkeiten des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU) eingeschränkt werden, verabschiedet werden, um ihn in einen reinen Dienst für Spionageabwehr und Terrorismusbekämpfung umzuwandeln, und dass eine parlamentarische Aufsicht über sämtliche Sicherheitsorgane eingerichtet wird;

Recht, Freiheit, Sicherheit und Korruptionsbekämpfung

38.

bekräftigt, dass greifbare Ergebnisse bei der Korruptionsbekämpfung von wesentlicher Bedeutung sind, um bei den Bürgerinnen und Bürgern einen hohen Grad an Unterstützung für die Reformen aufrechtzuerhalten, das Geschäftsumfeld zu verbessern und ausländische Direktinvestitionen anzuziehen; bestärkt die staatlichen Stellen der Ukraine darin, auf dem Weg der Reformen — insbesondere in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung — weiter voranzuschreiten und für die Unabhängigkeit und fortgesetzte Tätigkeit der zentralen auf Korruptionsbekämpfung spezialisierten Einrichtungen Sorge zu tragen; erklärt sich in diesem Zusammenhang erfreut darüber, dass die Nationale Agentur für Korruptionsprävention wieder eingerichtet wurde, dass im Januar 2020 neue Gesetze zur unrechtmäßigen Bereicherung und zu Hinweisgebern in Kraft getreten sind und dass im September 2019 das Oberste Antikorruptionsgericht seine Tätigkeit aufgenommen hat;

39.

ist jedoch besorgt über das Ergebnis des Urteils des Verfassungsgerichts vom 27. Oktober 2020, durch das ein Rechtsvakuum in der ukrainischen Struktur zur Korruptionsbekämpfung entstanden ist und die Nationale Agentur für Korruptionsprävention geschwächt wurde; erkennt die aktiven Bemühungen an, die von Präsident Selenskyj eingeleitet und von politischen Interessenträgern aufgegriffen wurden, um den Rechtsvorschriften wieder zur Geltung zu verhelfen und die Glaubwürdigkeit der ukrainischen Struktur zur Korruptionsbekämpfung wiederherzustellen; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine nachdrücklich auf, mit ihren Bemühungen fortzufahren, um eine uneingeschränkt funktionsfähige und wirksame institutionelle Gesamtstruktur wiederherzustellen, einschließlich der Judikative, und gleichzeitig die Unabhängigkeit der Judikative von Exekutive und Legislative zu wahren; betont, dass eine Nationale Agentur für Korruptionsprävention mit uneingeschränkter Befugnis in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung ist und dass das Urteil des Verfassungsgerichts nicht als Vorwand herangezogen werden sollte, um sie zu schwächen oder außer Gefecht zu setzen; äußert seine tiefe Besorgnis über die offensichtlichen Versuche von Interessengruppen, die Erfolge des Landes bei der Bekämpfung von Korruption und den demokratischen Reformen insgesamt zu untergraben, insbesondere da ukrainische Oligarchen politische Macht zurückgewonnen haben, was dazu beigetragen hat, dass die reformorientierte Mehrheit in der Werchowna Rada geschwächt wurde, wie dies auch in den Schwierigkeiten zum Ausdruck kam, die auftraten, als die Gesetzeslücke nach dem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts vom 27. Oktober 2020 geschlossen werden sollte; fordert alle politischen Akteure nachdrücklich auf, sich erneut zu ihrem Engagement für die Reformen, die die ukrainischen Wähler eingefordert haben, zu bekennen, die wesentlich sind, um die Rechtsstaatlichkeit zu stärken, die Korruption auszumerzen und ein größeres Maß an Wohlstand für die Bevölkerung der Ukraine zu generieren;

40.

erachtet es als sehr wichtig, die Unabhängigkeit des Obersten Antikorruptionsgerichts und anderer Einrichtungen zur Korruptionsbekämpfung sicherzustellen, und fordert, dass im Rahmen der Tätigkeiten der Einrichtungen zur Korruptionsbekämpfung eine unvoreingenommene und unparteiische Herangehensweise gewählt wird, um das Vertrauen in und die öffentliche Unterstützung für die Korruptionsbekämpfung zu sichern; stellt fest, dass die ersten Urteile des Obersten Antikorruptionsgerichts ergangen sind und dass das Gericht im Einklang mit hohen berufsständischen Normen handelt; fordert jedoch, die Tätigkeit des Obersten Antikorruptionsgerichts zu intensivieren, um die Verurteilungsquote — auch in Fällen hochrangiger Personen — zu steigern;

41.

ist erfreut über die Arbeit des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine (NABU), das wohl die wirksamste Korruptionsbekämpfungseinrichtung des Landes ist; betont ferner, dass die Unabhängigkeit des NABU gestärkt werden muss; fordert daher nachdrücklich, dass das Gesetz über das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU) mit der Verfassung und mit dem jüngst ergangenen Urteil des Verfassungsgerichts in Einklang gebracht wird, und dass für die Leitungsfunktionen des NABU und der Sonderstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung sowie des Staatlichen Untersuchungsbüros der Ukraine ein transparentes, entpolitisiertes und leistungsabhängiges Auswahlverfahren, einschließlich einer glaubwürdigen Überprüfung der Integrität, angewandt wird;

42.

bedauert, dass Mitglieder der Werchowna Rada den Versuch unternommen haben, die Einrichtungen zur Korruptionsbekämpfung anzugreifen und zu schwächen sowie insbesondere den Direktor des NABU zu entlassen, und bedauert das undurchsichtige Auswahlverfahren für den Direktor der Sonderstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung; stellt fest, dass Mitglieder nichtstaatlicher Organisationen und Journalisten, die Korruption aufdecken und anprangern, mangelhaft geschützt sind, und fordert die wirksame Umsetzung des neuen Gesetzes zum Schutz von Hinweisgebern, das im Januar 2020 in Kraft getreten ist;

43.

begrüßt, dass der Entwurf für eine Strategie zur Bekämpfung der Korruption für den Zeitraum 2020–2024 veröffentlicht wurde, und erwartet, dass die Werchowna Rada diese umfassende Strategie in Kürze unter Beibehaltung aller entscheidenden Elemente des Entwurfs annehmen wird; stellt fest, dass sich die Einrichtungen zur Korruptionsbekämpfung Druck und Sabotage in vielfältiger Form ausgesetzt sehen und betrachtet dies als Beleg dafür, dass die Bekämpfung der Korruption zunehmend wirksam und erfolgreich ist; hebt nachdrücklich hervor, dass die Einrichtungen zur Korruptionsbekämpfung — Nationales Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU), Sonderstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung und Oberstes Antikorruptionsgericht — auch künftig unabhängig, wirksam und mit angemessenen Ressourcen ausgestattet sein müssen; erklärt sich sehr erfreut darüber, dass im Dezember 2019 das Geldwäschebekämpfungsgesetz angenommen wurde, durch das für mehr Transparenz hinsichtlich des Eigentums an Unternehmen in der Ukraine gesorgt wird und das eine erhebliche Verbesserung des einschlägigen Rechtsrahmens darstellt;

44.

äußerst sich zutiefst besorgt über den hohen Grad an systematischem politischem Druck und die Einschüchterungsversuche, denen sich der Vorsitzende der Nationalbank der Ukraine — leider nicht zum ersten Mal — ausgesetzt sieht und die zu seinem Rücktritt im Juli 2020 geführt haben; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine nachdrücklich auf, sich jeglichen politischen Drucks auf unabhängige Einrichtungen des Wirtschaftslebens und Strafverfolgungsorgane zu enthalten und dafür Sorge zu tragen, dass die Unabhängigkeit der genannten Einrichtungen und Organe gewahrt ist, da dies die Gewähr für das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes und für gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Wirtschaftsakteure bietet;

45.

bedauert, dass die Justiz nach wie vor eine der Institutionen in der Ukraine ist, der am wenigsten Vertrauen entgegengebracht wird, und ist zutiefst besorgt über ihren Zustand seit der Reform vom Oktober 2019, die zur Auflösung und Neueinsetzung der Obersten Qualifizierungskommission der Richter führte und zur Folge hatte, dass das Verfahren zur Neubewertung und Anstellung von Richtern zum Erliegen gekommen ist, während rund 2 000 Richterstellen unbesetzt sind; bedauert, dass die Oberste Qualifizierungskommission der Richter in der Vergangenheit die Stellungnahmen des Rates für Integrität in öffentlichen Ämtern bei ihrer Neubewertung von Richtern nicht berücksichtigte, und fordert sie nachdrücklich auf, dies künftig zu tun, sodass die vakanten Stellen bei den Gerichten niedrigerer Instanzen in vollständiger Übereinstimmung mit der Stellungnahme Nr. 969/2019 der Venedig-Kommission mit Richtern besetzt werden können, die den Ethik- und Integritätsstandards genügen; besteht auf einer baldigen Wiedereinsetzung der Obersten Qualifizierungskommission der Richter auf der Grundlage einer Änderung des Gesetzes Nr. 3711 im Einklang mit dem Beschluss Nr. 4-p/2020 des ukrainischen Verfassungsgerichts vom 11. März 2020, damit eine unabhängige Oberste Qualifizierungskommission der Richter auf der Grundlage eines transparenten Auswahlverfahrens unter Beteiligung internationaler Experten eingerichtet werden kann; ist der Ansicht, dass eine gestärkte Oberste Qualifizierungskommission der Richter in der Lage sein sollte, die Auswahl neuer und die Bestätigung amtierender Richter gemäß den von der Qualifizierungskommission selbst im Einklang mit ihrem Mandat festgelegten Regeln und Verfahren wirksam durchzuführen; beharrt nachdrücklich auf einer Integritätsprüfung des nicht reformierten Obersten Justizrates; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine eindringlich auf, die Justizreform fortzusetzen und zu beschleunigen, um zu verhindern, dass die Tätigkeit der neu eingerichteten Korruptionsbekämpfungseinrichtungen geschwächt wird, von politisch motivierten Gerichtsverfahren und der Instrumentalisierung der Justiz gegen politische Gegner abzusehen und den Rechtsrahmen für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu vervollständigen;

46.

fordert die Kommission auf, bestehende Instrumente im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und der verantwortungsvollen Staatsführung weiterzuentwickeln — wobei insbesondere das EU-Justizbarometer und der Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit zu nennen sind — und neue Instrumente auszuarbeiten, um die Fortschritte der Ukraine zu überwachen und zu bewerten, damit eine engmaschige Überwachung der laufenden Reformen sichergestellt wird und etwaige Mängel bei diesen Reformen ordnungsgemäß erkannt und behoben werden;

47.

begrüßt die im September 2019 eingeleitete Reform der Generalstaatsanwaltschaft und fordert, dass die Bestätigung der Staatsanwälte abgeschlossen wird, wobei sicherzustellen ist, dass die neuen Staatsanwälte auf allen Ebenen in einem transparenten und politisch unparteiischen Verfahren ausgewählt werden; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine auf, die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu verstärken und den Rechtsrahmen und die Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den zuständigen Strafverfolgungsorganen zu verbessern;

48.

fordert die staatlichen Stellen der Ukraine mit Nachdruck auf, von ihren früheren schlechten Praktiken Abstand zu nehmen, politisch motivierte Gerichtsverfahren durchzuführen; betont in diesem Zusammenhang, dass Meinungsverschiedenheiten bei politischen Themen in den zuständigen politischen Foren und nicht im Rahmen der Justiz behandelt werden sollten;

49.

ist besorgt darüber, dass die Ukraine von der Kommission als vorrangiges Land der „Kategorie 2“ aufgeführt ist, was bedeutet, dass die Rechte des geistigen Eigentums nicht hinreichend geschützt und durchgesetzt werden; betont, dass die Zollkontrollen und -infrastruktur verstärkt werden müssen, um der Ein- und Durchfuhr von gefälschten Produkten in bzw. durch die Ukraine besser vorzubeugen; fordert die Kommission auf, die Ukraine bei der Ausarbeitung neuer Gesetzesentwürfe im Zusammenhang mit den Rechten des geistigen Eigentums auch künftig zu unterstützen;

50.

fordert die ukrainische Regierung auf, die von Angehörigen der ukrainischen Polizeikräfte gegenüber Aktivisten während der Euromajdan-Proteste begangenen Straftaten weiter zu untersuchen und den Opfern und ihren Familien rasch Gerechtigkeit widerfahren zu lassen;

51.

fordert die Ukraine nachdrücklich auf, das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs und das Übereinkommen von Istanbul zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu ratifizieren;

52.

begrüßt die Änderungen am ukrainischen Strafgesetzbuch, mit denen Vergewaltigung und sexuelle Gewalt mittels nicht erteilter Zustimmung definiert werden, und fordert nachdrücklich, rasch eine Methodik zur Untersuchung von Straftaten im Bereich der sexuellen Gewalt auszuarbeiten; bringt sein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass es im Jahr 2019 in Ermangelung einer solchen Methodik zu keiner einzigen strafrechtlichen Verfolgung von Vergewaltigung oder sexueller Gewalt im Sinne nicht erteilter Zustimmung gekommen ist;

Menschenrechte und Grundfreiheiten

53.

verurteilt in aller Schärfe die umfangreichen und anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte und der Grundfreiheiten, etwa der Freiheit der Meinungsäußerung, der Religion oder der Weltanschauung und der Vereinigung sowie des Rechts auf friedliche Versammlung, durch die russische Besatzungsmacht auf der derzeit besetzten Krim und durch die von Russland unterstützten bewaffneten Gruppen in den nicht unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten des Donezbeckens, darunter Zwangsrekrutierungen, Deportationen, die illegale und erzwungene Ausstellung von Pässen, die Einschränkung von Bildungs- und Sprachrechten, willkürliche Festnahmen, Folter und sonstige schwere Haftbedingungen sowie restriktive Maßnahmen wie die einseitige Schließung von Übergangsstellen und die Verweigerung des Zugangs für die Vereinten Nationen und für humanitäre Missionen, was angesichts der derzeitigen Pandemie besonders besorgniserregend ist;

54.

weist erneut darauf hin, dass durch den Krieg in der Ostukraine das Leben und das Wohlergehen von Zivilisten unverändert bedroht ist, und stellt fest, dass der Rückgang der Feindseligkeiten im Zuge der am 27. Juli 2020 in Kraft getretenen Waffenruhe dazu beigetragen hat, dass die Anzahl der Sicherheitsvorfälle um 53 % abgenommen hat und die Zahl der zivilen Opfer gesunken ist; begrüßt, dass das Programm „EU4ResilientRegions“ eingerichtet wurde, das mit Finanzmitteln im Umfang von 30 Mio. EUR ausgestattet ist und darauf abzielt, die Widerstandsfähigkeit der östlichen und südlichen Ukraine gegenüber den negativen Auswirkungen des anhaltenden Konflikts zu stärken, auch was hybride Bedrohungen und sonstige destabilisierende Faktoren betrifft;

55.

ist — insbesondere vor dem Hintergrund der derzeitigen COVID-19-Notlage — jedoch äußerst besorgt über die sich verschlechternde humanitäre Lage in den östlichen Gebieten, die derzeit nicht unter der Kontrolle der Regierung der Ukraine stehen; fordert die lokalen De-facto-Organe nachdrücklich dazu auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die grundlegenden Bedürfnisse der Bevölkerung, einschließlich des Zugangs zu hochwertigen Gesundheitseinrichtungen und hochwertiger medizinischer Behandlung, erfüllt werden können, und zu diesem Zweck umfassend mit der rechtmäßigen Regierung der Ukraine zusammenzuarbeiten;

56.

hebt hervor, dass in der Ostukraine mehr als 3,5 Millionen Menschen auf beiden Seiten der Kontaktlinie nach wie vor auf humanitäre Hilfe und humanitären Schutz angewiesen sind und unter Unterbrechungen der Wasserversorgung und Stromausfällen zu leiden haben; stellt fest, dass sich die Herausforderungen, mit denen sich diese Menschen konfrontiert sehen, durch die derzeitige COVID-19-Pandemie verschärft haben; fordert die Kommission auf, ihre Anstrengungen in Abstimmung mit den Gremien der Vereinten Nationen zu intensivieren, um während dieser humanitären Krise entsprechend der Vorausschau auf den humanitären Bedarf Unterstützung zu leisten;

57.

bedauert die sich seit Beginn der Besatzung verschlechternde Menschenrechtslage auf der Krim, da Russland die Versammlungsfreiheit, die Meinungsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit, den Zugang zu Informationen sowie die Religionsfreiheit zu Anfang der Besatzung drastisch eingeschränkt hat; bedauert die diskriminierenden Maßnahmen der selbsternannten russischen Organe, die sich insbesondere gegen die ethnische Minderheit der Krimtataren richten, die Verletzung ihrer Eigentumsrechte, die zunehmende Einschüchterung dieser Bevölkerungsgruppe und aller Menschen, die sich der rechtswidrigen Annexion widersetzen, durch Zwangsrekrutierung, Verfolgung, Durchsuchungen, Inhaftierungen und Fälle von Verschwindenlassen sowie die — wie bereits erwähnt — mangelnde Meinungs-, Vereinigungs- und Bewegungsfreiheit auf der Halbinsel; fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller auf der Halbinsel Krim und in Russland rechtswidrig festgehaltenen und inhaftierten ukrainischen Staatsbürger, einschließlich Aktivisten der Krimtataren; fordert Russland darüber hinaus auf, an Krimtataren begangene Gräueltaten zu untersuchen sowie das Recht der Krimtataren, Ukrainer und aller ethnischen und religiösen Gemeinschaften auf Pflege und Entfaltung ihrer eigenen Kultur, ihrer eigenen Traditionen, ihres eigenen Bildungswesens und ihrer eigenen Identität zu gewährleisten und zu schützen,

58.

bringt sein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass es in der Ukraine rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene gibt, womit das Land bei der Anzahl der Binnenvertriebenen weltweit auf Platz neun liegt; stellt fest, dass die Hauptverantwortung dafür bei der Russischen Föderation und ihren Statthaltern liegt; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine auf, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um das Leid der von dem Konflikt betroffenen Menschen zu lindern, und Maßnahmen zum Schutz der Rechte von Binnenvertriebenen umzusetzen; fordert die Ukraine auf, den Binnenvertriebenen umfassende bürgerliche und politische Rechte zu gewähren sowie die internationalen Normen hinsichtlich der Behandlung von Binnenvertriebenen einzuhalten; erachtet es als sehr wichtig, die ukrainischen Bürgerrechte in den vorübergehend besetzten Gebieten zu schützen und zu garantieren, auch indem die Verfahren für den Erhalt von Renten vereinfacht und Geburtsurkunden für Kinder ausgestellt werden, sodass das Risiko umgangen wird, dass diese staatenlos werden und gefährdet sind;

59.

fordert die OSZE-Sonderbeobachtermission auf, ihr Mandat wahrzunehmen und einen regelmäßigen Austausch mit Opfern und Zeugen von Verfolgung, Rechtsanwälten, nichtstaatlichen Organisationen und Medienvertretern durchzuführen, zumal dies ein weiteres Mittel darstellt, um die Lage in den derzeit besetzten Gebieten auf der Krim und im Osten der Ukraine zu bewerten; fordert den EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte auf, die Menschenrechtslage auf der Halbinsel Krim und in den Gebieten der Ostukraine, die nicht unter der Kontrolle der Regierung stehen, ununterbrochen aufmerksam zu beobachten;

60.

stellt fest, dass der auf fünf Jahre angelegte Aktionsplan für die Umsetzung der Nationalen Menschenrechtsstrategie der Ukraine im Jahr 2020 ausläuft, und fordert eine gründliche Prüfung der wichtigsten damit erzielten Erfolge, bevor Ziele für den anschließenden Aktionsplan festgelegt werden; achtet genau darauf, welche Unterstützung die ukrainische Regierung dem krimtatarischen Volk gewährt, und zeigt sich besorgt über die mangelnde Finanzierung im Entwurf des Haushaltsplans 2021, der im September 2020 in der Werchowna Rada für das Programm zur Neuansiedlung und Betreuung von Krimtataren und Personen anderer Nationalitäten eingebracht wurde, die aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine deportiert wurden; fordert die Ukraine auf, die Gesetze zu den autochthonen Völkern der Ukraine, den Status des autochthonen Volkes der Krimtataren und der Änderung der Verfassung des Landes zu verabschieden, um die nationale und territoriale Autonomie des Volkes der Krimtataren innerhalb der Ukraine und insbesondere auf der Krim anzuerkennen, die durch das unveräußerliche Recht des autochthonen Volkes der Krimtataren auf Selbstbestimmung begründet ist; betont, dass die staatlichen Stellen der Ukraine die Probleme des einzigen Fernsehkanals in krimtatarischer Sprache — ATR — beheben und einen stabilen Mechanismus für seine finanzielle und technische Unterstützung bereitstellen müssen, damit der Fernsehkanal sein Programm so ausstrahlen kann, dass es auf der von Russland besetzten Krim empfangen werden kann; begrüßt die Initiative der Ukraine zur Ausarbeitung einer Strategie für die Weiterentwicklung und Verbreitung der krimtatarischen Sprache für den Zeitraum bis 2032;

61.

fordert den EAD und die Kommission auf, die globale Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte (eine EU-Rechtsvorschrift nach dem Vorbild des Magnitski-Rechtsakts) rasch einsatzfähig zu machen und durchzusetzen, damit Sanktionen gegen Einzelpersonen und Unternehmen verhängt werden können, die an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt, wobei der Lage in den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine auf der Krim und in Teilen der Regionen Donezk und Luhansk besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, und Sanktionen gegen diejenigen verhängt werden, die für anderweitige Verbrechen, darunter Korruption, verantwortlich sind; fordert die Ukraine auf, diesem Beispiel zu folgen und ebenfalls einen derartigen Rechtsakt zu erlassen;

62.

nimmt das Gesetz über die Unterstützung der Funktion der ukrainischen Sprache als Staatssprache zur Kenntnis und fordert die staatlichen Stellen der Ukraine auf, das Gesetz in vollständigem Einklang mit den internationalen Verpflichtungen des Landes und gemäß den Empfehlungen in der Stellungnahme Nr. 960/2019 der Venedig-Kommission umzusetzen, d. h. das Recht von Gemeinschaften auf Pflege und umfassenden Gebrauch ihrer eigenen Sprache zu achten und dabei mit größtmöglicher Rücksicht und Ausgewogenheit gegenüber nationalen Minderheiten, ihren Sprachen und ihrem Recht auf Bildung vorzugehen;

63.

fordert die Ukraine auf, dem Kommissar für den Schutz der Amtssprache oder einer zu diesem Zweck geschaffenen Einrichtung die Befugnis zu erteilen, die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen über den Gebrauch von Minderheitensprachen und über autochthone Völker zu überwachen;

64.

tritt für die Glaubensfreiheit, die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung ein und erachtet es als besonders wichtig, für alle nationalen, ethnischen und sprachlichen Minderheiten einen gleichberechtigten Zugang zu Informationen sicherzustellen, da es sich hierbei um entscheidende Elemente einer jeden Demokratie handelt; verurteilt Hetze und Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit oder Sprache sowie Falschmeldungen und Fehlinformationen, die sich gegen nationale, ethnische und sprachliche Minderheiten richten;

65.

stellt fest, dass Maßnahmen erforderlich sind, um die Strukturen zum Schutz der Minderheitenrechte zu stärken und um Vertrauen aufzubauen, dass de jure und de facto für den Schutz der Minderheitenrechte Sorge getragen wird; weist darauf hin, dass derartige Maßnahmen die Stärkung des Rechtsschutzes, eine größere Aufmerksamkeit für die Probleme von Minderheiten durch Institutionen und die Einrichtung von robusten und dauerhaften Konsultationsmechanismen umfassen sollten; äußerst sich besorgt darüber, dass die staatlichen Stellen der Ukraine nur unzureichende Maßnahmen ergreifen, um gegen Diskriminierung und Hetze vorzugehen, denen sich Minderheiten — insbesondere die Roma-Gemeinschaft — ausgesetzt sehen, die Opfer von Diskriminierung, rassistisch motivierter Gewalt und anderen Erscheinungsformen von Intoleranz geworden sind; fordert die Ukraine auf, das Gedenken an die Opfer des Holocaust zu stärken, indem das Land der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken („International Holocaust Remembrance Alliance“ — IHRA) beitritt und die Definition des Begriffs „Antisemitismus“ von der IHRA übernimmt und anwendet; fordert die Ukraine überdies auf, den Opfern des Totalitarismus auch künftig zu gedenken; fordert die Kommission auf, die Ukraine zur Teilnahme am Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ einzuladen;

66.

begrüßt die Arbeit der europäischen politischen Stiftungen, die sich darum bemühen, die nächste Generation von politischen Führungskräften in der Ukraine zu fördern;

67.

fordert, den Dialog und die Zusammenarbeit mit Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie mit Organisationen zu intensivieren, die in Bereichen wie Friedenskonsolidierung und Aussöhnung tätig sind, wodurch das Vertrauen in eine gerechte und freie Gesellschaft und in das Bildungswesen, die Gesundheitsversorgung und grundlegende Sozialleistungen gestärkt wird;

Medienlandschaft

68.

nimmt die laufenden Reformbemühungen im Bereich der Medien zur Kenntnis; betont, dass mit der Reform insbesondere die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Rechenschaftspflicht der Regulierungsbehörde, die Transparenz der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich und die Chancengleichheit für Medien durch einen fairen Wettbewerb auf dem Markt sichergestellt werden sollte; äußert sich besorgt über Pläne, der Regulierungsbehörde neue und umfassende Kompetenzen zu übertragen, durch die die Medienfreiheit und der Inhalt von Online- und Printmedien beeinträchtigt werden könnten; betont in Bezug auf den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Desinformationen, dass der derzeitige Entwurf zu weitreichenden staatlichen Eingriffen in Medieninhalte und in die journalistische Tätigkeit auf Kosten der Medienfreiheit führen könnte und Desinformationen nicht effizient entgegenwirkt; fordert nachdrücklich, dass eine umfassendere Konsultation der Mediengemeinschaft und der einschlägigen internationalen Organisationen durchgeführt wird, um Risiken für die Meinungsfreiheit abzuwenden;

69.

stellt besorgt fest, dass der Fernsehmarkt in der Ukraine zwar pluralistisch ist, aber nach wie vor durch den übermäßigen Einfluss von Oligarchen gekennzeichnet ist; fordert die Ukraine auf, freie und unabhängige Medien zu fördern und den Medienpluralismus zu stärken; betont, dass ein tragfähiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk, eine unabhängige Medienaufsicht und die Zivilgesellschaft wichtig sind, wenn es darum geht, Widerstandsfähigkeit gegenüber Desinformationen und weiteren destabilisierenden Faktoren aufzubauen; fordert die Werchowna Rada und die Regierung auf, an den Verpflichtungen des Staates gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk festzuhalten und die finanzielle und politische Unterstützung für seine weitere Modernisierung und Unabhängigkeit und seine Fähigkeit zu Investigativjournalismus zu sichern;

70.

bekräftigt, dass die EU die Ukraine auch künftig dabei unterstützen muss, hybride Bedrohungen abzuwehren und gegen Desinformationen und Falschmeldungen vorzugehen, unter anderem durch die Stärkung unabhängiger Medien und der strategischen Kommunikation im Bereich der Medienkompetenz, um die Widerstandsfähigkeit der Ukraine zu erhöhen; begrüßt die angekündigte Einleitung des Cyberdialogs zwischen der EU und der Ukraine;

71.

ist besorgt über das sich verschlechternde Arbeitsumfeld für Medienvertreter, wovon Investigativjournalisten betroffen sind, die über Korruptions- und Betrugsfälle berichten; missbilligt Handlungen aller Art, die darauf abzielen, die Arbeit von Journalisten einzuschränken, wozu beispielsweise die Einschränkung des Zugangs zu Informationen, strafrechtliche Ermittlungen, Druck zur Preisgabe von Quellen und Hetze — insbesondere die Hetze gegen unabhängige Medien — zählen; ist besorgt darüber, dass Mitglieder der Werchowna Rada laut einer unlängst von ukrainischen Investigativjournalismusplattformen durchgeführten Analyse auf gezielte Desinformationskampagnen hereingefallen sind oder sogar vorsätzlich zu ihrer Verbreitung beigetragen haben;

72.

bedauert die zahlreichen Übergriffe auf Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft, die im Zeitraum 2017–2019 zu verzeichnen waren; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine auf, die Täter strafrechtlich zu verfolgen und für die Sicherheit von Medienschaffenden und Journalisten zu sorgen, und fordert die staatlichen Stellen der Ukraine eindringlich auf, bei der Regulierung der Medien einen verhältnismäßigen Ansatz zu verfolgen;

73.

bedauert, dass sich das politische Klima im Land verschlechtert hat, wobei Einschüchterung, Hetze und politischer Druck häufig für politische Zwecke genutzt werden; fordert die staatlichen Stellen nachdrücklich auf, extremistische und Hass schürende Gruppen und Websites wie „Myrotvorets“, die für Spannungen in der Gesellschaft sorgen und personenbezogene Daten von Hunderten von Menschen, darunter Journalisten, Politiker und Angehörige von Minderheitengruppen, missbrauchen, scharf zu verurteilen und ihre Tätigkeit zu verbieten;

74.

fordert nachdrücklich die Entwicklung einer demokratischen, unabhängigen, pluralistischen und ausgewogenen Medienlandschaft in der Ukraine, in der der politisch motivierten Verfolgung von Medienkanälen, einschließlich des Widerrufs von Lizenzen, ein Ende gesetzt und der Schutz von Journalisten vor Ort, Meinungsbildnern und Andersdenkenden vor Bedrohung und Einschüchterung sichergestellt wird, ein diskriminierungsfreier Zugang zu Online- und Offline-Informationen und eine sinnvolle Bürgerbeteiligung ermöglicht wird und die Menschenrechte und Bürgerrechte geschützt und gewährleistet werden; hebt hervor, dass Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Rechtsanwälte ihrer Arbeit unabhängig und ohne ungebührliche Einmischung und Einschüchterung nachgehen können sollten; begrüßt die Arbeit der ukrainischen Menschenrechtsorganisationen und des Staatsanwalts der Krim, der vorübergehend vom ukrainischen Festland aus arbeitet und Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen die Menschenrechte protokolliert; betont, dass alle Menschenrechtsverletzungen untersucht und die Täter vor Gericht gestellt werden müssen;

Gleichstellung der Geschlechter und Rechte von LGBTI

75.

betont, dass die Gleichstellung der Geschlechter eine wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige und alle Menschen einbeziehende Entwicklung ist; fordert die Regierung und die staatlichen Stellen der Ukraine dringend auf, Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Vertretung und Gleichbehandlung von Frauen auf allen Ebenen des politischen und gesellschaftlichen Lebens umzusetzen und geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen; fordert die Kommission und den EAD auf, die Gleichstellung der Geschlechter bei all ihren Maßnahmen, ihrer finanziellen Unterstützung sowie ihren Programmen und Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ukraine durchgängig zu berücksichtigen, insbesondere wenn die durch die COVID-19-Pandemie verursachten negativen Auswirkungen abgeschwächt werden sollen, da Frauen, etwa Unternehmerinnen, mit am stärksten von den strengen Ausgangsbeschränkungen betroffen sind;

76.

verurteilt gewalttätige Übergriffe und Hasskriminalität gegen LGBTI-Personen und fordert die ukrainischen Strafverfolgungsorgane dazu auf, derartige Übergriffe tatsächlich zu untersuchen; fordert die Ukraine nachdrücklich auf, umfassende sekundäre Rechtsvorschriften zu erlassen und wirksam umzusetzen, mit denen die Religionsfreiheit gewahrt und der anhaltenden Diskriminierung von LGBTI-Personen, feministischen Aktivisten, Menschen mit Behinderungen und Minderheiten entgegengetreten wird, und den Schutz der Rechte der genannten Personen zu stärken; fordert die ukrainische Regierung und alle politischen Akteure auf, sich um die Schaffung einer inklusionsgeprägten und toleranten Gesellschaft zu bemühen;

77.

bedauert, dass in Artikel 161 des Strafgesetzbuchs nach wie vor keine Strafbarkeit der Aufstachelung zu Hass oder Gewalt aufgrund der sexuellen Ausrichtung oder Geschlechteridentität vorgesehen ist und dass die genannten Gründe weder als erschwerende Umstände bei Straftaten erwähnt noch in den allgemeinen Bestimmungen zu erschwerenden Umständen gemäß Artikel 67 Absatz 1 Ziffer 3 aufgeführt werden; weist erneut darauf hin, dass im Aktionsplan der Regierung zur Umsetzung der Nationalen Menschenrechtsstrategie vorgesehen war, die Beweggründe „sexuelle Ausrichtung des Opfers“ sowie „Geschlechteridentität des Opfers“ als erschwerende Umstände in Artikel 67 des Strafgesetzbuchs aufzunehmen; weist erneut auf die Empfehlungen der ECRI hin und fordert die Ukraine auf, das Strafgesetzbuch entsprechend zu ändern;

Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit, öffentliche Gesundheit, Beschäftigung und Soziales, Mobilität der Arbeitnehmer

78.

hebt hervor, dass die Ukraine ein wichtiger geopolitischer und geostrategischer Partner sowie ein wichtiger Handelspartner für die Union ist; begrüßt, dass die Handelsströme zwischen der EU und der Ukraine deutlich zugenommen haben, weshalb die Union derzeit der größte Handelspartner der Ukraine ist; bedauert jedoch den relativ geringen Umfang der ausländischen Direktinvestitionen, die in das Land fließen;

79.

begrüßt die anhaltend positiven Ergebnisse, die im Rahmen der bilateralen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen im Jahr 2019 erzielt wurden — die ukrainischen Einfuhren sind um 12,3 % und die Ausfuhren um 9,7 % gestiegen und belaufen sich damit auf insgesamt 43,3 Mrd. EUR; hebt hervor, dass der Handel zwischen der EU und der Ukraine einen Anstieg um 49 % verzeichnet hat und dass auf die EU, die nach wie vor der wichtigste Handelspartner der Ukraine ist, im Jahr 2019 40 % des Handelsvolumens entfielen, während die Ukraine als Handelspartner der EU an achtzehnter Stelle steht und 1,1 % des gesamten Handels der EU auf sie entfällt; stellt fest, dass das Handelsdefizit der Ukraine gegenüber der EU auf 5,1 Mrd. EUR angestiegen ist;

80.

hält beide Seiten dazu an, die Zusammenarbeit auf bilateraler Ebene und in internationalen Foren im Hinblick auf die Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit COVID-19 zu intensivieren, insbesondere indem die Lieferketten resilienter und diversifizierter gestaltet werden und gemeinsam gegen protektionistische Tendenzen vorgegangen wird; stellt fest, dass durch die Zielsetzung der EU, eine offene strategische Autonomie zu erreichen, Möglichkeiten für eine noch engere Zusammenarbeit mit ihren Nachbarländern geschaffen werden könnten;

81.

bestärkt die Kommission darin, die Ukraine dabei zu unterstützen, die Bereiche zu ermitteln, in denen die Diversifizierung der Wirtschaft weiter vorangetrieben werden könnte, und diesen Bereichen bei der vollständigen Umsetzung des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens Vorrang einzuräumen;

82.

bekräftigt, dass die schrittweise Integration der Ukraine in den EU-Binnenmarkt, wie sie im Assoziierungsabkommen vorgesehen ist, eines der Hauptziele der Assoziierung darstellt, und unterstützt in diesem Zusammenhang die Schaffung der Voraussetzungen für verstärkte Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der Ukraine und der EU sowie einen umfassenderen Prozess der Rechtsangleichung, der von der vollständigen Umsetzung des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens und der Einhaltung der einschlägigen rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Vorschriften und Normen abhängt;

83.

stellt fest, dass eine Reihe von Reformen eingeführt wurde, die zu einer Deregulierung der Wirtschaft, einer größeren Transparenz der öffentlichen Finanzen und einer Verbesserung der Vorschriften in den Bereichen Konzessionen und öffentlich-private Partnerschaften führen und sowohl einheimischen als auch ausländischen Investoren neue Möglichkeiten bieten;

84.

stellt jedoch fest, dass bei den Maßnahmen zur Beseitigung der oligarchischen Strukturen im Land keine merklichen Erfolge erzielt wurden, zumal Oligarchen nach wie vor einen starken Einfluss auf die ukrainische Wirtschaft und Politik ausüben, wobei insbesondere die Eigentumsverhältnisse im Medienbereich sowie die Einflussnahme auf Justiz und Strafverfolgung zu nennen sind; ist der Ansicht, dass sich die Festlegung von klaren und für alle gleichen Regeln in Wirtschaft und Politik als wirksame Methode erweisen kann, um den hinter den Kulissen wirksamen Einfluss einer kleinen Gruppe sehr reicher Unternehmer auf die Abläufe im Staat, darunter auf die Gesetzgebung, zu verringern, und fordert die staatlichen Stellen der Ukraine daher auf, den Prozess der Entoligarchisierung voranzutreiben;

85.

bedauert überdies die Zunahme staatseigener Unternehmen und fordert die Ukraine nachdrücklich auf, die Privatisierung staatseigener Unternehmen weiter voranzutreiben, um das Funktionieren ihrer Volkswirtschaft zu modernisieren und zu verbessern und die Oligarchisierung zu unterbinden; hebt hervor, dass sich die Ukraine erneut dazu verpflichten muss, gegen Einflussnahme durch Partikularinteressen vorzugehen, durch die — sollte sie vernachlässigt werden — die bisherige Bilanz der Reformen und der Unterstützungsmaßnahmen der Ukraine insgesamt erheblich gefährdet werden könnte;

86.

fordert die Ukraine und die EU auf, die Zusammenarbeit bei der weiteren Liberalisierung des bilateralen Handels, darunter beim Abschluss des Abkommens über die Konformitätsbewertung und die Anerkennung gewerblicher Produkte, sowie die Zusammenarbeit bei gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen und im Zollwesen zu verstärken; fordert ferner eine verstärkte branchenspezifische Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine in den Bereichen Bildung und Forschung, Innovation, IKT und Digitalisierung sowie bei umweltfreundlichen Technologien, um Know-how und bewährte Verfahren auszutauschen; fordert darüber hinaus eine verstärkte Zusammenarbeit und die schrittweise differenzierte branchenspezifische Integration der Ukraine in die Energieunion, die Verkehrsgemeinschaft und den digitalen Binnenmarkt sowie in andere Bereiche;

87.

fordert die staatlichen Stellen der Ukraine auf, den Luftverkehrsmarkt des Landes für Unternehmen aus der Union, auch für Billigfluggesellschaften, zu öffnen, und unterstützt die Unterzeichnung des Übereinkommens über die Schaffung eines gemeinsamen Luftverkehrsraums zum frühesten möglichen Zeitpunkt;

88.

begrüßt die Fortschritte bei der Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und der EU im digitalen Bereich und fordert eine weitere Vertiefung dieser Zusammenarbeit mit dem Ziel, sich gegenseitig eine Binnenmarktbehandlung zuzuerkennen, auch in anderen Bereichen von beiderseitigem Interesse; erachtet die Schritte als wichtig, die mit Blick auf den digitalen Wandel und elektronische Behördendienste unternommen wurden, und hält die Fortschritte für bedeutsam, die bei der Angleichung der ukrainischen Rechtsvorschriften über elektronische Vertrauensdiensten und die elektronische Kommunikation an jene der EU erzielt wurden; fordert die Kommission auf, die Bemühungen der Ukraine um Medien- und Informationskompetenz, elektronische Behördendienste und digitale Wirtschaft weiter zu unterstützen, um dem derzeitigen digitalen Zeitalter und der allmählichen Integration in den digitalen Binnenmarkt der EU Rechnung zu tragen, und Möglichkeiten zur Senkung der Roaminggebühren zwischen der EU und der Ukraine zu prüfen; begrüßt in diesem Zusammenhang das neue Programm der EU mit einem Umfang von 25 Mio. EUR, mit dem elektronische Behördendienste und die digitale Wirtschaft in der Ukraine unterstützt werden; befürwortet die Ausdehnung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (SEPA) auf die Ukraine, sobald das Land alle technischen und rechtlichen Anforderungen erfüllt;

89.

fordert die Kommission und den EAD auf, eine zuverlässige Bedarfsanalyse für das Donezbecken durchzuführen, um eine Strategie für seinen sozioökonomischen Wiederaufbau festzulegen, und schlägt die Schaffung eines geeigneten internationalen Rahmens für den Wiederaufbau des Donezbeckens vor;

90.

fordert die staatlichen Stellen der Ukraine auf, die Reformen im öffentlichen Gesundheitswesen insbesondere angesichts der verheerenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das ukrainische Gesundheitswesen fortzusetzen; stellt fest, dass die COVID-19-Pandemie nach Angaben von UNICEF nicht nur eine Krise der öffentlichen Gesundheitsversorgung, sondern auch eine sozioökonomische Krise mit sich bringt, in deren Verlauf sich die Armutsquote in der Ukraine von 27,2 % auf 43,6 % oder sogar auf 50,8 % erhöhen könnte; fordert die ukrainische Regierung daher auf, umfassende Sozialschutzmaßnahmen zur Abmilderung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie durchzuführen;

91.

begrüßt den Beitritt der Ukraine zum Gesundheitssicherheitsausschuss und zum Frühwarn- und Reaktionssystem der EU, um an der gesamteuropäischen Koordinierung der Maßnahmen als Reaktion auf COVID-19 im öffentlichen Gesundheitswesen mitzuwirken; fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Ukraine mit Nachdruck auf, die Zusammenarbeit hinsichtlich der Resilienz im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu intensivieren, bewährte Verfahren auszutauschen und mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, um Strategien für Epidemien festzulegen, die auf die am stärksten gefährdeten Personengruppen ausgerichtet sind; fordert die Kommission mit Nachdruck auf, die Regierung der Ukraine beim Zugang zu COVID-19-Impfstoffen zu unterstützen;

92.

fordert die ukrainische Regierung auf, dafür zu sorgen, dass sämtliche restriktive Maßnahmen als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie eine Rechtsgrundlage haben, unbedingt erforderlich sind und zu dem Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der Rettung von Menschenleben (auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten) in einem angemessenen Verhältnis stehen, einer ständigen Überprüfung unterzogen und aufgehoben werden, wenn sie nicht mehr erforderlich sind, sowie diskriminierungsfrei angewendet werden; fordert die staatlichen Stellen auf, dafür zu sorgen, dass gefährdete und ausgegrenzte Gruppen durch die Reaktion auf die COVID-19-Pandemie nicht unverhältnismäßig stark benachteiligt werden, und Maßnahmen zu ergreifen, um die bereits bestehende Ungleichheit zu beseitigen;

93.

fordert die Ukraine nachdrücklich auf, die nach wie vor weit verbreitete Vetternwirtschaft und Korruption in ihrem Gesundheitswesen und vor allem im Gesundheitsministerium zu bekämpfen und alle korrupten Machenschaften, insbesondere Versuche, inmitten der Pandemie medizinische Geräte und COVID-19-Impfstoffe zu unverhältnismäßig hohen Kosten zu beschaffen, konkret zu untersuchen;

94.

würdigt die gute Arbeit des ukrainischen Gesundheitsdienstes bei der Einrichtung eines transparenten Systems zur Finanzierung der spezifischen Behandlungen von Patienten; fordert das Gesundheitsministerium auf, die Arbeit des ukrainischen Gesundheitsdienstes zu unterstützen;

95.

würdigt die Fortschritte bei der Angleichung der Rechtsvorschriften an den Besitzstand der Union und die Annahme einer gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Strategie im November 2019, die über 200 normative Rechtsakte der Union umfasst, die in ukrainisches Recht umgesetzt werden sollen;

96.

stellt mit Besorgnis fest, dass bei der Angleichung an die Tierschutznormen der EU keine ausreichenden Fortschritte erzielt wurden;

97.

begrüßt, dass im März 2020 das Gesetz über den Verkauf landwirtschaftlicher Flächen verabschiedet wurde, mit dem dazu beigetragen werden dürfte, das enorme Potenzial der Ukraine in der Landwirtschaft zu erschließen, und dass im Mai 2020 das Gesetz über die Verbesserung bestimmter Instrumente zur Regulierung der Bankentätigkeit verabschiedet wurde, mit dem das Bankensystem gestärkt und verhindert wird, dass die PrivatBank ihren früheren Eigentümern zurückgegeben wird;

98.

begrüßt, dass die Ukraine der Mehrparteien-Interimsvereinbarung (MPIA) beigetreten ist und so dazu beiträgt, die derzeitige Handlungsunfähigkeit des WTO-Berufungsgremiums zu überwinden und sicherzustellen, dass die Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) ein zweistufiges Streitbeilegungssystem im Rahmen der WTO nutzen können, bis das Berufungsgremium seine Arbeit fortsetzt;

99.

fordert die Ukraine auf, die künftigen Entscheidungen des Vermittlungsausschusses in Bezug auf das Moratorium für Ausfuhren von unverarbeitetem Holz zu beachten und gleichzeitig die obligatorische Sorgfaltspflicht für die gesamte Wertschöpfungskette von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen durchzusetzen und die Überwachung in der Forstwirtschaft zu verbessern;

100.

stellt besorgt fest, dass die Ukraine kürzlich zwei Untersuchungen im Hinblick auf Schutzmaßnahmen zu Einfuhren von Stickstoff- und Mehrnährstoffdüngern aus der EU angestrengt hat; nimmt zur Kenntnis, dass die Ukraine in allerletzter Minute beschlossen hat, beide Untersuchungen einzustellen, wobei weitere derartige Untersuchungen anstehen; warnt davor, dass durch ähnliche Maßnahmen das gegenseitige Vertrauen auf beiden Seiten untergraben werden könnte;

101.

weist darauf hin, dass Geflügelfleisch eine für die EU sensible Ware ist; begrüßt die Lösung, die für die Ausfuhr „sonstiger“ Geflügelteile gefunden wurde und die darin besteht, die Handelspräferenzen für Geflügelfleisch und Geflügelfleischzubereitungen zu ändern, wodurch die Lücke in dem Abkommen geschlossen wurde; fordert die Ukraine auf, von ähnlichen Praktiken Abstand zu nehmen und sämtliche Bestimmungen des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens nach Treu und Glauben uneingeschränkt einzuhalten und umzusetzen; fordert die Kommission auf, die Umsetzung des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens eingehend zu überwachen und alle verfügbaren Maßnahmen zu ergreifen, um etwaigen marktverzerrenden Praktiken und der möglichen Ausnutzung von Rechtslücken entgegenzuwirken;

102.

fordert nachdrücklich, dass gegen die Kluft zwischen Stadt und Land in der Ukraine vorgegangen wird, indem wirksame finanzielle und technische Anreize für Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen (KKMU), Kleinlandwirte und Familienunternehmen in ländlichen und vorstädtischen Gebieten gesetzt und die Vernetzung der Menschen und die Infrastruktur zwischen Städten und ländlichen Gebieten verbessert werden, um den sozialen Zusammenhalt zu fördern;

103.

begrüßt, dass im Rahmen der KMU-Fazilität des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens Fortschritte im Hinblick auf die Verbesserung des Zugangs zu Finanzierung und die Schaffung von Handelsmöglichkeiten erzielt wurden; betont, dass KMU durch eine geeignete Informationskampagne in die Lage versetzt werden könnten, stärker von den Chancen zu profitieren, die das vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen bietet;

104.

fordert die Kommission auf, regionale Arbeitsagenturen technisch zu unterstützen, um Anreize für die Beschäftigung zu schaffen, junge Menschen und Programme für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, die soziales Unternehmertum begünstigen, zu fördern und in sie zu investieren und dabei den Fokus auf junge Menschen aus ländlichen Gebieten zu richten, damit das Bildungssystem durch die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gestärkt wird, sodass die am stärksten gefährdeten Personen geschützt werden und einem Mangel an sozioökonomischen Chancen vorgebeugt wird;

105.

hält die Kommission dazu an, die Auswirkungen des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens auf Arbeitsrechte und das Recht auf Vereinigungsfreiheit im Zusammenhang mit dem Handel mit der EU zu überwachen; fordert die Regierung der Ukraine auf, sich auch auf die soziale Dimension von Handel und nachhaltiger Entwicklung zu konzentrieren und die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Umsetzung des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens genau zu überwachen; fordert die Regierung der Ukraine auf, die Arbeitsnormen zu achten und durchzusetzen und alle Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zu ratifizieren und vollständig umzusetzen; legt der Regierung der Ukraine nahe, mit der Angleichung ihrer Arbeitsnormen an diejenigen der EU fortzufahren, insbesondere was die Versammlungsfreiheit und den sozialen Dialog betrifft; begrüßt die Initiative für eine Arbeitsreform, betont jedoch, dass umfassende Konsultationen mit den Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft abgehalten werden müssen, und empfiehlt, das Know-how der IAO in dieser Angelegenheit zu nutzen;

106.

fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass Gewerkschaften sowie die Zivilgesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt an der Überwachung der Umsetzung des Assoziierungsabkommens beteiligt werden; fordert die Regierung der Ukraine und die Kommission auf, nichtstaatliche Organisationen, die Verstöße gegen das vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen — insbesondere im sozialen Bereich — untersuchen, zu unterstützen;

107.

fordert die Regierung der Ukraine auf, ein System von Anreizen und Sanktionen einzuführen, um gegen die offenkundig hohe Zahl informeller Beschäftigungsverhältnisse vorzugehen;

108.

stellt fest, dass sich die Mobilität der Arbeitskräfte zwischen der Ukraine und der EU erhöht, wobei die Abwanderung in Zahlen zwischen 2,2 und 2,7 Millionen Menschen beträgt, was zwischen 13 % und 16 % der Gesamtzahl der Erwerbstätigen in der Ukraine ausmacht, und dass diese Mobilität einerseits zur Verringerung des Arbeitskräfteangebots in der Ukraine und zu einem Arbeitskräftemangel in bestimmten Berufen beiträgt und andererseits einen Faktor darstellt, der das Lohnwachstum für im Land verbleibende Arbeitnehmer erhöht, sowie eine Quelle für den Mittelzufluss durch Geldüberweisungen von Migranten, der einen beachtlichen Einfluss auf die ukrainische Volkswirtschaft hat und über 8 % des BIP entspricht; fordert eine weitere Analyse des Nutzens und der Auswirkungen, die die Abwanderungswelle von Arbeitskräften nach 2014 in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht sowohl auf die Volkswirtschaften als auch auf die Systeme der sozialen Sicherheit in der Ukraine und den Mitgliedstaaten hatte; hält es für wesentlich, einen staatlichen Ansatz bei der Entwicklung eines Arbeitsumfelds zu verfolgen, in dem den Beschäftigten in ukrainischen Unternehmen angemessene Arbeitsbedingungen geboten werden, auch was die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, regulär angemeldete Arbeitsplätze mit staatlichem Sozialversicherungsschutz, pünktlich und in voller Höhe gezahlte Löhne, das Recht auf Gewerkschaftsmitgliedschaft und Interessenvertretung sowie zielführende Tarifverhandlungen betrifft, die in verbindliche Tarifverträge münden; bekräftigt, dass gegen die Abwanderung hochqualifizierter Kräfte aus der Ukraine durch die Förderung hochwertiger und inklusionsgeprägter Bildungs- und Berufsbildungsprogramme und die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten vorgegangen werden muss, um jungen Menschen und Familien in ihren Gemeinden vor Ort sozioökonomische Perspektiven zu bieten;

109.

begrüßt die von der EU finanzierten Programme, die sowohl für die Modernisierung des beruflichen Bildungssystems in der Ukraine („EU4Skills: Better Skills for Modern Ukraine“ — EU4Skills: Höhere Qualifikation für die moderne Ukraine) als auch für das Geschäftsumfeld Unterstützung bereitstellen, das für potenzielle Rückkehrer und für inländische Unternehmer (in Bezug auf Korruptionsbekämpfung, Unterstützung von KMU, Steuer- und Zollreform usw.) von wesentlicher Bedeutung ist — sowohl im Rahmen branchenbezogener Beihilfen als auch als Voraussetzung für die Makrofinanzhilfeprogramme der EU, und fordert die Weiterentwicklung dieser Programme;

110.

fordert den Assoziationsrat auf, der Umsetzung der internationalen Arbeitsnormen und den Rechtsvorschriften und Verfahren der EU in den Bereichen Sozialpolitik, Beschäftigung und Arbeit, Vorschriften in Bezug auf Tarifverhandlungen, sozialer Dialog, Bekämpfung der geschlechtsspezifischen Diskrepanz und Reform der Arbeitsgesetzgebung Vorrang einzuräumen, damit die Interessen der Sozialpartner ausgewogen sind und die Rechte der Arbeitnehmer gemäß den Bestimmungen des Assoziierungsabkommens (Artikel 419–421 und 424) und der einschlägigen Übereinkommen der IAO (81, 87, 98, 117, 122, 129, 144, 154 und 173) geschützt werden; weist die Regierung der Ukraine darauf hin, dass ihre Bemühungen um die Verbesserung des Geschäftsklimas, die Anziehung von Direktinvestitionen und die Förderung des Wirtschaftswachstums nicht auf Kosten der Rechte der Arbeitnehmer und ihrer Arbeitsbedingungen gehen dürfen; fordert die Regierung der Ukraine auf, den sozialen Dialog systematisch anzugehen und institutionell zu unterstützen sowie Anstrengungen zu unternehmen, um den drittelparitätisch besetzten Wirtschafts- und Sozialrat der Ukraine zu einem wirksamen Instrument des sozialen Dialogs zu machen;

111.

stellt mit Besorgnis fest, dass die Gewerkschaften aufgrund unvollständiger und vager Rechtsvorschriften nur eingeschränkt in der Lage sind, ihre Rechte in der Ukraine wahrzunehmen;

Energie, Umweltschutz und Klimawandel

112.

begrüßt, dass die Entflechtung von Naftohas im Jahr 2019 vollendet und ein rechtlich unabhängiger Erdgasfernleitungsnetzbetreiber geschaffen wurde, was mit dem dritten Energiepaket der EU im Einklang steht; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine jedoch auf, die technische Unabhängigkeit des Erdgasfernleitungsnetzbetreibers von Naftohas zu stärken; begrüßt die Liberalisierung und Öffnung eines wettbewerbsfähigen Erdgasmarktes für Haushalte; bedauert jedoch das jüngste Vorgehen gegen die Leitung von Naftohas, auch gegen den Aufsichtsrat des Unternehmens, mit dem dessen Unabhängigkeit und die bislang erzielten Reformfortschritte in diesem Bereich untergraben werden;

113.

betont, dass die Ukraine als strategisches Transitland für Erdgas fungiert, ihr Erdgasfernleitungsnetz modernisieren muss und es zudem wichtig ist, sie auf der Grundlage der wirksamen Umsetzung des aktualisierten Anhangs XXVII des Assoziierungsabkommens in den EU-Energiemarkt zu integrieren; begrüßt die Unterzeichnung des von der EU ermöglichten langfristigen Vertrags über den Gastransit; erklärt sich besorgt über den Bau der Erdgasfernleitung Nord Stream 2 und weist erneut auf die langfristigen grundlegenden politischen und wirtschaftlichen Risiken sowie auf die sicherheitspolitischen Risiken dieser Erdgasfernleitung hin; stellt fest, dass sich mit dieser Erdgasfernleitung die Abhängigkeit der EU von russischen Erdgaslieferungen verstärkt, dass sie eine Gefahr für den EU-Binnenmarkt darstellt, weder mit der Energiepolitik der EU noch ihren strategischen Interessen im Einklang steht und möglicherweise negative Folgen für die vom Krieg betroffene Ukraine nach sich zieht; fordert daher im Einklang mit seinen früheren Standpunkten alle Interessenträger und insbesondere die Interessenträger in den Mitgliedstaaten und in Europa auf, auf die vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen zurückzugreifen, um das Projekt einzustellen;

114.

fordert die Kommission auf, im Hinblick auf die weitere Integration der Energiemärkte zu überprüfen, ob die Ukraine den Besitzstand der Europäischen Union im Energiebereich einhält; unterstützt uneingeschränkt die Integration der Ukraine in das europäische kontinentale Stromnetz (ENTSO (Strom)); fordert die Ukraine nachdrücklich auf, die Koordinierung der politischen Strategien und Maßnahmen der internationalen Institutionen (z. B. Kommission, Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, Europäische Investitionsbank, Weltbank, KfW, ENTSO (Strom) und Energiegemeinschaft) und der ukrainischen Institutionen, die die ukrainische Energiewirtschaft unterstützen, zu verbessern;

115.

verurteilt die Erdgasförderung Russlands aus dem ukrainischen Schelf in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Ukraine und stellt fest, dass die EU die Beschlagnahme der Erdgasfelder im Asowschen Meer und im Schwarzen Meer durch die Russische Föderation nicht anerkennt und rechtliche Schritte der staatlichen Stellen der Ukraine zur Beendigung dieser illegalen Förderung unterstützten sollte;

116.

bedauert, dass der neue Stromgroßhandelsmarkt, der in der Ukraine im Juli 2019 in Betrieb genommen wurde, nach EU-Maßstäben immer noch nicht wettbewerbsfähig ist; fordert die Ukraine daher nachdrücklich auf, ihre Reformen zu vollenden und die Einhaltung des EU-Rechts zu verbessern, in erster Linie durch die Stärkung der Unabhängigkeit von Ukrenergo und die Verhinderung von Quersubventionen; fordert die Ukraine auf, ihre bestehenden Kraftwerke so umzurüsten, dass sie den strengen europäischen Umwelt- und Sicherheitsnormen entsprechen;

117.

begrüßt den Standpunkt der Regierung der Ukraine, der im Rahmen der Energiegemeinschaft eingegangenen Verpflichtung zur Einhaltung des geltenden EU-Rechts, auch in der Umwelt- und Sicherheitspolitik, nachzukommen und somit die Einfuhr von Strom aus Kraftwerken in den Nachbarländern, die gebaut werden und dabei den Anforderungen internationaler Übereinkommen und den höchsten internationalen Umweltschutz- und Sicherheitsnormen nicht entsprechen, nicht zuzulassen;

118.

bedauert, dass die Ukraine im Bereich der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen ihren Verpflichtungen gegenüber den Investoren noch nicht nachkommt und dass durch die Verzögerungen bei den Zahlungen an Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energiequellen die weitere Entwicklung sauberer Energiequellen in der Ukraine gefährdet wird;

119.

fordert die staatlichen Stellen der Ukraine nachdrücklich auf, die Modernisierung der Kernkraftwerke dringend abzuschließen und die Verzögerungen bei diesen Verfahren zu untersuchen, insbesondere hinsichtlich der Nachrüstung des Kernkraftwerks Saporischschja;

120.

erachtet es als sehr wichtig, die Zusammenarbeit im Bereich Infrastruktur in der Region zu intensivieren, die Energieversorgung, die Energieeffizienz und die erneuerbaren Energiequellen in der Ukraine weiter zu diversifizieren und die ukrainische Energiewirtschaft unter Wahrung der ökologischen Nachhaltigkeit zu vernetzen; stellt fest, dass durch die Unterstützung und Förderung des intraregionalen Handels zwischen den Ländern der Östlichen Partnerschaft auch neue wirtschaftliche Chancen, unter anderem für KMU, geschaffen werden;

121.

begrüßt, dass die Regierung der Ukraine im Februar 2019 die Strategie für die staatliche Umweltpolitik bis 2030 und den nationalen Abfallbewirtschaftungsplan, die Gesetze zur Umweltverträglichkeitsprüfung und zur strategischen Umweltprüfung und die Gesetze im Bereich der Klimapolitik angenommen hat; fordert die Ukraine nachdrücklich auf, ihr Engagement im Kampf gegen den Klimawandel, bei ihrer Umsetzung der Klimaschutzpolitik und der Einbeziehung des Klimawandels in alle Bereiche der Politikgestaltung weiter zu stärken und ihre Anstrengungen im Rahmen der nationalen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Übereinkommen von Paris aus dem Jahr 2015 zu intensivieren;

122.

fordert die Ukraine eindringlich auf, illegalen Holzeinschlag gemäß den Standards für nachhaltige Forstwirtschaft und Umweltschutz wirksam zu bekämpfen und Maßnahmen zu ergreifen, mit denen der Umweltschädigung ein Ende gesetzt wird, die durch die illegale und nicht nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen verursacht wird, etwa durch den illegalen Holzeinschlag in den Urwäldern der Karpaten, da dieser die Hauptursache für die Überschwemmungen in der Region ist; fordert die EU auf, einen Beitrag zur Verhinderung des illegalen Holzeinschlags im Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Projekt des Wintersportgebiets in der Swydiwez sowie zur Unterbindung der Anwendung illegaler und umweltschädlicher Methoden der Bernsteingewinnung zu leisten; legt der Ukraine nahe, in eine umweltfreundliche und ökologisch unbedenkliche und nachhaltige touristische Infrastruktur zu investieren, und fordert die staatlichen Stellen der Ukraine auf, zu verhindern, dass die Umwelt durch künftige Projekte geschädigt wird, indem die staatlichen Stellen die genaue Untersuchung, Transparenz und Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und Sorgfaltspflichten verbessern; fordert die Ukraine nachdrücklich auf, einen offenen und unkomplizierten Zugang zu Umweltinformationen zu gewähren, Schutzgebiete zu erweitern und die Umsetzung des Nationalen Plans zur Emissionsverringerung für die wichtigsten aus Großfeuerungsanlagen freigesetzten Schadstoffe voranzutreiben; legt der Ukraine nahe, eine Gesetzgebung zum Ausbau eines nachhaltigen Verkehrs zu verabschieden; fordert die Ukraine eindringlich auf, hochgefährliche landwirtschaftliche Chemikalien auf unbedenkliche und umweltbewusste Weise zu reinigen und zu entsorgen, insbesondere die veralteten Pestizide in der Oblast Cherson und in anderen Oblasten der Ukraine;

123.

ist zutiefst besorgt über die Umweltauswirkungen des Konflikts in der Ostukraine, darunter über die Gefahren, die von der Überflutung miteinander verbundener Minen ausgehen; fordert eine eingehende Bewertung der Umweltauswirkungen des Konflikts, die anhand eines Reaktionsplans zur Verhinderung eines Zusammenbruchs der Ökosysteme weiterverfolgt werden sollte; regt an, ein Minenräumprogramm für das Donezbecken aufzulegen, an dem die staatlichen Stellen der Ukraine und die internationale Gemeinschaft beteiligt sind;

124.

ist überdies zutiefst besorgt über die etwa 1 200 radioaktiven Quellen im Donezbecken und in der Umgebung, die für medizinische, industrielle oder wissenschaftliche Zwecke genutzt werden und schwerwiegende Risiken für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt darstellen; fordert die OSZE, die trilaterale Kontaktgruppe und die vier am Normandie-Format beteiligten Länder auf, der starken Zunahme radioaktiver Tätigkeiten und dem Schmuggel radioaktiver Stoffe im Einklang mit dem System der Nichtverbreitung von Kernwaffen entgegenzuwirken; fordert alle Parteien nachdrücklich auf, mit den entsprechenden Interessenträgern zusammenzuarbeiten, um nicht mehr genutzte radioaktive Quellen mit hoher Strahlungsaktivität sicher aus dem Donezbecken zu verbringen;

125.

begrüßt den Ehrgeiz der Ukraine, einen Beitrag zu den Zielen des europäischen Grünen Deals zu leisten, und fordert die Kommission auf, die Bemühungen der Ukraine angemessen zu unterstützen, unter anderem durch die Einrichtung eines relevanten strukturierten Dialogs, einen Fahrplan und einen Austausch von Informationen; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass das vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen nicht im Widerspruch zu den im Grünen Deal festgelegten Umweltzielen und -initiativen steht;

126.

begrüßt das mit 10 Mio. EUR ausgestattete EU-Programm „Klimaschutzpaket für eine nachhaltige Wirtschaft“, in dessen Rahmen der Ukraine bei der Entwicklung eines ganzheitlichen Ansatzes zur Umstrukturierung ihrer wichtigsten Wirtschaftszweige hin zu einer CO2-armen Wirtschaft Unterstützung angeboten wird;

Kontakte zwischen den Menschen und Grenzschutz

127.

würdigt die Bedeutung grenzüberschreitender Mobilität für die Stärkung der Kontakte zwischen den Menschen und begrüßt, dass die Regelung für visumfreies Reisen für die Bürger der Ukraine unverändert erfolgreich umgesetzt wird, die es ukrainischen Bürgerinnen und Bürgern seit Juni 2017 ermöglicht hat, über 40 Millionen Reisen in EU-Länder zu unternehmen; erachtet es als wichtig, die Vorgaben für die Visaliberalisierung auch künftig einzuhalten und die damit verbundenen Reformanstrengungen zu beschleunigen; vertritt die Ansicht, dass die Regelung für visumfreies Reisen zu vermehrten Reisen von der Ukraine in die EU und somit zu einem besseren Verständnis zwischen den jeweiligen Gesellschaften geführt hat, was die beste Grundlage für eine weitere Annäherung ist; hebt hervor, dass dieser Ansatz weitergeführt und mit der Zeit ausgeweitet werden muss;

128.

bekräftigt, dass die Integration der Ukraine in EU-Rahmenprogramme wie Erasmus+, Horizont Europa und Kreatives Europa wichtig ist und die entsprechende Zusammenarbeit im Rahmen der laufenden und künftigen Programme intensiviert werden muss; ist der Ansicht, dass die Beteiligung ukrainischer Studierender und Lehrkräfte an Universitäten und Schulen an den Erasmus+-Programmen erkennbar ausgeweitet werden sollte;

129.

stellt fest, dass die zunehmende Anzahl der Besuche ukrainischer Bürgerinnen und Bürger in den Ländern des Schengen-Raums für die überlasteten Grenzübergangsstellen zwischen der EU und der Ukraine eine Herausforderung ist und dass weder deren Infrastruktur noch deren Kapazität ausreicht, um den Menschen, die die Grenze überqueren, angemessene und menschenwürdige Bedingungen zu bieten; stellt fest, dass die langen Wartezeiten beim Grenzübertritt eines der dringlichsten Probleme an der Grenze zwischen der EU und der Ukraine sind, insbesondere an den Grenzen des Landes zu Ungarn und zu Polen; legt der Kommission nahe, einen Dialog aufzunehmen, damit die Grenzübertrittsverfahren schnell und frei von Korruption sind, unter anderem durch Investitionen, Schulung des Personals und einen wirksamen Mechanismus für Beschwerden bei Grenzübertritten; fordert die EU auf, die Einrichtung neuer Grenzübergangsstellen und die Erweiterung bestehender Grenzübergangsstellen an der Grenze zwischen der EU und der Ukraine durch eine strenge Überwachung der Finanzierung zu unterstützen, damit frühere Verstöße nicht mehr vorkommen;

130.

unterstützt die verstärkte Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine, insbesondere in den Bereichen Grenzmanagement, nationale Asyl- und Identitätsmanagementsysteme auf biometrischer Grundlage, Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Bekämpfung der organisierten Kriminalität und schwerer internationaler Straftaten sowie die vertiefte Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex);

131.

stellt fest, dass bei der Angleichung der ukrainischen Zoll- und Grenzverfahren an die Verfahren der Union sowie bei den laufenden institutionellen Reformen der Steuer- und Zollverwaltungen weitere Fortschritte erzielt wurden; begrüßt, dass im Herbst 2019 das Gesetz über die einheitliche Rechtspersönlichkeit für den staatlichen Zolldienst, das Gesetz über zugelassene Wirtschaftsbeteiligte und das Gesetzt über die Einführung des nationalen EDV-gestützten Versandverfahrens erlassen wurden; begrüßt zudem, dass im Juli 2019 eine Strategie für ein integriertes Grenzmanagement bis 2025 und der daran anschließende Aktionsplan 2020–2022 angenommen wurden; bedauert jedoch, dass das von der EU finanzierte Projekt zur Modernisierung von sechs Kontrollstellen an der Grenze zur Union ins Stocken geraten ist, und beklagt die nach wie vor sehr langen Wartezeiten an diesen Grenzübergangsstellen; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine darüber hinaus nachdrücklich auf, alle ausstehenden Maßnahmen zu beschließen und alle ausstehenden Rechtsvorschriften zu verabschieden, die erforderlich sind, damit die zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten und die nationalen EDV-gestützten Versandverfahren voll einsatzfähig werden, und sicherzustellen, dass die neue Leitung des staatlichen Zolldienstes im Zuge eines transparenten und ergebnisoffenen öffentliches Auswahlverfahrens unter den kompetenten Bewerbern rasch ernannt wird; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine mit Nachdruck auf, den Schmuggel sämtlicher Waren als wesentliches Element des integrierten Grenzmanagements unter Strafe zu stellen;

132.

fordert die EU sowie die staatlichen Stellen der Ukraine und der Republik Moldau auf, das Verfahren zu beschleunigen, mit dem darauf abgezielt wird, den illegalen Handel zu unterbinden und die Schmuggelrouten in Transnistrien zu sperren, das derzeit ein Zufluchtsort für Schmuggler ist, was von Kriminellen und Oligarchen ausgenutzt wird, dazu dient, den russischen Einfluss zu stärken, und wesentlich dazu beiträgt, dass der Konflikt fortdauert;

Institutionelle Bestimmungen

133.

begrüßt die Ergebnisse des Gipfeltreffens vom 6. Oktober 2020 zwischen der EU und der Ukraine, des ersten bilateralen Gipfeltreffens seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie, bei dem die Teilnehmer wieder persönlich in Brüssel zusammenkamen, sowie die unmissverständlichen Erklärungen beider Seiten, sich auch künftig dafür einsetzen zu wollen, die politische Assoziierung der Ukraine mit der Europäischen Union und die wirtschaftliche Integration des Landes in die Europäische Union zu stärken;

134.

ist erfreut über die Ergebnisse der laufenden Sitzungen und Aktivitäten im Rahmen der Jean-Monnet-Dialoge für Frieden und Demokratie, die das Europäische Parlament mit der Werchowna Rada der Ukraine führt, und unterstützt deren Fortsetzung uneingeschränkt; ist davon überzeugt, dass durch eine Vertiefung der parlamentarischen Kultur des Dialogs für eine starke, unabhängige, transparente und effiziente Werchowna Rada der Ukraine gesorgt wird, die für die demokratische und europäische Zukunft des Landes von wesentlicher Bedeutung ist und den Bestrebungen der ukrainischen Bürgerinnen und Bürger entspricht;

135.

legt in diesem Zusammenhang der Werchowna Rada nahe, ihre institutionelle Reform aktiv fortzusetzen, die unter anderem die Erhöhung der gesetzgeberischen Leistungsfähigkeit und Qualität, die politische Kontrolle über die Exekutive sowie die Transparenz und Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zum Ziel hat, um die Annahme von Gesetzentwürfen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Assoziierungsabkommens zu straffen und zu priorisieren und um institutionelle Schutzvorkehrungen — beispielsweise durch eine stärkere Rolle des Ausschusses für die europäische Integration, dessen Stellungnahmen verbindlich sein sollten — zu treffen, damit Gesetzesvorhaben blockiert werden können, die den im Rahmen des Assoziierungsabkommens eingegangenen Verpflichtungen zuwiderlaufen; betont, dass das fortgesetzte Engagement des Europäischen Parlaments gegenüber der Werchowna Rada wichtig ist, um diese Reformen zu unterstützen; erachtet es als wichtig, die interparlamentarische Zusammenarbeit und die Kontakte zwischen den Menschen vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie so gut wie möglich fortzusetzen;

136.

hält es für bedeutsam, die Beratende Mission der Europäischen Union (EUAM) in der Ukraine und ihre Rolle bei der Reform der Gestaltung der zivilen Sicherheit auch künftig zu unterstützen; begrüßt, dass sie in Mariupol ein Büro eröffnet hat, und hofft auf greifbare Ergebnisse unter Wahrung des Mandats der Mission; fordert die Kommission auf, ihre Anstrengungen zu intensivieren, wenn es darum geht, die Kapazitäten der staatlichen Stellen der Ukraine, die an der Umsetzung des Assoziierungsabkommens einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens beteiligt sind, zu stärken; fordert die Kommission auf, Instrumente auszuarbeiten, die erforderlich sind, um die Ukraine bei der laufenden Angleichung ihrer Rechtsvorschriften an den Besitzstand der Union zu unterstützen, wie es in den einschlägigen Beschlüssen des 22. Gipfeltreffens zwischen der Ukraine und der EU vorgesehen ist;

137.

bekräftigt seine Forderung nach der Gründung einer Universität der Östlichen Partnerschaft in der Ukraine; fordert die Organe der Union auf, die Fortbildungsprogramme für ukrainische Angehörige von Rechtsberufen, die sich auf Unionsrecht spezialisieren wollen, zu verstärken und auszuweiten und die Möglichkeiten der Ukraine zur Teilnahme an Horizont Europa zu verbessern, da so die Kontakte zwischen den Menschen und die akademische und bildungspolitische Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine vorangebracht werden können;

138.

begrüßt, dass die EU den Aufbau institutioneller Kapazitäten und die Schulungen ukrainischer Beamter, die vom Europakolleg in Natolin durchgeführt werden, unterstützt;

139.

fordert alle Organe der Union, die Mitgliedstaaten und die staatlichen Stellen der Ukraine auf, Kampagnen auszuarbeiten, in deren Rahmen die Bürger besser über die Chancen informiert werden, die sich aus der Östlichen Partnerschaft und der Umsetzung des Assoziierungsabkommens einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens ergeben, und für die Vorteile einer engeren Assoziierung sensibilisiert und ein Zusammenhang mit den positiven Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt der Ukraine und der anderen assoziierten Länder hergestellt wird; legt den staatlichen Stellen der Ukraine nahe, ihren Bürgerinnen und Bürgern die Vorteile des Assoziierungsabkommens einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens sowie der EU-Unterstützung besser zu vermitteln und mehr Anstrengungen zu unternehmen, damit die Möglichkeiten im Rahmen des Assoziierungsabkommens einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens sowie der Unterstützung und der Programme der EU die lokale Ebene, auch die entlegenen Teile des Landes und insbesondere die ländlichen Gebiete, erreichen, damit die Bevölkerung in die Lage versetzt wird, positive Veränderungen in ihren Gemeinden herbeizuführen;

140.

lobt die ukrainische Zivilgesellschaft, junge Menschen und nichtstaatliche Organisationen für ihre Tätigkeiten in allen Bereichen des öffentlichen und politischen Lebens und insbesondere für ihre Unterstützung bei der Umsetzung des Assoziierungsabkommens einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens, für die Bewältigung der Herausforderungen der COVID-19-Pandemie, für die Bekämpfung von Desinformationskampagnen, für die Bereitstellung von Unterstützung und Hilfe zugunsten von Binnenvertriebenen und weiteren gefährdeten Bevölkerungsgruppen sowie für die Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz und der Medienkompetenz in der ukrainischen Bevölkerung; fordert die ukrainische Zentralregierung und die lokalen Gebietskörperschaften auf, auch künftig eng mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, auch indem die finanzielle Unterstützung für ihre Tätigkeiten ausgeweitet wird; fordert die Kommission auf, der Unterstützung dieser nichtstaatlichen Organisationen und zivilgesellschaftlichen Organisationen Vorrang einzuräumen; begrüßt in diesem Zusammenhang das Programm „Fazilität zur Förderung der Zivilgesellschaft im Rahmen der Nachbarschaftspolitik“, das eine Mittelausstattung von 20 Mio. EUR aufweist und mit dem dazu beigetragen wird, die Fähigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen zu stärken, sich an der Entscheidungsfindung und am öffentlichen Leben zu beteiligen; fordert die staatlichen Stellen der Ukraine angesichts mehrerer Gesetzentwürfe zur Funktionsweise und Tätigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen und sonstigen Vereinigungen mit Nachdruck auf, keine Gesetze zu erlassen, die mit den innerstaatlichen und internationalen Menschenrechtsverpflichtungen des Landes nicht im Einklang stehen, und das Funktionieren der Zivilgesellschaft ohne unzulässige Einflussnahme sicherzustellen;

o

o o

141.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Ukraine und dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.

(1)  ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39.

(2)  ABl. C 388 vom 13.11.2020, S. 116.

(3)  ABl. C 11 vom 12.1.2018, S. 82.

(4)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0167.

(5)  ABl. L 165 vom 27.5.2020, S. 31.

(6)  CM/Rec(2010)5, abrufbar unter https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectID=09000016805cf40a

(7)  Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/110


P9_TA(2021)0051

Europäische Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Europäische Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz (2020/2818(RSP))

(2021/C 465/10)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf Artikel 165 und 166 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 14 und 15,

unter Hinweis auf die vom Europäischen Rat, vom Europäischen Parlament und von der Kommission im November 2017 proklamierte europäische Säule sozialer Rechte, insbesondere deren Grundsätze 1 „allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen“ und 4 „aktive Unterstützung für Beschäftigung“,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über den bezahlten Bildungsurlaub von 1974,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Europäische Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz“ (COM(2020)0274) und die begleitenden Arbeitsdokumente der Kommissionsdienststellen (SWD(2020)0121) und (SWD(2020)0122),

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Rates zur beruflichen Aus- und Weiterbildung für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz (COM(2020)0275),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Achieving the European Education Area by 2025“ (Verwirklichung eines europäischen Bildungsraums bis 2025) (COM(2020)0625) und das begleitende Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen (SWD(2020)0212),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Aktionsplan für digitale Bildung 2021-2027 — Neuaufstellung des Bildungswesens für das digitale Zeitalter“ (COM(2020)0624) und das begleitende Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen (SWD(2020)0209),

unter Hinweis auf den Bericht der Kommission mit dem Titel „Digital Economy and Society Index (DESI) 2020 Human capital“ (Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) — Humankapital 2020) (1),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Eine neue Industriestrategie für Europa“ (COM(2020)0102), in der es heißt, dass „der zweifache ökologische und digitale Wandel alle Teile unserer Wirtschaft, unserer Gesellschaft und unserer Industrie betreffen wird“, „die Anwerbung und die Erhaltung von Fachkräften für eine wettbewerbsfähige Industrie von grundlegender Bedeutung sind“ und in der prognostiziert wird, dass „allein in den kommenden fünf Jahren 120 Millionen Menschen in Europa ihre Kompetenzen erweitern oder eine Umschulung durchlaufen müssen“,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Europäischer Grüner Deal“ (COM(2019)0640), in der es heißt, dass „eine proaktive Umschulung und Weiterqualifizierung notwendig sind, um die Vorteile des ökologischen Wandels zu nutzen“, sodass alle in der Mitteilung genannten Veränderungen verwirklicht werden können,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 8. Juni 2020 zur Umschulung und Weiterbildung als Grundlage für mehr Nachhaltigkeit und eine bessere Beschäftigungsfähigkeit im Kontext der Förderung der wirtschaftlichen Erholung und des sozialen Zusammenhalts,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 16. Juni 2020 zur Bewältigung der COVID-19-Krise im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung,

unter Hinweis auf die Entschließung des Rates vom 18. November 2019 zur Weiterentwicklung des europäischen Bildungsraums zur Unterstützung zukunftsorientierter Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung (2),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 3. März 2017 zur Verbesserung der Kompetenzen von Frauen und Männern auf dem EU-Arbeitsmarkt (3),

unter Hinweis auf die Empfehlung des Rates vom 19. Dezember 2016 für Weiterbildungspfade: Neue Chancen für Erwachsene (4),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 14. Dezember 2017 zu einer erneuerten EU-Agenda für die Hochschulbildung (5),

unter Hinweis auf den Beschluss (EU) 2018/646 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. April 2018 über einen gemeinsamen Rahmen für die Bereitstellung besserer Dienste für Fertigkeiten und Qualifikationen (Europass) und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 2241/2004/EG (6),

unter Hinweis auf den strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung (ET2020),

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 5. Mai 2020 zu dem Thema „Nachhaltige Finanzierung des lebenslangen Lernens und der Kompetenzentwicklung vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels“ (Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des kroatischen Ratsvorsitzes),

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 15. März 2018 zu dem Thema „Zukunft der Arbeit — Aneignung der für die künftige Arbeitswelt notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen“ (Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des bulgarischen Ratsvorsitzes) (7),

unter Hinweis auf die Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen (8),

unter Hinweis auf die Untersuchungen von Eurofound über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Nutzung und Entwicklung von Kompetenzen (9),

unter Hinweis auf die Cedefop-Studie mit dem Titel „Empowering adults through upskilling and reskilling pathways“ (Befähigung von Erwachsenen durch Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten), Bände 1 und 2,

unter Hinweis auf den Cedefop-Bericht mit dem Titel „Skills forecast trends and challenges to 2030“ (Prognose zum Qualifikationsbedarf und Herausforderungen für 2030) (10),

unter Hinweis auf das Cedefop-Kompetenzpanorama (11) und den EU-Qualifikationsindex (12),

unter Hinweis auf die Studie des Lenkungsgruppe zur Zukunft von Wissenschaft und Technologie (STOA) mit dem Titel „Rethinking education in the digital age“ (Neue Denkansätze für die Bildung im digitalen Zeitalter) (13),

unter Hinweis auf die Datenbank der OECD „Skills for jobs“ (Kompetenzen für Beschäftigung) (14),

unter Hinweis auf die OECD-Studie mit dem Titel „Getting Skills Right. Increasing Adult Learning Participation. Learning from successful reforms“ (Höhere Teilnahme an der Erwachsenenbildung: Von erfolgreichen Reformen lernen, die richtigen Kompetenzen erwerben) (15),

unter Hinweis auf das Kurzdossier der OECD vom 10. Juli 2020 mit dem Titel „Skill measures to mobilise the workforce during the COVID-19 crisis“ (Maßnahmen im Bereich Kompetenzen zur Mobilisierung der Arbeitskräfte während der COVID-19-Krise) (16),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. Oktober 2020 zu der Zukunft der Bildung in Europa vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie (17),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Oktober 2020 zu der Jugendgarantie (18),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Juni 2018 zur Modernisierung des Bildungswesens in der EU (19),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. September 2017 zu einer neuen europäischen Agenda für Kompetenzen (20),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Januar 2016 zu bildungs- und ausbildungspolitischen Maßnahmen zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit (21),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. September 2015 zu dem Thema „Schaffung eines von Wettbewerb gekennzeichneten Arbeitsmarkts der EU für das 21. Jahrhundert: Abstimmung von Kompetenzen und Qualifikationen auf die Nachfrage und auf Beschäftigungsmöglichkeiten als Weg aus der Krise“ (22),

unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Europäischen Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz (O-000006/2021 — B9-0004/2021),

gestützt auf Artikel 136 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten,

A.

in der Erwägung, dass der grüne und der digitale Wandel sowie die demografischen Entwicklungen und die Globalisierung die Natur der Arbeit, den Arbeitsinhalt und die dafür erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen verändern; in der Erwägung, dass die Weiterqualifizierung und Umschulung von entscheidender Bedeutung sein werden, um die Herausforderungen und Chancen zu bewältigen, die sich aus den sich beschleunigenden Makrotrends ergeben, und dass sie der Schlüssel zur Beseitigung des zunehmenden Qualifikationsdefizits auf dem Arbeitsmarkt der EU sein werden;

B.

in der Erwägung, dass die „Europäische Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz“ uneingeschränkt mit der europäischen Säule sozialer Rechte im Einklang steht, insbesondere mit ihrem ersten Grundsatz, wonach „jede Person das Recht auf allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen von hoher Qualität und in inklusiver Form hat, damit sie Kompetenzen bewahren und erwerben kann, die es ihr ermöglichen, vollständig am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und Übergänge auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu bewältigen“;

C.

in der Erwägung, dass Bildung im digitalen Zeitalter die digitale formale Bildung sowie die informelle und nicht formelle Bildung in technischen, persönlichen und staatsbürgerlichen Kompetenzen während des gesamten Lebens der europäischen Bürgerinnen und Bürger umfasst;

D.

in der Erwägung, dass es für die formellen Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung immer schwieriger wird, auf alle individuellen und sozialen Bedürfnisse und Anforderungen einer sich ständig verändernden Welt zu reagieren;

E.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Krise die Arbeitswelt verändert, die Redundanz und Obsoleszenz vieler Arbeitsplätze beschleunigt, die Bedeutung digitaler Fähigkeiten und Kompetenz veranschaulicht, die digitale Kluft vergrößert und die Notwendigkeit verstärkt hat, die Kompetenzen der Arbeitskräfte in Europa auf den neuesten Stand zu bringen, insbesondere was den drastisch gestiegenen Bedarf an digitalen und technologischen Fähigkeiten sowie persönliche Kompetenzen wie Resilienz und Anpassungsfähigkeit betrifft; in der Erwägung, dass diese Notwendigkeit mit dem zunehmenden Einsatz künstlicher Intelligenz (KI), die die Arbeitsmuster vollständig verändern und bestimmte Tätigkeiten ersetzen könnte, noch dringlicher wird; in der Erwägung, dass die Pandemie die allgemeine und berufliche Bildung unterbrochen hat, was insbesondere die Lernenden in der beruflichen Aus- und Weiterbildung betrifft, und zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit, insbesondere bei jungen Menschen, die Schwierigkeiten beim Übergang von der Ausbildung in den Beruf haben, geführt hat; in der Erwägung, dass die obligatorischen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen während der COVID-19-Krise den Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnet haben, ihre Kompetenzen auf den neuesten Stand zu bringen;

F.

in der Erwägung, dass Kernkompetenzen in der Wissensgesellschaft und in einem Kontext des lebenslangen Lernens von entscheidender Bedeutung sind, da sie mehr Flexibilität bei der Anpassung an sich verändernde Gesellschaften und Arbeitsmärkte gewährleisten;

G.

in der Erwägung, dass nach wie vor zahlreiche Ungleichheiten beim Zugang zu Bildung und Kompetenzen für schutzbedürftige Gruppen in der Gesellschaft sowie zwischen den Geschlechtern bestehen, wobei Bürger unterschiedlicher ethnischer Abstammung, Menschen mit Behinderungen oder Frauen seltener die Möglichkeit haben, sich neue Fähigkeiten anzueignen;

H.

in der Erwägung, dass jeder Einzelne mit den auf dem Arbeitsmarkt erforderlichen Kompetenzen und der Fähigkeit, sich ein Leben lang rasch an Veränderungen bei den Qualifikationsanforderungen anzupassen, ausgerüstet werden muss; in der Erwägung, dass 37 % bis 69 % der Aufgaben in der EU in vielen Branchen automatisiert werden könnten, was eine wesentliche Veränderung der Leistung zur Folge hätte (23); in der Erwägung, dass laut Untersuchungen von Eurofound 28 % der Arbeitnehmer angeben, dass sie über die Fähigkeiten verfügen, anspruchsvollere Aufgaben zu bewältigen;

I.

in der Erwägung, dass die berufliche Weiterbildung und Umschulung nicht nur eine individuelle, sondern auch eine soziale Verantwortung darstellen, da geringe Grundkompetenzen und eine geringe Beteiligung von Erwachsenen an Ausbildungsmaßnahmen ihre Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt verringern, soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten erzeugen und zu einem hohen Maß an Armut beitragen;

J.

in der Erwägung, dass das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage und der Fachkräftemangel große Herausforderungen für den Arbeitsmarkt und die Bildungssysteme der EU darstellen; in der Erwägung, dass in der Erwerbsbevölkerung ein erheblicher Mangel an digitalen Kompetenzen besteht und dass es 42 % der Unionsbürger an grundlegenden digitalen Kompetenzen fehlt (24); in der Erwägung, dass erhebliche Investitionen erforderlich sind, um den Mangel an digitalen Kompetenzen zu beheben;

K.

in der Erwägung, dass die heutige Generation junger Menschen hoch qualifiziert ist; in der Erwägung, dass Qualifizierung, Umschulung, Weiterbildung und lebensbegleitendes Lernen nicht die einzige Lösung sind, wenn es gilt, gegen den Mangel an Arbeitsplätzen für junge Menschen vorzugehen; in der Erwägung, dass zusätzliche Beschäftigungsmaßnahmen erforderlich sind, um die Schaffung hochwertiger und nachhaltiger Arbeitsplätze sicherzustellen; in der Erwägung, dass sich die Beschäftigungslandschaft rasch weiterentwickelt und Schätzungen zufolge 65 % der Kinder, die heute in die Grundschule kommen, letztendlich völlig neue Berufe ausüben werden, die es noch gar nicht gibt (25); in der Erwägung, dass im Jahr 2019 bereits 85 % der Bürger das Internet nutzten und nur 58 % zumindest über grundlegende digitale Kompetenzen verfügten (26);

L.

in der Erwägung, dass das Ziel des europäischen Grünen Deals, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, und das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 60 % zu senken, einen Übergang zu einer klimaneutralen und energieeffizienten Kreislaufwirtschaft bedeuten werden; in der Erwägung, dass sich dies grundlegend auf alle Wirtschaftszweige auswirken wird und die Umschulung der Arbeitskräfte und die Konzentration auf ökologische Kompetenzen auf allen Bildungswegen von entscheidender Bedeutung sein werden, um einen gerechten Übergang zu erreichen, bei dem niemand zurückgelassen wird;

M.

in der Erwägung, dass kritisches Denken neben den technologischen und digitalen Kompetenzen zu den Kernkompetenzen gehört, die Menschen im digitalen Zeitalter benötigen; in der Erwägung, dass es zwingend erforderlich ist, das kritische Denken aller Bürgerinnen und Bürger zu stärken, damit sie das volle Potenzial der digitalen Werkzeuge nutzen und sich vor ihren Gefahren schützen können;

N.

in der Erwägung, dass moderne, innovative und integrative Bildungssysteme, bei denen digitale Technologien im Mittelpunkt stehen, gut geeignet sind, um neue Generationen von Fachkräften auf künftige Herausforderungen und Chancen vorzubereiten;

O.

in der Erwägung, dass der gleichberechtigte Zugang zu hochwertigen und integrativen Qualifizierungs-, Weiterqualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen sowie zu Informationen über Kompetenzen, zu Beratung, Bildung und Berufsbildung für alle Menschen, auch für schutzbedürftige Gruppen, ältere Menschen und Menschen in benachteiligten städtischen Gebieten oder in dünn besiedelten und entvölkerten ländlichen und abgelegenen Gebieten und auf Inseln, für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz von wesentlicher Bedeutung ist; in der Erwägung, dass Untersuchungen von Eurofound zeigen, dass die Ungleichheit beim Zugang der Arbeitnehmer zu Weiterbildung zugenommen hat (27);

P.

in der Erwägung, dass sich in einigen EU-Ländern die Zeit, die Kinder für schulische Aktivitäten aufgewendet haben, während der COVID-19-Krise halbiert hat; in der Erwägung, dass die Schließung allgemeiner und beruflicher Bildungseinrichtungen, auch wenn sie nur vorübergehend ist, erhebliche Folgen für die Lernenden haben, sich negativ auf die Lernergebnisse auswirken und die bestehenden Ungleichheiten verstärken kann;

Q.

in der Erwägung, dass die Erwachsenenbildung im Gegensatz zum System der Schulpflicht eine freiwillige Verpflichtung ist, die aus persönlicher oder beruflicher Motivation eingegangen wird und eine größere Herausforderung für die Anbieter allgemeiner und beruflicher Bildung darstellt;

R.

in der Erwägung, dass es für Menschen, die über Kompetenzen auf dem neuesten Stand verfügen, leichter ist, auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt zu bleiben und sozial integriert zu sein, was auch für die psychische Gesundheit und das Leben von Millionen unserer Bürgerinnen und Bürger von grundlegender Bedeutung ist;

S.

in der Erwägung, dass es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede hinsichtlich der Kompetenzen gibt, aber geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf Wahlmöglichkeiten und berufliche Entwicklung bestehen;

T.

in der Erwägung, dass Strategien im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung und Kompetenzen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen; in der Erwägung, dass die EU eine wichtige Rolle bei der Unterstützung, Koordinierung und Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten in diesen Bereichen spielt; in der Erwägung, dass neue Herausforderungen die Inanspruchnahme europäischer Instrumente und die Unterstützung von Maßnahmen innerhalb des europäischen Bildungsraums erfordern; in der Erwägung, dass Programme der Union wie Erasmus+, die Europäische Jugendgarantie und das Europäische Solidaritätskorps eine wichtige Rolle bei der beruflichen Entwicklung junger Menschen spielen;

U.

in der Erwägung, dass digitale Technologien gleichwohl als Instrumente für die Bereitstellung hochwertiger allgemeiner und beruflicher Bildungsangebote betrachtet werden sollten; in der Erwägung, dass in Zukunft ein erhöhter Bedarf an digitalen Kompetenzen (Codierung, Logistik und Robotik) bestehen wird, und zwar nicht nur für die Ausbildung im IT-Bereich, sondern für den gesamten Lehrplan;

V.

in der Erwägung, dass Möglichkeiten der digital gestützten Schulung und Kompetenzentwicklung besser untersucht und erleichtert werden sollten, beispielsweise Online-Schulungen für schutzbedürftige Gruppen oder Mitarbeiter von KMU, die in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen regionalen Institutionen und Einrichtungen flexiblere Schulungsangebote benötigen;

W.

in der Erwägung, dass die Beteiligungsquoten an der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern unter drei Jahren in Europa in der Hälfte der EU-Länder immer noch unter 33 % liegen (28);

X.

in der Erwägung, dass Eurofound zufolge die Auswirkungen auf die Kompetenzen im Zusammenhang mit der Entwicklung digital unterstützter Geschäftsmodelle, wie der Arbeit auf Plattformen, besser untersucht und strategisch angegangen werden sollten, entweder durch die Beseitigung von Qualifikationsungleichgewichten und Dequalifizierung oder durch die Kompetenzentwicklung, beispielsweise von Querschnittskompetenzen und unternehmerischen Kompetenzen;

Y.

in der Erwägung, dass im Jahr 2019 10,2 % der 18- bis 24-Jährigen in der EU höchstens eine Sekundarstufe I abgeschlossen hatten und sich nicht in einer weiterführenden Bildung oder Ausbildung befanden (vorzeitige Schulabgänger) (29);

Z.

in der Erwägung, dass die wichtige Rolle, die das Lernen am Arbeitsplatz für die Nutzung und Entwicklung von Kompetenzen spielt, zwar seit langem anerkannt ist, die Europäische Unternehmenserhebung (ECS) 2019 aber zeigt, dass nur die wenigsten Unternehmen die Praxis am Arbeitsplatz kohärent verbinden, um die Nutzung von Kompetenzen zu optimieren und die Entwicklung von Kompetenzen zu fördern;

AA.

in der Erwägung, dass im Jahr 2017 72 % der Lehrkräfte in Europa Frauen waren; in der Erwägung, dass 9 % der in der EU tätigen Lehrkräfte jünger als 30 Jahre waren, während 36 % 50 Jahre oder älter waren (30);

1.

begrüßt die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Europäische Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz“, die Kompetenzen in den Mittelpunkt der politischen Agenda der EU rückt und sicherstellt, dass das im ersten Grundsatz der europäischen Säule sozialer Rechte verankerte Recht auf eine hochwertige und inklusive Aus- und Weiterbildung und lebenslanges Lernen für alle und in allen Bereichen und Wirtschaftszweigen in der gesamten Union verwirklicht wird;

2.

begrüßt die in der Mitteilung dargelegten zwölf Leitaktionen sowie die quantitativen Ziele, die bis 2025 erreicht werden sollen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, schutzbedürftigen Gruppen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, gering qualifizierten Erwachsenen, Minderheiten, einschließlich der Roma, sowie Menschen mit Migrationshintergrund einen breiten Zugang zu Qualifizierung und beruflicher Fortbildung zu ermöglichen; fordert die Kommission auf, zu untersuchen, wie dieses Recht umgesetzt werden kann, und einen Überwachungsmechanismus einzuführen, der die Mitgliedstaaten dazu anregt, nationale Aktionsprogramme einzurichten und regelmäßig nationale Berichte darüber vorzulegen, wie dieses Recht gewahrt wird;

3.

betont, wie wichtig der Zugang zu Ausbildung und Umschulung für Arbeitnehmer in Wirtschaftszweigen und Branchen ist, in denen grundlegende Veränderungen mit Blick auf den ökologischen und den digitalen Wandel stattfinden müssen; hebt hervor, dass Qualifikationen und zertifizierte Kompetenzen den Arbeitnehmern einen Mehrwert bieten, der ihre Position auf dem Arbeitsmarkt verbessert und es ihnen ermöglicht, an Arbeitsmarktübergängen teilzunehmen; fordert, dass die öffentliche Qualifikationspolitik auf die Anerkennung, Zertifizierung und Validierung von Qualifikationen und Kompetenzen ausgerichtet ist;

4.

hebt hervor, dass Kompetenzen und lebenslanges Lernen für nachhaltiges Wachstum, Produktivität, Investitionen und Innovation von entscheidender Bedeutung sind und daher Schlüsselfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, insbesondere von KMU, darstellen; hebt hervor, dass die enge Zusammenarbeit und der Austausch bewährter Verfahren zwischen allen einschlägigen Akteuren, die an der Entwicklung von Kompetenzen beteiligt sind, darunter Sozialpartner und alle Regierungsebenen, wesentlich ist, um sicherzustellen, dass jeder die auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft insgesamt erforderlichen Kompetenzen erwerben kann; betont in diesem Zusammenhang, dass aktuelle Daten, Informationen und Prognosen zum Qualifikationsbedarf und der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt, auch auf lokaler Ebene, erhoben werden müssen; unterstützt die Einführung des Kompetenzpakts, der darauf abzielt, die Maßnahmen der Unternehmen zur Weiterbildung und Umschulung der Arbeitskräfte in Europa zu verbessern; fordert lokale Kompetenzpakte, um Menschen aus den am stärksten von der COVID-19-Krise betroffenen Branchen besser zu erreichen und ihnen zu helfen, sich neu zu qualifizieren, damit sie auf dem Arbeitsmarkt aktiv bleiben;

5.

weist darauf hin, dass die Modernisierung der Systeme der beruflichen Aus- und Weiterbildung von entscheidender Bedeutung ist, um junge Menschen und Erwachsene auf den grünen und digitalen Wandel vorzubereiten und sicherzustellen, dass Arbeitnehmer der Kernaltersgruppe sowie ältere Arbeitnehmer die erforderlichen Kompetenzen erhalten und entwickeln, um die Beschäftigungsfähigkeit zu sichern und das Arbeitsleben zu verlängern; weist ferner darauf hin, dass diese Modernisierung für die Erholung von der COVID-19-Pandemie von entscheidender Bedeutung ist; begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Rates zur beruflichen Aus- und Weiterbildung für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz; unterstreicht, dass Programme der beruflichen Aus- und Weiterbildung zielgerichtet, zukunftsorientiert, zugänglich, durchlässig, auf EU-Ebene miteinander vernetzt und auf die Lernenden ausgerichtet sein, flexible individuelle Wege ermöglichen und Personen, die sich in beruflicher Aus- und Weiterbildung befinden, die Fähigkeiten vermitteln müssen, die sie benötigen, um aktive und demokratische Bürger zu werden und auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft erfolgreich zu sein; weist darauf hin, dass die Modernisierung der Programme der beruflichen Aus- und Weiterbildung mit einer Steigerung ihrer Attraktivität einhergehen muss, damit sich mehr junge Menschen dafür entscheiden; betont, wie wichtig bewährte Verfahren im Zusammenhang mit Systemen der dualen Ausbildung und der beruflichen Aus- und Weiterbildung sind, die zu strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt beitragen und zu einer höheren Beschäftigungsquote bei jungen Menschen führen könnten;

6.

ist der Ansicht, dass die Lehrlingsausbildung in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle spielen kann, da sie junge Menschen auf stark nachgefragte Arbeitsplätze vorbereitet und so zu ihrer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt beitragen kann; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die EU-Mittel zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu nutzen und die Arbeitgeber zu ermutigen, bezahlte Praktikums- und Ausbildungsprogramme für Berufsschüler zu schaffen und Wettbewerbe und Branchenturniere für sie zu veranstalten; fordert die Unternehmen auf, die Weiterqualifizierung und Umschulung ihrer Arbeitskräfte sicherzustellen und das Angebot an Lehrstellen im Einklang mit dem Qualitätsrahmen für Praktika und dem Europäischen Rahmen für eine hochwertige und nachhaltige Lehrlingsausbildung zu verbessern; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, bestehende europäische Instrumente wie den Qualitätsrahmen für Praktika und den Europäischen Rahmen für eine hochwertige und nachhaltige Lehrlingsausbildung zu überprüfen und Qualitätskriterien für die Angebote einzuführen, einschließlich des Grundsatzes der angemessenen Entlohnung für Auszubildende und Praktikanten sowie des Zugangs zu sozialem Schutz, nachhaltiger Beschäftigung und sozialen Rechten; betont, dass diese Kriterien den Übergang von Praktikanten und Lehrlingen in stabile und hochwertige Beschäftigungsverhältnisse sicherstellen und für geschlechterbezogene Chancengleichheit für Menschen in allen Branchen sowie für Möglichkeiten sorgen würden, die langfristige Sicherheit, sozialen Schutz und gleiche und angemessene Arbeitsbedingungen bieten und nicht zur Schaffung prekärer Beschäftigungsverhältnisse beitragen;

7.

weist darauf hin, dass berufliche Kompetenzen zu den treibenden Kräften der europäischen Wirtschaft gehören, und fordert eine Korrelation zwischen konventioneller Bildung und beruflicher Aus- und Weiterbildung, wobei die Entwicklung von Fertigkeiten in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, entweder als zentraler Schwerpunkt oder als Ergänzung der sowohl für Schüler und Studierende als auch für Erwachsene zur Verfügung stehenden Optionen, die verfügbaren Möglichkeiten für Arbeitssuchende verbessern kann, die berufliche Mobilität fördern und die Resilienz des Arbeitsmarktes in Krisensituationen verbessern würde;

8.

rät der Kommission, Empfehlungen an die Mitgliedstaaten abzugeben, die die berufliche Aus- und Weiterbildung in eine Beziehung zur Kompetenzagenda setzen, wobei die nationalen Kompetenzen und das Subsidiaritätsprinzip zu berücksichtigen sind und der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Berufsberatung in der beruflichen Ausbildung und der Maximierung der Möglichkeiten liegen sollte, die europäischen Jugendlichen für ihre Kompetenzentwicklung zur Verfügung stehen; begrüßt in diesem Zusammenhang den Beitrag, den Cedefop und Eurofound zu diesem Thema geleistet haben;

9.

betont, dass es von größter Bedeutung ist, Lehrkräfte und Ausbilder durch die Annahme eines wirksamen Maßnahmenpakets aktiv zu unterstützen, um sicherzustellen, dass sie für den digitalen und grünen Wandel von Schulen und Bildungseinrichtungen gut vorbereitet und qualifiziert sind; ist der Ansicht, dass die Bildungsgewerkschaft an der Festlegung der erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen beteiligt werden muss, die von Lehrkräften und Ausbildern im Rahmen der beruflichen Erstausbildung und kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung in Bezug auf den grünen und digitalen Wandel erworben werden müssen; ist der Ansicht, dass die Investitionen in die öffentliche Bildung deutlich aufgestockt werden müssen und dass der soziale Dialog mit den Gewerkschaften eine wichtige Säule sein muss, um für die Fachkräfte im Bildungs- und Ausbildungswesen angemessene Gehälter, Renten und faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten;

10.

betont, dass das System zur Antizipation des Kompetenzbedarfs unter Einbeziehung der Sozialpartner verbessert werden muss, um neu auftretende Veränderungen hinsichtlich der Qualifikationserfordernisse besser erkennen zu können, bei Bedarf die allgemeine, branchen- und berufsspezifische Qualifikation zu gewährleisten und Qualifikationsengpässe sowie Ungleichgewichte bei den Qualifikationen zu minimieren; begrüßt in diesem Zusammenhang die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen, um die Erkenntnisse über Kompetenzen zu verbessern; betont, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Big-Data-Analysen bei der Erfassung von Daten über Kompetenzen im Rahmen der Ausarbeitung neuer Anforderungsprofile regelmäßig und systematisch überwacht werden muss, um Verzerrungen sowie direkte und indirekte Diskriminierung zu verhindern, und dass Korrekturmaßnahmen sichergestellt werden sollten; hebt hervor, dass die frühzeitige Stärkung der Berufsberatung und des gleichberechtigten Zugangs zu Informationen für Studierende und erwachsene Lernende ihnen dabei helfen kann, geeignete Bildungs- und Berufswege zu wählen, die zu Beschäftigungsmöglichkeiten führen, die ihren Interessen, Talenten und Kompetenzen entsprechen, und das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage zu verringern; betont, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsvermittlungs- und Sozialdiensten ist, um Menschen zu ermitteln und zu unterstützen, die kürzlich ihren Arbeitsplatz verloren haben oder von Arbeitsplatzverlust bedroht sind; hebt hervor, wie wichtig eine lebensbegleitende Beratung im Rahmen der europäischen Kompetenzagenda ist, und dass der Zugang zu hochwertiger Beratung verbessert werden muss;

11.

begrüßt die Empfehlung an die Mitgliedstaaten, Frühwarnsysteme auszubauen, damit junge Menschen ermittelt werden können, die Gefahr laufen, in die Gruppe der NEET (junge Menschen, die weder arbeiten noch eine Schule besuchen oder eine Ausbildung absolvieren) abzurutschen; ist davon überzeugt, dass gut durchgeführte Präventivmaßnahmen wie Kompetenzbewertungen und Berufsberatung, bei denen der Schwerpunkt darauf liegt, Schulabbrechern zu helfen, einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu finden, bevor sie arbeitslos werden, und ein inklusives und diskriminierungsfreies allgemeines Bildungsangebot langfristig zu einer Verringerung der NEET führen könnten;

12.

betont, dass die Rolle der Sozialpartner gestärkt werden muss, indem sichergestellt wird, dass die politischen Maßnahmen im Bereich Kompetenzen Tarifverträge über die Definition und Regulierung der Kompetenzen und die Weiterbildung fördern, indem die Sozialpartner zum Kompetenzbedarf und zur Aktualisierung der Lehrpläne für die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung konsultiert werden und indem die Ausbildung am Arbeitsplatz gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern gestaltet wird, um sie an die Bedürfnisse der Arbeitskräfte anzupassen;

13.

fordert die Kommission auf, im Einklang mit den Zielen und der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte einen Indikator für Qualifikationsdefizite in das sozialpolitische Scoreboard einzufügen, der für politische Entscheidungsträger auf nationaler Ebene nützlich sein kann, um festzustellen, in welchen Bereichen weitere Anstrengungen erforderlich sind, und um eine bessere Koordinierung auf EU-Ebene zu erreichen, wobei die Entwicklungen und Fortschritte bei den Qualifikationsdefiziten verfolgt und Anreize für eine Aufwärtskonvergenz zwischen den Mitgliedstaaten geschaffen werden sollten;

14.

vertritt die Ansicht, dass die gegenseitige Anerkennung von Lernergebnissen, Diplomen, Berufsqualifikationen und Kompetenzen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Wohnsitzes erworben wurden, verbessert werden muss und dazu beitragen wird, den Fachkräftemangel und die Diskrepanz zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage zu beseitigen; ist der Auffassung, dass Erwachsene dadurch ferner in die Lage versetzt werden, vollwertige Qualifikationen zu erwerben, die Mobilität gefördert, ein stärker integrierter und widerstandsfähigerer Arbeitsmarkt in der EU geschaffen und die Wettbewerbsfähigkeit Europas gestärkt wird; betont, wie wichtig es ist, die Diskrepanz zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage zu bewältigen, indem die Mobilität der Lernenden und die grenzüberschreitende Anerkennung von Qualifikationen durch eine bessere Nutzung von Instrumenten wie dem Europäischen Qualifikationsrahmen, dem Europass-Lebenslauf, dem Europäischen Leistungspunktesystem für die Berufsbildung (ECVET), dem Kompetenzpanorama, der europäischen Klassifizierung für Fähigkeiten, Kompetenzen, Qualifikationen und Berufe (ESCO) und dem Europäischen Netz der Arbeitsvermittlungen (EURES) erleichtert werden; begrüßt die Mitteilung der Kommission über die Verwirklichung des Europäischen Bildungsraums bis zum Jahr 2025;

15.

betont, dass viele Bürgerinnen und Bürger außerhalb des formalen Bildungs- oder Ausbildungssystems wertvolle Kompetenzen erwerben und Erfahrungen sammeln, wie beispielsweise Pflegepersonen, die Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen betreuen; ist der Ansicht, dass diese informellen Kompetenzen anerkannt werden sollten, da sie dazu beitragen können, dass Pflegepersonen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten;

16.

fordert die vollständige Umsetzung der Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, da der darin enthaltene gemeinsame Ausbildungsrahmen die Zahl der Fachkräfte erhöhen kann, die von dem automatischen System der Anerkennung profitieren, und dessen Korrelation mit der Entwicklung eines digitalen und gesamteuropäischen EU-Qualifikationspasses durch die Europäische Kommission unterstützt;

17.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Anstrengungen zu verstärken, um ausländische Studierende nach ihrem Abschluss an einer Universität der EU zu halten; betont, dass die Attraktivität der EU insgesamt gesteigert werden könnte, wenn Hochschulabsolventen Zugang zu Mobilität innerhalb der EU und ein Visum für Arbeitsuchende gewährt wird;

18.

fordert, die Blockade des aktuellen Vorschlags einer Blauen Karte aufzuheben, um den europäischen Unternehmen die Kompetenzen zu vermitteln, die sie benötigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben oder zu werden;

19.

stellt fest, dass die COVID-19-Pandemie verdeutlicht hat, wie wichtig sowohl grundlegende als auch fortgeschrittene digitale Kompetenzen und belastbare Bildungssysteme sind, die die Fähigkeit zur Anpassung zwischen Präsenz-, Fern- und Online-Unterricht sowie hybriden Unterrichtsmethoden besitzen; stellt ferner fest, dass die COVID-19-Pandemie den Qualifikationsbedarf auf dem Arbeitsmarkt verändert hat, wodurch der Mangel an digitalen Kompetenzen verstärkt und die bereits bestehenden Ungleichheiten und Defizite im Bildungsbereich verschärft wurden; betont, dass jeder Bürger zumindest über grundlegende digitale Kompetenzen verfügen muss und dass hochqualifizierte Fachkräfte ausgebildet und mit fortgeschrittenen digitalen Kompetenzen sowie innovativem und unternehmerischem Denken ausgestattet werden müssen;

20.

bedauert, dass nach wie vor geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich des Zugangs von Frauen zur Entwicklung von Kompetenzen und der Beteiligung am Arbeitsmarkt bestehen (31); betont, dass zu den wichtigsten Herausforderungen für Frauen Hindernisse bei der allgemeinen und beruflichen Bildung in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), soziokulturelle und wirtschaftliche Zwänge, insbesondere in der ländlichen und informellen Wirtschaft, sowie ein gravierender Mangel bei der Förderung der Chancengleichheit für Frauen bei der Wahl von häufig durch Männer dominierten Berufen gehören; fordert die Kommission auf, Mentoring-Netzwerke zu fördern und damit mehr weibliche Vorbilder zu schaffen, die Frauen ermutigen, alternative Entscheidungen zu klassisch geschlechterstereotypen Berufen zu treffen (32); fordert die Vermeidung von Stereotypen und geschlechtlicher Stereotypisierung durch Ausbildung, da dies mit der Beschäftigungsfähigkeit verknüpft ist und einen Teufelskreis schafft, wodurch ausgeprägte geschlechtsspezifische Diskrepanzen auf dem Arbeitsmarkt aufrechterhalten werden; betont, dass 90 % der Arbeitsplätze grundlegende digitale Kompetenzen erfordern und dass Frauen nur 17 % der Studierenden in Studiengängen und Berufen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in der EU (33) und nur 36 % der Absolventen von MINT-Studiengängen (34) ausmachen‚ obwohl Mädchen bei der digitalen Kompetenz besser abschneiden als Jungen (35);

21.

hebt hervor, dass die Bildung und die Entwicklung von Kompetenzen wichtig sind, um gegen geschlechtsspezifische Verzerrung vorzugehen und die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern, und fordert verstärkte Anstrengungen auf nationaler und europäischer Ebene, um das unausgewogene Geschlechterverhältnis zu beseitigen und sicherzustellen, dass Frauen der Zugang zu hochwertigen lebenslangen Lern- und Bildungsangeboten ermöglicht wird, insbesondere nach Abwesenheitszeiten aus Betreuungsgründen; betont, dass geschlechtersensible Einstellungs- und Auswahlverfahren im öffentlichen Sektor und in der Privatwirtschaft und insbesondere in zukunftsorientierten Wirtschaftszweigen wie dem MINT-Sektor und der digitalen Wirtschaft, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, erforderlich sind; hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nicht nur der betroffenen Person, sondern auch der Gesellschaft insgesamt schadet; weist darauf hin, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit die Auswirkungen der Krise das Geschlechtergefälle nicht verstärken, die unverhältnismäßigen und dauerhaften Auswirkungen auf die Rechte, das Einkommen und den sozialen Schutz von Frauen abgemildert und weitere Ungleichheiten und Diskriminierung in der Arbeitswelt verhindert werden, wobei dem stark geschlechtsspezifischen Arbeitsmarkt, dem digitalen und grünen Wandel und der ungleichen Verteilung der unbezahlten Haushalts- und Pflegeaufgaben besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist;

22.

betont, dass gleiche Chancen für alle von entscheidender Bedeutung sind, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, es zu einer Priorität zu machen, den Mangel an digitalen Kompetenzen zu beheben, indem sichergestellt wird, dass gefährdete Regionen und benachteiligte Bürgerinnen und Bürger sowie Menschen, die von sozialer Ausgrenzung bedroht sind, einschließlich Menschen mit Behinderungen oder Angehörige ethnischer Minderheiten, Zugang zu digitaler allgemeiner und beruflicher Bildung, die mindestens erforderliche Hardware, einen umfassenden Zugang zum Internet, digitale Unterstützung und andere technologische Lernmittel erhalten; hebt hervor, dass diese Menschen unterstützt werden müssen, um die digitalen Kompetenzen zu steigern, die sie benötigen, um erfolgreich zu sein und zu vermeiden, dass sich die Ungleichheiten vertiefen, wobei sichergestellt werden muss, dass niemand zurückgelassen wird;

23.

nimmt mit großem Interesse die Chancen und Herausforderungen zur Kenntnis, die sich aus der Verbreitung digitaler Lösungen wie der Telearbeit ergeben, für die die Entwicklung digitaler Kompetenzen von entscheidender Bedeutung ist; weist erneut auf die Bedeutung eines europäischen Rechtsrahmens hin, der darauf ausgerichtet ist, die Bedingungen für Telearbeit und das Recht auf Nichterreichbarkeit in der gesamten Union zu regeln und menschenwürdige Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in der digitalen Wirtschaft zu gewährleisten, die durch den Erwerb neuer Kompetenzen angetrieben wird;

24.

hebt die zahlreichen Möglichkeiten hervor, die das digitale Arbeiten bietet, um die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer, einschließlich derjenigen, die bald das Renteneintrittsalter erreichen, und die Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu verbessern; bedauert, dass Menschen mit Behinderungen nach wie vor auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden und dass ihr mangelnder Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung allzu häufig für ihre Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt verantwortlich sein kann; fordert, dass die Kommission in ihren Empfehlungen an die Mitgliedstaaten einen besonderen Schwerpunkt auf Möglichkeiten legt, den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu digitaler Qualifikation oder Umschulung zu verbessern und dies mit den neuen Bedürfnissen der entstehenden digitalen Weltwirtschaft zu koordinieren;

25.

stellt fest, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten im Rahmen der zunehmenden Telearbeit die Kompetenzen, die diese neue Art der Arbeit fördert, in den Mittelpunkt ihrer Strategien stellen müssen; unterstreicht, dass Fernunterricht und Fernschulen sowohl für die Akteure im Bildungswesen als auch für Bildungsempfänger eine Herausforderung darstellen und dass die Kompetenzen, die für die Durchführung von Fernunterricht und die Ausbildung der Ausbilder und der Akteure im Bildungswesen erforderlich sind, für Europa derzeit eine kurzfristige Priorität darstellen;

26.

fordert die Kommission auf, das Ausbildungsangebot für Arbeitskräfte, die Kurzarbeiter- oder Teilarbeitslosengeld erhalten, auch mithilfe des Programms SURE zu unterstützen; fordert die Mitgliedstaaten auf, geeignete Ausbildungsmaßnahmen für betroffene Arbeitskräfte anzubieten;

27.

fordert die Arbeitgeber auf, die betriebliche Praxis, in deren Rahmen die Kompetenzen der Arbeitskräfte genutzt werden und die Entwicklung von Kompetenzen unterstützt wird, anzupassen, indem sie sich auf die Ausbildung der nächsten Generation von Führungskräften im Hinblick auf den Einsatz organisatorischer Verfahren, die die Nutzung und Entwicklung von Kompetenzen wirksam einsetzen, sowie auf die Unterstützung nationaler Regierungen und Sozialpartner konzentrieren, indem sie Netzwerke und unterstützende Strukturen entwickeln, die Organisationen hinsichtlich der für ihre Umstände am besten geeigneten Verknüpfung betrieblicher Praxis beraten;

28.

fordert, die Anerkennung, Validierung und Übertragbarkeit von Kenntnissen im Bereich des nichtformalen und informellen Lernens, einschließlich der Kenntnisse, die in digital gestützten Beschäftigungsformen wie der Arbeit auf Plattformen entwickelt wurden;

29.

fordert sofortige und mutige europäische nationale, regionale und lokale Maßnahmen, Bewertungsmechanismen und Mittel, um digitale Kompetenzen in den Mittelpunkt der Strategien für allgemeine und berufliche Bildung zu rücken und gleichzeitig ein hohes Maß an Lesekompetenz und mathematischen Kenntnissen bei den Lernenden zu gewährleisten, indem digitale Kompetenzen, IT-Instrumente und Internetzugänge für alle verfügbar gemacht, die digitalen Kompetenzen von Lehrkräften und Ausbildern verbessert und Schulen, Ausbildungseinrichtungen, Berufsbildungsanbieter, Organisationen, die im Bereich der Erwachsenenbildung tätig sind, und Hochschulen mit öffentlichen und unabhängigen Online-Lernplattformen und anderen Technologien ausgestattet werden, die für Online- und Fernunterricht sowie für gemischte Lernmodule erforderlich sind; betont in diesem Zusammenhang, wie wichtig ein echter Ansatz des lebenslangen Lernens ist; unterstützt die geplanten Maßnahmen der Kommission, wie sie in der Kompetenzagenda und im Aktionsplan für digitale Bildung 2021–2027 festgelegt sind, und fordert eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten in diesem Bereich; betont, dass Anreize für die Entwicklung digitaler Lerninhalte und Kernlehrplanmodule im Einklang mit den Arbeitsmarktbedürfnissen wichtig sind, auch über Online-Schulungsplattformen, wobei der Schwerpunkt auf digitalen und ökologischen Kompetenzen liegt;

30.

stellt mit Bedauern fest, dass es in Europa nach wie vor Kinder gibt, die keinen Zugang zu Bildung haben, sowie Schüler und Studierende, die keinen oder keinen angemessenen Zugang zu digitaler Bildung haben, weil keine oder keine angemessene digitale Ausrüstung, Software oder Internetverbindung vorhanden ist; bekräftigt die Notwendigkeit, die Konnektivität auf allen Ebenen zu verbessern, insbesondere in ländlichen und abgelegenen Gebieten, in denen sie häufig fehlt, und den Zugang zu digitalen Geräten zu verbessern; weist auf die fortschrittlichsten Innovationen bei Computern, Tablets und Software für Lehrzwecke in der Union hin;

31.

unterstreicht, dass die Auswirkungen von COVID-19 eine einzigartige Gelegenheit bieten, die digitale und technologische Revolution im Bereich des lebenslangen Lernens zu beschleunigen, wodurch nach Möglichkeit physische Barrieren überwunden und die Reichweite und Wirkung erheblich gesteigert werden können; fordert die Mitgliedstaaten und Bildungsträger auf, die Möglichkeiten des ortsunabhängigen Lernens zu verbessern und Studierenden in abgelegenen und ländlichen Gebieten oder im Ausland ohne örtliche Beschränkungen einen Zugang zu Kursen in der gesamten EU zu ermöglichen;

32.

betont, dass europäische und nationale Maßnahmen, einschließlich Bildungsprogramme und gezielte Investitionen, mit dem letztendlichen Ziel entwickelt und umgesetzt werden sollten, die Bereitschaft und Vorbereitung der Bürgerinnen und Bürger auf künftige Arbeitsplätze, die digitale Kompetenzen erfordern, zu gewährleisten, um das Potenzial des digitalen Wandels auf dem EU-Arbeitsmarkt voll auszuschöpfen und es Unternehmen zu ermöglichen, neue Arbeitsmethoden wie Telearbeit in vollem Umfang zu nutzen;

33.

weist auf die Notwendigkeit hin, die Initiative Netzwerke Europäischer Hochschulen und ihr Ziel, Standards für die Hochschulbildung in der EU festzulegen, weiter zu präzisieren; bekräftigt, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen immer auf einem von der Basis ausgehenden Ansatz, akademischer Unabhängigkeit und Exzellenz beruht hat und dass der Bologna-Prozess ein wichtiges Instrument für die universitäre Zusammenarbeit in der EU und darüber hinaus ist;

34.

stellt fest, dass der Übergang zu einer grünen Wirtschaft eine wichtige Triebkraft für die Nachfrage nach Arbeitskräften in allen Branchen ist und Millionen von Arbeitsplätzen schaffen kann; weist darauf hin, dass ein erfolgreicher Übergang zu einer grünen Wirtschaft mit Maßnahmen zur Qualifizierung, Weiterqualifizierung und Umschulung einhergehen muss, um die für eine umweltverträgliche Wirtschaft erforderlichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Kompetenzen zu entwickeln; begrüßt in diesem Zusammenhang die Maßnahmen der Kommission zur Förderung des Erwerbs von Kompetenzen für den grünen Wandel; fordert, dass rasch gehandelt wird, um Qualifikationsengpässe in diesem Bereich zu vermeiden und es der EU zu ermöglichen, weltweit weiterhin eine Führungsrolle im Bereich der umweltverträglichen Wirtschaft einzunehmen; fordert die Mitgliedstaaten und die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften auf, die nachhaltige Entwicklung sowie ökologische Kenntnisse und Kompetenzen in die Bildungs- und Ausbildungssysteme aufzunehmen;

35.

hebt hervor, dass die Mobilität von Studierenden und Lehrkräften eines der wichtigsten Instrumente ist, um Ideen und bewährte Verfahren auszutauschen und die Qualität der Ausbildung in der gesamten Union zu verbessern; besteht darauf, dass diese Mobilität zugänglich und integrativ sein muss; stellt fest, dass die physische Mobilität zwar stets eine vorrangige Rolle einnehmen sollte, virtuelles Lernen jedoch als Ergänzung und, wie die COVID-19-Maßnahmen gezeigt haben, im Extremfall auch als Ersatz, zunehmend an Bedeutung gewinnt;

36.

stellt fest, dass kreative und künstlerische Fähigkeiten für die Wirtschaft von wesentlicher Bedeutung sind, und fordert die Einführung eines stärker horizontal ausgerichteten Ansatzes im Rahmen der Kompetenzagenda, um sie in alle Lehrpläne aufzunehmen;

37.

hebt hervor, dass für die Umsetzung der Kompetenzagenda eine angemessene Finanzierung sowohl auf europäischer als auch auf nationaler und lokaler Ebene erforderlich ist; erwartet, dass der Mehrjährige Finanzrahmen 2021–2027 und das Aufbauinstrument Next Generation EU eine deutliche Aufstockung der Ressourcen für die Entwicklung von Kompetenzen vorsehen; weist darauf hin, dass die Weiterqualifizierung und Umschulung in erster Linie in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und der Unternehmen fallen, und fordert die Mitgliedstaaten daher auf, verstärkt in die Entwicklung von Kompetenzen und mehr Haushaltsmittel im Bereich Bildung zu investieren, da erhebliche Investitionen in Humankapital von entscheidender Bedeutung sind, um die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz sicherzustellen;

38.

unterstreicht die Bedeutung von Programmen und Instrumenten wie Erasmus+, Horizont Europa, dem Europäischen Solidaritätskorps, Kreatives Europa, dem Programm „Digitales Europa“, der Jugendgarantie und der Kindergarantie für die Unterstützung junger Menschen und Erwachsener beim Erwerb neuer Kompetenzen und hochwertiger Qualifikationen, die in der digitalen und grünen Wirtschaft und in der Arbeitswelt erforderlich sind, und bei der Bereitstellung von Möglichkeiten der Lernmobilität; fordert, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten das Potenzial dieser Programme kontinuierlich ausloten, um die dauerhafte Korrelation zwischen den Qualifikationen und Anforderungen des Arbeitsmarktes zu fördern;

39.

betont die potenziellen Chancen, die das Programm Erasmus+ insbesondere im Bereich der Erwachsenenbildung bietet, sowie die Notwendigkeit, die Mittelausstattung des Programms für 2021–2027 zu erhöhen;

40.

fordert die Mitgliedstaaten auf, der Umschulung und Weiterbildung im Rahmen ihrer Aufbau- und Resilienzpläne Vorrang einzuräumen; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass der Fonds für einen gerechten Übergang und der ESF+ über ausreichende Finanzmittel verfügen und integrierte Pläne auf lokaler Ebene unterstützen, um die Umschulung und Weiterbildung insbesondere für die am stärksten gefährdeten Gruppen — einschließlich der von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen — zu fördern und um sicherzustellen, dass sich jeder in gefährdeten Branchen neu qualifizieren und neue Fähigkeiten entwickeln kann, um auf dem Arbeitsmarkt aktiv zu bleiben und vom grünen und digitalen Wandel zu profitieren; verweist auf das Potenzial individueller Lernkonten, eines Finanzierungsmechanismus, der für die Umsetzung der Kompetenzagenda als Schritt in Richtung allgemeiner Ansprüche auf lebenslanges Lernen, von entscheidender Bedeutung ist;

41.

unterstreicht, dass die Berufs- und Laufbahnberatung unverzichtbar ist, um eine motivierte, kluge Berufswahl zu unterstützen und zu verhindern, dass Lernende die Schule oder die Ausbildung vorzeitig beenden, und dass die Unterstützung während des Studiums und der Ausbildung darüber hinaus für einen erfolgreichen Bildungsweg und die Entwicklung von Kompetenzen von entscheidender Bedeutung ist; bestärkt die Kommission und die Mitgliedstaaten darin, die Verfügbarkeit einer solchen Beratung, die die Entwicklung unternehmerischer Kompetenzen umfasst, für junge Menschen sicherzustellen;

42.

betont, wie wichtig Investitionen in formale und informelle Ausbildung sowie in lebenslanges Lernen sind, um eine gerechte Ausbildung und einen gerechten Übergang der Arbeitskräfte sowie die Förderung der Ausbildung und des Lernens während der Arbeitszeit sicherzustellen;

43.

stellt fest, dass der Europäische Sozialfonds+ die wichtigste Finanzierungsquelle für die Bildung in der EU ist, und betont, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass diese Mittel, insbesondere in Krisenzeiten, für diesen Zweck verfügbar bleiben;

44.

fordert die Einführung politischer Maßnahmen für einen bezahlten Bildungsurlaub gemäß dem Übereinkommen der IAO über den bezahlten Bildungsurlaub, die es den Arbeitnehmern ermöglichen, während der Arbeitszeit an Bildungsmaßnahmen teilzunehmen, ohne dass persönliche Kosten entstehen, und somit das lebenslange Lernen zu fördern;

45.

betont, dass Bildungs-, Informations-, Beratungs- und Motivationsstrategien sowie die Systeme des lebenslangen Lernens von hoher Qualität sowie inklusiv, flexibel und für alle zugänglich sein müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt, die soziale Inklusion und die Chancengleichheit zu fördern; fordert die Kommission und insbesondere die Mitgliedstaaten auf, den gleichberechtigten Zugang zu hochwertiger Bildung zu gewährleisten und den Zugang zu hochwertigen Programmen im Bereich Kompetenzentwicklung für erwachsene Lernende, darunter Erwachsene mit geringem Qualifikationsniveau und geringen Kompetenzen, sowie benachteiligte Gruppen und schutzbedürftige Bürger wie Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Wohnungslose, junge Menschen, die weder arbeiten noch eine Schule besuchen oder eine Ausbildung absolvieren (NEET), und Menschen mit Migrationshintergrundunabhängig zu erleichtern; hebt hervor, dass das Bewusstsein für die Bedeutung der lebenslangen Entwicklung von Kompetenzen für den persönlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen geschärft werden muss; fordert die Einbeziehung verschiedener Interessenträger im Bildungsbereich, darunter Sozialdienste, die Zivilgesellschaft und nicht formale Bildungsanbieter, um diejenigen zu ermitteln und zu erreichen, die am weitesten vom Arbeitsmarkt entfernt sind; unterstreicht, dass innovative ortsbezogene Lösungen erforderlich sind, um zu überdenken, wie Kompetenzdefizite und die Diskrepanz zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage zu bewältigen sind;

46.

betont, dass das Potenzial der Teilnehmenden am Bildungswesen in der Praxis gesteigert werden kann, und betont in diesem Zusammenhang, wie wichtig es ist, den Einfluss der Arbeitgeber auf das Modell des beruflichen Ausbildungssystems zu erhöhen; betont, dass die Arbeitgeber eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von Möglichkeiten für Lehrkräfte und Ausbilder sowie von Praktika in Unternehmen spielen und somit zur Verbesserung der beruflichen Kompetenzen von Lehrkräften und Ausbildern beitragen sollen; fordert eine engere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Bildung auf allen Ebenen, indem Praktikums- und Ausbildungsprogramme in Unternehmen für Lernende und Studierende der beruflichen Aus- und Weiterbildung angeboten werden;

47.

betont, wie wichtig es ist, die Menschen in ländlichen und abgelegenen Gebieten zu erreichen und Qualifizierungs- und Umschulungsmöglichkeiten für Menschen, die in der Landwirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaft und anderen Berufen in diesen Regionen tätig sind, zugänglicher zu machen und stärker auf diese Menschen zuzuschneiden, sie mit grünen, digitalen und allen erforderlichen Kompetenzen auszustatten, damit sie die gegenwärtigen und zukünftigen Chancen der grünen und blauen Wirtschaft besser nutzen können, und sie in die Lage zu versetzen, einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Umwelt zu leisten;

48.

weist darauf hin, dass außerschulische Programme und nichtformales und informelles Lernen, einschließlich ehrenamtlicher Tätigkeiten, wichtig sind, um der Mehrheit der Menschen, die sich außerhalb der Reichweite der formalen Bildung befinden, anpassungsfähige Lernmöglichkeiten sowie neue Kompetenzen und Kenntnisse zu bieten;

49.

betont, dass die Attraktivität des Lehrerberufs gesteigert und der hohe soziale Status der Lehrkräfte als strategische Richtung für die Maßnahmen in den einzelnen EU-Ländern betrachtet werden muss; betont, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten der Gewinnung der besten Bewerber für den Lehrerberuf sowie der Verbesserung der Qualifikationen und der Weiterqualifizierung von älteren Lehrkräften Vorrang einräumen sollten;

50.

hebt hervor, dass die Weiterqualifizierung und die Umschulung in erster Linie in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen; ist der Ansicht, dass für die Verwirklichung des ökologischen und des digitalen Wandels eine echte Chance für die und ein echter Nutzen in der Entwicklung einer EU-weiten zentralen Anlaufstelle für High-Tech-Kompetenzen besteht, die bewährte Verfahren und die Aus- und Weiterbildung im High-Tech-Bereich unter Federführung der Industrie koordiniert und einen datengesteuerten Ansatz nutzt, um den Qualifikationsbedarf in der gesamten EU zu ermitteln;

51.

betont die Bedeutung bereichsübergreifender, zwischenmenschlicher und interkultureller Fähigkeiten sowie digitaler und technischer Kompetenzen, wenn es darum geht, eine ganzheitliche Ausbildung sicherzustellen, gegenwärtige und künftige globale Herausforderungen zu bewältigen und den digitalen Wandel und den Übergang zu einer grünen Wirtschaft zu fördern, um sie integrativer und gerechter zu gestalten;

52.

verweist auf die geplanten Maßnahmen der Kommission zur Förderung von „Skills for Life“ (Kompetenzen für das Leben), insbesondere die Aktualisierung der europäischen Agenda für die Erwachsenenbildung; fordert die Kommission auf, diesen Schwerpunkt zu vertiefen, indem sie Lebenskompetenzen in alle Bildungs- und Ausbildungsbereiche einbettet; betont, dass Lebenskompetenzen auch außerhalb der Anforderungen des Arbeitsmarkts zu verstehen sind; hebt hervor, dass alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu Kompetenzen für die persönliche Entwicklung haben sollten, um in der sich schnell verändernden Gesellschaft von heute handlungsfähig zu sein; weist darauf hin, dass dies besonders wichtig ist, um die Resilienz der Bürgerinnen und Bürger in Krisenzeiten zu stärken, in denen auf das Wohlergehen geachtet werden muss; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, der Entwicklung persönlicher Kompetenzen, wie etwa analytische Fähigkeiten, emotionale Intelligenz, Führungsstärke, unternehmerische und finanzielle Kompetenzen, Befähigung zu aktiver Mitgestaltung, Teamarbeit, Kommunikation, Zusammenarbeit, Verantwortung, Anpassungsfähigkeit, Kreativität, Innovation, kritisches Denken und Sprachkenntnisse, die für bürgerschaftliches Engagement und die Arbeitswelt in der Zeit nach der COVID-19-Krise noch weiter an Bedeutung gewinnen werden, besondere Aufmerksamkeit zu widmen;

53.

weist darauf hin, dass es in einer alternden Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist, lebenslanges Lernen sicherzustellen und eine Kultur des lebenslangen Lernens von jungen Jahren bis ins fortgeschrittene Alter zu verankern; weist darauf hin, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unter älteren Menschen in der EU weiterhin wichtig ist; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ein stärkeres Augenmerk auf ältere Arbeitnehmer zu richten und dafür Sorge zu tragen, dass sie an maßgeschneiderten Programmen der Weiterqualifizierung und Umschulung teilnehmen können, die es ihnen ermöglichen, sich an einen sich wandelnden Qualifikationsbedarf anzupassen und somit länger auf dem Arbeitsmarkt aktiv zu bleiben sowie eine gute Lebensqualität und ein ausreichendes Maß an Unabhängigkeit zu genießen; betont, dass besonderes Augenmerk darauf gelegt werden sollte, die digitalen Kompetenzen und Technologien, die auch neue Ansätze und Möglichkeiten für die Bildung von Erwachsenen und älteren Menschen eröffnen können, zu verbessern, den Internetzugang sicherzustellen und die digitale Infrastruktur, insbesondere in ländlichen und abgelegenen Gebieten, zu verbessern; verweist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Gemeindezentren, Bibliotheken und maßgeschneiderten Lösungen des ortsunabhängigen Lernens, um das lebenslange Lernen für ältere Menschen zugänglicher zu machen; betont, dass die älteren Generationen aufgrund ihrer Erfahrung auch eine wertvolle Ressource sind, und dass sie ermutigt werden sollten, diese zu teilen, um die Kompetenzen jüngerer Generationen von Arbeitnehmern zu steigern;

54.

betont, dass die Zahl der Kinder unter drei Jahren, die an der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung (FBBE) teilnehmen, erhöht und der Entwicklung in den ersten Lebensjahren eines Kindes, den Forschungskompetenzen und einem kreativen Ansatz für das Lernen über die Welt mehr Bedeutung beigemessen werden muss; weist darauf hin, dass der frühe Beginn der Vorschulerziehung einen erheblichen Einfluss auf die Erzielung besserer Ergebnisse in den späteren Bildungsstufen hat und die unausgewogene Teilnahme an der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung zu Unterschieden hinsichtlich der Möglichkeiten und schulischen Aktivitäten beitragen kann, die Kindern in den frühesten Entwicklungsstadien zur Verfügung stehen;

55.

betont, dass die von der Kommission angekündigten Maßnahmen, mit denen auf den Qualifikationsbedarf des Arbeitsmarkts reagiert und zu einer raschen Erholung von der COVID-19-Krise beigetragen werden soll, rasch umgesetzt werden müssen; fordert die Kommission auf, einen klaren Zeitplan für die geplanten Maßnahmen vorzulegen;

56.

betont, dass Lösungen erforderlich sind, die es Unternehmen und privaten Arbeitgebern ermöglichen, Schulungen am Arbeitsplatz und Bildungsurlaub zu fördern und zu unterstützen, unter anderem durch die Prüfung von Bildungsgutscheinen oder die automatische Anerkennung der am Arbeitsplatz erworbenen Kompetenzen; verweist auf die strategische Bedeutung von Initiativen wie EuroSkills und WorldSkills, die Modellbeispiele für Partnerschaften zwischen Unternehmen, Regierung sowie regionalen Behörden und Bildungsbehörden sind; fordert, dass die Weiterentwicklung der Initiative EuroSkills durch die Finanzierung gemeinsamer Projekte, den Austausch von Erfahrungen, den Aufbau des Potenzials von Einrichtungen, die Schulungen für die Bedürfnisse von EuroSkills anbieten, die Schaffung von EuroSkills-Meisterklassen sowie Industriecampus für talentierte Jugendliche und ein System zur Ausbildung der Ausbilder und Branchenfachkräfte unterstützt wird;

57.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/human-capital

(2)  ABl. C 389 vom 18.11.2019, S. 1.

(3)  https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-6889-2017-INIT/de/pdf

(4)  ABl. C 484 vom 24.12.2016, S. 1.

(5)  ABl. C 429 vom 14.12.2017, S. 3.

(6)  ABl. L 112 vom 2.5.2018, S. 42.

(7)  ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 8.

(8)  Sechste Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen, Eurofound. https://www.eurofound.europa.eu/sites/default/files/ef_publication/field_ef_document/ef1634en.pdf

(9)  Auswirkungen der Computerisierung auf die Berufsbilder (Veränderung der Aufgaben innerhalb der Berufe, die daher andere Kompetenzen erfordern): https://www.eurofound.europa.eu/sites/default/files/wpef19007.pdf.

(10)  https://www.cedefop.europa.eu/files/3077_en.pdf

(11)  https://skillspanorama.cedefop.europa.eu/en

(12)  https://www.cedefop.europa.eu/en/publications-and-resources/data-visualisations/european-skills-index

(13)  EPRS_STU(2020)641528_EN.pdf (europa.eu).

(14)  https://www.oecdskillsforjobsdatabase.org/.

(15)  https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/cf5d9c21-en.pdf?expires=1600261868&id=id&accname=ocid194994&checksum=3B44E0891A2F10A546C7CBF7A9521676.

(16)  https://read.oecd-ilibrary.org/view/?ref=135_135193-hgf8w9g731&title=Skill-measures-to-mobilise-the-.

(17)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0282.

(18)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0267.

(19)  ABl. C 28 vom 27.1.2020, S. 8.

(20)  ABl. C 337 vom 20.9.2018, S. 135.

(21)  ABl. C 11 vom 12.1.2018, S. 44.

(22)  ABl. C 316 vom 22.9.2017, S. 233.

(23)  https://ec.europa.eu/social/main.jsp?langId=de&catId=89&newsId=9150& furtherNews=yes

(24)  https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/human-capital

(25)  „The future of jobs“, Weltwirtschaftsforum, September 2018.

(26)  Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) 2020, Europäische Kommission.

(27)  „Wie sich der Geburtsort auf den Arbeitsplatz auswirkt“, Eurofound (2019), https://www.eurofound.europa.eu/sites/default/files/ef_publication/field_ef_document/ef19004de.pdf.

(28)  „Key Data on Early Childhood Education and Care Education and Training in Europe — Edition 2019“ (Schlüsselzahlen zur frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in Europa — Ausgabe 2019), Eurydice-Bericht, S. 26.

(29)  https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Early_leavers_from_education_and_training#Overview

(30)  https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-eurostat-news/-/EDN-20191004-1#:~:text=Among%20teachers%20working%20in%20the,were%20aged%2050%20or%20older.&text=In%20all%20EU%20Member%20States,in%202017%20were%20predominantly%20female

(31)  IAO Kurzdossier, August 2020, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_emp/---ifp_skills/documents/publication/wcms_244380.pdf

(32)  „ICT for Work: Digital Skills in the Workplace“ (IKT für den Job — Digitale Kompetenzen am Arbeitsplatz), Europäische Kommission, 2017.

(33)  https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-eurostat-news/-/EDN-20180425-1.

(34)  https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/9540ffa1-4478-11e9-a8ed-01aa75ed71a1/language-en

(35)  Internationale Studie zur Messung der Computer- und Informationskompetenzen 2018 (ICILS).


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/123


P9_TA(2021)0052

Sicherheit des Kernkraftwerks Astrawez (Belarus)

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zur Sicherheit des Kernkraftwerks in Astrawez (Belarus) (2021/2511(RSP))

(2021/C 465/11)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 10./11. Dezember 2020,

unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission zur Sicherheit des Kernkraftwerks in Astrawez (Belarus) (O-000004/2021 — B9-0003/2021),

gestützt auf Artikel 136 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie,

A.

in der Erwägung, dass die nukleare Sicherheit für die Europäische Union sowohl in der Union selbst als auch jenseits ihrer Grenzen eine zentrale Priorität ist;

B.

in der Erwägung, dass in der Gruppe der europäischen Aufsichtsbehörden für nukleare Sicherheit (ENSREG) das umfangreiche Fachwissen zusammenkommt, das im Zuge der Peer-Review von in der EU und in Drittstaaten gelegenen Kernkraftwerken erworben wurde;

C.

in der Erwägung, dass ein Peer-Review-Team der ENSREG im März 2018 in Belarus und im Kernkraftwerk Astrawez zugegen war, nachdem es die erforderlichen Vorbereitungstätigkeiten abgeschlossen hatte, wozu auch die Entgegennahme der Antworten auf seine schriftlichen Fragen zählte, und im Juli 2018 seinen Peer-Review-Abschlussbericht veröffentlichte;

D.

in der Erwägung, dass die ENSREG die belarussischen Behörden aufforderte, einen nationalen Aktionsplan auszuarbeiten, damit alle in dem Peer-Review-Bericht genannten Empfehlungen zur Verbesserung der Sicherheit rasch umgesetzt werden — vorbehaltlich einer künftigen unabhängigen Begutachtung, die in allen EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten durchgeführt wird, die an dem Verfahren der kerntechnischen Risiko- und Sicherheitsbewertung teilnehmen;

E.

in der Erwägung, dass Belarus seinen nationalen Aktionsplan im August 2019 veröffentlichte, aber erst im Juni 2020 einer weiteren Peer-Review der ENSREG zustimmte, nachdem es seitens der EU mehrmals dazu aufgefordert und erheblicher Druck auf hoher Ebene ausgeübt worden war;

F.

in der Erwägung, dass dieses weitere Peer-Review-Verfahren im Gange ist und die ENSREG ihre Erkenntnisse in den kommenden Monaten vervollständigt und veröffentlicht, wobei angestrebt wird, dass das Plenum der ENSREG einen vorläufigen Bericht veröffentlicht und ihn Belarus vor der kommerziellen Inbetriebnahme des Kernkraftwerks übermittelt, die von den belarussischen Behörden für März 2021 vorgesehen ist;

G.

in der Erwägung, dass die Stromerzeugung in dem Kernkraftwerk am 3. November 2020 aufgenommen wurde, obwohl noch zahlreiche Sicherheitsbedenken bestehen und keine Belege dafür vorliegen, inwieweit die Empfehlungen umgesetzt wurden, die die EU im Rahmen der Peer-Review von 2018 und die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) ausgesprochen haben;

H.

in der Erwägung, dass die physikalische Inbetriebnahme des Kernkraftwerks ohne Betriebsgenehmigung erfolgte, da das Genehmigungsverfahren im Juli 2020 geändert wurde;

I.

in der Erwägung, dass die baltischen Staaten im August 2020 gemeinsam beschlossen hatten, den kommerziellen Stromhandel mit Belarus einzustellen, sobald die Stromerzeugung im Kernkraftwerk Astrawez aufgenommen wird, und gemäß diesem Beschluss der Stromhandel zwischen Belarus und der EU am 3. November 2020 — als das Kernkraftwerk Astrawez an das Stromnetz angeschlossen wurde — eingestellt wurde;

1.

ist besorgt darüber, dass sich das Kernkraftwerk Astrawez nur 50 km von Vilnius (Litauen) entfernt und in unmittelbarer Nähe zu anderen EU-Mitgliedstaaten wie Polen, Lettland und Estland befindet;

2.

bedauert, dass das Projekt trotz der Proteste belarussischer Bürgerinnen und Bürger umgesetzt wird und dass Mitglieder belarussischer nichtstaatlicher Organisationen, die den Bau des Kernkraftwerks in Astrawez bekannter machen wollen, strafrechtlich verfolgt und unrechtmäßig festgenommen werden;

3.

stellt mit Besorgnis fest, dass Belarus und Russland mit dem Kernkraftwerk ein geopolitisches Projekt umsetzen und dass der Bau und der künftige Betrieb des Kernkraftwerks eine mögliche Bedrohung für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten im Hinblick auf Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz darstellen;

4.

ist nach wie vor besorgt über die übereilte Inbetriebnahme eines Kernkraftwerks, das nicht den höchsten internationalen Normen in den Bereichen Umweltschutz und nukleare Sicherheit und auch nicht den IAEO-Empfehlungen entspricht;

5.

bedauert den anhaltenden Mangel an Transparenz und offiziellen Informationen über immer wieder vorgenommene Notabschaltungen des Reaktors und den Ausfall von Anlagen während der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks im Jahr 2020, etwa den Ausfall von vier Spannungstransformatoren und Fehlfunktionen der Kühlsysteme, während sich in der Bauphase acht bekannte Zwischenfälle ereigneten, darunter zwei im Zusammenhang mit dem Reaktordruckbehälter;

6.

stellt fest, dass bei der Peer-Review der EU im Jahr 2018 zahlreiche Mängel aufgedeckt wurden, dass bislang nur eine begrenzte Anzahl der darin enthaltenen Empfehlungen umgesetzt worden sein soll und dass deren Umsetzung von den EU-Sachverständigen überprüft werden muss;

7.

stellt fest, dass die Anzahl und Häufigkeit von Sicherheitsvorfällen Anlass zu großer Besorgnis geben, was die unzureichende Qualitätssicherung und -kontrolle in der Entwurfs-, Bau- und Montagephase des Kernkraftwerks und seine geringe Betriebssicherheit anbelangt, und dass diese Probleme im Rahmen der Peer-Review der EU angemessen angegangen werden müssen;

8.

fordert Belarus nachdrücklich auf, umgehend für die uneingeschränkte Einhaltung internationaler Normen im Bereich der nuklearen Sicherheit und des Umweltschutzes sowie die transparente und konstruktive Zusammenarbeit mit den internationalen Behörden unter Einbeziehung aller Beteiligten zu sorgen; legt Belarus nahe, künftig von der selektiven Anwendung der IAEO-Normen und der Peer-Review-Empfehlungen abzusehen;

9.

stellt fest, dass den nuklearen Sicherheitsstandards höchste Priorität eingeräumt werden muss, und zwar nicht nur während der Planungs- und Bauphase, sondern auch während des Betriebs des Kernkraftwerks, und dass deren Einhaltung ständig von einer unabhängigen Aufsichtsbehörde überwacht werden muss;

10.

ist besorgt darüber, dass die derzeitige belarussische Aufsichtsbehörde (Gosatomnadsor — Abteilung für nukleare Sicherheit und Strahlensicherheit des Ministeriums für Notsituationen) ständigem politischen Druck ausgesetzt ist und sowohl formal als auch inhaltlich nicht ausreichend unabhängig ist; betont daher, dass transparente und sorgfältige Peer-Reviews auch während der Betriebsphase des Kernkraftwerks von entscheidender Bedeutung sind;

11.

nimmt den Beschluss der Vertragsparteien des Übereinkommens der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Übereinkommen von Espoo) vom 11. Dezember 2020 zur Kenntnis, wonach Belarus seinen Verpflichtungen aus dem Übereinkommen in Bezug auf das belarussische Kernkraftwerk in Astrawez nachkommt, und fordert Belarus nachdrücklich auf, die vollständige Umsetzung des Übereinkommens von Espoo sicherzustellen;

12.

betont, dass ein Frühwarnsystem für die Messung der Strahlung in den Mitgliedstaaten der EU in der Nähe des Kernkraftwerks errichtet und betrieben werden muss;

13.

fordert die belarussischen Behörden nachdrücklich auf, bei den Verfahren der kerntechnischen Risiko- und Sicherheitsbewertung uneingeschränkt mit der ENSREG zusammenzuarbeiten, was auch eine förmliche Überprüfung und die dringende Umsetzung des nationalen Aktionsplans von Belarus einschließt;

14.

bedauert, dass eine Peer-Review-Mission der ENSREG im Kernkraftwerk Astrawez, die ursprünglich im Dezember 2020 stattfinden sollte, aus organisatorischen Gründen seitens des Gastgebers und infolge der COVID-19-Pandemie abgesagt werden musste;

15.

begrüßt, dass Anfang Februar 2021 die erste Phase der derzeitigen Peer-Review der EU in Form eines Besuchs vor Ort stattfindet; erachtet es als sehr wichtig, dass das Peer-Review-Verfahren rasch abgeschlossen wird und seine Ergebnisse veröffentlicht werden, und betont, dass Belarus bereits vor März 2021 — dem von den belarussischen Behörden geplanten Zeitpunkt der kommerziellen Inbetriebnahme des Kernkraftwerks — zumindest ein vorläufiger Bericht übermittelt werden sollte; stellt fest, dass alle Sicherheitsprobleme gleichermaßen wichtig sind und vor der kommerziellen Inbetriebnahme des Kernkraftwerks angegangen werden müssen;

16.

bedauert zutiefst die übereilte kommerzielle Inbetriebnahme des Kernkraftwerks im März 2021 und betont, dass alle Sicherheitsempfehlungen der ENSREG umgesetzt werden müssen, bevor das Kernkraftwerk seinen kommerziellen Regelbetrieb aufnimmt; fordert die Kommission auf, eng mit den belarussischen Behörden zusammenzuarbeiten, damit das Inbetriebnahmeverfahren ausgesetzt wird, bis alle Empfehlungen aus dem Verfahren der kerntechnischen Risiko- und Sicherheitsbewertung der EU vollständig umgesetzt, alle erforderlichen Sicherheitsverbesserungen vorgenommen und die belarussische Gesellschaft und die Nachbarländer ordnungsgemäß über die ergriffenen Maßnahmen informiert worden sind;

17.

fordert die Kommission und die ENSREG nachdrücklich auf, die transparente und sorgfältige Peer-Review des Kernkraftwerks fortzusetzen, auf der umgehenden Umsetzung aller Empfehlungen zu bestehen und für deren wirksame Überwachung zu sorgen, auch durch regelmäßige Besuche des Peer-Review-Teams auf dem Gelände des Kernkraftwerks Astrawez und auch während des Betriebs der Anlage; erachtet in diesem Zusammenhang die effiziente Zusammenarbeit mit der IAEO als sehr wichtig;

18.

stellt fest, dass trotz der gemeinsamen Vereinbarung der baltischen Staaten, den kommerziellen Stromhandel mit Belarus einzustellen, nach wie vor Strom aus Belarus über das russische Netz auf den Binnenmarkt gelangen kann;

19.

weist erneut auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 10./11. Dezember 2020 hin und spricht sich dafür aus, weiter zu prüfen, mit welchen Maßnahmen verhindert werden könnte, dass in Drittstaaten kommerziell erzeugter Strom aus Kernkraftwerken, die — wie auch das Kernkraftwerk Astrawez — nicht den anerkannten Sicherheitsstandards der EU entsprechen, in die EU eingeführt wird;

20.

fordert die Kommission auf, mit den Verpflichtungen aus dem internationalen Handels-, Energie- und Atomrecht im Einklang stehende Maßnahmen zur Aussetzung des Stromhandels mit Belarus zu prüfen und vorzuschlagen, damit der im Kernkraftwerk Astrawez erzeugte Strom nicht auf den EU-Energiemarkt gelangt, während Estland, Lettland und Litauen noch Teil des BRELL-Verbundnetzes sind;

21.

bekräftigt, dass es von strategischer Bedeutung ist, die Synchronisierung des baltischen Stromnetzes mit dem kontinentaleuropäischen Verbundnetz zu beschleunigen, und betont, dass der künftige Betrieb des Kernkraftwerks Astrawez die Desynchronisierung der Stromnetze Estlands, Lettlands und Litauens aus dem BRELL-Verbundnetz in keiner Weise behindern sollte und dass die Europäische Union die Einbindung der drei baltischen Staaten in das Stromnetz der EU fortsetzen sollte;

22.

bringt seine uneingeschränkte Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern der Republik Belarus und der EU-Mitgliedstaaten zum Ausdruck, die unmittelbar vom Bau und Betrieb des Kernkraftwerks Astrawez betroffen sind, und fordert, dass die EU und ihre Organe auch künftig auf hoher Ebene in diese Angelegenheit von höchster europäischer Bedeutung einbezogen werden;

23.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission und dem Rat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/126


P9_TA(2021)0053

Humanitäre und politische Lage in Jemen

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zur humanitären und politischen Lage im Jemen (2021/2539(RSP))

(2021/C 465/12)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Jemen, insbesondere die Entschließungen vom 4. Oktober 2018 (1), vom 30. November 2017 (2), vom 25. Februar 2016 (3) und vom 9. Juli 2015 (4) zur Lage im Jemen, und auf seine Entschließung vom 28. April 2016 zum Thema „Anschläge auf Krankenhäuser und Schulen als Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht“ (5),

unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 8. Februar 2021 zu den jüngsten Angriffen der Ansar-Allah-Miliz,

unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers desEAD vom 12. Januar 2021 zur Einstufung der Ansar-Allah-Miliz als terroristische Vereinigung durch die USA,

unter Hinweis auf die Erklärungen des Sprechers des EAD vom 30. Dezember 2020 zu dem Anschlag in Aden, vom 19. Dezember 2020 zur Bildung der neuen Regierung, vom 17. Oktober 2020 zur Freilassung von Häftlingen, vom 28. September 2020 zu dem Austausch von Gefangenen und vom 31. Juli 2020 zur Freilassung von Angehörigen der Bahai-Gemeinschaft,

unter Hinweis auf das gemeinsame Kommuniqué Deutschlands, Kuwaits, Schwedens, des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten, Chinas, Frankreichs, Russlands und der Europäischen Union vom 17. September 2020 zum Konflikt im Jemen,

unter Hinweis auf die Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) vom 9. April 2020 zur Ankündigung einer Waffenruhe im Jemen,

unter Hinweis auf die gemeinsamen Erklärungen des für Krisenmanagement zuständigen Kommissionsmitglieds der EU, Janez Lenarčič, und des ehemaligen schwedischen Ministers für internationale Entwicklungszusammenarbeit, Peter Eriksson, vom 14. Februar 2020 und vom 24. September 2020 mit dem Titel: „UNGA: EU and Sweden join forces to avoid famine in Yemen“ (VN-Generalversammlung: Die EU und Schweden bündeln ihre Kräfte, um einer Hungersnot im Jemen vorzubeugen),

unter Hinweis auf die einschlägigen Schlussfolgerungen des Rates und des Europäischen Rates zum Jemen, insbesondere die Schlussfolgerungen des Rates vom 25. Juni 2018,

unter Hinweis auf den Abschlussbericht der Sachverständigengruppe der Vereinten Nationen für den Jemen vom 22. Januar 2021,

unter Hinweis auf die einschlägigen Erklärungen von Sachverständigen der Vereinten Nationen für den Jemen, insbesondere die Erklärungen vom 3. Dezember 2020 mit dem Titel „UN Group of Eminent International and Regional Experts Briefs the UN Security Council Urging an end to impunity, an expansion of sanctions, and the referral by the UN Security Council of the situation in Yemen to the International Criminal Court“ (VN-Gruppe namhafter internationaler und regionaler Sachverständiger unterrichtet den VN-Sicherheitsrat und fordert nachdrücklich ein Ende der Straflosigkeit, eine Ausweitung der Sanktionen und die Überweisung der Lage im Jemen an den Internationalen Strafgerichtshof durch den VN-Sicherheitsrat), vom 12. November 2020 mit dem Titel „UN experts: technical team must be allowed to avert oil spill disaster threatening Yemen“ (Sachverständige der Vereinten Nationen: Technisches Team muss die drohende Ölkatastrophe im Jemen abwenden dürfen), vom 15. Oktober 2020 mit dem Titel „UAE: UN experts say forced return of ex-Guantanamo detainees to Yemen is illegal, risks lives“ (VAE: Sachverständige der Vereinten Nationen sagen, dass die erzwungene Rückkehr von Ex-Guantanamo-Häftlingen in den Jemen illegal ist und Lebensgefahr bedeutet), und vom 23. April 2020 mit dem Titel „UN experts appeal for immediate and unconditional release of the Baha’is in Yemen“ (Sachverständige der Vereinten Nationen fordern sofortige und bedingungslose Freilassung der Angehörigen der Bahai-Gemeinschaft im Jemen),

unter Hinweis auf den Bericht der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 2. September 2020 über die Umsetzung der technischen Hilfe für die nationale Kommission für die Untersuchung mutmaßlicher Verstöße und Missbräuche durch alle Konfliktparteien im Jemen (A/HRC/45/57),

unter Hinweis auf den Bericht der Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Kinder und bewaffnete Konflikte vom 23. Dezember 2020 über Kinder und bewaffnete Konflikte,

unter Hinweis auf den dritten Bericht der VN-Gruppe namhafter internationaler und regionaler Sachverständiger für den Jemen vom 28. September 2020 über die Lage der Menschenrechte im Jemen, einschließlich der Verstöße und Missbräuche seit September 2014,

unter Hinweis auf den interaktiven Dialog des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen mit der VN-Gruppe namhafter internationaler und regionaler Sachverständiger für den Jemen vom 29. September 2020,

unter Hinweis auf die einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, insbesondere die Resolution 2534 vom 14. Juli 2020, mit der das Mandat der Mission der Vereinten Nationen zur Unterstützung des Hudaida-Abkommens bis zum 15. Juli 2021 verlängert wurde, und die Resolution 2511 vom 25. Februar 2020, mit der die Sanktionen gegen den Jemen um ein Jahr verlängert wurden,

unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zum zweiten Jahrestag des Übereinkommens von Stockholm vom 14. Dezember 2020,

unter Hinweis auf die Leitlinien der EU zur Förderung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts (6),

unter Hinweis auf das Übereinkommen von Stockholm vom 13. Dezember 2018,

unter Hinweis auf das Abkommen von Riad vom 5. November 2019,

unter Hinweis auf die Genfer Konventionen von 1949 und ihre Zusatzprotokolle,

unter Hinweis auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs,

unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,

gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass vor zehn Jahren, im Februar 2011, Massenproteste begannen, die später als die jemenitische Revolution bezeichnet wurden und zum Rücktritt von Präsident Ali Abdullah Salih nach 33 Jahren Diktatur führten; in der Erwägung, dass dieser Aufstand die tiefe Sehnsucht des jemenitischen Volkes nach Demokratie, Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und Menschenwürde widerspiegelt;

B.

in der Erwägung, dass seit dem Beginn des bewaffneten Konflikts im März 2015 mindestens 133 000 Menschen getötet und 3,6 Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben wurden; in der Erwägung, dass das im Dezember 2018 unterzeichnete Übereinkommen von Stockholm die Schaffung sicherer humanitärer Korridore, den Austausch von Gefangenen und einen Waffenstillstand im Gebiet des Roten Meers vorsieht; in der Erwägung, dass die Parteien seitdem gegen das Waffenstillstandsabkommen verstoßen haben und mehr als 5 000 Zivilisten getötet wurden; in der Erwägung, dass die meisten Zivilisten bei Luftangriffen der von Saudi-Arabien geführten Koalition ums Leben kamen;

C.

in der Erwägung, dass sich die Analysten überwiegend einig sind, dass der Jemen aufgrund der Tatsache, dass er keinen politischen Weg verfolgt, bei dem sämtliche Kräfte einbezogen werden, in zunehmenden Spannungen zwischen den Stämmen, zunehmenden politischen Spannungen und einem erbitterten Stellvertreterkrieg zwischen den vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen und Saudi-Arabien gefangen ist, wodurch die gesamte Region unmittelbar in einen komplexen Konflikt verwickelt wird; in der Erwägung, dass Saudi-Arabien die Huthi-Rebellen im Jemen als Stellvertreterkräfte des Iran ansieht und der Iran die von Saudi-Arabien geführte Offensive verurteilt und ein sofortiges Ende der von Saudi-Arabien geführten Luftangriffe fordert;

D.

in der Erwägung, dass während des Jahres 2020 die Kampftätigkeiten insbesondere in und um Dschauf, Ma‘rib, Nihm, Ta‘is, Hudaida, Baida‘ und Abjan mit direkter Unterstützung und Rückendeckung durch Drittstaaten — so seitens der von Saudi-Arabien geführten Koalition für die jemenitische Regierung und seitens der Vereinigten Arabischen Emirate für den Übergangsrat für den Südjemen — zunahmen, während die vom Iran unterstützte Huthi-Bewegung weiterhin den größten Teil des Nord- und Mitteljemen mit 70 % der jemenitischen Bevölkerung kontrolliert; in der Erwägung, dass weiterhin in großem Umfang schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts begangen werden, ohne dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden;

E.

in der Erwägung, dass die EU über Berichte über erneute Angriffe der Huthi-Bewegung in den Gouvernements Ma‘rib und Al-Dschauf sowie über wiederholte Versuche, das Hoheitsgebiet Saudi-Arabiens über die Grenze hinweg anzugreifen, besorgt ist; in der Erwägung, dass die erneuten militärischen Operationen und Angriffe insbesondere zum jetzigen Zeitpunkt die laufenden Bemühungen des VN-Sondergesandten Martin Griffiths sowie die allgemeinen Bemühungen um eine Beendigung des Krieges im Jemen ernsthaft untergraben;

F.

in der Erwägung, dass das Mandat der VN-Gruppe namhafter internationaler und regionaler Sachverständiger für den Jemen vom Menschenrechtsrat im September 2020 verlängert wurde; in der Erwägung, dass in dem jüngsten Bericht der VN-Gruppe namhafter internationaler und regionaler Sachverständiger für den Jemen vom September 2020 aufgezeigt wird, dass alle Konfliktparteien weiterhin in mehrfacher Hinsicht gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht verstoßen, auch durch Angriffe, die womöglich Kriegsverbrechen darstellen;

G.

in der Erwägung, dass zu den verifizierten Menschenrechtsverletzungen willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Gefangennahme, geschlechtsspezifische Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, Folter und andere Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, die Rekrutierung von Kindern und deren Einsatz bei Feindseligkeiten, die Verweigerung des Rechts auf ein faires Verfahren und Verletzungen der Grundfreiheiten und der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte gehören; in der Erwägung, dass der weit verbreitete Einsatz von Landminen durch die Huthi-Bewegung für Zivilisten eine ständige Bedrohung darstellt und zur Vertreibung beiträgt; in der Erwägung, dass die Huthi-Bewegung, mit der Regierung verbündete Kräfte und die VAE und die von ihnen unterstützten jemenitischen Kräfte unmittelbar für willkürliche Gefangennahmen und Verschwindenlassen verantwortlich sind;

H.

in der Erwägung, dass der Jemen und die VAE das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert haben; in der Erwägung, dass Saudi-Arabien das Römische Statut weder unterzeichnet noch ratifiziert hat; in der Erwägung, dass mehrere Bestimmungen des Römischen Statuts, unter anderem diejenigen über Kriegsverbrechen, dem Völkergewohnheitsrecht entsprechen; in der Erwägung, dass die VN-Gruppe namhafter internationaler und regionaler Sachverständiger den VN-Sicherheitsrat aufgefordert hat, den Internationalen Strafgerichtshof mit der Lage im Jemen zu befassen und die Liste der Personen, die Sanktionen des Sicherheitsrates unterliegen, zu erweitern;

I.

in der Erwägung, dass am 26. Dezember 2020 von Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi auf der Grundlage des von Saudi-Arabien vermittelten Abkommens von Riad eine neue 24-köpfige jemenitische Regierung vereidigt wurde; in der Erwägung, dass eines der Merkmale der neuen jemenitischen Regierung, deren Grundlage die gemeinsame Machtausübung ist, darin besteht, dass die nördliche und die südliche Region des Landes gleich stark vertreten sind und dass ihr auch fünf Mitglieder des Übergangsrats für den Südjemen angehören; in der Erwägung, dass bedauerlicherweise zum ersten Mal seit über 20 Jahren unter den Regierungsmitgliedern keine Frauen sind; in der Erwägung, dass ein neuer Streit zwischen der international anerkannten Regierung und dem Übergangsrat für den Südjemen über die Ernennung eines Richters ausgebrochen ist, was die Instabilität der gemeinsamen Regierung bestätigt; in der Erwägung, dass ein erneuter militärischer Konflikt zwischen den Kräften der international anerkannten Regierung (unterstützt von einer von Saudi-Arabien geführten Koalition) und der Huthi-Bewegung ausgebrochen ist; in der Erwägung, dass Frauen seit dem Beginn des Konflikts in keiner Weise in den Verhandlungsprozess eingebunden sind, dass ihnen indes bei der Suche nach einer dauerhaften Lösung des Konflikts nach wie vor eine zentrale Rolle zukommt;

J.

in der Erwägung, dass der Krieg zu der weltweit schwersten humanitären Krise geführt hat und fast 80 % der Bevölkerung — mehr als 24 Millionen Menschen — humanitäre Hilfe benötigen, darunter über 12 Millionen Kinder; in der Erwägung, dass sich die Lage vor Ort weiter verschlechtert, da bereits 50 000 Jemeniten unter Bedingungen leben, die einer Hungersnot gleichen; in der Erwägung, dass nach der jüngsten Analyse der „Integrated Food Security Phase Classification“ (IPC) (ernährungssicherheitsbezogene Klassifizierung) für den Jemen mehr als die Hälfte der Bevölkerung, nämlich 16,2 Millionen von 30 Millionen Menschen, mit Ernährungsunsicherheit konfrontiert sein wird, die die Ausmaße einer Krise annehmen wird, und dass sich die Zahl der Menschen, die unter Bedingungen leben, die mit einer Hungersnot vergleichbar sind, fast verdreifachen könnte; in der Erwägung, dass bisher nur 56 % der 3,38 Mrd. USD, die für die humanitäre Hilfe im Jahr 2020 benötigt werden, eingegangen sind;

K.

in der Erwägung, dass COVID-19 und die damit verbundenen sozioökonomischen Auswirkungen den Zugang zur Gesundheitsversorgung weiter erschweren und das Risiko von Unterernährung verstärken; in der Erwägung, dass es zu einem Cholera-Ausbruch gekommen ist, der mit über 1,1 Millionen gemeldeten Fällen der schwerste in der jüngeren Vergangenheit ist;

L.

in der Erwägung, dass der anhaltende Konflikt die Fortschritte des Jemen beim Erreichen der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDG), insbesondere SDG 1 (die Armut beenden) und SDG 2 (den Hunger beenden), stark behindert hat; in der Erwägung, dass die Entwicklung des Jemen durch den Konflikt um mehr als 20 Jahre zurückgeworfen wurde; in der Erwägung, dass sich der Rückstand bei der Erfüllung der SDG weiter vergrößern wird, solange der Konflikt anhält;

M.

in der Erwägung, dass sich im Norden des Jemen zum dritten Mal seit 2019 eine Krafstoffkrise entwickelt, bei der der Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser, medizinischer Versorgung und wichtigen Transportmitteln für Zivilisten erheblich eingeschränkt ist; in der Erwägung, dass diese vom Menschen verursachte Krise das direkte Ergebnis des Kampfes zwischen der Huthi-Bewegung und der von den VN anerkannten Regierung des Jemen um die Kontrolle des Kraftstoffs ist;

N.

in der Erwägung, dass 2,1 Millionen Kinder akut unterernährt und fast 358 000 Kinder von unter fünf Jahren schwer unterernährt sind; in der Erwägung, dass infolge mangelnder Finanzierung seit April 2020 Kürzungen der Ernährungshilfe in Kraft sind und dass weitere 1,37 Millionen Menschen betroffen sein werden, wenn nicht zusätzliche Mittel bereitgestellt werden; in der Erwägung, dass 530 000 Kinder von unter zwei Jahren womöglich keine Ernährungsdienste mehr erhalten, wenn Programme ausgesetzt werden;

O.

in der Erwägung, dass sich die Situation von Frauen durch den Konflikt und aktuell die COVID-19-Pandemie verschlimmert hat; in der Erwägung, dass geschlechtsbezogene und sexuelle Gewalt seit Beginn des Konflikts exponentiell zugenommen haben; in der Erwägung, dass die schon zuvor geringe Kapazität des Strafjustizwesens, auf sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt einzugehen, völlig verloren ging und in Bezug auf Praktiken wie die Entführung und Vergewaltigung von Frauen oder entsprechende Drohungen keine Ermittlungen stattfinden; in der Erwägung, dass in etwa 30 % der vertriebenen Familien das Familienoberhaupt eine Frau ist; in der Erwägung, dass Medikamente für viele chronische Krankheiten nicht mehr erhältlich sind und die Müttersterblichkeit im Jemen zu den höchsten weltweit zählt; in der Erwägung, dass mangelernährte Schwangere und Stillende einem höheren Risiko ausgesetzt sind, sich mit Cholera zu infizieren, und bei ihnen häufiger Blutungen auftreten, was das Risiko von Komplikationen und Todesfällen bei Geburten deutlich erhöht;

P.

in der Erwägung, dass die Gruppe namhafter internationaler und regionaler Sachverständiger der Vereinten Nationen festgestellt hat, dass die von den VAE unterstützten Kräfte des Sicherheitsgürtels Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt gegen Häftlinge in mehreren Hafteinrichtungen, unter anderem der Koalitionseinrichtung Buraika und dem Bir-Ahmed-Gefängnis, und gegen Migranten und marginalisierte schwarzafrikanische Gemeinschaften verüben sowie LGBTI-Personen bedrohen und schikanieren; in der Erwägung, dass gegen die Huthi-Bewegung glaubwürdige Vorwürfe des Einsatzes von Vergewaltigung und Folter als Kriegswaffe, insbesondere gegen politisch engagierte Frauen und Aktivistinnen, erhoben wurden;

Q.

in der Erwägung, dass das Parlament in Anbetracht der im Jemen begangenen schwerwiegenden Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechtsnormen wiederholt ein EU-weites Verbot der Ausfuhr, des Verkaufs, der Modernisierung und der Instandhaltung jeglicher Form von Sicherheitsausrüstung an Mitglieder der von Saudi-Arabien angeführten Koalition einschließlich Saudi-Arabiens und der VAE gefordert hat; in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten Verbote von Waffenausfuhren an die Mitglieder der von Saudi-Arabien angeführten Koalition verhängt haben, darunter das von Deutschland verhängte Verbot von Waffenausfuhren nach Saudi-Arabien und das von Italien verhängte Verbot von Waffenausfuhren nach Saudi-Arabien und in die VAE, und in der Erwägung, dass weitere Mitgliedstaaten dies erwägen; in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten unter Verstoß gegen den rechtlich verbindlichen Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates zu Waffenausfuhren (7) weiterhin Waffen nach Saudi-Arabien und in die VAE ausführen, die möglicherweise im Jemen eingesetzt werden;

R.

in der Erwägung, dass die Vereinigten Staaten Waffenverkäufe an Saudi-Arabien eingestellt und die Weitergabe von Kampfflugzeugen vom Typ F-35 an die VAE bis zu einer Überprüfung ausgesetzt haben; in der Erwägung, dass US-Präsident Biden am 4. Februar 2021 das bevorstehende Ende jeglicher Unterstützung der USA für offensive Einsätze im Krieg im Jemen einschließlich entsprechender Waffenverkäufe angekündigt und einen neuen Gesandten für den Jemen benannt hat;

S.

in der Erwägung, dass die Sachverständigengruppe der Vereinten Nationen für den Jemen in ihrem Abschlussbericht vom 22. Januar 2021 festgestellt hat, dass immer mehr Beweise dafür vorliegen, dass Personen oder Einrichtungen im Iran der Huthi-Bewegung erhebliche Mengen an Waffen und Komponenten liefern; in der Erwägung, dass die Huthi-Bewegung weiterhin zivile Ziele in Saudi-Arabien mit Raketen und unbemannten Luftfahrzeugen angreift;

T.

in der Erwägung, dass die damalige Regierung der USA am 19. Januar 2021 die Einstufung der Huthi-Bewegung Ansar Allah als terroristische Organisation annahm; in der Erwägung, dass trotz der von der US-Regierung gewährten allgemeinen Lizenzen die Auswirkungen der Einstufung auf die Möglichkeit, Lebensmittel, Kraftstoff und Arzneimittel in das Land einzuführen, nach wie vor äußerst besorgniserregend sind; in der Erwägung, dass die neue US-Regierung am 5. Februar 2021 bekanntgab, sie werde Ansar Allah von der Liste ausländischer terroristischer Organisationen und der Liste gesondert ausgewiesener weltweiter Terroristen streichen;

U.

in der Erwägung, dass die Verschlechterung der politischen und sicherheitspolitischen Lage im Jemen zur Ausweitung und Festigung der Präsenz terroristischer Gruppierungen im Land geführt hat, darunter Ansar al-Scharia, auch bekannt als Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel, und die sogenannte Provinz Jemen von Da’esh, die weiterhin kleine Teile des Gebiets kontrollieren, sowie der militärische Flügel der Hisbollah, der in der EU-Liste terroristischer Organisationen geführt wird;

V.

in der Erwägung, dass ein stabiler, sicherer und demokratischer Jemen mit einer funktionierenden Regierung für die internationalen Bemühungen um die Bekämpfung des Extremismus und der Gewalt in der Region und darüber hinaus sowie für die Gewährleistung von Frieden und Stabilität im Jemen selbst von entscheidender Bedeutung ist;

W.

in der Erwägung, dass die Wirtschaft des Jemen zwischen 2015 und 2019 um 45 % geschrumpft ist; in der Erwägung, dass die Wirtschaft des Landes, die schon vor dem Konflikt fragil war, schwer getroffen wurde und Hunderttausende Familien keine feste Einkommensquelle mehr haben; in der Erwägung, dass der Jemen 90 % seiner Lebensmittel durch kommerzielle Einfuhren bezieht, die von Hilfsorganisationen nicht ersetzt werden können, und dass humanitäre Organisationen Bedürftigen Lebensmittelgutscheine oder Bargeld zur Verfügung stellen, damit sie auf den Märkten einkaufen können; in der Erwägung, dass 70 % der jemenitischen Einfuhren an Hilfs- und Handelsgütern über den von den Huthis kontrollierten Hafen Hudaida und den nahe gelegenen Hafen Salif ins Land kommen und Lebensmittel, Treibstoffe und Arzneimittel liefern, die die Bevölkerung zum Überleben benötigt;

X.

in der Erwägung, dass Geschäftemacherei umfassend dokumentiert ist, wobei die wirtschaftlichen und finanziellen Ressourcen des Landes sowohl von der Regierung des Jemen als auch von der Huthi-Bewegung zweckentfremdet werden, was verheerende Auswirkungen auf die jemenitische Bevölkerung hat; in der Erwägung, dass im Abschlussbericht der Sachverständigengruppe der Vereinten Nationen festgestellt wird, dass die Huthi-Bewegung im Jahr 2019 mindestens 1,8 Mrd. USD zweckentfremdet hat, die für die Regierung zur Zahlung von Gehältern und zur Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen für die Bürger bestimmt waren; in der Erwägung, dass in dem Bericht auch hervorgehoben wird, dass die Regierung in Geldwäsche- und Korruptionspraktiken verwickelt ist, die den Zugang zu einer angemessenen Nahrungsmittelversorgung der jemenitischen Bevölkerung beeinträchtigen, was einen Verstoß gegen das Recht auf Nahrung darstellt, einschließlich der illegalen Umleitung von 423 Mio. USD saudischer Gelder, die ursprünglich für den Erwerb von Reis und anderen Gütern für die jemenitische Bevölkerung bestimmt waren, an Händler;

Y.

in der Erwägung, dass der Sprecher des Generalsekretärs der Vereinten Nationen betont hat, dass der humanitären und ökologischen Bedrohung, die das Austreten von 1 Mio. Barrel Öl aus dem vor Ras Isa (Jemen) liegenden Öltanker „FSO Safer“ darstellt, dringend begegnet werden muss; in der Erwägung, dass der rasche Verfall des Tankers die ernste Gefahr einer größeren Ölpest birgt, die katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt hätte sowie die biologische Vielfalt zerstören und die Lebensgrundlage der lokalen Küstengemeinden im Roten Meer dezimieren würde; in der Erwägung, dass trotz der drohenden Gefahr einer ökologischen Katastrophe die lang erwartete Inspektion des 44 Jahre alten Öltankers auf März 2021 verschoben wurde;

1.

verurteilt die seit 2015 andauernde Gewalt im Jemen, die zur weltweit schwersten humanitären Krise geführt hat, aufs Schärfste; weist darauf hin, dass es keine militärische Lösung für den Konflikt im Jemen geben kann und dass die Krise nur durch einen inklusiven Verhandlungsprozess unter jemenitischer Führung und in jemenitischer Eigenverantwortung unter Beteiligung aller Viertel der jemenitischen Gesellschaft und aller Konfliktparteien beigelegt werden kann; betont, dass alle Parteien in gutem Glauben Verhandlungen aufnehmen sollten, die zu tragfähigen politischen und sicherheitspolitischen Vereinbarungen im Sinne der Resolution 2216 (2015) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, der gemeinsamen Umsetzungsmechanismen der Mission der Vereinten Nationen zur Unterstützung des Hudaida-Abkommens und der globalen Waffenruhe, wie in der Resolution 2532 (2020) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gefordert wird, führen, damit der Krieg beendet und die derzeitige humanitäre Krise gelindert wird;

2.

ist entsetzt über die verheerende humanitäre Krise, die sich in dem Land abspielt; fordert alle Parteien auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen, die rasche und ungehinderte Durchfahrt humanitärer Hilfsgüter und anderer für die Bevölkerung unentbehrlicher Güter und den ungehinderten Zugang zu medizinischen Einrichtungen sowohl im Jemen als auch im Ausland zu ermöglichen; äußert besonders seine Bestürzung über die jüngste Bewertung im Rahmen der Integrierten Phasenklassifikation zur Ernährungssicherheit, die zeigt, dass 50 000 Menschen im Jemen unter Bedingungen leben, die mit einer Hungersnot vergleichbar sind, eine Zahl, die sich bis Juni 2021 voraussichtlich verdreifachen wird, selbst wenn das derzeitige Hilfsniveau aufrechterhalten wird;

3.

begrüßt, dass die EU seit 2015 mehr als 1 Mrd. EUR an politischer, entwicklungspolitischer und humanitärer Hilfe für den Jemen bereitgestellt hat; begrüßt die Zusage der EU, die humanitäre Hilfe für den Jemen im Jahr 2021 zu verdreifachen; ist jedoch besorgt darüber, dass dies nach wie vor nicht ausreichen wird, um das Ausmaß der Herausforderungen, vor denen der Jemen steht, zu bewältigen; bedauert, dass die Finanzierungslücke für den Jemen im Jahr 2019 auf 50 % gestiegen ist; weist erneut darauf hin, dass das Ausmaß und die Schwere der Krise der Ausgangspunkt der Haushaltsdebatten sein sollten; fordert die EU auf, im Rahmen der Programmplanung für das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit zusätzliche Mittel zur Verbesserung der Lage im Jemen bereitzustellen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten generell nachdrücklich auf, bei den internationalen Bemühungen um eine rasche Aufstockung der humanitären Hilfe weiterhin eine Führungsrolle zu übernehmen, unter anderem, indem sie die Zusagen einhalten, die sie auf der Geberkonferenz für den Plan für humanitäre Maßnahmen im Jemen im Juni 2020 gemacht haben;

4.

weist darauf hin, dass die Ausbreitung von COVID-19 die kollabierende Gesundheitsinfrastruktur des Landes vor zusätzliche schwere Herausforderungen stellt, da es den Gesundheitseinrichtungen an der grundlegenden Ausstattung mangelt, um COVID-19 behandeln zu können, und da das Gesundheitspersonal keine Schutzausrüstung hat, zumal die meisten kein Gehalt beziehen, was dazu führt, dass sie sich nicht zum Dienst melden; appelliert an alle internationalen Geber, die Bereitstellung von Soforthilfe zu verstärken, um das Gesundheitssystem vor Ort zu unterstützen und ihm zu helfen, die Ausbreitung der derzeitigen tödlichen Infektionskrankheiten im Jemen, zu denen auch COVID-19, Malaria, Cholera und Denguefieber gehören, einzudämmen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, den Zugang zu Impfstoffen im Jemen, auch in Lagern für Binnenvertriebene, über die Fazilität COVAX zu erleichtern, und zwar im Rahmen ihrer Bemühungen um einen gleichberechtigten und globalen Zugang zu Impfstoffen gegen COVID-19, insbesondere unter den am stärksten gefährdeten Personen;

5.

unterstützt die Bemühungen des Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für den Jemen, Martin Griffiths, den politischen Prozess voranzubringen und einen sofortigen landesweiten Waffenstillstand zu erreichen; fordert, dass der Sondergesandte uneingeschränkten und ungehinderten Zugang zum gesamten Gebiet des Jemen erhält; fordert den HR/VP und alle Mitgliedstaaten auf, Martin Griffiths politisch zu unterstützen, um auf dem Verhandlungsweg zu einer Einigung zu kommen, in die alle Gruppen einbezogen sind; fordert den Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ diesbezüglich auf, seine jüngsten Schlussfolgerungen zum Jemen vom 18. Februar 2019 zu überarbeiten und zu aktualisieren, um der aktuellen Lage im Land Rechnung zu tragen; fordert die EU und alle ihre Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, weiterhin mit allen Konfliktparteien zusammenzuarbeiten und die Umsetzung des Abkommens von Stockholm und des Entwurfs einer politischen Erklärung der Vereinten Nationen als notwendige Schritte zu einer Deeskalation und politischen Einigung zu bekräftigen;

6.

ist davon überzeugt, dass bei jeder langfristigen Lösung die grundlegenden Ursachen von Instabilität im Land angegangen werden sollten und den legitimen Anforderungen und Ansprüchen des jemenitischen Volkes Rechnung getragen werden sollte; bekräftigt seine Unterstützung für alle friedlichen politischen Bemühungen, die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit des Jemen zu schützen; verurteilt eine ausländische Einmischung im Jemen, wozu auch die Anwesenheit von ausländischen Truppen und Söldnern gehört; fordert den sofortigen Abzug aller ausländischen Streitkräfte, damit ein politischer Dialog unter den Jemeniten ermöglicht wird;

7.

fordert alle Konfliktparteien auf, ihren Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht nachzukommen und alle Maßnahmen einzustellen, durch die die derzeitige humanitäre Krise verschärft wird; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die schwerwiegenden Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, die seit Ende 2014 von allen Konfliktparteien begangen wurden, einschließlich der Luftangriffe der von Saudi-Arabien geführten Koalition, die Tausende zivile Opfer gefordert haben, die Instabilität des Landes verschärft haben und auf nichtmilitärische Ziele wie Schulen, Wasserspeicher und Hochzeitsgesellschaften gerichtet waren, auf das Schärfste zu verurteilen und auch die Huthi-Angriffe auf saudi-arabische Ziele auf jemenitischem Staatsgebiet zu verurteilen;

8.

fordert Saudi-Arabien auf, seine Blockade von Schiffen, die Kraftstoff für von den Huthis kontrollierte Gebiete befördern, unverzüglich einzustellen; bekräftigt, dass alle Parteien dringend davon absehen müssen, das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung zu verwenden, da dies einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer xxv des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs darstellt; betont, dass es wichtig ist, eine Einigung zwischen den beiden Parteien im Norden und Süden über die Verwendung von Kraftstoffen zu erzielen, um die Krise in den Bereichen Wirtschaft, 'Landwirtschaft, Wasserversorgung, Medizin, Energie und Verkehr zu mildern, die durch den Einsatz von Kraftstoffen als Waffe im Wirtschaftskrieg verstärkt wurde;

9.

verurteilt die jüngsten Angriffe der vom Iran unterstützten Huthi-Bewegung in den Gouvernements Ma’rib und Al-Dschauf sowie die wiederholten Versuche, über die Grenze hinweg Angriffe auf das Hoheitsgebiet Saudi-Arabiens zu führen, durch die die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft untergraben werden, diesen Stellvertreterkrieg im Jemen zu beenden;

10.

unterstützt alle vertrauensbildenden Maßnahmen mit den Konfliktparteien, wobei besonderes Augenmerk auf diejenigen Maßnahmen zu legen ist, mit denen sich die humanitären Bedürfnisse unmittelbar lindern lassen, wie die vollständige Wiedereröffnung des Flughafens von Sanaa, die Wiederaufnahme der Gehaltszahlungen, die Umsetzung von Mechanismen, die einen dauerhaften Betrieb der Seehäfen ermöglichen, um die Einfuhr von Kraftstoff und Nahrungsmitteln zu erleichtern, sowie Bemühungen, der Zentralbank des Jemen Mittel zur Verfügung zu stellen und sie zu unterstützen; fordert die Europäische Union und alle Mitgliedstaaten auf, ein wirtschaftliches Rettungspaket für den Jemen bereitzustellen, das auch Devisenhilfe, mit der zur Stabilisierung der Wirtschaft und des Jemen-Rials beigetragen wird und weitere Erhöhungen der Nahrungsmittelpreise verhindert werden, sowie die Bereitstellung von Devisenreserven zur Subventionierung kommerzieller Einfuhren von Nahrungsmitteln und Kraftstoff und zur Zahlung der Gehälter im öffentlichen Dienst einschließt;

11.

bedauert das Fehlen von Frauen in der neuen jemenitischen Regierung — der ersten ohne weibliche Mitglieder seit 20 Jahren — und fordert die jemenitische Regierung auf, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die gleichberechtigte Vertretung, Präsenz und Teilhabe von Frauen im politischen Leben des Landes sicherzustellen;

12.

betont, dass Waffenexporteure mit Sitz in der EU, die den Konflikt im Jemen anheizen, mehrere Kriterien des rechtlich verbindlichen Gemeinsamen Standpunktes des Rates 2008/944/GASP zu Waffenausfuhren nicht einhalten; bekräftigt in Anbetracht der im Jemen begangenen schwerwiegenden Verstöße gegen Vorschriften des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte seine Forderung nach einem EU-weiten Verbot der Ausfuhr, des Verkaufs, der Modernisierung und der Instandhaltung jeglicher Form von Sicherheitsausrüstung an Mitglieder der Koalition einschließlich Saudi-Arabiens und der VAE;

13.

nimmt die Beschlüsse einer Reihe von Mitgliedstaaten zur Kenntnis, Waffenausfuhren nach Saudi-Arabien und in die VAE zu verbieten; betont, dass Waffenausfuhren nach wie vor in die nationale Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen; fordert alle Mitgliedstaaten auf, die Ausfuhr von Waffen an alle Mitglieder der von Saudi-Arabien geführten Koalition einzustellen; fordert den HR/VP auf, über den aktuellen Stand der militärischen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten mit den Mitgliedern der von Saudi-Arabien geführten Koalition zu berichten; verurteilt die Lieferung erheblicher Mengen an Waffen und Komponenten an die Huthi-Bewegung durch iranische Personen und Einrichtungen;

14.

begrüßt die Aussetzung des Verkaufs von Waffen, die für den Konflikt im Jemen verwendet werden, an Saudi-Arabien und eines 23 Mrd. USD schweren Pakets von Kampfflugzeugen vom Typ F-35 an die VAE durch die USA sowie die jüngste Ankündigung der US-Regierung, dass die Einstellung jeglicher Unterstützung für Angriffsoperationen im Krieg im Jemen, einschließlich der Lieferung präzisionsgesteuerter Flugkörper und des Austauschs nachrichtendienstlicher Erkenntnisse, kurz bevorsteht; begrüßt es in dieser Hinsicht, dass sich die USA erneut zu einer diplomatischen Beilegung des Konflikts bekannt haben, wie an der jüngsten Ernennung eines Sondergesandten der USA für den Jemen deutlich wird;

15.

fordert alle Konfliktparteien im Jemen auf, eine Politik für die Zielauswahl bei Raketen- und Drohnenangriffen festzulegen, die mit den internationalen Menschenrechtsnormen und dem humanitären Völkerrecht im Einklang stehen sollte; fordert den Rat, den HR/VP und die Mitgliedstaaten auf, die Haltung der EU im Einklang mit dem Völkerrecht zu bekräftigen und dafür Sorge zu tragen, dass die Mitgliedstaaten Schutzvorkehrungen treffen, damit nachrichtendienstliche Erkenntnisse, Kommunikationsinfrastruktur und Militärstandorte nicht dazu verwendet werden, außergerichtliche Tötungen zu ermöglichen; wiederholt seine Forderung nach der Annahme eines rechtsverbindlichen Beschlusses des Rates über den Einsatz bewaffneter Drohnen und die Einhaltung der internationalen Menschenrechtsnormen und des humanitären Völkerrechts;

16.

ist zutiefst besorgt darüber, dass kriminelle und terroristische Vereinigungen, darunter Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel und der IS/Da‘esh, im Jemen weiterhin vertreten sind; fordert alle Konfliktparteien auf, entschlossen gegen derartige Gruppierungen vorzugehen; verurteilt sämtliche Handlungen aller terroristischen Organisationen;

17.

begrüßt die Entscheidung der neuen US-Regierung, die von der vorherigen US-Regierung getroffene Entscheidung, die Huthi-Bewegung, auch bekannt als Ansar Allah, als ausländische terroristische Organisation und gesondert ausgewiesene weltweite Terroristen einzustufen, umgehend zu widerrufen;

18.

fordert den Rat auf, die Resolution 2216 (2015) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vollständig umzusetzen, indem er die Personen, die die Erbringung humanitärer Hilfe blockieren, und diejenigen, die im Jemen Handlungen, die gegen internationale Menschenrechtsnormen oder das humanitäre Völkerrecht verstoßen, oder Handlungen, die Menschenrechtsverstöße darstellen, planen, leiten oder begehen, ermittelt und gegen sie gezielte Maßnahmen verhängt; weist darauf hin, dass trotz Informationen über wiederholte Verstöße der Koalition, die von der Gruppe unabhängiger namhafter internationaler und regionaler Sachverständiger der Vereinten Nationen gesammelt wurden, die Informationen beisteuert, um die vollständige Umsetzung der Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu unterstützen, der Sanktionsausschuss keine zur Koalition gehörenden Personen für Sanktionen benannt hat;

19.

fordert nachdrücklich ein Ende aller Formen sexueller und geschlechtsbezogener Gewalt gegen Frauen und Mädchen, auch gegen diejenigen, die sich in Haft befinden; fordert die EU in diesem Zusammenhang auf, gezielte finanzielle Unterstützung für lokale Frauenorganisationen und Frauenrechtsorganisationen bereitzustellen, um Frauen, Mädchen und die Überlebenden von geschlechtsbezogener Gewalt besser zu erreichen, sowie für Programme, die darauf abzielen, Frauen widerstandsfähig zu machen und ihre wirtschaftliche Stellung zu stärken;

20.

bekräftigt, dass es zwingend notwendig ist, Kinder zu schützen und zu gewährleisten, dass sie ihre Menschenrechte uneingeschränkt wahrnehmen können; fordert diesbezüglich alle Konfliktparteien auf, der Rekrutierung und dem Einsatz von Kindern als Soldaten in dem bewaffneten Konflikt ein Ende zu setzen und die Demobilisierung und wirksame Entwaffnung von Jungen und Mädchen, die rekrutiert oder bei Kampfhandlungen eingesetzt werden, weiter sicherzustellen, und fordert sie nachdrücklich auf, die gefangenen Personen freizulassen und mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten, um wirksame Programme für ihre Rehabilitation, ihre körperliche und psychische Genesung und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft durchzuführen;

21.

fordert alle Parteien auf, sämtliche Angriffe gegen die Meinungsfreiheit, auch durch Festnahme, Verschwindenlassen und Einschüchterung, sofort einzustellen und alle Journalisten und Menschenrechtsverteidiger, die nur festgehalten werden, weil sie ihre Menschenrechte wahrgenommen haben, freizulassen;

22.

ist zutiefst besorgt über Berichte über die Verweigerung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit, einschließlich Diskriminierung, unrechtmäßiger Inhaftierung und Anwendung von Gewalt, fordert die Achtung und den Schutz des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Glaubensfreiheit und verurteilt Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit, insbesondere von Christen, Juden und anderen religiösen Minderheiten und Nichtgläubigen in Fällen, die die Verteilung humanitärer Hilfe betreffen; fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung der Anhänger des Bahai-Glaubens, die derzeit wegen der friedlichen Ausübung ihrer Religion inhaftiert sind und denen eine Anklage droht, auf die die Todesstrafe steht, und die Beendigung ihrer Verfolgung;

23.

bedauert den Schaden, der dem jemenitischen Kulturerbe durch die Luftangriffe der von Saudi-Arabien geführten Koalition entstanden ist, unter anderem an der Altstadt von Sanaa und der historischen Stadt Sabid, und durch die Bombardierung des Nationalmuseums Ta‘is und die Plünderung von Handschriften und Relikten aus der historischen Bibliothek von Sabid durch die Huthi-Bewegung; betont, dass gemäß der Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten alle Personen, die solche Taten begangen haben, zur Rechenschaft gezogen werden müssen; fordert die Aussetzung der Stimmrechte Saudi-Arabiens und der VAE in den Leitungsgremien der Unesco bis zu einer unabhängigen und unparteiischen Untersuchung der jeweiligen Verantwortung beider Staaten für die Zerstörung kulturellen Erbes; ersucht den Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Sicherheitsrat mit einer Resolution zu der Frage des Schutzes aller Kulturstätten, die vom Konflikt im Jemen bedroht sind, zu befassen;

24.

bekräftigt, dass dringend eine Bewertungs- und Reparaturmission der Vereinten Nationen für das als schwimmende Lagereinheit (FSO) benutzte Schiff Safer durchgeführt werden muss, das verlassen vor dem Hafen von Hudaida liegt und die unmittelbare Gefahr einer großen Umweltkatastrophe für die biologische Vielfalt und für die Lebensgrundlage der örtlichen Küstengemeinden am Roten Meer birgt; fordert, dass die EU alle erforderliche politische, technische oder finanzielle Unterstützung leistet, damit ein technisches Team der Vereinten Nationen an Bord der FSO Safer gehen darf, was dringend notwendig ist, um eine Ölpest zu verhindern, die viermal schlimmer sein könnte als die historische Ölpest der Exxon Valdez im Jahr 1989 in Alaska;

25.

fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, alle ihnen verfügbaren Instrumente zu nutzen, um alle, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen; nimmt die Möglichkeit zur Kenntnis, das Weltrechtsprinzip anzuwenden, um gegen diejenigen, die im Jemen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben, zu ermitteln und sie strafrechtlich zu verfolgen; fordert, die globale Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte anzuwenden, um gegen Funktionsträger aller Konfliktparteien, die in schwere Menschenrechtsverletzungen im Jemen, einschließlich des Iran, Saudi-Arabiens und der VAE, verwickelt sind, gezielte Sanktionen wie etwa Reiseverbote und das Einfrieren von Vermögenswerten zu verhängen; fordert den HR/VP und die Mitgliedstaaten auf, die Erhebung von Beweismitteln im Hinblick auf ihre Verwendung in künftigen Strafverfolgungsmaßnahmen zu unterstützen und die Einsetzung einer unabhängigen Kommission in Erwägung zu ziehen, die diesen Prozess überwacht; ist der Ansicht, dass Opfer von Gräuelverbrechen und ihre Familien beim Zugang zur Justiz unterstützt werden sollten;

26.

fordert den Menschenrechtsrat auf, dafür zu sorgen, dass die Menschenrechtslage im Jemen auf seiner Tagesordnung bleibt, indem er das Mandat der VN-Gruppe namhafter internationaler und regionaler Sachverständiger für den Jemen immer wieder verlängert und dafür sorgt, dass sie mit ausreichenden Mitteln ausgestattet wird, um ihr Mandat wirksam auszuüben, einschließlich der Sammlung, Aufbewahrung und Analyse von Informationen über Verstöße und Straftaten;

27.

bekräftigt seinen Einsatz für die Bekämpfung der Straflosigkeit bei Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schweren Menschenrechtsverletzungen in der Welt, auch im Jemen; ist der Ansicht, dass die für solche Verbrechen verantwortlichen Personen ordnungsgemäß strafrechtlich verfolgt und vor Gericht gestellt werden sollten; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, entschlossen darauf hinzuwirken, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Situation im Jemen an den Internationalen Strafgerichtshof verweist und dass die Liste der Personen, gegen die der Sicherheitsrat Sanktionen verhängt, erweitert wird;

28.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, dem Generalsekretär des Golf-Kooperationsrats, dem Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten, der Regierung des Jemen, der Regierung des Königreichs Saudi-Arabien, der Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate und der Regierung der Islamischen Republik Iran zu übermitteln.

(1)  ABl. C 11 vom 13.1.2020, S. 44.

(2)  ABl. C 356 vom 4.10.2018, S. 104.

(3)  ABl. C 35 vom 31.1.2018, S. 142.

(4)  ABl. C 265 vom 11.8.2017, S. 93.

(5)  ABl. C 66 vom 21.2.2018, S. 17.

(6)  ABl. C 303 vom 15.12.2009, S. 12.

(7)  ABl. L 335 vom 13.12.2008, S. 99.


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/135


P9_TA(2021)0054

Lage in Myanmar/Birma

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zur Lage in Myanmar (2021/2540(RSP))

(2021/C 465/13)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Myanmar und zur Lage der Rohingya, insbesondere die Entschließungen vom 22. November 2012 (1), vom 20. April 2012 (2), vom 20. Mai 2010 (3), vom 25. November 2010 (4), vom 7. Juli 2016 (5), vom 15. Dezember 2016 (6), vom 14. September 2017 (7), vom 14. Juni 2018 (8), vom 13. September 2018 (9) und vom 19. September 2019 (10),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 26. Februar 2018 und vom 10. Dezember 2018 zu Myanmar/Birma,

unter Hinweis auf den Beschluss des Rates vom 23. April 2020, die geltenden restriktiven Maßnahmen gegen Myanmar um weitere zwölf Monate zu verlängern,

unter Hinweis auf den am 14. Oktober 2020 per Videokonferenz abgehaltenen sechsten Menschenrechtsdialog zwischen der Europäischen Union und Myanmar,

unter Hinweis auf die Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 1. Februar 2021 zu Myanmar,

unter Hinweis auf die Erklärung zu Myanmar, die der Hohe Vertreter und Vizepräsident im Namen der Europäischen Union am 2. Februar 2021 abgab,

unter Hinweis auf den vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 23. März 2018 veröffentlichten Bericht des Generalsekretärs über sexuelle Gewalt im Zusammenhang mit Konflikten (S/2018/250),

unter Hinweis auf die Berichte des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen über Myanmar und die Lage der Menschenrechte der Muslime vom Volk der Rohingya und anderer Minderheiten,

unter Hinweis auf den Bericht der unabhängigen internationalen Ermittlungsmission für Myanmar vom 22. August 2019 über sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt in Myanmar und die geschlechtsspezifischen Auswirkungen seiner ethnischen Konflikte (A/HRC/42/CRP.4),

unter Hinweis auf die Berichte des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für die Menschenrechtslage in Myanmar und des Amtes des Hohen Kommissars für Menschenrechte sowie auf die Berichte im Rahmen des Aufsichtsmechanismus der IAO,

unter Hinweis auf die Verfügung des Internationalen Gerichtshofs vom 23. Januar 2020 über das Ersuchen der Republik Gambia um die Angabe vorläufiger Maßnahmen in der Rechtssache betreffend die Anwendung der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (Gambia gegen Myanmar),

unter Hinweis auf die Genfer Konventionen von 1949 und ihre Zusatzprotokolle,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und das Protokoll von 1967 zu diesem Übereinkommen,

unter Hinweis auf die Konvention der Vereinten Nationen von 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes,

unter Hinweis auf Artikel 25 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) von 1966,

unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der diplomatischen Vertretungen in Myanmar vom 29. Januar 2021 zur Unterstützung des Übergangs zur Demokratie und zu den Bemühungen um die Förderung von Frieden, Menschenrechten und Entwicklung in Myanmar,

unter Hinweis auf die Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 1. Februar 2021 zu Myanmar,

unter Hinweis auf die Erklärung der Außenminister der G7 vom 3. Februar 2021, in der der Staatsstreich in Myanmar verurteilt wird;

unter Hinweis auf die Presseerklärung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 5. Februar 2021 zu Myanmar,

unter Hinweis auf die Presseerklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen António Guterres vom 4. Februar 2021,

unter Hinweis auf die Erklärung des Vorsitzenden des Verbands südostasiatischer Staaten (ASEAN) vom 1. Februar 2021 zu den Entwicklungen in der Republik der Union Myanmar,

unter Hinweis auf den IPBPR,

unter Hinweis auf die Erklärungen des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für Myanmar, Tom Andrews,

gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass die unter dem Namen Tatmadaw bekannten Streitkräfte von Myanmar am 1. Februar 2021 den Präsidenten Win Myint und die Staatsberaterin Aung San Suu Kyi sowie führende Mitglieder der Regierung festgenommen, durch einen Staatsstreich die Macht über die Legislative, Judikative und Exekutive an sich gerissen und einen einjährigen Ausnahmezustand verhängt haben, was ein eindeutiger Verstoß gegen die Verfassung des Landes ist;

B.

in der Erwägung, dass es als Reaktion auf den Staatsstreich in mehreren Städten Myanmars zu Protesten gekommen ist; in der Erwägung, dass sich am 7. Februar 2021 in Rangun etwa 100 000 Menschen friedlich an einer Demonstration gegen den Staatsstreich beteiligt haben; in der Erwägung, dass seit dem 1. Februar 2021 etwa 164 Politiker, Regierungsbeamte, Vertreter der Zivilgesellschaft, Mönche und Schriftsteller rechtswidrig festgenommen oder unter Hausarrest gestellt wurden; in der Erwägung, dass die Streitkräfte als Reaktion auf die anhaltenden Proteste am 8. Februar in den größten Städten des Landes das Kriegsrecht ausriefen, eine nächtliche Ausgangsperre verhängten und alle Versammlungen von mehr als fünf Personen verboten;

C.

in der Erwägung, dass die Nationale Liga für Demokratie (NLD) bei der Parlamentswahl, die am 8. November 2020 in Myanmar abgehalten wurde, als Wahlsieger 396 von 476 Sitzen (etwa 83 % aller verfügbaren Sitze) gewann; in der Erwägung, dass es sich dabei um die zweite umstrittene Wahl nach fast 50 Jahren Militärdiktatur handelte; in der Erwägung, dass die von den Streitkräften von Myanmar unterstützte Unionspartei für Solidarität und Entwicklung (USDP) nur 33 Sitze erringen konnte; in der Erwägung, dass die NLD gegenüber der Wahl von 2015, der ersten demokratischen Wahl in Myanmar seit 1990, bei der auf sie 360 und auf die USDP 41 Sitze entfallen waren, noch mehr Stimmen erhalten hat; in der Erwägung, dass sich die Streitkräfte bereits geweigert hatten, das Ergebnis der Wahl von 1990 anzuerkennen, bei der die NLD 392 der 492 Sitze gewonnen hatte;

D.

in der Erwägung, dass die Wahlbeteiligung bei allen demokratischen Wahlen konstant bei etwa 70 % lag, was davon zeugt, dass die Bürger Myanmars für die Demokratie eintreten;

E.

in der Erwägung, dass das neugewählte Parlament am Tag des Staatsstreichs zum ersten Mal zusammentreten sollte; in der Erwägung, dass der demokratisch zum Ausdruck gebrachte Wille der Bevölkerung von Myanmar durch den Staatsstreich der Streitkräfte missachtet wird, und dass dies die Absicht der Streitkräfte widerspiegelt, erneut die alleinige Herrschaft über Myanmar zu übernehmen, so wie es während der Militärherrschaft der Fall war, die offiziell 2012 abgelöst wurde, jedoch in Wirklichkeit nie endete; in der Erwägung, dass die Streitkräfte von Myanmar erklärt haben, nach dem für ein Jahr verhängten Ausnahmezustand werde es Neuwahlen geben, was bedeutet, dass das Land bis dahin ohne parlamentarische Vertretung sein wird;

F.

In der Erwägung, dass 70 gewählte Abgeordnete am 4. Februar 2021 trotz des Staatsstreiches der Streitkräfte den parlamentarischen Amtseid abgelegt und gelobt haben, die Aufgaben des Parlaments auszuüben und ihr Mandat als Volksvertreter auszuüben;

G.

in der Erwägung, dass die Streitkräfte, die sich der geringen Unterstützung vonseiten der Bevölkerung sehr wohl bewusst sind, nicht bereit waren, das Wahlergebnis zu akzeptieren, und auf weitverbreiteten Wahlbetrug verwiesen haben, ohne Beweise vorzulegen; in der Erwägung, dass die Wahlkommission von Myanmar und die Wahlbeobachter diese Vorwürfe der Streitkräfte nicht bestätigt haben; in der Erwägung, dass die Streitkräfte und ihr politischer Arm, die USDP in den vergangenen Wochen verstärkt Anschuldigungen wegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl erhoben und die Wahlkommission der Union von Myanmar zum Eingreifen aufgefordert haben; in der Erwägung, dass die Streitkräfte Demonstrationen zur Unterstützung der Streitkräfte organisieren; in der Erwägung, dass schätzungsweise 1,5 Millionen Wähler, die ethnischen Minderheiten in Konfliktgebieten angehören und von denen die meisten Rohingya sind, nicht an den Wahlen teilnehmen durften; in der Erwägung, dass Rohingya gemäß dem Gesetz über die Staatsbürgerschaft von Myanmar „Ausländer“ bzw. „ausländische Gebietsansässige“ sind, wodurch ihnen die Staatsbürgerschaft entzogen wird;

H.

in der Erwägung, dass dieser Staatsstreich eindeutig eine Verletzung der Verfassung von Myanmar von 2008 darstellt; in der Erwägung, dass nach der Verfassung von Myanmar allein der Präsident eine zivile Regierung tatsächlich abberufen kann; in der Erwägung, dass der Staatsstreich der Streitkräfte vom 1. Februar 2021 somit verfassungswidrig war, da Präsident Win Myint widerrechtlich verhaftet wurde;

I.

in der Erwägung, dass die Streitkräfte General Myint Swe als vorläufigen Präsidenten eingesetzt haben; in der Erwägung, dass der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General Min Aung Hlaing, der wegen seiner Beteiligung an der Verfolgung der muslimischen Minderheit auf internationalen Sanktionslisten steht, wahrscheinlich weiterhin die wichtigste Führungspersönlichkeit bleiben wird;

J.

in der Erwägung, dass die Streitkräfte seit dem Staatsstreich den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft und der Medien stark eingeschränkt haben, etwa durch die vollständige Abschaltung des Internets und von Plattformen der sozialen Medien gehört; in der Erwägung, dass die Streitkräfte von Myanmar von internationalen Beobachtern beschuldigt werden, Falschmeldungen zu verbreiten, um die öffentliche Meinung in Bezug auf den Staatsstreich zu manipulieren; in der Erwägung, dass landesweite Beschränkungen für soziale Medien eingeführt wurden und im Fernsehen ausschließlich der militäreigene Sender Myawaddy ausgestrahlt wird;

K.

in der Erwägung, dass die Streitkräfte dafür bekannt sind, politische Rivalen und Kritiker mithilfe abstruser Straftatbestände zu marginalisieren, in der Erwägung, dass Aung San Suu Kyi festgenommen und anschließend angeklagt wurde, mindestens zehn tragbare Funksprechgeräte illegal eingeführt zu haben; in der Erwägung, dass der gestürzte Präsident Win Myint am 1. Februar 2021 inhaftiert wurde, weil er gegen die Coronavirus-Notverordnung verstoßen haben soll, und dass er beschuldigt wird, während des Wahlkampfes im vergangenen Jahr ein vollbesetztes Auto gegrüßt zu haben, in dem seine Anhänger saßen; in der Erwägung, dass Aung San Suu Kyi und Win Myint bis zu drei Jahre Haft drohen, sollten sie für schuldig befunden werden; in der Erwägung, dass ihre Vorstrafen sie dann daran hindern könnten, erneut ein öffentliches Amt zu bekleiden;

L.

in der Erwägung, dass sich etwa 100 Gruppen der Bewegung für zivilen Ungehorsam (CDM) angeschlossen haben, die zu Streiks unter anderem im Gesundheitswesen aufgerufen hat;

M.

in der Erwägung, dass Myanmar von einer langen Geschichte des demokratischen Kampfes und der Unterdrückung durch die Streitkräfte geprägt ist; in der Erwägung, dass die Streitkräfte seit der Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien im Jahr 1948, insbesondere über den langen Zeitraum von 1962 bis 2015, die Macht fest in ihren Händen hielten, jeden demokratischen Fortschritt, unter anderem in Form zivilgesellschaftlicher Organisationen, weitgehend unterbunden, die Wahrung der Menschenrechte beschnitten und Oppositionelle inhaftiert haben, darunter die Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 1991 Aung San Suu Kyi, die im Zeitraum von 1989 bis 2010 überwiegend unter Hausarrest stand;

N.

in der Erwägung, dass die geltende Verfassung 2008 in Kraft getreten ist und dass vor der Wahl von Menschenrechtsorganisationen Bedenken geäußert wurden, da mit ihr 25 % der Parlamentssitze den Streitkräften von Myanmar zugesprochen werden, die dadurch jegliche Verfassungsänderungen, für die 75 % der Stimmen erforderlich sind, mit einem Veto verhindern können; in der Erwägung, dass mit der Verfassung außerdem die uneingeschränkte Herrschaft der Streitkräfte über die Sicherheitskräfte und die Polizei sowie über das Innen-, Verteidigungs- und Grenzschutzministerium sichergestellt wird;

O.

in der Erwägung, dass sich das Land nach wiederkehrenden Protesten und internen Auseinandersetzungen Anfang der 2010er Jahre allmählich in Richtung einer demokratischen Öffnung bewegte, wodurch immer mehr bürgerliche Freiheiten gewährt und allmählich demokratische Fortschritte erkennbar wurden, was sich auch in der Parlamentswahl von 2015 sowie einer Reihe von Nachwahlen niederschlug, die alle größtenteils von der oppositionellen NLD gewonnen wurden;

P.

in der Erwägung, dass es in Myanmar bei dieser heiklen Gemengelage zwar seit 2015 eine halbdemokratische und zivile Regierung gab, sich das Land aber weiterhin in einem fragilen und angespannten Zustand befindet, da sich die prodemokratischen Kräfte und die Streitkräfte von Myanmar zwar weitgehend über bestimmte Projekte zur wirtschaftlichen Entwicklung und Wirtschaftsreformen einig sind, jedoch jeweils grundlegend unterschiedliche Auffassungen vom künftigen Weg ihres Landes haben;

Q.

in der Erwägung, dass die demokratische Öffnung Myanmars seit den 2010er Jahren weitgehend auf der Notwendigkeit beruhte, das Land wirtschaftlich zu entwickeln, das aufgrund der Militärherrschaft und der verheerenden Menschenrechtsbilanz unter strengen internationalen Sanktionen litt; in der Erwägung, dass im Zuge der zaghaften demokratischen Reformen einige der internationalen Sanktionen langsam aufgehoben wurden, was wiederum eine wirtschaftliche Entwicklung ermöglichte, von der große Teile der Bevölkerung von Myanmar profitierten; in der Erwägung, dass durch den Staatsstreich der Zustand vor dem Demokratisierungsprozess wiederhergestellt worden ist, was den Bedingungen für die Gewährung von Präferenzen nach der Regelung „Alles außer Waffen“ (Everything But Arms — EBA) und für die Aufhebung der Sanktionen zuwiderläuft;

R.

in der Erwägung, dass die Menschenrechtsverletzungen, insbesondere gegen die muslimische Minderheit des Landes, und zwar vor allem gegen die Rohingya, die die Regierung von Myanmar nicht als einheimische ethnische Gruppe anerkennt, auch nach der demokratischen Öffnung anhielten und 2017 in tragischer Weise in Gräueltaten kulminierten, die von den Vereinten Nationen als ethnische Säuberung eingestuft wurden und zu einer Massenflucht in das Nachbarland Bangladesch führten; in der Erwägung, dass die Minderheit der Rohingya trotz zahlreicher Appelle der internationalen Gemeinschaft in Myanmar bis zum heutigen Tag weiterhin verfolgt wird;

S.

in der Erwägung, dass internationale Aufrufe, die gegen Rohingya gerichtete ethnische Säuberung einzustellen und ihre Lage zu verbessern, von der Regierung von Myanmar weitgehend ignoriert wurden; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament infolgedessen im September 2019 schließlich Aung San Suu Kyi, die zu dem Zeitpunkt Staatsberaterin und Außenministerin von Myanmar war, bis auf weiteres von der Gemeinschaft der Sacharow-Preisträger ausschloss, weil sie nichts gegen diese gut dokumentierten Menschenrechtsverletzungen unternommen hatte; in der Erwägung, dass wegen dieser Menschenrechtsverletzungen seither internationale Sanktionen gegen die Streitkräfte und unter anderem gegen den amtierenden Oberbefehlshaber General Min Aung Hlaing verhängt wurden;

T.

in der Erwägung, dass es in Myanmar zahlreiche ethnische Gruppen gibt, darunter die Rohingya, Karen, Arakanesen, Shan und Chin; in der Erwägung, dass interne Konflikte in den letzten Jahrzehnten tragischerweise Tausende von Todesopfern gefordert haben; in der Erwägung, dass durch die jüngsten gewaltsamen Auseinandersetzungen im Bundesstaat Kayin allein seit Dezember 2020 4 000 Menschen vertrieben wurden; in der Erwägung, dass die Streitkräfte in den vergangenen Jahren mutmaßlich schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und Grausamkeiten wie etwa Vergewaltigungen und Kriegsverbrechen begangen haben, so dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) eine Untersuchung eröffnet hat, in deren Rahmen die Lage der Rohingya-Minderheit besonders berücksichtigt wird; in der Erwägung, dass die unabhängige internationale Ermittlungsmission für Myanmar Ermittlungen gegen General Min Aung Hlaing und seine strafrechtliche Verfolgung wegen Völkermord im Norden des Bundesstaats Rakhaing sowie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in den Bundesstaaten Rakhaing, Kachin und Shan forderte;

U.

in der Erwägung, dass der Internationale Gerichtshof (IGH) mit seinem Urteil vom 23. Januar 2020 in dem das Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes und die Rohingya betreffenden Verfahren, das Gambia gegen Myanmar angestrengt hatte, vorläufige Maßnahmen angeordnet hat; in der Erwägung, dass die Regierung von Myanmar, deren Verteidigung vor dem IGH Aung San Suu Kyi in leitender Position übernahm, die Vorwürfe des Völkermords als irreführende und unvollständige Darstellung der Sachlage bezeichnet hat; in der Erwägung, dass die Regierung von Myanmar mit mehreren Erlassen des Präsidenten in begrenztem Maße Schritte gegen die Menschenrechtsverletzungen unternommen hat; in der Erwägung, dass die Regierung wichtige Gesetze, die der Diskriminierung der Rohingya Vorschub leisten, einschließlich des Gesetzes über die Staatsbürgerschaft aus dem Jahr 1982, noch nicht abgeändert bzw. aufgehoben hat;

V.

in der Erwägung, dass die EU immer wieder forderte, die für diese Verbrechen Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, und die im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen am 27. September 2018 und im Dritten Ausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 16. November 2018 verabschiedeten Resolutionen unterstützte; in der Erwägung, dass die hochrangigsten Militärangehörigen, die die Angriffe gegen die Rohingya befehligten, nach wie vor im Amt sind und am Staatsstreich beteiligt waren; in der Erwägung, dass das Parlament immer wieder die Menschenrechtsverletzungen und die systematischen und weit verbreiteten Angriffe auf die Volksgruppe der Rohingya verurteilt hat;

W.

in der Erwägung, dass die Europäische Union den demokratischen Wandel in Myanmar seit 2013 politisch und finanziell unterstützt und enorme Anstrengungen unternommen hat, um Frieden, Menschenrechte und Entwicklung im Land zu fördern; in der Erwägung, dass die EU im Oktober 2015 als internationaler Beobachter das landesweite Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet hat, was Ausdruck ihrer Schlüsselrolle bei der Unterstützung des Friedensprozesses ist; in der Erwägung, dass die EU im Zeitraum von 2014 bis 2020 Entwicklungshilfe für Myanmar in Höhe von 688 Mio. EUR bereitgestellt hat; in der Erwägung, dass Myanmar im Rahmen der Regelung EBA Handelspräferenzen genießt, die einen zoll- und kontingentfreien Zugang zum europäischen Binnenmarkt ermöglichen; in der Erwägung, dass der Prozess der verstärkten Herangehensweise im Rahmen der EBA-Regelung mit einem Schwerpunkt auf der Einhaltung der Menschenrechtsübereinkommen und der Wahrung von Arbeitnehmerrechten bereits 2018 eingeleitet wurde;

X.

in der Erwägung, dass der Rat die restriktiven Maßnahmen gegen Myanmar am 23. April 2020 um ein Jahr bis zum 30. April 2021 verlängert hat, zu denen auch das Einfrieren der Vermögenswerte von 14 hochrangigen Angehörigen der Streitkräfte, des Grenzschutzes und der Polizei in Myanmar und ein Reiseverbot für diese Personen gehören, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, welche an der Bevölkerungsgruppe der Rohingya und an ethnischen Minderheiten angehörenden Dorfbewohnern und Zivilisten in den Staaten Rakhaing, Kachin und Shan begangen wurden; in der Erwägung, dass keine restriktiven Maßnahmen gegen General Min Aung Hlaing und den stellvertretenden Oberbefehlshaber General Soe Win verhängt wurden;

Y.

in der Erwägung, dass schätzungsweise etwa 600 000 Rohingya im Bundesstaat Rakhaing verblieben und nach wie vor diskriminierenden Maßnahmen und Praktiken, systematischen Verletzungen ihrer Grundrechte und willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt, in überfüllten Lagern eingesperrt und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind und nur in äußerst geringem Umfang Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung haben;

Z.

in der Erwägung, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) in der Woche vor dem Staatsstreich 350 Mio. USD an Coronavirus-Soforthilfe an Myanmar überwiesen hat;

AA.

in der Erwägung, dass die Streitkräfte und ihre Generäle mit umfangreichen Korruptionsvorwürfen konfrontiert sind und über enge Verbindungen zur Wirtschaft von Myanmar verfügen, da sie mächtige Konglomerate besitzen, den Handel mit wertvoller Jade und Holz kontrollieren, Infrastruktur wie Häfen und Dämme verwalten sowie Banken, Versicherungen, Krankenhäuser, Sportstätten und Medienunternehmen betreiben; in der Erwägung, dass der Militärputsch die Fortsetzung internationaler Investitionen, die Aufrechterhaltung des Tourismus und die Weiterführung von Finanzierungen gefährdet;

AB.

in der Erwägung, dass der Staatsstreich von zahlreichen internationalen Akteuren wie den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, Japan, Indien, Australien und Kanada verurteilt, kritisiert und mit Besorgnis aufgenommen wurde; in der Erwägung, dass der Vorsitz des ASEAN eine Erklärung abgegeben hat, in der er sich für Dialog, Aussöhnung und die Rückkehr zur Normalität ausgesprochen hat; in der Erwägung, dass der indonesische Präsident Joko Widodo und der malaysische Premierminister Muhyiddin Yassin am 5. Februar 2021 eine Sondersitzung des ASEAN zu diesem Thema forderten;

AC.

in der Erwägung, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres den Staatsstreich als „absolut inakzeptabel“ bezeichnet hat; in der Erwägung, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Presseerklärung abgegeben hat, in der er seine „tiefe Besorgnis“ über die Machtübernahme durch die Streitkräfte in Myanmar zum Ausdruck brachte und die unverzügliche Freilassung der gewählten führenden Politikerin Myanmars Aung San Suu Kyi und des Präsidenten des Landes Win Myint forderte; in der Erwägung, dass China und Russland die Annahme eines schärfer formulierten Textes im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhindert haben; in der Erwägung, dass der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Myanmar, Tom Andrews, am 7. Februar 2021 eine Erklärung veröffentlicht hat, in der unter anderem der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen nachdrücklich aufgefordert wird, unverzüglich eine Sondersitzung einzuberufen;

AD.

in der Erwägung, dass die Vorverfahrenskammer III des Internationalen Strafgerichtshofs am 14. November 2019 entschieden hat, eine Untersuchung der rechtswidrigen Ausweisung von Rohingya aus Myanmar nach Bangladesch zuzulassen; in der Erwägung, dass das Vorgehen der Regierung Myanmars dem neusten UNIFFM-Bericht vom 16. September 2019 zufolge weiterhin Teil eines großflächigen und systematischen Angriffs auf die im Bundesstaat Rakhaing verbliebenen Rohingya ist, der einer Verfolgung und anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommt;

1.

bringt seine Sympathie und seine Unterstützung für die Bevölkerung von Myanmar in ihrem friedlichen und legitimen Kampf für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte zum Ausdruck;

2.

verurteilt die Machtübernahme durch die Streitkräfte von Myanmar unter dem Oberbefehl von General Min Aung Hlaing am 1. Februar 2021 nachdrücklich als einen Staatsstreich und fordert die Streitkräfte auf, das Ergebnis der demokratischen Wahl vom November 2020 uneingeschränkt zu respektieren und, um nicht alle in den vergangenen Jahren erzielten demokratischen Fortschritte zu gefährden, die Zivilregierung unverzüglich wiedereinzusetzen, den Ausnahmezustand zu beenden und allen gewählten Parlamentsabgeordneten die Ausübung ihres Mandats zu ermöglichen, damit die verfassungsmäßige Ordnung und demokratische Normen wiederhergestellt werden; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten sowie die internationale Gemeinschaft mit Nachdruck auf, die militärische Führung Myanmars, darunter General Min Aung Hlaing, General Soe Win und der kommissarische Präsident Myint Swe, nicht anzuerkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen;

3.

fordert die unverzügliche und bedingungslose Freilassung von Präsident Win Myint, Staatsberaterin Aung San Suu Kyi, und allen anderen Personen, die unter dem Vorwand der Wahlfälschung oder anderer Vorwürfe, die jeder Grundlage entbehren, widerrechtlich festgenommen wurden; erinnert die Streitkräfte daran, dass ihre Glaubwürdigkeit im Land und international durch diese Art von Vorwürfen weiter erschüttert wird; betont, dass die Streitkräfte von Myanmar darlegen müssen, auf welcher Rechtsgrundlage die inhaftierten Personen festgenommen wurden, und dafür sorgen müssen, dass deren Rechte, darunter der Schutz vor Misshandlung, uneingeschränkt geachtet werden und sie Zugang zu Rechtsanwälten ihrer Wahl und zu ihren Familien haben;

4.

verurteilt das scharfe Vorgehen der Streitkräfte gegen unabhängige Aktivisten, die Medien und Organisationen der Zivilgesellschaft im Anschluss an den Staatsstreich; fordert die unverzügliche Freilassung aller Aktivisten der Zivilgesellschaft sowie aller Mönche und Journalisten, die ausschließlich deswegen verhaftet wurden, weil sie abweichende Meinungen geäußert haben, und beharrt darauf, dass ihr Recht auf friedlichen Protest gegen diesen unrechtmäßigen Staatsstreich nicht eingeschränkt werden darf und dass Zivilpersonen keinerlei Repressalien ausgesetzt werden dürfen;

5.

begrüßt, dass am 8. November 2020 die zweite demokratische Wahl in Myanmar stattfand, und fordert alle Seiten auf, den Willen der Menschen in Myanmar uneingeschränkt zu respektieren; fordert alle Seiten nachdrücklich auf, den Übergang Myanmars zur Demokratie fortzusetzen; fordert entschieden, dass beide Kammern der Versammlung der Union unverzüglich einberufen werden, um die vollständig transparente und demokratische Amtseinführung und Ernennung der wichtigsten Führungspersönlichkeiten des Landes, wie etwa des Präsidenten, der Vizepräsidenten und der neuen Zivilregierung, zu ermöglichen; bekräftigt das Angebot des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, nach dem die Europäische Union bereit ist, den Dialog mit allen wichtigen Interessenträgern zu unterstützen, die den Konflikt in gutem Glauben lösen und eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung in Myanmar erreichen wollen;

6.

fordert die Streitkräfte auf, das Ergebnis der Parlamentswahl vom 8. November 2020 anzuerkennen, den Ausnahmezustand unverzüglich zu beenden und die Macht an die gewählten zivilen Gremien zu übergeben; weist darauf hin, dass alle Behauptungen, dass es bei der Wahl zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, durch Beweise gestützt und über die dafür zuständigen demokratischen Kanäle untersucht werden müssen, wobei die Entscheidungen der rechtmäßigen staatlichen Stellen umfassend respektiert werden müssen; vertritt die Auffassung, dass die von den Streitkräften am 3. Februar 2021 ernannte derzeitige Wahlkommission der Union nicht legitimiert ist und nicht das Recht hat, die Ergebnisse vergangener oder künftiger Wahlen zu bestätigen; fordert entschieden, dass die vorherige Wahlkommission der Union unverzüglich wieder eingesetzt wird;

7.

fordert die Streitkräfte und die rechtmäßig gewählte Regierung von Myanmar unter Präsident Win Myint nachdrücklich auf, gemeinsam mit der Bevölkerung von Myanmar einen freien und fairen Prozess der Ausarbeitung und Einführung einer neuen Verfassung einzuleiten, damit für echte Demokratie gesorgt und ein Staat geschaffen wird, der sich für das Wohlergehen und den Wohlstand aller Menschen in Myanmar einsetzt und der insbesondere die Anerkennung und Vertretung aller ethnischen Gruppen in Myanmar, einschließlich der Rohingya, garantiert und Sicherheit, Freiheit, Harmonie und Frieden für alle sicherstellt;

8.

kritisiert aufs Schärfste die Beschneidung der Bürger- und Menschenrechte sowie die Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und verurteilt in diesem Zusammenhang außerdem nachdrücklich die Einschränkung der Medienfreiheit durch die Abschaltung des Internets und die Einschränkung und Sperrung sozialer Medien wie Facebook und Twitter;

9.

betont, dass die Unterbrechung der Telekommunikationsverbindungen neben der weiterhin grassierenden COVID-19-Pandemie und dem anhaltenden internen Konflikt, an dem bewaffnete Gruppen beteiligt sind und unter dem die Zivilbevölkerung in mehreren Landesteilen zu leiden hat, eine zusätzliche Bedrohung für die Bevölkerung darstellt; betont daher, dass die Telefon- und Internetverbindungen unverzüglich und vollständig wiederhergestellt werden müssen;

10.

weist auf die Erklärung des Vizepräsidenten und Hohen Vertreters hin, der zufolge die Europäische Union erwartet, dass die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sowohl Myanmars als auch ihrer Mitgliedstaaten jederzeit gewährleistet wird, und alle ihr zur Verfügung stehenden Optionen prüfen wird, um zu gewährleisten, dass die Demokratie sich durchsetzt;

11.

zollt der Bevölkerung von Myanmar Anerkennung, die Jahrzehnte der Militärherrschaft überstanden hat und die, obwohl sie nur begrenzte demokratische Freiheiten genießen konnte, weiter nach einem demokratischen Myanmar strebt, und würdigt die beeindruckende Wahlbeteiligung von rund 70 % im Jahr 2020, die ein klarer Beleg für den Wunsch der Bürger ist, an den demokratischen Entscheidungsprozessen ihres Landes mitzuwirken;

12.

bekräftigt seine entschiedene Unterstützung für die Zivilgesellschaft und die Mitglieder der Demokratiebewegung in Myanmar und fordert die EU und ihre Organe auf, ihre Bemühungen um Fortschritte im Bereich der Zivilgesellschaft trotz der derzeitigen und möglicherweise andauernden Einschränkungen durch die herrschende Militärregierung fortzusetzen;

13.

bekräftigt seine grundlegende Überzeugung, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte von grundlegender Bedeutung sind, um Wirtschaftswachstum und Wohlstand nachhaltig und wirklich inklusiv zu gestalten;

14.

bekräftigt, dass Aung San Suu Kyi für die Menschen in Myanmar weiterhin eine Symbolfigur für demokratische Bestrebungen und den Wunsch nach einer gerechteren und demokratischeren Zukunft ist, auch wenn sie die Menschenrechtsverletzungen gegen Minderheiten in Myanmar nicht angemessen verurteilt hat;

15.

ist besorgt über die Zunahme gefälschter und manipulierter Nachrichten, die von den Streitkräften in Myanmar verbreitet werden, und sieht in der zunehmenden Verbreitung derartiger Falschmeldungen in Myanmar eine beunruhigende Entwicklung;

16.

weist darauf hin, dass Myanmar seinen Verpflichtungen und Zusagen in Bezug auf die demokratischen Grundsätze und die Menschenrechte nachkommen muss, die ein wesentlicher Bestandteil der Handelsbestimmungen im Rahmen der EBA-Regelung sind; fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine Untersuchung gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a der APS-Verordnung einzuleiten, mit dem Ziel, die Handelspräferenzen auszusetzen, die Myanmar und insbesondere Unternehmen, die sich im Besitz von Angehörigen der Streitkräfte befinden, in bestimmten Wirtschaftszweigen genießen, und das Parlament ordnungsgemäß auf dem Laufenden zu halten; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, den Druck auf die Streitkräfte zu erhöhen und alle ihnen zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um die Rückkehr der gewählten Staatsorgane an die Macht sicherzustellen; fordert die Kommission auf, graduelle Strafmaßnahmen zu erarbeiten, um angemessen auf die bestehenden und mögliche weitere Verletzungen zu reagieren, ohne andere Maßnahmen wie etwa Sanktionen gegen die für den Staatsstreich Verantwortlichen auszuschließen, und dabei gleichzeitig die positiven Auswirkungen der zuvor gewährten Handelspräferenzen auf die Zivilgesellschaft und die zivile Wirtschaft zu berücksichtigen;

17.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, dringend Empfehlungen an Unternehmen mit Sitz in der EU herauszugeben, um sie auf die Risiken hinsichtlich der Achtung der Menschenrechte und für ihren eigenen Ruf sowie auf die rechtlichen Risiken aufmerksam zu machen, die Geschäftsbeziehungen mit den Streitkräften von Myanmar in sich bergen; fordert Unternehmen mit Sitz in der EU nachdrücklich auf, ihren Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Menschenrechte umfassend nachzukommen und dafür zu sorgen, dass sie nicht in Verbindung zu den Sicherheitskräften von Myanmar, zu Mitarbeitern der Sicherheitskräfte oder zu Unternehmen, die sich im Besitz oder im Einflussbereich der Sicherheitskräfte befinden, stehen, und dass sie nicht in direkter oder indirekter Weise zu dem scharfen Vorgehen der Streitkräfte gegen Demokratie und Menschenrechte beitragen; fordert Unternehmen mit Sitz in der EU, darunter Mutter- und Tochtergesellschaften, auf, ihre Geschäftsverbindungen in Myanmar unverzüglich einer erneuten Bewertung zu unterziehen und alle Beziehungen mit Unternehmen mit Bezug zu den Streitkräften abzubrechen; weist darauf hin, dass derzeit Rechtsvorschriften zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen erarbeitet werden, mit denen EU-Unternehmen und Unternehmen, die im Binnenmarkt tätig sind, Sorgfaltspflichten im Bereich der Menschenrechte auferlegt werden und mit denen dafür gesorgt wird, dass Unternehmen, die an Menschenrechtsverletzungen und an Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Myanmar beteiligt oder in diese verstrickt sind, gemäß den einzelstaatlichen Bestimmungen zur Rechenschaft gezogen werden;

18.

fordert die EU-Organe und internationale Finanzinstitute auf, die Finanzgeschäfte der Streitkräfte und ihrer Angehörigen genau zu prüfen und festzustellen, welche Maßnahmen sinnvollerweise ergriffen werden könnten, sollte sich die Lage in Myanmar nicht verbessern oder gar verschlechtern;

19.

fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, eine internationale Koordinierung zu fördern, um zu verhindern, dass ungenehmigte Güter illegal aus Myanmar ausgeführt werden, insbesondere wenn dies den Streitkräften wirtschaftlich nutzen würde, und um die Erzeugung von illegalen Gütern, insbesondere die Ausbeutung natürlicher Ressourcen etwa durch illegalen Holzeinschlag, zu beenden;

20.

fordert den Rat auf, das Waffenembargo der EU gegen Myanmar zu überprüfen und möglicherweise so zu verändern, dass zur Überwachung dienende Geräte und Produkte mit doppeltem Verwendungszweck, die von den Streitkräften bei ihrem scharfen Vorgehen gegen Rechte und Widerstand verwendet werden können, von dem Embargo betroffen sind;

21.

fordert die EU auf, Programme weiterzuführen, die den Bürgerinnen und Bürgern des Landes zugutekommen, und die Unterstützung dort zu verstärken, wo dies angesichts der gegenwärtigen Krise erforderlich ist, etwa im Bereich der humanitären Hilfe und der Initiativen zu Förderung der Demokratie; begrüßt die am 1. Juli 2020 von Österreich, Finnland, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Polen getroffene Entscheidung, Myanmar die Aussetzung der Rückzahlung von Schulden in Höhe von 98 Mio. US-Dollar zu gestatten, um das Land dabei zu unterstützen, die schweren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu bekämpfen; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass Entwicklungshilfe nicht über die staatlichen Stellen Myanmars verteilt wird, da diese jetzt in der Hand der Streitkräfte sind;

22.

ist der Ansicht, dass der ASEAN bei Bedarf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft für Myanmar kanalisieren kann, wie dies nach den Zerstörungen in Myanmar durch den Zyklon Nargis im Jahr 2008 der Fall war; fordert den ASEAN ferner auf, eine aktive Vermittlungsrolle bei der derzeitigen Krise in Myanmar zu spielen; ist der Ansicht, dass Wahlbeobachtungsmissionen ein wirksames Instrument sein können, über die der ASEAN die Konsolidierung der Demokratie in seinen Mitgliedstaaten unterstützen kann, da diese Missionen dem Wahlprozess ein zusätzliches Maß an Legitimität verleihen;

23.

fordert den Hohen Vertreter und Vizepräsidenten auf, eng mit gleichgesinnten Partnern wie den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, Japan, Indien, Australien und Kanada, aber vor allem auch mit den ASEAN-Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten und seine Positionen und Initiativen mit ihnen abzustimmen, um möglichst bald die Wiedereinsetzung einer zivilen Regierung in Myanmar zu erreichen;

24.

fordert, dass internationalen Menschenrechtsbeobachtern, wie etwa dem Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Menschenrechte, der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Menschenrechtslage in Myanmar sowie den Vertretern sämtlicher Sonderverfahren des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen, unverzüglicher und ungehinderter Zugang zum gesamten Staatsgebiet von Myanmar gewährt wird; begrüßt die enge Zusammenarbeit zwischen der EU und den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen im Hinblick auf Myanmar;

25.

begrüßt die Erklärung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, in der die sofortige Freilassung aller Festgenommenen gefordert wird; fordert den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf, möglichst bald eine Resolution zu verabschieden, mit der der Staatsstreich der Streitkräfte von Myanmar verurteilt wird und klare, verbindliche und durchsetzbare Konsequenzen angedroht werden, wenn die Streitkräfte weiterhin gegen demokratische Verfahren verstoßen;

26.

fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, sich auf der nächsten Tagung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen für die Annahme einer Resolution zu Myanmar auszusprechen;

27.

fordert China und Russland ferner auf, sich aktiv an der internationalen Diplomatie zu beteiligen und ihrer Verantwortung als ständige Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gerecht zu werden, und erwartet, dass sie bei der Prüfung der Lage in Myanmar eine konstruktive Rolle spielen;

28.

lobt den Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, für seine entschiedenen Worte zu dem Vorgehen der Streitkräfte von Myanmar und begrüßt die Erklärung des ASEAN-Vorsitzes zu den „Entwicklungen in der Republik der Union Myanmar“, in der die Bedeutung des „Festhaltens an den Prinzipien der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und einer verantwortungsvollen Regierungsführung sowie an der Achtung und dem Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ hervorgehoben wird;

29.

weist darauf hin, dass Myanmar ein Vielvölkerstaat ist, und fordert die Streitkräfte nachdrücklich auf, die unveräußerlichen Rechte aller Volksgruppen uneingeschränkt zu achten; betont, dass die Europäische Union die Maßnahmen der Militärführung in Bezug auf die Minderheiten des Landes, insbesondere die Rohingya, die in der Vergangenheit bereits unter ungeheuerlichen Grausamkeiten gelitten haben, weiterhin genau überwachen wird; bekundet der Regierung und der Bevölkerung Bangladeschs in dieser Hinsicht seinen Dank und seinen Respekt, die ungefähr eine Million Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar aufgenommen haben und weiterhin beherbergen; betont nachdrücklich, dass Myanmar letztlich die Verantwortung für diese Flüchtlinge hat und ihre sichere, humane und geordnete Rückkehr und Wiedereingliederung in Myanmar sicherstellen muss; fordert, dass humanitärer Hilfe umfassend und ungehindert Einlass nach Myanmar gewährt wird;

30.

verurteilt erneut auf das Schärfste alle früheren und derzeitigen Menschenrechtsverletzungen und die systematischen und weit verbreiteten Übergriffe, darunter Morde, Schikanen, Vergewaltigungen und die Zerstörung von Eigentum, die nach den Berichten der UNIFFM und des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen, die die Streitkräfte an der Bevölkerungsgruppe der Rohingya begehen; hebt hervor, dass die Streitkräfte von Myanmar kontinuierlich gegen die internationalen Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht verstoßen;

31.

begrüßt, dass der Rat (Auswärtige Angelegenheiten) die 2018 verhängten Sanktionen gegen Angehörige und Amtsträger der Streitkräfte von Myanmar, des Grenzschutzes und der Polizei, die für schwere Menschenrechtsverletzungen gegen die Bevölkerungsgruppe der Rohingya verantwortlich sind, erneut verhängt und ausgedehnt hat, und erwartet, dass diese Personen im Rahmen der Sanktionen kontinuierlich überprüft werden;

32.

spricht erneut seine Unterstützung für den Beschluss der Chefanklägerin des IStGH aus, Vorermittlungen zu den Verbrechen gegen die Rohingya aufzunehmen, wie auch für jede angemessene Initiative, die dazu beiträgt, für Gräueltaten verantwortliche Personen, wie etwa die Generäle Min Aung Hlaing und Soe Wen, zur Rechenschaft zu ziehen;

33.

fordert den Rat nachdrücklich auf, das Mandat für die geltenden restriktiven Maßnahmen so zu ändern, dass es sich auch auf Verstöße gegen die Demokratie bezieht, und gezielte Sanktionen auf alle Führungspersönlichkeiten der Streitkräfte von Myanmar auszuweiten, darunter alle am Staatsstreich beteiligten Personen und die in ihrem Besitz stehenden Unternehmen;

34.

begrüßt in diesem Zusammenhang die Führungsrolle der EU bei der Einrichtung des Unabhängigen Ermittlungsmechanismus der Vereinten Nationen für Myanmar (IIMM), in dessen Rahmen Beweise für die schwersten seit 2011 in Myanmar begangenen internationalen Verbrechen und Verstöße gesammelt, zusammengeführt, gesichert und analysiert werden sollen; fordert Myanmar nachdrücklich auf, sich internationalen Bemühungen um eine Rechenschaftspflicht anzuschließen, etwa indem es dem IIMM endlich uneingeschränkten Zugang zu seinem Staatsgebiet gewährt; fordert die EU, ihre Mitgliedstaaten und die internationale Gemeinschaft auf, dafür zu sorgen, dass der IIMM die für die Durchführung seines Mandats erforderliche Unterstützung, auch finanzieller Art, erhält;

35.

fordert den Vizepräsidenten und Hohen Vertreter und die EU-Mitgliedstaaten auf, die Lage in Myanmar aufmerksam zu verfolgen, und fordert den Vizepräsidenten und Hohen Vertreter auf, dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments regelmäßig Bericht zu erstatten, damit ein angemessener parlamentarischer Meinungsaustausch über diese wichtige und besorgniserregende Situation sichergestellt wird;

36.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem rechtmäßigen Präsidenten und der rechtmäßigen Regierung von Myanmar, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Kommission, dem Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten der EU, der USA, des Vereinigten Königreichs, Japans, Indiens, Australiens und Kanadas, den ASEAN-Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär des ASEAN, der zwischenstaatlichen Kommission für Menschenrechte des ASEAN, der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Menschenrechtslage in Myanmar, der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Flüchtlinge und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, dem Unterhaus (Pyidaungsu Hluttaw) der Union Myanmar sowie dem Präsidenten, der Staatsberaterin und den Streitkräften von Myanmar zu übermitteln.

(1)  ABl. C 419 vom 16.12.2015, S. 189.

(2)  ABl. C 258 E vom 7.9.2013, S. 79.

(3)  ABl. C 161 E vom 31.5.2011, S. 154.

(4)  ABl. C 99 E vom 3.4.2012, S. 120.

(5)  ABl. C 101 vom 16.3.2018, S. 134.

(6)  ABl. C 238 vom 6.7.2018, S. 112.

(7)  ABl. C 337 vom 20.9.2018, S. 109.

(8)  ABl. C 28 vom 27.1.2020, S. 80.

(9)  ABl. C 433 vom 23.12.2019, S. 124.

(10)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0018.


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/143


P9_TA(2021)0055

Ruanda: der Fall Paul Rusesabagina

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu Ruanda: der Fall Paul Rusesabagina (2021/2543(RSP))

(2021/C 465/14)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Ruanda,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,

unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker,

unter Hinweis auf die Grundsätze und Leitlinien für das Recht auf einen fairen Prozess und Rechtsbeistand in Afrika,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Ruanda im Jahr 1975 ratifiziert hat,

unter Hinweis auf die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen (die Nelson-Mandela-Regeln) in der 2015 überarbeiteten Fassung,

unter Hinweis auf die Erklärung von Kampala zu den Haftbedingungen in Afrika,

unter Hinweis auf die Schreiben des Hohen Kommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) vom 30. September 2020 an die Regierungen Ruandas und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zu den Mandaten des Sonderberichterstatters über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, der Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen, der Arbeitsgruppe zur Frage des Verschwindenlassens von Personen und der Sonderberichterstatterin über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus,

unter Hinweis auf das Cotonou-Abkommen,

unter Hinweis auf die Ergebnisse der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung zu Ruanda vom 25. Januar 2021 im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf,

unter Hinweis auf den EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie für den Zeitraum 2020–2024,

unter Hinweis auf das Wiener Übereinkommen von 1963 über konsularische Beziehungen,

unter Hinweis auf die Erklärung von Human Rights Watch vom 10. September 2020 mit Titel „Rwanda: Rusesabagina was forcibly disappeared“ (Ruanda: Paul Rusesabagina wurde gewaltsam verschleppt),

unter Hinweis auf die Erklärung von Human Rights Watch vom 1. Februar 2021 mit Titel „UN: Countries call out Rwanda’s rights record“ (Vereinte Nationen: Staaten prangern Ruandas Menschenrechtsbilanz an),

gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass die strengen Mediengesetze in Ruanda, die nach dem Völkermord von 1994 erlassen wurden, die Meinungsfreiheit unter Präsident Paul Kagame weiterhin beeinträchtigen; in der Erwägung, dass die Regierung Kritiker und Regierungsgegner in Ruanda im Zuge politisch motivierter Gerichtsverfahren festnehmen, inhaftieren und strafrechtlich verfolgen ließ und weitere Kritiker und Regierungsgegner außerhalb des Landes wiederholt bedrohen ließ, wobei einige von ihnen körperlich angegriffen und sogar getötet wurden;

B.

in der Erwägung, dass Ruanda im weltweiten Freiheitsindex eine Punktzahl von 22 von 100 Punkten (1) aufweist und damit als „nicht frei“ eingestuft wird; in der Erwägung, dass die grenzüberschreitenden Repressionsmaßnahmen vonseiten Ruandas in Bezug auf Taktik, Ziele und geografische Reichweite außerordentlich breit gefächert sind und digitale Bedrohungen, Angriffe mit Spähsoftware, die Einschüchterung und Schikanierung von Familienmitgliedern, Mobilitätskontrollen, Auslieferungen und Ermordung umfassen; in der Erwägung, dass die Regierung seit 2014 ruandische Staatsbürger in mindestens sieben Ländern körperlich angreifen ließ;

C.

in der Erwägung, dass der Völkermord an den Tutsi in Ruanda weiterhin und dauerhaft auf dem Land und auf der gesamten Region lastet, dem zwischen 800 000 und einer Million Menschen zum Opfer fielen, die aus dem alleinigen Grund, dem Volk der Tutsi anzugehören, grausam ermordet wurden, wobei dieser Völkermord auch mit einem Massaker an den Hutu einherging, die sich dieser Auslöschung widersetzten;

D.

in der Erwägung, dass die Stabilität in der Region nach wie vor von den Nachwirkungen des Völkermords und des Bürgerkriegs von 1994 in Ruanda beeinträchtigt wird;

E.

in der Erwägung, dass der Menschenrechtsverteidiger und vehemente Kritiker von Präsident Paul Kagame und der von der Ruandischen Patriotischen Front (RPF) geführten amtierenden Regierung, Paul Rusesabagina, der belgischer Staatsbürger und in den USA ansässig ist, am 31. August 2020 in Kigali festgenommen wurde, wobei ihm 13 Taten — darunter Terrorismusfinanzierung, bewaffneter Raub, Entführung, Brandstiftung, versuchter Mord und Körperverletzung — zur Last gelegt wurden; in der Erwägung, dass vier der Anklagepunkte fallen gelassen wurden und dass sich die übrigen Anklagepunkte auf Ereignisse beziehen, die sich im Juni 2018 im Bezirk Nyaruguru und im Dezember 2018 im Bezirk Nyamagabe abgespielt haben;

F.

in der Erwägung, dass Paul Rusesabagina während des Völkermords im Jahr 1994 stellvertretender Leiter des Hôtel des Mille Collines in Kigali war, in dem er 1 268 Tutsi und gemäßigten Hutu, die vor dem Töten flohen, Unterkunft und Schutz bot; in der Erwägung, dass Paul Rusesabagina ein international anerkannter Menschenrechtsaktivist ist, dessen Geschichte in dem Film Hotel Ruanda erzählt wird; in der Erwägung, dass ihm für diesen lobenswerten Einsatz im Jahr 2005 die Presidential Medal of Freedom verliehen wurde;

G.

in der Erwägung, dass Paul Rusesabagina 2006 die Partei PDR-Ihumure gründete und derzeit Vorsitzender des Mouvement Rwandais pour le Changement Démocratique (ruandische Bewegung für den demokratischen Wandel — MRDC) ist, einer Vereinigung, zu der auch die PDR-Ihumure gehört; in der Erwägung, dass die Front de Libération Nationale (FLN), der militärische Flügel der PDR-Ihumure, für eine Reihe von bewaffneten Angriffen im Jahr 2018 die Verantwortung übernommen hat;

H.

in der Erwägung, dass Paul Rusesabagina am 27. August 2020 unter ungeklärten Umständen zwangsweise von Dubai nach Kigali überführt wurde und erst wieder am 31. August 2020 in der Zentrale der Strafverfolgungsbehörde Rwandan Investigation Bureau (RIB) auftauchte; in der Erwägung, dass das ruandische Gericht verlauten ließ, dass Paul Rusesabagina auf dem internationalen Flughafen von Kigali festgenommen worden sei, was im Widerspruch zu einem früheren Polizeibericht steht, in dem erklärt wurde, dass er im Zuge „internationaler Zusammenarbeit“ festgenommen worden sei; in der Erwägung, dass die Staatsorgane der VAE bestreiten, in irgendeiner Form an seiner Überstellung und anschließenden Festnahme beteiligt gewesen zu sein; in der Erwägung, dass die rechtmäßige Inhaftierung und Überstellung einer verdächtigen Person von einem Land in ein anderes zu dem Zweck, die betreffende Person einem Strafverfahren zu unterziehen, im Wege eines Auslieferungsverfahrens erfolgen sollte, das von einem unabhängigen Gericht überwacht wird;

I.

in der Erwägung, dass Paul Rusesabagina der Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl verweigert wurde; in der Erwägung, dass den internationalen Anwälten, die er mit seiner Verteidigung beauftragt hat, nach wie vor die erforderlichen Vollmachten zu seiner Vertretung verweigert werden;

J.

in der Erwägung, dass die Anklageschrift gegen Paul Rusesabagina, seine Verfahrensakte und weitere Unterlagen, die zur Vorbereitung seiner Verteidigung erforderlich sind, am 23. Dezember 2020 vom Direktor des Mageragere-Gefängnisses beschlagnahmt wurden; in der Erwägung, dass der Gefängnisdirektor am 8. Februar 2021 unter Arrest gestellt wurde; in der Erwägung, dass das Verfahren gegen Paul Rusesabagina und 19 weitere Personen, denen Verbindungen zu terroristischen Organisationen zur Last gelegt werden, auf den 17. Februar 2021 verschoben wurde; in der Erwägung, dass der offizielle Grund für diese Verschiebung darin besteht, dass die ruandische Regierung aufgrund der COVID-19-Beschränkungen nicht in der Lage ist, mit ihrem Rechtsbeistand zusammenzutreffen;

K.

in der Erwägung, dass die Familie von Paul Rusesabagina äußerst besorgt über seinen Gesundheitszustand ist, da er Krebsüberlebender ist und an einer Störung des Herz-Kreislauf-Systems leidet, wogegen er verschreibungspflichtige Medikamente einnimmt; in der Erwägung, dass die Medikamente, die seine Familie über einen diplomatischen Kurierdienst der belgischen Botschaft in Ruanda versandt hat, Paul Rusesabagina niemals verabreicht worden sein sollen; in der Erwägung, dass er von einem ruandischen Arzt verschriebene Medikamente erhält, ohne zu wissen, welche Art von Wirkstoff darin enthalten ist;

1.

verurteilt, dass Paul Rusesabagina gewaltsam verschleppt und illegal überstellt wurde und sich in Isolationshaft befindet;

2.

betont, dass das Verschwindenlassen von Paul Rusesabagina im Zeitraum vom 27. bis 31. August 2020 gegen die Verpflichtungen Ruandas im Rahmen des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (Artikel 6 und 9), des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Artikel 2 und 16) und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Artikel 9) verstößt;

3.

weist darauf hin, dass die Auslieferung eines Verdächtigen an ein anderes Land ausschließlich im Wege eines von unabhängiger Seite beaufsichtigten Auslieferungsverfahrens stattfinden sollte, damit die Rechtmäßigkeit des Auslieferungsersuchens gegeben ist und sichergestellt wird, dass das Recht des Verdächtigen auf ein faires Verfahren in dem ersuchenden Land uneingeschränkt gewährleistet wird;

4.

verurteilt die Beschränkungen der Grundrechte und Grundfreiheiten sowie den willkürlichen Einsatz von Untersuchungshaft zur Unterdrückung abweichender Meinungen durch die ruandischen Staatsorgane, ohne dass Paul Rusesabagina dabei die Mindestgarantien für ein faires Verfahren gewährt worden wären oder ihm ein regelmäßiger Kontakt zu seiner Familie gestattet worden wäre;

5.

fordert die ruandischen Staatsorgane auf, einen vollständigen und stichhaltigen Bericht darüber vorzulegen, wie Paul Rusesabagina festgenommen und nach Kigali überstellt wurde; fordert eine unabhängige, transparente und glaubwürdige internationale Untersuchung der Überstellung und Festnahme von Paul Rusesabagina;

6.

zeigt sich zutiefst besorgt darüber, dass die Rechte von Paul Rusesabagina verletzt wurden; fordert die ruandischen Staatsorgane nachdrücklich auf, Paul Rusesabagina ein faires und öffentliches Verfahren vor einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht zu gewähren, in dem internationale Menschenrechtsnormen Anwendung finden; weist die ruandische Regierung darauf hin, dass sie nach der Afrikanischen Charta und anderen internationalen und regionalen Menschenrechtsinstrumenten, einschließlich des Cotonou-Abkommens und insbesondere dessen Artikel 8 und 96, dazu verpflichtet ist, die Achtung der Grundrechte zu garantieren, wozu auch der Zugang zur Justiz und das Recht auf ein faires Verfahren gehören; fordert die ruandische Justiz auf, dafür zu sorgen, dass Paul Rusesabagina ein zügiges und faires Berufungsverfahren erhält, das den im ruandischen Recht und im Völkerrecht verankerten Normen entspricht;

7.

fordert, dass Paul Rusesabagina vertrauliche Konsultationen mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl sowie ein regelmäßiger und sicherer Kontakt zu seiner Familie zugestanden werden; erinnert die ruandischen Staatsorgane daran, dass Paul Rusesabagina berechtigt ist, seine Anklageschrift, die Verfahrensakte und weitere Unterlagen vollständig einzusehen, damit er die Rechtmäßigkeit seiner Festnahme anfechten kann; weist auf den Rechtsgrundsatz der Unschuldsvermutung hin;

8.

zeigt sich zutiefst besorgt über den Gesundheitszustand von Paul Rusesabagina, insbesondere da eine Exposition gegenüber COVID-19 sein Leben ernsthaft in Gefahr bringen könnte; fordert die Regierung Ruandas auf, die körperliche Unversehrtheit und das psychische Wohlbefinden von Paul Rusesabagina unter allen Umständen zu garantieren und ihm zu ermöglichen, seine üblichen Medikamente einzunehmen; fordert die ruandische Regierung auf, zuzulassen, dass — wie von der belgischen Außenministerin am 4. Februar 2021 gefordert — ein Arzt in Belgien seinen Gesundheitszustand überwacht; fordert die ruandische Regierung auf, überdies dafür zu sorgen, dass allen Häftlingen eine angemessene Gesundheitsversorgung zuteilwird;

9.

verurteilt politisch motivierte Gerichtsverfahren, die Verfolgung politischer Gegner und die Vorwegnahme des Ausgangs von Gerichtsverfahren; fordert die ruandischen Staatsorgane mit Nachdruck auf, die Trennung von Exekutive, Legislative und Judikative und insbesondere die Unabhängigkeit der Justiz sicherzustellen; fordert Ruanda auf, seinen politischen Raum zu öffnen und seine Menschenrechtsbilanz zu verbessern; erwartet, dass Ruanda die vom Menschenrechtsrat in Genf im Rahmen der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung des Landes ausgestellten Empfehlungen vom 25. Januar 2021 umsetzt;

10.

fordert die Regierung Ruandas auf, das Recht auf Protest und das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu achten und eingeschränkt zu fördern und nicht danach zu trachten, diese Rechte einzuschränken;

11.

fordert die Regierung Ruandas auf, das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen und das Römische Statut zu ratifizieren, um dem Internationalen Strafgerichtshof als Land beitreten zu können; fordert Ruanda eindringlich auf, dem Unterausschuss der Vereinten Nationen zur Verhinderung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe zu ermöglichen, seine Besuche wieder aufzunehmen; fordert die ruandischen Staatsorgane auf, ihre Erklärung, kraft deren das Land Einzelpersonen und nichtstaatlichen Organisationen die Einreichung von Beschwerden vor dem Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte und Rechte der Völker ermöglicht, dringend zu überarbeiten und diese Erklärung wieder in Kraft zu setzen;

12.

fordert die Europäische Union auf, umgehend zu handeln, um sicherzustellen, dass die Rechtmäßigkeit der Verhaftung Paul Rusesabaginas und des Gerichtsverfahrens gegen ihn untersucht wird und dass seine Rechte als EU-Bürger in allen Phasen dieses Verfahrens gewahrt werden; fordert die EU-Delegation in Ruanda sowie die diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten und insbesondere die belgische Botschaft in Ruanda auf, das Gerichtsverfahren gegen Paul Rusesabagina zu beobachten, ihn im Gefängnis zu besuchen und seinen Fall bei ihren jeweiligen Aussprachen mit den ruandischen Staatsorganen zur Sprache zu bringen;

13.

fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst, die Kommission und den EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte auf, den Menschenrechtsdialog mit Ruanda auf höchster Ebene zu intensivieren, damit das Land seinen bilateralen und internationalen Verpflichtungen nachkommt; hebt hervor, dass den Menschenrechten, der Rechtsstaatlichkeit sowie einer transparenten und bürgernahen Regierungsführung im Rahmen der internationalen Entwicklungsarbeit in Ruanda ein viel höherer Stellenwert eingeräumt werden sollte;

14.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den EU-Mitgliedstaaten, dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Organen der Afrikanischen Union, der Ostafrikanischen Gemeinschaft, der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU, dem Panafrikanischen Parlament, den Verteidigern von Paul Rusesabagina sowie dem Präsidenten und dem Parlament Ruandas zu übermitteln.

(1)  Wie von der Organisation Freedom House in ihrem Bericht 2020 über die Freiheit in der Welt aufgezeigt.


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/147


P9_TA(2021)0056

Die Menschenrechtslage in Kasachstan

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zur Lage der Menschenrechte in Kasachstan (2021/2544(RSP))

(2021/C 465/15)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. März 2019 zur Menschenrechtslage in Kasachstan (1) und seine früheren Entschließungen zu Kasachstan, einschließlich der Entschließungen vom 18. April 2013 (2), 15. März 2012 (3) und 17. September 2009 (4),

unter Hinweis auf das Abkommen über eine verstärkte Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Kasachstan andererseits, das am 21. Dezember 2015 in Astana unterzeichnet wurde und nach seiner Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten am 1. März 2020 in vollem Umfang in Kraft getreten ist,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 17. Juni 2019 zur neuen Strategie der EU für Zentralasien,

unter Hinweis auf den Länderbericht über Kasachstan im EU-Jahresbericht 2019 über Menschenrechte und Demokratie in der Welt,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter,

unter Hinweis auf die 17. Sitzung des Kooperationsrats EU-Kasachstan vom 20. Januar 2020, das 12. Treffen im Rahmen des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Kasachstan vom 26. und 27. November 2020 und die 18. Sitzung des Ausschusses für parlamentarische Kooperation EU-Kasachstan vom 25. September 2020,

unter Hinweis auf die allgemeine regelmäßige Überprüfung zu Kasachstan des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 12. März 2020,

unter Hinweis auf das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte,

unter Hinweis auf die Erklärungen des Sprechers des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 1. Februar 2021 zu dem zunehmenden Druck auf nichtstaatliche Menschenrechtsorganisationen in Kasachstan, vom 11. Januar 2021 zur Parlamentswahl in Kasachstan und vom 7. Januar 2021 zu Schritten zur Abschaffung der Todesstrafe,

unter Hinweis auf die Erklärung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu ihren vorläufigen Feststellungen und Schlussfolgerungen in Bezug auf die Parlamentswahl in Kasachstan vom 10. Januar 2021,

gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass in den vergangenen Wochen eine besorgniserregende Verschlechterung der allgemeinen Menschenrechtslage und ein massives Vorgehen gegen Organisationen der Zivilgesellschaft in Kasachstan zu beobachten waren, wobei das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, massiv beschnitten wurden; in der Erwägung, dass die Zivilgesellschaft und die in Kasachstan tätigen Menschenrechtsorganisationen zunehmendem Druck und Strafmaßnahmen seitens der staatlichen Stellen des Landes ausgesetzt sind, wodurch die Reformbemühungen behindert und die unentbehrlichen Anstrengungen der Zivilgesellschaft eingeschränkt werden;

B.

in der Erwägung, dass die Europäische Union und Kasachstan am 21. Dezember 2015 ein Abkommen über eine verstärkte Partnerschaft und Zusammenarbeit unterzeichnet haben, das als breiter Rahmen für einen verstärkten politischen Dialog und eine entsprechende Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz, Innenpolitik und vielen anderen Bereichen dienen soll; in der Erwägung, dass in dem Abkommen sehr viel Wert auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie nachhaltige Entwicklung und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit gelegt wird; in der Erwägung, dass das Abkommen über eine verstärkte Partnerschaft und Zusammenarbeit nach seiner Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten am 1. März 2020 in vollem Umfang in Kraft getreten ist;

C.

in der Erwägung, dass in der neuen EU-Strategie für Zentralasien besonderes Gewicht auf die Zusammenarbeit der EU mit Zentralasien beim Schutz und der Förderung der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten, einschließlich der Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, und auf die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger gelegt wird; in der Erwägung, dass die Europäische Union Kasachstan umfangreiche COVID-19-Soforthilfe leistet, zuletzt durch ihre finanzielle Unterstützung für eine Lieferung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von mehr als acht Tonnen medizinischer Ausrüstung am 29. Januar 2021;

D.

in der Erwägung, dass der EAD die Parlamentswahl in Kasachstan vom 10. Januar 2021 als verpasste Gelegenheit bezeichnet hat, die effiziente Umsetzung politischer Reformen und des dazugehörigen Modernisierungsprozesses seit der letzten Wahl unter Beweis zu stellen, wobei seit Langem ausgesprochene Empfehlungen des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE (BDIMR) zu verschiedenen Themen noch nicht berücksichtigt wurden, unter anderem in Bezug auf die Grundfreiheiten, die Unparteilichkeit der Wahlbehörde, das aktive und passive Wahlrecht, die Eintragung in das Wahlverzeichnis, die Medien und die Veröffentlichung der Wahlergebnisse; in der Erwägung, dass nach den vorläufigen Feststellungen des BDIMR der OSZE und der Parlamentarischen Versammlung der OSZE der Rechtsrahmen in Kasachstan noch nicht dafür geeignet ist, Wahlen nach internationalen Normen abzuhalten;

E.

in der Erwägung, dass das die politische Landschaft wegen systemischer Mängel bei der Achtung der Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit nach wie vor limitiert ist und dass die Wähler aufgrund des Fehlens eines echten politischen Wettbewerbs und einer politischen Opposition keine echte Wahl haben, da seit 2013 keine neuen Parteien registriert wurden; in der Erwägung, dass demokratische Wahlen ein Eckpfeiler für die Verwirklichung politischer Reformen und den Aufbau einer freien und offenen Gesellschaft sind;

F.

in der Erwägung, dass zwei Oppositionsbewegungen, die „Köşe partiyası“ und die „Demokratische Wahl Kasachstans“ per geheimen Gerichtsbeschluss verboten und als „extremistische“ Organisationen eingestuft wurden, ohne dass ihnen ein Rechtsbehelf zur Verfügung stünde; in der Erwägung, dass 17 führende Vertreter der „Köşe partiyası“ gemäß Artikel 182 und 405 des kasachischen Strafgesetzbuchs in Untersuchungshaft genommen wurden und ihnen lange Haftstrafen drohen; in der Erwägung, dass Gefangene, die beschuldigt werden, die „Demokratische Wahl Kasachstans“ zu unterstützen, nach wie vor ihre Haftstrafen verbüßen; in der Erwägung, dass 26 politische Gefangene, darunter Almat Jwmağwlov, Äset Äbişev, Kenjebek Äset Äbişev, Ashat Jeksenbaev, Kayrat Klışev, Erbol Esxozin, Abay Begimbetov, Asel Onlabeqqızı, Erkin Sabanşiev, Janat Jamaliev, Diana Baimagambetova, Noyan Raqımjanov und Asqar Kayırbek wegen ihrer Unterstützung dieser Bewegungen politisch verfolgt werden;

G.

in der Erwägung, dass die nicht registrierte Oppositionspartei „Demokratische Partei“ an der Wahl nicht teilnehmen durfte, da die Staatsorgane die Partei am 22. Februar 2020 daran gehindert hatten, ihren Gründungskongress in Almaty abzuhalten; in der Erwägung, dass es ohne einen solchen Kongress für eine Partei unmöglich ist, sich registrieren zu lassen; in der Erwägung, dass die Mitglieder der Demokratischen Partei staatlichem Druck ausgesetzt waren, wobei einige wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften festgenommen und andere daran gehindert wurden, zum Veranstaltungsort des Kongresses zu reisen;

H.

in der Erwägung, dass die Staatsorgane Kasachstans während des Wahlkampfs und am Wahltag versucht haben, die Maßnahmen zur Kontrolle und Zensur des Internets zu verschärfen, indem sie das Internet wiederholt abgeschaltet und die Bürger gezwungen haben, ein „Zertifikat für die nationale Sicherheit“ zu installieren, mit dem verschlüsselte Kommunikation im Internet abgefangen werden kann; in der Erwägung, dass der Staat das Internet immer stärker kontrolliert, etwa durch Versuche, den Informationsfluss im Internet durch Zensurmaßnahmen zu beschränken, durch Abschaltungen des Internets und durch fortgesetzte Aufforderungen an die Bürger, ein „Zertifikat für nationale Sicherheit“ zu installieren, mit dem die Kommunikation zwischen Internetnutzern unterbunden werden kann;

I.

in der Erwägung, dass es während des Wahlkampfs zu Massenverhaftungen kam; in der Erwägung, dass die Staatsorgane am Wahltag in zehn Städten mindestens 350 friedliche Demonstranten widerrechtlich festgenommen haben; in der Erwägung, dass die Staatsorgane Kasachstans regelmäßig friedliche regierungskritische Proteste verhindern; in der Erwägung, dass durch das Gesetz über friedliche Versammlungen und durch die im Mai 2020 verabschiedeten Änderungen der Gesetze über politische Parteien und über Wahlen die Grundrechte der Bürger Kasachstans missachtet werden;

J.

in der Erwägung, dass nach Angaben der internationalen begrenzten Wahlbeobachtungsmission des BDIMR die Tätigkeit unabhängiger Beobachter von den Staatsorganen erschwert und behindert wurde, während regierungsfreundliche Beobachter das Wahlverfahren überwachen durften; in der Erwägung, dass Berichten von nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen zufolge eine beträchtliche Zahl unabhängiger Beobachter bei der Parlamentswahl vom 10. Januar 2021 eingeschüchtert, in Verwaltungshaft genommen und mit Geldbußen belegt wurde;

K.

in der Erwägung, dass die Medienlandschaft in Kasachstan von staatlichen oder staatlich subventionierten Medienkanälen dominiert wird; in der Erwägung, dass zwischen Januar und Juli 2020 sieben Journalisten tätlich angegriffen wurden und 21 Journalisten, Blogger und engagierte Bürger festgenommen wurden, sieben von ihnen in Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit; in der Erwägung, dass die Staatsorgane 2020 mehr als 38 Strafverfahren gegen Journalisten wegen mutmaßlicher Straftaten wie Verbreitung von Falschinformationen und Anstiftung eingeleitet haben; in der Erwägung, dass die bedeutendsten Oppositionszeitungen des Landes 2016 verboten wurden und dass unabhängige Journalisten nach wie vor drangsaliert werden; in der Erwägung, dass die Staatsorgane gegen den Chefredakteur der unabhängigen Zeitung „Uralskaja Nedelja“, Lukpan Ahmedyarov, Strafanzeige erstattet haben, weil er über die korrupten Machenschaften der örtlichen Eliten berichtet hatte, und dass Saniya Toyken, eine Journalistin der kasachischen Redaktion von Radio Free Europe/Radio Liberty, mehrmals wegen ihrer Berichterstattung über friedliche Kundgebungen und die Parlamentswahl von 2021 tätlich angegriffen und festgenommen wurde;

L.

in der Erwägung, dass von Februar bis November 2020 fünf Oppositionelle — Dulat Ağadil, ein Blogger und Folteropfer, sein 17-jähriger Sohn Janbolat Ağadil, der ein wichtiger Zeuge der willkürlichen Verhaftung seines Vaters gewesen ist, Amanbike Xairulla, Serik Orazov und Garifulla Embergenov — getötet wurden oder unter ungeklärten Umständen ums Leben kamen, nachdem sie zuvor wegen ihrer Oppositionstätigkeit ständiger politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen waren; in der Erwägung, dass die Staatsorgane diese Todesfälle weder gründlich noch in transparenter Weise untersucht haben; in der Erwägung, dass es äußerst wichtig ist, diejenigen, die für die Anordnung und Ausführung solcher Verbrechen verantwortlich sind, vor Gericht zu stellen und dafür zu sorgen, dass der Verfolgung von engagierten Vertretern der Zivilgesellschaft und von Personen, die sich um die Aufklärung des Schicksals ihrer eigenen Familienangehörigen bemühen, Einhalt geboten wird; in der Erwägung, dass die kasachischen Staatsorgane massiv gegen mindestens 200 engagierte Bürger vorgegangen sind, die an der Gedenkfeier für Dulat Ağadil teilgenommen oder Spendenaktionen für seine Familie und die Familien von politischen Gefangenen organisiert haben; in der Erwägung, dass 57 von ihnen wegen „Extremismus“ angeklagt wurden, darunter Dametkan Aspandiyarova, eine Mutter von drei Kindern, die derzeit unter Hausarrest steht und der nun deswegen bis zu zwölf Jahre Haft drohen, weil sie eine Spendenaktion zur Unterstützung der Familie von Dulat Ağadil organisiert hatte;

M.

in der Erwägung, dass in Kasachstans Gefängnissen Folter und Misshandlung weit verbreitet sind, wobei die „Koalition gegen Folter“ jedes Jahr mindestens 200 Fälle von Folter meldet; in der Erwägung, dass die Täter Straflosigkeit genießen, wohingegen die Menschenrechtsverteidigerin Jelena Semjonowa von der Leitung von Gefängniskolonien verklagt wurde, weil sie den Einsatz von Folter im kasachischen Strafvollzugssystem in den sozialen Medien offengelegt hatte;

N.

in der Erwägung, dass die Staatsorgane Kasachstans trotz der Appelle, die vom Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen (5), von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und von der Europäischen Union unterbreitet wurden, missbräuchlich auf ein vage formuliertes und übermäßig weit gefasstes Gesetz über die Bekämpfung des Extremismus zurückgreifen, um die Opposition und Menschenrechtsverteidiger strafrechtlich zu verfolgen; in der Erwägung, dass sich nach diesem Gesetz seit dem 22. Oktober 2020 — dem Tag, an dem die Staatsorgane den Wahltermin bekanntgaben — die Zahl der politisch motivierten Strafverfahren verdoppelt hat und auf 99 gestiegen ist, wobei sich diese Verfahren insbesondere auf den Vorwurf des „Extremismus“ gründen; in der Erwägung, dass 69 der Betroffenen, etwa der engagierten Bürgerin Gülzipa Jäukerova, unmittelbar die Verhaftung droht und elf Aktivisten auf der Grundlage konstruierter Vorwürfe des „Extremismus“ unter Hausarrest gestellt wurden;

O.

in der Erwägung, dass in jüngster Zeit mehrere unabhängige nichtstaatliche Menschenrechtsorganisationen, darunter ECHO, Erkindik Qanatı, das Internationale Büro für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Kasachstan und die „International Legal Initiative“, auf unklarer Rechtsgrundlage zu hohen Geldstrafen verurteilt und angewiesen wurden, ihre Arbeit ab dem 25. Januar 2020 für bis zu drei Monate auszusetzen; in der Erwägung, dass die Staatsorgane mit Schikanen und strafrechtlicher Verfolgung als Vergeltungsmaßnahmen gegen Menschenrechtsverteidiger vorgehen, die ihre Kontrollfunktion wahrnehmen, darunter Şolpan Janzakova, Anna Schukejewa, Raygül Sadırbaeva, Ayjan Izmakova, Daniyar Xasenov, Altınay Tuksikova, Dana Janay, Nazım Serikpekova, Alma Nuruschewa, Abaybek Sultanov, Zuhra Narıman, Ulbolsın Turdieva, Aliya Jakupova, Roza Musaeva und Barlık Mendıgaziev; in der Erwägung, dass zwischen Oktober und November 2020 mindestens 15 Organisationen die Mitteilung erhielten, sie hätten gegen Artikel 460-1 des Gesetzbuchs über Ordnungswidrigkeiten verstoßen, weil sie die Behörden angeblich nicht ordnungsgemäß von dem Erhalt ausländischer Finanzmittel in Kenntnis gesetzt haben;

P.

in der Erwägung, dass im Jahr 2020 insgesamt 112 Personen, drei Wohltätigkeitsorganisationen und ein Handelsunternehmen verurteilt wurden, weil sie von ihrem Recht auf Religions- oder Glaubensfreiheit Gebrauch gemacht hatten;

Q.

in der Erwägung, dass Korruption unter der herrschenden Elite in Kasachstan weit verbreitet ist, wofür Platz 94 auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2020 von Transparency International ein Beleg ist, und dass Korruption ein Hindernis für die Menschenrechte, die soziale Gerechtigkeit und die sozioökonomische Entwicklung ist;

R.

in der Erwägung, dass die Regierung inmitten der COVID-19-Pandemie missbräuchlich auf pandemiebedingte Einschränkungen zurückgegriffen hat, um die politische Repression gegen die Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger, Oppositionelle und medizinische Fachkräfte zu verstärken, die das Versagen der Regierung bei der Eindämmung der Pandemie anprangerten;

S.

in der Erwägung, dass am 21. Januar 2021 zwei ethnische Kasachen, Murager Alimulı und Kayşa Aqanqızı, nach ihrer Flucht aus China — wo sie befürchteten, in Konzentrationslagern inhaftiert zu werden — von unbekannten Angreifern zusammengeschlagen und niedergestochen wurden; in der Erwägung, dass den anhaltenden ethnischen Spannungen in den südlichen Gebieten Kasachstans ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte; in der Erwägung, dass es in Kasachstan nach wie vor zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien kommt, insbesondere im Süden des Landes, wo im Februar 2020 infolge der Zusammenstöße zwischen Kasachen und ethnischen Dunganen elf Menschen zu Tode kamen, Dutzende verletzt wurden und über 23 000 Menschen — überwiegend Dunganen — aus ihrer Heimat vertrieben wurden;

T.

in der Erwägung, dass die Staatsorgane Kasachstans missbräuchlich auf Mechanismen der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen zurückgreifen, auch auf Interpol-Rotecken-Ersuchen und Rechtshilfeersuchen, um einen politischen Flüchtling in Belgien, die Rechtsanwältin und Menschenrechtsverteidigerin Bota Jardemali, strafrechtlich zu verfolgen und ihre Dokumente zu beschlagnahmen; in der Erwägung, dass das für Asylrecht zuständige französische Oberverwaltungsgericht (Cour nationale du droit d’asile) am 29. September 2020 dem Gründer der Partei „Demokratische Wahl Kasachstans“, Mwhtar Äblyazov politisches Asyl gewährte, der von einem kasachischen Gericht in Abwesenheit und unter Verstoß gegen das Recht auf Verteidigung zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, weil er darauf hingewiesen hatte, dass der Repressionsapparat Kasachstans systematisch und politisch motiviert vorgeht und in missbräuchlicher Art und Weise auf Zivil- und Strafverfahren zurückgreift;

U.

in der Erwägung, dass die Staatsorgane Kasachstans nach wie vor unabhängige Gewerkschaften und ihre gesellschaftlich engagierten Mitglieder ins Visier nehmen; in der Erwägung, dass im Zuge der Änderung des Gewerkschaftsgesetzes im Jahr 2020 die Gewerkschaftszugehörigkeit und die Anforderung der zweistufigen Registrierung abgeschafft wurden; in der Erwägung, dass die Stadtverwaltung von Şımkent trotz dieser Änderung ihre Klage gegen die Industriegewerkschaft Brennstoffe und Energie auf der Grundlage unbegründeter Vorwürfe bzw. nicht mehr geltender oder auf diese Gewerkschaft nicht anwendbarer Bestimmungen fallengelassen hat;

V.

in der Erwägung, dass die Gleichstellung der Geschlechter in Kasachstan nach wie vor ein Problem ist; in der Erwägung, dass nach Angaben nichtstaatlicher Organisationen Gewalt gegen Frauen kaum zur Anzeige gebracht wird und dass die Strafverfolgungsquote in diesen Fällen und in Fällen sexueller Belästigung niedrig ist; in der Erwägung, dass nach Angaben der Vereinten Nationen durch die COVID-19-Pandemie ein neues Hindernis für Mädchen entstanden ist, was den gleichberechtigten Zugang zu Informationen und Bildung anbelangt; in der Erwägung, dass es den Opfern an ausreichendem Schutz mangelt und dass Justiz- und Polizeibeamte und die einschlägigen Dienste nicht dafür geschult sind, Gewalt gegen Frauen zu erkennen, zu verhindern und dagegen vorzugehen;

W.

in der Erwägung, dass LGBTI-Personen in Kasachstan nach wie vor rechtlichen Problemen gegenüberstehen und diskriminiert werden; in der Erwägung, dass das kasachische Parlament im Juni 2020 diskriminierende Änderungen des neuen Gesundheitsgesetzes angenommen hat, mit denen Aspekte der Gesundheitsversorgung von Transgender-Personen geregelt werden; in der Erwägung, dass das Verfahren zur Änderung der Geschlechtsidentität einer Person in Kasachstan nach wie vor in die Privatsphäre eingreift und demütigend ist;

1.

fordert die Regierung Kasachstans nachdrücklich auf, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen und die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu achten, die auch in den Artikeln 1, 4, 5 und 235 des Abkommens über eine verstärkte Partnerschaft und Zusammenarbeit verankert sind; fordert die Staatsorgane Kasachstans auf, bei der Einhaltung des Rechtsrahmens für die Abhaltung von Wahlen die internationalen Normen einzuhalten und die Empfehlungen der internationalen begrenzten Wahlbeobachtungsmission des BDIMR umzusetzen, auch jene zu den in der Verfassung garantierten Grundfreiheiten, der Beteiligung der Zivilgesellschaft, dem politischen Pluralismus, der Unparteilichkeit der Wahlverwaltung, dem aktiven und passiven Wahlrecht, der Eintragung in das Wahlverzeichnis, den Medien und der Veröffentlichung der Wahlergebnisse;

2.

fordert die Regierung Kasachstans auf, aus politischen Gründen erhobene Anklagen fallenzulassen und willkürlichen Festnahmen, Repressalien und Schikanen gleich welcher Art, die sich gegen Menschenrechtsverteidiger, religiöse Organisationen, Organisationen der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften, Journalisten und Bewegungen der politischen Opposition richten, ein Ende zu setzen und es den Menschen zu ermöglichen, ihre politischen, religiösen und sonstigen Überzeugungen frei zum Ausdruck zu bringen; fordert die Regierung auf, das neue Gesetz über das Recht auf friedliche Versammlung so zu ändern, dass diese Freiheit gewährleistet ist;

3.

fordert die Regierung Kasachstans auf, alle politischen Gefangenen umgehend freizulassen und vollständig zu rehabilitieren, insbesondere Almat Jwmağwlov, Aron Atabek, Nwrgül Kaluova, Saltanat Kusmanqızı, Darın Xasenov, Wlasbek Ahmetov, Kenjebek Äbişev, Erjan Elşibaev, Äset Äbişev, Igor Tschuprina, Ruslan Ğinatullin, Ashat Jeksenbaev, Kayrat Klışev, Erbol Esxozin, Abay Begimbetov, Asel Onlabeqqızı, Erkin Sabanşiev, Janat Jamaliev, Diana Baymagambetova, Noyan Raqımjanov und Asqar Kayırbek, und Maßnahmen wie Untersuchungshaft und Hausarrest sowie die gegen in der Zivilgesellschaft und der Opposition engagierte Bürger, Nutzer sozialer Medien und friedliche Demonstranten verhängten Freiheitsbeschränkungen unverzüglich aufzuheben; fordert die Regierung Kasachstans auf, die Fälle früherer politischer Gefangener und Opfer von Folter, Eskendir Erimbetov, Max Bokajew und Mwhtar Jäkişev, im Einklang mit den Empfehlungen der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen und des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen zu überprüfen und ihnen eine Entschädigung zu zahlen;

4.

begrüßt die Schritte, die die Regierung Kasachstans unternommen hat, um die politisch motivierten Verfahren gegen die Menschenrechtsverteidiger Daniyar Xasenov und Abaybek Sultanov einzustellen, ist jedoch besorgt über die Einleitung eines neuen Strafverfahrens wegen frei erfundenen „Extremismus“ gegen Abaybek Sultanov; fordert die Regierung Kasachstans auf, alle politisch motivierten Anschuldigungen gegen den Philanthropen Barlık Mendıgaziev fallenzulassen und der politisch motivierten strafrechtlichen Verfolgung seiner Familienangehörigen und ehemaligen Weggefährten ein Ende zu setzen;

5.

verurteilt den missbräuchlichen Rückgriff auf Gesetze zur Bekämpfung des Extremismus, der sich gegen die Anhänger friedlicher Oppositionsbewegungen, die Demokratische Wahl Kasachstans (Qazaqstannıŋ demokratiyalıq taŋdauı, QDT) und die Köşe Partiyası richtet, und fordert die Staatsorgane nachdrücklich auf, politischen Pluralismus und Wettbewerb zuzulassen; fordert die Regierung Kasachstans nachdrücklich auf, die vom Europäischen Parlament, dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates unterbreiteten Empfehlungen umzusetzen, in denen die willkürliche Anwendung von Gesetzen zur Bekämpfung von Extremismus verurteilt wird;

6.

fordert Kasachstan auf, Reformen durchzuführen, die darauf abzielen, die Modernisierung des Landes voranzubringen, die Demokratie im Land zu fördern und die Stabilität des Landes zu festigen, die Bemühungen um eine Reform seines politischen Systems zu intensivieren, um Parlamentarismus und ein Mehrparteiensystem aufzubauen, und die Bürgerbeteiligung auszuweiten; stellt fest, dass ein Oberster Rat für Reformen eingerichtet wurde, und nimmt zur Kenntnis, dass die Staatsorgane Kasachstans eine neue Phase von Reformen angekündigt haben, insbesondere in Bezug auf die Strafverfolgung, das Justizsystem und die Priorisierung der Menschenrechte; erachtet es als besonders wichtig, diesen Prozess fortzusetzen, zu dem auch Änderungen des Wahlgesetzes und die vollständige Umsetzung der Empfehlungen des BDIMR der OSZE zählen;

7.

fordert die Staatsorgane Kasachstans auf, die Anwendung des Strafgesetzbuches gegen engagierte Bürger, Blogger, Journalisten und andere Personen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben, einzustellen;

8.

begrüßt die am 3. Februar 2021 verkündete Entscheidung der Staatsorgane Kasachstans, Geldbußen aufzuheben und nichtstaatlichen Organisationen die Weiterführung ihrer Tätigkeit zu gestatten; fordert, dass das gegen Max Bokajew verhängte dreijährige Betätigungsverbot aufgehoben und es ihm gestattet wird, seine wichtige Arbeit fortzusetzen; fordert die Staatsorgane Kasachstans auf, Finanzberichterstattungssysteme nicht länger als Vorwand heranzuziehen, um Druck auf Menschenrechtsgruppen auszuüben, die unbegründeten Anklagen wegen Ordnungswidrigkeiten gegen Gruppen, denen mutmaßliche Verstöße gegen Berichtspflichten vorgeworfen werden, fallenzulassen, die Rechtsvorschriften und Verfahren für die Meldung von Einkünften ausländischer Herkunft mit internationalen Vorschriften in Einklang zu bringen, unter anderem durch die Aufhebung der Artikel 460-1 und 460-2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, und stattdessen die wichtige Arbeit der Zivilgesellschaft zu schützen und zu erleichtern;

9.

bekräftigt seine feste Überzeugung, dass durch die Verfolgung unabhängiger nichtstaatlicher Organisationen mittels ungerechtfertigter Steuerprüfungen und die Einschüchterung von Menschenrechtsverteidigern und -bewegungen wie Bostandıq.kz, Femina Virtute, Veritas, 405 und Elimay sowie von engagierten Mitgliedern der Zivilgesellschaft mittels Verwaltungshaft und Geldbußen oder strafrechtlicher Verfolgung nicht nur die von den Staatsorganen bereits unternommenen Reformbemühungen behindert werden, sondern dass dieses Vorgehen auch dem internationalen Ruf Kasachstans schadet;

10.

bedauert den besorgniserregenden Zustand der Medienfreiheit im Land und fordert die Regierung Kasachstans auf, ein freies und sicheres Umfeld für unabhängige Journalisten zu schaffen;

11.

fordert die Regierung Kasachstans nachdrücklich auf, unabhängigen Gewerkschaften zu gestatten, sich registrieren zu lassen und im Einklang mit den von Kasachstan ratifizierten internationalen Arbeitsnormen ohne jegliche Einmischung oder Schikanen zu arbeiten; bedauert zutiefst, dass das spezialisierte überregionale Wirtschaftsgericht in Şımkent am 5. Februar 2021 die Tätigkeit der Industriegewerkschaft Brennstoffe und Energie sechs Monate lang ausgesetzt hat, weil sie sich angeblich nicht nach Maßgabe des Gewerkschaftsgesetzes registrieren lassen hatte; fordert die Regierung Kasachstans auf, das im Mai 2020 geänderte Gewerkschaftsgesetz sinnvoll umzusetzen;

12.

nimmt mit Besorgnis den neuen Gesetzentwurf über Wohltätigkeitsorganisationen zur Kenntnis, der zusätzliche Regulierungsmaßnahmen für zivilgesellschaftliche Organisationen vorschreibt und der Logik und den bewährten Verfahren der Wohltätigkeitsarbeit unmittelbar zuwiderläuft, und nimmt ebenfalls mit Besorgnis die jüngste Initiative zur Gründung einer Vereinigung von Geberorganisationen unter der Schirmherrschaft der Regierung zur Kenntnis, die möglicherweise missbraucht wird, um Geberorganisationen zu kontrollieren, wodurch ihre Unabhängigkeit und die Eigenverantwortung für ihre Tätigkeiten weiter eingeschränkt werden;

13.

stellt fest, dass Kasachstan seit 2008, als Kasachstan das Protokoll der Vereinten Nationen zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, ratifiziert hat, seine nationalen Rechtsvorschriften zur strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels und zum Schutz der Opfer des Menschenhandels erheblich verbessert hat; bekräftigt jedoch, dass Kasachstan nach wie vor eine Reihe von Herausforderungen bewältigen muss, wenn es den Menschenhandel beseitigen will, und zwar sowohl im Hinblick auf die Unterstützung der Opfer als auch auf die strafrechtliche Verfolgung ihrer Ausbeuter;

14.

fordert die Staatsorgane auf, sämtliche Formen von Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, auch indem dafür gesorgt wird, dass wirksame und zugängliche Meldekanäle und Schutzmaßnahmen zur Verfügung stehen, mit denen den Bedürfnissen der Opfer und dem Erfordernis der Vertraulichkeit Rechnung getragen wird; fordert nachdrücklich, dass der Straflosigkeit ein Ende gesetzt wird und Maßnahmen ergriffen werden, damit angemessene strafrechtliche Sanktionen gegen Täter, auch in Fällen häuslicher Gewalt, verhängt werden; fordert die Staatsorgane Kasachstans nachdrücklich auf, häusliche Gewalt als eigenständige Straftat unter Strafe zu stellen und dafür Sorge zu tragen, dass strafrechtliche Sanktionen gegen die Täter verhängt werden; fordert die Staatsorgane Kasachstans auf, Unterkünfte und Dienstleistungen für Überlebende häuslicher Gewalt als „wesentliche Dienstleistungen“ zu betrachten und den Zugang zu ihnen auch während der COVID-19-Krise für alle Frauen und Mädchen zu erleichtern; fordert Kasachstan nachdrücklich auf, das Übereinkommen von Istanbul zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

15.

beharrt darauf, dass die Rechte der LGBTI-Personen uneingeschränkt geachtet werden; fordert die Regierung Kasachstans auf, sicherzustellen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung der LGBTI-Gemeinschaft beachtet wird, unter anderem durch ein gesetzliches Verbot der Diskriminierung wegen der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Ausrichtung; fordert eine effiziente Schulung von Justiz- und Polizeibeamten und der einschlägigen Dienste, damit LGBTI-Personen angemessen betreut und geschützt werden;

16.

fordert die Regierung Kasachstans nachdrücklich auf, für die Sicherheit ethnischer Kasachen und anderer Minderheiten, die aus den Konzentrationslagern Chinas geflohen sind, zu sorgen und Murager Alimulı und Kayşa Aqanqızı den dauerhaften Flüchtlingsstatus zu gewähren und den anhaltenden ethnischen Spannungen in seinen südlichen Gebieten ausreichend Aufmerksamkeit zu schenken;

17.

warnt die Staatsorgane Kasachstans vor dem missbräuchlichen Rückgriff auf Mechanismen der justiziellen Zusammenarbeit wie das Roteckensystem von Interpol und Rechtshilfeersuchen mit dem Ziel, Regimegegner im Ausland zu verfolgen und Zugang zu vertraulichen Informationen zu erhalten;

18.

begrüßt, das Kasachstan die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft hat, indem es am 2. Januar 2021 das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert hat und damit 88. Vertragspartei geworden ist; fordert die Regierung Kasachstans nachdrücklich auf, ihrer Verpflichtung zur Nulltoleranz gegenüber Folter nachzukommen und dafür zu sorgen, dass etwaige Foltervorwürfe vollständig untersucht und die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden;

19.

fordert die Regierung Kasachstans auf, Folter und Misshandlung in den Gefängnissen abzuschaffen, die Rechte der Gefangenen zu respektieren und für angemessene Lebensbedingungen, Hygiene und ein sicheres Umfeld zu sorgen, um den von COVID-19 ausgehenden Gefahren zu begegnen;

20.

fordert Kasachstan auf, angemessene Garantien für personenbezogene Daten einzuführen und die Datenschutzvorschriften zu stärken sowie unter Beachtung der Menschenrechte den Einsatz invasiver digitaler Überwachungstechnologien einzuschränken und einen Rechtsrahmen einzuführen, der die willkürliche und unrechtmäßige digitale Überwachung einschließlich Gesichtserkennung eindeutig verbietet;

21.

fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, unter anderem auf Gipfeltreffen und anderen hochrangigen Treffen, in multilateralen Foren und durch ihre Vertretungen vor Ort die Zivilgesellschaft nachdrücklich zu unterstützen, zusätzliche Maßnahmen zur Unterstützung der kasachischen Zivilgesellschaft durch die Kommission zu ergreifen, unter anderem, aber nicht ausschließlich durch Ausweitung der Finanzhilfesysteme auf Organisationen der Zivilgesellschaft, die die Menschenrechte, demokratische Werte, Rechtsstaatlichkeit und Grundfreiheiten in Kasachstan fördern, insbesondere Menschenrechtsverteidiger, und die Kontakte zwischen den Menschen mit den Bürgerinnen und Bürgern Kasachstans zu stärken; betont, dass die finanzielle Unterstützung für Kasachstan darauf ausgerichtet sein sollte, die Zivilgesellschaft und die Opfer politischer Verfolgung und nicht das autoritäre Regime zu unterstützen;

22.

fordert die EU-Delegation in Kasachstan auf, die Kontakte zu den vor Ort tätigen Mitgliedern der Zivilgesellschaft zu verbessern, indem sie regelmäßig Treffen organisiert und deren Empfehlungen bei den offiziellen Treffen mit Amtsträgern der Regierung Kasachstans zur Sprache bringt;

23.

fordert die EU-Delegation in Kasachstan nachdrücklich auf, die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen zu überwachen und öffentlich Stellung zu den Verstößen zu beziehen, Opfer politischer Verfolgung und inhaftierte engagierte Bürger zu unterstützen, indem sie Gerichtsverfahren gegen Regierungskritiker und Menschenrechtsverteidiger beiwohnt und Gefängnisbesuche beantragt, und rasch und entschlossen auf Handlungen zu reagieren, die den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Menschenrechte zuwiderlaufen;

24.

weist darauf hin, dass die kürzlich gebilligte globale Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte es der EU ermöglicht, gegen Personen, Organisationen und Einrichtungen vorzugehen, die an weitverbreiteten und systematischen Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind oder damit in Verbindung stehen, wie im Fall Kasachstans; fordert den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik und die Mitgliedstaaten auf, die Verhängung gezielter Sanktionen gegen Personen zu erwägen, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind;

25.

fordert, dass die Menschenrechte im Rahmen der Zusammenarbeit der EU mit Zentralasien an erster Stelle stehen; betont, dass engere politische und wirtschaftliche Beziehungen im Sinne des Abkommens über eine verstärkte Partnerschaft und Zusammenarbeit auf gemeinsamen Werten beruhen und einer aktiven und konkreten Verpflichtung Kasachstans zu demokratischen Reformen entsprechen müssen, die sich aus ihren internationalen Verpflichtungen und Zusagen ergeben;

26.

fordert die Kommission und den VP/HR auf, das Abkommen über eine verstärkte Partnerschaft und Zusammenarbeit im Lichte der jüngsten Entwicklungen und der Ergebnisse der Überprüfung der Handelspolitik umfassend zu überprüfen;

27.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Sonderbeauftragten der EU für Zentralasien, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie der Regierung und dem Parlament Kasachstans zu übermitteln.

(1)  ABl. C 23 vom 21.1.2021, S. 83.

(2)  ABl. C 45 vom 5.2.2016, S. 85.

(3)  ABl. C 251 E vom 31.8.2013, S. 93.

(4)  ABl. C 224 E vom 19.8.2010, S. 30.

(5)  Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus.


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/154


P9_TA(2021)0057

Die politische Lage in Uganda

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu der politischen Lage in Uganda (2021/2545(RSP))

(2021/C 465/16)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Uganda,

unter Hinweis auf die am 20. Januar 2021 im Namen der Europäischen Union abgegebene Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) zu der Wahl in Uganda,

unter Hinweis auf die Erklärung des HR/VP vom 12. Januar 2021 zur bevorstehenden Parlamentswahl in Uganda,

unter Hinweis auf die Ausführungen des EU-Botschafters Attilio Pacifici vom 12. Januar 2021 zum Einfrieren von Bankkonten regierungsunabhängiger Organisationen,

unter Hinweis auf die vor Ort abgegebene gemeinsame Erklärung der Delegation der Europäischen Union in Uganda und der diplomatischen Vertretungen Österreichs, Belgiens, Dänemarks, Frankreichs, Deutschlands, Irlands, Italiens, der Niederlande, Schwedens, Islands und Norwegens in Uganda vom 26. November 2020 zur jüngsten Gewalt im Zusammenhang mit der Wahl in Uganda,

unter Hinweis auf die Pressemitteilungen des Sprechers der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 8. Januar 2021,

unter Hinweis auf die Erklärung von Sachverständigen der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 29. Dezember 2020 mit Titel „Uganda: UN experts gravely concerned by election clampdown“ (Uganda: Sachverständigen der Vereinten Nationen äußerst besorgt über brutales Vorgehen im Vorfeld der Wahl),

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, die Uganda unterzeichnet hat,

unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966, der am 21. Juni 1995 von Uganda ratifiziert wurde,

unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker vom 27. Juni 1981,

unter Hinweis auf die Afrikanische Charta für Demokratie, Wahlen und Regierungsführung vom 30. Januar 2007,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

unter Hinweis auf die Verfassung der Republik Uganda aus dem Jahr 1995, die 2005 geändert wurde,

unter Hinweis auf Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits vom 23. Juni 2000 (Abkommen von Cotonou) (1) und insbesondere auf dessen Artikel 8 Absatz 4 zum Diskriminierungsverbot,

unter Hinweis auf die Gemeinsame Strategie EU-Afrika,

unter Hinweis auf den Abschlussbericht der EU-Wahlbeobachtungsmission in Uganda vom 18. Februar 2016,

unter Hinweis auf die vor Ort abgegebene gemeinsame Erklärung der Partners for Democracy and Governance Group (Gruppe der Partner für Demokratie und Governance, PDG) vom 23. Dezember 2020 zur Verhaftung von Menschenrechtsaktivisten in Uganda,

unter Hinweis auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und die darin enthaltenen Ziele für nachhaltige Entwicklung,

unter Hinweis auf das nationale Richtprogramm der EU für Uganda und den 11. Europäischen Entwicklungsfonds,

gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass die ugandischen Wähler am 14. Januar 2021 in einer Wahl, die zahlreichen Berichten zufolge von Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet war, einen Präsidenten und Mitglieder des Parlaments gewählt haben, und in der Erwägung, dass die Wahlkommission am 16. Januar 2021 Präsident Yoweri Museveni, der seit 35 Jahren im Amt ist, mit 59 % der Stimmen zum Wahlsieger für seine sechste Amtszeit als Präsident gegen den wichtigsten Oppositionsführer Robert Kyagulanyi Ssentamu, auch bekannt als Bobi Wine, erklärt hat, der 35 % der Stimmen erhielt; in der Erwägung, dass die Wahlergebnisse schwer zu überprüfen waren, weil sich die Wahlkommission nicht an das vorgeschriebene Auszählungsverfahren gehalten hat;

B.

in der Erwägung, dass das Vorfeld der ugandischen Präsidentschaftswahl 2020 von Gewalt geprägt war, wobei Oppositionskandidaten, zivilgesellschaftliche Organisationen, Menschenrechtsverteidiger, Wahlexperten und Journalisten bei der Ausübung ihrer legitimen Rechte systematisch unterdrückt und eingeschüchtert wurden; in der Erwägung, dass die übermäßige Anwendung von Gewalt durch Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden den Wahlprozess ernsthaft beeinträchtigt hat;

C.

in der Erwägung, dass die Behörden seit Herbst 2020 im Vorfeld der Wahl die Repressionsmaßnahmen gegen die politische Opposition verschärft haben und dass die Sicherheitsbehörden die wichtigsten Oppositionskandidaten Bobi Wine, Patrick Oboi Amuriat und Generalleutnant Henry Tumukunde verhaftet, ihre Kundgebungen aufgelöst und die Medienberichterstattung über die Wahl eingeschränkt haben;

D.

in der Erwägung, dass der Präsidentschaftskandidat der Oppositionspartei Forum for Democratic Change (Forum für Demokratischen Wandel), Patrick Oboi Amuriat, vor der Wahl mehrfach verhaftet wurde, wobei die Menschenmenge bei einer seiner Wahlkampfveranstaltungen am 9. November 2020 durch Tränengas auseinandergetrieben und sein Konvoi am 6. Januar 2021 von der Polizei beschossen wurde;

E.

in der Erwägung, dass die zunehmende Brutalisierung des Wahlkampfs am 18. und 19. November 2020 besonders deutlich wurde, als Sicherheitskräfte massiv gegen Demonstranten vorgingen, die die Freilassung des damals inhaftierten Präsidentschaftskandidaten Bobi Wine forderten, was dazu führte, dass mindestens 54 Demonstranten in mindestens sieben Bezirken im ganzen Land ums Leben kamen, Hunderte festgenommen wurden und andere verschwanden;

F.

in der Erwägung, dass der Oppositionskandidat Bobi Wine nach der Wahl de facto unter Hausarrest gestellt wurde und die Sicherheitskräfte sein Haus elf Tage lang umstellt hielten;

G.

in der Erwägung, dass Bobi Wine am 1. Februar 2021 beim Obersten Gerichtshof Ugandas einen Antrag auf Anfechtung der Wahlergebnisse eingereicht hat, in dem weit verbreiteter Wahlbetrug geltend gemacht wird, darunter die Beteiligung des Militärs an der Befüllung von Wahlurnen, der Stimmabgabe für Dritte und dem Abschrecken von Wählern vom Betreten der Wahllokale; in der Erwägung, dass nach den letzten vier Wahlen beim Obersten Gerichtshof Klagen gegen Präsident Museveni eingereicht wurden;

H.

in der Erwägung, dass Bobi Wine am 7. Januar 2021 eine Petition beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) eingereicht hat, in der er Präsident Museveni und neun weiteren hohen Beamten wiederholte Menschenrechtsverletzungen vorwarf;

I.

in der Erwägung, dass internationale Beobachter- und Missionen von Wahlexperten mehrheitlich nicht bei der Wahl anwesend sein konnten, da die ugandischen Behörden die Missionen nicht akkreditiert hatten, und in der Erwägung, dass die Behörden auch den Empfehlungen früherer Missionen nicht gefolgt sind; in der Erwägung, dass die EU angeboten hatte, ein kleines Team von Wahlbeobachtern zu entsenden, das Angebot jedoch abgelehnt wurde; in der Erwägung, dass die USA ihre Beobachtung der Parlamentswahl in Uganda abgesagt haben, da die meisten ihrer Anträge auf Akkreditierung abgelehnt wurden; in der Erwägung, dass der Abschlussbericht der EU-Wahlbeobachtungsmission von 2016 etwa 30 Empfehlungen enthielt, darunter die Notwendigkeit eines stärker unabhängigen Wahlgremiums und die Einstellung der übermäßigen Gewaltanwendung durch die Sicherheitsdienste, die von den ugandischen Behörden jedoch sämtlich nicht befolgt wurden;

J.

in der Erwägung, dass die Regierung den Internetzugang vor der Wahl eingeschränkt und damit begonnen hat, eine Steuer auf soziale Medien für Nutzer einzuführen, die für Internetdaten bezahlen, und in der Erwägung, dass Berichte darüber vorliegen, dass der Zugang zu Online-Nachrichtendiensten und Plattformen sozialer Medien vor der Wahl blockiert wurde; in der Erwägung, dass der Zugang zu einigen Websites sozialer Medien nach wie vor eingeschränkt ist;

K.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie auch als Vorwand für Repressionen und unverhältnismäßige Beschränkungen von Versammlungen und Aktivitäten der Opposition genutzt wurde; in der Erwägung, dass Uganda etwa 40 000 COVID-19-Fälle gemeldet hat; in der Erwägung, dass die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht hat, dass Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 genutzt wurden, um die politischen Freiheiten und die politische Teilhabe während des Wahlprozesses einzuschränken; in der Erwägung, dass Uganda am 26. Dezember 2020 den Wahlkampf in Gebieten, in denen die Opposition eine besondere Popularität genießt, darunter Mbarara, Kabarole, Luwero, Kasese, Masaka, Wakiso, Jinja, Kalungu, Kazo, Kampala City und Tororo, unter Hinweis auf Vorsichtsmaßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 ausgesetzt hat;

L.

in der Erwägung, dass die restriktiven Maßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 mehrmals gegen bestimmte Gruppen gerichtet wurden, was zu übermäßiger Gewalt und willkürlichen Festnahmen ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand geführt hat, wie durch die polizeiliche Razzia vom 29. März 2020 bei der Stiftung Children of the Sun, einer Unterkunft für obdachlose junge Menschen, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell oder transsexuell identifizieren, verdeutlicht wird;

M.

in der Erwägung, dass das nationale Büro für NRO im November 2020 die Tätigkeit der neu gegründeten Organisation National Election Watch Uganda, einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die zur Beobachtung von Wahlen gegründet wurde, willkürlich eingestellt hat; in der Erwägung, dass die ugandische Finanzermittlungsbehörde die Bankkonten mehrerer zivilgesellschaftlicher Organisationen, darunter des Uganda National NGO Forum (Ugandisches Forum für NRO) und des Uganda Women’s Network (Netzwerk Ugandischer Frauen, UWONET) unter Berufung auf unbestätigte Anschuldigungen der Terrorismusfinanzierung eingefroren hat;

N.

in der Erwägung, dass die ugandischen Behörden in den vergangenen Jahren zunehmend gegen zivilgesellschaftliche Organisationen vorgegangen sind, insbesondere gegen solche, die sich mit Menschenrechten und Wahlen befassen; in der Erwägung, dass Nicholas Opiyo, ein führender Menschenrechtsanwalt und Sacharow-Stipendiat, am 23. Dezember 2020 zusammen mit drei weiteren Anwälten — Herbert Dakasi, Anthony Odur und Esomu Obure — und Hamid Tenywa, Mitglied der National Unity Platform (Plattform der Nationalen Einheit, NUP), wegen Vorwürfen der Geldwäsche und der Verletzung der verfassungsrechtlichen Garantien Ugandas festgenommen wurde; in der Erwägung, dass Nicholas Opiyo am 30. Dezember 2020 gegen Kaution freigelassen wurde, jedoch immer noch auf sein Gerichtsverfahren wartet; in der Erwägung, dass Opiyo die Anschuldigungen scharf zurückweist und erklärt, dass die Gelder rechtmäßig zur Unterstützung der Arbeit der Organisation Chapter Four Uganda im Bereich Menschenrechte verwendet wurden;

O.

in der Erwägung, dass Hunderte von Anhängern der NUP von Sicherheitspersonal während des Wahlkampfs entführt wurden und eine ungewisse Zahl von ihnen nach wie vor gewaltsam festgehalten wird oder unauffindbar ist;

P.

in der Erwägung, dass Präsident Museveni am 2. Januar 2020 in einem Schreiben an das Finanzministerium die Aussetzung der Fazilität für demokratische Staatsführung (Democratic Governance Facility, DGF) angeordnet hat; in der Erwägung, dass die DGF die Mehrheit der NRO in Uganda finanziert und von zahlreichen Mitgliedstaaten unterstützt wird, darunter Österreich, Norwegen, die Niederlande, Schweden, Dänemark und Irland; in der Erwägung, dass ihr Zweck darin besteht, die Demokratisierung zu stärken, die Menschenrechte zu schützen, den Zugang zur Justiz zu verbessern und die Rechenschaftspflicht zu stärken; in der Erwägung, dass die Umsetzung wichtiger Programme, die mit EU-Mitteln finanziert werden, stark behindert wird;

Q.

in der Erwägung, dass das Human Rights Network for Journalists — Uganda (Menschenrechtsnetzwerk für Journalisten — Uganda) berichtet hat, dass es im Dezember 2020 über 100 Fälle von Menschenrechtsverletzungen gegen Journalisten gab, einschließlich Polizeigewalt, zu denen es vor allem dann kam, als die betreffenden Journalisten über den Wahlkampf politischer Kandidaten berichteten; in der Erwägung, dass die Polizei am 30. Dezember 2020 erklärte, dass nur „zertifizierte Journalisten“ über die Wahl berichten dürften; in der Erwägung, dass die Behörden Ende November 2020 drei kanadische Journalisten ausgewiesen haben; in der Erwägung, dass Uganda aktuell auf der von „Reporter ohne Grenzen“ für das Jahr 2020 erstellten Rangliste der Pressefreiheit unter 180 Ländern auf Platz 125 steht;

R.

in der Erwägung, dass die Regierung am 12. Dezember 2020 die Vermögenswerte von vier NRO, die Wahlkampagnen zur Förderung der Wahlbeteiligung von Frauen und Jugendlichen betrieben haben — UWONET, das Uganda National NGO Forum, das Women International Peace Centre (Internationales Frauen-Friedenszentrum) und die Alliance of Finance Election Monitoring (Allianz für Finanzielle Wahlbeobachtung) — wegen des Vorwurfs der Terrorismusfinanzierung eingefroren hat;

S.

in der Erwägung, dass das Amt der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte am 11. Januar 2021 die „sich verschlechternde Menschenrechtslage in Uganda“, wie es sich ausdrückte, verurteilt und über zahlreiche Menschenrechtsverletzungen berichtet hat, so gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf friedliche Versammlung und Teilhabe, außerdem über willkürliche Tötungen, Festnahmen und Inhaftierungen sowie über Folter;

T.

in der Erwägung, dass im Wahlkampf und in den Äußerungen von Präsident Museveni eine zunehmend antiwestliche Rhetorik festzustellen war;

U.

in der Erwägung, dass Uganda eine der jüngsten und am schnellsten wachsenden Bevölkerungen der Welt hat, von denen viele ihr Wahlrecht auf friedliche Weise ausgeübt haben; in der Erwägung, dass eine Million junger Wahlberechtigter von der Nationalen Wahlkommission Ugandas nicht registriert wurde, die behauptete, ihr fehlten die dafür erforderlichen materiellen Mittel;

V.

in der Erwägung, dass die EU Uganda über den 11. Europäischen Entwicklungsfonds 578 Mio. EUR zur Verfügung stellt, und zwar um die Förderung einer verantwortungsvollen Regierungsführung zu unterstützen, die Infrastruktur zu verbessern, die Ernährungssicherheit sicherzustellen und die Landwirtschaft zu fördern; in der Erwägung, dass Uganda außerdem 112,2 Mio. EUR aus dem Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika erhält;

W.

in der Erwägung, dass die Sicherheits- und Entwicklungszusammenarbeit zwischen Uganda und der EU, den USA und anderen Ländern im Rahmen der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) erfolgt;

X.

in der Erwägung, dass Uganda im Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen auf Platz 159 von 189 und laut Transparency International im Korruptionswahrnehmungsindex auf Platz 137 von 180 Ländern steht;

Y.

in der Erwägung, dass Uganda eines der strengsten Gesetze der Welt gegen Homosexualität hat und dass Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTQ+-Personen an der Tagesordnung sind;

Z.

in der Erwägung, dass der ehemalige Milizenführer und Kindersoldat Dominic Ongwen aus Uganda am 4. Februar 2021 in einem bahnbrechenden Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) für schuldig befunden wurde, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben; in der Erwägung, dass er in 61 Einzelanklagen wegen Mordes, Vergewaltigung, sexueller Sklaverei, Entführung und Folter verurteilt wurde, die er während seiner Zeit als Kommandeur der Lord's Resistance Army (LRA) begangen hatte, einer gewalttätigen Sekte, die von Mitte der 1980er-Jahre bis vor einigen Jahren einen blutigen Feldzug der Gewalt in Uganda und Nachbarländern führte;

1.

bedauert, dass der Wahlprozess nicht demokratisch und transparent war; verurteilt den übermäßigen Einsatz von Gewalt durch die Polizei und die Streitkräfte bei der Präsidentschaftswahl und ihre zunehmende Einmischung in den politischen Prozess; bedauert, dass es unabhängigen, lokalen und internationalen Wahlbeobachtern untersagt war, die Wahl zu beobachten, wodurch verhindert wurde, dass sie anhand international anerkannter Standards bewertet werden konnte; unterstreicht die grundlegende Bedeutung freier und fairer Wahlen, die eine Voraussetzung für eine nachhaltige und langfristige Entwicklung sind; lobt in diesem Sinne das ugandische Volk, insbesondere die junge Bevölkerung, für den Mut und den Enthusiasmus für die Demokratie, den sie während dieses Wahlkampfes gezeigt haben;

2.

verurteilt die Gewalt gegen Führer der politischen Opposition in Uganda, ihre fortgesetzte Schikanierung und das systematische Vorgehen gegen sie sowie die Unterdrückung der Zivilgesellschaft, von Menschenrechtsverteidigern und Medien sowie die Störung von Plattformen der sozialen Medien und die Sperrung des Internets;

3.

fordert die Regierung daher auf, die anhaltende Anwendung tödlicher und exzessiver Gewalt durch die Sicherheitskräfte sowie die willkürlichen Verhaftungen und Inhaftierungen von Oppositionspolitikern und -anhängern, Demonstranten, Menschenrechtsverteidigern und Journalisten sowie die Angriffe auf sie zu beenden;

4.

fordert die ugandische Regierung auf, für Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht für alle Opfer zu sorgen, indem sie unparteiische, gründliche und unabhängige Untersuchungen der Schießereien und der von den Sicherheitskräften verübten Gewalt durchführt, und fordert ebenso die ugandische Justiz auf, den bestehenden Rechtsrahmen objektiv und unabhängig anzuwenden und die vorliegenden Fakten und Belege vollständig zu würdigen; fordert die ugandischen Behörden auf, unverzüglich eine unabhängige Untersuchung der tragischen Ereignisse vom 18. und 19. November 2020 einzuleiten, bei denen mindestens 54 Menschen nach der Verhaftung von Bobi Wine durch die Polizei grundlos ihr Leben verloren haben und hunderte weitere verletzt wurden, was selbst Präsident Museveni eingeräumt hat, und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen;

5.

unterstreicht, dass Einsprüche gegen Wahlergebnisse und ihre Anfechtung ein grundlegendes Merkmal eines glaubwürdigen Wahlprozesses sind; erwartet, dass alle Wahlanfechtungen und -beschwerden in einer unabhängigen und transparenten Weise unter Nutzung der verfügbaren verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsmittel bearbeitet werden;

6.

fordert die Regierung auf, alle Personen, die ausschließlich wegen der Teilnahme an friedlichen politischen Versammlungen oder der Ausübung ihres Rechts auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit festgenommen und inhaftiert wurden, einschließlich des Sacharow-Stipendiaten des Europäischen Parlaments 2016 Nicholas Opiyo, unverzüglich und bedingungslos freizulassen oder alle Anklagen gegen sie fallen zu lassen; erinnert die Regierung Ugandas daran, dass sie das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf friedliche und sichere Versammlung, einschließlich der Freizügigkeit aller politischen Akteure und ihrer Anhänger, zu respektieren hat, und verurteilt das anhaltende harte Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft; fordert die Regierung auf, dafür zu sorgen, dass die Rechte von Nicholas Opiyo auf ein ordentliches Verfahren und einen fairen Prozess unter Wahrung der höchsten Standards geachtet werden;

7.

erinnert die ugandischen Behörden an ihre Verpflichtung, die Grundrechte — einschließlich der bürgerlichen und politischen Rechte der Bürger des Landes –, die faire Vertretung unabhängig vom ethnischen Hintergrund, die Redefreiheit und die Versammlungsfreiheit zu garantieren, zu schützen und zu fördern, und die entscheidende Rolle zu bekräftigen, die die politische Opposition, Akteure der Zivilgesellschaft, Journalisten und die Medien im Lande spielen; fordert die Behörden auf, alle Einschränkungen aufzuheben, die das Recht der Menschen auf friedliche Versammlung, freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit beschränken könnten;

8.

erinnert die Regierung Ugandas an die Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und die Rolle freier und pluralistischer Medien in einer demokratischen Gesellschaft; stellt mit Besorgnis fest, dass Journalisten, die über die Wahlen berichteten, routinemäßig Einschüchterungen und Gewalt ausgesetzt waren; erwartet von den ugandischen Behörden, dass sie ein Umfeld schaffen, in dem Journalisten ihre Arbeit ungehindert verrichten können;

9.

fordert die ugandischen Behörden auf, dafür Sorge zu tragen, dass jeder sicher und ungehindert auf das Internet zugreifen kann, auch auf soziale Medien und Online-Nachrichtenplattformen, da man andernfalls von einem ernsthaften Hindernis für die Informationsfreiheit, einschließlich der Medienfreiheit, ausgehen muss;

10.

fordert die ugandischen Behörden nachdrücklich auf, die willkürliche Aussetzung zivilgesellschaftlicher Tätigkeiten sowie die Verhaftung von Aktivisten der Zivilgesellschaft und das Einfrieren ihrer finanziellen Vermögenswerte zu beenden; verurteilt in diesem Zusammenhang aufs Schärfste die Versuche, die Finanzierung der Zivilgesellschaft einzuschränken, insbesondere durch die von Präsident Museveni angeordnete Aussetzung der mit mehreren Millionen Euro ausgestatteten DGF, eines von der EU und nationalen Entwicklungspartnern koordinierten Pools zur Unterstützung von Gruppen, die sich für die Förderung der Menschenrechte, die Vertiefung der Demokratie und die Verbesserung der Rechenschaftspflicht in Uganda einsetzen;

11.

erwartet von der ugandischen Regierung, dass sie es unverzüglich unterlässt, die COVID-19-Pandemie als Vorwand dafür zu nutzen, Gesetze und politische Maßnahmen einzuführen, die gegen das Völkerrecht verstoßen, und Menschenrechtsgarantien zurückzunehmen, einschließlich der unangemessenen Einschränkung der Rechte auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung, deren Hauptzielgruppe LGTBTQ+-Personen sind; fordert die ugandischen staatlichen Stellen nachdrücklich auf, die Rechte und die Würde der Bevölkerung des Landes zu achten und die Ausübung der Notstandsbefugnisse strikt auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit zu beschränken;

12.

kritisiert Ugandas harte Gesetze gegen Homosexualität scharf und fordert deren dringende Revision, zusammen mit einer Strategie zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTQ+-Personen;

13.

besteht darauf, dass die EU-Delegation in Uganda die Situation von LGBTQ+-Personen weiterhin genau beobachtet und zivilgesellschaftliche Organisationen, Menschenrechtsverteidiger und LGBTQ+-Personen vor Ort aktiv unterstützt;

14.

bekräftigt die Zusage und die Bereitschaft der EU, mit den ugandischen Behörden zusammenzuarbeiten und die dringend benötigten demokratischen Reformen und Reformen der Regierungsführung zu unterstützen; betont jedoch, dass der Erfolg dieser Zusammenarbeit weitgehend von der Bereitschaft der ugandischen Seite abhängt, diese Reformen auch tatsächlich umzusetzen; erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass der systematische Einsatz von staatlicher Repression und Gewalt die künftigen Beziehungen der EU zu Uganda grundlegend beeinträchtigen könnte; fordert die EU auf, sich die politische Hebelwirkung von Entwicklungshilfeprogrammen — und konkret von Budgethilfeprogrammen — zunutze zu machen, um die Verteidigung und Stärkung der Menschenrechte in Uganda zu fördern;

15.

fordert nachdrücklich, dass die EU und andere internationale Akteure ihren integrierten und koordinierten Ansatz in Bezug auf Uganda beibehalten und verstärken, der die Förderung einer verantwortungsvollen Regierungsführung, der Demokratie und der Menschenrechte sowie die Stärkung des Justizsystems und der Rechtsstaatlichkeit umfasst, und fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, diese Anliegen über öffentliche und diplomatische Kanäle zur Sprache zu bringen; bekräftigt, dass Sanktionen gegen Einzelpersonen und Organisationen, die für Menschenrechtsverletzungen in Uganda verantwortlich sind, auf EU-Ebene im Rahmen des neuen EU-Sanktionsmechanismus für Menschenrechtsverletzungen, des sogenannten EU-Magnitski-Gesetzes, beschlossen werden müssen;

16.

empfiehlt eine verstärkte Kontrolle der Haushaltsführung und -transparenz in Uganda; fordert die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst nachdrücklich auf, weiterhin systematische Überprüfungen von EU-Budgethilfeprogrammen durchzuführen, bei denen die Gefahr besteht, dass Mittel zur Verwendung durch die ugandischen Behörden für Aktivitäten zweckentfremdet werden, die Menschenrechtsverletzungen Vorschub leisten und gegen Aktivisten gerichtet sind;

17.

begrüßt das Urteil im Fall gegen den ehemaligen LRA-Kommandanten Dominic Ongwen, der vom IStGH für schuldig befunden wurde, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, und betrachtet es als einen bedeutenden Schritt in Richtung Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht für die von der LRA begangenen Gräueltaten;

18.

ist weiterhin besorgt über die allgemeine Sicherheitslage in der Region und unterstreicht in diesem Zusammenhang die wichtige Arbeit der AMISOM; betont, dass ihre langfristigen Ziele nur erreicht werden können, wenn alle Beteiligten mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es um die Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der Grundrechte und der demokratischen Grundsätze geht;

19.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, dem Präsidenten der Republik Uganda, dem Präsidenten des ugandischen Parlaments sowie der Afrikanischen Union und ihren Institutionen zu übermitteln.

(1)  ABl. L 317 vom 15.12.2000, S. 3.


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/160


P9_TA(2021)0058

Anstehende Herausforderungen mit Blick auf die Frauenrechte: mehr als 25 Jahre nach der Erklärung und Aktionsplattform von Peking

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu anstehenden Herausforderungen mit Blick auf die Frauenrechte in Europa: mehr als 25 Jahre nach der Erklärung und Aktionsplattform von Peking (2021/2509(RSP))

(2021/C 465/17)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Erklärung und Aktionsplattform von Peking (Beijing) vom 15. September 1995 sowie die Ergebnisse ihrer Überprüfungskonferenzen,

gestützt auf die Artikel 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die europäische Säule sozialer Rechte, insbesondere die Grundsätze 2, 3, 9 und 15,

unter Hinweis auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, den Grundsatz, niemanden zurückzulassen, und insbesondere Ziel 1, die Armut zu beenden, Ziel 3, ein gesundes Leben für alle Menschen zu gewährleisten, Ziel 5, die Geschlechtergleichstellung zu erreichen und die Lebensbedingungen von Frauen zu verbessern, Ziel 8, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erreichen, und Ziel 13, Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um den Klimawandel und seine Auswirkungen zu bekämpfen;

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW),

unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul), das am 1. August 2014 in Kraft trat,

unter Hinweis auf das Übereinkommen (Nr. 100) der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über die Gleichheit des Entgelts von 1951, das IAO-Übereinkommen (Nr. 190) zur Beendigung von Gewalt und Belästigung von 2019 und das IAO-Übereinkommen (Nr. 189) über Hausangestellte von 2013,

unter Hinweis auf die „Regionale Überprüfung der Fortschritte: regionale Synthese“ der VN-Wirtschaftskommission für Europa vom 20. August 2019,

unter Hinweis auf den am 5. März 2020 veröffentlichten Bericht von UN Women mit dem Titel „Gender Equality: Women’s rights in review 25 years after Beijing“ (Gleichstellung der Geschlechter: Überblick über Frauenrechte 25 Jahre nach Peking),

unter Hinweis auf den Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen an die Kommission für die Rechtsstellung der Frau, 64. Tagung, mit dem Titel „Review and appraisal of the implementation of the Beijing Declaration and Platform for Action and the outcomes of the twenty-third special session of the General Assembly“ (Überprüfung und Bewertung der Umsetzung der Erklärung und Aktionsplattform von Peking und der Ergebnisse der 23. Sondertagung der Generalversammlung) vom 13. Dezember 2019,

unter Hinweis auf den Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen an die Kommission für die Rechtsstellung der Frau, 65. Tagung, mit dem Titel „Women’s full and effective participation in decision making in public life, as well as the elimination of violence, for achieving gender equality and the empowerment of women and girls“ (Uneingeschränkte und wirksame Teilhabe von Frauen am Treffen von Entscheidungen im öffentlichen Leben sowie Beseitigung von Gewalt, um die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Teilhabe von Frauen und Mädchen zu erreichen) vom 21. Dezember 2020,

unter Hinweis auf den am 9. April 2020 veröffentlichten Kurzbericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen mit dem Titel „The Impact of COVID-19 on Women“ (Die Auswirkungen von COVID-19 auf Frauen),

unter Hinweis auf den Bericht von UN Women mit dem Titel „From Insights to Action: Gender Equality in the Wake of COVID-19“ (Von Einsichten zu Taten: Geschlechtergleichstellung nach COVID-19), der am 2. September 2020 veröffentlicht wurde,

unter Hinweis auf den am 5. März 2020 veröffentlichten Bericht des EIGE mit dem Titel „Beijing + 25: the fifth review of the implementation of the Beijing Platform for Action in the EU Member States“ (Peking + 25: fünfte Überprüfung der Umsetzung der Aktionsplattform von Peking in den EU-Mitgliedstaaten),

unter Hinweis auf die Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments mit dem Titel „Beijing Platform for Action, 25-year review and future priorities“ (Aktionsplattform von Peking Überblick nach 25 Jahren und künftige Prioritäten, Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, Europäisches Parlament, 2020),

unter Hinweis auf den am 27. April 2020 veröffentlichten Bericht des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) mit dem Titel „Impact of the COVID-19 Pandemic on Family Planning and Ending Gender-based Violence, Female Genital Mutilation and Child Marriage“ (Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Familienplanung und die Beendigung der geschlechtsspezifischen Gewalt, der Verstümmelung weiblicher Genitalien und der Kinderheirat),

unter Hinweis auf die am 28. April 2020 veröffentlichte Erklärung des UNFPA mit dem Titel „Millions more cases of violence, child marriage, female genital mutilation, unintended pregnancy expected due to the COVID-19 pandemic“ (Millionen weiterer Fälle von Gewalt, Kinderheirat, Verstümmelung weiblicher Genitalien, unerwünschter Schwangerschaft aufgrund der COVID-19-Pandemie erwartet),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 9./10. Dezember 2019 zu dem Thema „Gleichstellungsorientierte Volkswirtschaften in der EU: Der Weg in die Zukunft“,

unter Hinweis auf die Gemeinsame Mitteilung der Europäischen Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 25. November 2020 über den EU-Aktionsplan für die Gleichstellung (GAP) III,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Februar 2020 zu den Prioritäten der EU für die 64. Tagung der Kommission der Vereinten Nationen für die Rechtsstellung der Frau (1),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Januar 2021 zu der EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter (2) und auf die Strategie der Kommission für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Januar 2021 zu der geschlechtsspezifischen Sichtweise in der COVID-19-Krise und der Zeit danach (3),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. November 2020 zu der De-facto-Abschaffung des Rechts auf Abtreibung in Polen (4),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 30. Januar 2020 zu den Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern (5),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2020 zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Rahmen der Außen- und Sicherheitspolitik der EU (6),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Dezember 2020 zur Notwendigkeit einer gesonderten Ratsformation „Gleichstellung der Geschlechter“ (7),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Februar 2019 zur Erfahrung von Gegenreaktionen gegen die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter in der EU (8),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. März 2012 zu Frauen in politischen Entscheidungsprozessen — Qualität und Gleichstellung (9),

unter Hinweis auf den mehrjährigen Finanzrahmen der Union für den Zeitraum 2021–2027 und die darin enthaltene horizontale Priorität der durchgängigen Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung,

gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass sich 189 Regierungen weltweit, darunter die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten, auf der Vierten Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking dazu verpflichtet haben, auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Teilhabe aller Frauen und Mädchen hinzuarbeiten;

B.

in der Erwägung, dass die auf der Konferenz angenommene Erklärung und Aktionsplattform von Peking die umfassendste weltweite Agenda zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter ist und als der internationale Rechtekatalog für Frauen gilt, in dem die Rechte der Frauen als Menschenrechte definiert werden und eine Vision von gleichen Rechten, Freiheit und Chancen für alle Frauen weltweit artikuliert wird, und dass sie 2015 mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung bekräftigt wurde, indem Ziele und konkrete Maßnahmen für eine Reihe von Themen, die Frauen und Mädchen betreffen, aufgestellt wurden;

C.

in der Erwägung, dass es seit der Annahme der Aktionsplattform von Peking 1995 Fortschritte für Frauen und Mädchen insbesondere in Europa gegeben hat, dass aber insgesamt die Fortschritte inakzeptabel langsam verlaufen und bei hart erkämpften Fortschritten die Gefahr besteht, dass sie rückgängig gemacht werden;

D.

in der Erwägung, dass aufgrund der COVID-19-Pandemie das Forum Generation Gleichberechtigung bis in das erste Halbjahr 2021 aufgeschoben wurde;

E.

in der Erwägung, dass seit der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (ICPD) in Kairo, auf der 179 Regierungen das ICPD-Aktionsprogramm angenommen haben, in dem sie gemäß der Aktionsplattform von Peking ein weltweites Bekenntnis zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und damit verbundenen Rechten abgelegt haben, 25 Jahre vergangen sind;

F.

in der Erwägung, dass das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vor etwas mehr als 40 Jahren in Kraft getreten ist und dass es zwar alle EU-Mitgliedstaaten ratifiziert haben, dass aber die Gleichstellung von Frauen und Männern, wie das EIGE betont hat, nur langsam vorankommt;

G.

in der Erwägung, dass das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul), das umfassendste Instrument zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Europa, vor zehn Jahren zur Unterzeichnung aufgelegt wurde, dass es aber noch nicht alle EU-Mitgliedstaaten ratifiziert haben und auch die EU ihm noch nicht beigetreten ist;

H.

in der Erwägung, dass 2021 das Übereinkommen von Istanbul des Europarats zehn Jahre alt geworden ist;

I.

in der Erwägung, dass es gilt, schädliche Strukturen und Stereotype, die die Ungleichheit zementieren, zu zerschlagen, um die Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen; in der Erwägung, dass ein Vorankommen bei der Gleichstellung der Geschlechter nicht nur der Gesellschaft als Ganzem zugutekommt, sondern auch ein Ziel an sich darstellt;

J.

in der Erwägung, dass sich das Geschlechtergefälle auf alle Aspekte des Arbeitsmarktes erstreckt, darunter die Beschäftigungslücke, das Lohn-, Renten- und Pflegegefälle, mangelnder Zugang zu Sozialleistungen und Sozialschutz, zunehmend prekäre Arbeitsplätze und höhere Armutrisiken für Frauen;

K.

in der Erwägung, dass sich die Finanzkrise und die Zeit danach für Frauen, die Rechte von Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter als schädlich erwiesen haben und langfristige Folgen nach sich ziehen; in der Erwägung, dass bei wirtschaftlichen Maßnahmen in der Zeit nach der COVID-19-Krise die geschlechtsspezifische Dimension und die soziale Gleichstellung Berücksichtigung finden müssen;

L.

in der Erwägung, dass die Auswirkungen der COVID-19-Krise geschlechtsspezifisch sind, da die COVID-19-Krise und ihre Folgen eine deutliche geschlechtsspezifische Perspektive aufweisen, da Frauen und Männer unterschiedlich davon betroffen sind und sich bestehende Gefälle verschärft haben; in der Erwägung, dass Frauen unverhältnismäßig stark von der Krise betroffen sind, während die Reaktion auf die COVID-19-Krise weitgehend geschlechtsblind gewesen ist; in der Erwägung, dass diese Auswirkungen von einer besorgniserregenden Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt und Belästigung bis zu unbezahlten und ungleichen Betreuungs- und Haushaltsverpflichtungen sowie einem eingeschränkten Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und den damit verbundenen Rechten und massiven wirtschaftlichen und arbeitsbezogenen Auswirkungen auf Frauen, insbesondere Gesundheits- und Pflegepersonal, reichen;

M.

in der Erwägung, dass von Frauen dominierte Branchen und Berufe (z. B. Gesundheitsfürsorge, Pflege- und Rettungsdienste, Sozialarbeit, Bildung, Einzelhandel, Kassenpersonal, Reinigungskräfte usw.) und die informelle Wirtschaft von der Pandemie besonders stark betroffen waren; in der Erwägung, dass Frauen, die im Gesundheitswesen arbeiten, potenziell stärker infektionsgefährdet sind als Männer, weil sie in der EU 76 % der Beschäftigten im Gesundheitswesen stellen (10);

N.

in der Erwägung, dass Frauen aufgrund der vorhandenen gläsernen Decke nicht in gleichem Maße an der Entscheidungsfindung beteiligt sind wie Männer; in der Erwägung, dass in den meisten EU-Mitgliedstaaten in den Regierungen, Parlamenten, öffentlichen Verwaltungen, COVID-19-Arbeitsgruppen und in den Leitungsorganen von Unternehmen noch keine gleiche Machtverteilung zwischen Männern und Frauen erreicht worden ist;

O.

in der Erwägung, dass Frauen mit Ungleichheiten und Diskriminierung unter anderem aus rassistischen Beweggründen und wegen ihrer ethnischen oder sozialen Herkunft, ihrer sexuellen Ausrichtung, ihrer Geschlechtsidentitäten und ihres Geschlechtsausdrucks, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihres Aufenthaltsstatus und ihrer Behinderung konfrontiert sind und dass Bemühungen Maßnahmen gegen sämtliche Formen von Diskriminierung umfassen müssen, um die Gleichstellung der Geschlechter für alle Frauen zu erreichen; in der Erwägung, dass es gilt, in den Bereichen der EU-Politik den intersektionalen Ansatz zu verstärken, um die institutionelle, die strukturelle und die historische Dimension der Diskriminierung zu bewältigen; in der Erwägung, dass es uns die Herangehensweise einer intersektionalen Analyse nicht nur ermöglicht, strukturelle Hemmnisse zu verstehen, sondern auch Erkenntnisse liefert, die es uns ermöglichen, Orientierungsgrößen zu erarbeiten und einen Weg zu einer strategischen und wirksamen Politik gegen systemische Diskriminierung, Ausgrenzung und soziale Ungleichheiten aufzuzeigen;

P.

in der Erwägung, dass es für Frauen wahrscheinlicher ist, dass sie mit Arbeitslosigkeit konfrontiert sind und einen unsicheren Beschäftigungsstatus (zum Beispiel aufgrund ihrer Arbeitsverträge) aufweisen, was zu Arbeitsplatzunsicherheit führt; in der Erwägung, dass es sich bei den Beschäftigten im Bereich der Pflege überwiegend um Frauen handelt (76 %) (11) und dass sie in der Regel ein prekäres Arbeitsentgelt erhalten und prekären Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass die Mehrheit sowohl der Nutzer als auch der Erbringer von Dienstleistungen im sozialen Bereich Frauen sind, sodass jedes Mal, wenn solche Dienstleistungen nicht in angemessener Weise bereitgestellt werden, Frauen daran gehindert sind, in vollem Umfang am Erwerbsleben teilzunehmen, wodurch bei der Planung, Mittelzuweisung und Erbringung von Dienstleistungen im sozialen Bereich eine Geschlechtsblindheit entsteht;

Q.

in der Erwägung, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle in Europa immer noch 14 % (12) und weltweit 20 % (13) und das geschlechtsspezifische Rentengefälle in einigen EU-Mitgliedstaaten sogar 40 % beträgt; in der Erwägung, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu einem Rentengefälle führt, durch das sich wiederum das Risiko von Armut und Ausgrenzung erhöht, insbesondere für ältere und allein lebende Frauen; in der Erwägung, dass sich sowohl Lohnunterschiede als auch prekäre Beschäftigungsverhältnisse unmittelbar auf künftige Renten auswirken;

R.

in der Erwägung, dass durch die ungleiche Verteilung unbezahlter Betreuungs-, Pflege- und Hausarbeit die Teilhabe von Frauen am Wirtschaftsleben erheblich eingeschränkt wird; in der Erwägung, dass die unbezahlte Betreuungs- und Pflegearbeit von Frauen während der COVID-19-Krise im Mittelpunkt der Aufrechterhaltung der Gesellschaft stand, dass jedoch durch Betreuungs- und Pflegeverpflichtungen 7,7 Millionen Frauen in Europa außerhalb des Arbeitsmarktes bleiben, jedoch nur 450 000 Männer (14); in der Erwägung, dass die Merkmale der Beschäftigung von Frauen, die sich aus unbezahlter Betreuung bzw. Pflege ergeben (d. h. Teilzeitarbeit), ein wesentlicher Faktor für das geschlechtsspezifische Lohngefälle sind; in der Erwägung, dass mehr Frauen als Männer mindestens mehrere Tage pro Woche oder jeden Tag Pflichten in der informellen Langzeitbetreuung bzw. -pflege übernehmen und dass insgesamt 62 % aller Menschen, die in der EU informelle Langzeitbetreuung bzw. -pflege leisten, Frauen sind (15);

S.

in der Erwägung, dass weltweit 35 % der Frauen körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch Intimpartner oder sexuelle Gewalt durch eine andere Person erlebt haben; in der Erwägung, dass Gewalt in der Partnerschaft während der COVID-19-Pandemie dramatisch zugenommen hat, was die Vereinten Nationen als „Schattenpandemie“ bezeichnen, wobei die unter den Mitgliedstaaten des WHO-Regionalbüros für Europa gemeldeten Notrufe von Frauen, die Gewalt seitens ihres Intimpartners ausgesetzt waren, um 60 % zunahmen (16);

T.

in der Erwägung, dass Frauen den Folgen des Klimawandels stärker ausgesetzt sind (17); in der Erwägung, dass Frauen zwar in ihrem Verhalten anscheinend mehr Interesse am Klima an den Tag legen als Männer, Frauen aber in Entscheidungsfunktionen, die mit der Bekämpfung der Klimakrise befasst sind, nach wie vor unterrepräsentiert sind und weltweit nur 32 % der Arbeitskräfte im Bereich der erneuerbaren Energieträger ausmachen (18);

U.

in der Erwägung, dass in allen Bereichen digitaler Technologien, insbesondere in innovativen Technologien wie etwa den Bereichen KI und Cybersicherheit, ein geschlechtsspezifisches Gefälle besteht; in der Erwägung, dass durch Geschlechterstereotypen, kulturell bedingte Abschreckung, mangelnde Sensibilisierung und mangelnde Förderung weiblicher Rollenvorbilder die Chancen von Mädchen und Frauen in den MINT-Fächern und -Berufslaufbahnen erschwert werden;

V.

in der Erwägung, dass in manchen Mitgliedstaaten Gegenreaktionen zu beobachten sind und die Gefahr besteht, dass die Gleichstellung der Geschlechter auf der Agenda der Mitgliedstaaten weiter ins Hintertreffen geraten könnte;

1.   

bedauert, dass die Staats- und Regierungschefs aus 100 Ländern auf der hochrangigen Tagung zum Thema „Schnellere Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter und der Stärkung der Rolle aller Frauen und Mädchen“, die am 1. Oktober 2020 während der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Gedenken an das Pekinger Übereinkommen stattfand, anerkannt haben, dass die allgemeinen Fortschritte bei den Rechten der Frauen weit unter dem liegen, zu dem sie sich im Rahmen des Pekinger Übereinkommens im Jahr 1995 verpflichtet haben;

2.   

hebt hervor, dass in dem Bericht von UN Women mit dem Titel „Gender Equality: Women’s rights in review 25 years after Beijing“ (Gleichstellung der Geschlechter: Überblick über Frauenrechte 25 Jahre nach Peking) (19) aufgezeigt wird, dass auf dem Weg hin zur Gleichstellung der Geschlechter in der Realität keine weiteren Fortschritte gemacht und bereits mühsam erzielte Fortschritte weltweit rückgängig gemacht werden;

3.   

stellt mit Besorgnis fest, dass in der 2020 vom EIGE veröffentlichten fünften Überprüfung der Aktionsplattform von Peking hervorgehoben wurde, dass kein EU-Mitgliedstaat die 1995 im Pekinger Übereinkommen festgelegten Ziele erreicht hat; bedauert, dass der Gleichstellungsindex des EIGE für 2020 gezeigt hat, dass die Fortschritte bei der Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern zum Stillstand gekommen sind und dass trotz der Bemühungen zur Verbesserung der Gleichstellung der Geschlechter, die zu einigen Ergebnissen geführt haben, in der EU Ungleichheiten und geschlechtsspezifische Unterschiede in allen in der Aktionsplattform von Peking erfassten Bereichen fortbestehen;

4.   

hebt hervor, dass Frauen und Mädchen von den sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen von COVID-19 unverhältnismäßig stark betroffen sind, wodurch bereits bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verschärft werden und die Gefahr entsteht, dass die bisher erzielten Fortschritte rückgängig gemacht werden; hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass durch die Pandemie Schätzungen von UN Women (20) zufolge weltweit weitere 47 Millionen Frauen und Mädchen unter die Armutsgrenze geraten werden, wodurch sich ihre Gesamtzahl auf 435 Millionen erhöht, während die geschlechtsspezifische Gewalt exponentiell zugenommen hat und Frauen ihren Arbeitsplatz und ihre Lebensgrundlagen schneller verlieren werden, da sie stärker von besonders stark betroffenen Wirtschaftszweigen abhängen;

5.   

erkennt an, dass mehr Frauen gewählt und in Führungspositionen ernannt werden, bedauert jedoch, dass nur langsam Fortschritte erzielt werden und dass nur in wenigen EU-Mitgliedstaaten Parität erreicht wurde;

6.   

weist erneut auf seinen Standpunkt vom 17. Dezember 2020 hin und fordert den Rat auf, eine spezielle Formation für die Gleichstellung der Geschlechter einzurichten, um gemeinsame und konkrete Maßnahmen zur Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der Rechte von Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter zu ergreifen und sicherzustellen, dass Fragen der Gleichstellung der Geschlechter auf höchster politischer Ebene erörtert werden;

7.   

bedauert, dass die Geschlechtergleichstellung nicht durchgängig und systematisch in allen Politikbereichen und Finanzierungsprogrammen der EU berücksichtigt wird; begrüßt die Aufnahme der durchgängigen Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung als horizontale Priorität in den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021–2027; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die durchgängige und systematische Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung als Schlüsselstrategie zur Förderung der Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter umgesetzt wird, und in Abstimmung mit Experten für die Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung eine geschlechtergerechte Haushaltsplanung, Verfahren und Fahrpläne umzusetzen, damit sichergestellt ist, dass Frauen und Männer auf allen Ebenen der Haushaltsplanung gleichermaßen von öffentlichen Ausgaben profitieren und dass die Perspektiven von Frauen in allen Bereichen durchgängig berücksichtigt werden, wobei spezifische Mittel bereitgestellt werden, um gegen Faktoren von Ungleichheiten wie Gewalt gegen Frauen und Mädchen vorzugehen, auch bei der Umsetzung des Programms „Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“, das für die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter vorgesehen ist;

8.   

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, auf der Grundlage der zwölf Problembereiche, die in der Aktionsplattform von Peking festgelegt sind, insbesondere in Bezug auf Frauen und Armut, Frauen und Wirtschaft, Macht und Entscheidungsfindung, Frauen und Gewalt, Frauen und Gewalt, Frauen und Umwelt sowie Frauen und Gesundheit, mit Blick auf das bevorstehende Forum zur Gleichstellung der Generationen konkrete Pläne und ein Bündel von Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die mit angemessenen zweckgebundenen Mitteln ausgestattet sind, um die Rechte der Frauen und die Agenda zur Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen;

9.   

bedauert, dass sich die Tendenz zu Rückschritten, die in einigen Ländern in Bezug auf die Infragestellung des Übereinkommens von Istanbul, die Rückschläge im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte von Frauen und Männern sowie auf die Herausforderungen im Hinblick auf die körperliche Autonomie und die Kontrolle der Fruchtbarkeit zutage getreten ist, in den letzten Jahren verschärft hat; verurteilt nachdrücklich das Urteil des polnischen Verfassungsgerichtshofs, mit dem ein faktisches Verbot von Abtreibungen eingeführt wird, und den anschließenden Rückschlag im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte von Frauen in Polen sowie die ungerechtfertigten übermäßigen Einschränkungen des Zugangs zu Abtreibung;

10.   

erinnert daran, dass die Rechte der Frauen Menschenrechte und ein unveräußerlicher, integraler und unteilbarer Bestandteil der universellen Menschenrechte sind, wie auf der Vierten Weltfrauenkonferenz festgestellt wurde;

11.   

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Erhebung vergleichbarer Daten über Alter, Rasse und ethnische Herkunft sowie nach Geschlecht aufgeschlüsselter Daten zu überwachen und zu verbessern, um die quantitative Analyse zu verbessern und EU-Maßnahmen zu konzipieren und umzusetzen, mit denen eine geschlechterübergreifende Perspektive besser integriert würde; betont, wie wichtig das EIGE als Anbieter zuverlässiger und angemessener nach Geschlecht aufgeschlüsselter Daten für die Grundlage der legislativen Analyse und Entscheidungsfindung ist, und betont, wie wichtig es ist, die Finanzierung und die Kapazitäten des EIGE sicherzustellen und auszuweiten; fordert das EIGE und alle anderen einschlägigen Organe und Agenturen der EU ferner nachdrücklich auf, an neuen Indikatoren wie Armut trotz Erwerbstätigkeit, Zeitarmut oder dem Wert der Betreuungsarbeit zu arbeiten und neue Indikatoren aufzustellen;

12.   

weist erneut darauf hin, dass 46 Millionen Frauen und Mädchen mit Behinderungen in der Europäischen Union leben und dass die Hälfte aller Frauen im erwerbsfähigen Alter mit Behinderungen nicht erwerbstätig ist; hebt die besonderen Probleme hervor, mit denen Frauen mit Behinderungen konfrontiert sind, und weist darauf hin, dass der Anteil von Frauen mit Behinderungen, die unter materieller Deprivation leiden, in allen Mitgliedstaaten hoch ist; bekräftigt daher, dass die Geschlechterperspektive weiter in die künftige Strategie zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen für 2021 aufgenommen werden muss;

13.   

fordert den Rat und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Antidiskriminierungsrichtlinie zu billigen und umzusetzen und sicherzustellen, dass die mehrfachen und sich überschneidenden Formen der Diskriminierung in allen EU-Mitgliedstaaten beseitigt werden;

Frauen und Armut

14.

hebt hervor, dass das Geschlecht nach wie vor ein wichtiger Faktor bei den Armutsmustern in der EU ist und dass zwar die Ausgrenzungsquoten und die Unterschiede zwischen den Geschlechtern von Land zu Land sehr unterschiedlich sind, aber 23,3 % der Frauen im Vergleich zu 21,6 % der Männer von Armut bedroht sind; (21) betont, dass dieses Risiko mit zunehmendem Alter erheblich zunimmt und sich mit der Zusammensetzung des Haushalts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, einer Behinderung und dem Beschäftigungsstatus überschneidet; betont, dass das geschlechtsspezifische Lohn-, Renten- und Betreuungsgefälle ein wesentlicher Faktor bei der Feminisierung der Armut ist;

15.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Feminisierung von Armut in all ihren Ausprägungen, einschließlich der Altersarmut, anzugehen, insbesondere indem sie bei der Verfügbarkeit von und dem Zugang zu angemessenen Rentenansprüchen die Geschlechterperspektive berücksichtigen, sodass das geschlechtsspezifische Rentengefälle beseitigt wird, und indem sie die Arbeitsbedingungen in Branchen und Berufen verbessern, in denen Frauen den Großteil der Arbeitskräfte stellen; hält es für geboten, die gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Unterbewertung von Berufen, in denen in erster Linie Frauen tätig sind, anzugehen und derartige Stereotype sowie die Überrepräsentation von Frauen in atypischen Beschäftigungsformen zu bekämpfen;

16.

betont, dass es neben der Überwindung der Ungleichheiten bei den Renten und der allgemeinen Sicherung und Erhöhung der Renten unerlässlich ist, dass die Systeme der sozialen Sicherheit weiterhin im öffentlichen Bereich bestehen und auf den Grundsätzen der Solidarität und der Umverteilung fußen und dass äußerst entschiedene Anstrengungen unternommen werden, um gegen prekäre und ungeregelte Beschäftigungsverhältnisse vorzugehen;

17.

fordert die Kommission auf, eine Strategie zur Armutsbekämpfung vorzulegen, um die Feminisierung der Armut zu bekämpfen, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf Einelternhaushalten unter der Leitung von Frauen liegen sollte; fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, spezifische soziale Maßnahmen umzusetzen, um das Risiko von sozialer Ausgrenzung und Armut im Hinblick auf den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum, Verkehr und Energie zu bekämpfen;

18.

fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, spezifische Maßnahmen zur Bekämpfung des Risikos der Altersarmut zu ergreifen, und fordert die Kommission auf, die geschlechtsspezifische Dimension der Armut in ihren Rahmen für Wirtschaftswachstum und Sozialpolitik aufzunehmen; begrüßt die nach Geschlecht aufgeschlüsselten Indikatoren im Rahmen des Mechanismus zur Überwachung der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte; betont, dass die Geschlechterperspektive durch einen bereichsübergreifenden Ansatz im Einklang mit den Grundsätzen 2 und 3 der Säule durchgängig berücksichtigt werden muss, und fordert eine bessere Koordinierung zwischen der europäischen Säule sozialer Rechte und dem Europäischen Semester; fordert die Kommission, einen Gleichstellungsindex zu entwickeln und in das Europäische Semester aufzunehmen, damit die geschlechtsspezifischen Auswirkungen makroökonomischer Maßnahmen sowie des grünen und des digitalen Wandels überwacht werden können.

19.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Frauen in den Mittelpunkt des Aufschwungs nach der Pandemie zu stellen, um der Erosion der Fortschritte beim Abbau geschlechtsspezifischer Armutsunterschiede infolge der COVID-19-Krise entgegenzuwirken;

Frauen und Umwelt

20.

begrüßt die Anerkennung der geschlechtsspezifischen Dimension des Klimawandels sowohl im Aktionsplan für die Gleichstellung der Geschlechter III als auch in der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025; betont, dass die Gleichstellung der Geschlechter für die Bewältigung der Klimakrise von entscheidender Bedeutung ist;

21.

hebt hervor, dass Frauen einflussreiche Akteurinnen des Wandels sind; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, das geschlechtsspezifische Gefälle in Entscheidungspositionen im Zusammenhang mit Klimaschutzmaßnahmen auf allen Ebenen der Gesellschaft zu beseitigen;

22.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, geschlechtersensible Ziele, Vorgaben und Indikatoren zu entwickeln und zu fördern sowie nach Geschlechtern aufgeschlüsselte Daten bei der Planung, Umsetzung, Überwachung und Bewertung von Klimaschutzmaßnahmen, -programmen und -projekten zu erheben und Anlaufstellen für Gleichstellungsfragen und Klimawandel in allen Regierungsinstitutionen einzurichten;

Frauen und die Wirtschaft, Frauen und Macht- und Entscheidungspositionen

23.

betont, wie wichtig es ist, Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft und der Wirtschaft gleichberechtigt mit Männern vollständig zu integrieren und eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung aktiv zu fördern; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, die Blockade der Richtlinie über Frauen in Aufsichtsräten im Europäischen Rat zu beenden;

24.

fordert die EU auf, Ziele, Aktionspläne, Zeitpläne und zeitweilige Sondermaßnahmen festzulegen, um Geschlechterparität zu erreichen und sich in Richtung einer ausgewogenen Vertretung bei allen Exekutiv-, Gesetzgebungs- und Verwaltungsfunktionen zu bewegen;

25.

betont, dass die vollständige Eingliederung von Frauen in den Arbeitsmarkt und die Förderung des Unternehmertums von Frauen entscheidende Faktoren für ein langfristiges integratives Wirtschaftswachstum, die Bekämpfung von Ungleichheiten und die Förderung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen sind;

26.

fordert die EU auf, ihre Bemühungen zur Beseitigung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern zu verstärken und den Grundsatz des gleichen Entgelts durchzusetzen, indem sie Rechtsvorschriften zur Verbesserung der Lohntransparenz erlässt, die auch verbindliche Maßnahmen für alle Unternehmen umfassen; bedauert, dass der Vorschlag der Kommission für verbindliche Maßnahmen für mehr Lohntransparenz noch nicht wie geplant eingebracht wurde;

27.

begrüßt die Zusage der Kommission, die Umsetzung der Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bis 2022 in nationales Recht zu überwachen und ihre uneingeschränkte Anwendung durch die Mitgliedstaaten im Benehmen mit Frauenrechtsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Organisationen sicherzustellen; ersucht außerdem die Mitgliedstaaten, über die in der Richtlinie vorgesehenen Mindestnormen hinauszugehen; nimmt die Ausweitung der für die Elternschaft geltenden Bestimmungen auf die Langzeitpflege von Familienangehörigen mit Behinderungen und älteren Menschen als guten Ansatzpunkt zur Kenntnis und fordert die Kommission auf, eine weitere Ausweitung in Erwägung zu ziehen, um den Verlust von Arbeitskräften, insbesondere Frauen, zu verhindern;

28.

betont, dass Veränderungen der Arbeitsbedingungen wie die Einführung von Telearbeit die Fähigkeit, von der Arbeit abzuschalten, beeinträchtigen und mit einer höheren Arbeitsbelastung einhergehen können, wobei Frauen deutlich stärker betroffen sind als Männer, weil ihnen die Hauptrolle oder eine traditionelle Rolle im Haushalt und bei der Familienbetreuung zukommt;

29.

fordert die Kommission auf, einen Vorschlag vorzulegen, in dem ein ganzheitlicher und das gesamte Leben umfassender Ansatz für Betreuung und Pflege zum Tragen kommt, der den Bedürfnissen sowohl der Betreuenden bzw. Pflegenden als auch jener, die betreut bzw. gepflegt werden, Rechnung trägt, und in dem Mindestnormen sowie Qualitätsleitlinien für die Betreuung und Pflege von Menschen aller Altersstufen, einschließlich Kindern, älterer Menschen und langfristig pflegebedürftiger Menschen, festgelegt werden;

30.

fordert die Kommission auf, die Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt zu prüfen und die sinnvolle Mitwirkung von Frauen in wichtigen Entscheidungsgremien und ihre Beteiligung an der Ausarbeitung geschlechtersensibler Aufbau- und Konjunkturpakete im Rahmen des MFR und des Aufbauplans „NextGenerationEU“ sicherzustellen; stellt fest, dass auf den Arbeitsmärkten angesichts des Anstiegs der Frauenarbeitslosigkeit Frauen in besonderem Maße von der COVID-19-Krise betroffen sind; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um das Beschäftigungsgefälle bei Frauen durch eine gezielte Verteilung im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität anzugehen, wobei die EU-Mitgliedstaaten konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Frauen, der Frauenarmut und der Zunahme der Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, die Hindernisse für die uneingeschränkte Teilhabe von Frauen in allen Lebensbereichen einschließlich der Beschäftigung darstellen, vorlegen sollten;

31.

betont, dass das Recht weiblicher Hausangestellter auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen und gleichen Sozialschutz sichergestellt werden muss, indem die Ratifizierung und Umsetzung des IAO-Übereinkommens Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte sichergestellt wird;

32.

stellt mit Besorgnis fest, dass Frauen lediglich 18 % (22) der acht Millionen IKT-Fachkräfte in der EU ausmachen und Gefahr laufen, weiter von der digitalen Agenda der EU ausgeschlossen zu werden; fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Maßnahmen zur Förderung einer stärkeren Beteiligung von Frauen an Berufen und Studiengängen im MINT-Bereich zu verstärken, und betont, dass Frauen in aufstrebende Wirtschaftsbereiche, die für eine nachhaltige Entwicklung wichtig sind, einschließlich der Bereiche IKT, Digitalwirtschaft und künstliche Intelligenz, einbezogen werden und darin vertreten sein müssen;

33.

fordert die europäischen Organe auf, verbindliche Maßnahmen wie Quoten einzuführen, um die Geschlechterparität in gewählten Gremien sicherzustellen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern sowohl im Europäischen Parlament als auch in den nationalen Parlamenten sicherzustellen; fordert außerdem Strategien, durch die eine sinnvolle Vertretung von Frauen mit unterschiedlichem Hintergrund in Entscheidungspositionen in den europäischen Organen sichergestellt wird;

Frauen und Gewalt: Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt

34.

begrüßt die von der Kommission in der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter eingegangene Verpflichtung, geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen, und bekräftigt die Forderung, die Ratifizierung des Übereinkommens von Istanbul durch die EU auf der Grundlage eines umfassenden Beitritts abzuschließen und dafür einzutreten, dass es von allen Mitgliedstaaten ratifiziert und umgesetzt wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlungen der GREVIO zu berücksichtigen und die Rechtsvorschriften zu verbessern, um sie stärker mit den Bestimmungen des Übereinkommens von Istanbul in Einklang zu bringen, und so für eine ordnungsgemäße Umsetzung und Durchsetzung zu sorgen;

35.

begrüßt die Initiative zur Ausweitung der Kriminalitätsbereiche gemäß Artikel 83 Absatz 1 AEUV auf bestimmte Formen geschlechtsspezifischer Gewalt und fordert die Kommission auf, anschließend einen Vorschlag für eine ganzheitliche, auf die Bedürfnisse der Opfer ausgerichtete EU-Richtlinie vorzulegen, um sämtlichen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt vorzubeugen und sie zu bekämpfen; weist erneut darauf hin, dass diese neuen Legislativmaßnahmen in jedem Fall ergänzend zur Ratifizierung des Übereinkommens von Istanbul getroffen werden sollten;

36.

fordert die EU auf, sich dringend mit der Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt während der COVID-19-Pandemie zu befassen; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, ein Protokoll der Europäischen Union zu geschlechtsspezifischer Gewalt in Krisenzeiten auszuarbeiten und an die Opfer gerichtete Schutzangebote wie Beratungsstellen, sichere Unterkünfte und Gesundheitsdienste als in den Mitgliedstaaten bereitgestellte „grundlegende Dienste“ aufzunehmen, um in Zeiten von Krisen wie der COVID-19-Pandemie geschlechtsspezifischer Gewalt vorzubeugen und Opfer häuslicher Gewalt zu unterstützen; stellt mit Besorgnis fest, dass es an Daten über Gewalt gegen Frauen und Mädchen mangelt, mit denen der Anstieg der Zahl der Fälle während der COVID-19-Pandemie erfasst werden könnte;

37.

hebt die Bedeutung der Bildung hervor und fordert, dass Geschlechterstereotype, die geschlechtsspezifischer Gewalt den Weg bereiten, bekämpft werden; fordert die EU auf, dafür zu sorgen, dass alle öffentlichen Institutionen der EU über Verhaltenskodizes, mit denen die Nichtduldung von Gewalt, Diskriminierung und Missbrauch etabliert wird, sowie über interne Melde- und Beschwerdemechanismen verfügen und diese anwenden;

38.

hält es für geboten, für alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt in den Mitgliedstaaten nach Geschlecht und Alter aufgeschlüsselte Daten zu erheben und zu organisieren; begrüßt die Ankündigung einer neuen EU-weiten Erhebung der FRA über die Verbreitung und Dynamik aller Formen von Gewalt gegen Frauen;

39.

fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um Gewalt im Internet, einschließlich Belästigung im Internet, Cybermobbing und frauenfeindlicher Hetze, von denen Frauen und Mädchen unverhältnismäßig stark betroffen sind, zu beseitigen und insbesondere gegen die Zunahme dieser Formen geschlechtsspezifischer Gewalt während der COVID-19-Pandemie vorzugehen; fordert die Kommission auf, einschlägige Vorschriften und andere mögliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Hetze und Belästigung im Internet vorzulegen;

40.

fordert die Mitgliedstaaten auf, das kürzlich angenommene Übereinkommen Nr. 190 der IAO über Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz umgehend zu ratifizieren und umzusetzen;

41.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie 2011/36/EU (23) zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer wirksam umzusetzen und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um Gewalt gegen Frauen und geschlechtsspezifische Ungleichheiten, die grundlegende Ursachen des Menschenhandels sind, zu bekämpfen; fordert die Kommission auf, die Richtlinie nach einer gründlichen Folgenabschätzung zu überarbeiten, um die Maßnahmen zur Verhütung und Verfolgung aller Formen des Menschenhandels zu verbessern, insbesondere was sexuelle Ausbeutung anbelangt, da es sich hierbei um den Bereich handelt, in dem Menschenhandel am stärksten verbreitet ist und am häufigsten gemeldet wird, wobei sich 92 % der Frauen und Mädchen in Europa, die Opfer von Menschenhandel sind, in diesem Bereich wiederfinden; fordert die Kommission ferner auf, die Richtlinie dahingehend zu ändern, dass die Mitgliedstaaten die wissentliche Inanspruchnahme aller von Opfern des Menschenhandels angebotenen Dienstleistungen ausdrücklich unter Strafe stellen;

Frauen und Gesundheit

42.

ruft in Erinnerung, dass der universelle Zugang zur Gesundheitsversorgung ein Menschenrecht ist, das nur durch ein System garantiert werden kann, das universell und unabhängig vom sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund für alle zugänglich ist; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, für eine angemessene Gesundheitsversorgung zu sorgen und einen gleichberechtigten Zugang dazu zu gewährleisten;

43.

fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, in robuste und belastbare öffentliche Gesundheitssysteme zu investieren und dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten des Gesundheitswesens, von denen die meisten in der Regel weiblich sind und schlechter bezahlte Stellen haben, angemessen vergütet werden und ihre Arbeitsbedingungen menschenwürdig sind;

44.

fordert die universelle Achtung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte und den universellen Zugang dazu, wie im Aktionsprogramm der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung und der Aktionsplattform von Peking vereinbart;

45.

betont, dass der Zugang zu Familienplanung, zu Gesundheitsdiensten für Mütter und zu Abtreibungen unter sicheren und legalen Bedingungen wichtige Faktoren sind, mit denen die Rechte der Frauen gewährleistet und Leben gerettet werden können;

46.

fordert die Mitgliedstaaten auf, jungen Menschen eine umfassende Sexualerziehung sowie den Zugang zu Versorgung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit — einschließlich Empfängnisverhütung, Familienplanung und sicherer und legaler Abtreibung — anzubieten;

47.

weist darauf hin, wie wichtig es ist, die Geschlechterperspektive bei der Erstellung medizinischer Diagnosen und der Planung von Behandlungen besser zu berücksichtigen, damit alle Menschen eine angemessene Behandlung von hoher Qualität erhalten; betont, dass Krankheiten und Grunderkrankungen von Frauen nach wie vor oft nicht diagnostiziert, behandelt und erforscht werden;

Auf dem Weg zum „Generation Equality Forum“

48.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre Anstrengungen zur Umsetzung der Agenda 2030 und der Ziele für nachhaltige Entwicklung, insbesondere der Ziele 3 und 5, zu verstärken, damit keine Frau und kein Mädchen Opfer von Diskriminierung, Gewalt oder Ausgrenzung wird und keiner Frau und keinem Mädchen der Zugang zu Gesundheit, Nahrung, Bildung und Beschäftigung verwehrt wird;

49.

bekräftigt, wie wichtig das Bekenntnis der EU zur Aktionsplattform von Peking und den Überprüfungskonferenzen ist, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre übergeordneten Verpflichtungen in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frauen einzuhalten;

50.

begrüßt die Beteiligung der Mitgliedstaaten und der Kommission an den Aktionsbündnissen und ihre gemeinsame Führungsrolle dabei;

51.

weist auf die Bedeutung eines ehrgeizigen Ergebnisses des künftigen „Generation Equality Forum“ unter anderem in Form der Annahme einer Reihe zukunftsweisender, ehrgeiziger Verpflichtungen und Maßnahmen hin, die mit der Bereitstellung eigens dafür vorgesehener Mittel durch die Kommission und die Mitgliedstaaten — auch im Rahmen der Aktionsbündnisse — einhergehen;

52.

fordert alle Mitgliedstaaten und die Kommission auf, die jährliche Nachverfolgung und die nationale Berichterstattung im Rahmen des Fortschrittsberichts über die Aktionsbündnisse durchzuführen;

53.

fordert die EU nachdrücklich auf, dafür Sorge zu tragen, dass das Parlament und sein Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter vollständig in den Entscheidungsprozess hinsichtlich des von der EU beim „Generation Equality Forum“ vertretenen Standpunkts einbezogen werden;

o

o o

54.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0039.

(2)  Angenommene Texte, P9_TA(2021)0025.

(3)  Angenommene Texte, P9_TA(2021)0024.

(4)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0336.

(5)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0025.

(6)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0286.

(7)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0379.

(8)  ABl. C 449 vom 23.12.2020, S. 102.

(9)  ABl. C 251 E vom 31.8.2013, S. 11.

(10)  EIGE, Datenbank für Gender-Statistiken, https://eige.europa.eu/covid-19-and-gender-equality/frontline-workers

(11)  EIGE Frontline workers https://eige.europa.eu/covid-19-and-gender-equality/frontline-workers

(12)  EIGE, Überprüfung der Umsetzung der Aktionsplattform von Beijing in den EU-Mitgliedstaaten, http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=sdg_05_20&lang=de

(13)  IAO, Understanding the gender pay gap (Das geschlechtsspezifische Lohngefälle verstehen) https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_dialogue/---act_emp/documents/publication/wcms_735949.pdf

(14)  EIGE-Studie „Gender inequalities in care and consequences on the labour market“ (Geschlechtsspezifische Ungleichheiten bei der Betreuung und die Folgen für den Arbeitsmarkt).

(15)  EIGE, „Gender Equality Index 2019“, https://eige.europa.eu/publications/gender-equality-index-2019-report/informal-care-older-people-people-disabilities-and-long-term-care-services

(16)  British Medical Journal, „Covid-19: EU States report 60 % rise in emergency calls about domestic violence“ (EU-Staaten melden einen Anstieg der Notrufe wegen häuslicher Gewalt um 60 %), 11. Mai 2020, abrufbar unter: https://www.bmj.com/content/369/bmj.m1872. VN-Bericht des Generalsekretärs vom Juli 2020: „Intensification of efforts to eliminate all forms of violence against women and girls“ (Verstärkung der Anstrengungen zur Verhütung und Beseitigung aller Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen: häusliche Gewalt), https://undocs.org/en/A/75/274

(17)  EIGE, Area K — Women and the environment: climate change is gendered (Bereich K — Frauen und Umwelt: Klimawandel ist geschlechtsspezifisch):, 5. März 2020, abrufbar unter: https://eige.europa.eu/publications/beijing-25-policy-brief-area-k-women-and-environment

(18)  EPRS-Briefing, „Beijing Platform for Action, 25 year review and future priorities“ (Aktionsplattform von Peking, Überprüfung nach 25 Jahren und künftige Prioritäten), 27. Februar 2020, abrufbar unter: https://www.europarl.europa.eu/thinktank/de/document.html?reference=EPRS_BRI(2020)646194

(19)  Bericht von UN Women: Gender equality: Women’s rights in review 25 years after Beijing (Gleichstellung der Geschlechter: Überblick über Frauenrechte 25 Jahre nach Peking), https://www.unwomen.org/en/digital-library/publications/2020/03/womens-rights-in-review

(20)  Bericht von UN Women: Gender Equality in the Wake of COVID-19 (Geschlechtergleichstellung nach COVID-19), https://www.unwomen.org/en/digital-library/publications/2020/09/gender-equality-in-the-wake-of-covid-19

(21)  2014 lebten mehr als 122 Millionen Menschen in der EU in Haushalten, die als arm gelten, waren mithin also von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Von diesen 122 Millionen Menschen waren 53 % Frauen und 47 % Männer. Vgl. Bericht des EIGE mit dem Titel „Poverty, gender and intersecting inequalities in the EU“ (Armut, geschlechtsspezifische und intersektionale Ungleichheiten in der EU), 2016, https://eige.europa.eu/publications/poverty-gender-and-intersecting-inequalities-in-the-eu

(22)  Fortschrittsanzeiger in Bezug auf Frauen in digitalen Branchen (Women in Digital Scoreboard) der Kommission für das Jahr 2020.

(23)  Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1).


II Mitteilungen

GEMEINSAME ERKLÄRUNGEN

Europäisches Parlament

Dienstag, 9. Februar 2021

17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/170


P9_TA(2021)0030

Antrag auf Aufhebung der Immunität von Álvaro Amaro

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 9. Februar 2021 über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Álvaro Amaro (2019/2150(IMM))

(2021/C 465/18)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Álvaro Amaro, übermittelt durch das Tribunal Judicial da Comarca da Guarda, Juízo Local Criminal da Guarda — Juiz 2 (Bezirksgericht Guarda, örtliches Strafgericht von Guarda, Zweite Strafkammer), vom 17. Oktober 2019 und bekannt gegeben in der Plenarsitzung vom 13. November 2019,

nach Anhörung von Álvaro Amaro gemäß Artikel 9 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Artikel 8 und 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und auf Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments,

unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Oktober 2008, 19. März 2010, 6. September 2011, 17. Januar 2013 und 19. Dezember 2019 (1),

unter Hinweis auf Artikel 157 Absätze 2 und 3 der Verfassung der Portugiesischen Republik und Artikel 11 des Gesetzes 7/93 vom 1. März 1993, in dem der Status der Abgeordneten der Versammlung der Portugiesischen Republik geregelt ist,

gestützt auf Artikel 5 Absatz 2, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A9-0009/2021),

A.

in der Erwägung, dass der zuständige Richter des Tribunal Judicial da Comarca da Guarda einen Antrag auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Álvaro Amaro im Zusammenhang mit einer Anklage wegen einer Straftat der Vorteilsnahme, die in Artikel 11 des Gesetzes Nr. 34/87 vom 16. Juli 1987 in der durch das portugiesische Gesetz Nr. 41/2010 vom 3. September 2010 geänderten Fassung vorgesehen und nach dieser Vorschrift strafbar ist (in Idealkonkurrenz mit einer Straftat der wirtschaftlichen Beteiligung, die in Artikel 23 Absatz 1 vorgesehen und nach dieser Vorschrift strafbar ist, sowie einer Straftat der Veruntreuung öffentlicher Gelder, die in Artikel 20 Absatz 1 desselben Gesetzes vorgesehen und nach dieser Vorschrift strafbar ist) und in Realkonkurrenz mit einer Straftat des Betrugs bei der Erlangung von Beihilfen oder Zuschüssen, die in Artikel 36 Absatz 1 Buchstaben a und c, Absätze 2 und 5, Buchstaben a und b, und Absatz 8 Buchstabe b des Gesetzesdekrets Nr. 28/84 vom 20. Januar 1984 vorgesehen und nach dieser Vorschrift strafbar ist, gestellt hat;

B.

in der Erwägung, dass Álvaro Amaro ab 2013 Bürgermeister von Guarda war, ein Amt, in das er 2017 wiedergewählt wurde und das er bis zum 11. April 2019 innehatte in der Erwägung, dass er in Ausübung dieses Amtes für die politische Leitung und administrative Verwaltung der Gemeinde Guarda verantwortlich war; in der Erwägung, dass Gegenstand der Untersuchung die Vorzugsbehandlung mittels eines Vergabeverfahren ist, die die Gemeinde Guarda Anfang 2014 einer Genossenschaft und einer Theatergruppe bei der jährlichen Organisation der Karnevalsfeierlichkeiten jenes Jahres gewährt haben soll;

C.

in der Erwägung, dass Álvaro Amaro im Mai 2019 in das Europäische Parlament gewählt wurde;

D.

in der Erwägung, dass die vorgeworfene Straftat nicht eine von Álvaro Amaro in Ausübung seines Amtes erfolgte Äußerung oder Abstimmung gemäß Artikel 8 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union betrifft;

E.

in der Erwägung, dass Artikel 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union vorsieht, dass den Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht;

F.

in der Erwägung, dass es allein Sache des Parlaments ist, in einem bestimmten Fall über die Aufhebung der Immunität zu entscheiden, und dass das Parlament bei der Entscheidung über die Aufhebung der Immunität eines Mitglieds der Position dieses Mitglieds in angemessener Weise Rechnung tragen kann (2); in der Erwägung, dass Álvaro Amaro während seiner Anhörung angedeutet hat, dass er die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität befürworte;

G.

in der Erwägung, dass der Zweck der parlamentarischen Immunität darin besteht, das Parlament und seine Mitglieder vor Gerichtsverfahren zu schützen, die sich auf Tätigkeiten beziehen, die sie in Ausübung ihrer parlamentarischen Funktionen ausüben und die untrennbar damit verbunden sind;

H.

in der Erwägung, dass die Straftaten, derer Álvaro Amaro angeklagt ist, vor seiner Wahl zum Europäischen Parlament begangen worden sein sollen;

I.

in der Erwägung, dass das Parlament im vorliegenden Fall nicht nachweisen konnte, dass ein fumus persecutionis vorlag, d. h. Tatsachen, die darauf hindeuten, dass das betreffende Gerichtsverfahren in der Absicht geführt wird, die politische Tätigkeit des Abgeordneten und damit des Europäischen Parlaments zu untergraben;

J.

in der Erwägung, dass erstens das Parlament nicht mit einem Gericht gleichgesetzt werden kann und zweitens der Abgeordnete im Rahmen eines Verfahrens zur Aufhebung der Immunität nicht als „Angeklagter“ angesehen werden kann (3);

1.

beschließt, die Immunität von Álvaro Amaro aufzuheben;

2.

beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss und den Bericht seines zuständigen Ausschusses unverzüglich den portugiesischen Behörden und Álvaro Amaro zu übermitteln.

(1)  Urteil des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2008, Marra/De Gregorio und Clemente, C-200/07 und C-201/07, ECLI:EU:C:2008:579; Urteil des Gerichts vom 19. März 2010, Gollnisch/Parlament, T-42/06, ECLI:EU:T:2010:102; Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2011, Patriciello, C 163/10, ECLI:EU:C:2011:543; Urteil des Gerichts vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T-346/11 und T-347/11, ECLI:EU:T:2013:23. Urteil des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies, C-502/19, ECLI:EU:C:2019:1115.

(2)  Urteil des Gerichts vom 15. Oktober 2008, Mote/Parlament, T-345/05, ECLI:EU:T:2008:440, Randnr. 28.

(3)  Urteil des Gerichts vom 30. April 2019, Briois/Parlament, T-214/18, ECLI:EU:T:2019:266.


III Vorbereitende Rechtsakte

Europäisches Parlament

Dienstag, 9. Februar 2021

17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/172


P9_TA(2021)0031

Ernennung des stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums der Europäischen Zentralbank

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 9. Februar 2021 über den Vorschlag der Europäischen Zentralbank zur Ernennung des stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums der Europäischen Zentralbank (N9-0080/2020 — C9-0425/2020 — 2020/0910(NLE))

(Zustimmung)

(2021/C 465/19)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Europäischen Zentralbank vom 18. Dezember 2020 zur Ernennung des stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums der Europäischen Zentralbank (C9-0425/2020),

gestützt auf Artikel 26 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (1),

unter Hinweis auf die Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Zentralbank über die praktischen Modalitäten für die Ausübung der demokratischen Rechenschaftspflicht und die Kontrolle über die Wahrnehmung der der Europäischen Zentralbank (EZB) im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus übertragenen Aufgaben (2),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. März 2019 zum ausgewogenen Verhältnis von Frauen und Männern bei Nominierungen für Positionen im Bereich Wirtschaft und Währung auf EU-Ebene (3),

unter Hinweis auf seinen Beschluss vom 24. November 2020 zu der Empfehlung des Rates zur Ernennung eines Mitglieds des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (4),

gestützt auf Artikel 131 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A9-0007/2021),

A.

in der Erwägung, dass die EZB dem Europäischen Parlament gemäß Artikel 26 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates einen Vorschlag zur Ernennung des stellvertretenden Vorsitzenden ihres Aufsichtsgremiums zur Billigung übermittelt;

B.

in der Erwägung, dass der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsgremiums aus den Mitgliedern des Direktoriums der EZB ausgewählt werden muss;

C.

in der Erwägung, dass gemäß Artikel 26 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates bei der Besetzung des Aufsichtsgremiums nach Maßgabe jener Verordnung die Grundsätze der Ausgewogenheit der Geschlechter, der Erfahrung und der Qualifikation geachtet werden;

D.

in der Erwägung, dass der Europäische Rat am 10. Dezember 2020 (5) Frank Elderson gemäß Artikel 283 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union für eine Amtszeit von acht Jahren ab dem 15. Dezember 2020 zum Mitglied des Direktoriums der EZB ernannt hat;

E.

in der Erwägung, dass die EZB dem Parlament in ihrem Schreiben vom 18. Dezember 2020 einen Vorschlag für die Ernennung von Frank Elderson zum stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums für eine Amtszeit von fünf Jahren übermittelt hat;

F.

in der Erwägung, dass der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments daraufhin die Qualifikationen des vorgeschlagenen Kandidaten bewertet hat, insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse nach Artikel 26 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates;

G.

in der Erwägung, dass der Ausschuss am 25. Januar 2021 eine Anhörung mit dem vorgeschlagenen Kandidaten durchgeführt hat, bei der der Kandidat eine einführende Erklärung abgab und anschließend Fragen der Ausschussmitglieder beantwortete;

H.

in der Erwägung, dass alle Organe und Einrichtungen der EU und der Mitgliedstaaten konkrete Maßnahmen umsetzen sollten, um für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu sorgen;

I.

in der Erwägung, dass das Direktorium der EZB derzeit aus vier Männern und zwei Frauen besteht, von denen eine die Präsidentin ist;

1.

gibt seine Zustimmung zur Ernennung von Frank Elderson als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der Europäischen Zentralbank;

2.

beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss dem Rat, der Kommission, der Europäischen Zentralbank und den Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63.

(2)  ABl. L 320 vom 30.11.2013, S. 1.

(3)  ABl. C 23 vom 21.1.2021, S. 105.

(4)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0311.

(5)  ABl. L 420 vom 14.12.2020, S. 22.


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/174


P9_TA(2021)0032

Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen ***I

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 9. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen (kodifizierter Text) (COM(2020)0048 — C9-0017/2020 — 2020/0029(COD))

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren — Kodifizierung)

(2021/C 465/20)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2020)0048),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 114 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9-0017/2020),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 10. Juni 2020 (1),

unter Hinweis auf die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 20. Dezember 1994 über ein beschleunigtes Arbeitsverfahren für die amtliche Kodifizierung von Rechtstexten (2),

gestützt auf die Artikel 109 und 59 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A9-0010/2021),

A.

in der Erwägung, dass aus der Stellungnahme der beratenden Gruppe der Juristischen Dienste des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission hervorgeht, dass sich der genannte Vorschlag auf eine reine Kodifizierung ohne inhaltliche Änderungen beschränkt;

1.

legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

(1)  ABl. C 311 vom 18.9.2020, S. 52.

(2)  ABl. C 102 vom 4.4.1996, S. 2.


P9_TC1-COD(2020)0029

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 9. Februar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie (EU) 2021/… des Europäischen Parlaments und des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen (kodifizierter Text)

(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Richtlinie (EU) 2021/555.)


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/175


P9_TA(2021)0034

Keine Einwände gegen einen delegierten Rechtsakt: Unionsförderung für die Entwicklung des ländlichen Raums im Jahr 2021

Beschluss des Europäischen Parlaments, keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung der Kommission vom 19. Januar 2021 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Beträge der Unionsförderung für die Entwicklung des ländlichen Raums im Jahr 2021 zu erheben (C(2021)00188 — 2021/2517(DEA))

(2021/C 465/21)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Delegierte Verordnung der Kommission (C(2021)00188),

unter Hinweis auf das Schreiben der Kommission vom 22. Januar 2021, in dem diese das Europäische Parlament ersucht, zu erklären, dass es keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung erheben wird,

unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung vom 2. Februar 2021 an den Vorsitzenden der Konferenz der Ausschussvorsitze,

gestützt auf Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (1), insbesondere auf Artikel 58 Absatz 7 und Artikel 83 Absatz 5,

gestützt auf Artikel 111 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Empfehlung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für einen Beschluss,

unter Hinweis darauf, dass innerhalb der in Artikel 111 Absatz 6 dritter und vierter Spiegelstrich seiner Geschäftsordnung vorgesehenen Frist, die am 9. Februar 2021 auslief, keine Einwände erhoben wurden,

A.

in der Erwägung, dass die Verordnung (EU) 2020/2220 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) („Übergangsverordnung“), mit der die Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 geändert wurde, indem die nationalen Finanzrahmen für die Jahre 2021 und 2022 aufgenommen wurden, erst am 29. Dezember 2020 in Kraft getreten ist;

B.

in der Erwägung, dass die festgelegten Finanzrahmen angepasst werden müssen, sobald die Mitgliedstaaten die Kommission über die Höhe der Kürzung von Zahlungen im Umfang von mehr als 150 000 EUR und über die Umsetzung der Flexibilität zwischen den Säulen unterrichten;

C.

in der Erwägung, dass die entsprechende Mitteilung in den Vorjahren im August erfolgte und die Kommission den delegierten Rechtsakt zur Änderung der Finanzrahmen im Herbst annahm, dies jedoch aufgrund der späten Annahme der Übergangsverordnung im Jahr 2020 nicht möglich war;

D.

in der Erwägung, dass es von größter Bedeutung ist, dass die Delegierte Verordnung so bald wie möglich in Kraft tritt, damit die Mitgliedstaaten und die Kommission mit der Durchführung der Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums für 2021 beginnen können;

1.

erklärt, keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung zu erheben;

2.

beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 487).

(2)  Verordnung (EU) 2020/2220 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Dezember 2020 mit Übergangsbestimmungen für Förderung aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) in den Jahren 2021 und 2022 und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1305/2013, (EU) Nr. 1306/2013 und (EU) Nr. 1307/2013 in Bezug auf Mittel und Anwendbarkeit in den Jahren 2021 und 2022 und der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 hinsichtlich der Mittel und der Aufteilung dieser Förderung in den Jahren 2021 und 2022 (ABl. L 437 vom 28.12.2020, S. 1).


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/176


P9_TA(2021)0035

Keine Einwände gegen einen delegierten Rechtsakt: Unterstützung für den Obst- und Gemüsesektor sowie für den Weinsektor im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie

Beschluss des Europäischen Parlaments keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung der Kommission vom 27. Januar 2021 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2020/884 zur Abweichung für das Jahr 2020 von der Delegierten Verordnung (EU) 2017/891 der Kommission in Bezug auf den Obst- und Gemüsesektor sowie von der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 der Kommission in Bezug auf den Weinsektor im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 zu erheben (C(2021)00371 — 2021/2530(DEA))

(2021/C 465/22)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Delegierte Verordnung der Kommission (C(2021)00371),

unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung vom 2. Februar 2021 an den Vorsitzenden der Konferenz der Ausschussvorsitze,

gestützt auf Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (1), insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1, Artikel 64 Absatz 6 und Artikel 115 Absatz 5,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (2), insbesondere auf Artikel 53 Buchstaben b und h und Artikel 227 Absatz 5,

gestützt auf Artikel 111 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Empfehlung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für einen Beschluss,

unter Hinweis darauf, dass innerhalb der in Artikel 111 Absatz 6 dritter und vierter Spiegelstrich seiner Geschäftsordnung vorgesehenen Frist, die am 9. Februar 2021 auslief, keine Einwände erhoben wurden,

A.

in der Erwägung, dass angesichts dieser außergewöhnlich schwerwiegenden Marktstörungen und der zahlreichen schwierigen Umstände im Weinsektor, beginnend damit, dass die Vereinigten Staaten im Oktober 2019 Zölle auf Einfuhren von Weinen aus der Union einführten, bis hin zu den Auswirkungen der nach wie vor geltenden restriktiven Maßnahmen aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie, alle Mitgliedstaaten und die Landwirte in allen Mitgliedstaaten mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten bei der Planung, Umsetzung und Durchführung von Maßnahmen im Rahmen von Stützungsprogrammen im Weinsektor gemäß den Artikeln 39 bis 54 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 konfrontiert sind;

B.

in der Erwägung, dass die Kommission angesichts dieser beispiellosen Kombination von Umständen am 4. Mai 2020 im Rahmen ihrer Delegierten Verordnung (EU) 2020/884 (3) Bestimmungen erlassen hat, die Flexibilität vorsehen und Abweichungen von den für den Weinsektor geltenden delegierten Verordnungen zulassen;

C.

in der Erwägung, dass es trotz des Nutzens dieser Maßnahmen jedoch nicht gelungen ist, das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Weinsektor wiederherzustellen, und aufgrund der anhaltenden COVID-19-Pandemie nicht erwartet wird, dass es kurz- bis mittelfristig wieder erreicht wird;

D.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie voraussichtlich noch während eines beträchtlichen Teils des Haushaltsjahres 2021 anhalten wird und die Kommission daher vorgeschlagen hat, die Anwendung der in der Delegierten Verordnung (EU) 2020/884 festgelegten Maßnahmen für die Dauer des Haushaltsjahres 2021 zu verlängern;

E.

in der Erwägung, dass diese fortgesetzten Flexibilitätsmaßnahmen und Abweichungsregelungen zur Bewältigung der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Durchführung der Stützungsprogramme im Weinsektor, der Verhinderung weiterer wirtschaftlicher Verluste und der Bewältigung der Marktsituation und der Störungen der Lieferkette im Weinsektor rasch umgesetzt werden müssen, wenn sie wirksam und effizient sein sollen;

1.

erklärt, keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung zu erheben;

2.

beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 549).

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 671).

(3)  Delegierte Verordnung (EU) 2020/884 der Kommission vom 4. Mai 2020 zur Abweichung für das Jahr 2020 von der Delegierten Verordnung (EU) 2017/891 der Kommission in Bezug auf den Obst- und Gemüsesektor sowie von der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 der Kommission in Bezug auf den Weinsektor im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie (ABl. L 205 vom 29.6.2020, S. 1).


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/178


P9_TA(2021)0036

Keine Einwände gegen einen delegierten Rechtsakt: Änderung festgelegter technischer Standards hinsichtlich des Zeitplans für die Anwendbarkeit bestimmter Risikomanagementverfahren für die Zwecke des Austauschs von Sicherheiten

Beschluss des Europäischen Parlaments keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung der Kommission vom 21. Dezember 2020 zur Änderung in der Delegierten Verordnung (EU) 2016/2251 festgelegter technischer Standards hinsichtlich des Zeitplans für die Anwendbarkeit bestimmter Risikomanagementverfahren für die Zwecke des Austauschs von Sicherheiten zu erheben (C(2020)9147 — 2020/2942(DEA))

(2021/C 465/23)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Delegierte Verordnung der Kommission (C(2020)9147),

unter Hinweis auf das Schreiben der Kommission vom 21. Dezember 2020, in dem diese das Europäische Parlament ersucht, zu erklären, dass es keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung erheben wird,

unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für Wirtschaft und Währung vom 26. Januar 2021 an den Vorsitzenden der Konferenz der Ausschussvorsitze,

gestützt auf Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (1), insbesondere auf Artikel 11 Absatz 15,

gestützt auf Artikel 111 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung für einen Beschluss,

unter Hinweis darauf, dass innerhalb der in Artikel 111 Absatz 6 dritter und vierter Spiegelstrich seiner Geschäftsordnung vorgesehenen Frist, die am 9. Februar 2021 auslief, keine Einwände erhoben wurden,

A.

in der Erwägung, dass durch Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung über europäische Marktinfrastrukturen die Verpflichtung eingeführt wird, über Risikomanagementverfahren zu verfügen, die einen rechtzeitigen und angemessenen Austausch von Sicherheiten („Einschussanforderungen“) in Bezug auf finanzielle Gegenparteien, die außerbörsliche („OTC“) Derivatekontrakte abschließen, die nicht durch eine zentrale Gegenpartei („CCP“) gecleart werden, sowie in Bezug auf die in Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung über europäische Marktinfrastrukturen genannten nichtfinanziellen Gegenparteien vorschreiben; in der Erwägung, dass in der Delegierten Verordnung (EU) 2016/2251 der Kommission (2) diese Verfahren weiter spezifiziert werden und für die Anwendung der bilateralen Einschussanforderungen für nicht zentral geclearte OTC-Derivatekontrakte zwischen bestimmten Gegenparteien ein späteres Datum vorgesehen wird, damit sichergestellt ist, dass solche Kontrakte vorübergehend nicht den Anforderungen unterliegen;

B.

in der Erwägung, dass die Anwendung dieser bilateralen Einschussanforderungen für nicht zentral geclearte OTC-Derivate im Rahmen gruppeninterner Kontrakte daher weiter aufgeschoben werden sollte, um die unbeabsichtigten nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen zu vermeiden, die das Auslaufen dieser Freistellung auf in der Union niedergelassene Gegenparteien hätte; in der Erwägung, dass die in der Delegierten Verordnung enthaltenen Änderungen eine derartige wesentliche Erleichterung für in der Union niedergelassene Gegenparteien umfassen; in der Erwägung, dass es sich bei den Änderungen der Delegierten Verordnung (EU) 2016/2251 um begrenzte Anpassungen des bestehenden Rechtsrahmens handelt;

C.

in der Erwägung, dass die Delegierte Verordnung umgehend in Kraft treten sollte, um sicherzustellen, dass die Union vorbereitet ist und die Interessen von in der Union niedergelassenen Gegenparteien gestärkt werden, da das Unionsrecht seit dem Ablauf des Übergangszeitraums am 31. Dezember 2020 keine Anwendung mehr im Vereinigten Königreich findet;

1.

erklärt, keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung zu erheben;

2.

beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1.

(2)  Delegierte Verordnung (EU) 2016/2251 der Kommission vom 4. Oktober 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister durch technische Regulierungsstandards zu Risikominderungstechniken für nicht durch eine zentrale Gegenpartei geclearte OTC-Derivatekontrakte (ABl. L 340 vom 15.12.2016, S. 9).


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/180


P9_TA(2021)0037

Keine Einwände gegen einen delegierten Rechtsakt: Technische Regulierungsstandards hinsichtlich des Zeitpunkts, ab dem die Clearingpflicht für bestimmte Arten von Kontrakten wirksam wird

Beschluss des Europäischen Parlaments, keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung der Kommission vom 21. Dezember 2020 zur Änderung der in den Delegierten Verordnungen (EU) 2015/2205, (EU) 2016/592 und (EU) 2016/1178 der Kommission festgelegten technischen Regulierungsstandards hinsichtlich des Zeitpunkts, ab dem die Clearingpflicht für bestimmte Arten von Kontrakten wirksam wird, zu erheben (C(2020)9148 — 2020/2943(DEA))

(2021/C 465/24)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Delegierte Verordnung der Kommission (C(2020)9148),

unter Hinweis auf das Schreiben der Kommission vom 21. Dezember 2020, in dem diese das Europäische Parlament ersucht, zu erklären, dass es keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung erheben wird,

unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für Wirtschaft und Währung vom 26. Januar 2021 an den Vorsitzenden der Konferenz der Ausschussvorsitze,

gestützt auf Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf Artikel 111 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung für einen Beschluss,

unter Hinweis darauf, dass innerhalb der in Artikel 111 Absatz 6 dritter und vierter Spiegelstrich seiner Geschäftsordnung vorgesehenen Frist, die am 9. Februar 2021 auslief, keine Einwände erhoben wurden,

A.

in der Erwägung, dass in der Verordnung über europäische Marktinfrastrukturen Clearingpflichten festgelegt sind; in der Erwägung, dass in den Delegierten Verordnungen (EU) 2015/2205 (2), (EU) 2016/592 (3) und (EU) 2016/1178 (4) der Kommission unter anderem die Daten festgelegt werden, ab denen Kontrakte, die einer in den Anhängen der genannten Verordnungen aufgeführten Kategorie von OTC-Derivaten angehören, der Clearingpflicht unterliegen;

B.

in der Erwägung, dass die in der Delegierten Verordnung enthaltenen Änderungen eine wesentliche Erleichterung für in der Union niedergelassene Gegenparteien umfassen, die beschließen, ihre Kontrakte von Gegenparteien im Vereinigten Königreich auf Gegenparteien zu übertragen, die in einem Mitgliedstaat ansässig und dort zugelassen sind, indem eine Situation vermieden wird, bei der die aus diesen Novationen resultierenden neuen Kontrakte einer Clearingpflicht oder Verpflichtungen, Sicherheiten auszutauschen, unterliegen könnten, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der ursprünglichen Kontrakte nicht bestanden; in der Erwägung, dass dieses Ziel erreicht wird, indem die in den Delegierten Verordnungen (EU) 2015/2205, (EU) 2016/592 und (EU) 2016/1178 vorgesehenen Freistellungen für einen festen Zeitraum von 12 Monaten ab dem Inkrafttreten der Delegierten Verordnung verlängert werden; in der Erwägung, dass es sich bei den Änderungen der Delegierten Verordnungen (EU) 2015/2205, (EU) 2016/592 und (EU) 2016/1178 um begrenzte Anpassungen des geltenden Regelungsrahmens handelt;

C.

in der Erwägung, dass die Delegierte Verordnung umgehend in Kraft treten sollte, um sicherzustellen, dass die Union vorbereitet ist und die Interessen von in der Union niedergelassenen Gegenparteien gestärkt werden, da das Unionsrecht seit dem Ablauf des Übergangszeitraums am 31. Dezember 2020 keine Anwendung mehr im Vereinigten Königreich findet;

1.

erklärt, keine Einwände gegen die Delegierte Verordnung zu erheben;

2.

beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1.

(2)  Delegierte Verordnung (EU) 2015/2205 der Kommission vom 6. August 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Clearingpflicht (ABl. L 314 vom 1.12.2015, S. 13).

(3)  Delegierte Verordnung (EU) 2016/592 der Kommission vom 1. März 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Clearingpflicht (ABl. L 103 vom 19.4.2016, S. 5).

(4)  Delegierte Verordnung (EU) 2016/1178 der Kommission vom 10. Juni 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Clearingpflicht (ABl. L 195 vom 20.7.2016, S. 3).


Mittwoch, 10. Februar 2021

17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/182


P9_TA(2021)0038

Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität ***I

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Aufbau- und Resilienzfazilität (COM(2020)0408 — C9-0150/2020 — 2020/0104(COD))

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

(2021/C 465/25)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2020)0408),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 175 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9-0150/2020),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 16. Juli 2020 (1),

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 14. Oktober 2020 (2),

unter Hinweis auf die vorläufige Einigung, die gemäß Artikel 74 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung von den zuständigen Ausschüssen angenommen wurde, und auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 22. Dezember 2020 gemachte Zusage, den Standpunkt des Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die gemeinsamen Beratungen des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Wirtschaft und Währung gemäß Artikel 58 der Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, des Ausschusses für Verkehr und Tourismus, des Haushaltskontrollausschusses und des Ausschusses für regionale Entwicklung,

unter Hinweis auf den Standpunkt des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter in Form von Änderungsanträgen,

unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für konstitutionelle Fragen,

unter Hinweis auf den Bericht des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A9-0214/2020),

1.

legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.

billigt die dieser Entschließung beigefügte gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission;

3.

billigt die dieser Entschließung beigefügte gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments und der Kommission;

4.

nimmt die dieser Entschließung beigefügten Erklärungen der Kommission zur Kenntnis;

5.

fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

6.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat, der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

(1)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 132.

(2)  ABl. C 440 vom 18.12.2020, S. 160.


P9_TC1-COD(2020)0104

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 10. Februar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2021/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität

(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) 2021/241.)


ANHANG ZUR LEGISLATIVE ENTSCHLIESSUNG

Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission über die Schaffung von Berichtspflichten, mit denen die Ausgabe von Anleihen zur Unterstützung der Umweltziele des Aufbauinstruments der Europäischen Union (NextGenerationEU) ermöglicht werden soll

Die Kommission weist auf die gemeinsamen politischen Ziele des europäischen Grünen Deals hin. In diesem Zusammenhang hebt sie hervor, dass sie vorhat, mindestens 30 % der Mittel, die für das Aufbauinstrument der Europäischen Union an den Kapitalmärkten beschafft werden sollen, durch die Ausgabe von Anleihen zu beschaffen, die zu den Umweltzielen beitragen.

Die drei Organe kommen überein, ernsthaft zu prüfen, ob die Einführung von Bestimmungen zur Schaffung von Berichtspflichten für die Mitgliedstaaten möglich ist, damit dafür gesorgt ist, dass Informationen vorliegen, um den Beitrag der auf den Kapitalmärkten beschafften Mittel zu den Umweltzielen zu bewerten. Zu diesem Zweck wird sich die Kommission darum bemühen, im Verlauf des ersten Quartals des Jahres 2021 einen diesbezüglichen Legislativvorschlag vorzulegen.

Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments und der Kommission über die Erhebung von Daten für wirksame Kontrollen und Prüfungen

Das Europäische Parlament und die Kommission weisen darauf hin, dass wirksame Kontrollen und Prüfungen durchgeführt werden müssen, um Doppelfinanzierung zu vermeiden und Betrug, Korruption und Interessenkonflikte im Zusammenhang mit den von der Aufbau- und Resilienzfazilität geförderten Maßnahmen zu verhindern und aufzudecken sowie einschlägige Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Die beiden Organe halten es für entscheidend, dass die Mitgliedstaaten Daten über die Endempfänger und Begünstigten von Unionsmitteln in einem elektronisch standardisierten und interoperablen Format erheben und aufzeichnen und dabei das gemeinsames Instrument zur Datenauswertung verwenden, das die Kommission zur Verfügung stellen wird.

ZUSÄTZLICHE ERKLÄRUNG DER KOMMISSION ÜBER DIE ERHEBUNG VON DATEN FÜR WIRKSAME KONTROLLEN UND PRÜFUNGEN

Die Kommission verweist auf ihre einseitige Erklärung zu diesem Thema im Rahmen der Dachverordnung, die sinngemäß für Artikel 22 der Verordnung über die Aufbau- und Resilienzfazilität gilt.

Erklärung der Kommission über das Verfahren für die Verfolgung klimabezogener Ausgaben

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass das Verfahren gemäß Anhang VI der Verordnung zur Einrichtung einer Aufbau- und Resilienzfazilität in die Dachverordnung aufgenommen werden sollte, damit für Einheitlichkeit gesorgt ist.


Donnerstag, 11. Februar 2021

17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/185


P9_TA(2021)0046

Märkte für Finanzinstrumente ***I

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU im Hinblick auf die Informationspflichten, die Produktüberwachung und die Positionslimits zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie (COM(2020)0280 — C9-0210/2020 — 2020/0152(COD))

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

(2021/C 465/26)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2020)0280),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 53 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9-0210/2020),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 29. Oktober 2020 (1),

unter Hinweis auf die vorläufige Einigung, die gemäß Artikel 744f Absatz 4 seiner Geschäftsordnung von dem zuständigen Ausschuss angenommen wurde, und auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 16. Dezember 2020 gemachte Zusage, den Standpunkt des Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A9-0208/2020),

1.

legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.

fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat, der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

(1)  ABl. C 10 vom 11.1.2021, S. 30.


P9_TC1-COD(2020)0152

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 11. Februar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie (EU) 2021/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU im Hinblick auf die Informationspflichten, die Produktüberwachung und die Positionslimits sowie der Richtlinien 2013/36/EU und (EU) 2019/878 im Hinblick auf ihre Anwendung auf Wertpapierfirmen, zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Krise

(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Richtlinie (EU) 2021/338.)


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/186


P9_TA(2021)0047

EU-Wiederaufbauprospekt und gezielte Anpassungen für Finanzintermediäre zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie ***I

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 im Hinblick auf den EU-Wiederaufbauprospekt und gezielte Anpassungen für Finanzintermediäre zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie (COM(2020)0281 — C9-0206/2020 — 2020/0155(COD))

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

(2021/C 465/27)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2020)0281),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9-0206/2020),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 29. Oktober 2020 (1),

unter Hinweis auf die vorläufige Einigung, die gemäß Artikel 74 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung vom zuständigen Ausschuss angenommen wurde, und auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 16. Dezember 2020 gemachte Zusage, den Standpunkt des Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A9-0228/2020),

1.

legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.

nimmt die dieser Entschließung beigefügte Erklärung der Kommission zur Kenntnis;

3.

fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

4.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

(1)  ABl. C 10 vom 11.1.2021, S. 30.


P9_TC1-COD(2020)0155

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 11. Februar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2021/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 im Hinblick auf den EU-Wiederaufbauprospekt und gezielte Anpassungen für Finanzintermediäre und der Richtlinie 2004/109/EG im Hinblick auf das einheitliche elektronische Berichtsformat für Jahresfinanzberichte zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Krise

(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) 2021/337.)


ANHANG ZUR LEGISLATIVEN ENTSCHLIESSUNG

Erklärung der Kommission

Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass die politische Einigung in Bezug auf den Vorschlag der Kommission zur Änderung der Prospektverordnung zur Einführung eines EU-Wiederaufbauprospekts eine Änderung der Transparenzrichtlinie enthält, mit der die Verpflichtung zur Erstellung von Finanzberichten unter Verwendung des einheitlichen europäischen elektronischen Formats (ESEF) verschoben wird. Diese Verschiebung war im ursprünglichen Vorschlag der Kommission nicht enthalten. Nach Ansicht der Kommission steht die Verschiebung der Anwendung der Anforderungen des ESEF mit den Grundsätzen der Union für eine bessere Rechtsetzung und dem Initiativrecht der Kommission nicht im Einklang. Er sollte daher keinen Präzedenzfall darstellen. Da die Verschiebung der Anwendung der Anforderungen des ESEF keine wesentliche Änderung der Politik darstellt und darin die schwierigen Umstände zum Ausdruck kommen, mit denen sich die Unternehmen aufgrund der COVID-19-Pandemie konfrontiert sehen, steht die Kommission der Verabschiedung des ESEF nicht im Wege.


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/188


P9_TA(2021)0048

Nutzung von Zeitnischen an Flughäfen der Union: vorübergehenden Entlastung ***I

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates hinsichtlich der vorübergehenden Entlastung von den Vorschriften für die Nutzung von Zeitnischen an Flughäfen der Gemeinschaft aufgrund der COVID-19-Pandemie (COM(2020)0818 — C9-0420/2020 — 2020/0358(COD))

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

(2021/C 465/28)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2020)0818),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 100 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9-0420/2020),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 27. Januar 2021 (1),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

unter Hinweis auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 27. Januar 2021 gemachte Zusage, den Standpunkt des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

gestützt auf die Artikel 59 und 163 seiner Geschäftsordnung,

1.

legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.

fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

(1)  Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.


P9_TC1-COD(2020)0358

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 11. Februar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2021/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates hinsichtlich der vorübergehenden Entlastung von den Vorschriften für die Nutzung von Zeitnischen an Flughäfen der Union aufgrund der COVID-19-Krise

(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) 2021/250.)


17.11.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 465/189


P9_TA(2021)0049

Vorübergehende Maßnahmen hinsichtlich der Gültigkeit von Bescheinigungen und Lizenzen (Omnibus II) ***I

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2021 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung besonderer und vorübergehender Maßnahmen im Hinblick auf die anhaltende COVID-19-Krise hinsichtlich der Erneuerung oder Verlängerung bestimmter Bescheinigungen, Lizenzen und Genehmigungen, der Verschiebung bestimmter regelmäßiger Kontrollen und Weiterbildungen in bestimmten Bereichen des Verkehrsrechts und für die Verlängerung bestimmter in der Verordnung (EU) 2020/698 vorgesehenen Zeiträume (COM(2021)0025 — C9-0004/2021 — 2021/0012(COD))

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

(2021/C 465/29)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2021)0025),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und die Artikel 91 und 100 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9-0004/2021),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 27. Januar 2021 (1),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

unter Hinweis auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 3. Februar 2021 gemachte Zusage, den Standpunkt des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

gestützt auf die Artikel 59 und 163 seiner Geschäftsordnung,

1.

legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.

fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

(1)  ABl. C 123 vom 9.4.2021, S. 37.


P9_TC1-COD(2021)0012

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 11. Februar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2021/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung besonderer und vorübergehender Maßnahmen im Hinblick auf die anhaltende COVID-19-Krise hinsichtlich der Erneuerung oder Verlängerung bestimmter Bescheinigungen, Lizenzen und Genehmigungen, der Verschiebung bestimmter regelmäßiger Kontrollen und Weiterbildungen in bestimmten Bereichen des Verkehrsrechts und für die Verlängerung bestimmter in der Verordnung (EU) 2020/698 vorgesehenen Zeiträume

(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) 2021/267.)