ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 425

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

64. Jahrgang
20. Oktober 2021


Inhalt

Seite

 

 

EUROPÄISCHES PARLAMENT
SITZUNGSPERIODE 2020-2021
Sitzungen vom 23. bis 26. November 2020
ANGENOMMENE TEXTE

1


 

I   Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

 

ENTSCHLIEßUNGEN

 

Europäisches Parlament

 

Mittwoch, 24. November 2020

2021/C 425/01

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 zur Senkung der Obdachlosenquoten in der EU (2020/2802(RSP))

2

2021/C 425/02

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 zum Schengen-System und zu den während der COVID-19-Krise ergriffenen Maßnahmen (2020/2801(RSP))

7

 

Donnerstag, 25. November 2020

2021/C 425/03

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zu dem Thema Auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Binnenmarkt für Unternehmen und Verbraucher (2020/2021(INI))

10

2021/C 425/04

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zur Produktsicherheit im Binnenmarkt (2019/2190(INI))

19

2021/C 425/05

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zu der Stärkung der Medienfreiheit: Schutz von Journalisten in Europa, Hetze, Desinformation und die Rolle von Plattformen (2020/2009(INI))

28

2021/C 425/06

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zu einer neuen Industriestrategie für Europa (2020/2076(INI))

43

2021/C 425/07

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zu den außenpolitischen Konsequenzen der COVID-19-Pandemie (2020/2111(INI))

63

2021/C 425/08

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zu der Verbesserung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit und der Effizienz der Hilfe (2019/2184(INI))

73

 

Freitag, 26. November 2020

2021/C 425/09

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1511 der Kommission vom 16. Oktober 2020 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für die Wirkstoffe Amidosulfuron, Bifenox, Chlortoluron, Clofentezin, Clomazon, Cypermethrin, Daminozid, Deltamethrin, Dicamba, Difenoconazol, Diflufenican, Fenoxaprop-P, Fenpropidin, Fludioxonil, Flufenacet, Fosthiazat, Indoxacarb, Lenacil, MCPA, MCPB, Nicosulfuron, Paraffinöle, Picloram, Prosulfocarb, Schwefel, Triflusulfuron und Tritosulfuron (2020/2853(RSP))

87

2021/C 425/10

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu dem Entwurf einer Durchführungsverordnung der Kommission zur Genehmigung von Carbendazim als alter Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 7 und 10 (D069099/01 — 2020/2852(RSP))

92

2021/C 425/11

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zur Bestandsaufnahme zu den Wahlen zum Europäischen Parlament (2020/2088(INI))

98

2021/C 425/12

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu der Lage der Grundrechte in der Europäischen Union — Jahresbericht für die Jahre 2018 und 2019 (2019/2199(INI))

107

2021/C 425/13

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu der Verschlechterung der Menschenrechtslage in Algerien, insbesondere dem Fall des Journalisten Khaled Drareni (2020/2880(RSP))

126

2021/C 425/14

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zur Lage in Äthiopien (2020/2881(RSP))

132

2021/C 425/15

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu den anhaltenden Menschenrechtsverstößen in Belarus und insbesondere dem Mord an Raman Bandarenka (2020/2882(RSP))

137

2021/C 425/16

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu der Eskalation der Spannungen in Varosia nach dem illegalen Vorgehen der Türkei und zur dringend notwendigen Wiederaufnahme der Gespräche (2020/2844(RSP))

143

2021/C 425/17

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu der De-facto-Abschaffung des Rechts auf Abtreibung in Polen (2020/2876(RSP))

147

2021/C 425/18

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zur Überprüfung der Handelspolitik der EU (2020/2761(RSP))

155

 

STELLUNGNAHMEN

 

Europäisches Parlament

 

Mittwoch, 24. November 2020

2021/C 425/19

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 über den Vorschlag der Ernennung von Julia Laffranque zum Mitglied des durch Artikel 255 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union eingerichteten Ausschusses (2020/2238(INS))

161


 

III   Vorbereitende Rechtsakte

 

Europäisches Parlament

 

Dienstag, 23. November 2020

2021/C 425/20

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. November 2020 zu dem Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (Beweisaufnahme) (Neufassung) (09889/2/2020 — C9-0357/2020 — 2018/0203(COD))

162

2021/C 425/21

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. November 2020 zu dem Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) (Neufassung) (09890/2/2020 — C9-0356/2020 — 2018/0204(COD))

163

 

Mittwoch, 24. November 2020

2021/C 425/22

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 zu der Empfehlung des Rates zur Ernennung eines Mitglieds des Direktoriums der Europäischen Zentralbank N9-0055/2020 — C9-0331/2020 — 2020/0805(NLE))

164

2021/C 425/23

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 über den Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union zwecks Hilfeleistung für Kroatien und Polen im Zusammenhang mit einer Naturkatastrophe und zur Bereitstellung von Vorschusszahlungen für Deutschland, Griechenland, Irland, Kroatien, Portugal, Spanien und Ungarn im Zusammenhang mit einem öffentlichen Gesundheitsnotstand (COM(2020)0960 — C9-0318/2020 — 2020/0299(BUD))

166

2021/C 425/24

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 zu dem Standpunkt des Rates zu dem Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 9/2020 der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2020 für den Vorschlag zur Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union zwecks Hilfeleistung für Kroatien und Polen im Zusammenhang mit einer Naturkatastrophe und zur Bereitstellung von Vorschusszahlungen für Deutschland, Griechenland, Irland, Kroatien, Portugal, Spanien und Ungarn im Zusammenhang mit einem öffentlichen Gesundheitsnotstand (12522/2020 — C9-0341/2020 — 2020/0297(BUD))

168

2021/C 425/25

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 zu dem Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (09573/1/2020 — C9-0355/2020 — 2018/0089(COD))

170

 

Donnerstag, 25. November 2020

2021/C 425/26

Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU im Hinblick auf die Informationspflichten, die Produktüberwachung und die Positionslimits zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie (COM(2020)0280 — C9-0210/2020 — 2020/0152(COD))
Abänderung 9, sofern nicht anders angegeben

171

 

Freitag, 26. November 2020

2021/C 425/27

P9_TA(2020)0324
Anwendung von Zollkontingenten der Union und anderen Einfuhrkontingenten ***I
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung von Zollkontingenten der Union und anderen Einfuhrkontingenten (COM(2020)0375 — C9-0274/2020 — 2020/0176(COD))
P9_TC1-COD(2020)0176
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 26. November 2020 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2020/… des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung von Zollkontingenten der Union und anderen Einfuhrkontingenten

184

2021/C 425/28

P9_TA(2020)0333
Abschaffung von Zöllen auf bestimmte Erzeugnisse ***I
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Abschaffung von Zöllen auf bestimmte Erzeugnisse (COM(2020)0496 — C9-0284/2020 — 2020/0253(COD))
P9_TC1-COD(2020)0253
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 26. November 2020 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2020/… des Europäischen Parlaments und des Rates über die Abschaffung von Zöllen auf bestimmte Waren

185

2021/C 425/29

P9_TA(2020)0334
Allgemeine Ausfuhrgenehmigung der Union für die Ausfuhr bestimmter Güter mit doppeltem Verwendungszweck aus der Union in das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ***I
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates durch die Erteilung einer allgemeinen Ausfuhrgenehmigung der Union für die Ausfuhr bestimmter Güter mit doppeltem Verwendungszweck aus der Union in das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (COM(2020)0692 — C9-0345/2020 — 2020/0313(COD))
P9_TC1-COD(2020)0313
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 26. November 2020 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2020/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Anhangs IIa der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates in Bezug auf die Erteilung einer allgemeinen Ausfuhrgenehmigung der Union für die Ausfuhr bestimmter Güter mit doppeltem Verwendungszweck aus der Union in das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland

186

2021/C 425/30

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu dem Vorschlag für einen Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates in Bezug auf zeitlich befristete Maßnahmen im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer für COVID 19-Impfstoffe und In-vitro-Diagnostika als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie (COM(2020)0688 — C9-0352/2020 — 2020/0311(CNS))

187


Erklärung der benutzten Zeichen

*

Anhörungsverfahren

***

Zustimmungsverfahren

***I

Ordentliches Gesetzgebungsverfahren (erste Lesung)

***II

Ordentliches Gesetzgebungsverfahren (zweite Lesung)

***III

Ordentliches Gesetzgebungsverfahren (dritte Lesung)

(Die Angabe des Verfahrens beruht auf der im Entwurf eines Rechtsakts vorgeschlagenen Rechtsgrundlage.)

Änderungsanträge des Parlaments:

Neue Textteile sind durch Fett- und Kursivdruck gekennzeichnet. Auf Textteile, die entfallen, wird mit dem Symbol ▌hingewiesen oder diese Textteile erscheinen durchgestrichen. Textänderungen werden gekennzeichnet, indem der neue Text in Fett- und Kursivdruck steht und der bisherige Text gelöscht oder durchgestrichen wird.

DE

 


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/1


EUROPÄISCHES PARLAMENT

SITZUNGSPERIODE 2020-2021

Sitzungen vom 23. bis 26. November 2020

ANGENOMMENE TEXTE

 


I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

ENTSCHLIEßUNGEN

Europäisches Parlament

Mittwoch, 24. November 2020

20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/2


P9_TA(2020)0314

Senkung der Obdachlosenquoten in der Europäischen Union

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 zur Senkung der Obdachlosenquoten in der EU (2020/2802(RSP))

(2021/C 425/01)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf die Artikel 2 und 3 des Vertrags über die Europäische Union und die Artikel 4, 9 und 151 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die von den Staats- und Regierungschefs aus aller Welt im September 2015 angenommenen und vom Rat gebilligten Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, insbesondere die Ziele 1, 3, 8 und 11,

unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere Artikel 21 über Nichtdiskriminierung, Artikel 26 über die Integration von Menschen mit Behinderungen und Artikel 34 Absatz 3 über die Anerkennung und Achtung des Rechts auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die Wohnung durch die Union,

unter Hinweis auf die Europäische Sozialcharta, die am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichnet wurde,

unter Hinweis auf die europäische Säule sozialer Rechte, insbesondere deren Grundsatz 19 über Wohnraum und Hilfe für Wohnungslose,

unter Hinweis auf die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer aus dem Jahr 1989,

unter Hinweis auf die länderspezifischen Empfehlungen der EU vom 25. Mai 2018 zum Thema Wohnen in allen 28 Mitgliedstaaten,

unter Hinweis auf die Genfer UN-Charta zu nachhaltigem Wohnen und ihr Ziel der „Sicherstellung des Zugangs zu angemessenem, adäquatem, leistbarem und gesundem Wohnraum für alle“,

unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 10. Juli 2020 zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (1),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2020 zu abgestimmten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen (2),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Oktober 2019 zu der Beschäftigungs- und Sozialpolitik des Euro-Währungsgebiets (3),

unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 4. April 2019 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) (4),

gestützt auf Artikel 227 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass der Petitionsausschuss die Petition Nr. 0546/2020 und mehrere weitere Petitionen erhalten hat, in denen Besorgnis über die Situation von mehr als 4 Millionen obdachlosen Unionsbürgern geäußert wird, und in der Erwägung, dass die Zahl der Obdachlosen in der EU in den letzten 10 Jahren um mehr als 70 % angestiegen sein soll;

B.

in der Erwägung, dass Obdachlosigkeit in direktem Zusammenhang mit Schwierigkeiten steht, andere Grundrechte wie den Zugang zur Gesundheitsversorgung auszuüben, und in der Erwägung, dass Obdachlose häufig Opfer von Hassverbrechen und Gewalt, einschließlich sozialer Stigmatisierung, sind;

C.

in der Erwägung, dass in diesen Petitionen eine Europäische Union gefordert wird, die niemanden zurücklässt und die umgehend und in abgestimmter Weise tätig wird und vorbeugende Maßnahmen beschließt, um das Risiko von Obdachlosigkeit und ihr Ausmaß nachhaltig zu verringern;

D.

in der Erwägung, dass eine Wohnung im Hinblick auf die Hierarchie der menschlichen Bedürfnisse einen Lebensraum bietet und dadurch die Erfüllung anderer grundlegender und höherer Bedürfnisse ermöglicht;

E.

in der Erwägung, dass die Europäische Union soziale Ausgrenzung und Diskriminierung bekämpfen und soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes fördern sollte;

F.

in der Erwägung, dass die Union bei der Festlegung und Durchführung ihrer Strategien und Maßnahmen den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Sicherstellung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung, mit Maßnahmen zur Schaffung von sozialem Wohnraum sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung tragen muss;

G.

in der Erwägung, dass es in der EU keine einheitliche, weithin anerkannte Definition von Obdachlosigkeit und Ausgrenzung auf dem Wohnungsmarkt gibt und es daher schwierig ist, das Ausmaß der Obdachlosigkeit in den EU-Mitgliedstaaten zu ermitteln;

H.

in der Erwägung, dass die Obdachlosenquoten in den letzten zehn Jahren in mehreren Mitgliedstaaten der EU angestiegen sind; in der Erwägung, dass die Ursachen für diesen Anstieg eine Kombination aus steigenden Wohnkosten, den Auswirkungen der Wirtschaftskrise, der Verringerung des Sozialschutzes und unzureichenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit in vielen Mitgliedstaaten sind; in der Erwägung, dass die Preise von Wohnimmobilien im Euro-Währungsgebiet (EZ19) um 5 % und in der EU-27 im zweiten Quartal 2020 um 5,2 % gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres gestiegen sind;

I.

in der Erwägung, dass die EU keine direkte Zuständigkeit für die Wohnungspolitik hat, sie aber indirekt die Wohnverhältnisse in den Mitgliedstaaten durch Regelungen wie Vorschriften über staatliche Beihilfen und steuerrechtliche und wettbewerbsrechtliche Vorschriften sowie durch Maßnahmen wie Empfehlungen und Leitlinien beeinflussen kann;

J.

in der Erwägung, dass der Europäische Sozialfonds eingerichtet wurde, um die Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer im Binnenmarkt zu verbessern und dadurch zur Anhebung des Lebensstandards und zur Erleichterung des Zugangs von Obdachlosen zu Sozialwohnungen beizutragen;

K.

in der Erwägung, dass andere europäische Struktur- und Investitionsfonds wie der EFRE für Wohnungsbauprojekte und für die Befriedigung der Bedürfnisse bedürftiger Gemeinschaften eingesetzt werden;

L.

in der Erwägung, dass mit dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen die Mitgliedstaaten bei der Bereitstellung von Lebensmitteln und/oder grundlegender materieller Unterstützung für die stärksten benachteiligten Personen unterstützt werden;

M.

in der Erwägung, dass in den jüngsten Berichten des Europäischen Semesters Obdachlosigkeit in zunehmendem Maße zur Sprache kommt;

N.

in der Erwägung, dass sich die sozialen Kosten, die sich daraus ergeben, dass Obdachlosigkeit nicht bekämpft wird, besonders in den Bereichen Justiz und Gesundheit niederschlagen;

O.

in der Erwägung, dass sozialpolitische Strategien, die auf breiten allgemeinen Bestimmungen in Verbindung mit angemessen ausgerichteten Maßnahmen beruhen, eine sehr wichtige Rolle bei der Verhinderung von Obdachlosigkeit spielen;

P.

in der Erwägung, dass die gesammelten Belege für die Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die Erschwinglichkeit von Wohnraum in der EU darauf hindeuten, dass sich durch die wirtschaftliche Rezession und den Verlust von Arbeitsplätzen und Einkommen die Überbelastung durch Wohnkosten und die Obdachlosenquoten in Europa mittelfristig weiter erhöhen könnten;

Q.

in der Erwägung, dass sich das Profil der obdachlosen Bevölkerung verändert und nun mehr junge Menschen und Kinder, ältere Menschen, Migranten, Roma und andere benachteiligte Minderheiten umfasst und dass Frauen und Familien zunehmend von Obdachlosigkeit bedroht sind;

R.

in der Erwägung, dass der Zugang zu angemessenem Wohnraum und die Teilhabe an der Gesellschaft entscheidend dafür sind, dass Menschen ihr volles Potenzial entfalten und zur Gesellschaft beitragen können;

S.

in der Erwägung, dass Obdachlosigkeit im Allgemeinen durch ein komplexes Zusammenspiel struktureller, institutioneller und persönlicher Faktoren ausgelöst wird;

T.

in der Erwägung, dass Obdachlosigkeit und Ausgrenzung auf dem Wohnungsmarkt ein soziales Problem darstellen, für das eine dauerhafte Lösung gefunden werden sollte;

U.

in der Erwägung, dass bestimmte Mitgliedstaaten Obdachlosigkeit und mit Obdachlosigkeit in Verbindung gebrachte Verhaltensweisen kriminalisieren;

V.

in der Erwägung, dass Obdachlose in einigen Mitgliedstaaten ununterbrochenen Zugang zu Unterkünften nur während der Winterzeit und nicht kontinuierlich das ganze Jahr hindurch haben;

W.

in der Erwägung, dass die örtlichen Dienste für soziale Sicherheit in einigen Mitgliedstaaten nur eine passive Rolle bei der Unterstützung von Obdachlosen bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft spielen;

1.

ist angesichts dessen, dass durch die anhaltende Gesundheits- und Wirtschaftskrise mehr Menschen arbeitslos und von den Systemen für sozialen Schutz abhängig werden, zutiefst besorgt über die Situation von mehr als 4 Millionen obdachlosen Unionsbürgern;

2.

weist erneut darauf hin, dass der Zugang zu Wohnraum ein Grundrecht aller Menschen ist, und fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, die Obdachlosigkeit in der Union bis 2030 zu beseitigen und dies zu einem Ziel auf EU-Ebene zu erklären; fordert die Kommission auf, entschlossenere Maßnahmen zu ergreifen, um die Mitgliedstaaten bei der Verringerung und Beseitigung der Obdachlosigkeit als einer Priorität im Rahmen des Aktionsplans zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte und im Einklang mit den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung zu unterstützen;

3.

betont, dass Obdachlosigkeit als eine der schwersten Formen von Armut und Entbehrung eingestuft wird, die durch gezielte und integrierte Maßnahmen beseitigt werden muss, die auf nachhaltige Weise durchzuführen sind, indem auf persönliche Risikofaktoren (wie individuelle Anfälligkeiten) und strukturelle Risikofaktoren (wie den Wohnungsmarkt und Arbeitslosigkeit) eingegangen wird;

4.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eine gemeinsame Rahmendefinition und kohärente Indikatoren für Obdachlosigkeit in der EU anzunehmen, die ein gemeinsames Verständnis, einen systematischen Vergleich und eine Bewertung des Ausmaßes der Obdachlosigkeit in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten ermöglichen;

5.

weist erneut darauf hin, dass das Europäische Parlament während der COVID-19-Krise 100 obdachlose Frauen in seinen Räumlichkeiten untergebracht hat;

6.

weist darauf hin, dass die Datenerhebungsmechanismen gestärkt werden müssen, so dass die Obdachlosenquoten auf EU-Ebene von Stellen wie Eurostat systematisch überwacht werden können;

7.

begrüßt die Tätigkeit der Europäischen Plattform zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung, einer der Leitinitiativen der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, die darauf ausgerichtet ist, in dieser Situation Unterstützung zu leisten und Abhilfe zu schaffen;

8.

fordert die Kommission auf, einen EU-Rahmen für nationale Strategien zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit vorzuschlagen, und fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, sich den Grundsatz „Housing First“ zu eigen zu machen, der auf bewährten Verfahren einiger Mitgliedstaaten beruht und mit dem ein erheblicher Beitrag zur Senkung der Obdachlosenquote geleistet wird, indem zielgerichtete Aktionspläne und innovative Ansätze eingeführt werden; stellt fest, dass solche innovativen Ansätze auf dem Konzept beruhen, dass Wohnen ein grundlegendes Menschenrecht ist, wovon ausgehend dann breitere Wege hin zur sozialen und beruflichen Integration entwickelt werden;

9.

begrüßt die Zusage der Kommission, sich weiterhin für die Verringerung der Obdachlosigkeit einzusetzen, indem sie dieses Ziel im Rahmen der einschlägigen Politikbereiche der EU durchgängig berücksichtigt, insbesondere, aber nicht ausschließlich in den Bereichen regionale Entwicklung, Gesundheit, Menschenrechte, Jugend, Gleichstellung, Migration und Integration;

10.

fordert die Mitgliedstaaten auf, ihrer Hauptverantwortung für die Bekämpfung der Obdachlosigkeit nachzukommen, Maßnahmen zur Prävention und für frühzeitiges Eingreifen zu erarbeiten, die bei der Bekämpfung der Obdachlosigkeit in vielerlei Hinsicht am kosteneffizientesten sind und mit denen sich ihre negative Begleiterscheinungen am ehesten eindämmen lassen, und regionalen und lokalen Diensten für soziale Sicherheit eine proaktivere Rolle dabei zuzuweisen, Obdachlosen bei ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu helfen;

11.

betont, dass im Zusammenhang mit der Entwicklung und Umsetzung solcher Strategien die Zusammenarbeit verschiedener Ministerien und Staaten außerordentlich wichtig ist und maßgebliche Interessenträger daran beteiligt werden müssen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, bewährte Verfahren untereinander auszutauschen;

12.

fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, die Erhebung einschlägiger und vergleichbarer Daten unter Einbeziehung akkreditierter nichtstaatlicher Organisationen und lokaler Behörden zu verbessern, die im Bereich der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung tätig sind und Dienstleistungen für von Obdachlosigkeit bedrohte oder betroffene Personen anbieten;

13.

unterstützt die Tätigkeit des Ausschusses für Sozialschutz (SPC), in dem die Mitgliedstaaten gemeinsam mit der Kommission im Rahmen der offenen Koordinierungsmethode mit Obdachlosigkeit im Zusammenhang stehende Fragen behandeln;

14.

fordert die Kommission auf, die Überwachung und Verwaltung zu verbessern und weiterhin zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit Finanzmittel zu mobilisieren und EU-Maßnahmen zu veranlassen; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Regionen und lokalen Behörden die EFRE-Mittel für sozialen Wohnungsbau nutzen;

15.

fordert die Mitgliedstaaten auf, für einen gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, Bildung und Sozialleistungen zu sorgen;

16.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die Integration von Obdachlosen in den Arbeitsmarkt durch spezialisierte und individualisierte Unterstützungsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Beruf und familiären Verpflichtungen, durch integrierte Beschäftigungsprogramme und Schulungen sowie durch andere maßgeschneiderte und gezielte Programme zur Erleichterung ihrer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass mit der überarbeiteten Jugendgarantie ein Beitrag zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit junger Menschen geleistet wird;

17.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die europäische Säule sozialer Rechte ordnungsgemäß umzusetzen, in der die während des Konsultationszeitraums zum Grundsatz 19 eingegangenen Beiträge dadurch berücksichtigt wurden, dass „Wohnraum und Hilfe für Wohnungslose“ in den zugehörigen Aktionsplan für 2021 aufgenommen wurde, und besteht darauf, dass das Europäische Semester besser genutzt wird, um Fortschritte bei der Bekämpfung der Obdachlosigkeit und der Ausgrenzung auf dem Wohnungsmarkt zu erzielen;

18.

betont, dass Obdachlose und andere Menschen in prekären Wohnverhältnissen durch die COVID-19-Krise besonders gefährdet sind; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, gezielte Maßnahmen zum Schutz von Obdachlosen umzusetzen, akkreditierte nichtstaatliche Organisationen und öffentlich-private Partnerschaften finanziell zu unterstützen und die lokalen Behörden bei der Bereitstellung sicherer Orte und der Verhinderung von Zwangsräumungen zu unterstützen;

19.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die bestehenden Instrumente sowie die Instrumente im Rahmen des MFR 2021–2027 und der Aufbau- und Resilienzfazilität zu nutzen, um die Beschäftigungsmöglichkeiten und die soziale Integration von von Arbeitslosigkeit betroffenen Haushalten zu verbessern;

20.

fordert die Mitgliedstaaten auf, das Problem der Obdachlosigkeit dringend anzugehen, indem sie langfristige, gemeinschaftsbasierte, auf die Bereitstellung von Wohnraum ausgerichtete, integrierte nationale Strategien zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit verabschieden, was durch das Sozialinvestitionspaket der EU gefördert wird;

21.

fordert den Rat auf, regelmäßig über die in diesem Bereich erzielten Ergebnisse Bericht zu erstatten;

22.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die gesellschaftliche Beteiligung aller Interessenträger an integrierten Strategien zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit zu fördern sowie soziales Unternehmertum und Aktivitäten im Bereich der Selbstinnovation zu fördern, um die aktive Inklusion von Obdachlosen zu verbessern;

23.

fordert die Mitgliedstaaten auf, Obdachlosigkeit zu entkriminalisieren;

24.

fordert die Mitgliedstaaten auf, auf ihrem gesamten Territorium ständig und kontinuierlich Zugang zu Notunterkünften zu gewähren; betont jedoch, dass derartige Angebote immer nur befristete Lösungen sein sollten und keine Alternative zu strukturellen Lösungen wie der Prävention und Bereitstellung von angemessenem Wohnraum und sozialer Unterstützung als Reaktion auf Obdachlosigkeit sind;

25.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0194.

(2)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0054.

(3)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0033.

(4)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0350.


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/7


P9_TA(2020)0315

Das Schengen-System und die während der COVID-19-Krise ergriffenen Maßnahmen

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 zum Schengen-System und zu den während der COVID-19-Krise ergriffenen Maßnahmen (2020/2801(RSP))

(2021/C 425/02)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Petition Nr. 0653/2020,

gestützt auf Artikel 21 Absatz 1 und Artikel 67 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf das Protokoll des Vertrags von Amsterdam zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union (1),

gestützt auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (2),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 30. März 2020 mit dem Titel: „Leitlinien zur Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte während des COVID-19-Ausbruchs“ (C(2020)2051),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 16. Juli 2020 mit dem Titel: „Leitlinien für Saisonarbeitnehmer in der EU im Zusammenhang mit dem COVID-19-Ausbruch“ (C(2020)4813),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 13. Mai 2020 mit dem Titel: „COVID-19 — Hin zu einem abgestuften und koordinierten Vorgehen zur Wiederherstellung der Freizügigkeit und zur Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen“ (C(2020)3250),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2020 zu abgestimmten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen (3) und seine Entschließung vom 19. Juni 2020 zur Lage im Schengen-Raum nach dem Ausbruch von COVID-19 (4),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Juni 2020 zum europäischen Schutz von Grenzgängern und Saisonarbeitskräften im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise (5);

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. September 2020 mit dem Titel: „COVID-19: EU-weite Koordinierung von medizinischen Beurteilungen und Risikoeinstufungen und die Folgen für den Schengen-Raum und den Binnenmarkt“ (6),

unter Hinweis auf die Empfehlung (EU) 2020/1475 des Rates vom 13. Oktober 2020 für eine koordinierte Vorgehensweise bei der Beschränkung der Freizügigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie (7),

unter Hinweis auf die Beratungen zur Petition Nr. 0653/2020 in der Sitzung des Petitionsausschusses vom 2. Juli 2020,

gestützt auf Artikel 227 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass der Petitionsausschuss die Petition Nr. 0653/2020 von Vertretern der belgischen, deutschen, niederländischen und luxemburgischen Grenzregionen erhalten hat, in der diese ihre Bedenken wegen der plötzlichen Schließung der EU-Binnengrenzen als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie und wegen der Folgen der Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten für die Menschen in der EU, insbesondere diejenigen, die in Grenzregionen leben, äußern;

B.

in der Erwägung, dass Grenzregionen 40 % des Hoheitsgebiets der Europäischen Union mit 30 % der EU-Bevölkerung ausmachen;

C.

in der Erwägung, dass der Schengen-Besitzstand von entscheidender Bedeutung dafür ist, dass die Grenzregionen zu Orten des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Austauschs sowie zu Modellregionen für territoriale Zusammenarbeit und institutionelle Innovationen werden;

D.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt und sich auf die Gesundheit und das Leben aller in der EU lebenden Menschen sowie die Gesundheits- und Pflegesysteme der Mitgliedstaaten auswirkt;

E.

in der Erwägung, dass die meisten Mitgliedstaaten als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie wieder Kontrollen an den Binnengrenzen eingeführt oder die Grenzen geschlossen haben; in der Erwägung, dass vorübergehende Einreisebeschränkungen in den Schengen-Raum für Drittländer, aber auch für EU-Mitgliedstaaten eingeführt wurden und weiterhin gelten; stellt fest, dass diese Maßnahmen weder zwischen den Mitgliedstaaten noch mit den EU-Organen abgestimmt wurden;

F.

in der Erwägung, dass es mehr als 17 Millionen EU-Bürger gibt, die in einem anderen EU-Land als dem ihrer Staatsangehörigkeit leben und arbeiten (3,9 % der gesamten Erwerbsbevölkerung im Jahr 2018);

G.

in der Erwägung, dass gemäß dem Schengener Grenzkodex Kontrollen an den Binnengrenzen von den Mitgliedstaaten ausnahmsweise und als letztes Mittel im Falle einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit eingeführt werden können und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren müssen; in der Erwägung, dass dies in dem Fall anderen Mitgliedstaaten und der Kommission gemeldet werden muss;

1.

betont, dass ein Raum ohne Binnengrenzen ein wichtiger Bestandteil des europäischen Binnenmarkts ist; weist erneut darauf hin, dass die COVID-19-Pandemie eine Krise ausgelöst hat, wie es sie in Europa seit der Schaffung des Schengen-Raums noch nicht gegeben hat;

2.

betont, dass die Freizügigkeit einer der Eckpfeiler einer funktionierenden Europäischen Union und eine ihrer größten Errungenschaften ist; weist auf die zunehmende Mobilität in der EU zu Zwecken des dauerhaften Aufenthalts, der Arbeit, des Studiums oder einer Geschäftstätigkeit hin;

3.

betont, dass die Freizügigkeit durch die vollständige oder teilweise Schließung der Grenzen durch die Mitgliedstaaten während der COVID-19-Pandemie gravierend beeinträchtigt wurde; bedauert, dass durch die übereilte und unkoordinierte plötzliche Schließung der Grenzen und die Einführung flankierender Maßnahmen Menschen auf der Durchreise im Ausland festsaßen und alle in Grenzregionen lebenden Menschen davon schwer getroffen wurden, da ihre Möglichkeit, die Grenze zu Arbeitszwecken zu überqueren, Dienstleistungen jenseits der Grenze zu erbringen bzw. in Anspruch zu nehmen oder Freunde bzw. Familienangehörige dort zu besuchen, eingeschränkt wurde; betont, dass sich die Schließung der Binnen- und Außengrenzen nachteilig auf den internationalen Handel, wissenschaftlichen Austausch und Tourismus auswirkt; betont, dass die Mitgliedstaaten anstelle der Einführung von Grenzkontrollen bestrebt sein sollten, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen den Grenzverkehr zu ermöglichen und gleichzeitig für ein Höchstmaß an Sicherheit und Gesundheitsschutz zu sorgen;

4.

betont, dass die Vorschriften des Schengen-Besitzstands eingehalten werden müssen, um Maßnahmen im Schengen-Raum und insbesondere in den Grenzregionen besser aufeinander abstimmen und einen Flickenteppich an Regelungen der Mitgliedstaaten verhindern zu können; betont, dass Maßnahmen zur Beschränkung der Freizügigkeit eine Ausnahme bleiben sollten; betont, dass Beschränkungen der Freizügigkeit durch gezielte Maßnahmen im Einklang mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Nichtdiskriminierung ersetzt werden sollten; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Beschränkungen abzumildern; weist erneut darauf hin, wie wichtig die Widerherstellung eines voll funktionsfähigen Schengen-Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen ist;

5.

stellt fest, dass die von der Pandemie am stärksten betroffenen Gebiete nicht immer mit den nationalen Grenzen zusammenfallen, weshalb die Beschränkungen der Freizügigkeit gemäß der Gesundheitslage in den jeweiligen Regionen verhängt werden sowie flexibel und örtlich begrenzt sein sollten;

6.

begrüßt die Bemühungen der Kommission und der Mitgliedstaaten, die laufenden koordinierten EU-Maßnahmen zur Gewährleistung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit bei gleichzeitiger Wahrung der Freizügigkeit zu unterstützen; ruft die Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten dazu auf, die Maßnahmen der übergreifenden Koordinierung auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse weiter zu verbessern und vollständig umzusetzen, und zwar insbesondere in Bezug auf Quarantänevorschriften, die grenzüberschreitende Ermittlung von Kontakten mit Infizierten, Teststrategien, die gemeinsame Bewertung von Testverfahren, die gegenseitige Anerkennung von Tests und die vorübergehende Beschränkung nicht unbedingt notwendiger Reisen in die EU; ist der Ansicht, dass umfassende, angemessene und eindeutige Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit für Personen, die Binnengrenzen überschreiten, ergriffen werden sollten, damit es nicht zu einer Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen kommt;

7.

begrüßt, dass die Kommission im Rahmen der laufenden Koordinierung der gemeinsamen Reaktion der EU auf den Ausbruch der COVID-19-Pandemie fortlaufend Orientierungshilfe bietet, insbesondere in Bezug auf die Umsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung und die Ausübung der uneingeschränkten und von Fairness gekennzeichneten Mobilität von Arbeitnehmern und Dienstleistungen;

8.

fordert die Kommission auf, ihre Bemühungen zur Verbesserung und Unterstützung der EU-weiten Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen und mit den Mitgliedstaaten fortzusetzen, solange die Pandemie andauert;

9.

ist der Auffassung, dass Instrumente wie mobile Anwendungen zur Rückverfolgung von Kontakten mit COVID-19-Infizierten grenzübergreifend kompatibel sein sollten, damit sie wirksam sind und Infektionen, zu denen es im Reiseverkehr kommt, damit aufgespürt werden können; betont, dass die in der EU lebenden Menschen leichten Zugang zu verlässlichen und umfassenden Informationen in Echtzeit über Reisebeschränkungen sowie Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemie in der gesamten EU haben sollten; weist erneut darauf hin, wie wichtig eine mehrsprachige Kommunikation über die Pandemie mit einem besondere Augenmerk auf den in den Grenzregionen verwendeten Sprachen ist; fordert die Kommission auf, die Website „Re-open EU“ entsprechend zu aktualisieren, um eine echte zentrale Anlaufstelle zu schaffen, mit der die Freizügigkeit während der Pandemie erleichtert und den in der EU lebenden Menschen wirksam geholfen wird, ihre gewohnte Lebensweise wiederaufnehmen zu können;

10.

bringt seine Besorgnis über die zahlreichen Hindernisse zum Ausdruck, mit denen viele Grenzgänger, Studenten und zusammenlebende Ehepartner unterschiedlicher Staatsangehörigkeit aufgrund der Schließung von Grenzen oder Reisebeschränkungen konfrontiert sind; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Besonderheiten grenzübergreifender Regionen spezielle Aufmerksamkeit zu widmen, in denen grenzüberschreitender Pendelverkehr üblich ist; schlägt in diesem Zusammenhang vor, dass die Bewohner von Grenzregionen und Grenzgänger von pandemiebezogenen Maßnahmen und Einschränkungen ausgenommen und gleichzeitig verpflichtet werden sollten, die Empfehlungen und Maßnahmen der Gesundheitsbehörden der jeweiligen Mitgliedstaaten zu beachten, die dazu dienen, die Ausbreitung des Virus zu verhindern;

11.

ist der Ansicht, dass eine rasche Rückkehr zu einem voll funktionsfähigen Schengen-Raum von größter Bedeutung ist und sowohl vom politischen Willen der Mitgliedstaaten als auch von ihrer Verpflichtung zur Koordinierung der Maßnahmen im Rahmen des Schengen-Besitzstands abhängt; weist erneut darauf hin, dass man von nicht abgestimmten und bilateralen Maßnahmen absehen sollte, die zu unnötigen Einschränkungen der Mobilität und der Freizügigkeit führen könnten; stellt fest, dass eine Strategie für die Zukunft des Schengen-Systems eine der wichtigsten Initiativen der Kommission für das Jahr 2021 ist; erinnert daran, dass die Vollendung der Schengen-Integration mehr als wünschenswert ist, da dann alle EU-Bürger gleichermaßen vom Besitzstand der EU profitieren können; fordert die Mitgliedstaaten erneut auf, so rasch wie möglich Notfallpläne für den Fall einer erneuten rasanten Verbreitung des COVID-19-Virus auszuarbeiten, damit die vorübergehenden Grenzkontrollen über kurz oder lang nicht quasi zu einem dauerhaften Zustand werden;

12.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  ABl. C 340 vom 10.11.1997, S. 93.

(2)  ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1.

(3)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0054.

(4)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0175.

(5)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0176.

(6)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0240.

(7)  ABl. L 337 vom 14.10.2020, S. 3.


Donnerstag, 25. November 2020

20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/10


P9_TA(2020)0318

Auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Binnenmarkt für Unternehmen und Verbraucher

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zu dem Thema „Auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Binnenmarkt für Unternehmen und Verbraucher“ (2020/2021(INI))

(2021/C 425/03)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf Artikel 114,

unter Hinweis auf die Artikel 169, 191, 192 und 193 AEUV,

unter Hinweis auf die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern, (1)

unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (2),

unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs (3),

unter Hinweis auf den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juni 2018 zur Aufstellung des Programms über den Binnenmarkt, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, einschließlich der kleinen und mittleren Unternehmen, und die europäischen Statistiken (COM(2018)0441),

unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten (4),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. Dezember 2019 mit dem Titel „Der europäische Grüne Deal“ (COM(2019)0640),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2020 mit dem Titel „Eine europäische Datenstrategie“ (COM(2020)0066),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. März 2020 mit dem Titel „Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft — Für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa“ (COM(2020)0098),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Juli 2017 zum Thema „Längere Lebensdauer für Produkte: Vorteile für Verbraucher und Unternehmen“ (5),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. September 2018 zu dem Thema „Umsetzung des Pakets zur Kreislaufwirtschaft: Optionen zur Regelung der Schnittstelle zwischen Chemikalien-, Produkt- und Abfallrecht“ (6),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2020 zu dem Thema „Der europäische Grüne Deal“ (7),

unter Hinweis auf die Veröffentlichung der Kommission vom Oktober 2018 mit dem Titel „Behavioural Study on Consumers’ Engagement in the Circular Economy“,

unter Hinweis auf den Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle von 2019 mit dem Titel „Analysis and development of a scoring system for repair and upgrade of products“,

unter Hinweis auf den Bericht der Europäischen Umweltagentur vom 4. Dezember 2019 mit dem Titel „Die Umwelt in Europa — Zustand und Ausblick 2020“,

unter Hinweis auf die im März 2020 im Auftrag seines Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz erstellte Studie mit dem Titel „Promoting product longevity“,

unter Hinweis auf die im April 2020 im Auftrag seines Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz erstellte eingehende Analyse mit dem Titel „Sustainable Consumption and Consumer Protection Legislation“,

unter Hinweis auf den Bericht des Europäischen Verbraucherverbands (BEUC) vom 18. August 2015 mit dem Titel „Durable goods: More sustainable products, better consumer rights — Consumer expectations from the EU’s ressource efficiency and circular economy agenda“,

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (A9-0209/2020),

A.

in der Erwägung, dass es angesichts knapper werdender natürlicher Ressourcen und steigender Abfallmengen unbedingt erforderlich ist, nachhaltige Produktions- und Konsummuster zu entwickeln, die den Grenzen des Planeten Rechnung tragen, wobei der Schwerpunkt auf einer effektiveren und nachhaltigeren Nutzung der Ressourcen liegen muss;

B.

in der Erwägung, dass die durch die COVID-19-Pandemie verursachte Krise gezeigt hat, dass neue und widerstandsfähigere Geschäftsmodelle geschaffen und europäische Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Kleinstunternehmen und Selbstständige, unterstützt werden müssen;

C.

in der Erwägung, dass ein nachhaltiger Binnenmarkt die Forderung des Parlaments (8) nach der Annahme eines ehrgeizigen europäischen Grünen Deals widerspiegeln muss; in der Erwägung, dass daher unbedingt eine forschungsbasierte Strategie entwickelt werden muss, um die Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten zu verbessern; in der Erwägung, dass diese Strategie Arbeitsplätze, Wachstum und Innovationsmöglichkeiten für europäische Unternehmen schaffen, ihre globale Wettbewerbsfähigkeit fördern und ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellen sollte;

D.

in der Erwägung, dass eine gemeinsame und umfassende Strategie nicht mit einem Einheitskonzept gleichgesetzt werden kann; in der Erwägung, dass ein differenzierter Ansatz, der auf den Besonderheiten der einzelnen Produktkategorien und Branchen sowie auf den Marktentwicklungen und den technologischen Entwicklungen beruht, sinnvoller wäre; in der Erwägung, dass die wirksame Umsetzung und Durchsetzung bestehender Vorschriften für einen gut funktionierenden und nachhaltigen Binnenmarkt von grundlegender Bedeutung ist;

E.

in der Erwägung, dass es von wesentlicher Bedeutung ist, im Hinblick auf einen Übergang zur Klimaneutralität und zur Kreislaufwirtschaft über Finanzierungsprogramme wie das Binnenmarktprogramm ausreichende Finanzmittel zu mobilisieren, um Forschung und Entwicklung im Bereich nachhaltiger Produkte sowie Sensibilisierungskampagnen für Unternehmen und Verbraucher zu finanzieren;

F.

in der Erwägung, dass die Verbraucher bereit sind, sich für die Kreislaufwirtschaft einzusetzen, und dass gemäß der Verhaltensstudie der Kommission aus dem Jahr 2018 die Wahrscheinlichkeit, dass sie Produkte kaufen, die als langlebiger und reparierbar gekennzeichnet sind, dreimal größer ist, dass aber nach wie vor Hindernisse bestehen, darunter Informationsasymmetrie; in der Erwägung, dass klare, zuverlässige und transparente Informationen über die Merkmale eines Produkts, einschließlich der geschätzten Lebensdauer und der Reparierbarkeit, erforderlich sind, um die Verbraucher zu sensibilisieren und einen fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen sicherzustellen; in der Erwägung, dass die vorhandenen Informationen daher verbessert werden müssen, wobei eine Informationsflut zu vermeiden ist;

G.

in der Erwägung, dass die Lebensdauer und das Alterungsverhalten eines Produktes von verschiedenen natürlichen und künstlichen Faktoren abhängen, etwa von der Zusammensetzung, der Funktionalität, den Reparaturkosten, den Verbrauchsgewohnheiten und der Nutzung; in der Erwägung, dass die geschätzte Lebensdauer eines Produkts anhand objektiver Tests und Kriterien bestimmt werden muss, die die realen Nutzungsbedingungen widerspiegeln, und vor dem Inverkehrbringen des Produkts ermittelt werden muss;

H.

in der Erwägung, dass die Richtlinie (EU) 2019/771 bis 2024 überprüft werden soll; in der Erwägung, dass zur Vorbereitung auf diese Überprüfung eine Reihe von Maßnahmen geprüft werden sollten, die darauf abzielen, die richtigen Bedingungen für die Steigerung der Haltbarkeit von Produkten zu schaffen und ein hohes Verbraucherschutzniveau sowie ein wettbewerbsorientiertes Unternehmensumfeld sicherzustellen; in der Erwägung, dass der gesetzliche Garantiezeitraum von zwei Jahren möglicherweise nicht für alle Produktkategorien mit einer höheren geschätzten Lebensdauer angemessen ist;

I.

in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in einer früheren Entschließung (9) Maßnahmen gefordert hat, um das Problem der geplanten Obsoleszenz von Waren und Software zu lösen, einschließlich der Entwicklung einer einheitlichen Definition für Tests und der Aufdeckung problematischer Praktiken; in der Erwägung, dass eine gemeinsame Strategie für den Binnenmarkt entwickelt werden muss und für Rechtssicherheit und Vertrauen sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher gesorgt werden muss;

J.

in der Erwägung, dass die Lebensdauer von Software für die Lebensdauer elektronischer Geräte von entscheidender Bedeutung ist; in der Erwägung, dass elektronische Geräte angesichts der Tatsache, dass Software immer schneller obsolet wird, unbedingt anpassbar sein müssen, damit sie auf dem Markt wettbewerbsfähig bleiben (10);

K.

in der Erwägung, dass 79 % der Bürger Europas der Ansicht sind, dass Hersteller verpflichtet sein sollten, die Reparatur von digitalen Geräten oder den Austausch ihrer Einzelteile einfacher zu gestalten (11); in der Erwägung, dass hochwertige Produkte die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen stärken;

L.

in der Erwägung, dass eine im Dezember 2015 durchgeführte Untersuchung (12) ergab, dass 59 % der Verbraucher nicht wussten, dass der gesetzliche Garantiezeitraum in der EU mindestens zwei Jahre beträgt; in der Erwägung, dass das Wissen der Verbraucher über die umfassenden Rechte in Bezug auf die gesetzliche Garantie verbessert werden könnte und eine solche Verbesserung zu einer nachhaltigeren Nutzung von Produkten beitragen würde;

M.

in der Erwägung, dass die Zunahme des elektronischen Handels eine bessere Kontrolle der Einhaltung der Umwelt- und Sicherheitsstandards sowie der Verbraucherrechte der EU bei Waren und Dienstleistungen aus Drittländern erforderlich macht;

N.

in der Erwägung, dass ein nachhaltiger Binnenmarkt eine wirksame Marktüberwachung erfordert, um die ordnungsgemäße Durchsetzung dieser Vorschriften zu gewährleisten, wobei die Marktüberwachungs- und die Zollbehörden eine Schlüsselrolle spielen;

O.

in der Erwägung, dass die Förderung einer Kultur des Reparierens und Wiederverwendens und die Stärkung des Vertrauens in den Gebrauchtwarenmarkt wirtschaftliche und soziale Chancen eröffnen, Arbeitsplätze schaffen und unter bestimmten Umständen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie verbessern könnte; in der Erwägung, dass die Verbraucher in bestimmten Fällen durch Hindernisse wie z. B. fehlenden Zugang zu Ersatzteilen, fehlende Standardisierung und Interoperabilität sowie mangelnde Verfügbarkeit von Reparaturdiensten daran gehindert werden, sich für Reparaturen zu entscheiden; in der Erwägung, dass dies negative Auswirkungen auf den Markt für Instandhaltung und Reparaturen hat;

P.

in der Erwägung, dass einem Eurobarometer-Bericht (13) zufolge 77 % der EU-Bürger ihre Geräte lieber reparieren als ersetzen würden; in der Erwägung, dass Reparaturbetriebe eine Quelle lokaler Arbeitsplätze und spezifischen Know-hows in Europa sein könnten;

Q.

in der Erwägung, dass die Verlängerung der Lebensdauer eines Produkttyps, dessen Umwelteffizienz gerade wesentlich verbessert wird, gegen die Einführung dieser verbesserten Produkte abgewogen werden sollte und daher nicht zu Verzögerungen bei der Einführung innovativer Technologien führen sollte, die zu erheblichen ökologischen Vorteilen führen könnten;

R.

in der Erwägung, dass die zunehmende Digitalisierung unseren Gesellschaften neue Kanäle für den Informationsaustausch bietet und dazu beiträgt, einen nachhaltigen Markt auf der Grundlage von Verantwortung, Transparenz, Informationsaustausch und wirksamerer Ressourcennutzung zu schaffen;

S.

in der Erwägung, dass Online-Plattformen ihrer Verpflichtung, den Verbrauchern zuverlässige Informationen über die von ihnen angebotenen Produkte und Dienstleistungen zu liefern, besser gerecht werden könnten;

T.

in der Erwägung, dass der digitale Sektor zu Innovation und zur Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft beiträgt; in der Erwägung, dass die Auswirkungen seiner Infrastruktur auf die Umwelt in Bezug auf den Energie- und Ressourcenverbrauch in Angriff genommen werden sollten; in der Erwägung, dass nachhaltigere Verpackungen und Liefermöglichkeiten für den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft von entscheidender Bedeutung sind;

U.

in der Erwägung, dass eine umweltgerechte und nachhaltige Vergabe öffentlicher Aufträge ein strategisches Instrument ist, das zusammen mit anderen wichtigen politischen Strategien zum industriellen Wandel in Europa beitragen und seine Widerstandsfähigkeit und offene strategische Autonomie stärken kann; in der Erwägung, dass die strategische Nutzung einer nachhaltigen Vergabe öffentlicher Aufträge sowohl den Unternehmen als auch den Verbrauchern zugutekommen kann, zumal sie die Nachfrage nach und das Angebot an nachhaltigen Waren ankurbelt und diese Produkte kosteneffizient und für die Verbraucher attraktiv macht;

V.

in der Erwägung, dass mit wirksamen Methoden gegen irreführende Umweltaussagen und Grünfärberei vorgegangen werden muss, wobei unter anderem darauf eingegangen werden muss, wie solche Aussagen untermauert werden können;

W.

in der Erwägung, dass sich Werbung auf das Verbrauchsniveau und die Verbrauchsmuster auswirkt; in der Erwägung, dass Werbung Unternehmen und Verbrauchern dabei helfen könnte, fundierte nachhaltige Entscheidungen zu treffen;

1.

begrüßt den neuen Aktionsplan der Kommission für die Kreislaufwirtschaft und das erklärte Bestreben, langlebige Produkte zu fördern, die leichter zu reparieren, wiederzuverwenden und zu recyceln sind, und zugleich die Verbraucher bei diesem Übergang zu unterstützen;

2.

betont, dass jede nachhaltige Binnenmarktstrategie die Grundsätze der Nachhaltigkeit, des Verbraucherschutzes und einer in hohem Maße wettbewerbsorientierten sozialen Marktwirtschaft auf faire, ausgewogene und verhältnismäßige Weise miteinander verbinden sollte; betont, dass mögliche Regulierungsmaßnahmen auf diesen Grundsätzen beruhen, ökologisch kosteneffizient sein und sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher von Nutzen sein sollten, damit diese sich den ökologischen Wandel im Binnenmarkt zu eigen machen können; betont, dass Regulierungsmaßnahmen den europäischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen, ihnen keine unverhältnismäßige finanzielle Belastung auferlegen, Innovationen auslösen, Investitionen in nachhaltige Technologien fördern und die europäische Wettbewerbsfähigkeit und letztlich den Verbraucherschutz stärken sollten; weist darauf hin, dass alle geplanten Regulierungsmaßnahmen mit Folgenabschätzungen einhergehen und stets den Marktentwicklungen und den Bedürfnissen der Verbraucher Rechnung tragen sollten;

3.

fordert die Kommission auf, bei der Konzeption, Annahme und Umsetzung der einschlägigen anstehenden Vorschläge, wie etwa bezüglich der „Stärkung der Position der Verbraucher im ökologischen Wandel“ und einer Initiative für eine nachhaltige Produktpolitik, die uneingeschränkt auf die Klimaziele der EU und andere Umweltziele abgestimmt sein sollten, starken politischen Ehrgeiz unter Beweis zu stellen, um die Kreislauforientierung der Wertschöpfungsketten, die Ressourceneffizienz und die Nutzung von Sekundärrohstoffen zu verbessern, die Abfallerzeugung zu minimieren und eine schadstofffreie Kreislaufwirtschaft zu erreichen; betont, wie wichtig es ist, dass die bestehenden Verpflichtungen und Standards rechtzeitig umgesetzt und eingehalten werden; fordert die Kommission nachdrücklich auf, sie nicht weiter aufzuschieben;

4.

betont, dass ein gut funktionierender Binnenmarkt ein schlagkräftiges Instrument für den ökologischen und digitalen Wandel der EU ist, auch im Hinblick auf ihre Rolle in einer globalisierten Wirtschaft; betont, dass die Vollendung und Vertiefung des Binnenmarkts, unter anderem durch die wirksame Durchsetzung bestehender Rechtsvorschriften und die Beseitigung der verbleibenden ungerechtfertigten und unverhältnismäßigen Hindernisse, eine Voraussetzung für nachhaltigere Produktion und nachhaltigeren Verbrauch in der EU ist; fordert eine transparente Steuerung des Binnenmarkts sowie eine wirksamere und bessere Überwachung; ist der Ansicht, dass der Rechtsrahmen für einen nachhaltigeren Binnenmarkt Innovationen und die Entwicklung nachhaltiger Technologien fördern, Unternehmen Anreize für den Übergang zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen bieten und somit zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Erholung beitragen sollte;

5.

weist darauf hin, dass nachhaltiger Verbrauch mit nachhaltiger Produktion einhergeht und dass die Wirtschaftsakteure angeregt werden sollten, die Langlebigkeit von Produkten und Dienstleistungen von der Entwurfsphase bis zum Zeitpunkt ihres Inverkehrbringens oder ihrer Bereitstellung auf dem Binnenmarkt zu berücksichtigen, um eine sichere, nachhaltige, kosteneffiziente und attraktive Auswahl für die Verbraucher sicherzustellen; fordert die Kommission auf, Maßnahmen vorzuschlagen, mit denen zwischen Produktkategorien und Sektoren mit erheblichen Umweltauswirkungen unterschieden wird, um die Haltbarkeit der Produkte, einschließlich ihrer geschätzten Lebensdauer, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit, zu verbessern;

Verbraucherrechte und Vorgehen gegen geplante Obsoleszenz

6.

fordert die Kommission auf, in Absprache mit den einschlägigen Interessenträgern eine breit angelegte Strategie mit Maßnahmen zu entwickeln, bei denen zwischen Produktkategorien unterschieden und Markt- und Technologieentwicklungen Rechnung getragen wird, um Unternehmen und Verbraucher zu unterstützen und nachhaltige Produktions- und Verbrauchsmuster zu entwickeln; stellt fest, dass diese Strategie Maßnahmen umfassen sollte, um:

a)

festzulegen, welche vorvertraglichen Informationen über die geschätzte Lebensdauer (ausgedrückt in Jahren und/oder Nutzungszyklen und vor dem Inverkehrbringen des Produkts anhand einer objektiven und standardisierten Methodik auf der Grundlage von — neben anderen Faktoren — realen Nutzungsbedingungen und Unterschieden in Bezug auf die Intensität der Nutzung und natürliche Faktoren zu ermitteln) und die Reparierbarkeit eines Produkts bereitgestellt werden müssen, wobei zu berücksichtigen ist, dass diese Informationen auf klare und verständliche Weise bereitgestellt werden sollten, damit die Verbraucher nicht irregeführt oder mit Informationen überlastet werden, und diese zu „wesentlichen Eigenschaften“ eines Gutes im Sinne der Richtlinien 2011/83/EU und 2005/29/EG zu erklären,

b)

eine obligatorische Kennzeichnung zu entwickeln und einzuführen, um den Verbrauchern zum Zeitpunkt des Kaufs klare, sofort sichtbare und leicht verständliche Informationen über die geschätzte Lebensdauer und Reparierbarkeit eines Produkts zu geben; betont, dass ein solches Kennzeichnungssystem unter Einbeziehung aller einschlägigen Interessenträger entwickelt werden sollte und dass harmonisierte, forschungsbasierte und transparente Standards im Anschluss an Folgenabschätzungen, die die Relevanz, Verhältnismäßigkeit und Wirksamkeit bei der Verringerung negativer Umweltauswirkungen und beim Schutz der Verbraucher belegen, die Grundlage bilden müssen; ist der Ansicht, dass diese Kennzeichnung insbesondere Angaben zur Haltbarkeit und Reparierbarkeit, wie z. B. eine Reparaturkennzahl, enthalten sollte und die Form eines Umweltleistungsindex annehmen könnte, bei dem während des gesamten Lebenszyklus von Produkten je nach Produktkategorie mehrere Kriterien berücksichtigt werden;

c)

die Rolle des EU-Umweltzeichens zu stärken, um die Akzeptanz des Zeichens durch die Industrie zu fördern und die Verbraucher dafür zu sensibilisieren;

d)

auf der Grundlage einer Kosten-/Umwelteffizienzanalyse zu bewerten, welche Warenkategorien sich am besten für die Ausstattung mit einem Verbrauchszähler eignen, um die Verbraucherinformation und die Produktwartung zu verbessern, die langfristige Nutzung von Produkten durch erleichterte Wiederverwendung zu fördern und die Wiederverwendung und Geschäftsmodelle für Gebrauchtwaren zu fördern;

e)

im Zuge der Vorbereitung der Überarbeitung der Richtlinie (EU) 2019/771 zu bewerten, wie die Dauer der rechtlichen Garantien besser an die geschätzte Lebensdauer einer Produktkategorie angepasst werden kann und wie eine Verlängerung des Zeitraums für die Umkehrung der Beweislast bei Nichtkonformität die Möglichkeit für Verbraucher und Unternehmen verbessern würde, sich für nachhaltige Produkte zu entscheiden; fordert, dass in dieser Folgenabschätzung die möglichen Auswirkungen solcher möglichen Verlängerungen auf die Preise, die erwartete Lebensdauer von Produkten, gewerbliche Garantiesysteme und unabhängige Reparaturdienste berücksichtigt werden;

f)

im Zuge der Vorbereitung der Überarbeitung der Richtlinie (EU) 2019/771 die Machbarkeit einer Stärkung der Stellung von Verkäufern gegenüber den Herstellern durch Einführung eines gemeinsamen Haftungsmechanismus für Hersteller und Verkäufer im Rahmen der gesetzlichen Garantie zu prüfen;

g)

gegen die vorzeitige Obsoleszenz von Produkten vorzugehen, indem geprüft wird, ob Praktiken, die die Lebensdauer eines Produkts effektiv verkürzen, um seine Austauschrate zu erhöhen und die Reparierbarkeit von Produkten, einschließlich Software, übermäßig einschränken, zu der Liste in Anhang I der Richtlinie 2005/29/EG hinzugefügt werden sollten; betont, dass diese Praktiken auf der Grundlage einer objektiven und gemeinsamen Begriffsbestimmung klar definiert werden sollten, wobei die Bewertung aller beteiligten Interessenträger, darunter Forschungseinrichtungen sowie Verbraucher-, Unternehmens- und Umweltorganisationen, zu berücksichtigen ist;

7.

betont, dass Waren mit digitalen Elementen besondere Aufmerksamkeit erfordern und dass bei der Überprüfung der Richtlinie (EU) 2019/771, die bis 2024 durchgeführt werden soll, die folgenden Elemente berücksichtigt werden sollten:

a)

Aktualisierungen aus Korrekturgründen — d. h. Aktualisierungen aus Sicherheits- und Konformitätsgründen — müssen während der gesamten geschätzten Lebensdauer des Produkts entsprechend der Produktkategorie fortgesetzt werden,

b)

Aktualisierungen aus Korrekturgründen sollten von Aktualisierungen aus Gründen der Weiterentwicklung getrennt werden, es muss möglich sein, letztere rückgängig zu machen, und keine Aktualisierung darf die Leistung oder Reaktionsfähigkeit der Waren in irgendeiner Weise beeinträchtigen,

c)

Verbraucher müssen vom Verkäufer zum Zeitpunkt des Kaufs über den Zeitraum informiert werden, in dem erwartet werden kann, dass Aktualisierungen der beim Kauf der Waren bereitgestellten Software in einer Weise bereitgestellt werden, die mit Innovation und möglichen künftigen Marktentwicklungen vereinbar ist, sowie über ihre Besonderheiten und die Auswirkungen auf die Produktleistung, damit sichergestellt ist, dass die Konformität und Sicherheit der Waren bewahrt wird;

8.

betont, dass Verbraucher und Unternehmen einfache, wirksame und durchsetzbare Rechtsmittel benötigen; weist darauf hin, dass Verbraucher in der gesamten EU über ihre Rechte und Rechtsmittel informiert werden sollten; fordert, dass im Rahmen des Programms für den Binnenmarkt des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) Maßnahmen finanziert werden, um die Informationslücke zu schließen und Verbraucher, Unternehmen und Umweltverbände bei ihren Initiativen zu unterstützen; ist der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten Informationskampagnen durchführen sollten, um den Schutz und das Vertrauen der Verbraucher, insbesondere schutzbedürftiger Gruppen, zu stärken, und fordert die Kommission auf, die Verbraucher über das zentrale digitale Zugangstor angemessen über ihre Rechte zu informieren; betont, dass KMU, Kleinstunternehmen und Selbstständige besondere Unterstützung, einschließlich finanzieller Unterstützung, benötigen, damit sie ihre gesetzlichen Verpflichtungen im Bereich des Verbraucherschutzes verstehen und ihnen nachkommen können;

9.

stellt fest, dass viele Produkte, die auf dem Binnenmarkt in Verkehr gebracht werden, insbesondere Produkte, die von Online-Marktplätzen verkauft und von außerhalb der EU eingeführt werden, nicht den EU-Rechtsvorschriften in Bezug auf Produktsicherheit und Nachhaltigkeit entsprechen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um für gleiche Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen gegenüber internationalen Wettbewerbern zu sorgen und durch eine verbesserte Marktüberwachung und gleichwertige Zollkontrollstandards in der gesamten EU sowohl für herkömmliche Unternehmen als auch für Online-Unternehmen für sichere und nachhaltige Produkte für die Verbraucher zu sorgen; weist darauf hin, dass die Marktüberwachungsbehörden mit angemessenen finanziellen, technischen und personellen Ressourcen sowie Informationsressourcen im Einklang mit der Verordnung (EU) 2019/1020 ausgestattet werden müssen, um diese Aufgabe zu erfüllen; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihren diesbezüglichen Bedarf zu erfüllen, und fordert die Kommission auf, für eine ordnungsgemäße Umsetzung der Verordnung zu sorgen; betont, dass das Zusammenspiel zwischen dem RAPEX-System und Online-Marktplätzen und -Plattformen erheblich verbessert werden sollte;

Erleichtern von Reparaturen

10.

fordert, dass die folgenden Informationen über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, Software-Aktualisierungen und die Reparierbarkeit eines Produkts zum Zeitpunkt des Kaufs klar und leicht lesbar zur Verfügung gestellt werden: geschätzter Zeitraum der Verfügbarkeit ab dem Zeitpunkt des Kaufs, Durchschnittspreis der Ersatzteile zum Zeitpunkt des Kaufs, empfohlene ungefähre Liefer- und Reparaturzeiten sowie gegebenenfalls Informationen über Reparatur- und Wartungsdienste; fordert darüber hinaus, dass diese Informationen zusammen mit einer Zusammenfassung der am häufigsten aufgetretenen Mängel und der Art und Weise, wie sie behoben werden können, in der Produktdokumentation bereitgestellt werden;

11.

fordert die Kommission auf, ein „Recht auf Reparatur“ für Verbraucher zu schaffen, damit die systematische Durchführung von Reparaturen kosteneffizient und attraktiv wird, wobei den Besonderheiten der verschiedenen Produktkategorien nach dem Vorbild der Maßnahmen, die im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie bereits für mehrere Haushaltsgeräte ergriffen wurden, Rechnung zu tragen ist,

a)

indem den Akteuren der Reparaturindustrie, einschließlich unabhängiger Reparaturbetriebe, und den Verbrauchern unbeschadet der Richtlinie (EU) 2016/943 kostenlos Zugang zu den für die Durchführung von Reparatur und Wartung erforderlichen Reparatur- und Wartungsinformationen, einschließlich Informationen über Diagnosegeräte, Ersatzteile, Software und Aktualisierungen, gewährt wird, wobei den Erfordernissen der Verbrauchersicherheit Rechnung zu tragen ist,

b)

indem eine Standardisierung von Ersatzteilen begünstigt wird, um Interoperabilität und Innovation zu fördern, während gleichzeitig die Anforderungen an die Produktsicherheit erfüllt werden;

c)

indem ein verbindlicher Mindestzeitraum für die Bereitstellung von Ersatzteilen, der der geschätzten Lebensdauer des Produkts nach dem Inverkehrbringen des letzten Exemplars entspricht, sowie angemessene maximale Lieferzeiten je Produktkategorie im Einklang mit den am 1. Oktober 2019 angenommenen Durchführungsverordnungen über die umweltgerechte Gestaltung, die auf eine breitere Produktpalette ausgedehnt werden sollten, festgelegt werden;

d)

indem sichergestellt wird, dass der Preis eines Ersatzteils im Verhältnis zum Preis des gesamten Produkts angemessen und daher kosteneffizient ist und dass unabhängige und zugelassene Werkstätten sowie Verbraucher ohne unfaire Hindernisse Zugang zu den notwendigen Ersatzteilen haben,

e)

indem die Reparatur gegenüber dem Austausch bevorzugt wird, indem im Zuge der Vorbereitung der Überarbeitung der Richtlinie (EU) 2019/771 und unter Berücksichtigung einer Kosteneffizienzanalyse sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen Garantien verlängert werden oder Garantiezeiträume für Verbraucher, die sich für diese Option entscheiden, zurückgesetzt werden, und indem sichergestellt wird, dass Verkäufer die Verbraucher stets über die Option der Reparatur und die damit verbundenen Garantierechte informieren,

f)

indem bewertet wird, wie Reparaturen erleichtert werden könnten, indem im Zuge der Vorbereitung der Überarbeitung der Richtlinie (EU) 2019/771 eine gesetzliche Garantie auf EU-Ebene für die Teile eingeführt wird, die von einem professionellen Reparaturbetrieb ausgetauscht werden, wenn die Waren nicht mehr der gesetzlichen oder gewerblichen Garantie unterliegen,

g)

indem die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, Anreize zu schaffen, z. B. eine „Handwerkerprämie“, mit der Reparaturen, insbesondere nach Ablauf der gesetzlichen Garantie, für Verbraucher, die bestimmte Reparaturarbeiten über autorisierte/unabhängige Reparaturbetriebe durchführen lassen, gefördert werden;

Eine umfassende Strategie zur Förderung einer Kultur der Wiederverwendung

12.

begrüßt, dass die Kommission verbindliche Maßnahmen in Erwägung zieht, um die Zerstörung nicht verkaufter oder nicht verschlissener Waren in betriebsbereitem Zustand zu verhindern, damit sie stattdessen wiederverwendet werden können, und quantifizierte Zielvorgaben für die Wiederverwendung festzulegen, unter anderem durch die Einführung von Pfandsystemen im Einklang mit der Abfallrahmenrichtlinie und der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle; betont, dass neue, nachhaltige Geschäftsmodelle beim Zugang zu Mülldeponien vorrangig berücksichtigt werden sollten, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, weitere Anreize für eine nachhaltige Abfallbewirtschaftung zu schaffen; betont, dass unbeschadet der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen eine Strategie benötigt wird, mit der die rechtlichen Hindernisse für die Reparatur, den Weiterverkauf, die Wiederverwendung und die Spende bewertet und beseitigt werden, um eine wirksamere und nachhaltigere Nutzung der Ressourcen sicherzustellen und den Binnenmarkt für Sekundärrohstoffe zu stärken, auch durch eine stärkere Standardisierung;

13.

betont, wie wichtig es ist, kreislauforientierte und nachhaltige Geschäftsmodelle zu fördern, um die Vernichtung von Waren auf ein Mindestmaß zu reduzieren und Reparatur und Wiederverwendung zu fördern; fordert die Kommission auf, die Verwendung solcher Modelle zu fördern und dafür zu sorgen, dass sie kosteneffizient und attraktiv bleiben, und ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen, und den Mitgliedstaaten nahezulegen, durch Aufklärungskampagnen und Schulungsmaßnahmen sowohl Verbraucher als auch Unternehmen für diese Modelle zu sensibilisieren; betont, wie wichtig Investitionen in FuE in diesem Bereich sind;

14.

weist darauf hin, dass es Unternehmen gibt, die durch ihre Verhaltensweisen von Reparaturen abschrecken, was eine Beschränkung des Rechts auf Reparatur darstellt und sich auf die Reparaturoptionen der Verbraucher auswirkt; fordert einen Ansatz, durch den sowohl die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums als auch eine wirksame Unterstützung für unabhängige Werkstätten sichergestellt wird, um den Verbrauchern mehr Wahlmöglichkeiten zu bieten und insgesamt einen nachhaltigen Binnenmarkt zu schaffen;

15.

betont, dass Anreize für Verbraucher geschaffen werden müssen, Gebrauchtwaren zu kaufen; weist darauf hin, dass die Übertragung der Garantie im Fall des Weiterverkaufs eines noch unter die Garantie fallenden Gutes ein größeres Vertrauen des Verbrauchers in diesen Markt schaffen könnte; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, zu prüfen, inwieweit die Garantie des ursprünglichen Käufers bei Weiterverkäufen auf nachfolgende Käufer übertragen werden könnte, insbesondere im Zusammenhang mit einem digitalen Produktpass; fordert darüber hinaus eine Bewertung der Notwendigkeit, die Ausnahmeklausel für gebrauchte Produkte im Rahmen der in der Richtlinie (EU) 2019/771 vorgesehenen gesetzlichen Garantieregelung zu überprüfen, wenn die Richtlinie überarbeitet wird, und zwar im Anschluss an eine Folgenabschätzung zu den möglichen Auswirkungen auf Geschäftsmodelle, die auf Gebrauchtwaren und Wiederverwendung basieren;

16.

fordert, dass klare Definitionen für aufbereitete und modernisierte Waren festgelegt werden und dass die umfassende Einführung eines freiwilligen Systems erweiterter gewerblicher Garantien für solche Waren gefördert wird, um die ursprünglichen gesetzlichen Garantien zu ergänzen und zu verhindern, dass Verbraucher missbräuchlichen Praktiken ausgesetzt sind;

17.

betont, dass die Vollendung des Binnenmarkts für Dienstleistungen entscheidend zum Übergang zu einem nachhaltigeren Binnenmarkt beitragen wird; fordert die Kommission auf, weitere Maßnahmen im Hinblick auf einen gut funktionierenden Binnenmarkt für Dienstleistungen zu ergreifen und die Bemühungen um eine verstärkte Durchsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften wirksam zu intensivieren;

18.

hebt die Rolle des Dienstleistungssektors bei der Verbesserung der Zugänglichkeit von Reparaturen und anderen neuen Geschäftsmodellen hervor; begrüßt insbesondere die Entwicklung von Geschäftsmodellen, bei denen der Verbrauch vom materiellen Eigentum entkoppelt wird, bei denen die Funktion des Produkts verkauft wird, und fordert eine fundierte Bewertung der Auswirkungen der Nutzungswirtschaft und ihrer potenziellen Rebound-Effekte sowie der Auswirkungen auf die Verbraucher und ihre finanziellen Interessen, aber auch der Umweltauswirkungen solcher Modelle; betont, dass die Entwicklung internetgestützter Dienste, neue Formen der Vermarktung (Mieten, Leasing, Produkt als Dienstleistung usw.) und die Verfügbarkeit von Reparatureinrichtungen dazu beitragen können, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern und das Bewusstsein der Verbraucher und das Vertrauen in diese Produkte zu stärken; fordert die Kommission auf, die Entwicklung dieser neuen Geschäftsmodelle durch gezielte finanzielle Unterstützung im Rahmen des Binnenmarktprogramms und anderer einschlägiger MFR-Programme zu fördern;

19.

fordert die Entwicklung nationaler Kampagnen und einschlägiger Mechanismen, um die Verbraucher dazu anzuhalten, die Lebensdauer von Produkten durch Reparatur und die Verwendung von Gebrauchtwaren zu verlängern, und sie für den Mehrwert nachhaltiger innovativer Technologien zu sensibilisieren; fordert die Kommission und die nationalen Behörden auf, die zuständigen Behörden auf nationaler und lokaler Ebene sowie Unternehmen und Verbände im Rahmen des MFR-Binnenmarktprogramms technisch und finanziell bei der Durchführung solcher Sensibilisierungskampagnen zu unterstützen und zu fördern;

20.

fordert alle Unternehmen und Organisationen auf, sich beim System für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung (EMAS) der EU zu registrieren, um ihre Umweltleistung zu verbessern; sieht der bevorstehenden Überarbeitung der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen, durch die die Verfügbarkeit von Informationen über die Umweltleistung von Unternehmen erheblich verbessert werden dürfte, erwartungsvoll entgegen;

Eine digitale Strategie für einen nachhaltigen Markt

21.

begrüßt die Ankündigung eines gemeinsamen europäischen Datenraums für intelligente kreislauforientierte Anwendungen und das Bestreben der Kommission, einen digitalen „Produktpass“ zu entwickeln, um die Rückverfolgbarkeit und den Zugang zu Informationen über die Herstellungsbedingungen eines Produkts, die Haltbarkeit, Zusammensetzung, Wiederverwendung, Reparatur, Möglichkeiten der Demontage und Entsorgung am Ende der Lebensdauer zu verbessern, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Kosten für Unternehmen Rechnung zu tragen ist und den Bedürfnissen von KMU, Kleinstunternehmen und Selbstständigen besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist; fordert, dass diese Instrumente in enger Zusammenarbeit mit der Industrie und einschlägigen Interessenträgern entwickelt werden;

22.

nimmt den Beitrag digitaler Technologien zu Innovationen sowie zur Gestaltung einer stärker kreislauforientierten Wirtschaft zur Kenntnis; fordert die Kommission auf, Standards und Protokolle für den Zugang zu und die Nutzung von interoperablen Daten zu entwickeln, um einen wirksamen Austausch von Daten zwischen Unternehmen, Investoren und Behörden zu ermöglichen und neue datengesteuerte kreislauforientierte Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Mittel für Forschung und Innovation im Bereich der nachhaltigen Technologien im neuen MFR aufzustocken;

23.

stellt fest, dass der digitale Sektor und der Online-Verbrauch sowohl bei der Produktion von Waren als auch bei der Erbringung von Dienstleistungen Auswirkungen auf die Umwelt haben, und fordert die Kommission auf, zu prüfen, wie ein EU-Nachhaltigkeitsindex für den digitalen Sektor auf der Grundlage einer Produktlebenszyklusanalyse zu einer durchgehenden Berücksichtigung von nachhaltiger Produktion und nachhaltigem Verbrauch von digitalen Technologien führen würde; weist darauf hin, dass Verfahren zur Verringerung solcher Umweltauswirkungen, wie etwa weniger Verpackungsmaterial und die Entwicklung nachhaltigerer Verpackungen, Teil einer Strategie für einen nachhaltigen Binnenmarkt sein sollten;

24.

fügt hinzu, dass das Bewusstsein für den potenziellen ökologischen Fußabdruck unnötiger Daten wie ungenutzter Apps, Dateien, Videos, Fotos und Spam-E-Mails geschärft werden sollte; fordert die Kommission auf, die Auswirkungen digitaler Verfahren und Infrastrukturen im Hinblick auf ihren CO2-Ausstoß und ihren ökologischen Fußabdruck sowie ihre Auswirkungen auf die Verbrauchergewohnheiten zu bewerten und geeignete Maßnahmen zu ihrer Verringerung in Erwägung zu ziehen;

25.

fordert nachdrücklich, dass die Kommission die Beschlüsse des Europäischen Parlaments in Bezug auf die Einrichtung eines gemeinsamen Ladesystems berücksichtigt, um Produktionsmengen und Elektronikabfälle zu verringern;

Notwendige Änderungen der Vorgehensweise der Behörden

26.

vertritt die Auffassung, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal in den Mittelpunkt des Plans für die wirtschaftliche Erholung der EU gestellt werden sollte, indem die Innovationsanstrengungen des Privatsektors und die Digitalisierung öffentlicher Ausschreibungen unterstützt und die richtigen Anreize für die Förderung von nachhaltiger Produktion und nachhaltigem Verbrauch gesetzt werden; fordert, dass der Anregung der Nachfrage nach umweltfreundlichen Waren und Dienstleistungen mit einem geringeren ökologischen Fußabdruck und der Förderung sozialer und ökologischer Kriterien Priorität eingeräumt wird;

27.

betont, dass beim Übergang zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft dafür gesorgt werden muss, dass das öffentliche Beschaffungswesen umweltfreundlich, sozial und innovativ ist, indem Nachhaltigkeitskriterien und -ziele in öffentliche Ausschreibungen aufgenommen werden; erinnert in diesem Zusammenhang an die Zusage der Kommission, durch sektorspezifische Maßnahmen und Leitlinien für ein umweltorientiertes öffentliches Beschaffungswesen Maßnahmen zu ergreifen, wobei der derzeitige Rechtsrahmen für das öffentliche Beschaffungswesen beibehalten wird, und fordert die Kommission auf, ambitioniert vorzugehen, wenn es darum geht, nachhaltige Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zur Standardoption zu machen; betont, wie wichtig es ist, gebrauchte, wiederverwendete, recycelte und wiederaufbereitete Produkte sowie Programme für Software mit geringem Energieverbrauch zu unterstützen, indem Ziele für öffentliche Beschaffungen festgelegt werden; betont die potenziellen Vorteile eines Instruments zur Überprüfung der Nachhaltigkeit öffentlicher Ausschreibungen, um deren Vereinbarkeit mit den Klimaschutzverpflichtungen der EU sicherzustellen und gegen Grünfärberei vorzugehen;

28.

betont die Rolle, die ein umweltorientiertes und soziales Beschaffungswesen bei der Verkürzung der Lieferketten, der Verringerung der Abhängigkeit von Drittländern und der Förderung der Nachhaltigkeit in wichtigen Sektoren wie der Herstellung von Arzneimitteln, Energie und Lebensmitteln spielen könnte; fordert eine wirksame Gegenseitigkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge mit Drittländern und die Gewährleistung eines angemessenen Zugangs zu öffentlichen Aufträgen für KMU und sozialwirtschaftliche Unternehmen, unter anderem durch die Einführung von Vorzugsklauseln;

29.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die bestehenden EU-Regelungen zur nachhaltigen Beschaffung zu nutzen, und fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, ihre Leitlinien zu verbessern und mit gutem Beispiel voranzugehen, indem sie Ziele und Statistiken über die Umweltauswirkungen ihrer Beschaffungen veröffentlicht; fordert darüber hinaus Berichtspflichten für die EU-Organe und die Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre nachhaltige Vergabe öffentlicher Aufträge, wobei kein ungerechtfertigter Verwaltungsaufwand geschaffen werden darf und das Subsidiaritätsprinzip zu achten ist;

Verantwortungsvolle Vermarktung und Werbung

30.

weist darauf hin, dass Verbraucher sowohl online als auch offline mit irreführenden Angaben über die Umwelteigenschaften von Produkten und Dienstleistungen konfrontiert sind; empfiehlt daher, dass die Umweltaussagen von Herstellern und Händlern wirksam überwacht werden, bevor ein Produkt oder eine Dienstleistung in Verkehr gebracht wird, und dass die kürzlich geänderte Richtlinie 2005/29/EG durch proaktive Maßnahmen gegen irreführende Praktiken durchgesetzt wird; fordert die Kommission auf, aktualisierte Leitlinien für die einheitliche Umsetzung dieser Richtlinie in Bezug auf Umweltaussagen zu entwickeln und Orientierungshilfen für Marktüberwachungstätigkeiten zu geben;

31.

fordert die Ausarbeitung klarer Leitlinien und Standards für Umweltaussagen und Verpflichtungen, die zu verstärkten Umweltzertifizierungen führen, und begrüßt den angekündigten Legislativvorschlag zur Untermauerung von Umweltaussagen; empfiehlt, die mögliche Notwendigkeit der Einrichtung eines öffentlichen europäischen Registers zu prüfen, in dem zugelassene und verbotene Umweltaussagen aufgeführt sind, sowie die Bedingungen und Schritte, die zur Geltendmachung eines Anspruchs zu ergreifen sind; fügt hinzu, dass die Bereitstellung transparenter, nachvollziehbarer und korrekter Informationen das Vertrauen der Verbraucher in Produkte und Märkte stärken und letztlich zu einem nachhaltigeren Verbrauch führen wird;

32.

betont, dass Werbung einen Einfluss auf Verbrauchsmengen und -gewohnheiten hat und Unternehmen und Verbraucher zu nachhaltigen Entscheidungen anregen sollte; betont, wie wichtig verantwortungsvolle Werbung ist, bei der die öffentlichen Normen in Bezug auf die Umwelt und die Gesundheit der Verbraucher eingehalten werden; betont, dass der derzeitige Rechtsrahmen zur Bekämpfung irreführender Werbung den Verbraucherschutz, insbesondere für bestimmte Kategorien von Verbrauchern, die als schutzbedürftig angesehen werden, stärken und eine nachhaltige Produktion und nachhaltigen Verbrauch fördern könnte;

o

o o

33.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22.

(2)  ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64.

(3)  ABl. L 136 vom 22.5.2019, S. 28.

(4)  ABl. L 169 vom 25.6.2019, S. 1.

(5)  ABl. C 334 vom 19.9.2018, S. 60.

(6)  ABl. C 433 vom 23.12.2019, S. 146.

(7)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0005.

(8)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0005.

(9)  ABl. C 334 vom 19.9.2018, S. 60.

(10)  ABl. C 334 vom 19.9.2018, S. 60, Erwägung S.

(11)  Eurobarometer-Sonderbericht 503 vom Dezember 2019 mit dem Titel „Attitudes towards the impact of digitalisation on daily lives“.

(12)  Im Auftrag der Kommission im Dezember 2015 durchgeführte Untersuchung mit dem Titel „Consumer market study on the functioning of legal and commercial guarantee for consumers in the EU“.

(13)  Eurobarometer-Flash-Bericht 388 vom Juni 2014 mit dem Titel „Attitudes of Europeans towards waste management and resource efficiency“.


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/19


P9_TA(2020)0319

Produktsicherheit im Binnenmarkt

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zur Produktsicherheit im Binnenmarkt (2019/2190(INI))

(2021/C 425/04)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit (1),

unter Hinweis auf den Beschluss Nr. 768/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung des Beschlusses 93/465/EWG des Rates (2),

unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2019/515 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 über die gegenseitige Anerkennung von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 764/2008 (3),

unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (4),

unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/42/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 765/2008 und (EU) Nr. 305/2011 (5),

unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2016/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in der Union (6),

unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2019/881 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die ENISA (Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit) und über die Zertifizierung der Cybersicherheit von Informations- und Kommunikationstechnik und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 526/2013 (Rechtsakt zur Cybersicherheit) (7),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Februar 2020 zu dem Thema „Automatisierte Entscheidungsfindungsprozesse: Gewährleistung des Verbraucherschutzes und des freien Verkehrs von Waren und Dienstleistungen“ (8),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Februar 2019 zu einer umfassenden europäischen Industriepolitik in Bezug auf künstliche Intelligenz und Robotik (9),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Dezember 2018 zu dem Thema „Blockchain — eine zukunftsorientierte Handelspolitik“ (10),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Dezember 2018 zum Binnenmarktpaket (11),

unter Hinweis auf seinen Zwischenbericht vom 14. November 2018 mit dem Titel „Mehrjähriger Finanzrahmen 2021–2027: Standpunkt des Parlaments im Hinblick auf eine Einigung“ (12),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. Oktober 2018 zu dem Thema „Dezentrale Transaktionsnetzwerke und Blockkettensysteme — mehr Vertrauen durch verringerte Kreditmittlertätigkeit“ (13),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Juli 2017 zu dem Thema „Europäische Normen für das 21. Jahrhundert“ (14),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Juli 2017 zu dem Thema „Längere Lebensdauer für Produkte: Vorteile für Verbraucher und Unternehmen“ (15),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. Mai 2016 zu der Strategie für den Binnenmarkt (16),

unter Hinweis auf seinen in erster Lesung am 15. April 2014 angenommenen Standpunkt im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) Nr. …/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Verbraucherprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 87/357/EWG des Rates und der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (17),

unter Hinweis auf das Arbeitsprogramm der Kommission für 2020 mit dem Titel „Eine Union, die mehr erreichen will“ (COM(2020)0037),

unter Hinweis auf den Bericht der Kommission vom 19. Februar 2020 über die Auswirkungen künstlicher Intelligenz, des Internets der Dinge und der Robotik in Hinblick auf Sicherheit und Haftung (COM(2020)0064),

unter Hinweis auf das Weißbuch der Kommission vom 19. Februar 2020 mit dem Titel „Zur künstlichen Intelligenz — ein europäisches Konzept für Exzellenz und Vertrauen“ (COM(2020)0065),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2020 über die Gestaltung der digitalen Zukunft Europas (COM(2020)0067),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 10. März 2020 über einen langfristigen Aktionsplan zur besseren Umsetzung und Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften (COM(2020)0094),

unter Hinweis auf die von der hochrangigen Expertengruppe der Kommission für künstliche Intelligenz am 8. April 2019 veröffentlichten Ethikleitlinien für vertrauenswürdige künstliche Intelligenz,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 8. April 2019 zu dem Thema „Schaffung von Vertrauen in eine auf den Menschen ausgerichtete künstliche Intelligenz“ (COM(2019)0168),

unter Hinweis auf den von der hochrangigen Expertengruppe der Kommission für künstliche Intelligenz am 26. Juni 2019 veröffentlichten Bericht mit dem Titel „Policy and Investment Recommendations for Trustworthy AI“ (Empfehlungen zur Politik und zu Investitionen für eine vertrauenswürdige KI),

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (A9-0207/2020),

A.

in der Erwägung, dass der Binnenmarkt für Waren einer der wichtigsten Eckpfeiler der Wirtschaft der EU ist und dass derzeit etwa 25 % des Bruttoinlandsprodukts der EU sowie 75 % des Handels innerhalb der EU auf den Warenhandel entfallen;

B.

in der Erwägung, dass die Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit (Richtlinie 2001/95/EG, RaPS) im Jahr 2001 erlassen wurde und dass sich die Kaufgewohnheiten der Verbraucher aufgrund der Zunahme der Verkäufe im elektronischen Handel geändert haben; in der Erwägung, dass ein früherer Versuch, die von der Kommission im Jahr 2013 vorgelegte RaPS zu reformieren, nicht erfolgreich war;

C.

in der Erwägung, dass es nicht hinnehmbar ist, dass es die Verbraucher in der EU mit Produkten zu tun haben, die den Sicherheitsanforderungen der EU nicht entsprechen oder anderweitig illegal sind, wobei die Probleme von der Verwendung gefährlicher Chemikalien in Produkten bis hin zu unsicherer Software und anderen Sicherheitsrisiken reichen; in der Erwägung, dass ein übergreifender Rechtsrahmen erforderlich ist, der als Sicherheitsnetz fungiert und mit dem der Verbraucherschutz verbessert wird, um ein hohes Maß an Schutz für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher zu erreichen;

D.

in der Erwägung, dass der Warenhandel im Binnenmarkt mit der Dynamik des weltweiten Warenhandels und der Effizienz der Lieferketten verknüpft ist; in der Erwägung, dass es daher von wesentlicher Bedeutung ist, dass die Überwachung an den Außengrenzen der EU mit wirksameren und stärker harmonisierten Instrumenten erfolgt, um aus Drittländern stammende unsichere Produkte aufzuspüren und ihr Inverkehrbringen im Binnenmarkt zu verhindern, um vorschriftsgemäß agierende Unternehmen zu begünstigen und um die Verbraucherrechte angemessen und wirksam zu schützen;

E.

in der Erwägung, dass die zuständigen Behörden dem Vorsorgeprinzip gebührend Rechnung tragen sollten, wenn sie Maßnahmen zur Wahrung der Sicherheit der Verbraucher ergreifen, insbesondere im Hinblick auf Produkte, in die neue digitale Technologien eingebettet sind und die gefährlich sein könnten;

F.

in der Erwägung, dass sich durch neue Technologien die Eigenschaften von Produkten verändern und dass es gilt, sich mit neuen Technologien zu befassen, um Verbraucherschutz und Rechtssicherheit zu wahren, ohne die Innovation zu behindern; in der Erwägung, dass der Bericht der Kommission über die Sicherheit und Haftung in den Bereichen künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und Robotik dafür den Weg ebnet;

G.

in der Erwägung, dass die Zahl der über das gemeinschaftliche System zum raschen Austausch von Informationen über die Gefahren bei der Verwendung von Konsumgütern (RAPEX) gemeldeten gefährlichen Produkte nach wie vor sehr hoch ist und auch nach wie vor sehr viele gefährliche und nicht vorschriftsgemäße Produkte verkauft werden und dass die Einhaltung des EU-Regelungsrahmens, insbesondere der Produktsicherheitsvorschriften, auch während der Herstellung, zur Sicherheit der Produkte beiträgt;

H.

in der Erwägung, dass bei Produkten die Auslegungssicherheit und die eingebaute Sicherheit von grundlegender Bedeutung sind, da sich durch Beachtung der Sicherheit während der Konstruktionsphase die Sicherheit der auf dem Markt befindlichen Produkte verbessern kann;

I.

in der Erwägung, dass das Marktüberwachungssystem der EU hauptsächlich auf die im Binnenmarkt präsenten Wirtschaftsteilnehmer ausgerichtet ist und dass die Entwicklungen im elektronischen Handel dazu führen, dass zahlreiche Produkte aus Drittländern direkt auf den Markt gebracht werden; in der Erwägung, dass jedoch viele dieser Produkte die Sicherheitsanforderungen der Europäischen Union nicht erfüllen und daher die Gefahr besteht, dass die Verbraucher, die sich dieser Gefahren häufig nicht bewusst sind, Schaden nehmen;

J.

in der Erwägung, dass das Niveau des Verbraucherschutzes nicht davon abhängen sollte, ob jemand online oder in einem physischen Geschäft einkauft, und dass freiwillige Initiativen, die von einigen digitalen Plattformen und Online-Marktplätzen eingeführt wurden, weiter gefördert werden sollten; in der Erwägung, dass noch weitere Maßnahmen erforderlich sind, um die Verbraucher ausreichend zu schützen, da viele Produkte, die auf Online-Marktplätzen verkauft werden, nicht den Sicherheitsvorschriften der Europäischen Union entsprechen, und dass daher ein größerer Regelungsrahmen erforderlich ist, um die Plattformen tatsächlich in Verantwortung und Haftung zu nehmen;

K.

in der Erwägung, dass die Rückverfolgbarkeit von Produkten entlang der gesamten Lieferkette von entscheidender Bedeutung ist, um die Sicherheit zu verbessern und die Verbraucher zu schützen;

L.

in der Erwägung, dass in der EU eine hohe Anzahl an gefälschten Waren als gefährlich gemeldet wird und dass von ihnen eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit und die Sicherheit von Verbrauchern ausgeht;

1.

betont, dass die COVID-19-Krise gezeigt hat, dass es für den Schutz der Menschen in der EU von größter Bedeutung ist, dass alle Produkte, die zur Bewältigung dieser Notlage und aller Krisen, die die EU in Zukunft treffen könnten, benötigt werden, in höchstem Maße sicher sind, insbesondere medizinische Ausrüstung und Schutzausrüstung, Produkte, die online und offline verkauft werden, und Produkte von außerhalb der EU; betont hierzu, dass Online-Plattformen und Online-Marktplätze vorausschauende Maßnahmen ergreifen müssen, um gegen irreführende Praktiken und Desinformationen im Hinblick auf Produkte, die online vertrieben werden, vorzugehen; fordert die Kommission auf, bei der Beschaffung von Material für die Versorgung während der Krise besonderes Augenmerk auf die Sicherheit von Medizinprodukten zu legen; stellt fest, dass Produkte, die auf KI, dem Internet der Dinge oder Robotik beruhen, Lösungen bieten können, die dazu beitragen können, aktuelle und zukünftige Krisen, in deren Verlauf die strategische Position der EU geschwächt werden könnte, zu bekämpfen; fordert daher die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre koordinierten Maßnahmen im Rahmen der Produktsicherheit und ihre einschlägigen Netze zu verstärken;

Sicherheit sämtlicher Produkte

2.

begrüßt die Verordnung (EU) 2019/1020 über die Marktüberwachung, betont jedoch, dass die Verordnung mit Ausnahme der Kontrollen von Produkten, die auf den Markt der Union gelangen, nur für Produkte gilt, die den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union unterliegen, während etwa ein Drittel aller in der EU im Umlauf befindlichen Produkte nicht harmonisierte Produkte sind; fordert die Kommission nachdrücklich auf, angeglichene Marktüberwachungsregeln sowohl für harmonisierte als auch für nicht harmonisierte Produkte, die offline oder online auf den Markt gebracht werden, zu aktualisieren bzw. einzuführen und sie für das digitale Zeitalter tauglich zu machen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu wahren und die Produktsicherheit zu verbessern;

3.

weist darauf hin, dass die Produktsicherheitsvorschriften an die neuen Marktrealitäten und die digitale Transformation angepasst werden müssen, indem neu auftretende Risiken und Bedrohungen für die Sicherheit der Verbraucher erforscht, die damit verbundenen Sicherheitsbedenken der Verbraucher berücksichtigt und ihre Rechte geschützt werden; fordert die Kommission auf, sich bei ihrer Überarbeitung der RaPS mit den Herausforderungen neuer Technologien wie KI, dem Internet der Dinge, Robotik, 3D-Druck usw. zu befassen und Lücken in den bestehenden Rechtsvorschriften, etwa der Maschinenrichtlinie und der Richtlinie über Funkanlagen, zu ermitteln und zu schließen, Sachverhalte rechtlich nicht doppelt zu regeln und für einen einheitlichen Ansatz bei der Produktsicherheit in allen branchenspezifischen Rechtsvorschriften, etwa der Spielzeugrichtlinie und anderen produktspezifischen Rechtsvorschriften, zu sorgen, um das höchste Maß an Verbrauchersicherheit zu erreichen und gleichzeitig potenzielle Hindernisse für die Entwicklung disruptiver Technologien zu beseitigen;

4.

fordert die Kommission auf, die Begriffe „Produkt“ und „sicheres Produkt“ im Rahmen ihrer Überarbeitung der RaPS in Abstimmung mit der möglichen Überarbeitung anderer Rechtsakte wie der Produkthaftungsrichtlinie neu zu definieren, sodass in ihnen die Komplexität neuer Technologien zum Ausdruck kommt, was auch Produkte mit integrierter KI, Produkte, die in das Internet der Dinge integriert sind, und Produkte mit integrierter Robotik, eigenständige Software sowie Software oder Aktualisierungen, die wesentliche Änderungen des Produkts mit sich bringen, die de facto zu einem neuen Produkt führen, betrifft; fordert die Kommission nachdrücklich auf, den Verbraucherrechten und der Rechtssicherheit für Verbraucher bei der Überarbeitung der RaPS Vorrang einzuräumen;

5.

ist überzeugt, dass durch in Produkte integrierte KI und andere neue Technologien die Zweckbestimmung von Produkten verändert werden kann, was sich nach ihrem Inverkehrbringen auf ihre Sicherheit auswirken kann, insbesondere infolge von Softwareaktualisierungen oder im Fall selbstlernender Technologie; fordert die Kommission nachdrücklich auf, zu prüfen, ob das „Inverkehrbringen“ als der für den Wirtschaftsteilnehmer in Bezug auf die Gewährleistung der Sicherheit des Produkts entscheidende Moment ein noch zweckmäßiger Ansatz ist, und gibt zu bedenken, dass die ununterbrochene Konformität des Produkts mit den einschlägigen Rechtsvorschriften zur Produktsicherheit, auch nach der Installation von Software, im digitalen Zeitalter zweckmäßiger sein könnte;

6.

teilt die Auffassung, dass KI-Systeme sicher sein sollten, um vertrauenswürdig zu sein, wie von der hochrangigen Expertengruppe für vertrauenswürdige KI in ihren Ethikleitlinien dargelegt wurde; fordert die Kommission auf, den Empfehlungen der hochrangigen Expertengruppe in vollem Umfang Rechnung zu tragen, und teilt zudem die Auffassung, dass die Verbraucher über die Sicherheit der KI und der Produkte, in die sie eingebettet ist, informiert werden müssen; ist überzeugt, dass ein unionsweites Konzept für künstliche Intelligenz für die Weiterentwicklung dieser Technologie in der EU von entscheidender Bedeutung ist; betont, dass eine gemeinsame Definition erforderlich ist, die regelmäßig überarbeitet werden sollte, um sie an neue technologische Entwicklungen anzupassen, und dass Sicherheitsanforderungen an KI gestellt werden müssen, damit nicht infolge unterschiedlicher nationaler Rechtsvorschriften der Binnenmarkt weiter fragmentiert wird; betont, dass die EU tätig werden muss, um einen Rahmen für Investitionen, die Dateninfrastruktur, Forschung und gemeinsame ethische Normen zu schaffen, in dem das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen gestärkt, für eine wirksamere und gerechtere Form des Verbraucherschutzes gesorgt, Rechtssicherheit geschaffen und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union verbessert wird und Anreize für die Gründung und den Aufbau von Start-up-Unternehmen und Betrieben, die KI-Forschung betreiben und nutzen, geschaffen werden; betont, dass die Kommission bewerten sollte, wie mithilfe der KI-Technologie und der Blockchain die Produktsicherheit erhöht werden könnte, beispielsweise durch die Entwicklung interoperabler Datenbanken, in denen Verletzungen infolge unsicherer und im Binnenmarkt in Verkehr gebrachter Produkte registriert werden;

7.

ist der Ansicht, dass KI-Systeme unabhängig davon, ob sie eigenständig oder in ein Produkt eingebettet sind, viele Möglichkeiten bieten und dass in ihnen hochwertige und unverfälschte Datensätze verwendet werden sollten, damit sie als vertrauenswürdig gelten und mit ihnen der Verbraucherschutz gefördert werden kann; begrüßt daher die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Schaffung von Vertrauen in eine auf den Menschen ausgerichtete künstliche Intelligenz“, in der die sieben in den Leitlinien der hochrangigen Expertengruppe aufgestellten wichtigsten Anforderungen berücksichtigt werden; weist darauf hin, dass diese Leitlinien auch auf internationaler Ebene in Betracht gezogen werden sollten; betont, dass die Kommission die bestehenden KI-Normen überprüfen und sich mit den einschlägigen Interessenträgern beraten sollte, um zu beurteilen, welche neuen Normen erforderlich sind, dass sie eine regelmäßige Bewertung des Rechtsrahmens der Union in Bezug auf die KI durchführen sollte, um für die Produktsicherheit sowie den Verbraucher- und Datenschutz Sorge zu tragen, und dass sie in Bereichen eingreifen sollte, in denen es notwendig ist, um die Rechtssicherheit zu fördern und die Harmonisierung der Vorschriften innerhalb der EU sicherzustellen;

Einhaltung der Vorschriften über die Produktsicherheit

8.

betont, dass ein harmonisierter, nach klaren und transparenten Kriterien gestalteter risikobasierter Bewertungsrahmen nicht nur aus administrativer Sicht insbesondere für Kleinstunternehmen und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) effizient sein dürfte, da so unverhältnismäßige Belastungen abgewendet werden, sondern auch im Hinblick auf die Verbesserung der Verbrauchersicherheit; fordert die Kommission daher nachdrücklich auf, die Methoden weiter zu harmonisieren und zusammen mit den einschlägigen Interessenträgern genau zu prüfen, wo risikobasierte Bewertungsschemata unter Anpassung ihrer Anwendung an Produkte mit einem hohen Risikoniveau und wo Konformitätsbewertungsmechanismen in den Bereichen, in denen sie noch fehlen, eingeführt werden könnten, um für die Auslegungssicherheit und die eingebaute Sicherheit von Produkten mit eingebetteten neuen Technologien zu sorgen; erachtet es als sehr wichtig, für einen kohärenten Ansatz für die Durchsetzung der Produktsicherheitsvorschriften zu sorgen, und stellt fest, dass eine erhebliche Asymmetrie zwischen der Entwicklung von Produkten mit eingebetteten neuen Technologien und der Fähigkeit der Behörden, diese Produkte zu bewerten, entstehen könnte; betont daher, dass die Mitgliedstaaten mit Unterstützung der Kommission ihre Risikomanagementstrategien für KI im Rahmen ihrer nationalen Marktüberwachungsstrategien koordinieren sollten, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Wirtschaftsteilnehmer zu wahren;

9.

ist der Ansicht, dass die derzeitigen Lücken im bestehenden Rechtsrahmen den Rechten der EU-Verbraucher und der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen aus der Union, insbesondere von KMU und Kleinstunternehmen, abträglich sind; fordert die Kommission nachdrücklich auf, bei der Bewertung der Auswirkungen künftiger Rechtsvorschriften auch dem Prinzip „Vorfahrt für KMU“ Rechnung zu tragen und dabei die notwendige Unterstützung für KMU nach Möglichkeit gebührend zu berücksichtigen, um die möglicherweise durch diese Legislativmaßnahmen verursachte Belastung zu verringern und für ein stabiles, vorhersehbares und ordnungsgemäß geregeltes Umfeld zu sorgen, in dem KMU geschäftlich tätig sein können;

10.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, EU-Maßstäbe für Reallabore in Betracht zu ziehen, ohne das Vorsorgeprinzip aufzugeben, da in den Reallaboren die Sicherheit von Produkten verbessert werden kann, indem dort Sachverständige Beiträge dazu liefern, wie auf moderne Art und Weise bewertet werden kann, ob ein Produkt den geltenden Rechtsvorschriften entspricht; weist darauf hin, dass die Schaffung eines einheitlichen Umfelds für die Prüfung und Verbesserung von Technologien wie der KI dazu beiträgt, dass die Unternehmen in der EU die Fragmentierung des Binnenmarkts überwinden und das Wachstumspotenzial in der gesamten EU effizient nutzen können; stellt fest, dass Drehscheiben für digitale Innovation eine bedeutende Funktion übernehmen können, indem sie gleichzeitig als Vermittler zwischen Regulierungsbehörden und Unternehmen fungieren, einen Beitrag zur Beratung von Start-up-Unternehmen und KMU bei der Anpassung an neue Rechtsvorschriften leisten und ihnen den Markteintritt erleichtern;

11.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, das autonome Selbstlernverhalten von KI während der gesamten Lebensdauer eines Produkts zu berücksichtigen und die Machbarkeit der Einrichtung von Mechanismen zur Abwendung neu auftretender Risiken zu bewerten; fordert, dass für KI-Produkte mit hohem Risiko von vornherein die Kontrolle durch einen Menschen vorgeschrieben wird und dass entlang der gesamten Lieferkette nach zuverlässigen und unparteiischen Verfahren durchgeführte wirksame Überprüfungen von KI-Produkten mit hohem Risiko entwickelt werden, um für Produktsicherheit zu sorgen und das Recht der Verbraucher auf persönliche Kommunikation anstelle der Kommunikation mit automatisierten Systemen zu wahren; betont, dass durch starke Verbraucherrechte die Entwicklung von sicheren und innovativen KI-Produkten gefördert wird;

12.

fordert die Anbieter neuer Technologien auf, Sicherheitsmechanismen, etwa Selbstreparaturmechanismen, in diese Technologien zu integrieren, das Hochladen von Software zu verhindern, durch die die Verbrauchersicherheit gefährdet werden könnte, das Bewusstsein für die Sicherheitsprobleme ihrer Produkte zu schärfen und die Sicherheit während ihres gesamten Lebenszyklus zu verbessern; fordert die Kommission auf, zu prüfen, ob sich die Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Aufrüstbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten auf deren Sicherheit auswirken können; stellt jedoch fest, dass viele Wirtschaftsteilnehmer nicht immer eine wirksame Kontrolle über ihre Produkte während deren gesamtem Lebenszyklus ausüben und dass mehrere andere Beteiligte für verschiedene Produktkomponenten verantwortlich sein können;

13.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass in die Konnektivitätsinfrastruktur und auch in neue Kommunikationstechnologien, etwa in 5G, eingebaute Sicherheit und eingebaute Privatsphäre sowie Sicherheit durch Voreinstellungen und datenschutzfreundliche Grundeinstellungen integriert werden, um die Sicherheit vernetzter Produkte zu verbessern; hebt hervor, dass die von Softwareaktualisierungen, fehlerhaften Daten und dem Verlust der Konnektivität ausgehenden Risiken zu Sicherheits- und Gesundheitsrisiken führen können, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, die geltenden Rechtsvorschriften zur Produktsicherheit zu aktualisieren, um diesen Risiken Rechnung zu tragen;

14.

ist davon überzeugt, dass durch fehlende oder schwache Cybersicherheit vernetzter Geräte und Dienste die Produktsicherheit beeinträchtigt werden kann und dass dies bei der politikbereichsübergreifenden Überarbeitung der einschlägigen Vorschriften und Empfehlungen berücksichtigt werden muss; fordert die Kommission daher auf, dafür zu sorgen, dass die RaPS so überarbeitet wird, dass auch die Herausforderungen der Cybersicherheit und neue Tendenzen berücksichtigt werden, indem sichergestellt wird, dass alle Geräte im Hinblick auf die sich ständig weiterentwickelnden Internetstandards der Industrie auf dem neuesten Stand sind;

15.

hebt hervor, dass der Rechtsakt der EU zur Cybersicherheit eines der wichtigsten Instrumente zur Stärkung der Cybersicherheit auf Unionsebene ist, ihm jedoch nur ein freiwilliges Zertifizierungssystem zugrunde liegt; fordert die Kommission auf, sowohl zu prüfen, ob nach Maßgabe des Unionsrahmens für Cybersicherheit ein Unionssystem zur Zertifizierung der Cybersicherheit notwendig ist, das auf Produkte mit eingebetteten neuen Technologien wie der KI, dem Internet der Dinge und der Robotik Anwendung findet, wobei stets branchenspezifische Aspekte zu berücksichtigen sind, als auch zu prüfen, ob entsprechende obligatorische Systeme für die Zertifizierung von Konsumgütern entwickelt werden müssen, die schnell aktualisiert werden können, damit sie an aktuelle Risiken angepasst werden können, ohne dass die Innovation behindert wird; fordert die Kommission dementsprechend auf, den Bedarf an Rechtsvorschriften über verbindliche Cybersicherheitsanforderungen und geeignete Marktüberwachungsmechanismen zu bewerten;

Wirksame Marktüberwachung

16.

betont, dass viele Marktüberwachungsbehörden in der EU in den vergangenen Jahren mit einem Mangel an finanziellen und personellen Ressourcen zu kämpfen hatten, und legt der Kommission und den Mitgliedstaaten nahe, soweit es gemäß ihren jeweiligen Zuständigkeiten zulässig ist, die Ressourcen und das Fachwissen ihrer Marktüberwachungsbehörden aufzustocken, die Zusammenarbeit zwischen ihnen zu verstärken und gemeinsame Maßnahmen, auch länderübergreifend und für Online-Märkte, zu entwickeln, um die Effizienz und Wirksamkeit der Kontrollen zu verbessern, und die Marktüberwachungsbehörden und den Zoll angemessen mit Personal auszustatten, damit sie in der Lage sind, unsichere Produkte, insbesondere aus Drittländern, aufzuspüren und das Inverkehrbringen dieser Produkte im Binnenmarkt zu verhindern; erachtet es in diesem Zusammenhang als besonders wichtig, den zuständigen Behörden moderne Ausrüstung zur Verfügung zu stellen und dafür zu sorgen, dass sie innovative Technologien einsetzen, und betont, dass der Zugang zu einschlägiger Dokumentation, z. B. produktsicherheitsbezogene Softwaredokumentation und Datensätze, entscheidend sind, wenn es gilt, die Marktüberwachungsbehörden in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben zu erledigen und zu bewerten, ob die Produkte den einschlägigen Sicherheitsvorschriften entsprechen;

17.

hebt hervor, dass im Zusammenhang mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021–2027 das Binnenmarktprogramm sehr wichtig ist, um die Marktüberwachungsbehörden bei ihren Aufgaben im gesamten Binnenmarkt und im Hinblick auf die Sicherstellung der einheitlichen Durchsetzung von Produktsicherheitsvorschriften in der gesamten Union wirksam zu unterstützen und zu stärken, damit nur sichere und vorschriftsgemäße Produkte mit einem hohen Maß an Verbraucherschutz im Binnenmarkt in Verkehr gebracht werden; bekräftigt in diesem Zusammenhang seine Aufforderung an die Kommission und den Rat, die Mittel aufzustocken und angemessene Ressourcen und eine eigene Haushaltslinie vorzusehen, und fordert die Mitgliedstaaten zudem auf, auch ihren Zolldienststellen ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen; fordert die an den interinstitutionellen Verhandlungen beteiligten Parteien nachdrücklich auf, eine Kürzung der Haushaltsmittel für das Binnenmarktprogramm und die Zollprogramme im MFR zu verhindern;

18.

betont, dass die Marktüberwachungstätigkeiten zwar dem Schutz des allgemeinen öffentlichen Interesses dienen, während gefälschte Produkte mit dem Schutz privater Rechte des geistigen Eigentums zusammenhängen, jedoch ein Zusammenhang zwischen gefälschten Produkten und den Risiken für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher besteht; fordert die Kommission daher nachdrücklich auf, sich ein besseres und klareres Bild von dem Phänomen der Produktfälschung und den Aufgaben zu verschaffen, die Marktüberwachungsbehörden und Online-Marktplätzen im Interesse des besseren Schutzes der Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher in der EU übertragen werden könnten, unter anderem durch die wirksame Durchsetzung der Zollvorschriften und die Harmonisierung der Zollkontrollen in der gesamten EU; spricht sich dafür aus, dass die Marktüberwachungsbehörden neue Technologien wie KI und die Blockchain einsetzen, um mittels Datenanalyse Risiken zu mindern, die Einhaltung der Produktsicherheitsvorschriften zu verbessern und die Verbraucher vor gefälschten Produkten zu schützen;

19.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Mindeststichprobengrößen festzulegen; fordert die Marktaufsichtsbehörden auf, regelmäßig oder an Tagen, an denen koordinierte Ermittlungen — etwa vom Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz — durchgeführt werden, branchenspezifische Testkäufe, auch auf Online-Marktplätzen, zu tätigen; weist außerdem darauf hin, dass den am häufigsten über das RAPEX gemeldeten Produktkategorien besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, wobei geeignete restriktive Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn ein Risiko festgestellt wird; empfiehlt, dass diese Maßnahmen auf einer soliden Grundlage von mit Datenanalysewerkzeugen gewonnenen Erkenntnissen beruhen sollten; hält es für überaus wichtig, dass die Mitgliedstaaten wirksame Sanktionen gegen Rechtsverletzer verhängen;

20.

fordert die Kommission auf, im Einklang mit der Verordnung (EU) 2019/1020, insbesondere Artikel 25, rasch Durchführungsrechtsakte zu erlassen, um Referenzwerte und Techniken für Überprüfungen harmonisierter und nicht harmonisierter Produkte festzulegen und darin auch Mindestanforderungen an Überprüfungen von Produkten, die auf den Unionsmarkt gelangen, aufzunehmen, damit das Unionsrecht konsequent, wirksam und einheitlich durchgesetzt wird;

21.

betont, dass Produkte, die von Verbrauchern direkt bei Wirtschaftsteilnehmern in Drittländern erworben werden, wirksamen Kontrollen unterzogen werden müssen, um sich zu vergewissern, ob sie mit dem EU-Regelungsrahmen im Einklang stehen; fordert die Marktüberwachungsbehörden und den Zoll auf, bei diesen Produkten geeignete Kontrollen durchzuführen; fordert die Kommission auf, zu prüfen, ob Wirtschaftsteilnehmern aus Drittländern vorgeschrieben werden kann, für nicht harmonisierte Produkte einen Wirtschaftsteilnehmer in der EU zu benennen, der den Marktüberwachungsbehörden Informationen oder Unterlagen über die Sicherheit des Produkts zur Verfügung stellt und mit ihnen zusammenarbeitet, damit für den Fall, dass die Vorschriften nicht eingehalten werden, Abhilfemaßnahmen ergriffen werden;

22.

fordert die Kommission auf, mit den Regulierungsbehörden von Drittländern zusammenzuarbeiten, mit ihnen zwecks Marktüberwachung Informationen über gefährliche Produkte auszutauschen und in alle Freihandelsabkommen der EU Bestimmungen über die Marktüberwachung und die Durchsetzung von Rechtsvorschriften aufzunehmen, damit Unternehmen von außerhalb der EU, die Waren im Binnenmarkt verkaufen, denselben Produktsicherheitsanforderungen unterliegen wie Unternehmen aus der Union;

23.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, auf Unionsebene und internationaler Ebene die Zusammenarbeit zwischen den Verbraucherschutz-, Marktüberwachungs- und Zollbehörden und anderen zuständigen Behörden zu verstärken, damit an allen Eingangsstellen harmonisierte und einheitliche Kontrollen durchgeführt werden, Informationen über unsichere Produkte rasch übermittelt werden können und die Koordinierung der Durchsetzungsmaßnahmen, beispielsweise die Kontrolle der Einhaltung des EU-Regelungsrahmens und die Verhängung von Sanktionen, verbessert wird; fordert in diesem Zusammenhang die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Interaktion der öffentlichen Datenbanken der EU und der Mitgliedstaaten über illegale Produkte zu stärken; fordert die Kommission nachdrücklich auf, innerhalb des durch die Verordnung (EU) 2019/1020 vorgegebenen Rahmens die Nutzung des Informations- und Kommunikationssystems zur Marktüberwachung zu ermöglichen, das parallel zum gemeinsamen Risikomanagementsystem für den Zoll laufen sollte, um den Umfang der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission zu erweitern;

24.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, in ihrem Aktionsplan im Zollbereich der Produktsicherheit Vorrang einzuräumen;

Sichere Produkte auf Online-Marktplätzen

25.

betont, dass den Verbrauchern gleichermaßen sichere Produkte angeboten werden sollten, unabhängig davon, ob sie online oder offline gekauft werden, und würdigt die „Verpflichtungserklärung für mehr Produktsicherheit“ (18) für Online-Marktplätze, hebt jedoch hervor, dass deren Unterzeichnung freiwillig ist, die Beteiligung der Marktteilnehmer sich in Grenzen hält und wesentliche Leistungsindikatoren fehlen, sodass die Bemühungen der Unterzeichner nicht aussagekräftig bewertet werden können; fordert die Kommission auf, weiteren Online-Marktplätzen nahezulegen, sich der Initiative anzuschließen und den Verbrauchern klare Informationen über ihre Rechte und den Einzelhändler zur Verfügung zu stellen, zu bewerten, welche Aufgaben Online-Marktplätze bei der Eindämmung der Verbreitung unsicherer Produkte übernehmen könnten, und als Teil des Gesetzes über digitale Dienste und im Zuge der Überarbeitung der RaPS und anderer einschlägiger Rechtsvorschriften verbindliche Vorschriften über die Pflichten und Zuständigkeiten von in der EU und in Drittländern niedergelassenen Marktplätzen vorzuschlagen;

26.

betont, dass es gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen Plattformen in der EU und in Drittländern bedarf, wenn es um die Einhaltung der Unionsrechtsvorschriften über Produktsicherheit geht; fordert die Kommission auf, gemeinsam mit den Marktüberwachungsbehörden Untersuchungen über die Sicherheit von Produkten aus Drittländern durchzuführen, Online-Marktplätze aktiver zu kontrollieren und den Marktüberwachungsbehörden weitere Zuständigkeiten zu übertragen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, in Zusammenarbeit mit den Verbraucherorganisationen und den Mitgliedstaaten die Verbraucher besser über die möglichen Gefahren von nicht vorschriftsgemäßen Produkten aus Drittländern zu informieren, die auf Online-Marktplätzen gekauft werden; empfiehlt der Kommission, Online-Marktplätzen vorzuschreiben, dass sie auf alle Einrichtungen, die den Verbrauchern in der EU Produkte anbieten, auch auf in Drittländern ansässige Einrichtungen, dieselben Regeln anwenden;

27.

stellt fest, dass Online-Plattformen, etwa Online-Marktplätze, zwar durch bessere Auswahl und niedrigere Preise sowohl Einzelhändlern als auch Verbrauchern zugutekommen, gleichzeitig aber immer mehr Verkäufer — insbesondere aus Drittländern — unsichere oder illegale Produkte auf dem Binnenmarkt anbieten; fordert die Online-Marktplätze daher nachdrücklich auf, so schnell wie möglich auf RAPEX-Meldungen zu reagieren und wirksam und vorausschauend mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, indem sie unsichere Produkte umgehend vom Markt nehmen und Maßnahmen ergreifen, mit denen sie verhindern, dass diese Produkte erneut dort angeboten werden; fordert die Kommission auf, Vorschriften festzulegen, nach denen Online-Marktplätze konkret auf unsichere Produkte reagieren müssen, etwa indem sie die Verbraucher informieren, wenn diese ein unsicheres oder anderweitig nicht vorschriftsgemäßes Produkt gekauft haben; legt Online-Marktplätzen nahe, nach entsprechender Kontaktaufnahme durch Verbraucherverbände eine Warnung über ein unsicheres Produkt herauszugeben und bei der Einschätzung des potenziellen Risikos mit diesen Verbraucherverbänden zusammenzuarbeiten;

28.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Online-Marktplätze ihre Zusammenarbeit durch gemeinsame Aktivitäten zwischen ihnen und den zuständigen Behörden verstärken, vor der Bereitstellung von Produkten auf ihren Websites das RAPEX-System konsultieren, vom RAPEX als unsicher eingestufte Produkte umgehend von ihren Websites entfernen, Informationen über vorschriftswidrig handelnde Verkäufer austauschen, wirksame und abschreckende Maßnahmen gegen diese Verkäufer und ihre Lieferkette ergreifen, ein robustes Authentifizierungssystem für gewerbliche Nutzer einrichten und ein leicht zugängliches unionsweites Instrument für Verbraucher entwickeln, über das die Verbraucher unsichere Produkte melden können;

29.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, zu prüfen, wie Online-Marktplätze ihre Vernetzung mit dem RAPEX-System unter der Voraussetzung verbessern können, dass es modernisiert und kompatibel gemacht wird, beispielsweise durch eine Anwendungsprogrammierschnittstelle, über die gemeldet werden kann, dass ein Produkt im System erfasst wurde, und sie sich vergewissern können, ob zum Verkauf angebotene Produkte sicher sind, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, Online-Marktplätzen vorzuschreiben, auf ihren Websites einen Link zum RAPEX einzurichten, um das System besser bekannt zu machen;

30.

fordert die Kommission auf, zu bewerten, ob Online-Plattformen vorgeschrieben werden kann, wirksame und angemessene Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um gegen die Veröffentlichung von Werbung für unsichere Produkte vorzugehen, die nicht im Einklang mit den Unionsrechtsvorschriften stehen, auch gegen Werbung oder irreführende Garantien und Erklärungen von Lieferanten oder Kunden, und zeitgleich mit dieser Bewertung eine gründliche Bewertung der Auswirkungen solcher Bestimmungen vorzunehmen, die auch eine Kosteneffizienzanalyse auf der Grundlage der Verhältnismäßigkeit für Online-Plattformen umfasst;

31.

fordert die Kommission auf, in der Welthandelsorganisation ein ambitioniertes Abkommen über den elektronischen Handel auszuhandeln, um die Einhaltung der Vorschriften über die Produktsicherheit auf Unionsebene und internationaler Ebene zu verbessern;

Normungsprogramm der Kommission für 2020 und Rückverfolgbarkeit

32.

begrüßt, dass im Rahmen des EU-Normungsprogramms für 2020 die Herausforderungen angegangen werden, die sich im digitalen Binnenmarkt ergeben, unter anderem im Zusammenhang mit der KI, dem Internet der Dinge, dem Schutz von Daten einschließlich Gesundheitsdaten, der Cybersicherheit und der automatisierten Mobilität; fordert die Kommission auf, das Europäische Komitee für Normung, das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung und das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen damit zu beauftragen, die Ausarbeitung harmonisierter Normen zu unterstützen, auch für traditionelle Wirtschaftszweige, die bisher keine IT verwendet haben, um für die sichere Nutzung neuer und interoperabler digitaler Technologien auf einer einheitlichen Grundlage in der gesamten EU zu sorgen; betont, dass Normen, insbesondere in Bezug auf bestimmte Produktkategorien wie persönliche Schutzausrüstung, so ausgestaltet werden sollten, dass für Männer und Frauen das höchste Sicherheitsniveau sichergestellt ist; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Beteiligung aller relevanten Interessenträger, zu denen auch die Verbraucher- und Unternehmensverbände zählen, an der Normungstätigkeit zu unterstützen;

33.

betont, dass die wirksame und effiziente Rückverfolgbarkeit entlang der Lieferkette entscheidend ist, wenn es gilt, die Sicherheit und Qualität von Produkten im Einklang mit den Unionsrechtsvorschriften und dem Schutz der Verbraucher in der EU zu verbessern, da dank klarer und verlässlicher Informationen über Produkte Unsicherheit bei den Verbrauchern, auch bei Menschen mit Behinderungen, verhindert wird und sie in die Lage versetzt werden, auf der Grundlage einschlägiger Informationen sachkundige Entscheidungen zu treffen, und es den Marktüberwachungsbehörden ermöglicht wird, ihre Aufgaben wahrzunehmen; fordert die Kommission auf, die Vorschriften über die Rückverfolgbarkeit von nicht harmonisierten Produkten entsprechend zu aktualisieren;

34.

fordert die Kommission auf, zu bewerten, wie mit Distributed-Ledger-Technologien wie der Blockchain, auch mit deren Normung, die Produktsicherheit gefördert werden kann, indem die Rückverfolgbarkeit von Produkten entlang der gesamten Lieferkette verbessert wird; weist darauf hin, dass durch die Entwicklung verlässlicher und überprüfbarer elektronischer Informationen die Kontrollen der Marktüberwachungsbehörden vereinfacht und wirksamer gestaltet werden könnten;

Rückrufe

35.

weist darauf hin, dass Verbraucher auf Rückrufe kaum reagieren und unsichere Produkte trotz Rückrufen weiter verwenden; fordert die Kommission auf, Leitlinien in klarer Sprache für Rückrufverfahren zu veröffentlichen, einschließlich einer Checkliste mit konkreten Anforderungen, und klare Informationen über die von den Marktüberwachungsbehörden angelegten Maßstäbe bereitzustellen, um die Zahl der erreichten Verbraucher zu erhöhen, wobei zu berücksichtigen ist, dass KMU und insbesondere Kleinstunternehmen möglicherweise zusätzliche Hilfe im Umgang mit den Leitlinien benötigen;

36.

fordert Einzelhändler, Online-Marktplätze und Verbraucherverbände auf, sich tatkräftiger beim Rückruf online oder offline erworbener unsicherer Produkte zu engagieren, indem sie den Verbrauchern angemessene und verlässliche Informationen zur Verfügung stellen, und fordert Einzelhändler und Online-Marktplätze auf, dafür zu sorgen, dass Produkte rasch von Online-Marktplätzen zurückgezogen, aus den Regalen genommen und bei den Verbrauchern zurückgerufen werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Online-Marktplätzen vorzuschreiben, dass sie wirksame Mechanismen einführen, damit sie ihre Nutzer, Käufer und Verkäufer, seien es Privatpersonen oder Unternehmen, erreichen können, um sie so schnell wie möglich zu informieren, wenn Rückrufe erforderlich sind; fordert die Kommission auf, zu bewerten, wie dieses Verfahren mit neuen Technologien und Algorithmen wirksamer gestaltet werden kann, und sicherzustellen, dass eine größere Zahl betroffener Verbraucher erreicht wird;

37.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, den länderübergreifenden Austausch bewährter Verfahren für Rückrufe zu verstärken und in Erwägung zu ziehen, mehr Produkte registrieren zu lassen, damit betroffene Verbraucher auch bei Käufen im Ausland leichter identifiziert und konkret informiert werden können und damit die Wirtschaftsteilnehmer anhand von Daten — etwa aus Treueprogrammen — die Verbraucher erreichen können, ohne gegen die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung zu verstoßen; fordert die Verbraucherverbände auf, bei Rückrufverfahren ihre Zusammenarbeit mit den Marktüberwachungsbehörden zu verstärken, indem sie Produkte, die im RAPEX als unsicher eingestuft wurden, auf ihren Websites auflisten;

38.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, einen einfachen und harmonisierten Rückmeldungsbericht über Rückrufe von Wirtschaftsteilnehmern zu verfassen, der den Marktüberwachungsbehörden zwecks Bewertung der Wirksamkeit der Rückrufe vorgelegt wird;

o

o o

39.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  ABl. L 11 vom 15.1.2002, S. 4.

(2)  ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 82.

(3)  ABl. L 91 vom 29.3.2019, S. 1.

(4)  ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 12.

(5)  ABl. L 169 vom 25.6.2019, S. 1.

(6)  ABl. L 194 vom 19.7.2016, S. 1.

(7)  ABl. L 151 vom 7.6.2019, S. 15.

(8)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0032.

(9)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0081.

(10)  ABl. C 388 vom 13.11.2020, S. 141.

(11)  ABl. C 388 vom 13.11.2020, S. 39.

(12)  ABl. C 363 vom 28.10.2020, S. 179.

(13)  ABl. C 11 vom 13.1.2020, S. 7.

(14)  ABl. C 334 vom 19.9.2018, S. 2.

(15)  ABl. C 334 vom 19.9.2018, S. 60.

(16)  ABl. C 76 vom 28.2.2018, S. 112.

(17)  ABl. C 443 vom 22.12.2017, S. 722.

(18)  Die Verpflichtungserklärung für mehr Produktsicherheit ist eine seit Juni 2018 bestehende freiwillige Verpflichtung von Online-Marktplätzen in Bezug auf die Sicherheit von Non-Food-Konsumgütern, die im Internet von Drittanbietern verkauft werden.


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/28


P9_TA(2020)0320

Stärkung der Medienfreiheit: Schutz von Journalisten in Europa, Hetze, Desinformation und die Rolle von Plattformen

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zu der Stärkung der Medienfreiheit: Schutz von Journalisten in Europa, Hetze, Desinformation und die Rolle von Plattformen (2020/2009(INI))

(2021/C 425/05)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV) und den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK),

unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR),

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption und das Übereinkommen der UNESCO zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen,

unter Hinweis auf die wesentlichen Entschließungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen und der Berichte des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über die Förderung und den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, insbesondere den Bericht vom 23. April 2020 mit dem Titel „Disease pandemics and the freedom of opinion and expression“ (Pandemien, Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung),

unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über die Förderung und den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, des Beauftragen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für die Freiheit der Medien, des Sonderberichterstatters der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) über die freie Meinungsäußerung und des Sonderberichterstatters der Afrikanischen Kommission für die Menschenrechte und Rechte der Völker (ACHPR) über die freie Meinungsäußerung und den Zugang zu Informationen vom 3. März 2017 mit dem Titel „Freedom of expression and ‚Fake News‘, Disinformation and Propaganda“ (Freie Meinungsäußerung und „Fake News“, Desinformation und Propaganda),

unter Hinweis auf den Aktionsplan der Vereinten Nationen zur Sicherheit von Journalisten und zur Frage der Straflosigkeit,

unter Hinweis auf die Allgemeine Bemerkung Nr. 34 der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen zu Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) (Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung),

unter Hinweis auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und die darin enthaltenen Verpflichtungen, zu denen auch die Förderung friedlicher und inklusiver Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung zählt, indem unter anderem der Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen und der Schutz der Grundfreiheiten sichergestellt wird,

unter Hinweis auf die vom Europarat geleistete Arbeit zur Förderung des Schutzes und der Sicherheit von Journalisten, einschließlich der Empfehlung CM/Rec(2018)1 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zum Medienpluralismus und zur Transparenz im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse im Medienbereich sowie der Erklärung des Ministerkomitees zur finanziellen Tragfähigkeit von hochwertigem Journalismus im digitalen Zeitalter, der Empfehlung CM/Rec(2016)4 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zum Schutz des Journalismus und zur Sicherheit von Journalisten und anderen Medienakteuren sowie dessen Jahresbericht 2020 mit dem Titel „Hands off Press Freedom: Attacks on media in Europe must not become a new normal“ (Hände weg von der Pressefreiheit: Angriffe auf die Medien in Europa dürfen keinesfalls zur neuen Normalität werden),

unter Hinweis auf die Entschließung 2300 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 1. Oktober 2019 zur Verbesserung des Schutzes von Hinweisgebern in ganz Europa,

unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 10. Juni 2020 mit dem Titel „Bekämpfung von Desinformation im Zusammenhang mit COVID-19 — Fakten statt Fiktion“ (JOIN(2020)0008),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 29. Januar 2020, die das Arbeitsprogramm der Kommission für 2020 enthält (COM(2020)0027),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 17. Juli 2019 mit dem Titel „Die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in der Union: Ein Konzept für das weitere Vorgehen“ (COM(2019)0343),

unter Hinweis auf die Strategie der Kommission für die Gleichstellung der Geschlechter im Zeitraum 2020–2025,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 26. April 2018 mit dem Titel „Bekämpfung von Desinformation im Internet: ein europäisches Konzept“ (COM(2018)0236),

unter Hinweis auf den am 26. September 2018 vereinbarten Verhaltenskodex der Kommission zum Vorgehen gegen Desinformation im Internet,

unter Hinweis auf die Empfehlung der Kommission vom 1. März 2018 für wirksame Maßnahmen im Umgang mit illegalen Online-Inhalten (C(2018)1177),

unter Hinweis auf den Aktionsplan der Kommission vom 5. Dezember 2018 zur Bekämpfung von Desinformation,

unter Hinweis auf den von der Kommission im Mai 2016 veröffentlichten Verhaltenskodex für das Vorgehen gegen illegale Hassreden im Internet und das aus dessen vierter Evaluierung hervorgegangene Dokument mit dem Titel „Factsheet — 4th monitoring round of the Code of Conduct“ (Informationsblatt — vierte Überprüfung des Verhaltenskodexes),

unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (1),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, AVMD-Richtlinie) (2) und die Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU (3),

unter Hinweis auf den Bericht der Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste von 2020 mit dem Titel „Disinformation: Assessment of the implementation of the Code of Practice“ (Desinformation: Bewertung der Umsetzung des Verhaltenskodexes),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 25. Mai 2020 zur Medienkompetenz in einer sich ständig wandelnden Welt,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 14. November 2018 zur Stärkung europäischer Inhalte für die Digitalwirtschaft, in denen die Bedeutung von Inhalten, die von den Medien „sowie von anderen Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft“ geschaffen werden, als „tragende Säulen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung Europas“ anerkannt werden,

unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (4),

unter Hinweis auf die Menschenrechtsleitlinien der EU in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung — online und offline, die am 12. Mai 2014 angenommen wurden und in denen die künstlerische Freiheit neben der Medienfreiheit als wesentlicher Bestandteil der freien Meinungsäußerung anerkannt wird,

unter Hinweis auf den aktualisierten Sonderbericht des EAD vom 24. April 2020 mit dem Titel „Short Assessment of Narratives and Disinformation around the COVID-19/Coronavirus Pandemic“ (Kurze Bewertung der Narrative und Desinformationen rund um die COVID-19/Coronavirus-Pandemie),

unter Hinweis auf die Tätigkeit der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte,

unter Hinweis auf die von „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlichte Rangliste der Pressefreiheit sowie die Ergebnisse des Überwachungsmechanismus für Medienpluralismus („Media Pluralism Monitor“) des Zentrums für Medienpluralismus und -freiheit am Europäischen Hochschulinstitut;

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2020 zu abgestimmten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen, (5)

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Januar 2020 zu den laufenden Anhörungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV zu Polen und Ungarn (6),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Dezember 2019 zur öffentlichen Diskriminierung von und Hetze gegen LGBTI-Personen sowie zu LGBTI-freien Zonen (7),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Dezember 2019 zur Rechtsstaatlichkeit in Malta nach den jüngsten Enthüllungen im Zusammenhang mit der Ermordung von Daphne Caruana Galizia (8),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. November 2019 zum Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul und zu weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt (9),

unter Hinweis auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Oktober 2019 zur Einmischung des Auslands in Wahlen und zur Desinformation in den demokratischen Prozessen der Mitgliedstaaten und Europas (10),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. September 2019 zur Bedeutung des europäischen Geschichtsbewusstseins für die Zukunft Europas (11),

unter Hinweis seine Entschließung vom 28. März 2019 zur Lage in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit und die Bekämpfung der Korruption in der EU, insbesondere in Malta und in der Slowakei (12),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Januar 2019 zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2017 (13),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2018 zur Gleichstellung der Geschlechter in der Medienbranche in der EU (14),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. September 2018 zu Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Mobbing und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, in öffentlichen Räumen und im politischen Leben in der EU (15),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. November 2018 zu der Notwendigkeit eines umfassenden EU-Mechanismus zum Schutz der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte (16),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2018 zu der Nutzung der Daten von Facebook-Nutzern durch Cambridge Analytica und den Auswirkungen auf den Datenschutz (17),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. Mai 2018 zu der Freiheit und zum Pluralismus der Medien in der Europäischen Union (18),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. April 2018 zum Schutz investigativ tätiger Journalisten in Europa: der Fall des slowakischen Journalisten Ján Kuciak und von Martina Kušnírová (19),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Dezember 2017 zu dem Bericht über die Unionsbürgerschaft 2017: Stärkung der Bürgerrechte in einer Union des demokratischen Wandels (20),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. Oktober 2017 zur Bekämpfung der Cyberkriminalität (21),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Juni 2017 zu Online-Plattformen im digitalen Binnenmarkt (22),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. März 2017 zu den Folgen von Massendaten für die Grundrechte: Privatsphäre, Datenschutz, Nichtdiskriminierung, Sicherheit und Rechtsdurchsetzung (23),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. November 2017 zur Rechtsstaatlichkeit in Malta (24),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2016 mit Empfehlungen an die Kommission zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte (25),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2013 zu organisiertem Verbrechen, Korruption und Geldwäsche: Empfohlene Maßnahmen und Initiativen (26),

unter Hinweis auf die Studie der Fachabteilung Bürgerrechte und konstitutionelle Angelegenheiten des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2019 mit dem Titel „Desinformation und Propaganda — Auswirkungen auf das Funktionieren der Rechtsstaatlichkeit in der EU und ihren Mitgliedstaaten“,

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für Kultur und Bildung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0205/2020),

A.

in der Erwägung, dass die Freiheit, der Pluralismus und die Unabhängigkeit der Medien sowie die Sicherheit von Journalisten wesentliche Bestandteile des Rechts auf freie Meinungsäußerung und auf Information sind und für die demokratische Funktionsweise der EU und ihrer Mitgliedstaaten unabdingbar sind; in der Erwägung, dass eine der wichtigsten demokratischen Aufgaben der Medien darin besteht, Transparenz und demokratische Rechenschaftspflicht zu stärken; in der Erwägung, dass den Medien in demokratischen Gesellschaften eine wesentliche Bedeutung zukommt, da sie Missstände öffentlich machen und gleichzeitig dazu beitragen, die Bürger zu informieren und ihre Rolle zu stärken, indem sie ihr Verständnis von der gegenwärtigen politischen und sozialen Landschaft erweitern und ihre bewusste Beteiligung am demokratischen Leben fördern;

B.

in der Erwägung, dass in der Krise deutlich zutage getreten ist, welch maßgebliche Rolle Journalisten dabei spielen, die Bürger mit verlässlichen und geprüften Informationen zu versorgen; in der Erwägung, dass daher mehr getan werden muss, um für sichere und angemessene Arbeitsbedingungen für Journalisten zu sorgen; in der Erwägung, dass dem investigativen Journalismus im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Korruption und Missständen in der Verwaltungstätigkeit in der EU besondere Beachtung geschenkt werden sollte;

C.

in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten die Medienfreiheit auf wirtschaftlichem Wege einschränken, z. B. durch eine den Wettbewerb verändernde ungleiche Vergabe öffentlicher Werbung an Medienunternehmen, und unmittelbare Kontrolle auf öffentliche Medien ausüben, um redaktionelle Entscheidungen zu beeinflussen und so die Loyalität gegenüber der Regierung sicherzustellen; in der Erwägung, dass die Behörden einen Rechts- und Regelungsrahmen annehmen sollten, mit dem die Entwicklung freier, unabhängiger und pluralistischer Medien gefördert wird;

D.

in der Erwägung, dass alle Mitgliedstaaten die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Werte einhalten müssen;

E.

in der Erwägung, dass Medienvereinnahmung, fehlende institutionelle Transparenz, Hetze und Desinformation als Instrumente für eine Verschärfung der Polarisierung zunehmend für politische Zwecke genutzt werden; in der Erwägung, dass das Vorgehen gegen diese Phänomene nicht nur im Bereich der Menschenrechte von Bedeutung ist, sondern auch ein wesentlicher Faktor bei der Verteidigung der Rechtstaatlichkeit und der Demokratie in der EU ist;

F.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie der Rangliste der Pressefreiheit 2020 zufolge viele andere Krisen, die das Recht auf auf freier Berichterstattung beruhende, unabhängige, vielfältige und verlässliche Informationen bedrohen, aufgezeigt und verschärft hat; in der Erwägung, dass die Rangliste erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten offenbart hat, von denen einige zu den weltweit bestplatzierten Ländern gehören, während andere weiter unten in der Liste rangieren, wobei die Lücke zwischen dem bestplatzierten und dem am schlechtesten platzierten Mitgliedstaat über 100 Plätze beträgt; in der Erwägung, dass mehrere Mitgliedstaaten in den internationalen Ranglisten der Pressefreiheit Plätze eingebüßt haben;

G.

in der Erwägung, dass sich die Medienfreiheit in den letzten Jahren verschlechtert hat und dass die COVID-19-Pandemie diese Entwicklung noch verschärft hat, aber auch die Bedeutung der Medien und des Rechts auf Zugang zu verlässlichen Informationen in den Vordergrund gerückt hat;

H.

in der Erwägung, dass aus dem Reuters Institute Digital News Report 2019 hervorgeht, dass das Vertrauen in die Nachrichten im Allgemeinen (weltweit) gegenüber 2018 um zwei Prozentpunkte auf 42 % gesunken ist und weniger als die Hälfte der Befragten (49 %) den Nachrichtenmedien vertraut, die sie selbst nutzt; in der Erwägung, dass den Nachrichten, die über Suchmaschinen (33 %) und über soziale Medien (23 %) gefunden werden, unverändert äußerst wenig Vertrauen geschenkt wird;

I.

in der Erwägung, dass Transparenz im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse im Medienbereich eine Grundvoraussetzung für Medienpluralismus und unabhängigen Journalismus ist;

J.

in der Erwägung, dass Journalisten und andere Medienakteure in der EU infolge der Ausübung ihrer Tätigkeit zum Schutz des öffentlichen Interesses nach wie vor Gewalt, Bedrohung, Schikanen, Druck, (Selbst-)Zensur und öffentlicher Anprangerung ausgesetzt sind oder sogar ermordet werden; in der Erwägung, dass die Einschüchterung von Journalisten in den letzten Jahren zugenommen hat, wodurch sie zum Schweigen gebracht werden sollen, und dass daher dringend gehandelt werden muss, damit die unabhängigen Medien auch künftig einen wichtigen Beitrag zur Wahrung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit leisten können; in der Erwägung, dass die Morde an Daphne Caruana Galizia und Ján Kuciak zwei äußerst tragische Beispiele dafür sind, in welchem Ausmaß investigativ tätige Journalisten ins Visier genommen werden, wenn sie zum Schutz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Korruption aufdecken;

K.

in der Erwägung, dass zu den Bedrohungen der Medienfreiheit das Schikanieren von und Angriffe auf Journalisten, die Missachtung ihres rechtlichen Schutzes sowie die Vereinnahmung von Medien und politisch motivierte Maßnahmen in der Medienbranche gehören;

L.

in der Erwägung, dass weibliche Journalisten mit geschlechtsspezifischen Formen der Gewalt, z. B. sexueller Belästigung oder Belästigung im Internet, konfrontiert sind; in der Erwägung, dass mehr als 70 % der in der Medienbranche beschäftigten Frauen mehr als eine Art von Belästigungen, Bedrohungen oder Angriffen im Internet erlebt haben; in der Erwägung, dass allein im vergangenen Jahr 52 % der Frauen diese Art von Angriffen erlebt haben; in der Erwägung, dass Belästigung und Missbrauch im Internet oft stark sexualisiert sind und sich nicht auf die Arbeit der Opfer beziehen, sondern auf ihre körperlichen Eigenschaften, ihren kulturellen Hintergrund oder ihr Privatleben; in der Erwägung, dass solche Bedrohungen zur Selbstzensur von Journalistinnen führen und eine lähmende Wirkung im Hinblick auf die Presse- und Meinungsfreiheit haben; in der Erwägung, dass Forschungsergebnisse immer wieder belegen, dass Frauen in allen Medienbereichen, insbesondere in kreativen Funktionen, in der Minderheit sind, und dass sie auf den höheren Entscheidungsebenen stark unterrepräsentiert sind (27);

M.

in der Erwägung, dass in mehreren Mitgliedstaaten strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung (Strategic Lawsuits Against Public Participation — SLAPP) eine gängige Praxis darstellen, um Journalisten Angst zu machen und sie so davon abzuhalten, Fälle von Korruption und andere Angelegenheiten von öffentlichem Interesse weiter zu untersuchen;

N.

in der Erwägung, dass Journalisten nicht nur Gewalt, Einschüchterung und Schikanen ausgesetzt sind, sondern darüber hinaus die Täter nicht strafrechtlich verfolgt werden, und dass diese Straflosigkeit eine lähmende Wirkung hat; in der Erwägung, dass die OSZE u. a. angesichts des Umstands, dass in der OSZE-Region weniger als 15 % der Morde an Journalisten aufgeklärt werden, darauf hinweist, dass Straflosigkeit vorherrscht;

O.

in der Erwägung, dass das Recht von Journalisten, zu berichten und investigativ tätig zu sein, weiter gestärkt und wirksam geschützt werden muss;

P.

in der Erwägung, dass zur Stärkung der Medienfreiheit verlässliche und detaillierte Informationen über den Umfang und die Art der Herausforderungen, vor denen die einzelnen Mitgliedstaaten und die Europäischen Union insgesamt stehen, erforderlich sind, auch über Fälle, in denen gegen die Grundsätze der Unabhängigkeit der Medien verstoßen oder die Grundrechte von Journalisten verletzt wurden;

Q.

in der Erwägung, dass die künstlerische Freiheit ein integraler Bestandteil des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung ist und für die kulturelle Vielfalt und das demokratische Wohlergehen Europas von wesentlicher Bedeutung ist; in der Erwägung, dass Angriffe auf die künstlerische Freiheit zwar um sich greifen, aber unsichtbar bleiben;

R.

in der Erwägung, dass die globale COVID-19-Krise verheerende soziale und wirtschaftliche Auswirkungen auf die Medienbranche hat; in der Erwägung, dass Medienunternehmen erhebliche Einbußen bei ihren Werbeeinnahmen melden; in der Erwägung, dass Tausende von Medienschaffenden ihren Arbeitsplatz bereits vorübergehend oder dauerhaft verloren haben oder Gefahr laufen, diesen zu verlieren; in der Erwägung, dass freiberufliche Journalisten, deren Anzahl zunimmt und die bereits einen wesentlichen Anteil aller Journalisten und Medienschaffenden in Europa ausmachen, von dieser Lage besonders stark betroffen sind; in der Erwägung, dass dadurch die ernste Gefahr besteht, dass der Konzentration von Informationen in den Händen einiger Weniger weiter Vorschub geleistet und die Verbreitung freier und unabhängiger Informationen verhindert wird; in der Erwägung, dass die finanzielle Tragfähigkeit der Arbeitsplätze und die finanzielle Unabhängigkeit entscheidende Elemente der Pressefreiheit sind;

S.

in der Erwägung, dass die Einnahmen aus digitaler Werbung häufig Akteuren außerhalb der EU zugutekommen und die Einnahmen der europäischen Medien stark zurückgehen, was die Zukunft traditioneller werbefinanzierter Medienunternehmen, etwa kommerzieller Fernsehsender, Zeitungen und Zeitschriften, gefährdet;

T.

in der Erwägung, dass in einigen Mitgliedstaaten die staatlichen Beihilfen für Medienunternehmen nicht transparent gehandhabt werden, was deren Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit ernsthaft in Frage stellt;

U.

in der Erwägung, dass das Geschäftsmodell der Plattformen der sozialen Medien, das auf mittels Mikrotargeting personalisierter Werbung beruht, unter anderem durch die Verbreitung illegaler Inhalte zur Verbreitung und Verschärfung von Hetze beiträgt, damit Diskriminierung und Gewalt begünstigt und der Radikalisierung Vorschub leistet, was wiederum zu gewaltbereitem Extremismus führt; in der Erwägung, dass das Vorgehen gegen sämtliche Formen von Intoleranz gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einen wesentlichen Teil des Schutzes der Menschenrechte darstellt;

V.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie unter anderem durch die Medien zu einer Stigmatisierung bestimmter besonders schutzbedürftiger Personen geführt hat, was die Polarisierung der europäischen Gesellschaft und die Verbreitung von Hetze verschärft hat;

W.

in der Erwägung, dass sich das Phänomen der Cyber-Gewalt (einschließlich Hetze im Internet, Cyberstalking, und Belästigung im Internet) immer weiter verbreitet; in der Erwägung, dass Frauen in öffentlichen Positionen — unter anderem Politikerinnen, Journalistinnen und Aktivistinnen, die für Frauenrechte und die Rechte sexueller Minderheiten eintreten — gegenwärtig zu einem Hauptziel von Cybermobbing und Gewalt im Internet werden;

X.

in der Erwägung, dass die Behörden in sämtlichen Mitgliedstaaten gemäß der AVMD-Richtlinie dafür sorgen müssen, dass audiovisuelle Mediendienste und Video-Sharing-Plattformen Maßnahmen ergreifen, um die breite Öffentlichkeit vor Programmen, nutzergenerierten Videos und audiovisueller kommerzieller Kommunikation zu schützen, die zu Gewalt oder Hass gegen eine Gruppe von Personen oder Mitglieder einer Gruppe aus den in Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union genannten Gründen aufstacheln; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten gemäß der AVMD-Richtlinie verpflichtet sind, die Unabhängigkeit der Medienregulierungsstellen sicherzustellen;

Y.

in der Erwägung, dass die Verbreitung von Fehlinformationen und Desinformationen sowie unverhältnismäßige Maßnahmen zu deren Bekämpfung auf digitalen Plattformen die Informationsfreiheit, den demokratischen Diskurs und die Unabhängigkeit der Medien gefährden und hochwertige traditionelle Medien noch unentbehrlicher machen; in der Erwägung, dass Datenanalysen und Algorithmen einen zunehmenden Einfluss auf die den Bürgern zugänglich gemachten Informationen haben;

Z.

in der Erwägung, dass die massive Verbreitung von Nachrichten aus unterschiedlichen Quellen, die schwer zu überprüfen sind, sowie die stetig zunehmende Bedeutung von sozialen Medien und Kommunikationsplattformen negative Auswirkungen auf die Grundrechte der Unionsbürger haben; in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie die Auswirkungen von Desinformation im Internet verstärkt hat, was mitunter schwerwiegende Folgen für die öffentliche Gesundheit hat, und dass durch die Pandemie noch deutlicher geworden ist, dass der Zugang zu freien und unabhängigen Informationen sichergestellt werden muss, wenn die Grundrechte der Bürger geschützt werden sollen; in der Erwägung, dass das Fehlen einer koordinierten Kommunikationsstrategie auf der Ebene der EU die Welle der pandemiebezogenen Desinformation, insbesondere über soziale Medien und Kommunikationsplattformen, begünstigt hat;

AA.

in der Erwägung, dass gegen Desinformationen und Fehlinformationen über die COVID-19-Pandemie vorgegangen werden muss, da sie Panik und sozialen Unfrieden verursachen können; in der Erwägung, dass Maßnahmen zum Vorgehen gegen Desinformationen und Fehlinformationen nicht als Vorwand dienen dürfen, um unverhältnismäßige Beschränkungen der Pressefreiheit einzuführen, den Pluralismus der Medien zu untergraben und die Sicherheit von Journalisten aufs Spiel zu setzen; in der Erwägung, dass aus Berichten hervorgeht, dass in den EU-Mitgliedstaaten und in benachbarten Regionen koordinierte Kampagnen durchgeführt wurden, in deren Rahmen falsche Informationen über die gesundheitliche Lage und Desinformationen über die EU und ihre Partner verbreitet wurden; in der Erwägung, dass die Kommission diese Phänomene in ihrer jüngsten gemeinsamen Mitteilung zur Bekämpfung von Desinformation im Zusammenhang mit COVID-19 aufgegriffen hat; in der Erwägung, dass sich einige Regierungen die Notstandsregelungen zunutze gemacht haben, und dass einige der Einschränkungen zwar nur vorübergehend gelten, bei anderen jedoch die Gefahr besteht, dass sie bis weit über das Ende der Gesundheitskrise hinaus verlängert werden; in der Erwägung, dass der Pluralismus der Informationsquellen, die Rechenschaftspflicht und die institutionelle Transparenz zusammen ein wichtiges Instrument zur Abwehr von Desinformation darstellen;

AB.

in der Erwägung, dass tatsächlich unabhängige, angemessen finanzierte öffentlich-rechtliche Medien, die über verschiedene Plattformen tätig werden, von zentraler Bedeutung für eine funktionierende Demokratie in der EU sind;

Medienfreiheit, Medienpluralismus und der Schutz von Journalisten in Europa

1.

bekräftigt seine anhaltende tiefe Besorgnis über die Lage der Medienfreiheit in der EU angesichts der Angriffe und missbräuchlichen Verhaltensweisen, denen Journalisten und Medienschaffende in einigen Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Arbeit nach wie vor ausgesetzt sind, sowie darüber, dass der Beruf öffentlich immer stärker verunglimpft wird und allgemein an Ansehen verliert, was insbesondere den lokalen, investigativen und grenzübergreifenden Journalismus stark belastet; betont, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Empfehlung des Europarats vom 7. März 2018 zum Medienpluralismus und zur Transparenz im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse im Medienbereich die positive Verpflichtung haben, offline und online ein die Meinungsfreiheit begünstigendes Umfeld zu fördern, in dem jeder von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen kann, und fordert die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlung uneingeschränkt zu unterstützen und anzunehmen;

2.

ist zutiefst erschüttert über die Morde an Daphne Caruana Galizia in Malta sowie an Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová in der Slowakei aufgrund ihrer investigativen Arbeit, mit der sie Korruptionsfälle und andere Verbrechen aufgedeckt haben, und bekräftigt, dass eine unabhängige Untersuchung durchgeführt werden muss, um die Täter und die Drahtzieher hinter diesen Verbrechen vor Gericht zu stellen; fordert die nationalen Strafverfolgungsbehörden auf, uneingeschränkt mit Europol und anderen einschlägigen internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten;

3.

bedauert, dass Journalisten und Medienschaffende oft unter prekären Bedingungen arbeiten, wodurch ihre Fähigkeit, ihre Tätigkeit angemessen auszuführen, und damit auch die Medienfreiheit beeinträchtigt wird; betont, dass angemessene Arbeitsbedingungen für Journalisten und Medienschaffende unerlässlich sind, wenn es darum geht, hochwertigen Journalismus zu fördern; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, tragfähige Maßnahmen zur Finanzierung und Unterstützung eines hochwertigen und unabhängigen Journalismus zu fördern;

4.

weist erneut darauf hin, dass der Investigativjournalismus bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität eine entscheidende Rolle spielt, indem er einschlägige Informationen sammelt und miteinander verknüpft und so kriminelle Netzwerke und rechtswidrige Aktivitäten aufdeckt; betont, dass investigativ tätige Journalisten aufgrund dieser Tätigkeiten einem erhöhten persönlichen Risiko ausgesetzt sind;

5.

unterstreicht, dass investigativ tätige Journalisten eine entscheidende Rolle spielen, indem sie Entscheidungsträger zur Rechenschaft ziehen und ihre Funktion als Wächter der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ausüben;

6.

bekräftigt mit Nachdruck seine Forderung an die Kommission, Versuche von Regierungen der Mitgliedstaaten, der Medienfreiheit und dem Medienpluralismus zu schaden, als ernsthaften und systematischen Machtmissbrauch und als Verstoß gegen die in Artikel 2 EUV verankerten Grundwerte der EU zu behandeln; begrüßt daher die Absicht der Kommission, in ihren jährlichen Bericht über die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der EU ein Kapitel aufzunehmen, das konkret die Beobachtung der Medienfreiheit und des Medienpluralismus zum Gegenstand hat; schlägt vor, dass in diesem Zusammenhang ein von unten nach oben angelegtes Konzept verfolgt wird, das die Ansichten und die Vielfalt der Menschen widerspiegelt, so dass die Herausforderungen, denen Journalisten und die Medienbranche gegenüberstehen, wirksam erfasst werden; fordert darüber hinaus, dass in dieses Kapitel länderspezifische Empfehlungen und wirksame Maßnahmen und eine Bewertung der Transparenz im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse im Medienbereich sowie das Ausmaß der Beeinflussung durch staatliche und private Akteure in den EU-Mitgliedstaaten aufgenommen werden; bestärkt die Kommission darin, aktiv mit dem Europarat zusammenzuarbeiten, bewährte Verfahren auszutauschen und sicherzustellen, dass sich die ergriffenen Maßnahmen gegenseitig ergänzen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, einen verlässlichen Rahmen für den Schutz der Medienfreiheit und des Medienpluralismus zu entwickeln und aufrechtzuerhalten; fordert die Kommission auf, darauf hinzuwirken, dass auf Unionsebene Standards und Richtwerte für die Medienfreiheit sowie Anreize für eine stärkere Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten eingeführt werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die bereits entwickelten Instrumente für die Förderung und den Schutz der in Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in Artikel 10 der EMRK verankerten Rechte und Freiheiten, wie den Überwachungsmechanismus für Medienpluralismus und die Plattform des Europarates für den Schutz des Journalismus und die Sicherheit von Journalisten, uneingeschränkt zu unterstützen und zu stärken und rasch auf mögliche Bedrohungen und Verletzungen dieser Rechte und Freiheiten zu reagieren; fordert die Kommission nachdrücklich auf, den Auswirkungen der im Jahr 2020 im Rahmen der COVID-19-Pandemie ergriffenen Notfallmaßnahmen auf die Pressefreiheit, die institutionelle Transparenz, die Rechenschaftspflicht, den Medienpluralismus und die Sicherheit von Journalisten Rechnung zu tragen, auch durch einen Überblick über die Angriffe gegen Journalisten in der gesamten EU und die entsprechenden Reaktionen der Mitgliedstaaten; bekräftigt die wiederholte Forderung des Europäischen Parlaments nach einem dauerhaften, unabhängigen und umfassenden Mechanismus, der die Bereiche Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte in der EU abdeckt; ist der Ansicht, dass im Rahmen des EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte die Medienfreiheit, einschließlich der künstlerischen Freiheit, als wesentliche Säule demokratischer Systeme berücksichtigt werden muss; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, Informationen und Statistiken über die Medienfreiheit und den Medienpluralismus in sämtlichen Mitgliedstaaten zusammenzutragen;

7.

betont, dass die öffentlich-rechtlichen Medien unersetzlich sind und dass ihre Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme sichergestellt und aufrechterhalten werden muss; betont außerdem, dass für die finanzielle Unabhängigkeit privater Marktteilnehmer gesorgt werden muss und entsprechende Bedingungen geschaffen werden müssen, damit sie dauerhaft tätig sein können und es nicht zu einer Medienvereinnahmung kommt; bekräftigt in diesem Zusammenhang die Forderung des Parlaments nach einem ehrgeizigen EU-Aktionsplan im Bereich Medien; verurteilt die Versuche der Regierungen einiger Mitgliedstaaten, kritische und unabhängige Medien zum Schweigen zu bringen und die Medienfreiheit und den Medienpluralismus zu untergraben; warnt vor Versuchen, diese Medien indirekt durch finanzielle Schirmherrschaft unter Kontrolle zu bringen, und verurteilt insbesondere die Versuche, öffentlich-rechtliche Medien zu kontrollieren; bedauert, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einigen Mitgliedstaaten zu einem regierungsfreundlichen Propagandakanal geworden ist, mit dem häufig Oppositions- und Minderheitengruppen aus der Gesellschaft ausgegrenzt oder in einem diffamierenden Kontext dargestellt werden und in manchen Fällen sogar zu Gewalt aufgerufen wird; unterstreicht, dass insbesondere in ländlichen Gebieten einiger Mitgliedstaaten der Zugang zu Informationen auf öffentliche Propaganda beschränkt ist und Sprachbarrieren den Zugang zu internationalen Nachrichten erschweren; weist erneut darauf hin, dass der Zugang zu Informationen und hochwertigem Journalismus von überragender Bedeutung für die Demokratie ist; hebt hervor, dass es in einigen Mitgliedstaaten keine Verpflichtung zur Analyse der Inhalte von Medienkanälen gibt, mit der, insbesondere in Wahlkämpfen, vergleichbare öffentliche Daten in Bezug auf eine ausgewogene Präsenz von regierungsfreundlichen und oppositionellen Stimmen in Rundfunk und Fernsehen erhoben werden könnten;

8.

weist auf die in der Entschließung 2255 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 23. Januar 2019 enthaltenen Empfehlungen hin, mit denen die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die redaktionelle Unabhängigkeit sowie eine ausreichende und dauerhafte Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien sicherzustellen; hebt hervor, dass nationale, regionale und lokale Medien, und insbesondere die öffentlich-rechtlichen Medien, die wichtige Aufgabe haben, dem öffentlichen Interesse zu dienen und der kulturellen, sprachlichen, gesellschaftlichen und politischen Vielfalt unserer Gesellschaften angemessen Rechnung zu tragen; betont, dass die Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien als vertrauenswürdige Akteure im Sinne des Allgemeinwohls und des breiten öffentlichen Interesses in den Mitgliedstaaten durch eine angemessene und nachhaltige Finanzierung, die frei von politischer Einflussnahme erfolgt, aufgewertet würde; fordert die Mitgliedstaaten daher auf, auf Finanzierungsmodelle zurückzugreifen, bei denen die öffentlich-rechtlichen Medien aus Quellen finanziert werden, die nicht von der politischen Entscheidungsebene abhängig sind; betont, dass es unerlässlich ist, die Unabhängigkeit von Behörden und eine starke unabhängige Medienaufsicht sicherzustellen, um eine ungebührliche Einflussnahme durch den Staat oder durch Wirtschaftsakteure oder Versuche der Einmischung in die redaktionelle Arbeit zu unterbinden; fordert die Kommission auf, einen Rechtsrahmen zur Überwachung der Tätigkeiten von öffentlich-rechtlichen Medienanbietern vorzulegen, in dem auch berücksichtigt wird, ob die Kriterien für eine umsichtige Leitung und eine aufgabenbasierte Finanzierung erfüllt sind und ob die Dienste den Erwartungen an einen faktengestützten, gerechten und ethischen Journalismus entsprechen;

9.

verurteilt, dass es in bestimmten Mitgliedstaaten an ausgewogenen politischen Debatten in den Medien mangelt und dass in der Praxis der Zugang zu Informationen aufgrund politischer Motive eingeschränkt wird, etwa indem die Einsichtnahme in Daten von öffentlichem Interesse verwehrt wird, Verzögerungstaktiken angewendet werden, der Umfang der angeforderten Daten auf ungerechtfertigte Weise eingeschränkt wird, Journalisten aus öffentlichen Einrichtungen wie Parlamenten verbannt werden, die Möglichkeiten von Journalisten, Politiker und Regierungsmitglieder zu interviewen, eingeschränkt werden und indem Medienkanälen — auch solchen mit erheblicher nationaler Reichweite –, die nicht regierungsfreundlich berichten, Interviews verweigert werden; unterstreicht, dass die Behörden die Transparenz ihrer Tätigkeit sicherstellen müssen, um auf diese Weise einen Beitrag zur Stärkung des Vertrauens der Bürger zu leisten, da der freie Informationsfluss zum Schutz von Leben und Gesundheit beiträgt und soziale, wirtschaftliche und politische Debatten und Entscheidungen erleichtert und fördert; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Journalisten und Medienkanäle angemessenen Zugang zu Parlamentsdebatten, zu Parlamentsmitgliedern und hochrangigen Regierungsvertretern, zu Daten von öffentlichem Interesse und zu öffentlichen Veranstaltungen und Pressekonferenzen, insbesondere denen der Regierung, haben, da eine Einschränkung dieses Zugangs dem Gedanken der Medienfreiheit zuwiderläuft;

10.

bekräftigt seine Besorgnis darüber, dass in der EU auf nationaler Ebene spezifische rechtliche oder politische Rahmen fehlen, durch die Journalisten und Medienschaffende vor Gewalt, Bedrohung und Einschüchterung geschützt würden; fordert Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Vertreter der Obrigkeit auf, Journalisten nicht zu verunglimpfen, da dadurch das Vertrauen der gesamten Gesellschaft in die Medien untergraben wird; hebt die wichtige Rolle hervor, die Journalisten bei der Berichterstattung über Proteste und Demonstrationen spielen, und fordert ihren Schutz, damit sie ihrer Aufgabe angstfrei nachkommen können; fordert die Mitgliedstaaten auf, spezielle Schulungsprogramme für die Strafverfolgungsbehörden vorzusehen, die für den Schutz von Journalisten zuständig sind; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, — per Gesetz und in der Praxis und auch im grenzübergreifenden Kontext — für einen wirksamen Schutz und die Sicherheit von Journalisten und anderen Medienakteuren sowie von deren Quellen zu sorgen; vertritt in diesem Zusammenhang entschieden die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten verbieten sollten, dass als einer Form der Einschüchterung Privatdetektive damit beauftragt werden, Informationen über die berufliche Tätigkeit von Journalisten oder über deren Quellen zu beschaffen;

11.

erklärt sich tief besorgt über die Zunahme der politischen Angriffe auf die Medien und bedauert den mangelnden Schutz journalistischer Quellen; weist erneut darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, Angriffe — wie Drohungen, Tötung, Belästigung, Einschüchterung und Misshandlung — auf Journalisten umgehend, unparteiisch und wirksam zu untersuchen, und fordert die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, die Bemühungen um die Beendigung der Angriffe auf Journalisten und Medienschaffende zu verstärken, die Rechenschaftspflicht zu gewährleisten und dafür Sorge zu tragen, dass die Opfer und ihre Angehörigen Zugang zu geeigneten Rechtsmitteln haben; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Meldemechanismen zugänglich sind; fordert die Umsetzung der Menschenrechtsleitlinien der EU in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung — online und offline, in denen betont wird, dass die EU sowohl im Hinblick auf Schutzmaßnahmen als auch auf die Durchsetzung von wirksamen Ermittlungen im Fall von Verstößen alle geeigneten Schritte unternehmen wird, um den Schutz von Journalisten sicherzustellen; hebt hervor, dass Journalistinnen besonders anfällig für Belästigungen und Einschüchterungen sind und daher besonders geschützt werden sollten; ist äußerst besorgt über die Zunahme der Angriffe auf Journalistinnen und weibliche Medienschaffende; fordert die Mitgliedstaaten erneut auf, bei der Ausarbeitung von Maßnahmen zur Förderung der Sicherheit von Journalisten einen Ansatz zu verfolgen, bei dem die Geschlechterdimension berücksichtigt wird;

12.

fordert die Mitgliedstaaten auf, der Empfehlung des Europarats zum Schutz des Journalismus und zur Sicherheit von Journalisten und anderen Medienakteuren in vollem Umfang nachzukommen und möglichst umgehend die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, in ihre nationalen Rechtsvorschriften umzusetzen, da damit gemeinsame Mindeststandards für ein hohes Maß an Schutz für Hinweisgeber festgelegt werden; betont, dass die Meldung von Missständen für den Investigativjournalismus und die Pressefreiheit von wesentlicher Bedeutung ist;

13.

verurteilt, dass strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung genutzt werden, um Enthüllungsjournalisten zum Schweigen zu bringen oder einzuschüchtern und ein Klima der Angst rund um ihre Berichterstattung über bestimmte Themen zu schüren; fordert die Kommission erneut mit Nachdruck auf, einen umfassenden Vorschlag für einen Rechtsakt mit dem Ziel vorzulegen, EU-weit Mindeststandards zur Bekämpfung strategischer Klagen gegen öffentliche Beteiligung einzuführen;

14.

verweist auf die in seiner Entschließung vom 23. Oktober 2013 zu organisiertem Verbrechen, Korruption und Geldwäsche dargelegten abschließenden Empfehlungen des Sonderausschusses gegen organisiertes Verbrechen, Korruption und Geldwäsche (CRIM), wonach Gesetze über Verleumdung und üble Nachrede mögliche Berichte über Korruption verhindern; bekräftigt seine Forderung an alle Mitgliedstaaten, Verleumdung und üble Nachrede in ihren Rechtssystemen zumindest in den Fällen zu entkriminalisieren, in denen es um Vorwürfe der organisierten Kriminalität, Korruption und Geldwäsche in den Mitgliedstaaten und in Drittstaaten geht;

15.

fordert die Kommission auf, als Krisenreaktionsmechanismus für schutzsuchende Journalisten eine EU-weite Hotline einzurichten und dafür zu sorgen, dass ihrer Situation angemessene Aufmerksamkeit geschenkt wird;

16.

betont, dass eine übermäßige Konzentration des Eigentums in den Bereichen Produktion von Inhalten und Verbreitung von Inhalten den Zugang der Bürger zu breitgefächerten Inhalten gefährden kann; betont, dass der Medienpluralismus, der auf eine breite Streuung der Eigentumsverhältnisse im Bereich der Medien und auf die Vielfalt der Inhalte sowie auf unabhängigen Journalismus angewiesen ist, der Schlüssel dafür ist, der Verbreitung von Desinformation entgegenzuwirken und dafür zu sorgen, dass die Unionbürger gut informiert sind; weist darauf hin, dass dem Überwachungsmechanismus für Medienpluralismus 2020 zufolge die Konzentration von Eigentumsverhältnissen im Medienbereich noch immer eine der bedeutsamsten Gefahren für den Medienpluralismus darstellt und als Ursache für Hindernisse für die Informationsvielfalt gilt; fordert die Mitgliedstaaten auf, Regelungsrahmen für Eigentumsverhältnisse im Medienbereich anzunehmen und umzusetzen, mit denen eine horizontale Konzentration der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich verhindert wird und die Transparenz, die Offenlegung und der einfache Zugang der Bürger zu Informationen über Eigentumsverhältnisse im Medienbereich, Finanzierungsquellen und Verwaltung sichergestellt werden; fordert die Kommission auf, die Umsetzung der vorhandenen EU-Instrumente gegen die Konzentration von Eigentumsverhältnissen und unzulässige staatliche Beihilfen auf Ebene der Mitgliedstaaten zu überwachen, um die Vielfalt in der Medienlandschaft zu erhöhen; verurteilt etwaige Versuche, Eigentumsverhältnisse im Medienbereich in den Mitgliedstaaten zu monopolisieren oder politischen Einfluss auf die Medienverwaltung auszuüben; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, schnell und entschlossen zu handeln, um die Transparenz im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse im Medienbereich und auf die von Medieneigentümern genutzten Finanzierungsquellen zu verbessern; fordert die Kommission auf, stärkere Anstrengungen zu unternehmen, damit die Medien von sich aus Informationen über ihre Eigentumsstrukturen — einschließlich ihrer wirtschaftlichen Eigentümer — veröffentlichen und klare Vorschriften eingeführt werden, um potenzielle Interessenkonflikte aufgrund der Struktur der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich zu verhindern, wobei besonders darauf geachtet werden sollte, dass es nicht zu politischer Einflussnahme kommt; verurteilt die übermäßige Einflussnahme von Regierungen auf den Medienpluralismus durch staatliche Werbemaßnahmen; fordert die Kommission auf, die Nutzung der für die Unterstützung freier und unabhängiger Medien zugewiesenen EU-Mittel genau zu überwachen, damit die Mittel jene erreichen, die sie benötigen; betont in diesem Zusammenhang, dass EU-Mittel nicht in staatlich kontrollierte Medien und Medien, die politische Propaganda verbreiten, investiert werden dürfen;

17.

bedauert, dass in einigen Mitgliedstaaten die Medienaufsichtsbehörden unter dem Einfluss der Regierung stehen und Medienkanäle, die der Regierung kritisch gegenüberstehen, ungleich behandeln;

18.

ist besorgt über Versuche, einen Vorteil aus der COVID-19-Pandemie zu ziehen, um unabhängige und kritische Medien zu bestrafen, den Zugang der Medien zu Regierungsbeschlüssen und -tätigkeiten sowie die Kontrolle dieser Beschlüsse und Tätigkeiten durch die Medien zu beschränken und Mechanismen zur Förderung der Transparenz von Institutionen durch die Verabschiedung von Ausnahmeregelungen so zu unterdrücken oder abzuschwächen, dass ein ordnungsgemäßer und fundierter Austausch über diese Tätigkeiten behindert wird; betont, dass der Journalismus und ein freier Informationsfluss für die Bemühungen der EU zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie von entscheidender Bedeutung sind; weist darauf hin, dass dem Journalismus auch bei Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit eine entscheidende Funktion zukommt; fordert die Kommission auf, solche Praktiken nationaler Regierungen umfassend zu überwachen und die Ergebnisse in ihre Jahresberichte über die Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen;

19.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dringend Notfallaufbaupakete auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten einzuführen, um die Arbeitsplätze und Existenzgrundlagen von Journalisten und Medienschaffenden zu schützen und Unternehmen und öffentlich-rechtliche Mediendienste im Rahmen des wirtschaftlichen Aufbauplans nach COVID-19 unter uneingeschränkter Wahrung des Wettbewerbsrechts der EU zu unterstützen; hebt hervor, dass bestimmten Medienkanälen und insbesondere lokalen Medienplattformen während der COVID-19-Krise aufgrund des rückläufigen Werbegeschäfts Schätzungen zufolge bis zu 80 % (28) ihrer Einnahmen weggebrochen sind; betont, dass die Unionsbürger angesichts der Pandemie professionelle, wirtschaftlich abgesicherte und unabhängige Journalisten benötigen; bekräftigt in diesem Zusammenhang seine Forderung nach einem dauerhaften europäischen Fonds für Journalisten im Rahmen des nächsten MFR (2021–2027) in seiner nach der COVID-19-Krise überarbeiteten Fassung, mit dem unabhängigen Journalisten und Medienkanälen, Freiberuflern und Selbstständigen in der Medienbranche direkte finanzielle Unterstützung geboten wird; betont, dass die Finanzierung von unabhängigen Organisationen verwaltet werden sollte, damit es nicht zu Interferenzen mit redaktionellen Entscheidungen kommt, und dass nur öffentlich-rechtliche und kommerzielle Medienkanäle unterstützt werden sollten, die tatsächlich unabhängig und frei von Einflussnahme seitens der Regierung oder anderer Akteure sind; weist erneut darauf hin, dass in Mitgliedstaaten, in denen die Medienfreiheit in den letzten Jahren abgenommen hat, die Konzentration von Eigentumsverhältnissen im Medienbereich erheblich zugenommen hat und öffentlich-rechtliche Medien von politischer Einflussnahme bedroht sind, besonderes Gewicht auf unabhängige, insbesondere lokale, Start-ups im Medienbereich gelegt werden sollte;

20.

bekräftigt in diesem Zusammenhang seine Forderung nach einem ehrgeizigen EU-Medienaktionsplan zur Förderung der Entwicklung einer dynamischen und pluralistischen Medienlandschaft;

21.

fordert einen ehrgeizigen MFR mit höheren Haushaltszuweisungen für die Unterstützung der Medien und eines unabhängigen Journalismus, insbesondere Investigativjournalismus; betont, wie wichtig Innovationen im Journalismus und in den Nachrichtenmedien sind und dass diese durch Finanzierung seitens der EU gefördert werden könnten; nimmt bis Besorgnis zur Kenntnis, dass dem überarbeiteten Haushaltsvorschlag der Kommission zufolge die Mittel für das Programm „Kreatives Europa“ und das Programm für Justiz, Rechte und Werte gekürzt werden sollen;

22.

begrüßt die Zuweisung von EU-Mitteln für die Ermöglichung der Einleitung neuer Projekte zur Stärkung von Medienfreiheit und -pluralismus, z. B. des europaweiten Krisenreaktionsmechanismus für Verletzungen der Presse- und Medienfreiheit und des Fonds für einen grenzübergreifenden investigativen Journalismus;

23.

hebt hervor, dass die Medien bei der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und der Bekämpfung von Diskriminierung einen bedeutenden Beitrag leisten müssen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichstellung der Geschlechter im Medienbereich zu fördern, damit mehr Frauen in kreative Positionen und Führungspositionen aufrücken können, wodurch die Medien zum Abbau von Geschlechterstereotypen beitragen könnten;

Hetze

24.

verurteilt alle Arten von Hassverbrechen, Hetze und grundlosen oder bösgläubigen Anschuldigungen (29), offline wie online, aus Gründen der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, die sich in der EU und andernorts ereignen; äußert sich besorgt über die Hassverbrechen und Verbrechen der Aufstachelung zu Diskriminierung oder Gewalt, die sich während der COVID-19-Pandemie ereigneten und die zur Stigmatisierung einiger besonders gefährdeter Personen geführt haben;

25.

bedauert, dass in der politischen Kommunikation von Regierungen und politischen Parteien in der EU immer häufiger auf Hetze zurückgegriffen wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, Hassverbrechen, Hetze und ungerechtfertigte Schuldzuweisungen durch Politiker und Amtsträger auf allen Ebenen und in allen Medien aufs Schärfste zu verurteilen und zu sanktionieren, da diese Phänomene Hass und Gewalt in der Gesellschaft hoffähig machen und weiter verstärken, und von diskriminierenden und anstachelnden Äußerungen in staatlichen Mitteilungen abzusehen, da diese der Gesellschaft schaden; betont, dass Sanktionen stets im Einklang mit den internationalen Standards in Bezug auf das Recht auf freie Meinungsäußerung stehen sollten; fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, innerhalb der gesetzlich festgelegten Grenzen die Meinungsfreiheit einschließlich der künstlerischen Freiheit zu gewährleisten und zu fördern, da sie für eine lebhafte demokratische Debatte von wesentlicher Bedeutung ist; weist darauf hin, dass rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen nicht unter das Recht auf freie Meinungsäußerung fallen;

26.

bekräftigt seine Forderung an die Mitgliedstaaten, weitere Maßnahmen zu ergreifen und durchzusetzen, um Hetze und Hassverbrechen zu verhindern und zu verurteilen, diesen Phänomenen entgegenzuwirken, gegen die Verbreitung von Hetze und Gewalt offline und online vorzugehen und etwa dafür Sorge zu tragen, dass Strafverfolgungsbehörden auf der Grundlage der von der hochrangigen EU-Gruppe zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und anderen Formen der Intoleranz gebilligten Grundsätze wirksame Verfahren zur Aufzeichnung von Hetze einrichten;

27.

hebt hervor, dass sich Online-Hetze in den letzten Jahren immer weiter verbreitet hat, da Einzelpersonen und auf Störung bedachte Akteure die Macht von Online-Plattformen nutzen, um hetzerische Informationen zu verbreiten; betont, dass dies dem Gemeinwohl schadet, da schädliche Inhalte respektvoll geführte öffentliche Debatten untergraben, und dass die öffentliche Sicherheit gefährdet wird, da Online-Hetze Gewalt in der realen Welt zur Folge haben kann;

28.

weist darauf hin, dass der Rechtsrahmen für die Bekämpfung von Hetze und Diskriminierung verstärkt werden sollte; bekräftigt in diesem Zusammenhang seine Forderung, die Verhandlungen über die horizontale Antidiskriminierungsrichtlinie nicht länger zu blockieren;

29.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten erneut auf, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen die Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum und im Internet erhöht wird, gegen neue Formen der geschlechtsbezogenen Gewalt wie Cyberstalking und Online-Belästigung vorgegangen wird und umfassende Verfahren zur Unterstützung der Opfer dieser Formen von Gewalt eingeführt werden;

30.

bekräftigt seine Forderung an die Kommission und den Rat, die in Artikel 83 Absatz 1 AEUV vorgesehene Brückenklausel in Kraft zu setzen, damit Gewalt gegen Frauen und Mädchen und andere Formen der geschlechtsbezogenen Gewalt (einschließlich Cyber-Gewalt) in die Liste der von der EU anerkannten Straftaten aufgenommen werden können;

31.

nimmt den von der Kommission geförderten Verhaltenskodex für die Bekämpfung illegaler Hassreden im Internet sowie dessen fünfte Evaluierung zur Kenntnis, wonach IT-Unternehmen durchschnittlich 71 % der ihnen gemeldeten Beiträge, die illegale Hetze enthalten, entfernen; weist darauf hin, dass Journalisten und zivilgesellschaftliche Organisationen in die Evaluierungen und Überarbeitungen des Verhaltenskodex einbezogen werden sollten und dass die IT-Unternehmen, für die der Verhaltenskodex gilt, Anträge auf Entfernung von Beiträgen nur auf die Übereinstimmung mit ihren Nutzungsbedingungen und Community-Leitlinien hin prüfen; hebt hervor, dass private Unternehmen einen großen Ermessensspielraum haben, wenn es darum geht festzustellen, welche Inhalte illegal sind; fordert alle Unternehmen, die Plattformen der sozialen Medien betreiben, auf, sich dem Verhaltenskodex anzuschließen;

32.

weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten mit allen geeigneten Mitteln dafür Sorge tragen müssen, dass die Medien, einschließlich der Online-Medien, der sozialen Medien und der Werbung, frei von jeglicher Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen Personen oder Personengruppen sind, da dies direkte Auswirkungen auf die Teilhabe dieser Einzelpersonen an der Zivilgesellschaft haben kann; bekräftigt seine an die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Unternehmen im Bereich der sozialen Medien gerichtete Forderung, der Verbreitung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, LGBTI-Feindlichkeit und religiösem Hass im Internet in Zusammenarbeit mit den einschlägigen zivilgesellschaftlichen Organisationen entgegenzuwirken; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, zuverlässigere Daten über das Ausmaß von Hassverbrechen und Hetze zu erheben;

33.

ist besorgt darüber, dass Hassverbrechen von den Opfern kaum jemals zur Anzeige gebracht werden, da ihnen nur unzulänglicher Schutz geboten wird und die Behörden in den Mitgliedstaaten nicht in der Lage sind, ordnungsgemäß zu ermitteln und der Straffreiheit für Hassverbrechen ein Ende zu setzen; fordert die Mitgliedstaaten auf, Instrumente und Mechanismen zur Berichterstattung über Hassverbrechen und Hetze zu entwickeln und zu verbreiten und dafür zu sorgen, dass jeder Fall von mutmaßlichen Hassverbrechen und Hetze untersucht, verfolgt und zur Anklage gebracht wird;

Desinformation und die Rolle von Plattformen

34.

stellt fest, dass sich die neue digitale Technologie und die sozialen Medien auf das Problem der Verbreitung von Desinformationen und ausländischer Einmischung ausgewirkt haben, weshalb Online-Plattformen nun großen Einfluss auf die Veröffentlichung, Verbreitung und Bekanntmachung von Nachrichten und sonstigen Medieninhalten haben; äußert erneut seine Sorge über die von Desinformationen ausgehende mögliche Gefahr für die Informationsfreiheit, die freie Meinungsäußerung, den demokratischen Diskurs, die Unabhängigkeit der Medien und die Gesundheit der Bevölkerung; hebt hervor, dass bei Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation der Schwerpunkt darauf liegen sollte, die Meinungsvielfalt durch Unterstützung eines Qualitätsjournalismus, durch den zuverlässige, faktengestützte und geprüfte Informationen verbreitet werden, zu fördern und Medienkompetenz zu schaffen, und dass alle Maßnahmen dieser Art mit Garantien für die Informationsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung einhergehen müssen;

35.

fordert eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Internetplattformen und Strafverfolgungsbehörden, damit die Verbreitung von Nachrichten, die zu Hass und Gewalt aufstacheln, wirksam unterbunden wird; betont, dass illegale Inhalte umgehend entfernt werden müssen, damit sie sich nicht unkontrolliert verbreiten; stellt jedoch fest, dass Internetplattformen nicht zu privaten Zensurstellen werden können und dürfen und dass die Entfernung illegaler Inhalte durch Internetplattformen stets Sicherungsvorkehrungen wie der Kontrolle durch die Gerichte der Mitgliedstaaten unterliegen muss, um die Meinungsfreiheit, einschließlich der künstlerischen Freiheit, das Recht auf freie und unabhängige Informationen und die Grundrechte der Bürger im Allgemeinen zu schützen; weist erneut darauf hin, dass Online-Plattformen Teil des öffentlichen Raumes im Internet sind, in dem öffentliche Debatten stattfinden; fordert die Kommission auf, für Sicherungsvorkehrungen zu sorgen, damit auf den Plattformen die Grundrechte und die Redefreiheit geachtet werden;

36.

weist darauf hin, dass politische Profilierung, Desinformation und Informationsmanipulation häufig von politischen Parteien und privaten oder öffentlichen Stellen genutzt werden, und bekräftigt seine Sorge darüber, dass unablässig Nachweise für Einflussnahmen im Vorfeld aller wichtigen Wahlen auf Ebene der Mitgliedstaaten und der EU ans Licht gelangen — mit Hinweisen auf Einflussnahme aus dem Ausland –, wobei die Einflussnahme großenteils EU-feindlichen und populistischen Kandidaten zugutekommt, die polarisieren und den ideologischen Pluralismus zunichtemachen wollen, und sich gegen bestimmte Minderheiten und schutzbedürftige Personengruppen richtet; weist darauf hin, dass die Bekämpfung der Einflussnahme durch Dritte künftig ein Schlüsselfaktor für den Schutz der europäischen Werte und der europäischen Demokratie sein wird; hebt hervor, dass im Rahmen der COVID-19-Krise Desinformation und Sensationsberichterstattung in den Medien im Zusammenhang mit der Pandemie von rechtsextremen und populistischen Gruppierungen und Politikern auch zum Anlass genommen wurden, Minderheitengruppen anzugreifen und in die gegen Einwanderung gerichtete Rhetorik einzustimmen, was zu einem Anstieg der Fälle von rassistischer und fremdenfeindlicher Hetze und Diskriminierung geführt hat;

37.

weist darauf hin, dass sich verschiedene Formen von Fehl- und Desinformation sowie andere Formen der Informationsmanipulation, unter anderem im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, weiterhin auf der gesamten Welt ausbreiten, häufig gegen die am stärksten gefährdeten Gemeinschaften gerichtet sind und die öffentliche Sicherheit, Gesundheit und eine wirksame Krisenbewältigung beeinträchtigen können; ist der Ansicht, dass solche Desinformationskampagnen darauf abzielen, den demokratischen Prozess und das Vertrauen der Bürger in die demokratischen Institutionen der Mitgliedstaaten zu schwächen; begrüßt die Gemeinsame Mitteilung vom 10. Juni 2020 zur Bekämpfung von Desinformation im Zusammenhang mit COVID-19; weist darauf hin, dass sämtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformationen, einschließlich derjenigen, die im Rahmen der COVID-19-Krise ergriffen werden, notwendig, verhältnismäßig, transparent und befristet sein und regelmäßiger Aufsicht unterliegen müssen, um Tendenzen zu vermeiden, die zur Entstehung eines Staatsmonopols oder zur Konzentration von Informationsquellen führen, und dass sie keinesfalls Journalisten und Medienakteure daran hindern dürfen, ihrer Arbeit nachzugehen, oder dazu führen dürfen, dass Inhalte in unzulässiger Weise entfernt oder der Zugang zu diesen Inhalten im Internet blockiert wird; bedauert, dass bestimmte Online-Plattformen Inhalte, darunter auch journalistische Inhalte, in Bezug auf die COVID-19-Pandemie auf der Grundlage nicht transparenter Nutzungsbedingungen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung unnötig einschränken, entfernen oder zensieren; betont, dass ein Rückgriff auf derlei Maßnahmen dazu führen kann, dass der Zugang zu wichtigen Informationen in Bezug auf die öffentliche Gesundheit verhindert oder beschränkt wird; hebt hervor, dass alle Versuche, Informationen in Bezug auf die Pandemie zu kriminalisieren, dazu führen könnten, dass Misstrauen in die offiziellen Informationen aufkommt, der Zugang zu verlässlichen Informationen verzögert wird und das Recht auf freie Meinungsäußerung Schaden nimmt;

38.

verurteilt Verschwörungstheorien und mit öffentlichen Mitteln finanzierte Desinformationskampagnen, mit denen die EU diskreditiert und die Öffentlichkeit im Hinblick auf ihre Ziele und Tätigkeiten irregeführt wird; fordert die Kommission auf, die von staatlichen Stellen verbreiteten Lügen und Desinformation über die EU offen zu verurteilen und zu enttarnen und eine sachliche Antwort zu veröffentlichen und zu verbreiten, um die Bürgerinnen und Bürger zu informieren;

39.

begrüßt die Initiative der Kommission zur Vorlage eines Europäischen Aktionsplans für Demokratie, der darauf abzielt, Desinformation entgegenzuwirken, auf sich verändernde Bedrohungen und Manipulationen zu reagieren und freie und unabhängige Medien zu unterstützen; hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass der Schutz des Rechts auf freie Meinungsäußerung, einschließlich der freien, unabhängigen und finanziell lebensfähigen Medien, der künstlerischen Freiheit, des Inhalts der Grundrechte und der demokratischen Debatte, beim Vorgehen gegen Hetze und Desinformation ein grundlegender Faktor im Hinblick auf die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in der EU ist; weist besorgt darauf hin, dass einer Studie des GDI (globaler Desinformationsindex) zufolge Websites in der EU, die Desinformation verbreiten, jährlich Werbeeinnahmen in Höhe von mehr als 70 Mio. EUR erzielen; hebt die möglichen nachteiligen Auswirkungen von Geschäftsmodellen hervor, die auf mittels Mikrotargeting personalisierter Werbung beruhen; bestätigt, dass in der Datenschutz-Grundverordnung (30) festgelegt ist, dass Einzelpersonen das Recht haben, nicht über Websites und Anwendungen hinweg online durchgängig verfolgt zu werden; fordert die Kommission auf, sich in diesem Zusammenhang weiterhin mit digitalen Plattformen zu befassen und ihre Bemühungen um die Einstellung derartiger Praktiken ebenso zu erhöhen wie ihre Bemühungen um die Bekämpfung strategischer automatisierter Verstärkung von Desinformation durch den Einsatz von Bots oder falschen Online-Profilen und ihre Bemühungen um die Verbesserung der Transparenz im Hinblick auf die Finanzierung und Verbreitung von Online-Werbung; fordert ferner alle Online-Plattformen auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Algorithmen hinter ihren Suchfunktionen nicht in erster Linie auf Werbung beruhen; fordert die Einsetzung einer Multi-Stakeholder-Sachverständigengruppe für digitale und Grundrechte, die sich aus Vertretern unabhängiger Medien sowie regierungsunabhängiger Organisationen aus den Bereichen digitale Rechte und Menschenrechte zusammensetzt und die Kommission und die EU-Organe im Allgemeinen unterstützt;

40.

begrüßt die Einleitung des Projekts der europäischen Beobachtungsstelle für digitale Medien, in deren Rahmen die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich der Desinformation im Internet ausgeweitet werden, die Entwicklung eines EU-Marktes für Dienstleistungen zur Überprüfung der Authentizität von Informationen gefördert und die Einrichtung einer grenzübergreifenden und multidisziplinären Gemeinde unterstützt wird, die sich aus Faktenprüfern und Wissenschaftlern zusammensetzt, die gemeinsam mit Interessenträgern darauf hinwirken, potenzielle Bedrohungen im Bereich der Desinformation zu ermitteln, zu analysieren und offenzulegen, auch im Hinblick auf COVID-19;

41.

erinnert die Kommission, die Mitgliedstaaten, die Privatwirtschaft, insbesondere Online-Plattformen, und die gesamte Zivilgesellschaft daran, dass das Vorgehen gegen Desinformation gemeinsames Handeln erfordert; betont, dass Online-Plattformen eine entscheidende Rolle dabei zukommen sollte, Desinformation zu erkennen und dagegen vorzugehen; weist auf die vielversprechenden und erforderlichen, jedoch noch unzulänglichen Auswirkungen der freiwillig ergriffenen Maßnahmen einiger Diensteanbieter und Plattformen zur Bekämpfung von Desinformation, illegalen Inhalten und ausländischer Einflussnahme in Wahlprozesse in der EU hin; betont jedoch, dass Online-Plattformen derzeit noch nicht angemessen ihrer Verantwortung nachkommen, gegen diese unmittelbaren Bedrohungen vorzugehen;

42.

betont, dass die Wirksamkeit der Maßnahmen von Online-Plattformen zur Bekämpfung von Desinformation nur beurteilt werden kann, wenn sie vollständig transparent erfolgen und dabei einschlägige Daten weitergegeben werden; fordert die Kommission daher nachdrücklich auf, alle möglichen Maßnahmen zu bewerten, damit Online-Plattformen dazu verpflichtet werden, wirksam, transparent und rechenschaftspflichtig gegen die Verbreitung von Desinformation vorzugehen und die einschlägigen Daten entsprechend weiterzugeben; fordert die Kommission nachdrücklich auf, Sanktionen gegen Online-Plattformen ins Auge zu fassen, die dem nicht nachkommen; erwartet, dass sich dies im Europäischen Aktionsplan für Demokratie und im Gesetz über digitale Dienste entsprechend niederschlägt;

43.

betont in diesem Zusammenhang, dass das Entfernen von Online-Inhalten ohne richterliche Anordnung, mit der ihre Unzulässigkeit festgestellt wird, starke Auswirkungen auf die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit hat; fordert, dass die von Diensteanbietern und Plattformen freiwillig ergriffenen Maßnahmen gegen Desinformation regelmäßig im Zuge von Folgenabschätzungen bewertet werden; besteht darauf, dass die Mitgliedstaaten die Grundrechte achten, schützen und garantieren müssen, und fordert, alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zum Schutz und zur Wahrung der Rechte auf Information und auf Teilhabe zu prüfen; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, europäische Vorschriften in Bezug auf Online-Plattformen vorzuschlagen, um auch staatlichen Praktiken entgegenzuwirken, mit denen das Recht auf freie Meinungsäußerung unnötig eingeschränkt wird, betont, dass der Einsatz automatisierter Werkzeuge zur Inhaltsmoderation die Meinungs- und Informationsfreiheit gefährden kann und dass mit der Politik und Strategie der EU im digitalen Bereich angemessene Rechtsmittel und Sicherungsvorkehrungen vorgesehen werden müssen, wobei die einschlägigen Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der EMKR uneingeschränkt zu achten sind;

44.

vertritt die Auffassung, dass der EU-Verhaltenskodex für den Bereich der Desinformation gestärkt werden könnte, indem die Überwachung der bestehenden Verpflichtungen verbessert wird, Online-Plattformen transparente und aufgeschlüsselte Informationen und Daten bereitstellen und die entsprechenden Verpflichtungen erweitert werden; ist der Ansicht, dass eine gemeinsame Regulierung, bei der den aktuellen Entwicklungen im digitalen Bereich kontinuierlich Rechnung getragen wird, ein geeignetes Vorgehen für die Zukunft sein könnte;

45.

fordert Unternehmen im Bereich der sozialen Medien und Online-Plattformen auf, Möglichkeiten zu prüfen, damit Tools zur Verfügung gestellt werden, mit denen Nutzer potenzielle Desinformation melden und kennzeichnen können, um eine umgehende Berichtigung sowie die Prüfung durch unabhängige und unparteiische außenstehende Faktenprüforganisationen zu ermöglichen, gleichzeitig aber den Missbrauch dieser Tools zu verhindern; betont, dass Online-Plattformen mit den Mitgliedstaaten und den Organen der EU zusammenarbeiten sollten, damit die Bewertung von Desinformation und ausländischer Einflussnahme sowie die Ermittlung ihrer Urheber erleichtert wird;

Medienkompetenz

46.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sich mehr für die Stärkung der Bildungspolitik zur Förderung der Medien- und Informationskompetenz, Befähigung der Bürger zu kritischem Denken und Unterstützung bei der Ermittlung von Desinformation einzusetzen; hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass die Wahrung der redaktionellen Unabhängigkeit von überregionalen und lokalen Medienkanälen und die Entwicklung von Projekten zur Förderung der Medienkompetenz wesentliche Elemente sind, wenn es um die Stärkung der Widerstandsfähigkeit, die Sensibilisierung und die Förderung der Bildung und somit um die wirksame Bekämpfung von Propaganda, Desinformation und Manipulationen geht; ist der Ansicht, dass fortlaufende Förderung und Bemühungen im Sinne der Medienkompetenz über alle Altersgruppen hinweg von großer Bedeutung sind, wenn es gilt, die Gesellschaft gegenüber diesen Bedrohungen im digitalen Bereich widerstandsfähiger zu machen; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, eng mit den Mitgliedstaaten und Organisationen der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, um Förderungsmaßnahmen im Bereich von Informations-, Medien- und Datenkompetenz zu entwickeln; betont, dass die Medienkompetenz für Bürgerinnen und Bürger zunehmend an Bedeutung gewinnt und ihr eine immer entscheidendere Rolle zukommt; weist darauf hin, dass es, um ein breiteres Publikum und möglichst viele Altersgruppen zu erreichen, wichtig ist, Initiativen zur Förderung der Medienkompetenz über Plattformen der sozialen Medien auszubauen, etwa durch wirksame Strategien zur Förderung der Medienkompetenz von älteren Personen und der am stärksten gefährdeten Gruppen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, auch Programme und Maßnahmen zu fördern, deren Ziel es ist, die Medien- und Nachrichtenkompetenz von Journalisten und Medienschaffenden zu verbessern und eine kritische und bewusste Einstellung gegenüber der Verwendung von IKT zu entwickeln, z. B. durch Sensibilisierungskampagnen über die Rechte und möglichen Risiken im digitalen Bereich; betont, dass eine umfassende EU-Strategie im Bereich der Medienkompetenz entwickelt werden muss, und fordert die Kommission auf, ihre entsprechenden Bemühungen zu intensivieren; hebt die zentrale Rolle hervor, die zivilgesellschaftlichen Organisationen dabei zukommt, die Medienkompetenz zu fördern und die Verbreitung von Hetze zu verhindern; weist erneut darauf hin, dass im Rahmen von Programmen, in denen Strategien verfolgt werden, die für die Bekämpfung von Hassverbrechen und Hetze als wirksam angesehen werden, starkes Gewicht auf Zusammenarbeit, Kommunikation, Konfliktlösung, Problemlösen, Mediation und das Bewusstsein für Vorurteile gelegt wird;

47.

fordert die Kommission auf, sich stärker dafür einzusetzen, dass mehr Unionsmittel in Medienkompetenzprogramme fließen, und sich aktiv an der Förderung zuverlässiger, faktenbasierter und faktengeprüfter Informationen zu beteiligen, indem die Verbreitungskanäle der Medien und somit der Zugang zu diesen Informationen verbessert werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Bestimmungen der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste in vollem Umfang umzusetzen, wonach es ihnen obliegt, Medienkompetenz zu fördern und zu entwickeln;

48.

bestärkt die Kommission darin, in allen Mitgliedstaaten ergänzende Bildungsprogramme zu fördern, und zwar nicht nur im Bereich Medienkompetenz, sondern auch in politischer Bildung im weiteren Sinne, einschließlich im Hinblick auf die Vermittlung demokratischer Werte und der Menschenrechte, um eine stärkere Sensibilisierung für Desinformation und Propaganda zu erreichen;

49.

hebt hervor, dass lokale Medienstrukturen und Medienorganisationen von Gemeinschaften wesentliche Strukturen für die Förderung, Produktion und Verbreitung von Informationen und Fakten über lokale und von Minderheiten ausgerichtete Kunst- und Kulturveranstaltungen sind; ist der Ansicht, dass sie ein wichtiges Instrument für den Erhalt des Medienpluralismus und eines multikulturellen Umfelds in Europa sind; vertritt die Auffassung, dass lokale Medienstrukturen auch als Interessenträger an EU-Programmen beteiligt werden sollten, die auf die Förderung von Journalismus und Medienkompetenz ausgerichtet sind, und fordert die Mitgliedstaaten auf, ihnen eine angemessene Unterstützung zuteilwerden zu lassen und dabei sicherzustellen, dass sie ihre Bildungsfunktion und kulturelle Funktion erfüllen;

50.

fordert die EU-Organe auf, im Falle größerer Notfälle wie der COVID-19-Pandemie ihre Kommunikationsmaßnahmen in allen Amtssprachen aktiv zu verstärken, um sicherzustellen, dass die Unionsbürger Zugang zu genauen, anwenderfreundlichen und geprüften Informationen haben;

o

o o

51.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17.

(2)  ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1.

(3)  ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 69.

(4)  ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 55.

(5)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0054.

(6)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0014.

(7)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0101.

(8)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0103.

(9)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0080.

(10)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0031.

(11)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0021.

(12)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0328.

(13)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0032.

(14)  ABl. C 390 vom 18.11.2019, S. 19.

(15)  ABl. C 433 vom 23.12.2019, S. 31.

(16)  ABl. C 238 vom 6.7.2018, S. 57.

(17)  ABl. C 324 vom 27.9.2019, S. 392.

(18)  ABl. C 41 vom 6.2.2020, S. 64.

(19)  ABl. C 390 vom 18.11.2019, S. 111.

(20)  ABl. C 369 vom 11.10.2018, S. 11.

(21)  ABl. C 346 vom 27.9.2018, S. 29.

(22)  ABl. C 331 vom 18.9.2018, S. 135.

(23)  ABl. C 263 vom 25.7.2018, S. 82.

(24)  ABl. C 356 vom 4.10.2018, S. 5.

(25)  ABl. C 215 vom 19.6.2018, S. 162.

(26)  ABl. C 208 vom 10.6.2016, S. 89.

(27)  International Women’s Media Foundation, „Global Report on the Status of Women in the News Media“ (Weltweiter Bericht über den Status von Frauen in den Nachrichtenmedien), 2011.

(28)  Vgl. The Economist: „The newspaper industry is taking a battering“ (Die Zeitungsbranche bekommt Prügel), 18. April 2020, und News Media Europe: „COVID-19 and the news media: journalism always comes at a cost“ (COVID-19 und die Nachrichtenmedien: Journalismus hat immer seinen Preis), 24. März 2020.

(29)  Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom 23. April 1992, Beschwerde Nr. 11798/85, Randnr. 46.

(30)  Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/43


P9_TA(2020)0321

Eine neue Industriestrategie für Europa

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zu einer neuen Industriestrategie für Europa (2020/2076(INI))

(2021/C 425/06)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf die Artikel 9, 151, 152 und 153 Absätze 1 und 2 sowie auf Artikel 173, der die Industriepolitik der EU betrifft und unter anderem auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Union Bezug nimmt,

gestützt auf die Artikel 14, 27 und 30 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

gestützt auf den AEUV und den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf dessen Artikel 5 Absatz 3 und dessen Protokoll Nr. 2 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit,

gestützt auf Artikel 3 Absatz 3 EUV, der auf den Binnenmarkt, die nachhaltige Entwicklung und die soziale Marktwirtschaft Bezug nimmt,

unter Hinweis auf die europäische Säule sozialer Rechte,

unter Hinweis auf die Ergebnisse des Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft 2020, die am 11. Juni 2020 veröffentlicht wurden,

unter Hinweis auf das Kommissionsdokument vom 2. Juni 2020 mit dem Titel „Fahrplan für die Arzneimittelstrategie — zeitnaher Zugang zu Arzneimitteln für Patienten“,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 27. Mai 2020 mit dem Titel „Die Stunde Europas — Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation eröffnen“ (COM(2020)0456),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 27. Mai 2020 mit dem Titel „Angepasstes Arbeitsprogramm 2020 der Kommission“ (COM(2020)0440),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2020 mit dem Titel „Eine europäische Datenstrategie“ (COM(2020)0066),

unter Hinweis auf das Weißbuch der Kommission vom 19. Februar 2020 mit dem Titel „Zur Künstlichen Intelligenz — ein europäisches Konzept für Exzellenz und Vertrauen“ (COM(2020)0065),

unter Hinweis auf den Bericht der Kommission vom 19. Februar 2020 über die Auswirkungen künstlicher Intelligenz, des Internets der Dinge und der Robotik in Hinblick auf Sicherheit und Haftung (COM(2020)0064),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Mai 2020 zu dem neuen mehrjährigen Finanzrahmen, den Eigenmitteln und dem Aufbauplan (1),

unter Hinweis auf die von der Kommission vorgelegte Europäische Wirtschaftsprognose — Frühjahr 2020,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Präsidenten des Europäischen Rates vom 23. April 2020 im Anschluss an die Videokonferenz mit den Mitgliedern des Europäischen Rates,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2020 zu abgestimmten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen (2),

unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters vom 8. April 2020 über die globale Reaktion der EU auf COVID-19 (JOIN(2020)0011),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Präsidenten des Europäischen Rates vom 17. März 2020 im Anschluss an die Videokonferenz mit den Mitgliedern des Europäischen Rates zu COVID-19,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 13. März 2020 mit dem Titel „Die koordinierte wirtschaftliche Reaktion auf die COVID-19-Pandemie“ (COM(2020)0112),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. März 2020 mit dem Titel „Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft — Für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa“ (COM(2020)0098), auf die vom Rat auf seiner 3716. Tagung am 4. Oktober 2019 angenommenen Schlussfolgerungen mit dem Titel „Mehr Kreislaufwirtschaft — Übergang zu einer nachhaltigen Gesellschaft“ (12791/19) und auf die Mitteilung der Kommission vom 2. Dezember 2015 mit dem Titel „Den Kreislauf schließen — Ein Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft“ (COM(2015)0614),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 10. März 2020 mit dem Titel „Eine neue Industriestrategie für Europa“ (COM(2020)0102),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 10. März 2020 mit dem Titel „Eine KMU-Strategie für ein nachhaltiges und digitales Europa“ (COM(2020)0103),

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 4. März 2020 für eine Verordnung zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1999 (Europäisches Klimagesetz) (COM(2020)0080),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2020 mit dem Titel „Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“ (COM(2020)0067),

unter Hinweis auf das Arbeitsprogramm der Kommission für 2020 mit dem Titel „Eine Union, die mehr erreichen will“ (COM(2020)0037),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2020 zum europäischen Grünen Deal (3),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 14. Januar 2020 zum Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa (COM(2020)0021),

unter Hinweis auf den Bericht der Kommission vom 28. November 2019 mit dem Titel „Masterplan für einen wettbewerbsfähigen Übergang der energieintensiven Industrien der EU im Hinblick auf eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft bis 2050“ (Bericht der hochrangigen Expertengruppe für energieintensive Industrien),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Dezember 2019 mit dem Titel „Steuergerechtigkeit in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft: BEPS 2.0“ (4),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 12. Dezember 2019 (EUCO 29/19),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. Dezember 2019 mit dem Titel „Der europäische Grüne Deal“ (COM(2019)0640),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 20. Juni 2019 zur neuen Strategischen Agenda für die Union für den Zeitraum 2019 bis 2024 (EUCO 9/19),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen zum Thema „Eine künftige Strategie für die Industriepolitik der EU“ in der vom Rat auf seiner 3655. Tagung am 29. November 2018 angenommenen Fassung (14832/2018),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 22. Mai 2018 mit dem Titel „Eine neue europäische Agenda für Kultur“ (COM(2018)0267),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 13. September 2017 mit dem Titel „Investitionen in eine intelligente, innovative und nachhaltige Industrie — Eine neue Strategie für die Industriepolitik der EU“ (COM(2017)0479),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Juli 2017 zur Schaffung einer ambitionierten industriepolitischen Strategie der EU, die mit Blick auf Wachstum, Beschäftigung und Innovation in Europa eine strategische Priorität bilden soll (5),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. Juni 2017 zur Digitalisierung der europäischen Industrie (6),

unter Hinweis auf die Anfrage zur mündlichen Beantwortung an die Kommission zur Schaffung einer ambitionierten industriepolitischen Strategie der EU, die mit Blick auf Wachstum, Beschäftigung und Innovation in Europa eine strategische Priorität bilden soll (O-000047/2017),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Januar 2016 zu dem Thema „Auf dem Weg zu einer Akte zum digitalen Binnenmarkt“ (7),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 19. April 2016 mit dem Titel „Digitalisierung der europäischen Industrie — Die Chancen des digitalen Binnenmarkts in vollem Umfang nutzen“ (COM(2016)0180),

unter Hinweis auf das Übereinkommen von Paris, das am 4. Oktober 2016 vom Europäischen Parlament ratifiziert wurde,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Oktober 2016 zu der Notwendigkeit einer europäischen Reindustrialisierungspolitik vor dem Hintergrund der aktuellen Fälle Caterpillar und Alstom (8),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 15. Dezember 2016 und vom 23. Juni 2017,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Dezember 2016 zu einer kohärenten Politik der EU für die Kultur- und Kreativwirtschaft (9),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates zur Agenda für industrielle Wettbewerbsfähigkeit, zum digitalen Wandel der europäischen Industrie und zum Paket „Technologien des digitalen Binnenmarkts und Modernisierung der öffentlichen Dienste“,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 14. Oktober 2015 mit dem Titel „Handel für alle — Hin zu einer verantwortungsbewussteren Handels- und Investitionspolitik“ (COM(2015)0497),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2014 zur Reindustrialisierung Europas zwecks der Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit (10),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 22. Januar 2014 mit dem Titel „Für ein Wiedererstarken der europäischen Industrie“ (COM(2014)0014),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 22. Mai 2013 und vom 22. März 2019 (EUCO 1/19),

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, des Ausschusses für internationalen Handel, des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, des Ausschusses für regionale Entwicklung und des Rechtsausschusses,

unter Hinweis auf das Schreiben des Fischereiausschusses,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (A9-0197/2020),

A.

in der Erwägung, dass die Europäische Union im Einklang mit dem Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050 eine neue Industriestrategie benötigt, die die Voraussetzungen für eine innovative, inklusive, resiliente und digitalisierte Gesellschaft schaffen und einen großen Beitrag zur weltweiten Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft leisten wird; in der Erwägung, dass diese Strategie ein hohes Beschäftigungsniveau und hochwertige Arbeitsplätze bewahren und niemanden zurücklassen sollte; in der Erwägung, dass eine solche Strategie den doppelten Übergang zu einer modernen und digitalisierten industriellen Basis in Europa sicherstellen muss, die das Potenzial der erneuerbaren Energien umfassend ausschöpft und hochgradig energie- und ressourceneffizient und klimaneutral ist; in der Erwägung, dass diese Strategie zudem die weltweite Führungsrolle Europas stärken und bei strategischen Wertschöpfungsketten die Abhängigkeit der Union von anderen Teilen der Welt verringern sollte, indem sie die Ketten diversifiziert und nachhaltiger macht, die Verlagerung europäischer Industriebetriebe verhindert und gleichzeitig einen offenen Markt bewahrt;

B.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie und ihre Folgen einen beispiellosen Wirtschaftsabschwung in Europa bewirkt haben, der insbesondere mit Blick auf die schutzbedürftigsten Bürgerinnen und Bürger Ungleichheiten und soziale Spannungen in der Union verschärfen kann;

C.

in der Erwägung, dass sich industrielle Wettbewerbsfähigkeit und Klimapolitik gegenseitig verstärken und eine innovative und klimaneutrale Reindustrialisierung zur Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort führen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft sicherstellen wird; in der Erwägung, dass dieser Ansatz im Rahmen aller Maßnahmen für den digitalen und den ökologischen Übergang zur Anwendung kommen sollte;

D.

in der Erwägung, dass die Union das ungenutzte unternehmerische Potenzial von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen wie etwa jungen Menschen, Migranten, älteren Menschen und Frauen, bei denen es umfassend herangebildet werden muss, freisetzen muss; in der Erwägung, dass die Industriestrategie der Union eine Chance bieten könnte, den Unternehmergeist in unterrepräsentierten oder benachteiligten Gruppen zu fördern und sie in die Lage zu versetzen, sich umfassend an dem digitalen und dem ökologischen Wandel zu beteiligen;

E.

in der Erwägung, dass sämtliche Bereiche der Wirtschaft und insbesondere KMU von der COVID-19-Pandemie und dem durch sie hervorgerufenen beispiellosen Konjunkturabschwung betroffen sind und die Geschäftstätigkeit in manchen Sektoren sogar vollständig zum Erliegen gekommen ist; in der Erwägung, dass in Anbetracht dessen mit „Business as usual“ keine rasche und gerechte Erholung gelingen kann und dass sich jede zukunftsorientierte Industriestrategie zunächst mit der Erholung der Industrie und der langfristigen globalen Wettbewerbsfähigkeit befassen sollte, und zwar insbesondere in Wachstumsbranchen und den am stärksten von den Ausgangsbeschränkungen im Zusammenhang mit COVID-19 betroffenen Wirtschaftszweigen;

F.

in der Erwägung, dass die neuen Schulden, die von den Unternehmen aufgenommen wurden, um den Wirtschaftsabschwung zu überstehen, wahrscheinlich zu einer Schwächung der Finanzstruktur der Unternehmen und damit kurz-, mittel- und langfristig zu einem schleppenden Wachstum und fehlenden Investitionskapazitäten für den doppelten Übergang zu einer digitalen und klimaneutralen, ressourceneffizienten und kreislauforientierten Wirtschaft führen werden;

G.

in der Erwägung, dass die Union unter diesen Umständen eine Industriestrategie mit zwei voneinander getrennten Phasen — einer Erholungsphase und einer Wiederaufbau- und Resilienzphase — benötigt; in der Erwägung, dass die wirtschaftliche Erholung auf einem soliden, sozial und ökologisch nachhaltigen Konzept beruhen und den industriellen Wiederaufbau hin zu einem erfolgreichen digitalen und ökologischen Wandel unterstützen sollte, wobei qualifizierte Arbeitskräfte diese Umwälzungen begleiten sollten und für einen fairen und gerechten Übergang gesorgt werden sollte;

H.

in der Erwägung, dass die Industrie in Europa in hohem Maße verflochten ist und dass es enge Wechselbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den verschiedenen Konzepten für Unternehmen unterschiedlicher Größe gibt; in der Erwägung, dass es einer abgestimmten europäischen Politik, mit der sichergestellt ist, dass die gesamte Produktionskette von Großunternehmen bis hin zu KMU profitieren kann, folglich eher gelingen kann, die weltweite Wettbewerbsfähigkeit und die Nachhaltigkeit Europas zu steigern;

I.

in der Erwägung, dass die Union auch künftig ambitionierte multilaterale und bilaterale Handelsabkommen anstreben sollte; in der Erwägung, dass die europäische Industrie mit etwa 32 Millionen Beschäftigten zwar nach wie vor der Stützpfeiler der Wirtschaft der Union ist, aber bereits vor der COVID-19-Krise am Scheideweg stand, da ihr Beitrag zum BIP der EU in den letzten 20 Jahren von 23 % auf 19 % gesunken ist; in der Erwägung, dass sie derzeit einem heftigen internationalen Wettbewerb ausgesetzt ist und häufig von zunehmend protektionistischen Handelsmaßnahmen aus Drittländern betroffen ist, die keine hohen Umwelt- und Sozialstandards anwenden;

J.

in der Erwägung, dass die neue europäische Industriestrategie den doppelten Übergang hin zu einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen industriellen Basis in Europa sicherstellen muss; in der Erwägung, dass dieser Übergang für Europa eine Gelegenheit darstellt, seine industrielle Basis zu modernisieren, Arbeitsplätze und wesentliche Industrieproduktion zu erhalten und wieder zurück nach Europa zu verlagern und Kompetenzen und Kapazitäten aufzubauen, die für die globalen Bemühungen um die Verwirklichung der Vorgaben, die im Klimagesetz und in den Nachhaltigkeitszielen verankert sind, entscheidend sind;

K.

in der Erwägung, dass die Strategie den erforderlichen Rechtsrahmen für den doppelten Übergang sowie die erforderlichen Infrastrukturen und Finanzmittel aufbieten muss und sich auf den Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“, Energie- und Ressourceneinsparungen, erneuerbare, emissionsfreie und emissionsarme Energietechnologien, Kreislaufwirtschaft und Nicht-Toxizität konzentrieren muss;

L.

in der Erwägung, dass der Klimawandel und die Schädigung der Umwelt über die COVID-19-Krise hinaus die größten Herausforderungen bleiben und ein umfassendes gemeinsames Konzept erfordern; in der Erwägung, dass die Emissionen der Industrie der EU zu den gesamten Treibhausgasemissionen Europas beitragen; in der Erwägung, dass die Dekarbonisierung energieintensiver Branchen nach wie vor eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität bis spätestens 2050 darstellt; in der Erwägung, dass alle Sektoren zur Verwirklichung der Klimaziele der Union beitragen sollten;

M.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Krise gezeigt hat, dass digitale Ressourcen, einschließlich Konnektivität und Netzwerke, sowie digitale Kompetenzen entscheidend dafür sind, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Unternehmen die Wahrnehmung ihrer Aufgaben und ihre Abläufe an die Notlage anpassen können; in der Erwägung, dass die Widerstandsfähigkeit der digitalen Infrastruktur und die Verbesserung der digitalen Kompetenzen der Arbeitskräfte vorrangig sind, um die Wettbewerbsfähigkeit von europäischen Unternehmen und insbesondere von KMU zu steigern;

N.

in der Erwägung, dass sich die neue Industriestrategie der Union auf eine verbesserte Konnektivität, verstärkte digitale Fähigkeiten, das Industrielle Internet der Dinge (IIoT), künstliche Intelligenz, digitale Ledger-Technologien, Hochleistungsrechnen und Quanteninformatik konzentrieren sollte; in der Erwägung, dass der digitale Sektor auch zum europäischen Grünen Deal und zum Wandel in der Industrie hin zur Klimaneutralität beitragen wird, und zwar sowohl als Quelle für technologische Lösungen und die Optimierung industrieller Prozesse als auch durch die Verbesserung der Energieeffizienz und der Leistung der Kreislaufwirtschaft im digitalen Sektor selbst;

O.

in der Erwägung, dass die Souveränität und die strategische Autonomie der Union eine autonome und wettbewerbsfähige industrielle Basis sowie massive Investitionen in Forschung und Innovation erfordern, damit ihre Führungsrolle bei Schlüsseltechnologien und innovativen Lösungen aufgebaut und ihre globale Wettbewerbsfähigkeit sichergestellt wird; in der Erwägung, dass die Industriestrategie der Union einen Aktionsplan umfassen sollte, der darauf abzielt, die Lieferketten der europäischen Industrie zu stärken, zu kürzen, nachhaltiger zu machen und zu diversifizieren, damit ihre übermäßige Abhängigkeit von wenigen Märkten verringert und ihre Widerstandsfähigkeit gestärkt wird; in der Erwägung, dass es auch eine Strategie für eine intelligente Rückverlagerung geben sollte, damit sich Unternehmen wieder in Europa ansiedeln, die Produktion und Investitionen gesteigert werden und die Industrieproduktion in für die Union strategisch wichtigen Bereichen zurückverlagert wird;

1.

ist der Ansicht, dass der Übergang zu einer sozial, wirtschaftlich und ökologisch resilienten Gesellschaft, strategische Führung und Autonomie sowie ein gut funktionierender Binnenmarkt im Mittelpunkt sämtlicher Strategien der Union stehen sollten; vertritt deshalb die Auffassung, dass ein reibungslos funktionierender und in die Zukunft gerichteter legislativer und politischer Rahmen geschaffen werden sollte, der auf dem Verständnis für die Dynamik zwischen dem Aufbauplan, unseren Klima- und Digitalzielen und einer effektiven Industriestrategie beruht, die die einzelnen Konzepte, Vorgaben und Ziele miteinander in Einklang bringt; fordert die Kommission auf, eine umfassende überarbeitete Industriestrategie festzulegen, die einen klaren politischen Rahmen und Rechtssicherheit bietet und unter anderem

a)

die Voraussetzungen für anhaltendes Wachstum schafft, den Wohlstand und die globale Wettbewerbsfähigkeit der Union, die sich auf Innovation gründen, verbessert und Klimaneutralität verwirklicht;

b)

finanzielle Ressourcen in angemessener Höhe und Maßnahmen für den Aufbau mobilisiert;

c)

den doppelten Übergang zu einer grünen und digitalen Wirtschaft fördert und bewältigt und gleichzeitig hochwertige Arbeitsplätze erhält und schafft;

d)

dem europäischen Grünen Deal zum Erfolg verhilft;

e)

die strategischen Wertschöpfungsketten sichert, nachhaltiger macht, diversifiziert und digitalisiert, indem sie beispielsweise einen regelbasierten internationalen Handel fördert und unterstützt;

f)

den Unternehmergeist stärkt, ein unternehmensfreundliches Umfeld schafft, KMU unterstützt und zur Gründung und zum Ausbau von Unternehmen einschließlich Start-ups anregt;

g)

die strategische Resilienz und Autonomie der Union auch mit Blick auf Rohstoffe verbessert und ihre technologische Führungsrolle ausbaut;

h)

die Voraussetzungen für eine gleichmäßige Entwicklung schafft und diese in allen Regionen der Union fördert, wobei niemand zurückgelassen werden darf;

2.

fordert eine inklusive Industriestrategie, in deren Entwicklung und Umsetzung alle industriellen Ökosysteme, KMU, Regionen, Gemeinschaften und Arbeitsnehmer einbezogen werden; ist der Ansicht, dass eine solide Industriestrategie zur Überbrückung etwaiger Brüche beitragen und die Gelegenheit bieten kann, die mit dem doppelten Übergang einhergehenden Chancen zu nutzen; ist davon überzeugt, dass die Industriestrategie der Union auf einer starken sozialen Säule ruhen können und sich zeitnah mit den sozialen Auswirkungen des Strukturwandels befassen muss;

3.

hält es für geboten, dass in aktive Arbeitsmärkte investiert wird und dass Programme der allgemeinen und beruflichen Bildung angeboten werden, die darauf abzielen, den Bedarf der Wirtschaft zu decken; fordert die Kommission auf, eine Unionspolitik umzusetzen, durch die dafür gesorgt wird, dass die Zahl der Arbeitsplätze, die in traditionellen Branchen verloren gehen könnten, der Nachfrage nach Arbeitskräften in den Branchen im Zusammenhang mit dem digitalen und dem grünen Wandel entspricht; empfiehlt der Kommission und den Mitgliedstaaten in Anbetracht der Tatsache, dass diese neuen Arbeitsplätze vermutlich weder in den Regionen, in denen traditionelle Wirtschaftszweige verschwinden, entstehen noch von denselben Arbeitnehmern übernommen werden können, die wirtschaftliche und soziale Wiederbelebung von Gebieten zu fördern, die von Entvölkerung und Verarmung bedroht sind, und dabei besonderes Augenmerk auf geschlechtsspezifische Diskrepanzen zu richten;

4.

hält diesen doppelten Übergang für eine Gelegenheit, dass von fossilen Ressourcen abhängende Regionen bei Innovationen führend werden und ein Produktionssystem einführen, das mit den Zielen der Klimaneutralität vereinbar ist; fordert die Kommission deshalb auf, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Übergang Voraussetzungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen fördert, die gerecht und sozial ausgewogen sind, im Geiste des Grundsatzes, dass niemand zurückgelassen werden darf, stehen und mit der vollständigen Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte, einer Verbesserung der Sozial- und Lebensstandards und guten Arbeitsbedingungen einhergehen; hält es in diesem Sinne für geboten, dass alle Maßnahmen, die den doppelten Übergang beschleunigen, mit entsprechenden Strategien und konkreten Maßnahmen einhergehen, die darauf abzielen, die negativen Auswirkungen für Regionen und für die am stärksten benachteiligen Menschen abzumildern;

5.

hebt hervor, dass der Schwerpunkt zu diesem Zweck auf den regionalen und sozialen Zusammenhalt sowie die Antizipation und das Management von Umstrukturierung gelegt werden muss, die an die jeweiligen Merkmale und den Bedarf des Arbeitsmarkts vor Ort angepasst sein muss, damit die betroffenen Regionen wirtschaftlich wiederbelebt werden können, Arbeitslosigkeit bekämpft werden kann und der Einsatz von öffentlichen Investitionen — auch in wichtigen Wirtschaftszweigen, die besonders stark von der Pandemie getroffen wurden — gefördert werden kann, sodass in der ganzen Union hochwertige Arbeitsplätze unterstützt werden; hält die Beteiligung von Arbeitnehmern an der Verwaltung und Leitung von Unternehmen für unabdingbar;

6.

fordert, dass Kompetenzprofile für die Zukunft ermittelt und vermehrt Investitionen in Personal, Bildung, gezielte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und lebenslanges Lernen getätigt werden, damit Menschen und Regionen in der Zukunft Perspektiven haben und Einnahmen erzielen und die Industrie auf gut ausgebildete Arbeitskräfte zurückgreifen kann; stellt fest, dass eine wettbewerbsfähige Industrie in hohem Maße davon abhängt, dass qualifizierte Arbeitskräfte mit unverzichtbaren Kompetenzen im Bereich der Nachhaltigkeit und der digitalen Neuaufstellung von Unternehmen eingestellt und gehalten werden, und dass dies mit einer Finanzierung in angemessener Höhe aus dem Programm „Digitales Europa“ und dem Binnenmarktprogramm gefördert werden sollte;

7.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Koordinierung ihrer Bildungspolitiken mit massiven öffentlichen Investitionen in diesem Bereich in ganz Europa zu stärken; fordert die Kommission außerdem nachdrücklich auf, eine Stakeholder-Expertengruppe ins Leben zu rufen, deren Aufgabe es ist, mithilfe von KI und digitalen Ressourcen — insbesondere den Möglichkeiten der Big Data — künftige Lücken und Engpässe bei den industriellen Kompetenzen vorherzusagen;

8.

ist der Ansicht, dass die neue langfristige Strategie für die Zukunft der Industrie Europas zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Einkommensgefälles und des geschlechtsspezifischen Rentengefälles beitragen sollte, von denen der europäische Arbeitsmarkt und die europäische Gesellschaft nach wie vor betroffen sind; fordert die Kommission auf, bei der Umsetzung der europäischen Industriestrategie — sowohl in der Erholungsphase als auch in der Wiederaufbau- und Transformationsphase — die geschlechtsspezifische Dimension gebührend zu berücksichtigen, indem sie beispielsweise im Rahmen der Konzipierung der Finanzierungsinstrumente zur Förderung des industriellen und wirtschaftlichen Wachstums der Union Instrumente zur Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung nutzt;

9.

hebt hervor, dass die europäische Industrie bei der aktiven Förderung ehrgeiziger ökologischer, sozialer und ökonomischer Ziele unter anderem im Bereich der Menschenrechte eine Schlüsselrolle spielen kann; ist der Auffassung, dass sie diese Rolle aber nur wahrnehmen kann, wenn die Union einen übergreifenden Rahmen für die Sorgfaltspflicht der Industrie einführt, damit die Industrie bei ihren nationalen und globalen Aktivitäten sowie im Rahmen ihrer Lieferketten Risiken, Auswirkungen, Missbrauch und Schäden in den Bereichen Umwelt und Soziales ermitteln, verfolgen, verhindern, mindern und berücksichtigen kann, sodass Mindeststandards gelten und gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden;

10.

ist der Ansicht, dass die Union eine Industriestrategie benötigt, die einen Beitrag zur industriellen Erholung von der aktuellen Wirtschaftskrise leistet, Investitionen mobilisiert, den Zugang zu Kapital erleichtert und einen effektiven Wettbewerb fördert; vertritt daher die Auffassung, dass im Rahmen einer aktualisierten Strategie zwei wichtige und miteinander verbundene Phasen berücksichtigt werden sollten: die erste Phase, die auf die Sicherung von Arbeitsplätzen, die Wiederbelebung der Produktion und deren Anpassung an eine „neue Normalität“ nach der COVID-19-Pandemie abzielt, und die zweite Phase, die auf Wiederaufbau und Strukturwandel ausgerichtet ist;

11.

fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, bestehende und künftige einschlägige Rechtsvorschriften zu stärken, damit der grüne und digitale Wandel Vorrang genießt und gleichzeitig die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und die gesellschaftliche und ökonomische Resilienz in beiden Phasen gestärkt werden; fordert die Kommission außerdem auf, die Binnennachfrage und das langfristige Wachstum in der Union zu fördern, indem sie mehr öffentliche und private Investitionen in Forschung und Innovation, in die Entwicklung neuer nachhaltiger und digitaler Technologien auch in arbeitsintensiven Branchen, in neue Infrastrukturnetze und -vorhaben, die mit den Zielen des europäischen Grünen Deals vereinbar sind, in Energie- und Ressourceneffizienz und in die Kreislaufwirtschaft mobilisiert;

12.

fordert die Kommission auf, einen umfassenden Bericht auszuarbeiten, in dem sie den aktuellen Zustand der Wirtschaft der Union und die Machbarkeit des doppelten Wandels analysiert und dabei die Möglichkeiten für die Industrie einschließlich für KMU berücksichtigt, die Synergien zu nutzen, die Risiken, die sich wechselseitig ergeben können, auf ein Minimum zu senken und den Nutzen auf ein Höchstmaß zu steigern; ersucht die Kommission, die im März 2020 veröffentlichte Strategie auf der Grundlage ihrer Erkenntnisse an die derzeitige Lage anzupassen und beide Phasen in Angriff zu nehmen, wobei der Schwerpunkt auf einem grünen, digitalen, fairen und ausgewogenen Wandel liegen sollte, der die Souveränität der Union und ihre strategische Autonomie stärkt;

13.

hebt hervor, dass die Industriestrategie der Union klar umrissene Ziele verfolgen muss, und fordert die Kommission im Interesse uneingeschränkter Transparenz auf, eindeutige, detaillierte und konkrete Bestimmungen der Begriffe „strategisch“, „Autonomie“, „strategische Autonomie“, „Resilienz“, „strategische Resilienz“ und anderer damit verbundener Konzepte festzulegen, damit sichergestellt ist, dass die im Zusammenhang mit diesen Konzepten ergriffenen Maßnahmen zielgerichtet sind und den Prioritäten und Zielsetzungen der EU entsprechen;

14.

ist der Auffassung, dass traditionelle Versicherungsinstrumente nicht ausreichen, um die durch eine Pandemie verursachten Verluste bei Betriebsunterbrechungen zu decken, und dass eine ambitionierte, EU-weite Lösung erforderlich ist, um die negativen Auswirkungen einer künftigen Pandemie oder einer systemischen Krise auf die Menschen, die Unternehmen und die Wirtschaft vorwegzunehmen und zu bewältigen; fordert die Kommission auf, einen Rahmen zu schaffen, an dem institutionelle Investoren, Mitgliedstaaten und die EU beteiligt sind, um die Verluste aufgrund von Betriebsunterbrechungen im Falle einer künftigen Pandemie zu decken;

15.

begrüßt den Vorschlag der Kommission, ein neues Aufbauinstrument — nämlich NextGenerationEU — zu schaffen, das mit Mitteln in Höhe von 750 Mrd. EUR ausgestattet ist; bedauert den Vorschlag des Rates vom Juli 2020, die Mittelausstattung zukunftsorientierter Programme sowohl im MFR 2021–2027 als auch im Programm NextGenerationEU zu kürzen, und fordert, dass die Ausgaben für den Klimaschutz auf mindestens 30 % des EU-Haushalts erhöht werden; ist der Ansicht, dass diese Kürzungen die Grundlagen einer nachhaltigen und robusten Erholung der Industrie in der Union untergraben und negative Spillover-Effekte auf die Verwirklichung der Klimaneutralitätsziele der Union bis 2050 und auf die soziale Gerechtigkeit und die weltweite Wettbewerbsfähigkeit hervorrufen werden; fordert deshalb einen ambitionierten und robusteren langfristigen EU-Haushalt für 2021–2027, dessen Mittelausstattung nicht unter dem Vorschlag der Kommission liegt; hebt in diesem Zusammenhang den Standpunkt des Parlaments zur Reform des Eigenmittelsystems der EU und zur Einführung neuer Ressourcen hervor, die besser auf die wichtigsten politischen Prioritäten der EU ausgerichtet sind und Anreize für Fortschritte in diesen Bereichen bieten;

16.

begrüßt die von der Union ergriffenen Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Krise, die Liquiditätsspritze durch die EZB, die Erhöhung des Kapitals der EIB für KMU und die SURE-Initiative zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Finanzierung von Kurzarbeitsregelungen, des Erhalts von Arbeitsplätzen und des Schutzes der Arbeitnehmer; begrüßt außerdem die im Rahmen der Regelung für staatliche Beihilfen bereitgestellten außerordentlichen finanziellen Mittel zur Unterstützung ansonsten zahlungsfähiger Unternehmen und Arbeitnehmer bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie; fordert die Kommission dennoch auf, dafür zu sorgen, dass die in der Notstandsphase geleistete Hilfe durch die Folgen der Pandemie gerechtfertigt ist, nicht zu einem Mangel an wirksamem Wettbewerb im Binnenmarkt führt und dass kein strategischer Sektor vernachlässigt wird; sieht ferner einer zeitnahen Überarbeitung der Unionsvorschriften für staatliche Beihilfen — um den Mitgliedstaaten die nötige Flexibilität für eine gezielte Unterstützung bei der Förderung der Dekarbonisierung und Digitalisierung der Industrie einzuräumen — und insbesondere der Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen erwartungsvoll entgegen; betont in diesem Zusammenhang, dass jede Überarbeitung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf einer Folgenabschätzung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beruhen, mögliche Verzerrungen auf globaler Ebene berücksichtigen und uneingeschränkt mit den im EU-Klimagesetz vereinbarten Zielen der EU für die Klimaneutralität bis 2050 und den Umweltzielen der EU im Einklang stehen sollte;

17.

betont, dass staatliche Beihilfen nur Unternehmen gewährt werden sollten, die mit den unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen von COVID-19 konfrontiert sind, und dass die Lockerung der Vorschriften über staatliche Beihilfen zeitlich begrenzt sein sollte; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, eine spezifische Regelung für staatliche Beihilfen vorzuschlagen, mit der die Sektoren unterstützt werden sollen, die am stärksten von den COVID-19-Krisenmaßnahmen betroffen sind, wie etwa die Automobil-, Tourismus-, Luftfahrt-, Stahl- und Metallindustrie; fordert die Kommission auf, gemeinsame Mindestanforderungen für Unternehmen, die finanzielle Unterstützung erhalten, festzulegen, damit vermieden wird, dass unterschiedliche nationale Kriterien zu noch stärkeren Diskrepanzen führen; hebt hervor, dass die erhaltenen öffentlichen Beihilfen Arbeitsplätze sichern und dazu verwendet werden sollten, die Tätigkeiten der betreffenden Unternehmen mit den Zielen der Union in Bezug auf Klimaneutralität und Umweltschutz in Einklang zu bringen;

18.

betont im Zusammenhang mit der Soforthilfe, dass nur solche Unternehmungen unterstützt werden sollten, die geltende Tarifverträge einhalten und die ihren Firmensitz nicht in Steueroasen haben;

19.

betont ferner, dass staatliche Beihilfen, die im Rahmen von Industrieprogrammen oder anderen politischen Programmen gewährt werden, dem gemeinsamen „Prinzip der Ausgewogenheit“ entsprechen sollten, um gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen und alle Formen von Steuerdumping in der EU sowie Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden;

20.

fordert die Kommission auf, einen klaren, kohärenten und zugänglichen Ansatz für die Definition des Marktes in Wettbewerbssachen in verschiedenen Wirtschaftszweigen zu entwickeln; betont ferner, dass mit Blick auf den verwaltungs- und verfahrensrechtlichen Rahmen der EU-Wettbewerbsverfahren, insbesondere bei der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in der EU, eine ausreichend schnelle Fallbearbeitung, Transparenz und Verhältnismäßigkeit sichergestellt werden müssen;

21.

fordert die Kommission auf, ein Berichterstattungssystem über die Art und Weise einzurichten, in der sich ausländische protektionistische Maßnahmen auf die Industrie in der Union auswirken, und eine regelmäßige Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit der verschiedenen Industriesektoren der Union im Vergleich zu ihren wichtigsten globalen Wettbewerbern vorzunehmen und rasch zu handeln, wenn Anpassungen von Unionsvorschriften erforderlich sind;

22.

fordert die Kommission auf, angesichts des tiefgreifenden Wandels des globalen wirtschaftlichen Kontextes das Kartellrecht der Union zu überarbeiten und dabei ein Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit, dem globalen Wettbewerb standzuhalten, und dem Schutz der Lieferkette und der Verbraucher vor den möglichen negativen Folgen eines stärker konzentrierten Binnenmarktes zu wahren;

23.

ist der Auffassung, dass die von einzelnen Mitgliedstaaten eingeführten wirtschaftspolitischen Programme zur Unterstützung von KMU, Start-up- und anderen Unternehmen bei der Bewältigung des kurzfristigen Liquiditätsengpasses zwar nützlich sind, jedoch die Verschuldung dieser Unternehmen in einigen Fällen erhöhen könnten; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, Programme auf nationaler und EU-Ebene zur Förderung von Kapitalerhöhungen zu unterstützen und die Erholung zu erleichtern;

24.

fordert die Kommission auf, den Grundgedanken der Regelung für Kleinunternehmer durch Initiativen zur Unterstützung insbesondere von Kleinst- und Kleinunternehmen wiederzubeleben und zu erneuern, da einheitliche Maßnahmen für Kleinstunternehmen und KMU oft nicht geeignet sind; ist der Ansicht, dass den KMU am besten durch Ad-hoc-Unterstützungsmaßnahmen gedient ist, wobei bürokratische Hindernisse zu vermeiden sind und sichergestellt werden muss, dass die erforderliche Liquidität die Unternehmen durch wirksame und zugängliche Instrumente sowie schnelle, flexible und KMU-freundliche Verfahren erreicht; weist eindringlich darauf hin, dass viele KMU nicht über die entsprechende Liquidität verfügen werden, um in einen nachhaltigen digitalen Wandel zu investieren;

25.

betont, dass die Finanzierungsprogramme der EU sich auf die Steigerung des langfristigen Wachstums der begünstigten Unternehmen auswirken, hebt aber auch hervor, dass Unternehmen, insbesondere KMU, beim Zugang zu EU-Mitteln mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sind; fordert die Kommission daher auf, auch den Weg einzuschlagen, der bereits bei kofinanzierten nationalen vorläufigen Regelungen für Steuergutschriften zur Förderung von Investitionen in Digital- und Umwelttechnologien aufgezeigt wurde;

26.

bekräftigt, wie wichtig Ad-hoc-Unterstützungsmaßnahmen für KMU im Wege einer soliden finanziellen Unterstützung im nächsten MFR sind; ermutigt die Kommission, die Schaffung eines Gutscheinprogramms für KMU in Betracht zu ziehen, um die Bemühungen von KMU zu unterstützen, einschließlich der Bemühungen, veraltete Geräte zu modernisieren, den Wissenstransfer zu verbessern und den wirksamsten Einsatz von Technologien wie der industriellen KI zu ermitteln und Arbeitnehmer in Bezug auf unmittelbar notwendige Kompetenzen auszubilden, um die Fernsteuerung von Geräten, die Produktionsüberwachung und die Zusammenarbeit der Mitarbeiter sowie ökologisch nachhaltige Geschäftsmodelle, Konzepte für die Kreislaufwirtschaft, Energie- und Ressourceneffizienz zu ermöglichen, bei denen es sich um Bereiche handelt, in denen digitales Know-how häufig von entscheidender Bedeutung ist und es KMU ermöglicht, wettbewerbsfähig zu bleiben;

27.

bedauert, dass es im Hinblick auf die Integration digitaler Technologien in ihre Geschäftstätigkeit nach wie vor eine erhebliche Kluft zwischen Großunternehmen und KMU sowie mit Blick auf Innovation eine Kluft zwischen Spitzenreitern und Nachzüglern gibt; weist darauf hin, dass die Möglichkeiten für KMU im Hinblick auf ihre Fähigkeit, innovative Technologien umzusetzen, verbessert werden müssen und dass digitale Ungleichgewichte in Bezug auf die digitale Infrastruktur in kleineren Städten und ländlichen und abgelegenen Gebieten verringert werden müssen; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, die europäischen Zentren für digitale Innovation weiter zu unterstützen, die dank der Kenntnis der lokalen Ökosysteme ein potenziell wirksames Mittel zur Verringerung der digitalen Kluft darstellen;

28.

ist der Auffassung, dass sozialwirtschaftliche Unternehmen umfassend in das Ergebnis der Industriestrategie einbezogen werden sollten, da sie öffentlichen Wert schaffen und auch zur Entwicklung der lokalen Gemeinschaften beitragen, in denen sie angesiedelt sind; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, bei der Gestaltung von Finanzierungsinstrumenten und Arbeitsprogrammen die Besonderheiten dieser Kategorie von Unternehmen zu berücksichtigen, um sie beim Zugang zu Finanzmitteln zu unterstützen;

29.

betont, dass spezifische Konzepte den wirtschaftlich nachhaltigen Übergang zu einer klimaneutralen und vollständig digitalen Wirtschaft hinsichtlich Maßnahmen zur wirtschaftlichen Erholung in besonderer Weise als geeignet erscheinen lassen, die darauf abzielen, die Nachfrage der Verbraucher und die Beschäftigung rasch anzukurbeln; hebt hervor, dass umweltfreundliche und digitale Projekte erwiesenermaßen mehr Arbeitsplätze schaffen, höhere kurzfristige Renditen pro investiertem Euro erzielen und im Vergleich zu herkömmlichen finanzpolitischen Anreizen zu höheren langfristigen Kosteneinsparungen führen, da sie aufgrund unmittelbar verfügbarer Technologien (z. B. erneuerbare Energien) schnell ausgeweitet werden können, da sie außerdem in der Regel von KMU getragen werden und die lokale Wirtschaft durch starke Beschäftigungseffekte stützen, somit kurzfristig das verfügbare Einkommen der Verbraucher erhöhen (z. B. durch Energieeffizienz) und darüber hinaus weniger anfällig gegenüber externen wirtschaftlichen Verwerfungen sind und damit zu einer widerstandsfähigeren sozialen und wirtschaftlichen Erholung beitragen;

30.

stellt fest, dass die EU-Taxonomie — soweit vorhanden — den Rahmen für die Analyse vorgibt, inwieweit eine Investition ökologisch nachhaltig und sichergestellt ist, dass ökologische und soziale Ziele nicht erheblich beeinträchtigt werden, sodass Investitionen mit bedeutenden positiven Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft leichter ermittelt werden können;

31.

ist der Ansicht, dass die Union eine innovative Industriestrategie benötigt, die die Digitalisierung unserer Industrien und KMU, einschließlich der traditionellen Branchen, beschleunigt, die Industriekapazität der Union in kritischen digitalen Infrastrukturen und Kapazitäten verbessert und den Binnenmarkt für Digitales und für Daten stärkt; ist der Ansicht, dass die Union Unternehmen bei der Automatisierung und Digitalisierung ihres Know-hows und ihrer Ausbildung sowie bei Investitionen in digitale Ausrüstung (Hardware und Software) unterstützen muss, wobei besonderes Augenmerk darauf gelegt werden sollte, die Beteiligung von Frauen am Digitalisierungsprozess zu fördern und die Ausbildungs- und Qualifizierungssysteme zu modernisieren und zu verbessern; betont, wie wichtig das Programm „Digitales Europa“ und die Beschleunigung der Einführung von aussichtsreichen und aufkommenden Technologien in der Industrie sind; regt an, in der gesamten EU Zentren für digitale Innovation zu schaffen;

32.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, unter anderem in die Datenwirtschaft, auf den Menschen ausgerichtete künstliche Intelligenz, intelligente Produktion, das Internet der Dinge (IoT), Mobilität, Hochleistungsrechnen, Softwaretechnik und Technologie, Cloud, Quantentechnologie, widerstandsfähige, erschwingliche und sichere Hochgeschwindigkeits-5G- und 6G-Netze, Distributed Ledger Technologies (DLT), Robotik, Batterien und Satelliten-Internet zu investieren; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission in diesem Zusammenhang daher auf, eine zeitnahe Umsetzung der einschlägigen Schlüsselmaßnahmen sicherzustellen, die im Rahmen des 5G-Instrumentariums für Cybersicherheit empfohlen werden, und insbesondere gegebenenfalls bei wichtigen Anlagen und Einrichtungen, die in den von der Union koordinierten Risikobewertungen als kritisch und sensibel eingestuft werden, die einschlägigen Beschränkungen für Lieferanten, die ein hohes Risiko aufweisen, anzuwenden;

33.

unterstreicht die Schlüsselrolle des digitalen Sektors im Hinblick auf den Beitrag zum Wandel des Industriesektors sowohl als Quelle sauberer Technologielösungen als auch zur Optimierung industrieller Prozesse und zur Minimierung seiner Umweltauswirkungen; fordert die Kommission angesichts des hohen Energie- und Ressourcenverbrauchs im Zusammenhang mit IKT auf, die potenziellen Umweltauswirkungen der massiven Entwicklung digitaler Lösungen zu bewerten und gleichzeitig die Führungsrolle Europas bei hochgradig energieeffizienten und kreislauforientierten digitalen Technologien und Datenzentren sicherzustellen; fordert die Kommission auf, konkrete Wege für digitale Lösungen vorzuschlagen, die dem ökologischen Wandel dienen, und eine Methodik zur Überwachung und Quantifizierung der zunehmenden Umweltauswirkungen digitaler Technologien festzulegen;

34.

betont, dass Daten eine Schlüsselrolle beim Wandel der europäischen Industrie spielen, und betont die Bedeutung eines intelligenten Wachstums der verarbeitenden Industrie und der Digitalisierung; fordert die Kommission auf, ein europäisches Umfeld für Digitales und für Daten zu schaffen und die Interoperabilität sowie den Zugang und den Austausch von sicheren Daten und Software innerhalb der EU und über Branchen hinweg — in Unternehmen jeglicher Größe und unter öffentlichen Einrichtungen — zu sichern und zu fördern; fordert die Kommission ferner auf, eine Führungsrolle Europas bei der Festlegung zukunftsorientierter Standards und der Schaffung zukunftsorientierter Instrumente und Infrastrukturen zur Speicherung und Verarbeitung von Daten und zur Bündelung europäischer Daten in wichtigen Bereichen mit EU-weiten gemeinsamen und interoperablen Datenräumen sicherzustellen; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, sich insbesondere auf Projekte zur Datenverwaltung und -kennzeichnung, zur Standardisierung des Datenformats und zur Datensicherheit zu konzentrieren, Daten, insbesondere Daten von öffentlichen Einrichtungen, auf europäischem Boden zu entwickeln und zu verarbeiten, ein besseres System zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft aufzubauen, bei dem die Gewinne besteuert werden und die Unternehmen in erheblichem Maße mit den Nutzern interagieren, und die europäischen Normen und Zertifizierungen im Bereich der Cybersicherheit weiterzuentwickeln, um so die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, sowie bahnbrechende Technologien zu fördern, insbesondere für kritische Infrastrukturen, u. a. durch Überarbeitung der Richtlinie über Netz- und Informationssicherheit (NIS) und durch die Schaffung eines Netzwerks für Cybersicherheit-Kompetenzzentren; fordert die Kommission zudem auf, eine faire Plattform für Geschäftsbeziehungen zu schaffen, die es Unternehmen in der Union und insbesondere KMU ermöglicht, auf Plattformen generierte Daten effektiv zu nutzen;

35.

erkennt an, wie wichtig ein europäischer Ansatz für die Datenwirtschaft ist, der transparent, vertrauenswürdig, interoperabel und auf den Menschen ausgerichtet ist; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Fragmentierung der verschiedenen nationalen Strategien schrittweise zu verringern und Ungleichgewichte bei der Marktmacht anzugehen, um einen unionsweiten Fluss, Interoperabilität, Datenmanagement, Schutz und (Wieder-)Nutzung von Daten zu unterstützen;

36.

hält einen europäischen Rechtsrahmen für KI, Robotik und verwandte Technologien, der ethische Grundsätze und Grundrechte bei ihrer Entwicklung, Bereitstellung und Verwendung sowie Sicherheits- und Haftungsfragen berücksichtigt, für notwendig; hebt hervor, dass die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie einen horizontalen Rahmen erfordern wird, der die Werte und Grundsätze der Union widerspiegelt, um Bürgern und Unternehmen — auch außerhalb der Union — konkrete Leitlinien und Rechtssicherheit zu bieten;

37.

ist der Auffassung, dass gesetzgeberische Maßnahmen im Rahmen einer Überarbeitung des derzeit geltenden Rahmens für Rechte des geistigen Eigentums (IPR) sorgfältig abgewogen werden müssen, da dies erhebliche Auswirkungen auf die nach wie vor fragile und sich entwickelnde EU-Datenwirtschaft haben könnte; ist der Auffassung, dass es kein Eigentumsrecht auf der Grundlage von geistigem Eigentum für nicht personenbezogene Daten geben sollte, die von Technologien wie künstlicher Intelligenz verwendet und produziert werden;

38.

fordert die Kommission auf, in den Aufbauplan konkrete Maßnahmen aufzunehmen, mit denen Industriebranchen für eine Ansiedlung in Europa gewonnen werden können, um Rückverlagerungen und eine Diversifizierung europäischer Industrien in strategischen Bereichen zu mehren, zu stärken und zu fördern und um unter dem Gesichtspunkt der Klimaneutralität die Lieferketten zu verkürzen und zu diversifizieren; betont in diesem Zusammenhang, wie wichtig es ist, dass die Union genügend strategische Güter wie medizinische Bedarfsgüter und medizintechnische Geräte oder erneuerbare Energie produziert, um sich in Krisenzeiten selbst versorgen zu können, und regt an, hierfür Anreize zu setzen, wie etwa die Anforderung, einen höheren Anteil der lokalen Produktion (EU/EWR) von Sektoren zu beziehen, die befristete Beihilfen erhalten;

39.

sieht die Gefahr, dass die COVID-19-Krise zu einem Erstarken des ökonomischen Nationalismus und Protektionismus führen könnte und dass der auf Regeln beruhende freie Handel und die globalen Wertschöpfungsketten durch die Renationalisierung der Produktion und den Zerfall dieser globaler Wertschöpfungsketten weiter unter Druck geraten könnten; fordert die wirtschaftlichen Akteure daher auf, ihre Lieferketten zu diversifizieren, zu verkürzen und nachhaltiger zu gestalten, um Schwachstellen abzubauen;

40.

fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, sich für ein offenes und regelbasiertes multilaterales Handelssystem einzusetzen, das mit den weltweiten Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels und des Verlusts an biologischer Vielfalt sowie mit den hohen Umwelt- und Sozialstandards der EU im Einklang steht, den Zugang von EU-Unternehmen zu internationalen Märkten verbessert und starke internationale Akteure daran hindert, ihre Marktmacht zu missbrauchen; ist der Auffassung, dass die Union in diesem Zusammenhang die Wettbewerbspolitik in Bezug auf Unternehmen aus Drittländern gegebenenfalls nutzen, handelspolitische Schutzinstrumente (TDI) konsequenter anwenden, um systematisch gegen unfaire Dumping- und Subventionspraktiken vorzugehen, und das bestehende TDI-System stärken sollte;

41.

fordert die Kommission auf, unverzüglich ein vorübergehendes Verbot von Übernahmen von in strategischen Sektoren tätigen europäischen Unternehmen durch Staatsunternehmen bzw. unter staatlicher Kontrolle stehende Unternehmen aus Drittländern vorzuschlagen; fordert die Kommission ferner auf, Überlegungen hinsichtlich eines Ansatzes der Gegenseitigkeit beim Zugang zu Märkten anzustellen, den Regelungsrahmen der Union für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (ADI) systematisch zu stärken und zu überprüfen, um den Zugang zu strategischen Industriezweigen, Infrastrukturen, Schlüsseltechnologien und anderen Vermögenswerten in den Bereichen Sicherheit und Cybersicherheit zu schützen, und feindliche Übernahmen zu verhindern, um die Wettbewerbsfähigkeit zu wahren und um Marktverzerrungen im Binnenmarkt zu verringern; begrüßt in diesem Zusammenhang das Weißbuch über die Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen bei Subventionen aus Drittstaaten; fordert, dass die Verordnung (EU) Nr. 654/2014 (die Durchsetzungsverordnung) substanziell gestärkt und zügig angenommen wird; betont, dass dies ein wichtiges Instrument zum Schutz der Interessen der Union ist, wenn Drittländer illegale Maßnahmen ergreifen, die Unternehmen in der EU beeinträchtigen;

42.

fordert den Rat auf, die Verhandlungen über die Instrumente betreffend das internationale Beschaffungswesen (IPI) weiter voranzutreiben, die das Prinzip der Gegenseitigkeit und gegenseitig anerkannte Standards ermöglichen; fordert die Kommission auf, Vorschläge für geeignete Rechtsinstrumente vorzulegen, um gegen die im Binnenmarkt verursachten Verzerrungen, einschließlich im Rahmen von öffentlichen Vergabeverfahren, vorzugehen; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, zu erwägen, Unternehmen, die ihren Sitz, ihre Produktion und ihre Arbeitsplätze in der Union haben und aufrechterhalten, Vorrang einzuräumen; fordert die Kommission auf, in Ermangelung eines starken IPI und wirksamer globaler Regeln für den Zugang zu öffentlichen Aufträgen die Einführung von Maßnahmen zur Unterstützung europäischer Hersteller zu prüfen, insbesondere zugunsten von KMU, die einem zunehmenden Wettbewerb aus Schwellenländern ausgesetzt sind, die die gemeinsamen internationalen Handelsregeln und die sozialen Umweltnormen nicht einhalten;

43.

ist der Ansicht, dass einem umfassenden Ansatz für die Industriestrategie, in dem alle politischen Maßnahmen der EU berücksichtigt werden, eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen und „industriellen“ Diplomatie zukommen kann; legt der Kommission nahe, aktiv das Netzwerk von EU-Handelskammern in Drittstaaten zu nutzen, um neue geschäftliche Partnerschaften zu schließen;

44.

begrüßt das Bestreben, Leitmärkte im Bereich der ökologisch nachhaltigen und digitalen Technologien sowie innovativer Lösungen zu schaffen; ist der Ansicht, dass die Finanzierung von Forschung und Innovation für innovative Industrieprojekte und digitale Fähigkeiten von wesentlicher Bedeutung ist, und vertritt die Auffassung, dass dies Hand in Hand gehen sollte mit der aktuellen Analyse der Leitlinien für wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (Important Projects of Common European Interest, IPCEI) durch die Kommission; ist der Ansicht, dass Resilienz und strategische Autonomie als bestimmende Kriterien betrachtet werden sollten und dass IPCEI mit den Zielen der Union in Bezug auf Klimaneutralität und digitale Technologien im Einklang stehen sollten; fordert die Kommission auf, die Transparenz bei der Umsetzung der IPCEI zu erhöhen und die Beteiligung von KMU sicherzustellen; fordert die Kommission ferner auf, eine rasche Herausbildung von europäischen Marktführern und/oder Ökosystemen in strategischen Industriebereichen zu fördern, die im globalen Maßstab wettbewerbsfähig sind und die dazu beitragen werden, eine klimaneutrale Wirtschaft und eine digitale Führung zu verwirklichen, ohne dass dies zu Wettbewerbsverzerrungen in der Union führt oder dass das Vertrauen in die Offenheit und den Zugang zu den Märkten untergraben wird;

45.

fordert die Kommission auf, die Arbeit an Wertschöpfungsketten fortzusetzen, indem sie eine angemessene Weiterverfolgung der Maßnahmen sicherstellt, die für die sechs vom Strategischen Forum für IPCEI ermittelten strategischen Wertschöpfungsketten vorgeschlagen werden, und transparente, in allen Mitgliedstaaten einheitliche Anwendungsbedingungen für gemeinsame IPCEI-Projekte zu schaffen, um sicherzustellen, dass sie der Union als Ganzes zugutekommen; appelliert an die Kommission, in der derzeitigen Krise in Projekte zu investieren, die einen klaren europäischen Mehrwert aufweisen, Verwaltungsprozesse zu vereinfachen, die Kriterien für die Kostenzuschussfähigkeit zu erweitern und die Finanzierung aufzustocken;

46.

betrachtet die Initiative „Next Generation EU“ als die Säule der ersten Phase der Erholung der europäischen Industrie von den Folgen der COVID-19-Pandemie; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass der Fonds rasch umgesetzt wird, und fordert, dass das Parlament umfassend in die Beschlussfassung und in den Umsetzungsprozess einbezogen wird, damit die demokratische Rechenschaftspflicht sichergestellt und für größtmögliche Transparenz und parlamentarische Kontrolle gesorgt ist; fordert dass im Rahmen des Aufbauinstruments „Next Generation EU“ im Hinblick auf eine wirksame vorgezogene Bereitstellung der 750 Mrd. EUR

a)

Zielvorgaben für soziale, nachhaltige und digitale Investitionen vorgesehen werden, um möglichst geringe negative und möglichst große positive Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Soziales sicherzustellen;

b)

besonderes Augenmerk auf KMU, die von der COVID-19-Krise am schwersten getroffen wurden, gelegt und deren Zugang zu Finanzmitteln unterstützt wird;

c)

die Verwaltung nach Möglichkeit direkt durch die Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und durch europäische Programme erfolgt, um in besser koordinierter Weise Fortschritte zu erzielen, damit der Weltmarkt besser beeinflusst werden kann, für größtmögliche Transparenz und parlamentarische Kontrolle gesorgt ist und interne sowie externe Verzerrungen und Störungen des Binnenmarktes vermieden werden;

d)

die Besonderheiten der Mitgliedstaaten, die von der Krise auf vielfältige Weise betroffen sind, berücksichtigt werden;

e)

die Finanzhilfe auf die verschiedenen industriellen Ökosysteme, einschließlich Kleinstunternehmen und KMU, entsprechend den erlittenen Schäden, den sozialen Auswirkungen, den zu bewältigenden Herausforderungen und der Höhe der im Rahmen der nationalen Beihilferegelungen bereits erhaltenen nationalen Finanzhilfe verteilt wird, wobei die wechselseitigen strukturellen Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Wertschöpfungsketten zu berücksichtigen sind; die Lehren, die aus den früheren, aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 eingeführten staatlichen Beihilfemaßnahmen gezogen wurden, sowie die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Resilienz und die langfristige wirtschaftliche und soziale Erholung berücksichtigt werden; berücksichtigt wird, dass der Fonds an Kriterien geknüpft sein muss, mit denen sichergestellt wird, dass die Mittel nicht zur Tilgung von Altschulden oder zur Beibehaltung veralteter Technologien verwendet werden und dass Unternehmen unterstützt werden, die zu langfristigem Wachstum beitragen und über ein hohes Potenzial zur Wiederbelebung der Wirtschaft verfügen; berücksichtigt wird, dass die Mittel für den wirtschaftlichen Aufbau auch in klimaschonende, innovationsfreundliche Wirtschaftszweige mit hohem Multiplikatoreffekt geleitet werden sollten, die zur künftigen wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit der EU beitragen werden;

f)

nationale steuerliche Regelungen unterstützt werden, die Anreize für Beteiligungsinvestitionen der Privatwirtschaft bieten und es Unternehmen ermöglichen, einen Teil der über den Fonds gewährten Darlehen in Eigenkapital umzuwandeln;

g)

zweckgebundene Mittel für Unternehmen, insbesondere für KMU, Kleinstunternehmen und Start-up-Unternehmen, bereitgestellt werden, deren Geschäftspläne und -tätigkeit wichtige Innovationen, Technologien und Dienste umfassen — auch solche, die den digitalen und den grünen Wandel vorantreiben — oder deren Tätigkeit für die strategische Autonomie der Union in kritischen Sektoren erforderlich ist, insbesondere was eine verbesserte Kreislaufwirtschaft, eine höhere Ressourcen- und Energieeffizienz und -einsparungen sowie die Umstellung auf erneuerbare Energieträger betrifft; dazu beigetragen wird, die Lieferketten der Union durch deren Rückverlagerung, Diversifizierung und Stärkung widerstandsfähiger und weniger abhängig zu machen, wobei die Diskriminierung von Unternehmen in einer Notsituation, die in der entsprechenden Übergangsphase Unterstützung benötigen, zu vermeiden ist;

h)

Mittel für große Unternehmen bereitgestellt werden, die über einen glaubwürdigen Plan für den Übergang zu einem klimaneutralen Geschäftsmodell verfügen;

i)

das Garantieprogramm der EIB gestärkt und als Begleitmaßnahme zu nationalen Programmen gestaltet wird, damit es als sinnvolle Ergänzung fungieren und ihre Wirkung vor Ort verstärken kann;

j)

Unternehmen bevorzugt behandelt werden, die sich zu Transparenz verpflichten, die Sichtbarkeit der Finanzierung durch die EU sicherstellen, Systeme einrichten, die die Einbeziehung der Arbeitnehmer in Unternehmensfragen fördern, und ihren nichtfinanziellen Berichtspflichten nachkommen;

47.

betont, dass ein nachhaltiger und gerechter Aufbau unterstützt und das Wohlergehen der Bürger nach der COVID-19-Krise sichergestellt werden muss; ist der Ansicht, dass mit dem Fonds die Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gefördert sowie ein fairer und gerechter digitaler und grüner Wandel sichergestellt werden sollten;

48.

ist der Ansicht, dass die Union parallel zur aktuellen Krise auch eine zweite Phase ihrer Industriestrategie vorbereiten und antizipieren sollte, die die Wettbewerbsfähigkeit, die ökologische Nachhaltigkeit und die Digitalisierung der europäischen Industrie sicherstellt und zu einer langfristigen Resilienz auf einer sozial verantwortungsvollen Grundlage führt; verweist darauf, dass die Rolle der Mitgliedstaaten von entscheidender Bedeutung sein wird, wenn es darum geht, die begrenzten Ressourcen der Union im Hinblick auf einen erfolgreichen Aufbau optimal zu nutzen, und dass die Industriepolitik zu einer bereichsübergreifenden Aufgabe der Kommission werden sollte;

49.

ist der Ansicht, dass die Union eine Industriestrategie benötigt, die den Schutz in den Bereichen Umwelt, Gesundheit und biologische Vielfalt umfasst, und beharrt darauf, dass der Wandel hin zu einer klimaneutralen Industrie der Union beschleunigt werden muss; betont, dass die Investitionen mit den Zielen für die Klimaneutralität bis 2050 im Einklang stehen müssen, da ansonsten das Risiko besteht, dass Vermögenswerte verloren gehen und dass es in auf fossilen Rohstoffen beruhenden und umweltschädlichen Technologien zu Lock-in-Effekten kommt;

50.

hebt hervor, dass eine wirklich wirksame europäische Industriestrategie und die entsprechende Politik auf ehrgeizigen Klimaschutzmaßnahmen und -zielen gemäß dem Klimagesetz beruhen und einen Fahrplan umfassen müssen, um die Industrie der Zukunft so zu gestalten, dass alle Wirtschaftszweige dazu beitragen, das Ziel der Klimaneutralität so früh wie möglich und bis spätestens 2050 zu erreichen;

51.

betont, dass die neue Industriestrategie auf das Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 abgestimmt sein muss, und hebt zugleich hervor, dass die europäische Klimapolitik auf Fakten beruhen muss;

52.

hebt hervor, dass auf den nationalen und globalen Märkten ein erhebliches Potenzial für emissionsfreie und emissionsarme Technologien, erneuerbare Energieträger und nachhaltige Produkte, Verfahren und Dienste entlang der gesamten Wertschöpfungskette besteht — von den Rohstoffen über die energieintensiven Industrien bis hin zum verarbeitenden Gewerbe und zum Industriedienstleistungssektor; ist zudem der Ansicht, dass das Klimagesetz erheblich zur Straffung der Bemühungen um die Klimaneutralität bis spätestens 2050 beitragen wird, zumal in dessen Rahmen die Klimaziele für 2030 und 2050 in den Rechtsvorschriften der Union verankert werden; ist der Ansicht, dass es auch eines umfassenderen und systematischeren politischen Rahmens bedarf, um die politische Kohärenz sämtlicher Strategien der Union, die langfristige Investitionssicherheit und die Berechenbarkeit der Regulierung sowie einen kohärenten, transparenten und inklusiven Governance-Ansatz in allen Politikbereichen sicherzustellen und so den Weg für eine klare und vorhersehbare Strategie für die europäische Industrie zu ebnen;

53.

begrüßt den Vorschlag für ein Industrieforum; fordert die Kommission auf, dessen Einrichtung voranzubringen und in diesem Rahmen einen Dialog herzustellen, in dem alle einschlägigen wissenschaftlichen Sachverständigen, Organisationen und Interessenträger, einschließlich der Zivilgesellschaft, der Verbraucherverbände und der Gewerkschaften, in einem ausgewogenen Verhältnis vertreten sind, um die Fortschritte in den einzelnen Industriezweigen auf EU-Ebene im Hinblick auf die bis spätestens 2050 zu erreichenden Klimaneutralitätsziele kontinuierlich zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten und die Kommission dahingehend zu beraten, inwiefern die Investitionen zu den Umwelt- und Klimaschutzzielen der Union gemäß der Verordnung über das Governance-System der Energieunion beitragen und mit ihnen im Einklang stehen;

54.

ist der Ansicht, dass alle Wirtschaftszweige zur Verwirklichung der Klimaziele der Union beitragen sollten, und unterstreicht in diesem Zusammenhang, wie wichtig es ist, dass die Kommission sektorspezifische Strategien entwickelt, in deren Rahmen die zur Erreichung dieser Ziele erforderlichen Maßnahmen dargelegt und die politische Kohärenz sichergestellt werden; fordert nachdrücklich, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe umgehend eingestellt wird, und betont, dass ein hocheffizientes und klimaneutrales Energiesystem zu weltweit wettbewerbsfähigen Preisen für die Industrie geschaffen werden muss; unterstreicht im Hinblick auf den Übergang hin zu hochgradig energieeffizienten und klimaneutralen Volkswirtschaften die wichtige Rolle von Energie und Rohstoffen, die sauber, nachhaltig und erschwinglich sind; betont, dass sichergestellt werden muss, dass die Nutzung von Energieträgern wie Erdgas unter Berücksichtigung des Ziels der Klimaneutralität bis spätestens 2050 nur vorübergehenden Charakter hat; betont, dass die weitere Integration des EU-Energiemarktes eine wichtige Rolle spielen wird, wenn es darum geht, die Energieversorgung erschwinglicher und sicherer zu gestalten; betont in diesem Zusammenhang, dass der Ausbau der Kapazitäten für Energie aus erneuerbaren Quellen und deren Integration in den Energiemix beschleunigt werden müssen und dass die Einführung der auf erneuerbaren Quellen basierenden Wasserstofferzeugung erleichtert werden muss, zumal diese Technologie für Sektoren, in denen Emissionen schwer zu verringern sind, bahnbrechend sein könnte; begrüßt die Gründung der Allianz für sauberen Wasserstoff und der Allianz kohlenstoffarmer Industrien; betont, dass im Hinblick auf die Energiewende die Forschungsarbeiten zur Erzeugung von Wasserstoff und grünen Brennstoffen in großem Maßstab sowie zu Niedrigemissionstechnologien — etwa die CO2-Abscheidung und -Speicherung in industriellen Verfahren, Bioenergieanlagen und Produktionsstätten — beschleunigt werden müssen, wobei auch die mögliche Nutzung geothermischer Energiequellen geprüft werden sollte; bekräftigt, dass dies — im Einklang mit der Notwendigkeit, die CO2-Emissionen der energieintensiven Industrien zu verringern — die umfassende Verfügbarkeit von erschwinglicher und sauberer Energie und der dazugehörigen Infrastruktur erfordert;

55.

fordert die Institutionen der Union, die Mitgliedstaaten, die Regionen, die Industrie und alle anderen einschlägigen Akteure auf zusammenzuarbeiten, um die Energieeffizienz in Europa zu verbessern, Leitmärkte im Bereich der klimarelevanten Technologien und Innovationen in der Union zu schaffen und den Investitionen in Energieinfrastrukturen Vorrang einzuräumen; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die EIB als „Klimabank“ der Union besser genutzt wird, und die nachhaltige Finanzierung des öffentlichen Sektors und der Privatwirtschaft zu verbessern sowie die Unternehmen bei der Dekarbonisierung zu unterstützen;

56.

betont, dass in allen Wirtschaftszweigen umfassende Kapazitäten für erneuerbare Energien zu wettbewerbsfähigen Preisen geschaffen werden müssen; stellt fest, dass die Union weltweit 40 % der Patente für erneuerbare Energien hält, und betont, dass sie im Bereich der bahnbrechenden Technologien für erneuerbare Energien weiterhin eine Führungsrolle einnehmen sollte; betont in diesem Zusammenhang, dass unbedingt eine robuste Industriepolitik für Energie aus erneuerbaren Quellen entwickelt werden muss, die sowohl angebotsseitige als auch nachfrageseitige Maßnahmen umfasst und eine Integration des Sektors für Energie aus erneuerbaren Quellen ermöglicht, damit die langfristige Sicherheit der Energieversorgung, die technologische Führungsrolle und die strategische Autonomie Europas gesichert werden können; fordert die Kommission nachdrücklich auf, Technologien im Bereich der Energie aus erneuerbaren Quellen als wichtige strategische Wertschöpfungskette und als ein industrielles Ökosystem, das im Rahmen der Fazilität für strategische Investitionen förderfähig ist, anzuerkennen und dafür zu sorgen, dass diese im bevorstehenden Industrieforum angemessen vertreten werden; betont, dass Unterstützungsmaßnahmen für die Entwicklung von Technologien im Bereich der Energie aus erneuerbaren Quellen in Europa ausgearbeitet und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Hersteller aus der Union und aus Drittstaaten sichergestellt werden müssen;

57.

betont, dass die europäische Industrie auf ein effizientes, nachhaltiges und vollständig verknüpftes Netz von Verkehrs-, Digital- und Energieinfrastrukturen gestützt sein muss, wenn sie wettbewerbsfähig sein soll; fordert eine langfristige Investitionspolitik für die Ausstattung und Erneuerung der Infrastruktur sowie für den Abbau der administrativen Hürden, die den raschen Ausbau der transeuropäischen Netze behindern; fordert mehr Mittel für die Fazilität „Connecting Europe“ in allen drei entsprechenden Sektoren, um die Investitionen in Infrastruktur, Vernetzung, Digitalisierung und intelligente Netze, die mit den Zielen des europäischen Grünen Deals im Einklang stehen, anzukurbeln; betont zudem, dass Vorhaben von gemeinsamem Interesse forciert werden müssen, und dass es gilt, die Verordnung über die transeuropäischen Energienetze (TEN-E) so bald wie möglich zu überarbeiten;

58.

unterstreicht das Potenzial, das eine schadstofffreie Kreislaufwirtschaft im Hinblick auf die Modernisierung der Wirtschaft der Union birgt, indem deren Energie- und Ressourcenverbrauch verringert wird, der Abfallvermeidung Vorrang eingeräumt wird, Anreize für Innovationen geschaffen werden und ganze Industriezweige und ihre Wertschöpfungsketten, Produkte, Herstellungsprozesse und Geschäftsmodelle umgestaltet werden, wodurch die Entmaterialisierung und Entgiftung der Wirtschaft der Union gefördert und Europa weniger abhängig von Primärrohstoffen gemacht wird, während gleichzeitig Anreize für Innovationen geschaffen werden, einschließlich der Schaffung neuer Märkte für kohlenstofffreie, kohlenstoffarme und erneuerbare Lösungen als Ersatz für auf fossilen Brennstoffen basierende Produkte und Materialien sowie der Entwicklung neuer umweltverträglicher Technologien und Lösungen zur Vermeidung von ökologischen Auswirkungen; hebt die starken Synergien zwischen Klimaschutzmaßnahmen und der Kreislaufwirtschaft, insbesondere in energie- und ressourcenintensiven Industrien und im Sanierungswesen, hervor und betont, dass die einzelnen Wirtschaftszweige unterschiedliche Wege hin zur Dekarbonisierung verfolgen und unterschiedliche Ausgangspunkte haben; hebt das Potenzial der kreislauforientierten Bioökonomie und der Holz- und Forstwirtschaft für die Förderung einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Industrie hervor;

59.

erinnert daran, dass die europäische Klima- und Energiepolitik für ihre strategischen Technologien hohe Mengen an Metallen und Mineralien benötigen wird; bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass Europa in Bezug auf die Versorgung mit vielen dieser Metalle und Mineralien in hohem Maße von anderen Regionen der Welt abhängig ist und allmählich seinen Anteil am Weltmarkt verliert, und zwar selbst bei solchen Materialien, bei denen es durchaus über industrielle Kapazitäten verfügt; betont, dass die Autonomie Europas in strategischen Sektoren nicht ohne ein wettbewerbsfähiges und nachhaltiges Ökosystem der Union für grundlegende, wertvolle und kritische Materialien aus primären und sekundären Quellen erreicht werden kann; betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft, hebt jedoch hervor, dass Europa seine Kapazitäten für sämtliche Stufen der Rohstoffwertschöpfungskette erhöhen muss, insbesondere was den Abbau, die Rückführung, das Schmelzen, das Raffinieren und die Umwandlung von Rohstoffen betrifft; vertritt die Auffassung, dass sich der Aktionsplan und die Allianz für kritische Rohstoffe nicht auf kritische Rohstoffe beschränken, sondern auch auf die Entwicklung eines integrierten Ökosystems für das gesamte Spektrum der für den industriellen Wandel benötigten Materialien, Metalle und Mineralien abzielen sollte;

60.

fordert die Kommission auf, eine europäische Einfuhr- und Ausfuhrstrategie für erneuerbare, ressourcen- und energieeffiziente Technologien zu entwickeln;

61.

hebt das Potenzial der Sektorkopplung und der Vernetzung energieintensiver Wirtschaftszweige wie des Bau- und des Verkehrswesens hervor und begrüßt in diesem Zusammenhang die Mitteilung der Kommission zur Integration des Energiesystems;

62.

fordert beträchtliche finanzielle Mittel für die energetische Sanierung von Gebäuden, um die geplante Initiative für eine „Sanierungswelle“ mit den erforderlichen finanziellen Mitteln im Rahmen des Aufbauplans zu fördern; betont, dass im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Vorschlag zur „Sanierungswelle“ und der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, langfristige Strategien zur Erzielung eines hochgradig energieeffizienten und dekarbonisierten Gebäudebestands festzulegen, der Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ vollständig priorisiert werden sollte, um umfassende Sanierungen und den Ersatz von auf fossilen Brennstoffen basierenden und ineffizienten Heiz- und Kühlsystemen zu beschleunigen; betont, dass integrierte Programme für umfassende Sanierungen, die ganze Gemeinden oder Bezirke abdecken, kostengünstiger und schneller umgesetzt werden können, wodurch Vorteile für die Verbraucher entstehen und die Energiekosten gesenkt werden;

63.

weist darauf hin, dass Prozesswärme und -kälte in der Industrie nach wie vor zu den bedeutendsten Arten der Energienutzung zählen; betont daher, dass es im Hinblick auf eine raschere Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der Industrie gilt, das Energieeffizienzpotenzial von Prozesswärme und -kälte voll auszuschöpfen, indem verstärkt auf erneuerbare Energieträger, die auf Elektrifizierung beruhen, und auf Wärmepumpen zurückgegriffen wird und Industriecluster sowie Symbiosen, die in vielen Wirtschaftszweigen ein erhebliches Reduktionspotenzial bergen, besser genutzt werden;

64.

weist besonders auf das Potenzial hin, das die umweltfreundliche Mobilität im Hinblick auf die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen, die Ankurbelung der europäischen Industrie und die Förderung von Investitionen in den Ausbau einer nachhaltigen Verkehrsinfrastruktur birgt, durch die ein Multiplikatoreffekt durch die Vergabe von Aufträgen an ein breites Spektrum von Unternehmern — Auftragnehmer, Unterauftragnehmer, Lieferanten sowie deren Unterauftragnehmer — sowie eine Reduzierung der Emissionen aus dem Verkehrssektor erzielt werden könnte; betont, wie wichtig es ist, die Umsetzung der Europäischen Batterie-Allianz zu beschleunigen, um das Potenzial ihrer strategischen Wertschöpfungskette auszuschöpfen, die Möglichkeiten für innovative, lokal produzierte Batterien und das Recycling von Metallen in Europa zu erweitern, einen europäischen Mehrwert zu schaffen, zur Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie in der Union beizutragen und den Übergang zu einem CO2-ärmeren Elektrizitätssystem zu erleichtern; fordert mehr Investitionen in Hochgeschwindigkeitszüge und die Erneuerung der überregionalen Bahnnetze sowie in einen emissionsfreien bzw. emissionsarmen öffentlichen Verkehr; betont, wie wichtig es ist, die umweltfreundliche Mobilität durch Investitionen in eine bessere Infrastruktur, etwa durch eine bessere Verbreitung von Ladestationen, zu fördern; ist der Ansicht, dass der Markt für Elektrofahrzeuge mit einer höheren Dichte an Ladestationen in der Lage sein wird, erheblich und schneller zu expandieren, was sich positiv auf unseren CO2-Fußabdruck auswirken wird; fordert die Kommission daher auf, eine groß angelegte Strategie für den Aufbau einer Schnellladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge vorzulegen, um die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen seitens der Verbraucher dadurch sicherzustellen, dass man ihnen Gewissheit in Bezug auf das Potenzial der Technologie und den Zugang zu einem engmaschigen Netz kompatibler Ladeinfrastrukturen bietet, sowie die in Europa ansässigen Autohersteller zu unterstützen;

65.

ist der Ansicht, dass Europa für eine erfolgreiche Energiewende eine erhebliche Menge an erschwinglicher kohlenstofffreier bzw. kohlenstoffarmer Energie aus erneuerbaren Quellen, auch aus Drittländern und unter Nutzung der dazugehörigen Infrastruktur, benötigen wird; fordert strategische Initiativen innerhalb der Union sowie dass die Energiepolitik zu einem Schwerpunkt der Außen- und Nachbarschaftspolitik der Union wird, einschließlich der finanziellen Unterstützung von Allianzen für aus erneuerbaren Quellen erzeugten Wasserstoff und Ökostrom; ist der Ansicht, dass diese Allianzen auch Teil der Handelsabkommen sein sollten; betont, wie wichtig starke Allianzen sind, um der Verknappung von Ressourcen und Rohstoffen entgegenzuwirken und diese auf nachhaltige Weise zu beschaffen;

66.

weist auf den EU-Masterplan für einen wettbewerbsfähigen Übergang der energieintensiven Industrien von 2019 hin, der den Übergang regelt und gleichzeitig dafür sorgt, dass die europäischen Industrien wettbewerbsfähig bleiben, und fordert die Kommission auf, ihre Empfehlung umzusetzen und dementsprechend dazu beizutragen, Importe aus Drittländern, die Umweltstandards nicht ausreichend erfüllen, zu ersetzen, und bei den globalen Handelspartnern der Union Anreize für ehrgeizigere Klimaschutzziele zu schaffen;

67.

fordert eine Überarbeitung des Emissionshandelssystems der EU (EHS) im Einklang mit den Klimazielen und ein CO2-Grenzausgleichssystem, um zu einer intelligenten Rückverlagerung der Herstellung und kürzeren Wertschöpfungsketten beizutragen; betont, wie wichtig ein CO2-Grenzausgleichssystem sein kann, um eine Verlagerung von CO2-Emissionen zu vermeiden;

68.

weist darauf hin, dass mehr als die Hälfte des weltweiten BIP von der Natur und den Dienstleistungen, die sie bietet, abhängt, und dass zahlreiche Wirtschaftszweige in hohem Maße auf die Natur angewiesen sind; stellt fest, dass der Verlust der biologischen Vielfalt und die Wasserbelastung zu mehr als 90 % auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen zurückzuführen sind; betont, dass die europäische Industriepolitik mit den Zielen der Biodiversitätsstrategie für 2030 im Einklang stehen sollte;

69.

betont, dass gemäß dem Konzept „Eine Gesundheit“ die Erhaltung der natürlichen Ökosysteme von grundlegender Bedeutung ist, um die Grundbedürfnisse der Menschheit, wie Trinkwasser, saubere Luft und fruchtbarer Boden, zu decken; fordert, dass im Einklang mit der EU-Biodiversitätsstrategie umgehend robuste Indikatoren ausgearbeitet werden, um die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu bewerten und sicherzustellen, dass die Umweltverschmutzung schrittweise verringert wird;

70.

hebt hervor, dass ein erheblicher Teil der Umweltverschmutzung nach wie vor aus der Industrie kommt, die Schadstoffe in die Luft, ins Wasser und in den Boden freisetzt; betont, wie wichtig die Richtlinie über Industrieemissionen ist, um für große Anlagen Auflagen zur Minimierung der Freisetzung von Schadstoffen festzulegen; begrüßt den anstehenden Null-Schadstoff-Aktionsplan für Luft, Wasser und Boden sowie die Überarbeitung der Richtlinie über Industrieemissionen, was zu einer erheblichen Verringerung der Umweltverschmutzung aus der Industrie führen sollte;

71.

betont, wie wichtig die regionale Dimension der Industriepolitik ist, da die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Regionen bestehen bleiben und sich durch die Auswirkungen der Coronavirus-Krise noch zu vergrößern drohen; betont, dass regionale Sanierungspläne Fortschritte bei nachhaltigen Transformationsstrategien erzielen und Programme zur wirtschaftlichen Wiederbelebung mit aktiven Arbeitsmarktprogrammen kombinieren müssen, um dem Niedergang von Regionen vorzubeugen und entgegenzuwirken; fordert die Kommission auf, eng mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um mittel- und langfristige Prognosen zu den auf dem Arbeitsmarkt benötigten Fähigkeiten zu erstellen;

72.

hebt in diesem Zusammenhang die Bedeutung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) hervor, wenn es darum geht, die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze mit menschenwürdigen Löhnen, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und die Modernisierung und Verbesserung der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie der Gesundheitsversorgung zu unterstützen;

73.

betont, dass ein fairer, inklusiver und gerechter Übergang unterstützt werden muss und dass soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten — über die berufliche Umschulung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in neuen Wirtschaftsbranchen hinaus — abgebaut werden müssen, damit niemand zurückgelassen und kein Arbeitnehmer aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen wird; ist der Überzeugung, dass ein gut konzipierter Mechanismus für einen gerechten Übergang — einschließlich eines Fonds für einen gerechten Übergang — ein wichtiges Instrument sein wird, um den doppelten Übergang zu erleichtern und ehrgeizige Klimaneutralitätsziele zu verwirklichen; betont, dass alle lokalen Interessenträger, einschließlich der Vertreter der Zivilgesellschaft und der Gemeinschaft, in der Phase der Ausarbeitung und Umsetzung der territorialen Pläne für einen gerechten Übergang berücksichtigt werden sollten, um einen inklusiveren Wandel sicherzustellen und dessen soziale Auswirkungen abzufedern; unterstreicht, dass Investitionen in nachhaltige Technologien in dieser Hinsicht eine Schlüsselrolle spielen müssen, indem dadurch die langfristige wirtschaftliche Entwicklung der regionalen Volkswirtschaften unterstützt wird; betont, dass die solide Finanzierung des Mechanismus für einen gerechten Übergang — u. a. mit erheblichen zusätzlichen Haushaltsmitteln — ein Schlüsselelement wäre, wenn es um die erfolgreiche Umsetzung des europäischen Grünen Deals geht;

74.

ist davon überzeugt, dass die interregionale Zusammenarbeit mit dem Ziel von nachhaltigem und digitalem Wandel, wie in den Strategien für intelligente Spezialisierung festgelegt, gestärkt werden muss, um regionale Ökosysteme zu fördern; fordert die Kommission daher auf, die Entwicklung von Instrumenten zu fördern, mit denen Regionen ein klarer Strategieplan mit einem maßgeschneiderten Ansatz an die Hand gegeben werden kann, damit sie sich eine industrielle Führungsrolle sichern können;

75.

ist der Auffassung, dass der industrielle Wandel eine erhebliche Intensivierung bei den Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen sowie die Integration von neuem Wissen und Innovationen in bestehende Märkte und deren Nutzung zur Schaffung neuer Märkte erfordert; betont, dass Innovationen zu den Motoren führender industrieller Ökosysteme gehören und dass sich diese Tatsache in jeder Phase des Innovationszyklus in einer stärkeren Unterstützung von Innovationen und unternehmerischen Fähigkeiten niederschlagen sollte; hebt hervor, dass höhere Beträge für Forschung, insbesondere für hochwertige öffentliche Forschung, sowie für Entwicklung und Innovation ausgegeben werden müssen, weil es sich dabei um zentrale Faktoren handelt, um den doppelten Wandel zu schaffen, die strategische Autonomie der Union zu verbessern und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu stärken; fordert die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, an ihrer Zusage festzuhalten, 3 % ihres BIP in Forschung und Entwicklung zu investieren, damit die führende Rolle der Union unter den globalen Wettbewerbern erhalten bleibt; bedauert den derzeitigen Mangel an Innovationsfähigkeit in KMU, da das erforderliche Risikokapital fehlt, die Kosten und Komplexität von Verwaltungsverfahren sowie den Mangel an geeigneten Kompetenzen und Zugang zu Informationen;

76.

betont, dass die Haushaltsmittel für die Programme zur Unterstützung des industriellen Wandels in der Union aufgestockt werden müssen, und weist daher auf den Standpunkt des Parlaments hin, wonach eine Aufstockung der Haushaltsmittel für Horizont Europa auf 120 Mrd. EUR befürwortet wird, dass sichergestellt werden soll, dass das Programm mit den Klimaneutralitätszielen der Union kohärent ist, und dass InvestEU und Digitales Europa durch geeignete Instrumente für die Finanzierung der Entwicklung des Marktes für bahnbrechende Technologien und Innovationen unterstützt werden sollen, wobei auch Synergien zwischen regionalen, nationalen, europäischen und privaten Finanzierungsquellen zu fördern sind; fordert, dass der Europäische Innovationsrat (EIC) und das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) wirksam unterstützt werden und dass deren Auftrag gestärkt wird; besteht darauf, dass ein wesentlicher Anteil der im Rahmen des Programms Horizont Europa für KMU verfügbaren Mittel über den EIC und die kollaborativen Teile des Programms vergeben werden, um neue Lösungen zu schaffen und Innovationen sowohl inkrementell als auch disruptiv zu fördern; unterstützt die Einrichtung europäischer Partnerschaften im Rahmen von Horizont Europa, um private Investitionen zu mobilisieren und den Transfer von Wissen, Technologien und Innovationen von Forschungszentren und Hochschulen in den industriellen Prozess zu fördern, wobei das Projekt der industriellen Ökosysteme genutzt werden sollte, damit die Erholung nach der Pandemie sowie der ökologische und digitale Wandel vorangebracht werden; fordert die Kommission darüber hinaus auf sicherzustellen, dass diese Partnerschaften während ihrer gesamten Durchführung transparent und inklusiv sein werden, insbesondere was ihre strategische Forschungsagenda und ihre Jahresarbeitsprogramme betrifft; betont, dass sie frei von Interessenkonflikten sein und einen echten Mehrwert für die Gesellschaft garantieren sollten;

77.

ist in diesem Zusammenhang außerdem der Überzeugung, dass eine besser gewappnete und resilientere Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist, um Ereignisse mit destabilisierenden Folgen in Europa oder auf globaler Ebene bewältigen und flächendeckend politisch darauf reagieren zu können, und dass abgestimmte FuE-Investitionen diesbezüglich von entscheidender Bedeutung sind; fordert die Kommission zu diesem Zweck auf, die Einrichtung eines gesonderten Instruments zur Vorbereitung auf Pandemien und zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft zu unterstützen, da mit dieser Maßnahme die Voraussetzungen für eine bessere Koordinierung auf EU-Ebene geschaffen, prioritäre Bereiche ermittelt und Schritte eingeleitet würden, die eine hochwertige medizinische Forschung und abgestimmte FuI-Investitionen erfordern;

78.

betont, wie wichtig eine auf Forschung beruhende pharmazeutische Industrie ist, da sie einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, die hochwertige Herstellung und Bereitstellung von erschwinglichen Arzneimitteln aufrechtzuerhalten, sodass alle Patienten die jeweils benötigten Arzneimittel erhalten, die Innovation, Resilienz, Zugänglichkeit und Reaktionsfähigkeit der Union zu stärken und künftige Herausforderungen zu meistern; bekräftigt, dass ein Plan zur Minderung der Risiken von Arzneimittelengpässen aufgelegt werden muss, damit sämtliche Anfälligkeiten und Risiken in der Versorgungskette für kritische Arzneimittel bewältigt werden, künftige Innovationen sichergestellt werden, um einen offenen, unerfüllten Bedarf zu decken, und die Widerstandsfähigkeit, Reaktionsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der Gesundheitssysteme unterstützt werden, um künftige Herausforderungen, darunter Pandemien, zu bewältigen;

79.

betont, wie wichtig Schlüsseltechnologien beim Aufbau technologischer und innovativer Kapazitäten unionsweit sind; fordert die Kommission auf, das Programm „Horizont Europa“ und seine Industriestrategie auf die Entwicklung, den Ausbau und die Kommerzialisierung bahnbrechender Technologien und Innovationen in der Union abzustimmen, um die Lücke zwischen Innovation und Markteinführung zu schließen, indem Risikofinanzierung für Technologien und Demonstrationsvorhaben im Frühstadium bereitgestellt wird und Wertketten mit früher Wertschöpfung entwickelt werden, sodass in erster Linie kommerzielle, markttaugliche, emissionsfreie und emissionsarme, erneuerbare, energie- und ressourceneffiziente kreislauforientierte Technologien und Produkte, Verfahren, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle gefördert werden und die Entwicklung von Forschungsinfrastruktur auch mit dem Ziel unterstützt wird, die bestehende Kluft zwischen den Mitgliedstaaten abzubauen; legt der Kommission und den Mitgliedstaaten nahe, zentrale Anlaufstellen mit optimierten Informationen zu Möglichkeiten der Finanzierung von industriellen Demonstrationsvorhaben für bahnbrechende Technologien zu entwickeln;

80.

fordert die Kommission auf, Maßnahmen zu prüfen, mit denen dem potenziellen Wissens- und Innovationsverlust während der derzeitigen Krise entgegengewirkt werden kann, einschließlich durch Instrumente, die Unternehmen dabei unterstützen, Arbeitnehmer, die wissensbasierte Arbeit leisten, vorübergehend mit öffentlichen Forschungsstellen und Universitäten auszutauschen, um öffentlich-private Forschung an öffentlichen Prioritäten zu ermöglichen und in Zeiten der Krise die Beschäftigungs- und Innovationskapazität zu erhalten;

81.

fordert die Kommission auf, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten mögliche Steueranreize zu entwickeln, um die FuE-Investitionen anzukurbeln, die infolge der COVID-19-Krise stark zurückgegangen sind;

82.

fordert die Kommission auf, die Innovationsfähigkeit europäischer Unternehmen auf der Grundlage einer umfassenden Regelung für geistiges Eigentum weiterhin zu unterstützen, die Flexibilität bei der Lizenzvergabe zu erhöhen, um den wirksamen Schutz ihrer FuE-Investitionen aufrechtzuerhalten, angemessene Einkommen zu sichern und gleichzeitig auch künftig offene Technologiestandards auszuarbeiten, mit denen Wettbewerb und Wahlmöglichkeiten sowie die Beteiligung der EU-Industrie an der Entwicklung von Schlüsseltechnologien gefördert werden;

83.

nimmt zur Kenntnis, dass ein starker und ausgewogener Rahmen für die Rechte des geistigen Eigentums ein entscheidender Faktor zur Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit Europas ist, weil dadurch Industriespionage und Nachahmung bekämpft werden, und fordert die Kommission daher auf, diesen Rahmen zu erhalten und zu stärken; betont, dass in den Biowissenschaften dieselben Anreize im Bereich des geistigen Eigentums geboten werden müssen wie in den USA und China, damit Europa ein attraktiver Standort für FuE-Investitionen und industrielle Entwicklung bleibt; fordert die Kommission auf, das erstklassige europäische System des geistigen Eigentums beizubehalten und weiterzuentwickeln, indem ein starker Schutz des geistigen Eigentums sowie Anreiz- und Belohnungssysteme für FuE gefördert werden, um zum Wohl der Gesellschaft Investitionen in die Entwicklung künftiger Innovationen anzuziehen; begrüßt die Ankündigung eines Aktionsplans für geistiges Eigentum, in dessen Rahmen ein europäischer Beitrag zur Ausarbeitung von Normen leichter erbracht werden könnte; unterstützt eine nachhaltige Erzeugung und dauerhafte Beschäftigung sowie die Steigerung von Attraktivität und Ansehen einer hochwertigen EU-Produktion weltweit; legt der Kommission nahe, den Transfer wichtiger Umwelt- und Klimatechnologien in Entwicklungsländer voranzutreiben, indem offene Lizenzen für solche Technologien erteilt werden;

84.

fordert die Kommission auf, so schnell wie möglich das europäische Einheitspatent umzusetzen, das im Übereinkommen über eine einheitliche Patentgerichtsbarkeit vom 19. Februar 2013 vorgesehen ist;

85.

betont, wie wichtig eine umfassende und wirksame Gesamtsteuerung für den industriellen Wandel ist, die die Vereinbarkeit mit den einschlägigen EU-Rechtsvorschriften und -Strategien, insbesondere mit den Zielen des europäischen Grünen Deals, sicherstellt — was für seinen Erfolg von entscheidender Bedeutung ist; begrüßt den Vorstoß der Kommission, 14 industrielle Ökosysteme zu benennen, sowie den integrativen Ansatz, sämtliche in einer Wertschöpfungskette tätigen Akteure zusammenzubringen, um die Führungsrolle Europas in strategischen Branchen und die Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene zu fördern; unterstreicht, dass dafür gesorgt werden muss, dass KMU innerhalb der einzelnen wirtschaftlichen Ökosysteme erfolgreich sind; weist darauf hin, dass die Transparenz bezüglich der zu bestimmenden industriellen Ökosysteme sichergestellt werden muss, insbesondere hinsichtlich der Kriterien, denen entsprochen werden muss, um als Teil eines Ökosystems zu gelten, der genauen Aufschlüsselung nach der Art der Akteure in den einzelnen identifizierten Ökosystemen sowie der Informationen über die erörterten Ergebnisse und Themen, wobei auch auf die Rolle des Industrieforums und der Allianzen in Bezug auf diese Ökosysteme hinzuweisen ist; betont, dass die Zivilgesellschaft, Verbraucherverbände und Gewerkschaften angemessen an der Festlegung sowohl der übergreifenden als auch der sektorspezifischen industriellen Strategien und Prioritäten beteiligt werden sollten; betont, dass Ökosysteme alle Schnittstellen zu den Wertschöpfungsketten, einschließlich KMU, umfassen sollten, und hebt hervor, dass KMU eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Industrieallianzen und deren Produktionsketten zukommt; hebt hervor, dass für diese Allianzen geeignete Finanzierungsinstrumente benötigt werden;

86.

vertritt die Auffassung, dass Ökosysteme Schlüsselkomponenten der nächsten industriellen Revolution sein werden, da sie fortschrittliche und intelligente Herstellung nutzen und erschwingliche, sauberere, nachhaltige und sichere Energie sowie die erforderliche Energieinfrastruktur sowie transformative Methoden für die Herstellung und die Erbringung von Dienstleistungen bereitstellen; fordert eine Analyse der Ökosysteme, um den Bedarf jeder Branche beim Übergang zu beurteilen und um bei der Aufstellung eines Übergangsplans behilflich sein zu können; ist ferner davon überzeugt, dass die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Industrie, Wissenschaft, KMU, Start-up-Unternehmen und expandierenden Unternehmen, Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, Endnutzerorganisationen und allen anderen Interessenträgern von entscheidender Bedeutung sein wird, um Marktversagen zu überwinden und die Kluft zwischen einer Idee und deren Umsetzung zu schließen, wobei zugleich für den Schutz der Arbeitnehmer gesorgt werden muss, und zwar auch in Bereichen, die noch nicht von industriellen Interessen berührt werden, jedoch einen hohen gesellschaftlichen Mehrwert erbringen; fordert, dass bei der Steuerung dieser Ökosysteme alle einschlägigen Interessenträger der Industriezweige einbezogen werden, die entscheidend sind, um den ökologischen und digitalen Übergang zu bewältigen; ist der Ansicht, dass Ökosysteme eine Rolle bei der Festlegung von Lösungen und Maßnahmen spielen sollten, die zu beschließen sind, um die europäische Industriestrategie umzusetzen und robuste europäische Wertschöpfungsketten zu unterstützen, die für den doppelten ökologischen und digitalen Wandel von entscheidender Bedeutung sind;

87.

hebt hervor, dass Investitionen in zentralen Wertschöpfungsketten eine entscheidende Rolle für den Erhalt unserer künftigen strategischen Autonomie zukommen wird; vertritt die Auffassung, dass Investitionen in Industriezweigen, die für unsere strategische Autonomie von entscheidender Bedeutung sind, etwa Sicherheit, Verteidigung, klimaschutzrelevante Technologien, Lebensmittelsouveränität und Gesundheit, Vorrang eingeräumt werden muss; hebt insbesondere die Bedeutung der pharmazeutischen Industrie hervor, wenn es darum geht, künftige Innovationen sicherzustellen, um einen offenen, unerfüllten Bedarf zu decken, und die Resilienz, Reaktionsfähigkeit und Einsatzbereitschaft von Gesundheitssystemen zu unterstützen, um künftige Herausforderungen, einschließlich Pandemien, zu bewältigen;

88.

betont, wie wichtig der strategische Sektor der Energie aus erneuerbaren Quellen ist, um den Wettbewerbsvorteil der EU zu stärken, langfristige Resilienz zu erreichen und die Energieversorgungssicherheit zu sichern, während auch die industrielle Stärke konsolidiert wird; hebt ferner den Beitrag hervor, den der Sektor der Energie aus erneuerbaren Quellen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und Geschäftsmöglichkeiten vor Ort, insbesondere für KMU, und zur Förderung der Herstellung von Ausrüstung sowie zur Senkung der Energiekosten und zur Verbesserung der Kostenwettbewerbsfähigkeit leistet;

89.

betont, dass die Automobilbranche von der COVID-19-Krise stark in Mitleidenschaft gezogen wurde und Unternehmen und Arbeitnehmer gezwungen waren, sich zusätzlich zu dem Prozess des Wandels, den die Branche bereits vor der Pandemie durchlief, schnell an die Veränderungen des Angebots und die neuen Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen anzupassen; ist der Ansicht, dass der Übergang zu einer intelligenten und saubereren Mobilität von grundlegender Bedeutung ist, zumal wir uns auf eine klimaneutrale, digitale und widerstandsfähigere Wirtschaft hinbewegen, und dass dies auch als Chance zur Schaffung eines umweltverträglichen Wachstums und sauberer Arbeitsplätze auf der Grundlage des globalen Wettbewerbsvorteils der europäischen Industrie im Bereich der Fahrzeugtechnologien begriffen werden sollte; fordert die Kommission auf, Prioritäten in Bezug auf Forschung und Innovation, Digitalisierung und Unterstützung für Start-up-Unternehmen, Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen, einschließlich in der Automobilbranche, festzulegen;

90.

betont, dass die Tourismusbranche von der COVID-19-Krise stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, und fordert die Kommission auf, im Zusammenhang mit der Unterstützung und Förderung der Erholung der Branche nach der Pandemie Prioritäten festzulegen und dabei den Beitrag dieser Branche zum BIP der EU und zur Wettbewerbsfähigkeit der Union zu berücksichtigen; legt der Kommission nahe, die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten und Regionen zu fördern und Möglichkeiten für neue Investitionen und weitere Innovationen zu schaffen, um ein nachhaltiges, innovatives und widerstandsfähiges europäisches Tourismusökosystem zu verwirklichen, in dessen Rahmen die Rechte von Arbeitnehmern und Verbrauchern geschützt werden;

91.

weist auf das Potenzial der Kultur- und Kreativbranche hin, Innovationen voranzutreiben, als Katalysator für den Wandel in anderen Bereichen zu fungieren und Impulse für Erfindungen und Fortschritt zu geben; stellt fest, dass innovative Wirtschaftszweige zunehmend von Kreativität abhängen, um ihren Wettbewerbsvorteil beizubehalten; stellt überdies fest, dass die Kultur- und Kreativbranche mit dem Aufkommen immer komplexerer, kreativer und miteinander verflochtener Geschäftsmodelle zunehmend zu einem entscheidenden Bestandteil fast aller Produkte und Dienstleistungen wird; ist daher der Überzeugung, dass Europa auf seinem kreativen und kulturellen Kapital aufbauen sollte, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, der Kultur- und Kreativbranche bei der Entwicklung eines umfassenden, kohärenten und langfristigen industriepolitischen Rahmens, einschließlich eines Zugangs zu Finanzierung und zu Förderprogrammen, ausreichend Aufmerksamkeit zu schenken;

92.

betont, wie wichtig die EU-Raumfahrtpolitik ist, insbesondere wenn es darum geht, die Kapazitäten des europäischen Industrieraums zu verbessern und das Potenzials von Synergien mit anderen Schlüsselbranchen und -politikfeldern zu erschließen, vor allem um modernste Technologien zu entwickeln und den industriellen Wandel zu begleiten;

93.

stellt fest, dass die chemische Industrie einen Beitrag zu vielen strategischen Wertschöpfungsketten sowie zur Hervorbringung von CO2-neutralen, ressourceneffizienten und kreislauforientierten Technologien und Lösungen leistet; fordert eine nachhaltige Chemikalienpolitik, die auf die Industriestrategie abgestimmt ist;

94.

fordert die Europäische Umweltagentur auf, gemeinsam mit der Europäischen Chemikalienagentur einen Bericht über Chemikalien in der Umwelt in Europa auszuarbeiten; vertritt die Auffassung, dass in diesem Bericht der systemische Charakter von gefährlichen Chemikalien in den europäischen Produktions- und Konsumsystemen, ihre Verwendung in Produkten und ihr Vorkommen in der europäischen Umwelt sowie die durch sie verursachten Schädigungen der menschlichen Gesundheit und der Ökosysteme bewertet werden sollten;

95.

hebt hervor, dass eine gut funktionierende und wettbewerbsfähige Arzneimittel- und Medizinproduktebranche von zentraler Bedeutung ist, um dafür zu sorgen, dass Patienten einen tragfähigen Zugang zu Arzneimitteln haben, und um ein hohes Niveau der Gesundheitsversorgung für Patienten in der EU sicherzustellen; vertritt die Auffassung, dass die Kommission durch die Einrichtung eines Arzneimittelforums unter der Aufsicht der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) den Dialog mit den Mitgliedstaaten und allen einschlägigen Interessenträgern fördern sollte, um eine umfassende Diskussion unter anderem zu den Themenbereichen „Nachhaltigkeit im Pharmabereich“ und „Einführung von neuen Technologien im Gesundheitswesen“ zu ermöglichen; betont, dass bei diesem Forum die unterschiedlichen nationalen Ansätze bei der Preisgestaltung und Erstattung sowie bei den Investitionen in das Gesundheitswesen und der Organisation des Gesundheitswesens berücksichtigt werden sollten;

96.

betrachtet die Vergabe öffentlicher Aufträge als eine wesentliche Triebkraft des industriellen Wandels; fordert die Kommission auf zu untersuchen, wie die Hebelwirkung öffentlicher Ausgaben und Investitionen voll ausgeschöpft werden kann, um politische Ziele zu erreichen, und zwar auch indem Nachhaltigkeit gestärkt und die Vergabe öffentlicher Aufträge in den Mittelpunkt des wirtschaftlichen Aufbauplans der Union gerückt wird und dabei ökologisch innovative, kostenwirksame und nachhaltige Güter und Dienstleistungen priorisiert und gefördert werden und die lokale Ausrichtung von zentralen strategischen Wirtschaftszweigen wie gesundheitsbezogene Erzeugnisse, Landwirtschaft und erneuerbare Technologien ermöglicht wird, sodass kürzere und nachhaltigere Lieferketten gefördert werden; fordert die Kommission und die staatlichen Stellen auf, die Bedingungen zu analysieren, unter denen die Nachhaltigkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auf der Grundlage ökologischer, sozialer und ethischer Kriterien, einschließlich des CO2-Fußabdrucks, des Recyclinganteils und der Arbeitsbedingungen während des gesamten Lebenszyklus, verbindlich vorgeschrieben wird, und die Sensibilisierung zu stärken und die bestehenden Systeme zur Förderung ökologischer Dienstleistungen besser zu nutzen; betont, dass KMU eine faire Chance eingeräumt werden sollte, sich an der Vergabe öffentlicher Aufträge zu beteiligen; fordert die ausschreibenden Stellen auf, systematisch nach einen Ansatz vorzugehen, der auf dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis über die Lebensdauer der Produkte und Dienstleistungen hinweg beruht; legt ihnen nahe, von der Bestimmung (Artikel 85 der Sektorenrichtlinie) Gebrauch zu machen, nach der Angebote abgelehnt werden können, wenn der Anteil der Erzeugnisse mit Ursprung in Drittländern mehr als 50 % des Gesamtwertes der in dem Angebot enthaltenen Erzeugnisse beträgt;

97.

würdigt den Beitrag der Normung zum europäischen Binnenmarkt und zur Steigerung des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Wohlergehens, einschließlich was die Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern und Arbeitnehmern betrifft; hebt hervor, dass harmonisierte Normen entwickelt, geprüft und angewandt werden müssen, um Industriezweige dabei zu unterstützen, auf effiziente, sichere, kreislauforientierte, nachhaltige und wiederholbare Weise Produkte herzustellen und eine hohe Qualität sicherzustellen;

98.

fordert die Kommission auf, ein System von wesentlichen Leistungsindikatoren einzuführen, um unter Berücksichtigung der KMU-Dimension eine Ex-ante-Folgenabschätzung für die Vorschriften und Instrumente der Union sowie für die möglichen erforderlichen Investitionen durchzuführen und die Fortschritte und Ergebnisse zu überwachen; hebt hervor, dass das System von wesentlichen Leistungsindikatoren an Zielen ausgerichtet sein sollte, die spezifisch, messbar, erreichbar, relevant und zeitorientiert sind;

99.

fordert die Kommission auf, ihre Praxis der Folgenabschätzung zu stärken und sicherzustellen, dass sie vor der Vorlage neuer Gesetzgebungsvorschläge oder der Verabschiedung neuer Maßnahmen eine detaillierte Folgenabschätzung durchführt, was die potenziellen Befolgungskosten, die Auswirkungen auf die Beschäftigung sowie die Hindernisse und möglichen Vorteile für europäische Bürger, Branchen und Unternehmen, einschließlich KMU, betrifft; vertritt die Auffassung, dass bei der Bewertung der Rechtsvorschriften und Maßnahmen der Union der Schwerpunkt stärker auf die Umsetzung in den Mitgliedstaaten gelegt und überprüft werden sollte, was geschieht, wenn die Rechtsvorschriften der Union in einer Weise umgesetzt und ausgelegt werden, dass für KMU und größere Unternehmen gleichermaßen unnötige und unerwartete regulatorische Hindernisse geschaffen werden; fordert die Kommission auf, die Kohärenz der Rechtsvorschriften zu unterstützen und Bemühungen um eine intelligente Rechtsetzung anzuerkennen, mit der der bürokratische Aufwand verringert werden soll, ohne die Wirksamkeit der Rechtsvorschriften zu beeinträchtigen oder die Sozial- und Umweltstandards zu senken, insbesondere wenn sich die herkömmliche Industrie aufgrund von Regulierungsentscheidungen anpassen muss; ist davon überzeugt, dass die Maßnahmen zur Digitalisierung und Dekarbonisierung in einer Weise gestaltet werden sollten, dass Chancen für Unternehmen, darunter für KMU, geboten und betroffene Branchen möglichst wenig belastet werden;

100.

erwartet, dass die Industriestrategie keinen unnötigen Verwaltungsaufwand für Unternehmen, insbesondere KMU, schafft und dass dabei — unbeschadet der Vorrechte des Mitgesetzgebers — der Grundsatz „eine Regel rein, eine Regel raus“ zur Anwendung kommt, der besagt, dass immer dann, wenn neue Bestimmungen mit Compliance-Kosten verbunden sind, geltende Bestimmungen ermittelt werden müssen, die aufgehoben oder überarbeitet werden sollten, um sicherzustellen, dass es in bestimmten Branchen nicht zu einem Anstieg der Compliance-Kosten kommt; ist der Ansicht, dass ein solcher Vorschlag faktengestützt sein, umfassende Konsultationen umfassen, die Wirksamkeit der Rechtsvorschriften sowie der Sozial- und Umweltnormen gewährleisten und die eindeutigen Vorteile eines Vorgehens auf europäischer Ebene aufzeigen muss; ist der Ansicht, dass sich die EU stärker ihrem Grundsatz verschreiben muss, in großen Fragen Größe und Ehrgeiz zu zeigen und sich in kleinen Fragen durch Zurückhaltung und Bescheidenheit auszuzeichnen, um die Verhältnismäßigkeit besser zu wahren;

101.

betont, dass die öffentliche Verwaltung eine entscheidende Rolle spielen sollte, wenn es gilt, für ein unternehmensfreundliches Wirtschaftsumfeld zu sorgen, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu verringern und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die ethischen, sozialen, ökologischen und transparenzbezogenen Normen der Union sowie die Vorschriften über die Sicherheit der Arbeitnehmer uneingeschränkt angewandt werden; ist der Ansicht, dass im öffentlichen Sektor die E-Government-Instrumente, die politischen Maßnahmen für digitale Innovation sowie unter den im öffentlichen Sektor Beschäftigten die digitalen Kompetenzen gefördert werden sollten; fordert die Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass ein Austausch mit Blick auf die Verfahren stattfindet, die sich national und regional auf diesem Gebiet am besten bewährt haben, wobei besonderes Augenmerk auf die verwaltungstechnische Steuerung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit zu legen ist;

102.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0124.

(2)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0054.

(3)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0005.

(4)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0102.

(5)  ABl. C 334 vom 19.9.2018, S. 124.

(6)  ABl. C 307 vom 30.8.2018, S. 163.

(7)  ABl. C 11 vom 12.1.2018, S. 55.

(8)  ABl. C 215 vom 19.6.2018, S. 21.

(9)  ABl. C 238 vom 6.7.2018, S. 28.

(10)  ABl. C 482 vom 23.12.2016, S. 89.


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/63


P9_TA(2020)0322

Außenpolitische Konsequenzen der COVID-19-Pandemie

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zu den außenpolitischen Konsequenzen der COVID-19-Pandemie (2020/2111(INI))

(2021/C 425/07)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV),

unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 8. April 2020 über die globale Reaktion der EU auf COVID-19 (JOIN(2020)0011),

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 22. April 2020 für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bereitstellung einer Makrofinanzhilfe für Erweiterungs- und Nachbarschaftspartner vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie (COM(2020)0163),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 29. April 2020 mit dem Titel „Unterstützung des westlichen Balkans bei der Bekämpfung von COVID-19 und beim Wiederaufbau nach der Pandemie — Beitrag der Kommission im Vorfeld der Tagung der Staats- und Regierungschefs der EU und des westlichen Balkans am 6. Mai 2020“, (COM(2020)0315),

unter Hinweis auf die am 5. Mai 2020 vom Hohen Vertreter Josep Borrell im Namen der Europäischen Union abgegebene Erklärung zu Menschenrechten in Zeiten der Coronavirus-Pandemie,

unter Hinweis auf die Resolution 2532 (2020) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen über die Einstellung von Feindseligkeiten angesichts der COVID-19-Pandemie und zur Unterstützung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, António Guterres,

unter Hinweis auf den Aufruf der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, angesichts der COVID-19-Pandemie erneut zu prüfen, wie sich breit angelegte Sanktionsregelungen auswirken,

unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 10. Juni 2020 mit dem Titel „Bekämpfung von Desinformation im Zusammenhang mit COVID-19 — Fakten statt Fiktion“ (JOIN(2020)0008),

unter Hinweis auf die aktualisierte Fassung des Sonderberichts des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD): „Kurzbewertung der Narrative und Desinformation zur COVID-19-Pandemie“ vom 1. April 2020 und vom 20. Mai 2020,

unter Hinweis auf die Rede zur Lage der Union, die die Präsidentin der Kommission, Ursula von der Leyen, am 16. September 2020 gehalten hat,

unter Hinweis auf die am 25. März 2020 herausgegebenen Leitlinien der Kommission zum Schutz kritischer europäischer Vermögenswerte und Technologien in der derzeitigen Krise,

unter Hinweis auf das Konsultationspapier der Kommission vom 16. Juni 2020 mit dem Titel „Eine überarbeitete Handelspolitik für ein stärkeres Europa“,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 8. Juni 2020 zum Thema „‚Team Europa“ — Globale Reaktion auf COVID-19“,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zum Aufbauplan und zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021–2027 im Rahmen seiner Tagung vom 17.–21. Juli 2020,

unter Hinweis auf die Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union vom 28. Juni 2016,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 13. Juli 2020 zu den Prioritäten der EU bei den Vereinten Nationen und der 75. Generalversammlung der Vereinten Nationen unter dem Motto „Förderung des Multilateralismus sowie starke und wirksame Vereinte Nationen, die Ergebnisse für alle zeitigen“,

unter Hinweis auf die am 30. März 2020 herausgegebene Erklärung der Ko-Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika (EuroLat) zur COVID-19-Pandemie,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2020 zu abgestimmten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen (1),

unter Hinweis auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 25. September 2015 verabschiedet wurde, und auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. Dezember 2018 mit Empfehlungen an die Kommission zu Visa aus humanitären Gründen (2),

unter Hinweis auf die Leitlinien der EU vom 8. Dezember 2008 betreffend Gewalt gegen Frauen und Mädchen und die Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen,

unter Hinweis auf den von der Venedig-Kommission erstellten Verhaltenskodex für Wahlen,

unter Hinweis auf die Jahresberichte des Rates an das Europäische Parlament über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik,

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A9-0204/2020),

A.

in der Erwägung, dass durch COVID-19 eine globale Pandemie ausgelöst wurde, die sich auf das Leben von Millionen von Menschen auswirkt und zu einer beispiellosen globalen Krise auf gesundheitlicher, wirtschaftlicher, sozialer und humanitärer Ebene geführt hat, wodurch systemische Spannungen im Bereich der Global Governance mit für die internationalen Beziehungen weitreichenden und langfristigen Konsequenzen hervorgerufen wurden, die zentrale Aspekte der EU-Außenpolitik sowie der Sicherheit und Verteidigung sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union betreffen; in der Erwägung, dass die EU zur Zielscheibe von Desinformation, Cyberangriffen und sonstigen böswilligen Einmischungen durch Dritte wurde, die darauf ausgerichtet waren, die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten zu destabilisieren;

B.

in der Erwägung, dass die Pandemie die am stärksten gefährdeten Länder unverhältnismäßig stark getroffen hat, und in der Erwägung, dass einige Länder in verschiedenen Teilen der Welt nicht reagiert und keine raschen und angemessenen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen haben, um die Epidemie einzudämmen; in der Erwägung, dass die chinesische Regierung den ursprünglichen COVID-19-Ausbruch heruntergespielt hat; in der Erwägung, dass Narrative, in denen im Zusammenhang mit COVID-19 nicht mit einer medizinischen, sondern vorrangig mit einer geografischen Begrifflichkeit operiert wird, stigmatisierend sind; in der Erwägung, dass durch das Virus weltweit etwa eine Million Menschen ums Leben kamen und aufgezeigt wurde, dass das Virus nur durch Koordinierung und Solidarität zwischen den Ländern kontrolliert und eingedämmt werden kann;

C.

in der Erwägung, dass die EU in der Verantwortung steht, als globaler Akteur aufzutreten und ihre Prioritäten und ihre Politik, darunter ihre Außenpolitik, so anzupassen, dass sie mit der sich wandelnden geopolitischen Lage in der Welt und der weltweiten Bekämpfung von COVID-19 im Einklang steht; in der Erwägung, dass die EU im Rahmen ihrer multilateralen und internationalen Bemühungen in einer berechenbaren Weise und unter Wahrung ihres Engagements für Grundfreiheiten und Rechtsstaatlichkeit sowie im Einklang mit ihrer Stellung in der Weltwirtschaft eine führende Rolle einnehmen muss; in der Erwägung, dass durch die COVID-19-Krise einmal mehr deutlich geworden ist, dass der Multilateralismus und die regelbasierte Ordnung gestärkt werden müssen, um sich den globalen Herausforderungen besser stellen zu können;

D.

in der Erwägung, dass die Pandemie und ihre wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen den politischen Unmut weiter verschärfen können, dessen Ursachen in einer wahrgenommenen Ungleichheit und Marginalisierung liegen; in der Erwägung, dass sich der weltweite wirtschaftliche Rückgang besonders gravierend auf die anfälligsten Volkswirtschaften ausgewirkt hat; in der Erwägung, dass durch den COVID-19-Ausbruch das anhaltende Problem der weltweiten Engpässe bei Arzneimitteln verschärft wurde, was akute Folgen in Entwicklungsländern hat;

E.

in der Erwägung, dass sich durch die Pandemie die ohnehin kritische humanitäre Lage schutzbedürftiger Menschen, insbesondere in Konfliktgebieten, Flüchtlingslagern und fragilen Staaten sowie innerhalb von indigenen Gemeinschaften, verschärft hat; in der Erwägung, dass sich die EU dem Aufruf der Vereinten Nationen zu einem sofortigen weltweiten Waffenstillstand und zur Lockerung von Sanktionen angesichts der Pandemie angeschlossen hat, um sicherzustellen, dass die für die Bekämpfung des Coronavirus erforderliche Ausrüstung und Versorgungsgüter geliefert werden; in der Erwägung, dass wir folglich weltweit einen Niedergang der Freiheitsrechte und der Demokratie erleben, wodurch die multilaterale Ordnung, die sich schon jetzt in einer Krise befindet, weiter belastet wird;

F.

in der Erwägung, dass sich Frauen, die in durch Gewalt geprägten Beziehungen leben, weltweit gezwungen sahen, zuhause zu bleiben und somit über längere Zeiträume hinweg ihren gewalttätigen Partnern ausgesetzt waren; in der Erwägung, dass Beratungsstellen und Unterkünfte zum Schutz vor häuslicher Gewalt weltweit einen Anstieg der Hilferufe melden und dass in einigen Ländern die Meldungen von häuslicher Gewalt und die entsprechenden Notrufe um mehr als 25 % zugenommen haben, seit die Maßnahmen zur Beschränkung der sozialen Kontakte eingeführt wurden;

1.

bekräftigt, dass der weltweite Ausbruch der COVID-19-Pandemie die Spielregeln im internationalen Umfeld ändert, die Risiken vervielfacht und ein Katalysator für den Wandel der globalen Ordnung ist; betont, dass es von grundlegender Bedeutung ist, die interne Widerstandsfähigkeit der EU zu stärken, neue Partnerschaften zu entwickeln und ihre multilaterale Vision auf globaler Ebene mit einer durchsetzungsfähigen und koordinierten außenpolitischen Reaktion zu stärken;

2.

begrüßt die Unterstützungsinitiativen „Team Europa“ und „Weltweite Coronavirus-Krisenreaktion“, in deren Rahmen die Partnerländer dabei unterstützt werden, die Auswirkungen des Coronavirus auf die grenzübergreifende Koordinierung zu bewältigen; begrüßt die Koordinierung der EU mit den G7, den G20, den Vereinten Nationen, der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem Welternährungsprogramm und weiteren internationalen Partnern, die dazu dient, eine kohärente und inklusive globale Reaktion auf die Pandemie zu fördern, die Folgeauswirkungen auf Gesellschaften und Volkswirtschaften abzuschwächen und dazu beizutragen, dass das Risiko einer Destabilisierung verringert wird;

3.

bedauert das Fehlen einer globalen Führung und einer koordinierten internationalen Reaktion in der Anfangsphase der COVID-19-Krise; verurteilt das Zurückhalten wichtiger Informationen; lehnt die Anwendung isolationistischer Lösungen ab; wendet sich mit Nachdruck gegen das Erstarken von autoritärem Nationalismus, staatlich geförderte Desinformationskampagnen und das Verbreiten falscher Narrative, durch die Misstrauen gesät wird und demokratische Gesellschaften und die internationale Zusammenarbeit untergraben sowie Fragen hinsichtlich der Rolle der EU in der Welt aufgeworfen werden; hebt hervor, dass weltweite Zusammenarbeit, ein inklusiver globaler Ansatz und eine entsprechende Koordinierung wesentlich sind, um wirksam gegen die weltweite Gesundheitskrise und weitere globale Bedrohungen vorzugehen;

4.

hebt hervor, dass die EU-Partnerländer trotz der COVID-19-Pandemie in ihrem Rechtsetzungsprozess nicht vom Pfad der Reformen abweichen, die Korruptionsbekämpfung ernst nehmen und sich im Einklang mit ihren internationalen Verpflichtungen und Zusagen für die Achtung und Verwirklichung der grundlegenden Menschen- und Minderheitenrechte einsetzen sollten;

5.

bedauert, dass eine Reihe von Regierungen und politischen Führungspersonen in aller Welt die Krise als Gelegenheit nutzen, um sich mit übermäßigen Befugnissen auszustatten und ihre eigene politische Agenda zu verfolgen, indem sie die Menschenrechte einschränken, demokratische Standards untergraben, die Rechtsstaatlichkeit schwächen, die Rolle der Parlamente beschränken, die Freiheit der Medien beschneiden, Hetzkampagnen gegen Minderheiten schüren, Desinformationskampagnen lancieren, die gegen EU-freundliche Reformen und Werte gerichtet sind, und der internationalen Zusammenarbeit Schaden zufügen; besteht darauf, dass jeder Ausnahmezustand eine Beendigungsklausel enthalten muss; ist besorgt darüber, dass die Protestversammlungen gegen die Coronavirus-Einschränkungen, die in verschiedenen Städten in aller Welt stattfinden, oftmals von extremistischen Gruppen unterwandert und manipuliert werden, wobei Demonstranten das Virus als Schwindel bezeichnen;

6.

bedauert, dass sich infolge der COVID-19-Pandemie die weltweiten sozioökonomischen Ungleichheiten verschärft haben und die ärmsten und am stärksten benachteiligten, marginalisierten und am wenigsten geschützten gesellschaftlichen Bevölkerungsgruppen, darunter Migranten, unverhältnismäßig stark betroffen sind; verurteilt alle Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung jener Menschen, die mit COVID-19 infiziert sind, und fordert Drittländer und die EU-Mitgliedstaaten auf, die sozialen Auswirkungen der Pandemie zu mildern;

7.

fordert den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) auf, angesichts der globalen Auswirkungen der Krise die Globale Strategie aus dem Jahr 2016 zu überarbeiten und dabei diesen geopolitischen Verschiebungen Rechnung zu tragen, um sicherzustellen, dass die EU strategischer vorgeht und ihre Rolle bei der Verteidigung, der Förderung und dem Ausbau der nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen regelgestützten multilateralen Weltordnung wahrnimmt, und um die Unterstützung der Demokratie und den Schutz der Menschenrechte als vorrangigen Schwerpunkt in das Team Europa aufzunehmen, wobei das Parlament über seine bestehenden Instrumente und Mechanismen zur Unterstützung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in diese Aufgabe einzubeziehen ist;

Ein verändertes geopolitisches Gleichgewicht nach COVID-19

8.

stellt mit Besorgnis fest, dass der geopolitische Wettbewerb und die geopolitischen Spannungen nach dem COVID-19-Ausbruch zugenommen haben, und räumt ein, dass sich die Europäische Union in diesem neuen geopolitischen Umfeld noch positionieren muss; ist zudem der Auffassung, dass die Welt nach COVID-19 grundlegend anders aussehen wird, was weitreichende Folgen für die EU-Außenpolitik haben wird, und ist davon überzeugt, dass COVID-19 die Notwendigkeit einer stärkeren und effektiveren EU-Außen- und Sicherheitspolitik bestätigt hat;

9.

weist entschieden darauf hin, dass die transatlantische Partnerschaft neu belebt werden sollte, um wirksamer gegen die Pandemie und andere internationale Herausforderungen wie den Klimawandel vorzugehen; stellt fest, dass eine neue Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen der Union und den Vereinigten Staaten gefunden werden muss, wobei der gegenseitige Respekt und eine gemeinsame Agenda im Vordergrund stehen müssen, mit der auf die Wahrung des Multilateralismus, der internationalen Gerichtsbarkeit, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte abgezielt und gegen nationalistische, autoritäre und hegemoniale Bestrebungen vorgegangen wird;

10.

vertritt die Auffassung, dass die EU in diesem sich wandelnden Umfeld entschieden handeln und mit gutem Beispiel vorangehen muss, indem sie sich für multilaterale Lösungen einsetzt, mit internationalen Organisationen, insbesondere den Vereinten Nationen und ihren Agenturen, der WHO, der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und internationalen regionalen Organisationen wie der NATO zusammenarbeitet, eine intensivere Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Ländern, auch auf der Südhalbkugel, anstrebt, die Zusammenarbeit zwischen demokratischen Regierungen fördert und demokratische Werte stärkt; weist darauf hin, dass durch die Pandemie noch deutlicher geworden ist, dass zusammengearbeitet werden muss, um gemeinsame Lösungen für Probleme zu finden, von denen die gesamte Menschheit betroffen ist;

Vereinigte Staaten von Amerika

11.

ist besorgt darüber, dass die Regierung der Vereinigten Staaten nur mangelhaft kooperiert, bei der Reaktion auf COVID-19 keine Führungsrolle zu übernehmen gewillt ist und sich nicht an gemeinsamen Initiativen zur Entwicklung von Impfstoffen beteiligt; vertritt die Auffassung, dass alternativen Fakten und Falschinformationen, in deren Zuge die Gefährlichkeit der Pandemie geleugnet wird, bei der gemeinsamen Bekämpfung des Virus sehr irreführend gewesen sind; fordert sowohl die EU als auch die Vereinigten Staaten auf, die Zusammenarbeit und Solidarität auf der Grundlage eines wissenschaftsorientierten Ansatzes bei der gemeinsamen Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zu stärken, auch durch rechtzeitigen Informationsaustausch über sowie die Erforschung und Entwicklung des Impfstoffs und der strategischen medizinischen Ausrüstung, sowie weitere globale Herausforderungen gemeinsam anzugehen;

12.

legt den Behörden nahe, bewährte Verfahren aus dem von der Venedig-Kommission erstellten Verhaltenskodex für Wahlen zu berücksichtigen, der auch Leitlinien für die Durchführung von Wahlen in den Zeiten einer Pandemie enthält;

13.

weist darauf hin, dass die transatlantische Zusammenarbeit nach wie vor eine wesentliche Säule der EU-Außenpolitik darstellt und für die gemeinsamen Sicherheits- und Handelsinteressen der EU und der Vereinigten Staaten äußerst wichtig ist; bringt seine anhaltende Unterstützung für das transatlantische Bündnis und eine engere strategische transatlantische Zusammenarbeit zum Ausdruck; bedauert die während der COVID-19-Krise ergriffenen einseitigen Maßnahmen, beispielsweise Beschränkungen bei Reisen aus dem Schengen-Raum der EU in die Vereinigten Staaten, ohne dass die EU im Vorfeld konsultiert worden wäre;

14.

bedauert, dass die Vereinigten Staaten ihr Engagement weltweit zurückgefahren haben und die Entscheidung der US-Regierung, sich aus der Finanzierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Vertrag über den Offenen Himmel zurückzuziehen, sowie die allgemeine Neigung der derzeitigen US-Regierung, sich von vielen multilateralen Organisationen fern zu halten, die mit Blick auf die Errichtung einer regelbasierten freiheitlichen Weltordnung ins Leben gerufen wurden, oder diese zu untergraben (wie dies etwa beim Internationalen Strafgerichtshof der Fall war);

15.

betont, dass die Zusammenarbeit zwischen der EU und den Vereinigten Staaten, die auf gegenseitigem Respekt und einer gemeinsamen Agenda zur Verteidigung von Multilateralismus, Völkerrecht, gemeinsamen demokratischen Werten, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten beruht, gestärkt und verbessert werden muss; stellt fest, dass die Europäische Union und die Vereinigten Staaten in einer Welt, die durch den Wettbewerb zwischen den Großmächten geprägt wird, gemeinsame Werte in Bezug auf die bestehenden internationalen Strukturen teilen und in dem derzeitigen volatilen internationalen Umfeld unverzichtbare Partner bleiben;

China

16.

nimmt zur Kenntnis, dass die Volksrepublik China nach dem COVID-19-Ausbruch ihre entschlossene Public Diplomacy in aller Welt stärkt und sich bemüht, das politische Vakuum in dem multilateralen System, das von den nunmehr stärker isolationistisch ausgerichteten Vereinigten Staaten hinterlassen wurde, zu füllen und sich als dominierender globaler Akteur mit einem alternativen Governance-Modell zu positionieren; ist besorgt über die Bemühungen der Volksrepublik China, eine stärkere regionale Machtentfaltung zu erreichen, was Grenzstreitigkeiten mit vielen ihrer Nachbarländer zur Folge hat, sowie darüber, dass China mithilfe multilateraler Organisationen seine nationalen strategischen Interessen verfolgt; ist über die mögliche Machtverschiebung in der Weltpolitik besorgt, die mit der veränderten Führungsrolle Chinas in einem Zusammenhang steht; beanstandet, dass die chinesische Regierung die Dynamik des Ausbruchs der Pandemie genutzt hat, um das nationale Sicherheitsgesetz und das harte Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong durchzusetzen, die Drohungen gegen Taiwan zu verstärken und ihre Aktivitäten in Tibet und im Südchinesischen Meer auszubauen sowie die Uiguren in Xinyang brutal zu verfolgen, und verurteilt die wiederholten Angriffe und den Druck auf Regierungen von Mitgliedstaaten und demokratisch gewählte Politiker in der EU, wie den Präsidenten des tschechischen Senats und den Kulturminister Schwedens, vonseiten von Vertretern der chinesischen Regierung;

17.

nimmt zur Kenntnis, dass China nach dem Ausbruch von COVID-19 Soforthilfen zur Bekämpfung des Virus bereitgestellt hat, und bedauert, dass diese zum Teil fehlerhaft oder von geringer Qualität waren; erkennt allerdings auch die geopolitisch und geoökonomisch motivierten Bemühungen an, die von einer sog. „Virus- und Wolfskriegerdiplomatie“, Desinformationskampagnen und aggressiver Propaganda untermauert werden; verurteilt die Versuche Chinas, diese „Virusdiplomatie“ gegen die EU mit dem Ziel ins Feld zu führen, sich weltweit ein Image als wohlwollende Macht aufzubauen; bedauert, dass China Taiwan in der WHO isoliert; fordert die Mitgliedstaaten auf, sich für die Mitgliedschaft Taiwans als Beobachter in der Weltgesundheitsorganisation/Weltgesundheitsversammlung und weiteren internationalen Organisationen einzusetzen, da das Land intern wirksam gegen das Virus vorgegangen ist, ohne jedoch in der Lage zu sein, mit seinem Fachwissen einen Beitrag zur internationalen Reaktion auf die derzeitige Gesundheitskrise zu leisten; lobt die von den taiwanesischen Behörden geleistete Hilfe;

18.

ist besorgt über eine Reihe von Fehlern und einen Mangel an Transparenz im Zusammenhang mit der ursprünglichen chinesischen Reaktion auf den weltweiten Ausbruch der COVID-19-Pandemie, wozu auch gehörte, das Ausmaß des Problems zu vertuschen, Informationen zu manipulieren und zurückzuhalten zu versuchen, mit der WHO nur mangelhaft zu kommunizieren, Zensur auszuüben, Hinweisgeber, Menschenrechtsaktivisten und Bürgerjournalisten zu unterdrücken, zu verfolgen und verschwinden zu lassen sowie Zweifel an der offiziellen Zahl der Personen zu schüren, die an COVID-19 gestorben sind, was sich alles negativ auf die Fähigkeit der EU auswirkte, die COVID-19-Krise vorauszusehen, sich darauf vorzubereiten und ihr zu begegnen, und Menschenleben gekostet hat; fordert die chinesische Regierung daher nachdrücklich auf, bei einer unabhängigen internationalen Untersuchung über die Ursprünge von COVID-19 uneingeschränkt zusammenarbeiten, und fordert die Mitgliedstaaten auf, einen umfassenden Ansatz für ein aufstrebendes China zu entwickeln und die strategische Autonomie der EU zu schützen;

19.

fordert eine europäische Reaktion auf Chinas verstärkte Expansion in Richtung der am stärksten exponierten Mitgliedstaaten und der Nachbarländer der EU; weist darauf hin, dass die derzeitige Eile, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie einzudämmen, eine Chance für strategische Investitionen Chinas in Schlüsselbranchen wie Telekommunikation, Verkehr und Technologie sein wird;

20.

zeigt sich besorgt darüber, dass afrikanische Länder infolge der COVID-19-Pandemie und zunehmender politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeiten der Drittländer von China in eine Schuldenfalle geraten könnten, zumal es ihnen durch den Wirtschaftsabschwung erschwert wird, die chinesischen Kredite zurückzuzahlen, die im Rahmen der Initiative „Neue Seidenstraße“ gewährt werden; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Suche nach tragfähigen Lösungen für den Schuldenerlass für Drittländer in internationalen Foren voranzutreiben; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass humanitäre Ausnahmen von Sanktionen eine unmittelbare und praktische Wirkung in Form einer raschen Lieferung von medizinischer Ausrüstung, Versorgungsgütern und anderen Formen der Hilfe an die betroffenen Länder haben;

21.

fordert den VP/HR auf, diesen Bedenken Rechnung zu tragen, die Beziehungen zwischen der EU und China zu überarbeiten und zugleich eine Atmosphäre von Dialog, Engagement und echter Zusammenarbeit und Wettbewerb auf der Grundlage einer neuen, kohärenten und durchsetzungsfähigeren Strategie zu schaffen, die an das veränderte geopolitische und geoökonomische Umfeld und an die langfristige Strategie gegenüber China angepasst ist, in der die EU und die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, wo dies möglich ist, miteinander im Wettbewerb stehen, wo dies notwendig ist, und sich einer Konfrontation stellen, wo dies erforderlich ist, um die europäischen Werte und Interessen zu verteidigen; ist der Ansicht, dass die EU im Rahmen dieser neuen Strategie eine engere Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Ländern in der Region und anderen Demokratien wie Indien, Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea anstreben und auf eine europäische Strategie für den Indopazifikraum hinarbeiten sollte, die weitestgehend auf die EU-Strategie zur Förderung der Konnektivität aufbauen sollte;

Indien

22.

stellt besorgt fest, dass parallel zum Wiederaufflammen des COVID-19-Ausbruchs in Indien, in dessen Zuge bislang über 90 000 Todesopfer gemeldet wurden, die politische Unterdrückung von Menschenrechtsverteidigern und die Einschränkung persönlicher Freiheiten vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen den Gemeinschaften weiter anhalten, und hält es für wesentlich, dass dieses Thema auf die Tagesordnung des nächsten Dialogs auf hoher Ebene zwischen der EU und Indien gesetzt wird;

23.

betont, wie wichtig die strategische Partnerschaft zwischen der EU und Indien ist und dass es notwendig ist, diese zu fördern und sich gemeinsam für Stabilität und Sicherheit, insbesondere im Indischen Ozean und im Pazifikraum, einzusetzen;

Russland

24.

zeigt sich zutiefst besorgt über die systematischen Versuche der Russischen Föderation, die Geschlossenheit der EU und ihre Krisenreaktion zu untergraben und Misstrauen zwischen der EU, den Westbalkanländern und den Ländern der Östlichen Partnerschaft zu schüren, indem seit Beginn der COVID-19-Pandemie Desinformationskampagnen intensiviert und Cyberangriffe auf Forschungsorganisationen durchgeführt werden und humanitäre Hilfe politisiert wird; lobt den EAD und die Abteilung StratCom East für ihre Bemühungen, Desinformationskampagnen russischer Medien in mehreren Mitgliedstaaten aufzudecken und zu unterdrücken, und fordert die Kommission auf, ihre Bemühungen und ihre finanziellen Mittel zur Bekämpfung russischer Falschmeldungen zu verstärken;

25.

stellt fest, dass das, was von Russland angeboten wurde und mit einer „Virusdiplomatie“ und einem Wettkampf der Narrative unterstützt wurde, eine eindeutige geopolitische und geoökonomische Dimension aufweist; stellt mit Besorgnis fest, dass Russland energische Schritte auf der internationalen Bühne unternimmt, um seine eigene geopolitische Agenda voranzubringen; fordert die EU auf, dies nicht außer Acht zu lassen und sich weiterhin mit den Konflikten zu befassen, an denen Russland ein Interesse hat, beispielsweise in Belarus, der Ukraine, Georgien, auf der Krim sowie in Syrien und Libyen;

26.

äußert tiefe Besorgnis über die russischen Versuche, die Pandemie zu nutzen, um die Menschenrechte im Land weiter einzuschränken, autoritäre Regime zu unterstützen und seine aggressive Außenpolitik fortzusetzen; betont, dass wir nicht zulassen dürfen, dass Länder wie Russland die Krise nutzen, um von ihren eigenen erheblichen innenpolitischen Problemen abzulenken; ist besorgt über das Verfassungsreferendum, bei dem der russische Präsident die aktuelle Krise genutzt hat, um wichtige Verfassungsänderungen zu verabschieden, die seine autoritäre Herrschaft in Russland verlängern und stärken;

27.

verurteilt den versuchten Anschlag auf das Leben von Alexej Nawalny und fordert eine unverzügliche unabhängige und transparente Untersuchung des Giftanschlags auf Alexej Nawalny;

28.

fordert Russland auf, in gutem Glauben und als Teil der auf internationalen Regeln basierenden Ordnung einen wichtigen Beitrag zu einer globalen Reaktion auf die Krise zu leisten; ist besorgt bezüglich der Wirksamkeit und Sicherheit des neuen russischen Impfstoffs, der derzeit verwendet wird; weist darauf hin, dass die Qualität der von Russland gelieferten medizinischen Ausrüstung in einigen Fällen sehr gering und daher unwirksam war;

Eine durchsetzungsfähigere EU-Außenpolitik zur Verteidigung der Interessen und Werte Europas sowie der multilateralen Weltordnung

29.

ist sich der globalen sicherheitspolitischen, sozioökonomischen, ökologischen und politischen Risiken bewusst, die durch die Folgen der COVID-19-Pandemie verursacht werden könnten, und ist besorgt darüber, dass sich Weltmächte wie China und Russland bereit zeigen, die Krise dazu zu nutzen, um die auf multilaterale Organisationen gestützte regelbasierte Weltordnung aufzulösen;

30.

betont, dass die multilaterale regelbasierte Weltordnung für den weltweiten Frieden, die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie von entscheidender Bedeutung ist; ist davon überzeugt, dass eine geopolitische EU zusammen mit gleichgesinnten Partnern eine stärkere Rolle bei der Verteidigung und dem Wiederaufbau dieser Ordnung spielen muss; vertritt die Auffassung, dass die EU nach Wegen suchen muss, Spannungen zwischen den Großmächten zu deeskalieren, insbesondere wenn diese Spannungen ein multilaterales Vorgehen behindern; stellt fest, dass die COVID-19-Krise gezeigt hat, dass sowohl die multilaterale Zusammenarbeit, insbesondere im Bereich der weltweiten Gesundheitspolitik, gestärkt werden muss als auch dass die internationalen Institutionen reformiert werden müssen; fordert die EU-Mitgliedstaaten und den VP/HR auf, einen „EU-Fahrplan für Multilateralismus“ auszuarbeiten, um Strukturreformen in multilateralen Organisationen zu fördern und einzuleiten;

31.

fordert, dass die Möglichkeit geprüft wird, unter Nutzung des Erbes des Komitees zur Koordination der multilateralen strategischen Ausfuhrkontrollen (Coordinating Committee for Multilateral Strategic Export Controls) ein neues Forum für die multilaterale Zusammenarbeit zwischen den westlichen Verbündeten, d. h. der EU, den Vereinigten Staaten, Japan, Kanada, Südkorea, Australien und Neuseeland, einzurichten; fordert, dass es zu den Aufgaben des neuen Gremiums gehören sollte, die Ausfuhr von Technologien, Handelsströme und sensible Investitionen in Risikostaaten zu überwachen und zu kontrollieren;

32.

stellt fest, dass die geopolitischen Bestrebungen der EU durch angemessene Mittelzuweisungen im bevorstehenden mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) untermauert werden müssen, und bedauert, dass der Europäische Rat vorgeschlagen hat, die Haushaltslinien für außenpolitische Instrumente zu kürzen; fordert, dass der EU-Haushalt für auswärtiges Handeln im MFR 2021–2027 aufgestockt wird und groß genug ausfällt, damit die EU über die notwendigen Ressourcen verfügt, um die Herausforderungen in ihrer Nachbarschaft und die geopolitischen Folgen von COVID-19 zu bewältigen, und ihrer Ambition gerecht wird, zu einem verantwortungsbewussten geopolitischen Akteur zu werden;

33.

betont, dass nur eine starke und geeintere EU, die über eine offene strategische Autonomie verfügt und auf ausreichende und glaubwürdige militärische Kapazitäten sowie auf Instrumente und Mechanismen zur Unterstützung der Partner zugreifen kann, in der Lage sein wird, in dem neuen geopolitischen Umfeld eine gewichtige Rolle zu spielen und eine entschlossene Außenpolitik zu verfolgen, und vertritt die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten dem VP/HR ein stärkeres, klar umrissenes Mandat erteilen sollten, damit er im Namen der EU sprechen kann, beispielsweise durch die Einrichtung eines europäischen Sitzes in multilateralen Organen; begrüßt die Schlussfolgerung von Präsident Charles Michel, dass „es […] von allergrößter Bedeutung [ist], die strategische Autonomie der Union zu verstärken“;

34.

ist der Überzeugung, dass die Abschaffung des Erfordernisses der Einstimmigkeit in bestimmten Bereichen der Außenpolitik dazu beitragen würde, dass die EU eine wirksamere und proaktivere Außenpolitik verfolgt, die besser geeignet ist, rasch auf Notlagen zu reagieren; fordert den Rat bzw. den Europäischen Rat auf, dem Aufruf von Kommission und Parlament zu folgen, durch Aktivierung der Passerelle-Klausel zu einer Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit überzugehen, zumindest wenn es um Menschenrechte oder Sanktionen geht; betont, dass die Hebelwirkung der EU am größten ist, wenn die Mitgliedstaaten geschlossen handeln;

35.

hebt die wichtige Rolle der Streitkräfte bei der COVID-19-Pandemie hervor; begrüßt die Hilfe der Streitkräfte bei den zivilen Unterstützungsmaßnahmen, insbesondere durch die Einrichtung von Feldlazaretten, Patiententransport und die Lieferung und Verteilung von Ausrüstung, und ist der Überzeugung, dass tiefergehende gemeinsame Einsätze und eine tiefergehende Koordinierung der Streitkräfte der Mitgliedstaaten innerhalb bestehender Rahmen — wie des Projekts der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ) und des Europäischen Sanitätskommandos — oder innerhalb neuer Rahmen — wie der Lazarettzüge — zu einer größeren Effizienz führen und dazu beitragen könnten, dass die EU für die Bekämpfung von Pandemien gerüstet ist; ist sich bewusst, dass Militärpersonal ausreichend ausgebildet, vorbereitet und ausgerüstet sein muss, um diese Art von wesentlichen Aufgaben zur Unterstützung seiner Mitbürger zu bewältigen;

36.

ist sich bewusst, dass die Sicherheits- und Verteidigungsstrategien der EU mit Blick auf die Entwicklung strategischer Autonomie, auch im Gesundheitswesen, überarbeitet werden müssen, um gegenüber den neuen und hybriden Bedrohungen und Technologien, durch die die Art der Kriegsführung weniger konventionell geworden ist und die herkömmliche Rolle des Militärs infrage gestellt wird, besser gewappnet zu sein und widerstandsfähiger zu werden, was auch gegenüber einer Zukunft gilt, in der Russland und China offensiver auftreten; unterstreicht, dass die militärische Mobilität gestärkt werden muss, damit die Mitgliedstaaten dabei unterstützt werden, bei etwaigen künftigen Konflikten rascher und wirksamer zu reagieren; betont, dass bei dem künftigen strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung diese Entwicklungen berücksichtigt werden sollten, den umfassenderen geopolitischen Auswirkungen von COVID-19 Rechnung getragen werden sollte und das gesamte Spektrum von Bedrohungen wie eine neue Pandemie, chemische, biologische, radiologische oder nukleare (CBRN) Bedrohungen und Einflussnahme aus dem Ausland, darunter Desinformation oder Cyberangriffe, angegangen werden sollten; ist davon überzeugt, dass die Verteidigungsausgaben der EU im Allgemeinen und der Haushalt für militärische Mobilität im Besonderen angesichts des neuen politischen Gleichgewichts und eines sich möglicherweise verschlechternden internationalen Sicherheitsumfelds infolge von COVID-19 nicht gekürzt werden dürfen;

37.

bekräftigt, dass die Zusammenarbeit und gegebenenfalls die Koordinierung zwischen der EU und der NATO, einschließlich des Euro-Atlantischen Koordinierungszentrums für Katastrophenhilfe (Euro-Atlantic Disaster Response Coordination Centre — EADRCC) oder des NATO-Exzellenzzentrums für Militärmedizin, fortgesetzt und gestärkt werden müssen und dass gegen Desinformation im Zusammenhang mit COVID-19 und Cyberangriffe vorgegangen werden muss; fordert eine starke Koordinierung mit und Unterstützung durch die Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit (ENISA) sowie eine Zusammenarbeit bei der Planung und Entwicklung militärischer Fähigkeiten;

38.

fordert, dass ein neuer institutioneller Ansatz für die strategische Kommunikation verfolgt wird, um den Herausforderungen und Risiken zu begegnen, denen sich die westlichen liberalen Demokratien gegenübersehen, sowie dass die Kommunikationsstrategien der EU ausgeweitet und modernisiert werden, damit die Werte und die Maßnahmen der EU sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU und insbesondere in den Nachbarregionen ausreichend sichtbar werden; fordert den EAD nachdrücklich auf, seine Kapazitäten weiter zu stärken, um gegen böswillige Einflussnahme aus dem Ausland, Desinformation, hybride Kriegsführung, Propaganda und Spionage vorzugehen, darunter durch eigens dafür eingerichtete StratCom Task Forces, die sich schwerpunktmäßig mit Vorgängen in a) China und b) dem Mittleren Osten, darunter Iran, befassen, und Ländern Kosten aufzuerlegen, die vorsätzlich Desinformation verbreiten, um die EU und ihre Mitgliedstaaten zu spalten und ihnen zu schaden; bekräftigt seinen Einsatz für die Entwicklung koordinierter legislativer und nichtlegislativer Rahmen und für die Verbesserung der Koordinierungsbemühungen und des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten auf EU-Ebene, um gegen Desinformation vorzugehen;

39.

begrüßt die Arbeit von EUvsDisinfo und die Rolle, die die Zivilgesellschaft, Basisorganisationen, unabhängige Journalisten und Medienorganisationen bei der Bekämpfung von Desinformation spielen; unterstreicht, wie wichtig eine prinzipientreue Haltung der EU bei der Bekämpfung von Desinformation im Zusammenhang mit der Verbreitung des COVID-19-Virus sowie von Cyberangriffen auf kritische Infrastrukturen ist; ruft die Plattformen der sozialen Medien dazu auf, vorausschauend zu handeln und Maßnahmen zu ergreifen, durch die die Verbreitung von Desinformation und Hetze im Zusammenhang mit dem COVID-19-Virus verhindert wird, und weist darauf hin, dass diese Plattformen in die Bekämpfung von Cyberkriminalität investieren und für diese wachsende Bedrohung sensibilisieren müssen;

40.

betont, dass die EU aufgrund ihres weltweit größten Verbrauchermarkts mit beinahe 500 Millionen Menschen eine beachtliche Hebelwirkung auf der Weltbühne entfalten kann, und ist davon überzeugt, dass eine geopolitische Kommission auf diese Hebelwirkung zurückgreifen sollte, und zwar auch im Rahmen ihrer Handelspolitik zur Verteidigung der Interessen der EU, wenn andere Länder nicht dazu bereit sind, die Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit oder internationale Verträge einzuhalten;

41.

stellt fest, dass durch die COVID-19-Pandemie aufgezeigt wurde, dass die Abhängigkeit der EU von Drittländern in bestimmten strategischen und lebenswichtigen Bereichen wie der Gesundheit verringert werden muss, und unterstützt nachdrücklich die Diversifizierung und Verlagerung ihrer entscheidendsten Lieferketten; weist darauf hin, dass COVID-19 die Schwachstellen der Verflechtung und Interdependenz aufgezeigt und zu wachsendem Protektionismus geführt hat; betont daher, wie wichtig es ist, das richtige Gleichgewicht zwischen der Verbesserung der Widerstandsfähigkeit unserer Wertschöpfungsketten zur Verwirklichung strategischer Autonomie, der Stärkung der globalen Wettbewerbsfähigkeit der EU sowie der Aufrechterhaltung von möglichst offenen Handelsbeziehungen zu finden;

42.

weist auf seine dringende Forderung nach einer entschlossenen, weltweit geltenden Sanktionsregelung hin, um noch vor Ende des Jahres 2020 gegen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vorzugehen, was das EU-Äquivalent zum sog. Magnitski-Gesetz wäre; betont, dass sich dieses Gesetz auch auf Korruptionsdelikte auf hoher Ebene erstrecken sollte, wenn es um Kriterien für die Verhängung von Sanktionen geht; begrüßt die Ankündigung von Präsidentin von der Leyen, dass die Kommission demnächst einen Vorschlag vorlegen wird, und fordert den Europäischen Rat auf, den globalen EU-Mechanismus für Menschenrechtssanktionen als einen Beschluss im Zusammenhang mit den strategischen Interessen und Zielen der Union gemäß Artikel 22 Absatz 1 EUV anzunehmen;

43.

ist äußerst besorgt darüber, dass die COVID-19-Pandemie unverhältnismäßig starke negative Auswirkungen auf Migranten und Flüchtlinge hat; fordert die Regierungen nachdrücklich auf, im Rahmen ihrer Außenpolitik Maßnahmen zu ergreifen, die auf der Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde beruhen, und Lösungen zu finden, mit denen der Schutzbedürftigkeit von Migranten und Flüchtlingen und ihrem Schutzbedarf im Einklang mit den Grundsätzen der Solidarität und Partnerschaft Rechnung getragen wird und geeignete und zugängliche legale Migrationswege geschaffen werden; betont, wie wichtig es ist, das Recht auf Asyl weltweit zu bewahren;

44.

fordert die EU auf, sich an einer weltweiten Kampagne zur Förderung der UN-Empfehlungen zu beteiligen, die darauf abzielen, die Zahl der Gefängnisinsassen durch die Umsetzung von Programmen zur frühzeitigen, vorläufigen oder vorübergehenden Freilassung von Straftätern zu verringern, von denen eine geringe Gefahr ausgeht; fordert insbesondere mit Nachdruck, dass alle Personen, die wegen der Äußerung kritischer oder abweichender Ansichten oder aufgrund ihrer Menschenrechtsaktivitäten inhaftiert sind, freigelassen werden, und setzt sich dafür ein, dass der Einsatz von Abschiebehafteinrichtungen und geschlossenen Flüchtlingslagern verringert wird;

45.

erkennt die entscheidende Rolle der Frauen bei der Bewältigung der COVID-19-Krise sowie die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Pandemie an; ist nach wie vor zutiefst besorgt über den beispiellosen Tribut, den die COVID-19-Krise weltweit von den Fortschritten bei der Gleichstellung der Geschlechter in Bezug auf die ungleiche Verteilung sowohl der häuslichen als auch der öffentlichen Pflegearbeit gefordert hat, wobei Frauen etwa 70 % der weltweiten Arbeitskräfte im Gesundheitswesen ausmachen, und fordert, dass den Bedürfnisse von Frauen und Randgruppen im Rahmen einer globalen Reaktion auf die Pandemie Rechnung getragen wird, da sie bisher nur selten an den Verhandlungstischen vertreten sind, an denen Krisenreaktionen festgelegt werden;

46.

ist davon überzeugt, dass eine auf Menschenrechten basierende Reaktion auf die COVID-19-Pandemie den effektivsten, umfassendsten und nachhaltigsten Ansatz darstellt, um die aktuelle Krise zu bewältigen; weist darauf hin, dass die Reaktion der Drittländer auf die COVID-19-Krise nicht gegen die Menschenrechte oder das Völkerrecht verstoßen darf und sich auf unbedingt notwendige und verhältnismäßige Maßnahmen beschränken und sowohl einer regelmäßigen Kontrolle als auch einer zeitlichen Befristung unterliegen muss; fordert die EU-Delegationen auf, die weltweite Menschenrechtssituation genau zu beobachten, Entwicklungstrends zu ermitteln und internationale, regionale und lokale Organisationen, Bürger und die Zivilgesellschaft in ihren Bemühungen zu unterstützen, die negativen Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die Menschenrechte weltweit umzukehren, und fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Umsetzung der Werte und Verpflichtungen der EU im Bereich der Menschenrechte, die bereits im EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie 2020–2024 festgelegt wurden, durch die Folgen von COVID-19 nicht untergraben werden;

47.

unterstreicht, welche strategische Bedeutung der Führungsrolle und der Unterstützung der EU in ihrer Nachbarschaft (sowohl in der östlichen und in der südlichen Nachbarschaft als auch in der Arktisregion) zukommt, indem sie ihre Nachbarn in ihrem Kampf gegen die COVID-19-Pandemie unterstützt; fordert eine verstärkte Unterstützung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Reformen in der Nachbarschaft;

48.

betont, dass die EU den Westbalkanländern, die noch keine EU-Mitglieder sind, eine faire Chance einräumen muss, der EU beizutreten, und dass die EU ihre Bemühungen um Investitionen in der Region intensivieren muss; betont, dass der Erweiterungsprozess der EU und die Ausrichtung der EU auf die Unterstützung der Reformprozesse im Westbalkan trotz der anhaltenden Pandemie fortgesetzt werden; lobt die Initiative der Kommission zur finanziellen Unterstützung der Länder des westlichen Balkans und deren Aufnahme in die gemeinsame Beschaffung medizinischer Ausrüstung durch die EU, um diesen bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zu helfen; fordert die Einbindung aller Westbalkanländer in den Solidaritätsfonds der Europäischen Union und bekräftigt, dass die Hilfe für unsere Partner von einer intensiven Kommunikationskampagne begleitet werden muss;

49.

betont, dass Länder in Afrika, deren Gesundheitsinfrastruktur oftmals fragil ist und die hoch verschuldet sind, infolge der COVID-19-Krise, die als „Konfliktmultiplikator“ fungiert, destabilisiert werden könnten; fordert, dass die Zusammenarbeit zwischen der EU und Afrika gestärkt und wirksamer koordiniert wird, dass private Investitionen ausgeweitet werden, dass die Finanzhilfe und die Aufbaupläne vorangetrieben werden und dass eine Alternative zu den chinesischen Investitionen bereitgestellt wird; fordert die EU auf, den verstärkten Dialog im Vorfeld des EU-Afrika-Gipfels fortzusetzen und daran zu arbeiten, Afrika zu einem dauerhaften, verlässlichen und engen Partner der EU werden zu lassen;

50.

betont, dass Sanktionen einer umfassenden Reaktion auf die COVID-19-Pandemie nicht im Wege stehen sollten; betont im spezifischen Fall des Iran, dass der Anwendungsbereich des Instruments zur Unterstützung des Handelsaustauschs (INSTEX) ausgeweitet werden muss und dass dieser Mechanismus zur Verbesserung unserer humanitären Hilfe eingesetzt werden sollte;

51.

hebt hervor, dass die Partner der EU in der Sahel-Sahara-Region und am Horn von Afrika neben ihrem anhaltenden Kampf gegen bewaffnete terroristische Gruppen, einschließlich Dschihadisten, mit den beispiellosen Folgen der COVID-19-Pandemie konfrontiert sind;

52.

ist der Auffassung, dass die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika und der Karibik von strategischem und entscheidendem Interesse sind; betont, dass Lateinamerika eine der am stärksten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Regionen war; fordert die Kommission auf, weiterhin mit den lateinamerikanischen Ländern zusammenzuarbeiten, eine verstärkte Zusammenarbeit zwecks Bekämpfung von COVID-19 festzulegen, diesen Ländern mit Konjunkturprogrammen zu helfen und sie politisch zu unterstützen, damit es nicht zu einer übermäßigen Abhängigkeit dieser Länder von der Unterstützung anderer geopolitischer Akteure kommt; fordert die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten auf, die Agenda 2030 und die Ziele für nachhaltige Entwicklung als Fahrplan für die Erholung nach der Pandemie zu verwirklichen;

53.

stellt fest, dass sich die derzeitige COVID-19-Pandemie negativ auf die bestehenden Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) ausgewirkt hat, insbesondere auf die Ausbildungsmissionen der EU an Orten wie Mali, Somalia oder der Zentralafrikanischen Republik; weist erneut darauf hin, dass eine europäische Präsenz und ein glaubwürdiges Engagement von entscheidender Bedeutung sind, um die humanitären und sozioökonomischen Folgen der COVID-19-Pandemie zu mildern; fordert, dass die GSVP-Missionen, deren Aufgabe die Konfliktprävention oder -bewältigung ist, gestärkt werden, insbesondere wenn sie in unmittelbarer Nachbarschaft der EU durchgeführt werden, damit dazu beigetragen wird, bereits fragile Situationen zu stabilisieren und einen Rückfall in Konflikte und Gewalt aufgrund der zusätzlichen Spannungen infolge von COVID-19 zu verhindern; fordert die Mitgliedstaaten auf, mehr ziviles und militärisches Personal für solche Missionen und Operationen zur Verfügung zu stellen, und fordert in diesem Zusammenhang überdies, dass die Europäische Friedensfazilität zügig verabschiedet wird; fordert den EAD nachdrücklich auf, an der Belastbarkeit und Nachhaltigkeit von GSVP-Missionen und -Operationen während Krisen wie der COVID-19-Pandemie zu arbeiten; betont nachdrücklich, wie wichtig es ist, unter solchen Umständen die Kontinuität der GSVP-Missionen und -Operationen aufrechtzuerhalten; fordert eine umfassende Überprüfung der Auswirkungen von COVID-19 auf die Bereitschaft, die Einsatzbereitschaft, den Streitkräfteaufbau, die Sicherheit des Personals und die Kontinuität der GSVP-Operationen und -Missionen;

54.

fordert den EAD, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Gleichstellung der Geschlechter, das Gender-Mainstreaming und eine bereichsübergreifende Perspektive, einschließlich einer gleichberechtigten und vielfältigen Vertretung, in die Außen- und Sicherheitspolitik der EU zu integrieren und die unterschiedlichen Erfahrungen von Frauen und anderen Randgruppen, auf die diese Pandemie nachteilige Auswirkungen hatte, anzuerkennen;

55.

ist der festen Überzeugung, dass die Zusammenarbeit im Bereich des Klimawandels als Grundlage für den Aufbau einer breiteren globalen Zusammenarbeit als Reaktion auf COVID-19 dienen könnte, wobei Impulse für das multilaterale System und die Wiederherstellung des Vertrauens in die Notwendigkeit eines regelbasierten Systems ausgehen;

56.

ist der Ansicht, dass im Zuge der COVID-19-Krise gewisse Schwächen unserer Union deutlich aufgezeigt wurden und klar wurde, dass es sowohl intern als auch auf einer globalen Ebene dringend einer effektiven, effizienten und autonomen Union bedarf, einschließlich Mechanismen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Krisen, darunter durch Finanzierungsinstrumente; vertritt die Auffassung, dass die Konferenz zur Zukunft Europas eine solide Plattform bereitstellen wird, um Fortschritte bei der Konzeption einer effizienteren Entscheidungsfindung in der Außenpolitik der EU zu erzielen; ist daher entschlossen, die Konferenz so bald wie möglich einzuleiten;

57.

weist auf die Auswirkungen hin, die COVID-19 auf benachteiligtere Regionen hatte, darunter auf Krisengebiete und die am wenigsten entwickelten Länder; fordert den VP/HR nachdrücklich auf, auf lokale und regionale Waffenstillstände und Waffenstillstandsvereinbarungen hinzuarbeiten und die Initiative des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, António Guterres, für einen Waffenstillstand weltweit zu unterstützen; weist darauf hin, dass die humanitären Grundsätze der Unparteilichkeit und Neutralität bei der Bereitstellung von Hilfe, auch als Reaktion auf die Bedürfnisse im Zusammenhang mit COVID-19, eingehalten werden müssen; fordert die EU auf, den Zugang humanitärer Organisationen zu entlegenen Konfliktgebieten zu sichern und sich hierbei für humanitäre Korridore einzusetzen, und unterstreicht, dass jedes auswärtige Handeln in von Konflikten betroffenen Ländern auf einer konfliktbewussten Risiko- und Schwachstellenanalyse beruhen muss, die auch die Perspektiven von Frauen mit einem besonderen Schwerpunkt auf Friedensbildung einbezieht;

58.

begrüßt, dass die EU einen Impfstoffnationalismus ablehnt; bekräftigt, dass der EU eine führende Rolle zukommt, um für alle Menschen weltweit einen gleichberechtigten Zugang zu Impfstoffen sicherzustellen; fordert die Kommission auf, mit ihren internationalen Partnern zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass niemand zurückbleibt, sobald ein Impfstoff zur Verfügung gestellt wird;

o

o o

59.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Präsidenten des Europäischen Rates, dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie den Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0054.

(2)  ABl. C 388 vom 13.11.2020, S. 11.


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/73


P9_TA(2020)0323

Verbesserung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit und der Effizienz der Hilfe

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zu der Verbesserung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit und der Effizienz der Hilfe (2019/2184(INI))

(2021/C 425/08)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Weltgipfel der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung vom 25.–27. September 2015 und das am 25. September 2015 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Ergebnisdokument mit dem Titel „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, insbesondere das Ziel 17 der darin festgelegten Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals — SDG), durch das die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verpflichtet werden, die Mittel zur Umsetzung der Agenda zu stärken und die Globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben zu erfüllen (1),

unter Hinweis auf die „Aktionsagenda von Addis Abeba“, das auf der Dritten Internationalen Konferenz über Entwicklungsfinanzierung (Addis Abeba, Äthiopien, 13.–16. Juli 2015) verabschiedete Ergebnisdokument, das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihrer Resolution 69/313 vom 27. Juli 2015 gebilligt wurde,

unter Hinweis auf den Bericht der Interinstitutionellen Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für die Entwicklungsfinanzierung aus dem Jahr 2019 über die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung (2),

unter Hinweis auf das Übereinkommen von Paris infolge der 21. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (COP 21) sowie der 11. Tagung der als Tagung der Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls dienenden Konferenz der Vertragsparteien (CMP 11) vom 30. November bis 11. Dezember 2015 in Paris (Frankreich),

unter Hinweis auf die beim Zweiten Hochrangigen Forum zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit 2005 verabschiedete Erklärung von Paris über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit, den beim Dritten Hochrangigen Forum zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit 2008 in Accra (Ghana) verabschiedeten Aktionsplan von Accra und das Ergebnis des Vierten Hochrangigen Forums zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit in Busan (Republik Korea) im Dezember 2011, bei dem die Globale Partnerschaft für wirksame Entwicklungszusammenarbeit (GPEDC) ins Leben gerufen wurde,

unter Hinweis auf das Nairobi-Ergebnisdokument der Zweiten Hochrangigen GPEDC-Tagung im November und Dezember 2016 in Nairobi (Kenia) (3),

unter Hinweis auf die Tagung der GPEDC auf hoher Ebene, die am 13. und 14. Juli 2019 am Rande des Hochrangigen Politischen Forums der Vereinten Nationen zu nachhaltiger Entwicklung in New York stattfand,

unter Hinweis auf die 17. Sitzung des Lenkungsausschusses zu der Tagung der Globalen Partnerschaft auf hoher Ebene 2019 am 26./27. März 2019 in Kampala (Uganda),

unter Hinweis auf den Bericht der GPEDC aus dem Jahr 2019 mit dem Titel „Making Development Co-operation More Effective“ (Entwicklungszusammenarbeit wirksamer gestalten) (4),

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (KRK) vom 20. November 1989,

gestützt auf Artikel 208 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), in dem die Bekämpfung und Beseitigung der Armut als Hauptziel der EU-Entwicklungspolitik festgelegt ist und die Union und die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, den im Rahmen der Vereinten Nationen und anderer zuständiger Organisationen gegebenen Zusagen nachzukommen und bei politischen Maßnahmen, die sich auf die Entwicklungsländer auswirken können, den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung zu tragen,

unter Hinweis auf den neuen Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik vom 30. Juni 2017 (5),

unter Hinweis auf die Gemeinsame Strategie der Europäischen Union für Afrika, die auf dem zweiten EU-Afrika-Gipfel in Lissabon im Dezember 2007 verabschiedet wurde,

unter Hinweis auf das am 29. und 30. November 2017 abgehaltene fünfte Gipfeltreffen zwischen der Afrikanischen Union und der EU und die bei diesem Gipfeltreffen angenommene Erklärung mit dem Titel „Investing in Youth for Accelerated Inclusive Growth and Sustainable Development“ (In die Jugend investieren für schnelleres inklusives Wachstum und eine schnellere nachhaltige Entwicklung) (6),

unter Hinweis auf die von der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik im Juni 2016 vorgelegte Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU mit dem Titel „Gemeinsame Vision, gemeinsames Handeln: Ein stärkeres Europa“,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Mai 2016 zur Verstärkung der gemeinsamen Programmplanung,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 16. Mai 2019 zum Jahresbericht 2019 an den Europäischen Rat über die Entwicklungshilfeziele der EU (7),

unter Hinweis auf den Bericht der hochrangigen Gruppe von Weisen vom Oktober 2019 mit dem Titel „Europe in the World — the future of European financial architecture for development“ (Europa in der Welt — die Zukunft der europäischen Finanzarchitektur zur Förderung der Entwicklung) (8),

unter Hinweis auf das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen vom 26. März 2015 mit dem Titel „Launching the EU International Cooperation and Development Results Framework“ (Einführung des internationalen Ergebnisrahmens der EU für Entwicklung und Zusammenarbeit) (SWD(2015)0080) und die zugehörigen Schlussfolgerungen des Rates vom 26. Mai 2015,

unter Hinweis auf den strategischen Plan der Kommission für die internationale Zusammenarbeit und Entwicklung 2016–2020,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. September 2018 über eine neue Allianz Afrika-Europa für nachhaltige Investitionen und Arbeitsplätze (COM(2018)0643),

unter Hinweis auf den Abschlussbericht der Task Force „Ländliches Afrika“ der Kommission vom März 2019 mit dem Titel „Eine afrikanisch-europäische Agenda für den Wandel im ländlichen Raum“ (9),

unter Hinweis auf die Studie vom Juli 2019 zur Anwendung der Grundsätze der Wirksamkeit mit dem Titel „Effectiveness to Impact“ (Effektiv Wirkung erzielen) (10),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. Mai 2008 zu den Folgemaßnahmen zur Pariser Erklärung von 2005 über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe (11),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Juli 2011 zur Zukunft der EU-Budgethilfe an Entwicklungsländer (12),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2011 zum Vierten Hochrangigen Forum zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit (13),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. Oktober 2015 zu der Rolle der lokalen Behörden in Entwicklungsländern bei der Entwicklungszusammenarbeit (14),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Mai 2015 zur Entwicklungsfinanzierung (15),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. April 2016 zu Privatsektor und Entwicklung (16),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. Juni 2016 zu dem EU-Bericht 2015 über die Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung (17),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. September 2016 zu dem Thema „Der Treuhandfonds der Europäischen Union für Afrika: Auswirkungen auf Entwicklung und humanitäre Hilfe“ (18),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. November 2016 zur Steigerung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit (19),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Februar 2017 zu der Überarbeitung des Europäischen Konsenses über die Entwicklungspolitik (20),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. November 2017 zu der EU-Afrika-Strategie: ein Ansporn für die Entwicklung (21),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2018 zu der Anwendung des Instruments für Entwicklungszusammenarbeit, des Instruments für humanitäre Hilfe und des Europäischen Entwicklungsfonds (22),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Juni 2018 zu den anstehenden Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (23),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. März 2019 zum strategischen Jahresbericht über die Umsetzung und Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (24),

unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 27. März 2019 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (25),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. November 2019 zu den laufenden Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (26),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. November 2019 zur Klimakonferenz der Vereinten Nationen 2019 in Madrid (Spanien) (COP 25) (27),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2020 zu dem Thema „Der europäische Grüne Deal“ (28),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 26. Oktober 2015 zum EU-Aktionsplan zur Gleichstellung der Geschlechter für den Zeitraum 2016–2020 (29),

unter Hinweis auf die gemeinsame Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zum Thema „Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle von Frauen: Veränderung des Lebens von Mädchen und Frauen mithilfe der EU-Außenbeziehungen (2016–2020)“ (SWD(2015)0182),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. September 2012 mit dem Titel „Die Wurzeln der Demokratie und der nachhaltigen Entwicklung: Europas Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft im Bereich der Außenbeziehungen“ (COM(2012)0492),

unter Hinweis auf die von der Kommission in Auftrag gegebene und im Mai 2020 veröffentlichte Studie mit dem Titel „Effective Development Cooperation — Does the EU deliver?: Detailed Analysis of EU Performance“ (Wirksame Entwicklungszusammenarbeit: Liefert die EU Ergebnisse? — Eine detaillierte Analyse der Leistungen der EU) (30);

unter Hinweis auf die Studie vom Mai 2020 über die Wirksamkeit gemischter Finanzierung mit dem Titel „The use of development funds for de-risking private investment: how effective is it in delivering development results?“ (Die Verwendung von Entwicklungsgeldern zur Risikoreduzierung privater Investitionen: Wie wirksam ist sie bei der Erzielung von Entwicklungsergebnissen?),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 15. Mai 2013 mit dem Titel „Stärkung der Gestaltungsmacht der lokalen Behörden in den Partnerländern mit Blick auf eine verbesserte Regierungsführung und wirksamere Entwicklungsergebnisse“ (COM(2013)0280),

unter Hinweis auf die Gemeinsame Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 9. März 2020 mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer umfassenden Strategie mit Afrika“,

unter Hinweis auf den die Europäische Union betreffenden OECD-Bericht (Peer Reviews zur Entwicklungszusammenarbeit) vom 10. Dezember 2018,

unter Hinweis auf die Empfehlung des OECD-Ausschusses für Entwicklungshilfe (DAC) vom 22. Februar 2019 zur Verknüpfung von humanitärer Hilfe, Entwicklungshilfe und Frieden,

unter Hinweis auf den Bericht der OECD vom 24. Juni 2020 mit dem Titel „The impact of the coronavirus (COVID-19) crisis on development finance“ (Die Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die Entwicklungsfinanzierung) (31),

unter Hinweis auf den Sonderbericht der Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe für Klimafragen (IPCC) vom 25. September 2019 über den Ozean und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima,

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Entwicklungsausschusses (A9-0212/2020),

A.

in der Erwägung, dass sich der Kontext der Entwicklungszusammenarbeit im Laufe der Jahre durch das Entstehen neuer globaler Herausforderungen wie Klimawandel und Verlust an biologischer Vielfalt, Migration, Ernährungsunsicherheit, interne Konflikte, Terrorismus und gewaltorientierter Extremismus und durch Ausbrüche von Infektionskrankheiten sowie sich häufende und verheerende Naturkatastrophen, insbesondere in den Entwicklungsländern, von denen die Schwächsten betroffen sind, verändert hat; in der Erwägung, dass das globale Umfeld immer komplexer und unsicherer wird und sich insbesondere in den Entwicklungsländern Konflikte und geopolitische Rivalitäten häufen; in der Erwägung, dass dies zeigt, dass es eines stärkeren Multilateralismus und kontinuierlicher Bemühungen um mehr Wirksamkeit und Effektivität der europäischen Hilfe bedarf;

B.

in der Erwägung, dass die Welt von der COVID-19-Pandemie getroffen wurde; in der Erwägung, dass die Auswirkungen dieser Pandemie auf die Entwicklungsländer und die Empfängerländer von Hilfeleistungen immer noch unklar sind und eine erhebliche Belastung der Kapazitäten zur Hilfeleistung von Geberländern und privaten Investoren darstellen;

C.

in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie, von der alle Länder — unabhängig von ihrem Entwicklungsstand — betroffen sind, nicht nur gesundheitliche, sondern auch wirtschaftliche und soziale Auswirkungen hat; in der Erwägung, dass sich diese Pandemie auf die Entwicklungszusammenarbeit auswirkt und deren Wirksamkeit daher gesteigert werden muss;

D.

in der Erwägung, dass die derzeitige Pandemie zu schwerwiegenden Störungen des Tourismus, des Seeverkehrs und anderer meeresbasierter Branchen geführt hat und langfristige Auswirkungen auf diese Bereiche haben kann, was sich negativ auf die Volkswirtschaften vieler Entwicklungsländer auswirkt, einschließlich der am stärksten gefährdeten Länder, der kleinen Inselentwicklungsländer und der am wenigsten entwickelten Länder;

E.

in der Erwägung, dass die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe von der Art und Weise abhängt, wie der Grundsatz der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung (PKE) umgesetzt wird; in der Erwägung, dass immer noch weitere Anstrengungen erforderlich sind, um die Grundsätze der PKE zu erfüllen, insbesondere im Bereich der Migrations-, Handels-, Klima- und Landwirtschaftspolitik der EU;

F.

in der Erwägung, dass sich die Innen- und Außenpolitik der EU und der Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung nicht negativ auf die Entwicklungsländer auswirken sollte; in der Erwägung, dass die Förderung der außenpolitischen Interessen der EU immer stärker in den Vordergrund rückt; in der Erwägung, dass bei der EU-Außenhilfe im Einklang mit Artikel 208 AEUV, der besagt, dass die Bekämpfung und die Beseitigung der Armut das Hauptziel der Politik der Entwicklungszusammenarbeit ist, weiterhin die Wirksamkeit und Effizienz der Hilfe und die Bedürfnisse der Partnerländer in den Mittelpunkt gestellt werden sollten;

G.

in der Erwägung, dass die Grundsätze der Wirksamkeit der Hilfe sowie alle Quellen der Entwicklungsfinanzierung so gestaltet werden sollten, dass sie die im Übereinkommen von Paris aufgestellten Ziele erfüllen;

H.

in der Erwägung, dass die Weltbevölkerung schneller wächst als das Bruttonationaleinkommen (BNE), was insbesondere für Subsahara-Afrika gilt, wo sich die Bevölkerung in den nächsten 30 Jahren voraussichtlich verdoppeln wird, sodass dort im Jahr 2050 2,1 Milliarden Menschen — und bis zum Ende des Jahrhunderts 3,8 Milliarden Menschen — leben werden; in der Erwägung, dass sich dadurch — trotz eines starken Wirtschaftswachstums — die Zahl der Menschen, die in Armut leben und keine Arbeit haben, erhöhen wird, weshalb es dringend notwendig ist, die Entwicklungsländer bei ihren Anstrengungen, die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, wirksam zu unterstützen;

I.

in der Erwägung, dass eine Strategie EU-Afrika, die auf einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“ beruht, bedeutet, dass die besonderen Anliegen der afrikanischen Länder in Bezug auf wirtschaftliche Diversifizierung, Industrialisierung, Verlust von Staatseinnahmen und regionale Integration zu berücksichtigen sind;

J.

in der Erwägung, dass die Ungleichheiten zwischen den Ländern immer noch sehr groß sind, wobei Ungleichheit die Effizienz und Wirksamkeit der Hilfe beeinträchtigt;

K.

in der Erwägung, dass es wichtig ist, Maßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften aufzubauen und zu erhöhen, insbesondere in fragilen Partnerländern, in Ländern, die von Konflikten oder Naturkatastrophen betroffen sind, und in Ländern, die Flüchtlinge aufnehmen;

L.

in der Erwägung, dass die Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern ein wesentliches Ziel der Politik der Entwicklungszusammenarbeit sind;

M.

in der Erwägung, dass sich die EU, die zusammen mit ihren Mitgliedstaaten der weltweit größte Geber von öffentlicher Entwicklungshilfe (ODA) ist — ihr Beitrag belief sich im Jahr 2018 auf insgesamt 74,4 Mrd. EUR und damit auf knapp 57 % der gesamten weltweit geleisteten öffentlichen Entwicklungshilfe — der Förderung einer wirksamen Entwicklungszusammenarbeit, die auf die Beseitigung aller Formen von Armut und Ungleichheit abzielt, sowie der Unterstützung ihrer Entwicklungspartner bei der Verwirklichung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verschrieben hat; in der Erwägung, dass die Mitglieder des OECD-Ausschusses für Entwicklungshilfe im Jahr 2019 gemeinsam nur 0,3 % des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungshilfe ausgegeben haben, wobei nur fünf Mitglieder das Ausgabenziel erreicht oder übertroffen haben (Vereinigtes Königreich, Schweden, Dänemark, Luxemburg und Norwegen);

N.

in der Erwägung, dass die Grundsätze der staatlichen und demokratischen Eigenverantwortung und Abstimmung, Ergebnisorientierung, inklusive Partnerschaften, Transparenz und Rechenschaftspflicht allen Formen der Entwicklungszusammenarbeit zugrunde liegen sollten, um sicherzustellen, dass Entwicklungsfonds effizient und wirksam verwendet werden, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung auf angemessene Weise zu erreichen;

O.

in der Erwägung, dass der Globalen Partnerschaft für wirksame Entwicklungszusammenarbeit große Bedeutung zukommt, wenn es darum geht, die Grundsätze der Wirksamkeit der Entwicklungshilfe zu fördern; in der Erwägung, dass die Partnerschaft drei strategische Prioritäten hat, an denen sich ihr Beitrag zum Start der „Aktionsdekade“ ausrichten wird, nämlich die Förderung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit, um die Umsetzung der Agenda 2030 zu beschleunigen, der Aufbau besserer Partnerschaften und die Nutzung der Überwachung, um zu handeln;

P.

in der Erwägung, dass die Studie mit dem Titel „Effective Development Cooperation — Does the EU deliver?: Detailed Analysis of EU Performance“ auf eine weniger starke Ausrichtung der Mitgliedstaaten und Organe der EU an den Grundsätzen der Wirksamkeit und den damit verbundenen Indikatoren hinweist, insbesondere in Bezug auf die Vorhersehbarkeit, die Verwendung von Indikatoren, die auf ländereigenen Ergebnisrahmenwerken der Partnerländer beruhen, die Verwendung von Systemen der Partnerländer für öffentliches Finanzmanagement, die Verpflichtung, die Partnerregierungen in die Projektevaluierungen einzubeziehen, und ein transparentes Berichtswesen;

Q.

in der Erwägung, dass die Entwicklungspolitik und die Partnerschaften der EU auf einer nachhaltigen politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit gleichberechtigten Partnern aufgebaut sein müssen, bei der die Achtung der Menschenrechte im Zentrum steht; in der Erwägung, dass die Entwicklungspolitik die Lage von zwangsvertriebenen Menschen, schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen und Migranten und Asylsuchenden berücksichtigen muss;

R.

in der Erwägung, dass die EU angesichts der Zunahme langwieriger Krisen ihre Bemühungen fortsetzen sollte, die Verknüpfung von humanitärer Hilfe mit Entwicklungszusammenarbeit in der Praxis mit dem Ziel durchführbar zu machen, langanhaltende Ergebnisse zu erzielen;

S.

in der Erwägung, dass die Fragmentierung der Hilfe aufgrund der wachsenden Zahl von Gebern und Hilfsorganisationen sowie der mangelnden Koordinierung ihrer Tätigkeiten und Projekte eine anhaltende Herausforderung bleibt;

T.

in der Erwägung, dass es während des Verfahrens der Programmplanung wesentlich ist, in den Partnerländern für eine breite Konsultation mit allen relevanten Akteuren zu sorgen: lokalen Behörden, nationalen Parlamenten, der Zivilgesellschaft, lokalen nichtstaatlichen Organisationen, Frauenverbänden, marginalisierten Gruppen, den Vereinten Nationen und ihren Einrichtungen, KMU und dem privaten Sektor;

U.

in der Erwägung, dass es ohne einen von unten nach oben gerichteten Ansatz („bottom-up approach“) bei der Entwicklungszusammenarbeit unmöglich ist, die Ergebnisse der Entwicklung zu maximieren; in der Erwägung, dass eine verbesserte gemeinsame Nutzung konkreter Ergebnisse und Ratschläge zu erfolgreichen Projekten vor Ort in den Partnerländern dazu beitragen werden, die Grundsätze effektiv umzusetzen und die anvisierten Ergebnisse erfolgreich zu erreichen;

V.

in der Erwägung, dass eine wirksame Zusammenarbeit mit dem Privatsektor auf den fünf Kampala-Prinzipien beruhen sollte, nämlich: inklusive staatliche Eigenverantwortung, Ergebnisse und gezielte Wirkung, inklusive Partnerschaft, Transparenz und Rechenschaftspflicht und niemanden zurückzulassen;

W.

in der Erwägung, dass es in den Partnerländern weitere Akteure und Geber gibt, die humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe erbringen;

X.

in der Erwägung, dass die EU-Organe und die Mitgliedstaaten, lokale und regionale Behörden, internationale Organisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft zwar über umfangreiche Daten und Kenntnisse verfügen, diese aber nach wie vor nicht ausreichend weitergegeben werden; in der Erwägung, dass diese Daten leichter zugänglich sein und in die Politikgestaltung einfließen sollten;

Y.

in der Erwägung, dass die Dreieckskooperation besonders effizient ist, wenn es darum geht, die Zusammenarbeit zu verbessern, um auf gemeinsame Herausforderungen zu reagieren, beispielsweise Naturkatastrophen, die die Entwicklung verlangsamen und unterbrechen, zu verhindern, zu bewältigen und sich von ihnen zu erholen, Herausforderungen für die Sicherheit in einer größeren Region zu bewältigen oder Geschäftsmodelle für kleine Unternehmen an die neuen wirtschaftlichen Herausforderungen anzupassen, die während der COVID-19-Krise entstanden sind;

Z.

in der Erwägung, dass für die Planung und Umsetzung einer wirksamen politischen Strategie im Bereich der Entwicklungshilfe ein tieferes Verständnis der Wirkung dieser Hilfe und des gesamten Umfelds, in dem sie stattfindet, erforderlich ist;

AA.

in der Erwägung, dass zugängliche und zuverlässige Daten die Transparenz der geleisteten Hilfe erhöhen und allen Entwicklungspartnern bei ihren Planungs- und Koordinierungsverfahren helfen; in der Erwägung, dass internationale Standards wie sie die internationale Initiative zur Förderung der Transparenz der Hilfe (International Aid Transparency Initiative — IATI) vorsieht, für eine Vergleichbarkeit dieser Daten sorgen; in der Erwägung, dass für das Erzielen von Entwicklungsergebnissen und das Hinarbeiten auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung detaillierte Daten über den lokalen Kontext, ein vereinbarter Katalog von anzustrebenden Ergebnissen, gemeinsame Aktivitäten, um darauf hinzuarbeiten, und schnelle öffentliche Rückmeldungen, um die Rechenschaftspflicht zu ermöglichen, erforderlich sind;

AB.

in der Erwägung, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein zentraler Grundsatz der EU-Entwicklungshilfe ist; in der Erwägung, dass sich die Entwicklungspolitik auf Frauen und Mädchen anders auswirkt; in der Erwägung, dass es einen Mangel an nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten im Bereich der Entwicklungshilfe gibt;

AC.

in der Erwägung, dass eine Entwicklungspolitik, die Gleichheit fördert, erwiesenermaßen besser dazu geeignet ist, die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, insbesondere die Bekämpfung der Armut und die Förderung der Bildung;

AD.

in der Erwägung, dass eine ernsthafte Gefahr besteht, dass es vorwiegend die politischen und wirtschaftlichen Eliten sind, die von Entwicklungshilfe, ausländischen Direktinvestitionen (ADI) und humanitärer Hilfe profitieren; in der Erwägung, dass dies deutlich macht, dass es einer Entwicklungszusammenarbeit bedarf, die auf einen umfassenden Wandel in den Volkswirtschaften abzielt, insbesondere in den Bereichen Governance, Machtverteilung, soziale Ausgrenzung, Sozialschutz und Zugang zu Ressourcen sowie Interaktion mit der Weltwirtschaft; in der Erwägung, dass dies deutlich macht, dass im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit die Grundsätze der verantwortungsvollen Staatsführung, der Rechtsstaatlichkeit, der Gewaltenteilung und der Förderung der Menschenrechte unterstützt und vorangetrieben werden müssen;

AE.

in der Erwägung, dass Entwicklungsländer Schätzungen der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) zufolge für die Zeit nach COVID-19 einen Schuldenerlass in Höhe von 1 Billion USD benötigen; in der Erwägung, dass die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der IWF, die G20 und die G7 Maßnahmen zum Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt ergriffen haben; in der Erwägung, dass diese Maßnahmen ergänzt werden sollten, damit die Entwicklungshilfe wirksam dazu beitragen kann, dass die Ziele für nachhaltige Entwicklung in den Bereichen Zugang zur Grundversorgung, verantwortungsvolle Staatsführung und grundlegende Menschenrechte in den Entwicklungsländern erreicht werden;

AF.

in der Erwägung, dass die Europäische Union durch ihre überseeischen Gebiete — wozu sowohl Gebiete in äußerster Randlage als auch überseeische Länder und Gebiete zählen — auf allen Ozeanen präsent ist, und dass es für sie von entscheidender Bedeutung ist, integrierte regionale Strategien zu entwickeln, die die auf lokaler Ebene zum Ausdruck gebrachten Bedürfnisse so umfassend wie möglich berücksichtigen;

AG.

in der Erwägung, dass die lokalen Behörden bei der Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung eine zentrale Rolle spielen müssen und dass die dezentralisierte Zusammenarbeit im Mittelpunkt der Entwicklungsstrategie der Union stehen muss;

AH.

in der Erwägung, dass die Entwicklungspolitik die Anpassung an die Folgen des Klimawandels im Zusammenhang mit der Vertreibung gefährdeter Bevölkerungsgruppen und der Verschärfung der sozialen Ungleichheiten berücksichtigen muss, um die Armut zu beseitigen;

AI.

in der Erwägung, dass sich das Einkommen, das die Entwicklungsländer aufgrund illegaler Finanzströme, einschließlich Steuerhinterziehung, verlieren, auf mehr als das Doppelte des Betrags beläuft, den sie von offiziellen externen Quellen, einschließlich Entwicklungshilfe, erhalten;

AJ.

in der Erwägung, dass die Nutzung ländereigener Ergebnisrahmenwerke und Planungsinstrumente (öffentliches Finanzmanagement) durch die EU-Organe abnimmt, obwohl diese bei der wirksamen Entwicklungszusammenarbeit eine wesentliche Rolle spielen, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung und die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, da sie bei der durchgehenden Berücksichtigung der Geschlechterthematik eine positive Bilanz aufweisen; in der Erwägung, dass in dieser Hinsicht ein verstärktes Engagement erforderlich ist;

1.

betont, dass Wirksamkeit bedeutet, eine umfassendere und bessere Wirkung zu erzielen, die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen und niemanden zurückzulassen; ist der Ansicht, dass die europäische Entwicklungszusammenarbeit besser, schneller und nachhaltiger wirkt, wenn sie auf die eigenen Maßnahmen und lokalen Bedürfnisse der Partnerländer abgestimmt ist, mit den Bemühungen anderer Geber koordiniert ist und über die Einrichtungen und Systeme von deren Partnern sowie die lokalen Akteure und die Zivilgesellschaft geleistet wird und der Unterstützung von Prioritäten dient, die im Wege von inklusiven und fairen politischen Prozessen vereinbart wurden, mit denen die demokratische Eigenverantwortung der Länder und die Einbeziehung aller Interessenträger sichergestellt wird;

2.

unterstreicht seine Auffassung, dass die EU als weltweit größter Geber und wichtiger internationaler Akteur für einen regelbasierten Multilateralismus und Demokratie ihre umfangreiche Palette an Instrumenten und Modalitäten der Entwicklungshilfe in koordinierter Weise nutzen sollte, um eine Aufgabenteilung zu ermöglichen und eine Fragmentierung der Hilfe zu vermeiden, und Prioritäten in den Bereichen ermitteln sollte, in denen sie effektiv die größte Wirkung in Bezug auf den Mehrwert erzielen kann;

3.

betont, dass die EU bei der Anwendung der Grundsätze der Wirksamkeit und Effizienz der Entwicklungshilfe eine Vorreiterrolle übernehmen sollte, um eine echte Wirkung und die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung in ihren Partnerländern sicherzustellen, wobei niemand zurückgelassen werden sollte; betont in dieser Hinsicht die Wirkung, die die Nutzung von Entwicklungshilfe und ausländischen Direktinvestitionen durch die EU auf die Bewältigung der Grundursachen von Migration und Vertreibung haben könnte;

4.

betont, dass die im neuen Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik verankerten politischen Ziele in den einzelnen Partnerländern strategischer und gezielter umgesetzt werden müssen, womit der Ansatz, der auf der Verknüpfung von humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe beruht, Anwendung findet und der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung Rechnung getragen wird; hebt hervor, dass Hilfsprogramme mit einer Schuldentragfähigkeitsanalyse kombiniert werden sollten und die Notwendigkeit der Stärkung der parlamentarischen Kontrolle in einem Partnerland berücksichtigt werden sollte;

5.

betont, dass die EU die Mittelverwendung weiterhin eng überwachen und alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss, um jeglichen Missbrauch von Hilfemitteln zu vermeiden, wobei die Übereinstimmung mit ihren politischen Zielen und Werten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sicherzustellen ist; fordert, dass wirksame Mechanismen eingerichtet werden, um die endgültige Bestimmung dieser Mittel gründlich zu kontrollieren und die Projekte, die Mittel erhalten haben, zu bewerten;

6.

unterstreicht, dass gute Regierungsführung einen entscheidenden Faktor für die gerechte und angemessene Verteilung von Hilfsgeldern darstellt und weist darauf hin, dass das Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung und damit die Effektivität der Mittel in hohem Maße von der Fähigkeit der Partnerstaaten abhängt, die Mittel fair und transparent einzusetzen;

7.

fordert die EU auf, direkt mit den Ursprungs- und Transitländern der Migration direkt in Kontakt zu treten und inklusive nachhaltige Partnerschaften mit ihnen aufzubauen, die auf den besonderen Bedürfnissen jedes einzelnen Landes und den individuellen Umständen der Migranten basieren;

8.

betont, dass die Grundsätze der Globalen Partnerschaft für wirksame Entwicklungszusammenarbeit (Global Partnership for Effective Development Cooperation — GPEDC) auf wichtigen und nachhaltigen Lehren beruhen, die aus vergangenen Entwicklungsstrategien und -praktiken gezogen werden konnten und die sowohl Erfolge als auch Misserfolge umfassen, und dass diese Grundsätze nach wie vor wichtige Ausdrucksformen der multilateralen Zusammenarbeit und Koordinierung sind, zu deren Aufrechterhaltung die EU sich verpflichtet hat; fordert die Kommission auf, ihre Mitgliedschaft in der Globalen Partnerschaft für wirksame Entwicklungszusammenarbeit und im Ausschuss für Entwicklungshilfe der OECD und ihre Stimme in internationalen Foren und in den Führungsstrukturen internationaler Finanzierungsinstitutionen dazu zu nutzen, die Grundsätze der Wirksamkeit weiter zu stärken und dazu aufzufordern, dass sie bei allen Formen der Entwicklungszusammenarbeit und von allen daran beteiligten Akteuren befolgt und umgesetzt werden;

9.

räumt ein, dass eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit nicht durch Kooperation mit der EU allein geleistet werden und nur dann wirklich effektiv sein kann, wenn alle Akteure der Entwicklungshilfe zusammenarbeiten; erklärt sich besorgt, dass, wenn andere Akteure die Grundsätze der Wirksamkeit bei ihren Programmen für die Zusammenarbeit nicht befolgen und nicht umsetzen, aufgrund der daraus folgenden Fragmentierung und Umgehung der Systeme der Partnerländer die Wirksamkeit und die Effektivität der Hilfe, einschließlich der EU-Hilfe, als Kollateralschaden insgesamt geschwächt wird;

10.

fordert die Kommission auf, mindestens zweimal pro Jahr einen Bericht über die Fortschritte in Bezug auf die Wirksamkeit der Hilfe zu veröffentlichen, der die gemeinsame Programmplanung, die gemeinsame Umsetzung und die gemeinsamen Ergebnisrahmen sowie Maßnahmen der EU-Organe, der Mitgliedstaaten und der lokalen und regionalen Behörden umfasst; betont, dass dieser Bericht auf gemeinsam vereinbarten Zielvorgaben und politischen Zielen, insbesondere den Zielen für nachhaltige Entwicklung und dem Konsens, beruhen sollte; fordert die Kommission auf, bei der Ausarbeitung des Berichts Interessenträger zu konsultieren und dem Parlament den Bericht vorzulegen;

11.

fordert die Kommission und den Rat zu einer verstärkten gemeinsamen Programmplanung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten auf; weist darauf hin, dass die EU und die Mitgliedstaaten auf Länderebene über die bloße Vertiefung bestehender bilateraler Entwicklungsprioritäten und -maßnahmen hinausgehen und eine einheitliche, gemeinsame europäische Stimme zu strategischen Themen im politischen und strategischen Dialog mit den Partnerländern formen müssen, bei denen gegebenenfalls auch Organisationen der regionaler Integration als Pendants der EU sowie innovative Finanzierungsmethoden wie Mischfinanzierungen oder auch Garantien Berücksichtigung finden sollten; fordert eindeutige, einklagbare Verpflichtungen, wobei eine Bestandsaufnahme früherer Strategien und Verfahren vorgenommen wird;

12.

fordert die Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass vor Ort in den jeweiligen Partnerländern regelmäßige Treffen der EU mit Vertretern der Mitgliedstaaten, Durchführungsstellen, internationalen Organisationen, lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft stattfinden, um die Herausforderungen und Chancen zu ermitteln, und dass die anschließende gemeinsame Reaktion und Umsetzung den ermittelten Bedürfnissen entsprechen; weist darauf hin, dass sich die gemeinsame Programmplanung unter der Leitung der Missionsleiter im Hinblick auf die politische Kohärenz der Strategien in den Bereichen Politik, Handel, Entwicklung und Sicherheit als erfolgreich erwiesen hat; fordert ferner die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, sich an der gemeinsamen Umsetzung und Bewertung zu beteiligen, und fordert gemeinsame Mechanismen der Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern; fordert die EU auf, mit nicht traditionellen Gebern zusammenzuarbeiten, die nachweisen können, dass sei die Grundprinzipien der wirksamen Zusammenarbeit einhalten;

13.

begrüßt die Schlussfolgerungen des Rates vom 8. Juni 2020, in denen hervorgehoben wird, „wie wichtig es ist, dass alle an der Initiative ‚Team Europa‘ beteiligten Akteure ihre Maßnahmen koordinieren und bei Information und Kommunikation auf Länderebene, innerhalb der EU, in Partnerländern und in globalen und multilateralen Foren gemeinsam vorgehen“; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, diesen Ansatz künftig bei allen entwicklungsbezogenen Maßnahmen, der Programmplanung und der Umsetzung zu verfolgen; wiederholt seine Forderungen von 2013 (32) und 2017 (33) und fordert die Kommission auf, auf der Grundlage der Artikel 209 und 210 AEUV einen Vorschlag für einen Rechtsakt über die Regelungsaspekte der EU-Geberkoordinierung in der Entwicklungshilfe vorzulegen;

14.

betont, dass die gemeinsame Programmplanung und Umsetzung seitens der EU, ihrer Mitgliedstaaten und der EU-Entwicklungsfinanzierungspartner angesichts der künftigen Einführung des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI) auf den Grundprinzipien der wirksamen Zusammenarbeit beruhen sollten; weist darauf hin, wie wichtig es ist, in der Vorplanungsphase gemeinschaftlich strategische Prioritäten zu setzen und den Investitionsbedarf bzw. die Investitionslücken zu ermitteln und in der Folge nach Möglichkeiten der Optimierung des Spektrums an Modalitäten im Instrumentarium der EU-Organe zu suchen, worunter beispielsweise Beihilfen, Budgethilfezuschüsse und EIB-Darlehen sowie Finanzhilfen seitens der Mitgliedstaaten fallen; ist in diesem Zusammenhang besorgt darüber, dass in den am wenigsten entwickelten Ländern ein Anstieg der gebundenen Hilfe verzeichnet wird, und weist erneut darauf hin, dass die Kosten durch ungebundene Hilfen um 15 bis 30 % gesenkt werden können;

15.

fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Programmplanung und Umsetzung dieser Modalitäten koordiniert, strategisch auf die Prioritäten und Verfahren der Partnerländer abgestimmt und auf die Erzielung von Ergebnissen und Auswirkungen, die für die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung im spezifischen Kontext jedes Partnerlandes transformativ sind, ausgerichtet werden; betont, dass die Schaffung von Märkten erleichtert werden muss, die selbsttragend sind, und dass sichergestellt werden muss, dass in der Vorplanungsphase bewährte Ausstiegsverfahren berücksichtigt werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Bemühungen um die Aufhebung der Bindung der öffentlichen Entwicklungshilfe im Einklang mit den Verpflichtungen des Konsenses zu beschleunigen und alle an der Entwicklungszusammenarbeit Beteiligten, einschließlich aufstrebender Volkswirtschaften, darin zu bestärken, dies ebenfalls zu tun; fördert die lokale Vergabe öffentlicher Aufträge und Eigenverantwortung;

16.

betont, dass im Rahmen des Mandats des Parlaments für das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit Bestimmungen gefordert werden, um die Einhaltung der Menschenrechte sowie der Umwelt- und Sozialauflagen durch Finanzakteure bei der Verwendung von Mischgarantiemechanismen durch den EFSD+ und die Garantie für Außenmaßnahmen zu verbessern; erinnert daran, dass gemäß dem Standpunkt des Parlaments 45 % der Finanzausstattung durch den EFSD+ und die Garantie für Außenmaßnahmen für Investitionen aufzuwenden sind, die zur Verwirklichung von Klimaschutzzielen, zum Umweltmanagement und zum Umweltschutz, zum Erhalt der biologischen Vielfalt und zur Bekämpfung der Wüstenbildung beitragen, wobei 30 % der gesamten Finanzausstattung für die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an seine Folgen bestimmt sind;

17.

weist darauf hin, dass die EU sich selbst ehrgeizige Ziele für den Umwelt- und Klimaschutz gesetzt hat, und fordert sie auf, die Partnerländer durch eine enge Zusammenarbeit zu unterstützen, um ihnen dabei zu helfen, ihre eigenen sowohl vertraglich festgelegten als auch selbst auferlegten Klima- und Umweltschutzziele und die dazugehörigen Strategien zu verwirklichen, da die nachhaltige Nutzung ihrer eigenen Ressourcen die Grundlage der Volkswirtschaften vieler Partnerländer darstellt und für die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung von wesentlicher Bedeutung ist;

18.

fordert, dass die Organe der EU, die Mitgliedstaaten und andere in der Entwicklungszusammenarbeit tätige öffentliche und nichtstaatliche Akteure Erkenntnisse und Erfahrungen über die Formen von Entwicklungsmaßnahmen austauschen, die tendenziell erfolgreich sind, die fehlgeschlagen sind, die sich als schwierig in der Umsetzung erwiesen haben oder die nicht die beabsichtigte Wirkung erzielt haben;

19.

begrüßt den unabhängigen Bericht der hochrangigen Gruppe von Weisen hinsichtlich der europäischen Finanzarchitektur zur Förderung der Entwicklung und fordert die Gründung einer europäischen Bank für Investitionen und nachhaltige Entwicklung;

20.

betont, dass die Rechenschaftspflicht im Zusammenhang mit sämtlichen öffentlichen Ausgaben, einschließlich der öffentlichen Entwicklungshilfe, sowohl in Europa als auch in den Partnerländern von entscheidender Bedeutung ist; vertritt die Ansicht, dass die Rechenschaftspflicht starke Institutionen erfordert und dass eindeutige und vereinbarte Ziele für die europäische öffentliche Entwicklungshilfe von wesentlicher Bedeutung sind, damit die Öffentlichkeit die Anstrengungen der EU im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit auch weiterhin unterstützt; weist darauf hin, dass durch die Partnerschaften und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und den nichtstaatlichen Organisationen die Rechenschaftspflicht bei den öffentlichen Ausgaben in Bezug auf die öffentliche Entwicklungshilfe verbessert werden kann; weist darauf hin, welch wichtige Funktion den Organisationen der Zivilgesellschaft zukommt, wenn es darum geht, die für die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung erforderlichen Mittel zu mobilisieren;

21.

betont, dass die Rechenschaftspflicht transparente und solide Verfahren sowie Bemühungen um Effizienz und die Erzielung nachweisbarer Ergebnisse, umfassende Ex-ante- und Ex-post-Bewertungen und kritische Fehleranalysen sowie die Gewinnung von Erkenntnissen darüber erfordert, wie wirksame und nachhaltige Ergebnisse erzielt werden können; fordert die Kommission daher auf, eine europaweite Standardisierung von Wirkungsindikatoren zu koordinieren, um die Wirksamkeit und Effizienz von Projekten zwischen den Mitgliedstaaten zu vergleichen;

22.

fordert die Parlamente der Empfängerländer auf, nationale politische Maßnahmen zur Entwicklungshilfe zu verabschieden, um die Rechenschaftspflicht der Geber und die Eigenverantwortung der Empfängerregierungen, einschließlich der lokalen Gebietskörperschaften, zu verbessern, Korruption und alle Formen der Vergeudung von Hilfen auszumerzen und die Bedingungen für den Erhalt von Budgethilfen zu verbessern sowie langfristig die Abhängigkeit von Hilfen zu verringern;

23.

erachtet es als äußerst wichtig, dass der Schwerpunkt im Rahmen der öffentlichen Entwicklungshilfe der EU noch stärker auf die Verringerung von Ungleichheiten, die Beendigung der Armut und darauf, niemanden zurücklassen, gelegt wird;

24.

hebt hervor, dass wirksame und effiziente Hilfen für ländergeführte Strategien und den Kapazitätsaufbau zu einer Verringerung der Kindersterblichkeit führen und dass Investitionen in das Wohlergehen von Kindern von grundlegender Bedeutung sind, um den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen und Zwangs- und Kinderarbeit zu bekämpfen;

25.

ist der Auffassung, dass die Verfolgung ergebnisorientierter Ansätze für die Partnerländer der EU von zentraler Bedeutung und ein grundlegendes Kriterium für ihre Fähigkeit ist, die Ziele für nachhaltige Entwicklung für ihre Bürgerinnen und Bürger umzusetzen; weist jedoch darauf hin, wie wichtig es ist, die Vielfalt der spezifischen Lagen und Herausforderungen in den Partnerländern, insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern und den fragilen Ländern, zu berücksichtigen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die eigenen nationalen Rahmen der Partnerländer für die Ergebnismessung und ihre Überwachungs- und Statistiksysteme zu unterstützen und zu nutzen und in allen Phasen sämtliche einschlägigen Akteure, darunter lokale Gebietskörperschaften, einzelstaatliche Parlamente, die Zivilgesellschaft — einschließlich Frauenverbände und Randgruppen — und den privaten Sektor mit Schwerpunkt auf KMU, einzubeziehen; betont, dass Investitionen in den Kapazitätsaufbau lokaler Organisationen der Zivilgesellschaft eine wesentliche Voraussetzung für wirksame Hilfen sind;

26.

stellt fest, dass in einigen Bereichen die Effizienz und Wirksamkeit der Entwicklungshilfe schwer zu messen sind, fordert die Kommission jedoch auf, geeignete Indikatoren für die Bewertung zu prüfen und die Ergebnisse zu nutzen, um länderspezifische Informationen über die Effizienz und Wirksamkeit der Entwicklungshilfe aufzubereiten und Ansätze für bewährte Verfahren zu entwickeln;

27.

fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, ihr Engagement für transparente Datenflüsse durch kontinuierliche Investitionen in die Datenvisualisierung, die statistische Berichterstattung und die Veröffentlichung offener Daten sowie die Anwendung internationaler Standards wie die Standards der Internationalen Geber-Transparenz-Initiative („International Aid Transparency Initiative“, IATI) und durch die regelmäßige Aktualisierung und Weiterentwicklung der Website „EU Aid Explorer“ zu verstärken; fördert die Intensivierung der Bemühungen auf der Ebene der EU, um den öffentlichen Zugang zu und die Verbreitung von Daten und die Berichterstattung über die Ausgaben im Rahmen der EU-Entwicklungshilfe sicherzustellen; bekräftigt in diesem Zusammenhang, dass die Kommission vor Beginn des Entlastungsverfahrens für das betreffende Jahr den „Jahresbericht über die Umsetzung der Instrumente der Europäischen Union zur Finanzierung des auswärtigen Handelns“ veröffentlichen sollte;

28.

weist darauf hin, dass die Gleichstellung der Geschlechter für eine nachhaltige Entwicklung von wesentlicher Bedeutung ist und dass Fortschritte bei der Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen in den Partnerländern als wesentlicher Aspekt der Wirksamkeit der Hilfe betrachtet werden sollten; erinnert daran, dass die Entwicklungszusammenarbeit unterschiedliche Auswirkungen auf Mädchen und Jungen sowie auf Frauen und Männer haben kann;

29.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten sowie alle Entwicklungspartner nachdrücklich auf, der Gleichstellung der Geschlechter Vorrang einzuräumen, indem verstärkt Instrumente für die durchgängige Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung, die Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung und die geschlechtsspezifische Ausrichtung genutzt werden; betont ferner, dass vergleichbare und nach Geschlecht aufgeschlüsselte Daten erhoben werden müssen, um einen umfassenden und harmonisierten Ansatz für die Berichterstattung der EU über geschlechtsspezifische Zielvorgaben zu fördern und Frauen zu unterstützen, damit sie zu eigenverantwortlichen Akteuren für die Entwicklung in ihren Gemeinschaften und darüber hinaus werden;

30.

fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, ihre Hilfe stärker an den Grundsätzen der Wirksamkeit und den damit verbundenen Indikatoren auszurichten, insbesondere in Bezug auf die Vorhersehbarkeit, die Verwendung von Indikatoren, die auf ländereigenen Ergebnisrahmenwerken der Partnerländer beruhen, die Nutzung von Systemen der Partnerländer für öffentliches Finanzmanagement und die Verpflichtung, die Partnerregierungen in die Projektevaluierungen einzubeziehen, sowie die transparente Berichterstattung;

31.

fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Hilfe stärker auf gemeinsame europäische Hilfsziele auszurichten, um die Wirksamkeit der EU-Entwicklungspolitik insgesamt zu verbessern;

32.

unterstützt einen katalytischen und bereichsübergreifenden Ansatz, der auf einer dezentralen Bottom-up-Bedarfsanalyse und Programmplanung aufbaut, wodurch die lokale Eigenverantwortung begünstigt wird, und auf einer gründlichen Analyse der Lage und auf Konsultationen mit der Zivilgesellschaft und anderen Beteiligten in jedem Partnerland in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Gebietskörperschaften und Organisationen beruht;

33.

spricht sich für eine Verstärkung der Süd-Süd- und Dreieckskooperation aus, auch bei Projekten, die auf eine wirksamere regionale Zusammenarbeit und Integration sowie auf eine wirksamere Einbeziehung der Gebiete in äußerster Randlage und der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete in die Umsetzung der europäischen Entwicklungszusammenarbeit in ihren jeweiligen geographischen Gebieten auf allen Regierungsebenen ausgerichtet sind, um die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung und den Wiederaufbau nach der COVID-19-Pandemie zu unterstützen; hebt hervor, dass die Kapazitäten der Länder mit mittlerem Einkommen — einschließlich der Länder, die vor Kurzem von der Liste der Empfänger öffentlicher Entwicklungshilfe des OECD-Entwicklungsausschusses genommen wurden — gegebenenfalls genutzt werden sollten;

34.

betont, dass es für eine größere Wirksamkeit der Entwicklungshilfe, für die Erzielung langfristiger Ergebnisse und für die Befriedigung lokaler Bedürfnisse, insbesondere im Zusammenhang mit langwierigen Krisen und Lagen nach Krisen, unerlässlich ist, die Koordinierung der humanitären Hilfe und der Entwicklungshilfe zu verbessern und die Verknüpfung von humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe und ihre Verbindungen mit Maßnahmen im Zusammenhang mit Frieden und Sicherheit in den Entwicklungsländern zu stärken; fordert die EU auf, einen derartigen Ansatz weiterzuentwickeln;

35.

nimmt den Wert einer vorhersehbaren und flexiblen Finanzierung, einschließlich einer mehrjährigen humanitären Finanzierung für langwierige Krisen und Entwicklungshilfeprogramme, die bei unvorhergesehenen humanitären Krisen angepasst werden können, zur Kenntnis;

36.

hebt hervor, dass es von Bedeutung ist, die Organisationen der Zivilgesellschaft in ihrer Rolle als unabhängige Akteure im Rahmen der Entwicklungshilfe zu stärken; betont, dass ein befähigendes und offenes Umfeld für Organisationen der Zivilgesellschaft mit international vereinbarten Rechten im Einklang steht und die Beiträge der Organisationen der Zivilgesellschaft zur Entwicklung maximiert; bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass der Spielraum für Organisationen der Zivilgesellschaft in vielen Partnerländern immer kleiner wird; fordert die Kommission auf, den Zugang zur Finanzierung für Organisationen der Zivilgesellschaft, auch in den Partnerländern; zu verbessern;

37.

betont, wie wichtig es ist, den Austausch bewährter Verfahren sowie die Koordinierung der Strategien und Maßnahmen und die Zusammenarbeit zwischen der EU und den anderen Akteuren, z. B. den Vereinten Nationen und ihren Organisationen, die in den Partnerländern Hilfe leisten, umzusetzen; hebt hervor, dass dies in fragilen Partnerländern, in Ländern, die von Konflikten oder Naturkatastrophen betroffen sind, und in Ländern, die Flüchtlinge aufnehmen, von noch größerer Bedeutung ist; hält es in diesem Zusammenhang für wesentlich, die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaften in den Mittelpunkt zu stellen und Maßnahmen zu unterstützen, die darauf abzielen, risikobewusste Programme und Schulungsprogramme für Notfälle zu entwickeln und dabei die Gemeinschaften zu beteiligen und Partnerschaften zu fördern;

38.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Zusammenarbeit mit den lokalen Gebietskörperschaften in den Partnerländern, aber auch innerhalb der EU zu verstärken; fordert, dass Budgethilfen als Hilfsmodalität auch auf subnationaler Ebene eingesetzt werden können und dass Umverteilungsmechanismen zwischen den verschiedenen Regierungsebenen und zwischen den Regionen mit dem vorrangigen Ziel entwickelt werden, Disparitäten und Ungleichheiten innerhalb des Landes zu verringern und dafür zu sorgen, dass niemand zurückgelassen wird;

39.

betont die Rolle von Kirchen- und Missionsorganisationen in der humanitären Hilfe und Entwicklungshilfe sowie ihre Bedeutung vor Ort, da sie zu den größten nichtstaatlichen Organisationen gehören, die im Bereich der Entwicklung und der Hilfe tätig sind; hebt hervor, dass die Zusammenarbeit mit führenden Vertretern von Religionsgemeinschaften in vielen lokalen Gebietskörperschaften in Entwicklungsländern häufig der wirksamste Weg ist, um bedürftige Menschen vor Ort zu erreichen;

40.

nimmt zur Kenntnis, dass der Zivilgesellschaft als Partner sowohl während des Konsultationsverfahrens als auch bei der Erbringung von Dienstleistungen eine wesentliche Rolle zukommt; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, ihre Rolle anzuerkennen und zu stärken, um inklusive Entwicklungspartnerschaften zu erreichen;

41.

fordert, dass der Schwerpunkt stärker auf lokale KMU und Kleinbauern sowie auf die Stärkung der Stellung von Frauen gelegt wird, da sich dieser Ansatz bei der Verringerung von Armut und Ungleichheit sowie bei der Stärkung der Zivilgesellschaft und der Gemeinschaften als besonders wirksam erwiesen hat;

42.

erkennt an, dass das Engagement des Privatsektors sowohl auf lokaler als auch auf nationaler, bilateraler und internationaler Ebene für die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung, die Mobilisierung zusätzlicher Mittel für die Entwicklungshilfe und den Übergang hin zu nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung, Wachstum und Wohlstand wichtig ist;

43.

fordert Bemühungen, um die Abstimmung des Privatsektors auf die Entwicklungsprioritäten der nationalen Regierungen und der Zivilgesellschaft in den Entwicklungsländern und die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung, insbesondere von ausgegrenzten und schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen, sicherzustellen und die Beteiligung des Privatsektors an der Entwicklungszusammenarbeit mit den Grundsätzen der Wirksamkeit und den Kampala-Prinzipien in Einklang zu bringen und gleichzeitig die Transparenz, Überwachung, Bewertung und Rechenschaftspflicht von ADI und globalen Wertschöpfungsketten sowie die Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Sorgfaltspflicht zu verbessern;

44.

fordert die europäischen Organe und Einrichtungen auf, einen klaren, strukturierten, transparenten und verantwortlichen Rahmen für Partnerschaften und Allianzen mit dem Privatsektor in Entwicklungsländern festzulegen, und betont, dass es wichtig ist, parallel zur Ausweitung der Rolle des Privatsektors auch institutionelle Kapazitäten zu schaffen;

45.

betont, dass alle Akteure, auch die des Privatsektors, mittels partizipativer Beteiligung, Planung und Umsetzung, gegenseitiger Rechenschaftspflicht und Transparenz, Überwachung und Bewertung zur Agenda für die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit beitragen müssen; hebt hervor, dass die Geber bei der Zusammenarbeit mit diesen Akteuren als Umsetzungspartner und Partner bei der Grundversorgung ihre Vorhersehbarkeit und Schnelligkeit verbessern sollten, damit die schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen wirklich erreicht werden;

46.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die an Entwicklungspartnerschaften beteiligten Akteure des Privatsektors den Grundsatz der Rechenschaftspflicht der Unternehmen in Bezug auf die Menschenrechte und die Umwelt während der gesamten Laufzeit der Projekte im Einklang mit dem Globalen Pakt der Vereinten Nationen im Bereich Menschenrechte, den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, den Kernarbeitsnormen der IAO und dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption wahren; wiederholt seine Forderung nach einem Rechtsrahmen der EU zur Unterstützung einer verpflichtenden unternehmerischen Sorgfaltspflicht, um sicherzustellen, dass EU-Investoren international und lokal verantwortlich handeln und zur lokalen Entwicklung in den Entwicklungsländern beitragen;

47.

bekräftigt, dass bei der privaten Entwicklungshilfe die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, die IAO-Normen und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen geachtet werden müssen; betont ferner, dass dabei eine Verpflichtung eingegangen werden muss, durch nachhaltige Investitionen eine gute Governance, die Verringerung der Armut und die Schaffung von Wohlstand sicherzustellen sowie die Ungleichheit zu verringern, die Menschenrechte und Umweltstandards zu fördern und die lokale Wirtschaft zu stärken;

48.

betont, dass der Rahmen für die EU-Entwicklungshilfestrategie konkrete Maßnahmen zur Unterstützung einer stärkeren Mobilisierung inländischer Ressourcen in den Partnerländern vorsehen muss, wie die Unterstützung der Korruptionsbekämpfung und die Entwicklung progressiver Steuersysteme sowie die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerflucht, um von der Geber-Empfänger-Dynamik wegzukommen und die Eigenverantwortung der Partnerländer für die Entwicklungsprioritäten zu stärken und so eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen;

49.

begrüßt, dass die EU verschiedene Instrumente zur Finanzierung der Entwicklungshilfe verwendet, um die Armut zu beseitigen und die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu verwirklichen; erachtet es als besonders wichtig, dass die Geber insbesondere für die am wenigsten entwickelten Länder der Finanzierung auf der Grundlage von Zuschüssen Vorrang einräumen, da die ärmeren Länder bereits vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie mehr Geld für den Schuldendienst als für das Gesundheitswesen ausgegeben haben;

50.

stellt fest, dass die Kommission bei der EU-Entwicklungspolitik eine immer wichtigere Rolle für Mischgarantiemechanismen zulasten anderer Hilfemodalitäten voraussieht; betont, dass die Mischfinanzierung zwar rapide zugenommen hat, dass es jedoch kaum Belege für ihre Auswirkungen auf die Entwicklung gibt, da der größte Teil davon derzeit an Länder mit mittlerem Einkommen und nur ein kleiner Teil an die am wenigsten entwickelten Länder fließt; hebt die kritische Stellungnahme des Europäischen Rechnungshofs zur Verwaltung und Wirksamkeit der Umsetzung des Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD) durch die Kommission hervor; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten dementsprechend auf, in Bezug auf Mischfinanzierungen Vorsicht walten zu lassen und sicherzustellen, dass alle durch Mischfinanzierungen mobilisierten Finanzmittel den Grundsätzen der Entwicklungswirksamkeit entsprechen;

51.

bestärkt die EU darin, sich weiterhin darum zu bemühen, Partnerländer dabei zu unterstützen, intelligente, gezielte und anpassungsfähige politische Maßnahmen umzusetzen, die dazu beitragen, die Ziele für nachhaltige Entwicklung auf die wirksamste Weise zu erreichen; weist in dieser Hinsicht erneut auf die entscheidende Rolle von Forschung und Entwicklung (FuE) bei der Förderung von Innovation und Unternehmertum mit positiven Ausstrahlungseffekten auf alle Sektoren der lokalen Wirtschaften hin; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, die Zusammenarbeit im Bereich FuE zu stärken und vermehrt in strategische lokale Produktionskapazität zu investieren, insbesondere im Zusammenhang mit Gesundheit, einschließlich der neuesten biopharmazeutischen Produkte, um die Autonomie von weltweiten Lieferketten zu verbessern;

52.

hebt die große Bedeutung von Organisationen der Zivilgesellschaft hervor, wenn es darum geht, die Bedürfnisse zu bestimmen und Entwicklungshilfe direkt an die Armen, Unterprivilegierten und Schutzbedürftigen zu leiten; fordert jedoch eine verbesserte Koordinierung der von nichtstaatlichen Organisationen und anderen Gebern verteilten Hilfe, um deren Vorhersehbarkeit sicherzustellen und eine Fragmentierung der Hilfe, ein Überlappen von Maßnahmen sowie sogenannte „Geberwaisen“, d. h. Länder, die von der Gemeinschaft der Geberländer vernachlässigt werden, zu vermeiden;

53.

fordert die Kommission auf, erneut zu beurteilen, ob die Formalitäten für den Zugang zu EU-Finanzierung verhältnismäßig sind; bedauert in diesem Zusammenhang, dass EU-Beihilfen für nichtstaatliche Organisationen zunehmend unzureichend und unattraktiv sind, was auf Anforderungen an die Begrenzung der Kosten der Unterstützung sowie steigenden Verwaltungs- und Rechnungsprüfungsaufwand zurückzuführen ist;

54.

fordert die Kommission auf, für die Umsetzung kleinerer Projekte ein Netzwerk verlässlicher nichtstaatlicher Partner, wie lokaler Organisationen der Zivilgesellschaft, Kirchen, konfessioneller Organisationen und spezialisierter Einrichtungen der Mitgliedstaaten, einzurichten und mit diesem zusammenzuarbeiten;

55.

bestätigt, dass Investitionen in die lokale und nationale Infrastruktur unterschiedlicher Größe für wichtige lokale und nationale Projekte der effizienteste Weg sind, durch Entwicklungshilfe die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der gesamten Bevölkerung zu stimulieren und zu verbessern;

56.

betont, dass Entschuldungsmaßnahmen mit einer zusätzlichen Mobilisierung öffentlicher Entwicklungshilfe (ODA) verknüpft werden müssen; fordert, dass multilaterale Schulden und Handelsschulden in die Initiative der G20 für ein Schuldenmoratorium (Debt Service Suspension Initiative, DSSI) einbezogen werden; betont, dass bei der DSSI und etwaigen weiteren Entschuldungsangeboten die Teilnahme aller Gläubiger, einschließlich der Weltbank und anderer multilateraler Entwicklungsbanken sowie der privaten Gläubiger, sichergestellt werden muss; fordert die Schaffung eines multilateralen Mechanismus für die Umschuldung, um sowohl den Auswirkungen der COVID-19-Krise als auch dem Finanzierungsbedarf der Agenda 2030 Rechnung zu tragen;

57.

weist auf die besonders wichtige Rolle von Ausbildungsprogrammen für lokales Personal und Mitarbeiter im Feldeinsatz hin, um die Kontinuität der von der EU in den Partnerländern unterstützten Projekte sicherzustellen und dadurch die Eigenverantwortung und Rechenschaftspflicht zu stärken;

58.

betont die Schlüsselrolle der öffentlichen Entwicklungshilfe bei der Umsetzung der Agenda für die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit; hebt hervor, dass die öffentliche Entwicklungshilfe nicht nur flexibler und besser vorhersehbar ist als andere Ströme, die potenziell zur Entwicklung beitragen, sondern auch ein höheres Maß an Rechenschaftspflicht mit sich bringt; warnt davor, die Kriterien für öffentliche Entwicklungshilfe zu verwässern, um Ausgaben zu finanzieren, die über unmittelbar mit der Förderung der nachhaltigen Entwicklung in Entwicklungsländern verbundene Ausgaben hinausgehen;

59.

bekräftigt seine Forderung an den Rat und die Mitgliedstaaten, einen klaren zeitlichen Rahmen zu setzen, in dem das Ziel, die Haushaltsmittel für die öffentliche Entwicklungshilfe auf 0,7 % des BNE aufzustocken, einschließlich der internationalen Verpflichtung, 0,15 bis 0,2 % des BNE für öffentliche Entwicklungshilfe an die am wenigsten entwickelten Länder auszugeben, verwirklicht werden soll, und fordert die Kommission auf, einen konkreten Maßnahmenplan vorzulegen, in dem dargelegt ist, wie zusätzliche Mittel für die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung mobilisiert werden sollen; betont, dass die Wirksamkeit der Hilfe kein Ersatz für ein angemessenes Hilfsvolumen ist und dass es enorm wichtig ist, das 0,7 %-Ziel für die öffentliche Entwicklungshilfe zu erreichen oder zu überschreiten; bekräftigt, dass der EU-Haushalt einen erheblichen Beitrag zur Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe der EU insgesamt leisten sollte;

60.

bekräftigt seine Unterstützung dafür, folgende Ziele in das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit einzubeziehen: 20 % für soziale Inklusion und menschliche Entwicklung und mindestens 85 % der durch öffentliche Entwicklungshilfe finanzierten Projekte für die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte von Frauen und Mädchen und deren Befähigung zur Selbstbestimmung als hauptsächliches oder ein wesentliches Ziel, so wie es vom Ausschuss für Entwicklungshilfe (DAC) der OECD festgelegt ist;

61.

fordert eine größere Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung, mit der sichergestellt wird, dass keine politische Strategie der EU oder der Mitgliedstaaten negative Auswirkungen auf die Entwicklungsländer hat oder widersprüchliche Ziele aufweist;

62.

ist der Ansicht, dass durch die europäische Entwicklungshilfe und öffentliche Investitionen gemeinsame Prioritäten und politische Ziele, darunter die Beseitigung der Armut, Klima- und Umweltschutz, Wirtschafts- und Handelspolitik und Migrationssteuerung, gefördert werden sollten und sie auch vollständig mit den Grundsätzen der grundlegenden Menschenrechte, der Demokratie und der verantwortungsvollen Staatsführung im Einklang stehen sollten;

63.

betont, dass es nicht mit den vereinbarten Grundsätzen einer wirkungsvollen Entwicklungszusammenarbeit vereinbar ist, wenn die Zuweisung von humanitärer Hilfe und Notfallhilfe von der Zusammenarbeit mit der EU bei Migrations- oder Sicherheitsfragen abhängig gemacht wird;

64.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten der OECD, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, der Europäischen Investitionsbank, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der Weltbankgruppe, der Afrikanischen Union, den Ko-Vorsitzenden der Globalen Partnerschaft für wirksame Entwicklungszusammenarbeit, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, der Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen, der OECD und der Interparlamentarischen Union zu übermitteln.

(1)  VN-Resolution, von der Generalversammlung am 25. September 2015 angenommen. https://www.unfpa.org/sites/default/files/resource-pdf/Resolution_A_RES_70_1_EN.pdf

(2)  Bericht aus dem Jahr 2019 über die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung: https://developmentfinance.un.org/sites/developmentfinance.un.org/files/FSDR2019.pdf

(3)  Nairobi-Ergebnisdokument der Hochrangigen GPEDC-Tagung 2016: http://effectivecooperation.org/wp-content/uploads/2016/12/OutcomeDocumentEnglish.pdf

(4)  Fortschrittsbericht der Globalen Partnerschaft, 17. Juni 2019: http://effectivecooperation.org/blogs-news-resources/resource-library/

(5)  ABl. C 210 vom 30.6.2017, S. 1.

(6)  https://www.africa-eu-partnership.org/sites/default/files/33454-pr-final_declaration_au_eu_summit1.pdf

(7)  Jahresbericht 2019 über die Entwicklungshilfeziele der EU: https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-9201-2019-INIT/de/pdf

(8)  Bericht des Rates aus dem Jahr 2019 über die europäische Finanzarchitektur zur Förderung der Entwicklung: https://www.consilium.europa.eu/media/40967/efad-report_final.pdf

(9)  https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/food-farming-fisheries/farming/documents/report-tfra_mar2019_de.pdf

(10)  Benfield und Como für AECOM International Development Europe (2019), von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie zur Anwendung der Grundsätze der Wirksamkeit (Projekt Nr. 2018/403300/1): https://knowledge.effectivecooperation.org/system/files/2019-07/2019_07_Impact_study_final.pdf

(11)  ABl. C 279 E vom 19.11.2009, S. 100.

(12)  ABl. C 33 E vom 5.2.2013, S. 38.

(13)  ABl. C 131 E vom 8.5.2013, S. 80.

(14)  ABl. C 349 vom 17.10.2017, S. 11.

(15)  ABl. C 353 vom 27.9.2016, S. 2.

(16)  ABl. C 58 vom 15.2.2018, S. 209.

(17)  ABl. C 86 vom 6.3.2018, S. 2.

(18)  ABl. C 204 vom 13.6.2018, S. 68.

(19)  ABl. C 224 vom 27.6.2018, S. 36.

(20)  ABl. C 252 vom 18.7.2018, S. 62.

(21)  ABl. C 356 vom 4.10.2018, S. 66.

(22)  ABl. C 390 vom 18.11.2019, S. 33.

(23)  ABl. C 28 vom 27.1.2020, S. 101.

(24)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0220.

(25)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0298.

(26)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0084.

(27)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0079.

(28)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0005.

(29)  https://www.consilium.europa.eu/media/24467/st13201-en15.pdf

(30)  https://ec.europa.eu/international-partnerships/system/files/eu-development-effectiveness-monitoring-report-2020_en.pdf

(31)  http://www.oecd.org/coronavirus/policy-responses/the-impact-of-the-coronavirus-covid-19-crisis-on-development-finance-9de00b3b/

(32)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Dezember 2013 mit Empfehlungen an die Kommission zur Geberkoordinierung in der EU-Entwicklungshilfe (ABl. C 468 vom 15.12.2016, S. 73).

(33)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Februar 2017 zu der Überarbeitung des Europäischen Konsenses über die Entwicklungspolitik (ABl. C 252 vom 18.7.2018, S. 62).


Freitag, 26. November 2020

20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/87


P9_TA(2020)0325

Wirkstoffe, einschließlich Chlortoluron

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1511 der Kommission vom 16. Oktober 2020 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für die Wirkstoffe Amidosulfuron, Bifenox, Chlortoluron, Clofentezin, Clomazon, Cypermethrin, Daminozid, Deltamethrin, Dicamba, Difenoconazol, Diflufenican, Fenoxaprop-P, Fenpropidin, Fludioxonil, Flufenacet, Fosthiazat, Indoxacarb, Lenacil, MCPA, MCPB, Nicosulfuron, Paraffinöle, Picloram, Prosulfocarb, Schwefel, Triflusulfuron und Tritosulfuron (2020/2853(RSP))

(2021/C 425/09)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Durchführungsverordnung (EU) 2020/1511 der Kommission vom 16. Oktober 2020 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für die Wirkstoffe Amidosulfuron, Bifenox, Chlortoluron, Clofentezin, Clomazon, Cypermethrin, Daminozid, Deltamethrin, Dicamba, Difenoconazol, Diflufenican, Fenoxaprop-P, Fenpropidin, Fludioxonil, Flufenacet, Fosthiazat, Indoxacarb, Lenacil, MCPA, MCPB, Nicosulfuron, Paraffinöle, Picloram, Prosulfocarb, Schwefel, Triflusulfuron und Tritosulfuron (1),

unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (2), insbesondere auf Artikel 21 und Artikel 17 Absatz 1,

unter Hinweis auf die Durchführungsverordnung (EU) 2015/408 der Kommission vom 11. März 2015 zur Durchführung des Artikels 80 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Erstellung einer Liste mit Substitutionskandidaten (3),

gestützt auf die Artikel 11 und 13 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (4),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. September 2018 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über Pflanzenschutzmittel (5),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Oktober 2019, in der es Einwände hinsichtlich der zuvor erfolgten Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für den Wirkstoff Chlortoluron (6) erhebt,

gestützt auf Artikel 112 Absätze 2 und 3 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit,

A.

in der Erwägung, dass Chlortoluron am 1. März 2006 durch die Richtlinie 2005/53/EG der Kommission (7) in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates (8) aufgenommen wurde und als gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genehmigt gilt;

B.

in der Erwägung, dass seit 2013 ein Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung von Chlortoluron gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844/2012 der Kommission (9) läuft;

C.

in der Erwägung, dass die Laufzeit der Genehmigung für den Wirkstoff Chlortoluron mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 533/2013 der Kommission (10) bereits um ein Jahr verlängert wurde und dass die Laufzeit daraufhin mit den Durchführungsverordnungen (EU) 2017/1511 (11), (EU) 2018/1262 (12) und (EU) 2019/1589 (13) der Kommission seit 2017 jedes Jahr um ein weiteres Jahr verlängert wurde und jetzt mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1511 erneut um ein Jahr verlängert wurde, weshalb die Genehmigung jetzt bis zum 31. Oktober 2021 gültig ist;

D.

in der Erwägung, dass die Kommission die Verlängerung lediglich mit der folgenden Erklärung begründet hat: „Da sich die Bewertung dieser Wirkstoffe aus Gründen verzögert hat, die die Antragsteller nicht zu verantworten haben, wird die Genehmigung für diese Wirkstoffe wahrscheinlich auslaufen, bevor eine Entscheidung über die Erneuerung der Genehmigung getroffen werden kann.“;

E.

in der Erwägung, dass mit der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ein hohes Maß an Schutz sowohl der Gesundheit von Mensch und Tier als auch der Umwelt sichergestellt und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft der Union gewahrt werden soll; in der Erwägung, dass dem Schutz gefährdeter Bevölkerungsgruppen, insbesondere von Schwangeren, Säuglingen und Kindern, besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden soll;

F.

in der Erwägung, dass das Vorsorgeprinzip angewendet werden sollte und dass in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 festgelegt ist, dass Stoffe nur dann in Pflanzenschutzmitteln enthalten sein sollten, wenn nachgewiesen ist, dass sie einen offensichtlichen Nutzen für die Pflanzenerzeugung bieten und voraussichtlich keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder unannehmbare Folgen für die Umwelt haben;

G.

in der Erwägung, dass aus der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hervorgeht, dass im Interesse der Sicherheit die Gültigkeitsdauer der Genehmigung für Wirkstoffe begrenzt sein sollte; in der Erwägung, dass die Gültigkeitsdauer der Genehmigung dem möglichen Risiko bei der Verwendung solcher Stoffe entsprechen sollte, es in diesem Fall jedoch offensichtlich ist, dass eine solche Verhältnismäßigkeit nicht vorliegt;

H.

in der Erwägung, dass Chlortoluron, nachdem es vor 14 Jahren als Wirkstoff genehmigt wurde, inzwischen als vermutlich endokrinschädlicher Stoff gilt, aber seine Genehmigung seitdem weder überarbeitet noch aufgehoben wurde;

I.

in der Erwägung, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten die Möglichkeit und die Verantwortung haben, nach dem Vorsorgeprinzip zu handeln, wenn erkannt wurde, dass es zu gesundheitsschädlichen Auswirkungen kommen kann, aber keine wissenschaftliche Gewissheit besteht, indem sie die vorläufigen Risikominderungsmaßnahmen ergreifen, die erforderlich sind, um ein hohes Maß an Schutz der Gesundheit des Menschen sicherzustellen;

J.

in der Erwägung, dass in Artikel 21 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 konkret vorgesehen ist, dass die Kommission insbesondere dann, wenn es ihrer Ansicht nach aufgrund neuer wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse Anzeichen dafür gibt, dass der Stoff die Genehmigungskriterien des Artikels 4 der Verordnung nicht mehr erfüllt, die Genehmigung für einen Wirkstoff jederzeit überprüfen kann, und in der Erwägung, dass diese Überprüfung zur Aufhebung oder Änderung der Genehmigung des Stoffes führen kann;

Endokrinschädliche Eigenschaften

K.

in der Erwägung, dass gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (14) für Chlortoluron eine harmonisierte Einstufung als sehr giftig für Wasserorganismen, sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung, vermutlich krebserzeugend (Karz. 2) und vermutlich das Kind im Mutterleib schädigend (Repr. 2) besteht;

L.

in der Erwägung, dass Chlortoluron in wissenschaftlichen Veröffentlichungen (15) mit endokrinschädlichen Eigenschaften in Verbindung gebracht wurde;

M.

in der Erwägung, dass Chlortoluron im Jahr 2015 im Rahmen der Durchführungsverordnung (EU) 2015/408 der Kommission auf die „Liste mit Substitutionskandidaten“ gesetzt wurde, weil es endokrinschädliche Eigenschaften aufweisen soll, die sich auf Menschen schädlich auswirken können, und weil es die Kriterien für die Einstufung als persistenter und toxischer Stoff erfüllt;

N.

in der Erwägung, dass ein Wirkstoff, bei dem festgestellt wurde, dass er endokrinschädliche Eigenschaften aufweist, die schädliche Auswirkungen auf den Menschen haben können, gemäß Anhang II Nummer 3.6.5 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht zugelassen werden darf, es sei denn, die Exposition von Menschen gegenüber diesem Wirkstoff, Safener oder Synergisten in einem Pflanzenschutzmittel ist unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen vernachlässigbar, d. h. das Mittel wird in geschlossenen Systemen oder unter anderen Bedingungen verwendet, unter denen der Kontakt mit Menschen ausgeschlossen ist, und die Rückstände des betreffenden Wirkstoffs, Safeners oder Synergisten in Nahrungs- und Futtermitteln übersteigen den gemäß Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates (16) festgelegten Standardwert nicht;

O.

in der Erwägung, dass es nicht hinnehmbar ist, dass ein Wirkstoff, der wahrscheinlich die Ausschlusskriterien für Wirkstoffe mit endokrinschädlichen Eigenschaften erfüllt, auch künftig in der Union verwendet werden darf, wodurch die öffentliche Gesundheit und die Umwelt gefährdet werden;

P.

in der Erwägung, dass Antragsteller das in die Arbeitsmethoden der Kommission integrierte automatische System ausnutzen können, mit dem die Laufzeiten der Genehmigungen für Wirkstoffe unverzüglich verlängert werden, wenn die Risikoneubewertung noch nicht abgeschlossen wurde, indem sie das Neubewertungsverfahren absichtlich dadurch hinauszögern, dass sie unvollständige Daten bereitstellen und weitere Ausnahmeregelungen und Sonderbedingungen fordern, was nicht vertretbare Risiken für die Umwelt und die Gesundheit des Menschen zur Folge hat, da diese dem gefährlichen Stoff in der Zwischenzeit weiterhin ausgesetzt sind;

Q.

in der Erwägung, dass das Europäische Parlament die Kommission und die Mitgliedstaaten in seiner Entschließung vom 13. September 2018 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über Pflanzenschutzmittel (17) aufgefordert hat, „dafür Sorge zu tragen, dass die prozedurale Ausweitung des Genehmigungszeitraums um die Dauer des Verfahrens gemäß Artikel 17 der Verordnung nicht für Wirkstoffe verwendet wird, die mutagen, krebserregend, reproduktionstoxisch und damit in Kategorie 1A oder 1B eingestuft oder einzustufen sind, oder für Wirkstoffe, die endokrinschädliche Eigenschaften besitzen, die schädliche Auswirkungen auf Mensch oder Tier haben können, wie dies derzeit für Stoffe wie Flumioxazin, Thiacloprid, Chlortoluron und Dimoxystrobin der Fall ist“;

R.

in der Erwägung, dass das Europäische Parlament bereits in seiner Entschließung vom 10. Oktober 2019 (18) Einwände gegen die zuvor erfolgte Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für den Wirkstoff Chlortoluron erhoben hat;

S.

in der Erwägung, dass sich die Kommission in ihrer Antwort (19) auf den vorherigen Einwand gegen die Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für Chlortoluron nur auf eine Studie bezieht, auf die sich die vor dem Erlass der Verordnung (EU) 2018/605 der Kommission (20) durchgeführte Folgenabschätzung stützt, in der Chlortoluron nicht als möglicherweise endokrinschädlicher Wirkstoff eingestuft wurde, und dass die Kommission in ihrer Antwort jedoch nicht einräumt, dass diese Studie nicht zur Streichung von Chlortoluron von der Liste der Substitutionskandidaten geführt hat;

T.

in der Erwägung, dass die Kommission nach dem Erlass der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2100 der Kommission (21) und der Verordnung (EU) 2018/605 die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) beauftragt hat, harmonisierte Leitlinien auszuarbeiten, damit die von der Union festgelegten Kriterien für die Bestimmung endokrinschädigender Eigenschaften bei der Bewertung von Bioziden und Pestiziden in der Union einheitlich angewandt werden; in der Erwägung, dass diese Leitlinien, die neue OECD-Tests umfassen, im Juni 2018 (22) veröffentlicht wurden, jedoch nicht zur Bewertung der endokrinschädlichen Eigenschaften von Chlortoluron herangezogen wurden;

U.

in der Erwägung, dass daher Chlortoluron nicht ordnungsgemäß bewertet wurde und es folglich nicht möglich war, es nicht länger als endokrinschädlich einzustufen;

V.

in der Erwägung, dass der Entwurf des Bewertungsberichts im Hinblick auf die Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für Chlortoluron noch nicht von der EFSA bewertet wurde;

W.

in der Erwägung, dass im Anschluss an die vorige Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für mehrere Wirkstoffe — darunter Chlortoluron — im Jahr 2019 im Wege der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1589 nur bei drei der 29 Stoffe die Laufzeitverlängerung erneuert bzw. nicht erneuert wurde, während im Wege der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1511 die Laufzeit der Genehmigung für 27 Wirkstoffe erneut und für viele dieser Wirkstoffe zum dritten oder vierten Mal verlängert wurde;

1.

vertritt die Auffassung, dass die Durchführungsverordnung (EU) 2020/1511 über die in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgeht;

2.

vertritt die Auffassung, dass in der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1511 das Vorsorgeprinzip nicht geachtet wird;

3.

vertritt die Auffassung, dass die Entscheidung, die Laufzeit der Genehmigung für Chlortoluron zu verlängern, nicht mit den in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 festgelegten Sicherheitskriterien vereinbar ist und weder auf Nachweisen dafür, dass der Wirkstoff sicher verwendet werden kann, noch auf einer erwiesenen dringenden Notwendigkeit, den Wirkstoff Chlortoluron für die Lebensmittelerzeugung in der Union einzusetzen, beruht;

4.

fordert die Kommission auf, die Durchführungsverordnung (EU) 2020/1511 aufzuheben und dem Ausschuss einen neuen Entwurf vorzulegen, in dem den wissenschaftlichen Nachweisen zu den schädlichen Eigenschaften aller betroffenen Wirkstoffe — insbesondere von Chlortoluron — Rechnung getragen wird;

5.

fordert die Kommission auf, nur Entwürfe von Durchführungsverordnungen zur Verlängerung der Laufzeit von Genehmigungen für Wirkstoffe vorzulegen, bei denen der derzeitige Stand der Wissenschaft voraussichtlich nicht in einen Vorschlag der Kommission mündet, die Laufzeit der Genehmigung für den jeweiligen Wirkstoff nicht zu verlängern;

6.

fordert die Kommission auf, Wirkstoffen die Genehmigung zu entziehen, wenn es Belege dafür gibt, dass diese Wirkstoffe die in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 festgelegten Sicherheitskriterien nicht erfüllen, oder diesbezüglich begründete Zweifel bestehen;

7.

fordert die Mitgliedstaaten auf, für die ordnungsgemäße und rechtzeitige Neubewertung der Genehmigungen für die Wirkstoffe zu sorgen, über die sie Bericht erstatten müssen, und sicherzustellen, dass die gegenwärtigen Verzögerungen so bald wie möglich wirksam behoben werden;

8.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  ABl. L 344 vom 19.10.2020, S. 18.

(2)  ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1.

(3)  ABl. L 67 vom 12.3.2015, S. 18.

(4)  ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13.

(5)  ABl. C 433 vom 23.12.2019, S. 183.

(6)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Oktober 2019 zu dem Entwurf einer Durchführungsverordnung der Kommission zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für die Wirkstoffe Amidosulfuron, beta-Cyfluthrin, Bifenox, Chlortoluron, Clofentezin, Clomazon, Cypermethrin, Daminozid, Deltamethrin, Dicamba, Difenoconazol, Diflubenzuron, Diflufenican, Fenoxaprop-P, Fenpropidin, Fludioxonil, Flufenacet, Fosthiazat, Indoxacarb, Lenacil, MCPA, MCPB, Nicosulfuron, Picloram, Prosulfocarb, Pyriproxyfen, Thiophanat-methyl, Triflusulfuron und Tritosulfuron (Angenommene Texte, P9_TA(2019)0027).

(7)  Richtlinie 2005/53/EG der Kommission vom 16. September 2005 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zwecks Aufnahme der Wirkstoffe Chlorthalonil, Chlortoluron, Cypermethrin, Daminozid und Thiophanatmethyl (ABl. L 241 vom 17.9.2005, S. 51).

(8)  Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230 vom 19.8.1991, S. 1).

(9)  Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844/2012 der Kommission vom 18. September 2012 zur Festlegung der notwendigen Bestimmungen für das Erneuerungsverfahren für Wirkstoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 252 vom 19.9.2012, S. 26).

(10)  Durchführungsverordnung (EU) Nr. 533/2013 der Kommission vom 10. Juni 2013 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Genehmigungsdauer der Wirkstoffe 1-Methylcyclopropen, Chlorthalonil, Chlortoluron, Cypermethrin, Daminozid, Forchlorfenuron, Indoxacarb, Thiophanatmethyl und Tribenuron (ABl. L 159 vom 11.6.2013, S. 9).

(11)  Durchführungsverordnung (EU) 2017/1511 der Kommission vom 30. August 2017 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für die Wirkstoffe 1-Methylcyclopropen, Beta-Cyfluthrin, Chlorthalonil, Chlortoluron, Cypermethrin, Daminozid, Deltamethrin, Dimethenamid-p, Flufenacet, Flurtamon, Forchlorfenuron, Fosthiazat, Indoxacarb, Iprodion, MCPA, MCPB, Silthiofam, Thiophanatmethyl und Tribenuron (ABl. L 224 vom 31.8.2017, S. 115).

(12)  Durchführungsverordnung (EU) 2018/1262 der Kommission vom 20. September 2018 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für die Wirkstoffe 1-Methylcyclopropen, beta-Cyfluthrin, Chlorthalonil, Chlortoluron, Clomazon, Cypermethrin, Daminozid, Deltamethrin, Dimethenamid-p, Diuron, Fludioxonil, Flufenacet, Flurtamon, Fosthiazat, Indoxacarb, MCPA, MCPB, Prosulfocarb, Thiophanatmethyl und Tribenuron (ABl. L 238 vom 21.9.2018, S. 62).

(13)  Durchführungsverordnung (EU) 2019/1589 der Kommission vom 26. September 2019 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für die Wirkstoffe Amidosulfuron, beta-Cyfluthrin, Bifenox, Chlortoluron, Clofentezin, Clomazon, Cypermethrin, Daminozid, Deltamethrin, Dicamba, Difenoconazol, Diflubenzuron, Diflufenican, Fenoxaprop-P, Fenpropidin, Fludioxonil, Flufenacet, Fosthiazat, Indoxacarb, Lenacil, MCPA, MCPB, Nicosulfuron, Picloram, Prosulfocarb, Pyriproxyfen, Thiophanatmethyl, Triflusulfuron und Tritosulfuron (ABl. L 248 vom 27.9.2019, S. 24).

(14)  Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1).

(15)  Siehe unter anderem Hong, M., Ping, Z., Jian, X.: „Testicular toxicity and mechanisms of chlorotoluron compounds in the mouse“, Toxicology Mechanisms and Methods 2007; 17(8):483-8.

(16)  Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates (ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1).

(17)  ABl. C 433 vom 23.12.2019, S. 183.

(18)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0027.

(19)  Weiterbehandlung der nichtlegislativen Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Entwurf einer Durchführungsverordnung der Kommission zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für die Wirkstoffe Amidosulfuron, beta-Cyfluthrin, Bifenox, Chlortoluron, Clofentezin, Clomazon, Cypermethrin, Daminozid, Deltamethrin, Dicamba, Difenoconazol, Diflubenzuron, Diflufenican, Fenoxaprop-P, Fenpropidin, Fludioxonil, Flufenacet, Fosthiazat, Indoxacarb, Lenacil, MCPA, MCPB, Nicosulfuron, Picloram, Prosulfocarb, Pyriproxyfen, Thiophanat-methyl, Triflusulfuron und Tritosulfuron durch die Kommission, SP(2019)669, https://oeil.secure.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2019/2826(RSP)&l=en

(20)  Verordnung (EU) 2018/605 der Kommission vom 19. April 2018 zur Änderung von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 durch die Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften (ABl. L 101 vom 20.4.2018, S. 33).

(21)  Delegierte Verordnung (EU) 2017/2100 der Kommission vom 4. September 2017 zur Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädigender Eigenschaften gemäß der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 301 vom 17.11.2017, S. 1).

(22)  Leitlinien der EFSA und der ECHA für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften im Zusammenhang mit den Verordnungen (EU) Nr. 528/2012 und (EG) Nr. 1107/2009, EFSA Journal 2018, 16(6):5311, http://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/5311


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/92


P9_TA(2020)0326

Carbendazim zur Verwendung in bestimmen Biozidprodukten

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu dem Entwurf einer Durchführungsverordnung der Kommission zur Genehmigung von Carbendazim als alter Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 7 und 10 (D069099/01 — 2020/2852(RSP))

(2021/C 425/10)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Entwurf einer Durchführungsverordnung der Kommission zur Genehmigung von Carbendazim als alter Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 7 und 10 (D069099/01,

unter Hinweis auf die Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten (1),

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (2), insbesondere auf Artikel 89 Absatz 1 Unterabsatz 3,

gestützt auf Artikel 11 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (3),

gestützt auf Artikel 112 Absätze 2 und 3 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit,

A.

in der Erwägung, dass mit dem Entwurf einer Durchführungsverordnung der Kommission Carbendazim als alter Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktart 7 (Beschichtungsschutzmittel) und der Produktart 10 (Schutzmittel für Mauerwerk) für einen Zeitraum von drei Jahren genehmigt werden soll;

B.

in der Erwägung, dass sich die Kommission mit Blick auf eine schadstofffreie Umwelt zu einem Null-Schadstoff-Ziel verpflichtet hat, um dazu beizutragen, dass die Bürger und die Umwelt besser vor gefährlichen Chemikalien geschützt werden, und um die Innovation zur Entwicklung sicherer und nachhaltiger Alternativen zu fördern;

C.

in der Erwägung, dass die Beurteilungsberichte und die Schlussfolgerungen des berichterstattenden Mitgliedstaats über Carbendazim am 2. August 2013 der Kommission vorgelegt wurden; in der Erwägung, dass aus Artikel 90 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 abgeleitet werden kann, dass Stoffe, deren Bewertung durch die Mitgliedstaaten bis zum 1. September 2013 abgeschlossen war, in Übereinstimmung mit der Richtlinie 98/8/EG bewertet werden sollten;

D.

in der Erwägung, dass die gefährlichen Eigenschaften von Carbendazim bereits 2013, als die Beurteilungsberichte von dem berichterstattenden Mitgliedstaat vorgelegt wurden, bekannt waren; in der Erwägung, dass zwischen der Vorlage der Beurteilungsberichte und des Entwurfs einer Durchführungsverordnung der Kommission sieben Jahre vergangen sind;

Rechtsgründe

Unannehmbares Risiko für die Umwelt

E.

in der Erwägung, dass die Genehmigung von Carbendazim zur Verwendung in den Produktarten 7 und 10 zu unannehmbaren Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit führen könnte, was gegen die Richtlinie 98/8/EG verstoßen würde;

F.

in der Erwägung, dass Carbendazim gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) die Kriterien für die Einstufung als mutagener Stoff der Kategorie 1B und als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 1B sowie zwei der Kriterien für persistente, bioakkumulierbare und toxische (PBT) Stoffe (nämlich P und T) erfüllt;

G.

in der Erwägung, dass in zahlreichen Studien auch Bedenken hinsichtlich der möglichen endokrinschädigenden Wirkung von Carbendazim geäußert wurden (5); in der Erwägung, dass gemäß den Stellungnahmen des Ausschusses für Biozidprodukte zu Carbendazim bei allen Produktarten 7, 9 und 10 (6) keine Schlussfolgerung hinsichtlich der endokrinschädigenden Eigenschaften gezogen werden konnten; in der Erwägung, dass es sehr besorgniserregend ist, dass die Kommission weiterhin das Vorsorgeprinzip missachtet und vorschlägt, Wirkstoffe zuzulassen, wenn die Bewertungen zu ihren endokrinschädigenden Eigenschaften auf der Grundlage der verfügbaren Daten nicht schlüssig sind; in der Erwägung, dass der Umstand, dass aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit von Daten keine Schlussfolgerungen über die endokrinschädigenden Eigenschaften eines Stoffes gezogen werden können, nicht gleichbedeutend mit der Schlussfolgerung ist, dass dieser Stoff keine endokrinschädigenden Eigenschaften besitzt;

H.

in der Erwägung, dass die Berichte über die Beurteilung von Carbendazim zwar vor dem 1. September 2013 vorgelegt wurden, was bedeutet, dass obgleich Carbendazim die Anforderungen von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b und c der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 erfüllt, Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 für die Entscheidung über die Genehmigung jedoch nicht relevant ist (7), zumal die Tatsache, dass Carbendazim bekanntermaßen gefährliche Eigenschaften aufweist, die sehr besorgniserregend sind, nach wie vor von großer Bedeutung ist und bei der Umsetzung der Richtlinie 98/8/EG unter Berücksichtigung von Artikel 10 in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b dieser Richtlinie nicht ausreichend berücksichtigt wurde;

I.

in der Erwägung, dass die Verwendung von Carbendazim in den Produktarten 7 und 10 bei der Behandlung von Außenanstrichen für Fassaden zwecks Vermeidung von Pilz- und Algenwachstum ein hohes Risiko der Wasserverschmutzung mit sich bringt, da diese Biozide bei jedem Regen von den Fassaden der Gebäude abfließen;

J.

in der Erwägung, dass aus einer Studie (8) hervorgeht, dass in Deutschland Carbendazim in mehr als 90 % der Proben aus Regenwasserkläranlagen und in mehr als 50 % der Proben aus Regenüberlaufbecken gefunden wurde, aus denen unbehandeltes Regenwasser in Gewässer oder in das Grundwasser abgelassen wird;

K.

in der Erwägung, dass in der Stellungnahme des Ausschusses für Biozidprodukte für die Produktart 9 (Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialien) die Schlussfolgerung gezogen wurde, dass Carbendazim deswegen nicht genehmigt wurde, weil das Auswaschen von Carbendazim aus behandelten Oberflächen mit Regenwasser zu unannehmbaren Risiken in den Kompartimenten Oberflächengewässer und Sediment führt und weil keine geeignete Risikomanagementmaßnahme zur Verfügung steht;

L.

in der Erwägung, dass in den Stellungnahmen des Ausschusses für Biozidprodukte für die Produktarten 7 und 10 die Schlussfolgerung gezogen wurde, dass die Verwendung von Carbendazim im Freien, einschließlich in Farben (Produktart 7) und Verputz (Produktart 10), ein unannehmbares Risiko in den Kompartimenten Oberflächengewässer und Sediment darstellt, da keine geeignete Risikominderungsmaßnahme zwecks Vermeidung von Freisetzungen in die Kanalisation während der Nutzungsdauer der behandelten Artikel (fünf Jahre für die Produktart 7 und 25 Jahre für die Produktart 10) zur Verfügung steht;

M.

in der Erwägung, dass die Genehmigung von Carbendazim zur Verwendung in den Produktarten 7 und 10 — selbst für einen kurzen Zeitraum von drei Jahren — daher zu einer direkten Einleitung von Carbendazim durch Regenwasser in die Umwelt führen würde, und zwar für einen Zeitraum von bis zu 25 Jahren;

N.

in der Erwägung, dass Schweden in seiner Minderheitenansicht gegenüber dem Ausschuss für Biozidprodukte erklärt hat, dass das Auswaschen von angewandten Produkten und behandelten Artikeln (beispielsweise Farben und Verputz) während der Nutzungsdauer bei sämtlichen Verwendungen im Freien unannehmbare Risiken für die Umwelt mit sich bringt und dass dieses Risiko dem Beurteilungsbericht zufolge nicht gemindert werden kann;

O.

in der Erwägung, dass der Umstand, dass aus den Stellungnahmen des Ausschusses für Biozidprodukte hervorgeht, dass die Verwendung von Carbendazim bzw. der Produktarten 7, 9 und 10 die gleichen unannehmbaren Risiken mit sich bringt, zu der Entscheidung hätte führen sollen, die Verwendung von Carbendazim im Freien ganz zu untersagen, und nicht nur die Verwendung der Produktart 9;

P.

in der Erwägung, dass die Verwendung von Carbendazim in geschlossenen Räumen ebenfalls unannehmbare Risiken mit sich bringen kann, zumal in Studien (9) Bedenken laut wurden, dass das Auftreten von Carbendazim in Oberflächengewässern hauptsächlich auf die Einleitung von behandelten kommunalen und industriellen Abwässern zurückzuführen ist, wohingegen der Ausschuss für Biozidprodukte in seinen Stellungnahmen zu dem Schluss gelangte, dass die Risiken für die Umwelt durch die Verwendung von Carbendazim in geschlossenen Räumen vertretbar seien;

Durch die Genehmigungsbedingungen werden Risiken nicht eingedämmt

Q.

in der Erwägung, dass Carbendazim unter Berücksichtigung der Risiken für die Umwelt, die für die bewerteten Verwendungen festgestellt wurden, nach dem Entwurf einer Durchführungsverordnung der Kommission zugelassen werden kann, sofern bestimmte Spezifikationen und Bedingungen bei seiner Verwendung eingehalten werden, vor allem dass bei der Produktbewertung Oberflächengewässer, Sedimente, Boden und Grundwasser besonders berücksichtigt werden, wenn es um Produkte geht, die in Farben oder im Verputz verwendet werden und für eine Verwendung im Freien bestimmt sind;

R.

in der Erwägung, dass in den Stellungnahmen des Ausschusses für Biozidprodukte für die Produktarten 7 und 10 sowohl auf unannehmbare Risiken in den Kompartimenten Oberflächengewässer und Sediment hingewiesen wird als auch auf den Umstand, dass bei den bewerteten Verwendungen keine geeignete Risikomanagementmaßnahme zur Vermeidung von Freisetzungen in die Kanalisation verfügbar ist;

S.

in der Erwägung, dass die der Genehmigung beigefügte Forderung der Kommission nach „Spezifikationen und Bedingungen“ äußerst vage ist und nicht ausreicht, um die Bedenken hinsichtlich der unannehmbaren Risiken auszuräumen; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen des Entwurfs einer Durchführungsverordnung der Kommission nicht verpflichtet sind, geeignete Risikomanagementmaßnahmen vorzuschreiben, sondern lediglich auf Risiken zu achten; in der Erwägung, dass in dem Entwurf einer Durchführungsverordnung der Kommission nicht berücksichtigt wird, dass aus den Unterlagen hervorgeht, dass keine geeigneten Risikomanagementmaßnahmen zur Verfügung stehen;

Übereistimmung einer Entscheidung im Hinblick auf die Risikosteuerung mit den zugrundeliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen

T.

in der Erwägung, dass, wie vom Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „der Gerichtshof“) bestätigt wurde, eine zu ergreifende Maßnahme der Risikosteuerung mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen, auf die sie sich stützt, in Einklang stehen muss; in der Erwägung, dass die Kommission zwar ein während des Entscheidungsprozesses vorgelegtes wissenschaftliches Gutachten nicht berücksichtigen muss, sie dann aber eigens Gründe für ihre Erkenntnisse angeben muss, die mit den im Gutachten angeführten Erkenntnissen wissenschaftlich gleichwertig sein müssen; in der Erwägung, dass die Kommission in ihrer Begründung erläutern muss, warum sie dem Gutachten keine Beachtung schenkt (10);

U.

in der Erwägung, dass die Entscheidung, Carbendazim als alten Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 7 und 10 zuzulassen, in eklatantem Widerspruch zu der Schlussfolgerung der BPC-Stellungnahmen steht, wonach die Verwendung von Carbendazim im Freien in Farben (Produktart 7) und Verputz (Produktart 10) gemäß Artikel 10 der Richtlinie 98/8/EG in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b dieser Richtlinie nicht vertretbare Risiken in den Umweltkompartimenten Oberflächengewässer und Sediment mit sich bringen;

V.

in der Erwägung, dass sich die Gründe für die Entscheidung, von der Schlussfolgerung der BPC-Stellungnahmen abzuweichen, die die Kommission in ihrem Entwurf einer Durchführungsverordnung vorlegt, darauf beschränken, dass die uneingeschränkte Zulassung von Biozidprodukten einen zusätzlichen Schritt auf der Ebene der Mitgliedstaaten erfordere und dass die Überprüfung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 in Kürze erfolgen werde;

W.

in der Erwägung, dass diese Gründe keine Erklärung dafür sind, warum die Kommission der Ansicht zu der Auffassung gelangt ist, dass Carbendazim kein nicht vertretbares Risiko für die Verwendung in den Produktarten 7 und 10 gemäß der Richtlinie 98/8/EG darstellt, zumal die Verwendung desselben Wirkstoffs in der Produktart 9 als nicht vertretbares Risiko eingestuft wurde, was zu der Entscheidung führte, keine Genehmigung für diese Produktart zu erteilen;

X.

in der Erwägung, dass eine Angabe der Gründe für die Abweichung von den Schlussfolgerungen der BPC-Stellungnahmen nicht nur für die Kontrolle durch den Gerichtshof, sondern insbesondere auch für die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Kontrollbefugnis des Parlaments unerlässlich ist;

Prüfung der verfügbaren Alternativen

Y.

in der Erwägung, dass Carbendazim nach der BPC-Stellungnahme für die Produktart 7 als Fungizid in bioziden Beschichtungsschutzmitteln verwendet werden darf, die auf Endverwendungen wie Farben aufgetragen oder diesen beigemischt werden; in der Erwägung, dass Carbendazim laut der BPC-Stellungnahme für Produkttyp 10 als Fungizid in Schutzmitteln für Baumaterialien verwendet werden darf, die auf Endprodukte wie Verputz aufgetragen oder diesen beigemischt werden;

Z.

in der Erwägung, dass sich die Schlussfolgerung der Kommission, wonach es keine geeigneten Alternativen zu Carbendazim gebe, lediglich auf elf nicht vertrauliche Fassungen von Beiträgen Dritter stützt, die allesamt von Unternehmen oder Industrieverbänden aus dem Jahr 2014 stammen; in der Erwägung, dass, wenn es andere Informationen zur Unterstützung der Entscheidung der Kommission gibt, diese dem Parlament vorgelegt werden sollten, damit es seine Kontrollbefugnis in vollem Umfang wahrnehmen kann;

AA.

in der Erwägung, dass den BPC-Stellungnahmen zufolge in den meisten Beiträgen nicht zwischen den Verwendungen von Carbendazim in den Produkttypen 7, 9 und 10 unterschieden wurde, sodass es der Kommission nicht möglich war, die Verfügbarkeit von Alternativen für jeden der einzelnen Produkttypen und Verwendungen angemessen zu prüfen;

AB.

in der Erwägung, dass die in den Beiträgen enthaltenen Informationen bei weitem nicht ausführlich und aktuell genug sind, um zu dem Schluss zu kommen, dass es keine geeigneten Alternativen zu Carbendazim für die Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 7 und 10 gebe;

AC.

in der Erwägung, dass insbesondere für Produkttyp 7 in den Beiträgen angegeben wurde, dass Carbendazim in Farben durch andere technische Lösungen ersetzt werden könnte, wenngleich dies nach Ansicht der Verfasser zu zeitaufwändig und zu teuer wäre;

AD.

in der Erwägung, dass insbesondere für Produkttyp 10 in den Beiträgen angegeben wurde, dass Carbendazim in Lacken durch andere technische Lösungen ersetzt werden könnte, wenngleich dies nach Ansicht der Verfasser zu zeitaufwändig und zu teuer wäre;; in der Erwägung, dass nach der BPC-Stellungnahme aufgrund der sehr geringen Anzahl zugelassener Wirkstoffe für diese Produktart die für diesen Wirkstoff verfügbaren Informationen derzeit nicht ausreichen, um zu entscheiden, ob es einen anderen Wirkstoff gibt, der eine Alternative zur Verwendung von Carbendazim als Schutzmittel in Verputz mit hohem pH-Wert sein könnte;

AE.

in der Erwägung, dass es gemäß den Schlussfolgerungen in den meisten Beiträgen, die der Kommission 2014 vorgelegt wurden, möglich sei, Alternativen zu Carbendazim für die Produkttypen 7 und 10 zu finden, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten;

AF.

in der Erwägung, dass die Antragsteller sieben Jahre Zeit hatten, potenzielle Alternativen zu Carbendazim zu prüfen, dessen schädliche Eigenschaften bekannt sind;

AG.

in der Erwägung, dass die Kommission daher ihrer Pflicht nicht nachgekommen ist, die Verfügbarkeit geeigneter Alternativstoffe gemäß Artikel 10 Absatz 5 der Richtlinie 98/8/EG zu prüfen; in der Erwägung, dass die Kommission nicht in aller Ausführlichkeit erläutert hat, auf welcher Grundlage sie zu dem Schluss gekommen ist, geeignete und ausreichende Alternativstoffe stünden nicht zur Verfügung; in der Erwägung, dass entsprechende ausführliche Angaben angesichts des toxikologischen Profils des Stoffes für die Entscheidung über eine mögliche Zulassung in diesem Fall von großer Bedeutung sind;

AH.

in der Erwägung, dass Carbendazim für den Produkttyp 9 nicht zugelassen wurde; in der Erwägung, dass keine der vorliegenden Informationen, auf die in der BPC-Stellungnahme Bezug genommen wird, eigens für Produkttyp 9 von Belang waren; in der Erwägung, dass in den Beiträgen Dritter dieselben Bedenken hinsichtlich der begrenzten verfügbaren Alternativen sowie des Zeit- und Kostenaufwands geäußert wurden, der erforderlich wäre, um für Produkttyp 9 eine Alternative mit gleichem Wirksamkeitsgrad wie dem von Carbendazim für die Produkttypen 7 und 10 zu entwickeln;

AI.

in der Erwägung, dass in den BPC-Stellungnahmen für die beiden Produkttypen 7 und 10 darauf hingewiesen wurde, dass es schwierig sei, die Verfügbarkeit von Alternativen zu beurteilen, da viele von ihnen noch gemäß der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 überprüft werden müssten; in der Erwägung, dass Verzögerungen beim Prüfprogramm keinesfalls als Rechtfertigung dafür dienen dürfen, den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu behindern;

Politische Argumente

AJ.

in der Erwägung, dass es nicht hinnehmbar ist, dass die Kommission beschließt, ein Verbot von Stoffen, die ein nicht vertretbares Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellen, allein mit der Begründung zu verschieben, dass ein Verbot im Rahmen künftiger Überprüfungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 demnächst systematischer gestaltet werde;

AK.

in der Erwägung, dass nach dem Entwurf der Kommission für die Durchführungsverordnung die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten gemäß Punkt 10 des Anhangs VI der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 prüfen sollen, ob die Bedingungen von Artikel 5 Absatz 2 dieser Verordnung in ihrem Hoheitsgebiet erfüllt werden können, um über die Zulassung eines Biozidprodukts, das Carbendazim enthält, zu befunden;

AL.

in der Erwägung, dass die Kommission die Verantwortung für ein Verbot von Biozidprodukten, die Carbendazim enthalten, mit dem Verweis darauf, dass die während der Konsultation der Öffentlichkeit vorgelegten Informationen über potenzielle Alternativstoffe wenig aussagekräftig gewesen seien, nicht an die Mitgliedstaaten delegieren sollte;

AM.

in der Erwägung, dass, wie von der Kommission vorgeschlagen, entsprechend behandelte Waren nur mit begrenzten Informationen gekennzeichnet werden müssen, und dass diese Kennzeichnung vor dem Inverkehrbringen der Ware und dem Handel zwischen den Mitgliedstaaten keiner regulatorischen Kontrolle unterzogen wird; in der Erwägung, dass keine Produktzulassung erforderlich ist und daher auch nicht geprüft werden muss, ob die Wirksamkeit des Produkts den Angaben auf der Kennzeichnung entspricht;

AN.

in der Erwägung, dass unter diesen Umständen kein ausreichend hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt vorhanden ist und auch nicht für gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen aus der EU und aus Drittländern gesorgt wird;

1.

ist der Auffassung, dass der Entwurf einer Durchführungsverordnung der Kommission gegen EU-Recht verstößt, da er weder mit dem Ziel noch mit dem Inhalt der Richtlinie 98/8/EG bzw. der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 vereinbar ist;

2.

ist der Ansicht, dass im Hinblick auf

a)

die gefährlichen Eigenschaften von Carbendazim,

b)

seinen Verbleib in der Umwelt sowie fehlende Maßnahmen zur Risikosteuerung, die in den Begleitdokumenten genannt werden,

c)

fehlende Daten, um hinreichend auf fehlende Fehlen geeignete Alternativen schließen zu können,

d)

den Zeitraum von sieben Jahren, der seit der Vorlage der Bewertungsberichte vergangen ist, und

e)

die mangelnde Übereinstimmung zwischen den Entscheidungen der Kommission über die Verwendung von Carbendazim in den Produkttypen 7, 9 und 10,

der Entwurf einer Durchführungsverordnung der Kommission zur Zulassung von Carbendazim als alter Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 7 und 10, sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum von drei Jahren, angesichts der nicht vertretbaren Risiken, die er für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellt, nicht verhältnismäßig ist und die Kommission zu der Schlussfolgerung hätte führen müssen, dass nicht vertretbare Risiken bestehen, da die Verwendung von Carbendazim in einem Produkt nach wie vor Anlass zu Bedenken gibt;

3.

ist der Auffassung, dass die von der Kommission in ihrem Entwurf für eine Durchführungsverordnung bereitgestellten Informationen nicht ausreichen, um das Parlament in die Lage zu versetzen, seine Kontrollbefugnis ordnungsgemäß wahrzunehmen;

4.

fordert die Kommission auf, ihren Entwurf einer Durchführungsverordnung zurückzuziehen und dem Ausschuss einen neuen Entwurf vorzulegen, in dem vorgeschlagen wird, Carbendazim als Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 7 und 10 nicht zuzulassen;

5.

bekräftigt, dass, obwohl die Bewertungsberichte vor dem 1. September 2013 vorgelegt wurden, die Zulassung eines Stoffes, der als erbgutverändernd (Kategorie 1B), reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) und mit potenziell endokrinschädigenden Eigenschaften eingestuft worden ist, in Bezug auf Verwendungen wie solche, die in Betracht gezogen wurden, nicht vertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit mit sich bringt;

6.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  ABl. L 123 vom 24.4.1998, S. 1.

(2)  ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1.

(3)  ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13.

(4)  Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1).

(5)  Morinaga, H. u. a., „A Benzimidazole Fungicide, Benomyl, and Its Metabolite, Carbendazim, Induce Aromatase Activity in a Human Ovarian Granulose-Like Tumor Cell Line (KGN)“, Endocrinology 2004, 145(4):1860–1869; Kim, D-J. u. a., „Benomyl induction of brain aromatase and toxic effects in the zebrafish embryo“, Journal of Applied Toxicology 2009, 29:289–294; Goldman, J.M. u. a., „Effects of the benomyl metabolite, carbendazim, on the hypothalamic-pituitary reproductive axis in the male rat“, Toxicology 1989, 57(2): 173-182; Jiang, J. u. a, „Carbendazim has the potential to induce oxidative stress, apoptosis, immunotoxicity and endocrine disruption during zebrafish larvae development“, Toxicology in Vitro 2015, 29(7):1473-1481; Singh, S., Singh, N., Kumar, V. u. a., „Toxicity, monitoring and biodegradation of the fungicide carbendazim“, Environmental Chemistry Letters 2016, 14: 317–329; Jin, C., Zeng, Z., Wang, C., Luo, T., Wang, S., Zhou, J., Ni, Y., Fu, Z., Jin, Y., „Insights into a Possible Mechanism Underlying the Connection of Carbendazim-Induced Lipid Metabolism Disorder and Gut Microbiota Dysbiosis in Mice“, Toxicological Sciences 2018, 166(2): 382-393; Durand, P., Martin, G., Blondet, A., Gilleron, J., Carette, D., Janczarski, S., Christin, E., Pointis, G., Perrard, M.H., „Effects of low doses of carbendazim or iprodione either separately or in mixture on the pubertal rat seminiferous epithelium: An ex vivo study“, Toxicology In Vitro 2017, 45(3):366-373; Jin, Y., Zeng, Z., Wu, Y., Zhang, S., Fu, Z., „Oral Exposure of Mice to Carbendazim Induces Hepatic Lipid Metabolism Disorder and Gut Microbiota Dysbiosis“, Toxicological Sciences 2015, 147(1):116-26; Rama, E.M., Bortolan, S., Vieira, M.L., Gerardin, D.C., Moreira, E.G., „Reproductive and possible hormonal effects of carbendazim“, Regulatory Toxicology and Pharmacology 2014, 69(3):476-486.

(6)  Stellungnahme des Ausschusses für Biozidprodukte vom 10. Dezember 2019 zu dem Antrag auf Genehmigung des Wirkstoffs Carbendazim, Produktart: 7; Stellungnahme des Ausschusses für Biozidprodukte vom 27. Februar 2019 zu dem Antrag auf Genehmigung des Wirkstoffs Carbendazim, Produktart: 9; Stellungnahme des Ausschusses für Biozidprodukte vom 10. Dezember 2019 zu dem Antrag auf Genehmigung des Wirkstoffs Carbendazim, Produktart: 10; https://echa.europa.eu/regulations/biocidal-products-regulation/approval-of-active-substances/bpc-opinions-on-active-substance-approval?diss=true&search _criteria_ecnumber=234-232-0&search_criteria_casnumber=10605-21-7&search_ criteria_name=Carbendazim

(7)  Stellungnahmen des Ausschusses für Biozidprodukte für die Produktarten 7 und 10, S. 14.

(8)  https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/ publikationen/ texte_169-2020_belastung_der_umwelt_mit_bioziden_realistischer_erfassen_-_schwerpunkt_eintraege_ueber_klaeranlagen.pdf

(9)  Merel, S., Benzing, S., Gleiser, C., Di Napoli-Davis, G., Zwiener, C., „Occurrence and overlooked sources of the biocide carbendazim in wastewater and surface water“, Environmental Pollution 2018, 239:512-521.

(10)  Siehe auch die Rechtssache T-837/16, Königreich Schweden gegen Europäische Kommission, EU:T:2019:144, Rn. 69.


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/98


P9_TA(2020)0327

Bestandsaufnahme zu den Wahlen zum Europäischen Parlament

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zur Bestandsaufnahme zu den Wahlen zum Europäischen Parlament (2020/2088(INI))

(2021/C 425/11)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf die Artikel 10, 14 und 17 Absatz 7,

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf Artikel 20 und 22,

unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 21, 39 und 52 Absatz 1,

unter Hinweis auf die Erklärung zu Artikel 17 Absätze 6 und 7 des Vertrags über die Europäische Union im Anhang der Schlussakte der Regierungskonferenz, auf der der Vertrag von Lissabon angenommen wurde,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, insbesondere Artikel 21,

unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, insbesondere Artikel 25,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, insbesondere Artikel 29,

unter Hinweis auf die europäische Säule sozialer Rechte, insbesondere deren Grundsatz 1,

unter Hinweis auf den Beschluss (EU, Euratom) 2018/994 des Rates vom 13. Juli 2018 zur Änderung des dem Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976 beigefügten Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments (1),

unter Hinweis auf den Beschluss (EU) 2018/937 des Europäischen Rates vom 28. Juni 2018 über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments (2),

unter Hinweis auf den Beschluss (EU, Euratom) 2018/767 des Rates vom 22. Mai 2018 zur Festsetzung des Zeitraums für die neunte allgemeine unmittelbare Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments (3),

unter Hinweis auf die Verordnung (EU, Euratom) 2018/673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Mai 2018 zur Änderung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Statut und die Finanzierung europäischer politischer Parteien und europäischer politischer Stiftungen (4),

unter Hinweis auf die Verordnung (EU, Euratom) 2019/493 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. März 2019 zur Änderung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 im Hinblick auf ein Überprüfungsverfahren für im Zusammenhang mit Wahlen zum Europäischen Parlament begangene Verstöße gegen Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten (5),

unter Hinweis auf die Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission in der geänderten Fassung (6),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. November 2015 zu der Reform des Wahlrechts der Europäischen Union (7),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Februar 2017 zur Verbesserung der Funktionsweise der Europäischen Union durch Ausschöpfung des Potenzials des Vertrags von Lissabon (8),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Februar 2017 zu möglichen Entwicklungen und Anpassungen der derzeitigen institutionellen Struktur der Europäischen Union (9),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. April 2018 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates zur Festsetzung des Zeitraums für die neunte allgemeine unmittelbare Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments (10),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. Februar 2018 zur Zusammensetzung des Europäischen Parlaments (11),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Juli 2019 zur Wahl des Präsidenten der Kommission (12),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Oktober 2019 zur Einmischung des Auslands in Wahlen und zur Desinformation in den demokratischen Prozessen der Mitgliedstaaten und Europas (13),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Februar 2019 zum Stand der Debatte über die Zukunft Europas (14),

unter Hinweis auf seinen Beschluss vom 18. Juni 2020 über die Einsetzung eines Sonderausschusses zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation, seinen Zuständigkeiten, seiner zahlenmäßigen Zusammensetzung und seiner Mandatszeit (15),

unter Hinweis auf den Informationsbericht des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 20. März 2019 mit dem Titel „Die praktische Ausübung des Wahlrechts durch Menschen mit Behinderungen bei der Wahl zum Europäischen Parlament“,

unter Hinweis auf die Arbeiten der Interparlamentarischen Union (UIP) zur Gleichstellung der Geschlechter, insbesondere ihren Aktionsplan für gleichstellungsorientierte Parlamente,

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (A9-0211/2020),

A.

in der Erwägung, dass bei der Wahl zum Europäischen Parlament 2019 mit 50,66 % die höchste Wahlbeteiligung aller Wahlen zum Europäischen Parlament in den vergangenen 20 Jahren verzeichnet wurde (ein Anstieg um acht Prozentpunkte gegenüber 2014), was ein positives Signal ist, da daran deutlich wird, dass die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger ein wachsendes Interesse an Entwicklungen auf der Ebene der Union haben und ihnen bewusst ist, dass das Unionsrecht Auswirkungen auf ihr tägliches Leben hat; in der Erwägung, dass diese Zahl jedoch darüber hinwegtäuscht, dass zwischen den Mitgliedstaaten große Unterschiede bestehen und der Anteil der Nichtwähler nach wie vor hoch lag, weshalb mehr getan werden muss, um die Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament zu erhöhen;

B.

in der Erwägung, dass die Ergebnisse der nach der Wahl zum Europäischen Parlament 2019 vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen Eurobarometer-Umfrage zeigen, dass die Wirtschaftslage und die Umwelt die beiden wichtigsten Prioritäten der Wählerinnen und Wähler darstellten, woraus eindeutig hervorgeht, dass die Bürgerinnen und Bürger, die an der Wahl zum Europäischen Parlament teilnahmen, den Wunsch hatten, dass in diesen beiden Politikbereichen, die in die geteilte Zuständigkeit der EU und der nationalen Organe fallen, mehr auf Unionsebene getan wird (16);

C.

in der Erwägung, dass die Entscheidung für das richtige Wahlsystem die Voraussetzungen dafür schafft, dass einerseits die Bürgerinnen und Bürger an ihr demokratisches Grundrecht glauben, ihre demokratischen Vertreter zu wählen, und andererseits die politischen Vertreter ihren Wählerinnen und Wählern Gehör schenken und ihre Interessen vertreten, wodurch bei den Bürgerinnen und Bürgern Selbstwirksamkeit erzielt wird;

D.

in der Erwägung, dass laut Eurobarometer-Umfrage die höhere Wahlbeteiligung zum Teil auf die stärkere Beteiligung junger Menschen zurückzuführen ist, obwohl die Wahlbeteiligung in der Altersgruppe über vierzig Jahre nach wie vor sehr viel höher ist; in der Erwägung, dass mehr als 50 % der jungen Menschen aus einem Gefühl der Bürgerpflicht heraus und wegen der Klimakrise wählen gingen;

E.

in der Erwägung, dass das unermüdliche Engagement der Zivilgesellschaft wesentlich zu dem proeuropäischen Diskurs im Vorfeld der Wahl zum Europäischen Parlament beitrug;

F.

in der Erwägung, dass die höhere Wahlbeteiligung auch mit Zugewinnen von proeuropäischen Parteien einherging, die Stimmen jüngerer Wählerinnen und Wähler erhielten, wodurch die proeuropäische Mehrheit im Europäischen Parlament größer wurde, dass aber die Ergebnisse von Euroskeptikern, Populisten und nationalistischen Bewegungen, die eine Gefahr für das Projekt der europäischen Integration darstellen, als Warnung dienen sollten;

G.

in der Erwägung, dass die höhere Wahlbeteiligung auch ein Zeichen dafür ist, dass die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger wollen, dass die Union in wichtigen Fragen wie Beschäftigung, Lebenshaltungskosten, Sozialdumping, Klimawandel, Migration, Schutz der Grundrechte und Demokratisierung rasch, demokratisch und effizient handelt;

H.

in der Erwägung, dass es gilt, sämtliche Kommunikationsmittel, einschließlich der digitalen Technologien, effizienter und vorausschauender zu nutzen, um eine enge Verbindung zwischen den auf Unionsebene getroffenen politischen Entscheidungen und dem Gefühl der Verbundenheit der Wählerinnen und Wähler mit den Organen der Union zu fördern;

I.

in der Erwägung, dass sich die Gleichstellung der Geschlechter unter den Mitgliedern des Europäischen Parlaments zwar verbessert hat (41 % Frauen im Jahr 2019 gegenüber 37 % im Jahr 2014), aber ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis im Parlament noch nicht erreicht wurde; in der Erwägung, dass sich hinter dieser Zahl große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und viele Herausforderungen für die Verwirklichung der Geschlechterparität verbergen;

J.

in der Erwägung, dass mit Ursula von der Leyen zum ersten Mal eine Frau das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission bekleidet und ihrer Kommission 13 Frauen angehören, was historisch gesehen den größten Frauenanteil unter den Kommissionsmitgliedern darstellt;

K.

in der Erwägung, dass die vielfältige und multikulturelle Gesellschaft Europas im Europäischen Parlament besser abgebildet sein muss;

L.

in der Erwägung, dass 15 Mitgliedstaaten nach wie vor das Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen einschränken und damit eine substanzielle Beteiligung und Vertretung dieser Bürgerinnen und Bürger an bzw. in demokratischen Prozessen verhindern; in der Erwägung, dass infolge nationaler Vorschriften schätzungsweise 800 000 Unionsbürgerinnen und Unionsbürger ihr Wahlrecht bei den vergangenen Wahlen zum Europäischen Parlament aufgrund von Behinderungen oder Problemen mit der geistigen Gesundheit nicht ausüben konnten;

M.

in der Erwägung, dass der demografische Wandel und die Alterung der Gesellschaft Faktoren sind, die zu einem Anstieg der Zahl der Menschen führen, die in Langzeitpflegeeinrichtungen und Krankenhäusern leben; in der Erwägung, dass es daher notwendig ist, eine breitere Verwendung der in vielen Mitgliedstaaten eigens für diese Personengruppen eingeführten formalen Vorkehrungen zu fördern;

N.

in der Erwägung, dass die Frist für die Eintragung in das Wählerverzeichnis in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich geregelt ist und zwischen 90 Tagen und 3 Tagen vor dem Wahltermin liegt; in der Erwägung, dass in dem Informationsbericht des EWSA über die praktische Ausübung des Wahlrechts durch Menschen mit Behinderungen bei der Europawahl empfohlen wird, dass die Schließung des Wählerverzeichnisses frühestens zwei Wochen vor der Wahl erfolgen sollte;

O.

in der Erwägung, dass es laut einem gemeinsamen Bericht des Europäischen Verbands der nationalen Vereinigungen im Bereich der Obdachlosenhilfe (FEANTSA) und der Abbé-Pierre-Stiftung (17) in der EU mindestens 700 000 Obdachlose und fast 9 Millionen Haushalte gibt, die in schwierigsten Wohnverhältnissen leben; in der Erwägung, dass diese Zahl binnen 10 Jahren um 70 % gestiegen ist; in der Erwägung, dass es für Obdachlose sehr schwierig ist, an Wahlen teilzunehmen;

P.

in der Erwägung, dass die Reform des Wahlakts von 1976, wie sie vom Europäischen Parlament in seiner legislativen Entschließung vom 4. Juli 2018 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates zur Änderung des dem Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976 beigefügten Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments angenommen wurde (18), von drei Mitgliedstaaten immer noch nicht vollständig ratifiziert wurde;

Q.

in der Erwägung, dass das Parlament seine Vorschläge zur Änderung des Wahlaktes, deren Ratifizierung durch einige Mitgliedstaaten noch aussteht, mit neuem Elan verfolgen und auf einheitliche Vorschriften für die Wahlen zum Europäischen Parlament drängen sollte;

R.

in der Erwägung, dass das Ergebnis der Wahl zum Europäischen Parlament 2019 zu einer neuen Mehrheit im Parlament geführt hat, die sich aus mehreren Fraktionen mit eindeutig proeuropäischer Identität zusammensetzt;

S.

in der Erwägung, dass es bei der Wahl 2019 aufgrund des Widerstands des Rates nicht gelang, den Kommissionspräsidenten aus dem Kreis der Spitzenkandidaten zu wählen, wodurch das Vertrauen in das Verfahren beeinträchtigt wurde; in der Erwägung, dass die Wahl des Kommissionspräsidenten davon abhängt, dass die Unterstützung der Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments gesichert ist; in der Erwägung, dass nur manche der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, die sich an der Wahl zum Europäischen Parlament beteiligt haben, davon ausgingen, dass ihre Stimme im Hinblick auf die Wahl des Präsidenten der Europäischen Kommission etwas bewirken könne, und dass daher die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger für dieses Verfahren sensibilisiert werden müssen;

T.

in der Erwägung, dass das Verfahren der Spitzenkandidaten noch vollständig ausgestaltet werden muss; in der Erwägung, dass es unter anderem nicht die Möglichkeit vorsieht, dass die Spitzenkandidaten offiziell als Kandidaten antreten, was es allen Wählerinnen und Wählern in der Union ermöglichen würde, für ihren bevorzugten Spitzenkandidaten zu stimmen und sich darüber im Klaren zu sein, wer die Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten sind und wie diese von den europäischen politischen Parteien ausgewählt wurden; in der Erwägung, dass das Parlament dieses Thema in seinem Beschluss vom 7. Februar 2018 über die Überarbeitung der Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission zur Sprache gebracht hat (19);

U.

in der Erwägung, dass das System der Spitzenkandidaten auf der Grundlage eingehender Überlegungen in der Konferenz zur Zukunft Europas dringend reformiert werden muss, wobei das bei der Wahl zum Europäischen Parlament angewandte Verhältniswahlsystem berücksichtigt werden sollte, und dass es bei der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament im Jahr 2024 einsetzbar sein muss; in der Erwägung, dass in diese Überlegungen auch die de facto politische Rolle der Kommission und ihres Präsidenten sowie alle damit verbundenen Änderungen des Beschlussfassungsverfahrens der Union einbezogen werden sollten;

V.

in der Erwägung, dass nur 8 % derjenigen, die an der Umfrage teilgenommen haben, angaben, ihre Stimme bei der vergangenen Wahl abgegeben zu haben, um die Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten zu beeinflussen (20), was deutlich zeigt, dass das Verfahren zur Wahl des Kommissionspräsidenten dringend geklärt und gegenüber den Wählerinnen und Wählern transparenter gestaltet werden muss;

W.

in der Erwägung, dass institutionelle Vorschläge wie transnationale Listen, wie sie vom Parlament in seiner Entschließung vom 7. Februar 2018 zur Zusammensetzung des Europäischen Parlaments erwähnt wurden und mit denen die europäischen politischen Parteien und Bewegungen stärker in den Mittelpunkt der Wahlen zum Europäischen Parlament rücken würden, oder die Umgestaltung des Rates zu einer zweiten Gesetzgebungskammer der Union, wie sie in seiner Entschließung vom 16. Februar 2017 zu möglichen Entwicklungen und Anpassungen der derzeitigen institutionellen Struktur der Europäischen Union vorgeschlagen wurde, oder die Einführung der Möglichkeit, vor der Wahl Bündnisse europäischer Parteien und politischer Bewegungen zu bilden, dazu beitragen könnten, die einzelnen Wahlen zum Europäischen Parlament (in den Mitgliedstaaten) in eine einzige Wahl zum Europäischen Parlament zu verwandeln — im Gegensatz zu einem Bündel aus 27 getrennten nationalen Wahlen, wie es heute der Fall ist;

X.

in der Erwägung, dass das Verfahren der Prüfung der Erklärungen der finanziellen Interessen und die Anhörungen der designierten Kommissionsmitglieder durch das Parlament einen bedeutenden Schritt im Hinblick auf die Erhöhung der Rechenschaftspflicht der Kommission gegenüber dem Parlament sowie der Öffentlichkeit darstellten; in der Erwägung, dass dieses Verfahren in Zukunft weiter verbessert werden kann und sollte;

Y.

in der Erwägung, dass demokratische Prozesse sowohl auf der Ebene der Mitgliedstaaten als auch auf Unionsebene von ausländischen Mächten — mitunter in Verbindung mit internen Akteuren — ins Visier genommen wurden, um den Ausgang der Wahl zu beeinflussen und die Union zu schwächen; in der Erwägung, dass die von den EU-Organen eingeführten Mechanismen, etwa der Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation und das Schnellwarnsystem für Wahlen, zur Eindämmung ausländischer Einmischung während des Wahlkampfs beigetragen haben;

Z.

in der Erwägung, dass die Anfragen der Kommission an Plattformen der sozialen Medien im Vorfeld der Wahl für Verwirrung sorgten und unbeabsichtigte Folgen hatten, wie das Verbot einer unionsweiten Wahlwerbung, die für europäische politische Parteien eines der wichtigsten Mittel darstellt, um im Wahlkampf vor der Wahl zum Europäischen Parlament von den Wählerinnen und Wählern wahrgenommen und erkannt zu werden; in der Erwägung, dass die Organe insbesondere in dieser Frage einen interinstitutionellen Ansatz entwickeln sollten, um einen positiven Einfluss auf die Sicherheit und Stabilität des Wahlprozesses auszuüben; in der Erwägung, dass der Verhaltenskodex auf reiner Freiwilligkeit beruht und sein Schwerpunkt eher auf Transparenz als auf tatsächlichen Beschränkungen liegt, etwa im Hinblick auf gezielte politische Werbung;

AA.

in der Erwägung, dass die europäischen politischen Parteien und europäischen politischen Stiftungen sowohl während als auch nach den Wahlen zum Europäischen Parlament eine erfolgreiche politische Debatte auf Unionsebene ermöglichen und besser bekannt gemacht werden sollten; in der Erwägung, dass die europäischen politischen Parteien und europäischen politischen Stiftungen angesichts dieser wichtigen Funktion größtmögliche finanzielle Transparenz der von ihnen verwalteten Mittel sicherstellen sollten, insbesondere hinsichtlich der Mittel, die aus dem Haushalt der Europäischen Union stammen;

AB.

in der Erwägung, dass die europäischen politischen Parteien während der Wahl zum Europäischen Parlament diversen Beschränkungen für den Wahlkampf unterliegen, darunter beschränkte Möglichkeiten zur Finanzierung des Wahlkampfs und zu gemeinsamen Tätigkeiten mit ihren nationalen Mitgliedsparteien, und es ihnen untersagt ist, bei nationalen Referenden zu Unionsangelegenheiten Kampagnen durchzuführen;

AC.

in der Erwägung, dass es vom Interesse der Bürgerinnen und Bürger an politischer Innovation zeugt, dass im Vorfeld der Wahl zum Europäischen Parlament neue politische Parteien und Bewegungen entstanden sind;

AD.

in der Erwägung, dass voneinander abweichende nationale Vorschriften über die Parteiengründung und den Zugang zur Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament nach wie vor ein erhebliches Hindernis für die politische Innovation und für die Schaffung einer echten unionsweiten politischen Debatte darstellen;

AE.

in der Erwägung, dass infolge der Organisation der Wählerregistrierung im Vereinigten Königreich Berichten zufolge etwa einer Million Unionsbürgerinnen und Unionsbürger die Möglichkeit genommen wurde, bei der Wahl zum Europäischen Parlament ihr Wahlrecht auszuüben;

1.

begrüßt die höhere Wahlbeteiligung bei der Wahl zum Europäischen Parlament 2019, die zeigt, dass die Tendenz zur sinkenden Wahlbeteiligung in der Union umgekehrt werden kann, erklärt sich aber gleichzeitig enttäuscht darüber, dass die Stimmenthaltungsquote anhaltend hoch ist und in der gesamten Union fast die Hälfte aller Wahlberechtigten ihre Stimme nicht abgegeben hat; stellt fest, dass Kampagnen der Unionsorgane und von Organisationen der Zivilgesellschaft, etwa die Kampagne des Parlaments „Diesmal wähle ich“, von großer Bedeutung sind, wenn es darum geht, die Wahlbeteiligung zu erhöhen; betont, dass auf lokaler, regionaler, nationaler und unionsweiter Ebene mehr Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Wählerinnen und Wähler zur Beteiligung an den Wahlen zum Europäischen Parlament zu motivieren; ist der Auffassung, dass die höhere Wahlbeteiligung zeigt, dass eine wachsende Zahl an Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern die EU als die geeignete Ebene betrachtet, um die aktuellen Herausforderungen wie Wirtschaft und nachhaltiges Wachstum, Klimawandel und Umweltschutz, soziale und geschlechtsspezifische Ungleichheit, die digitale Revolution, die Förderung von Freiheit, Menschenrechten und Demokratie, die demografische Entwicklung sowie geopolitische Herausforderungen wie Migration, Außenpolitik, Sicherheit und die Rolle der EU in der Welt anzugehen; fordert daher alle Unionsorgane auf, Verantwortung zu übernehmen und gemäß dem Mandat, das ihnen direkt oder indirekt von den Bürgerinnen und Bürgern erteilt wurde, zu handeln;

2.

ist zuversichtlich, dass die Tendenz einer zunehmenden Wahlbeteiligung bestätigt werden kann, wenn die Verbindung und die Rechenschaftspflicht zwischen den Wählerinnen und Wählern und den Kandidatinnen und Kandidaten gestärkt wird und in allen Mitgliedstaaten unionsweite Herausforderungen und politische Programme erörtert werden;

3.

begrüßt, dass Wahlbeteiligung unter junger Menschen deutlich gestiegen ist; bekräftigt seine Aufforderung an den Rat und die Kommission, ihre Anliegen, die für das Leben der nächsten Generationen von entscheidender Bedeutung sind, durch öffentliche Konsultationen und die Konferenz über die Zukunft Europas zu berücksichtigen; empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten über eine Harmonisierung des Mindestalters für die Teilnahme an Wahlen nachdenken, um die Wahlbeteiligung junger Menschen weiter zu erhöhen;

4.

begrüßt, dass sich das Geschlechtergleichgewicht im Parlament nach der vergangenen Wahl verbessert hat; betont jedoch, dass es noch Spielraum für weitere Verbesserungen gibt, um ein wirklich ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu erreichen, und stellt fest, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt, und zwar von einem Frauenanteil von über 50 % unter den gewählten Mitgliedern bis hin zu keiner einzigen ins Europäische Parlament gewählten Frau; fordert die Mitgliedstaaten und die Organe der Union auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Grundsatz der Gleichstellung von Männern und Frauen im gesamten Wahlverfahren zu fördern; betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Wahllisten mit einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis; fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit dem Parlament und anderen Gremien wie der Venedig-Kommission den Mitgliedstaaten Empfehlungen auszusprechen, um den Frauenanteil im Europäischen Parlament zu erhöhen; fordert ferner die Einführung von Kandidatenlisten mit einer gleichen Anzahl Kandidatinnen und Kandidaten auf wählbaren Plätzen, z. B. durch die Anwendung des Reißverschlusssystems oder sonstige gleichwertige Methoden, da es in vielen Mitgliedstaaten keine gesetzlichen Vorschriften gibt, mit denen bei Wahlen für politische Parität gesorgt wird;

5.

stellt fest, dass nur wenige Mitglieder des Europäischen Parlaments ethnischen, sprachlichen oder sonstigen Minderheiten angehören (21); ist der Ansicht, dass die Bekämpfung von Rassismus und die Beseitigung von Ausgrenzung und Diskriminierung eine Verpflichtung ist, die sich aus den Werten der EU und aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergibt; betont, dass auf nationaler Ebene und auf Unionsebene mehr getan werden muss, um die Aufnahme in die Wahllisten und die Wahl von Minderheitenangehörigen weiter zu verbessern, und fordert die Mitgliedstaaten und die an Wahlen zum Europäischen Parlament teilnehmenden Parteien auf, vorausschauende Maßnahmen zu ergreifen, um die Vertretung unterrepräsentierter Gruppen zu verbessern;

6.

weist in diesem Zusammenhang auf die besonderen Schwierigkeiten hin, mit denen Roma im Bereich der politischen Teilhabe konfrontiert sind, insbesondere was den Zugang zu Verfahren zur Wählerregistrierung betrifft, wobei diese Schwierigkeiten unter anderem auf fehlende Ausweispapiere zurückzuführen sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Wählerschulung und Wahlbeteiligung bei den Roma zu verbessern;

7.

stellt fest, dass ähnliche Empfehlungen hinsichtlich der Ausübung des passiven und aktiven Wahlrechts von Bürgerinnen und Bürgern mit Behinderungen ausgesprochen werden könnten; weist mit großer Besorgnis erneut darauf hin, dass im Jahr 2019 unionsweit schätzungsweise 800 000 Bürgerinnen und Bürger mit Behinderungen infolge nationaler Bestimmungen nicht an der Wahl teilnehmen konnten; fordert die Mitgliedstaaten auf, den Austausch bewährter Verfahren zu intensivieren, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zu den Wahllokalen zu erleichtern; bekräftigt, dass für Wählerinnen und Wähler mit Behinderungen technische Vorkehrungen für die Stimmabgabe ebenso wichtig sind wie der Zugang zu Informationen oder der Zugang zu den Wahllokalen;

8.

fordert die Mitgliedstaaten auf, zu gewährleisten, dass alle wahlberechtigten Personen — einschließlich Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern, die außerhalb ihres Herkunftslandes leben, Obdachlosen und Häftlingen, denen dieses Recht gemäß den nationalen Rechtsvorschriften eingeräumt wird — dieses Recht auch ausüben können;

9.

stellt fest, dass unterschiedliche Kulturen des Wählens zu einer Reihe von unterschiedlichen Wahlsystemen geführt haben; empfiehlt, durch klare Regelungen, Empfehlungen und Leitlinien für eine Angleichung hin zu einem einheitlichen Unionswahlrecht und für die Gleichheit der Wahl für die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zu sorgen, insbesondere, was das Recht, eine Partei anzumelden und bei Wahlen zu kandidieren, den Zugang zu den Stimmzetteln, die Aufstellung von Kandidaten, die Barrierefreiheit, die Abstimmung per Vollmacht bzw. die Briefwahl und die Wahltage betrifft;

10.

würdigt, dass die Abläufe bei der Wahl zum Europäischen Parlament 2019 trotz der Unsicherheit, die sich aus dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ergab, gut organisiert waren; hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass die Neuzusammensetzung des Europäischen Parlaments nach dem Brexit dank der in seiner Entschließung vom 7. Februar 2018 zur Zusammensetzung des Europäischen Parlaments vorgesehenen Schutzklausel reibungslos vollzogen wurde;

11.

fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Kapazitäten in den Konsulaten im Hinblick auf die Wahl 2024 zu erhöhen, um eine verstärkte Kontrolle und eine Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger für das Verbot der Mehrfachstimmabgabe zu ermöglichen;

12.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die Rechtsvorschriften zu verbessern, um Obdachlosen die Stimmabgabe zu erleichtern; betont, dass das Bestehen auf der Vorlage eines Wohnsitznachweises gemäß der Richtlinie 93/109/EG des Rates vom 6. Dezember 1993 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen (22), dazu führen kann, dass Obdachlose in Ländern, in denen sie keine behördliche Meldeanschrift erhalten können, von der Teilnahme an den Wahlen ausgeschlossen sind; empfiehlt nachdrücklich die Abschaffung des Erfordernisses eines Wohnsitznachweises, um die Wahlbeteiligung der Obdachlosen, die vollwertige Unionsbürgerinnen bzw. Unionsbürger sind, zu verbessern;

13.

ist der Auffassung, dass die Gründe, aus denen das Verfahren der Spitzenkandidaten nach der Wahl 2019 keinen Präsidenten der Europäischen Kommission hervorgebracht hat, darin liegen, dass erstens nach den Erfahrungen von 2014 keine Verbesserungen am Spitzenkandidaten-Modell vorgenommen wurden, und zweitens den Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern das Verfahren nicht hinreichend erklärt und es von ihnen nicht hinreichend verstanden wurde; beabsichtigt, das demokratische Verfahren zur Wahl des Kommissionspräsidenten vor der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament 2024 zu reformieren; weist jedoch darauf hin, dass die Wahl des Kommissionspräsidenten immer an die Unterstützung der Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments gebunden ist, damit dem Wahlergebnis, wie im Vertrag von Lissabon vorgesehen, in vollem Umfang Rechnung getragen wird;

14.

betont angesichts des Ergebnisses der Wahl zum Europäischen Parlament 2019, dass der bevorstehenden Konferenz über die Zukunft Europas im Hinblick auf die Debatte über institutionelle Fragen sehr hohe Bedeutung zukommt; begrüßt die anstehende gemeinsame Erklärung der drei Unionsorgane zur Konferenz über die Zukunft Europas und fordert deren zügige Verabschiedung; erinnert an die Zusage der Kommissionspräsidentin, sich mit Themen zu befassen, die speziell mit demokratischen Prozessen und institutionellen Fragen zusammenhängen, auch im Rahmen der Konferenz, und zwar unbeschadet der von der Konferenz selbst gefassten Beschlüsse über die Liste der zu behandelnden Prioritäten;

15.

betont, dass die Wahl der Kommission und ihres Präsidenten von einer Mehrheit der Mitglieder des Parlaments abhängt, was — wie die Wahl der Kommission von der Leyen gezeigt hat — de facto die Bildung einer Koalition erfordert;

16.

hebt hervor, dass nichts die europäischen Parteien und Bewegungen daran hindert, vor der Wahl zum Europäischen Parlament Koalitionen zu bilden und auf diese Weise ein gemeinsames Programm und einen einzigen Spitzenkandidaten der Koalition vorzustellen;

17.

vertritt die Auffassung, dass das Ergebnis der Wahl zum Europäischen Parlament die politische Tragweite der Wahl der Europäischen Kommission nachdrücklich unter Beweis gestellt hat und es deshalb umso dringender geboten ist, die Interessenerklärungen der designierten Kommissionsmitglieder genauer und objektiv zu prüfen; ist zudem der Ansicht, dass dieser Prozess deutlich gemacht hat, dass es einer fachlichen und unparteiischen Bewertung der Interessenerklärungen der designierten Kommissionsmitglieder bedarf; unterstützt die bevorstehenden Überlegungen im Ausschuss für konstitutionelle Fragen (AFCO) und im Rechtsausschuss (JURI) über die Schaffung eines unabhängigen Ethikgremiums, das mit angemessenen Ressourcen ausgestattet werden könnte; hebt jedoch hervor, dass die Bestätigung oder Ablehnung der einzelnen designierten Kommissionsmitglieder und des Kollegiums der Kommissionsmitglieder letztlich eine politische Aufgabe darstellt, die eindeutig in der Zuständigkeit des Europäischen Parlaments liegt;

18.

besteht darauf, dass alle Wählerinnen und Wähler aus der Union die Möglichkeit haben sollten, für ihren bevorzugten Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten zu stimmen; bekräftigt daher, dass die Spitzenkandidaten bei der nächsten Wahl in der Lage sein sollten, in allen Mitgliedstaaten als offizielle Kandidaten anzutreten, von einer europäischen politischen Partei aufgestellt zu werden und ein einheitliches unionsweites Wahlprogramm zu vertreten; betont, dass unter Berücksichtigung des Verhältniswahlsystems der EU die Wahl des Präsidenten der Europäischen Kommission davon abhängen sollte, ob es ihm oder ihr gelingt, sich die Unterstützung einer Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments zu sichern;

19.

weist darauf hin, dass die in diesem Bericht vorgeschlagenen Änderungen am Primärrecht der EU, in denen die gewachsene politische Bedeutung der Kommission im Gefüge der Union zum Ausdruck kommt, auch die individuelle und kollektive Verantwortung der Kommission gegenüber dem Parlament und dem Rat sowie die Umgestaltung des Rates zu einer zweiten Gesetzgebungskammer der Union umfassen sollten;

20.

schlägt vor, das Wahlrecht und den Beschluss über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments zu reformieren, wobei sowohl sofortige Verbesserungen für die kommende Wahl als auch ein vereinbarter und verbindlicher Fahrplan für Verbesserungen über die kommende Wahl hinaus vorgesehen werden sollten;

21.

stellt fest, dass die vereinbarte Reform des Wahlrechts zwar von einigen Mitgliedstaaten noch nicht ratifiziert wurde, aber folgende Punkte, mit denen das Verfahren für Wahlen zum Europäischen Parlament verbessert werden könnte, Gegenstand von Diskussionen, etwa im Rahmen der Konferenz über die Zukunft Europas, sein könnten:

neue Fernabstimmungsverfahren für die Bürgerinnen und Bürger während der Wahl zum Europäischen Parlament bei Vorliegen besonderer oder außergewöhnlicher Umstände,

einheitliche Vorschriften für die Zulassung von Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl sowie einheitliche Wahlkampf- und Finanzierungsvorschriften,

harmonisierte Vorschriften für das passive und aktive Wahlrecht in allen EU-Mitgliedstaaten, einschließlich der Herabsetzung des Mindestalters für Wählerinnen und Wähler in allen Mitgliedstaaten auf 16 Jahre;

Vorschriften für Abwesenheitszeiten der Mitglieder aufgrund von Mutterschaftsurlaub, Elternurlaub oder schwerer Krankheit;

22.

bekräftigt seine Forderung nach der Einrichtung einer Unionswahlbehörde, deren Aufgabe es wäre, die Umsetzung der Leitlinien und Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament zu überwachen; empfiehlt eine weitere Stärkung der Mechanismen für den Austausch zwischen den nationalen Wahlbehörden, dessen Koordinierung der Unionswahlbehörde obliegt;

23.

bringt seine tiefe Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass immer wieder neue Fälle von Einmischungen und Desinformationskampagnen im Vorfeld der Wahl zum Europäischen Parlament 2019 ans Licht kamen, oft mit Hinweisen auf Einflussnahme aus dem Ausland; begrüßt die Bemühungen der Kommission und anderer Organe, Einrichtungen und sonstiger Stellen, gegen ausländische Einmischung während des Wahlkampfs vorzugehen, insbesondere mithilfe der East StratCom Task Force des EAD; weist jedoch darauf hin, dass die finanziellen und personellen Ressourcen, die erforderlich sind, um diesen Angriffen auf die Demokratie in der Union, auch auf nationaler Ebene, entgegenzuwirken, um ein Vielfaches höher sind als die zugewiesenen Ressourcen auf Unionsebene zusammengenommen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Mittel für den Kampf gegen ausländische Einmischung deutlich aufzustocken; betont, dass es vorrangig darum gehen muss, die Medienkompetenz und die politische Bildung in der Gesellschaft und durch Schulbildung von klein auf zu verbessern, damit kritisches Denken entsteht und die Bürgerinnen und Bürger befähigt werden, Medieninformationen zu erkennen, denen es an Quellen und an Verweisen auf überprüfbare Informationen fehlt;

24.

vertritt die Auffassung, dass die unzulässige Einmischung in Wahlen nicht ausschließlich aus dem Ausland erfolgt; ist der Ansicht, dass die von den Plattformen der sozialen Medien eingesetzten Algorithmen, bei denen bestimmte Inhalte bevorzugt werden, überprüft und nötigenfalls gesetzlich geregelt werden müssen, damit die den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehenden Informationen nicht verzerrt werden und ihr Recht auf Informationen während und nach dem Wahlkampf geschützt wird;

25.

ist der Ansicht, dass die Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit politischer Werbung auf Plattformen der sozialen Medien auftreten, verdeutlichen, dass es einer Harmonisierung der Vorschriften für Wahlkampagnen in der gesamten Union bedarf, insbesondere weil die Wahl zum Europäischen Parlament de facto mit unionsweiten Kampagnen einhergeht, bei denen durch das Erfordernis, 27 verschiedenen Rechtsordnungen in ein und demselben digitalen Raum zu entsprechen, Hürden und Rechtsunsicherheit für politische Parteien und Bewegungen entsteht;

26.

fordert die Kommission und den Rat nachdrücklich auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um ausländische Einmischung wirksam zu bekämpfen, und umfassend mit dem neuen Sonderausschuss des Parlaments für ausländische Einmischung in sämtliche demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation (INGE) zusammenzuarbeiten und noch vor der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament dessen Empfehlungen vollständig Rechnung zu tragen, sobald dieser seine Schlussfolgerungen vorgelegt hat; legt der Kommission und dem Rat nahe, in diesen Fragen viel enger mit dem Parlament zusammenzuarbeiten, da der Schutz der demokratischen Institutionen der Union eine Kernkompetenz des Europäischen Parlaments ist;

27.

würdigt die wichtige Funktion europäischer politischer Parteien, Bewegungen und Stiftungen bei der Förderung einer politischen Debatte auf Unionsebene; weist jedoch darauf hin, dass sich europäische politische Parteien aufgrund von Einschränkungen auf Unionsebene und nationaler Ebene nicht in vollem Umfang an Wahlkämpfen bei Wahlen zum Europäischen Parlament beteiligen können; betont darüber hinaus, dass es ihnen nicht gestattet ist, in Referenden, die Angelegenheiten der Union betreffen, etwa internationale Handelsabkommen oder das britische Referendum 2016 über die Mitgliedschaft in der EU, Wahlkampf zu betreiben; fordert eine weitere Angleichung der Rechtsvorschriften auf nationaler Ebene und Unionsebene, um in der gesamten Union gleiche Bedingungen für die Wahl zum Europäischen Parlament zu schaffen; schlägt vor, die Erkennbarkeit der europäischen politischen Parteien und Bewegungen dadurch zu verbessern, dass ihre Namen und Logos auf den Wahlzetteln abgedruckt werden, und empfiehlt dasselbe Vorgehen auch bei allen sonstigen Materialien, die bei Wahlkämpfen bei Wahlen zum Europäischen Parlament verwendet werden;

28.

vertritt die Auffassung, dass die Wahlprogramme der europäischen politischen Parteien vor Wahlen bekannt sein sollten, was klare und transparente Wahlkampfvorschriften erfordert; hebt hervor, dass mit den Vorschriften für die Wahlen zum Europäischen Parlament die europäische Parteiendemokratie gefördert werden muss, und zwar unter anderem dadurch, dass bei Parteien, die bei Wahlen zum Europäischen Parlament antreten, das Logo der jeweiligen europäischen Partei neben dem Logo der nationalen Partei auf dem Wahlzettel abgebildet sein muss;

29.

schlägt vor, die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 über das Statut und die Finanzierung europäischer politischer Parteien und europäischer politischer Stiftungen (23) zu ändern, um es den europäischen politischen Parteien und den europäischen politischen Stiftungen zu ermöglichen, uneingeschränkt am politischen Raum der Union teilzuhaben, Wahlkampf zu führen, Wahlkampfgelder in Anspruch zu nehmen, bei Wahlen zum Europäischen Parlament anzutreten, die Transparenz ihrer Finanzierung zu verbessern — insbesondere wenn Mittel aus dem Haushalt der EU verwendet werden oder die Finanzierung von Mitgliedsparteien stammt — und Spenden von privaten und öffentlichen Einrichtungen aus Drittstaaten zu untersagen; betont jedoch, dass Mitgliedsbeiträge von Parteien aus den Ländern des Europarates zulässig sein könnten, um europaweite politische Bindungen zu fördern, sofern dies in einem Rahmen geschieht, in dem verstärkte Transparenz sichergestellt ist;

30.

weist darauf hin, dass die Wahlprogramme der europäischen Parteien im Vorfeld der Wahl 2019 noch immer kein relevanter Bestandteil der politischen Debatte waren; bedauert zutiefst, dass in einigen Fällen der Schwerpunkt der Debatte statt auf Unionsangelegenheiten auf nationale Themen ohne direkte Verbindung zur Politikgestaltung der Union gelegt wurde; ist der Ansicht, dass die Bedeutung von Wahlen zum Europäischen Parlament für die Union vor allem dadurch herausgestellt werden kann, dass den Bürgerinnen und Bürgern mehr Informationen über die von der Union getroffenen Entscheidungen und die Auswirkungen dieser Entscheidungen auf ihr tägliches Leben zur Verfügung gestellt werden;

31.

ist der Ansicht, dass die Einführung einer jährlichen Europäischen Woche, die gleichzeitig in allen nationalen Parlamenten stattfindet und Debatten zwischen Mitgliedern nationaler Parlamente, Mitgliedern der Europäischen Kommission, Mitgliedern des Europäischen Parlaments und Vertretern der Zivilgesellschaft über das Arbeitsprogramm der Kommission umfasst, die Entstehung miteinander vernetzter interparlamentarischer öffentlicher Räume sowie die Verbesserung der Vermittlung von Maßnahmen der Union auf nationaler Ebene befördern würde;

32.

fordert eine koordinierte Strategie auf Unionsebene, um die Medienberichterstattung über Wahlen zum Europäischen Parlament sicherzustellen, insbesondere indem dafür gesorgt wird, dass Debatten über die politischen Programme der verschiedenen europäischen politischen Kräfte stattfinden, dass bei Wahlen zum Europäischen Parlament antretende Kandidatinnen und Kandidaten aus mehreren Mitgliedstaaten eingeladen werden und dass über Wahlkampfveranstaltungen berichtet wird;

33.

fordert die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf, im Rahmen ihres Auftrags, die Öffentlichkeit zu informieren, Debatten zwischen den Spitzenkandidaten sowie zwischen Politikerinnen und Politikern, die für das Europäische Parlament kandidieren, zu veranstalten und zu übertragen;

34.

vertritt die Auffassung, dass das Ergebnis der Wahl zum Europäischen Parlament ein klares Signal für eingehende institutionelle Überlegungen ist, auf deren Grundlage die Bürgerinnen und Bürger, die Zivilgesellschaft und ihre Vertreter die Zukunft der Union gestalten können; hebt hervor, dass sich durch die COVID-19-Pandemie die Dringlichkeit eines institutionellen Reformprozesses auf Unionsebene erhöht hat; fordert daher alle institutionellen Partner auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und eine ambitionierte, interaktive und inklusive Konferenz zur Zukunft Europas abzuhalten, die den Bürgerinnen und Bürgern, der Zivilgesellschaft und ihren Vertretern offensteht und durch konkrete Ergebnisse die repräsentative Demokratie und die Widerstandsfähigkeit der EU stärkt; fordert die institutionellen Partner ferner auf, die Schlussfolgerungen der Konferenz weiterzubehandeln, die erhebliche Veränderungen in der Unionspolitik und im institutionellen Gefüge der Union bewirken und dem europäischen Aufbauwerk neuen Schwung verleihen dürften;

35.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Europäischen Rat, dem Rat, der Kommission und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  ABl. L 178 vom 16.7.2018, S. 1.

(2)  ABl. L 165 I vom 2.7.2018, S. 1.

(3)  ABl. L 129 vom 25.5.2018, S. 76.

(4)  ABl. L 114 I vom 4.5.2018, S. 1.

(5)  ABl. L 85 I vom 27.3.2019, S. 7.

(6)  ABl. L 304 vom 20.11.2010, S. 47.

(7)  ABl. C 366 vom 27.10.2017, S. 7.

(8)  ABl. C 252 vom 18.7.2018, S. 215.

(9)  ABl. C 252 vom 18.7.2018, S. 201.

(10)  ABl. C 390 vom 18.11.2019, S. 170.

(11)  ABl. C 463 vom 21.12.2018, S. 83.

(12)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0002.

(13)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0031.

(14)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0098.

(15)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0161.

(16)  Eurobarometer 91.5, „Umfrage nach der Wahl zum Europäischen Parlament 2019 — Hat die Wahl zum Europäischen Parlament eine neue Dimension erreicht?“, Europäisches Parlament, September 2019.

(17)  FEANTSA und Fondation Abbé-Pierre, „Fifth Overview of Housing Exclusion in Europe 2020“, Juli 2020.

(18)  ABl. C 118 vom 8.4.2020, S. 246.

(19)  ABl. C 463 vom 21.12.2018, S. 89.

(20)  Eurobarometer 91.5, September 2019.

(21)  Mitteilung der Kommission vom 19. Juni 2020 mit dem Titel „Bericht über die Wahlen zum Europäischen Parlament 2019“ — (COM(2020)0252).

(22)  ABl. L 329 vom 30.12.1993, S. 34.

(23)  ABl. L 317 vom 4.11.2014, S. 1.


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/107


P9_TA(2020)0328

Lage der Grundrechte in der Europäischen Union — Jahresbericht für die Jahre 2018 und 2019

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu der Lage der Grundrechte in der Europäischen Union — Jahresbericht für die Jahre 2018 und 2019 (2019/2199(INI))

(2021/C 425/12)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV) und den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

gestützt auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union („Charta“),

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNCRPD),

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (CRC),

unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR),

unter Hinweis auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen und die Ziele für nachhaltige Entwicklung,

unter Hinweis auf die Verweise auf die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union in den vorangegangenen Berichten,

gestützt auf Artikel 20 der Charta, der besagt, dass alle Personen vor dem Gesetz gleich sind,

gestützt auf Artikel 21 der Charta, der jegliche Diskriminierung verbietet,

unter Hinweis auf die Verpflichtung der EU gemäß Artikel 6 Absatz 2 EUV, der Europäischen Menschenrechtskonvention beizutreten,

unter Hinweis auf die Richtlinie 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (1) (im Folgenden „Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse“),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2),

unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (3),

unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (4),

unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (5),

unter Hinweis auf seine Plenardebatte in Straßburg über die dringend erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit in Europa, die am 13. Januar 2020 stattfand,

unter Hinweis auf Grundsatz 19 der europäischen Säule sozialer Rechte, der besagt, dass „Hilfsbedürftigen […] Zugang zu hochwertigen Sozialwohnungen oder hochwertiger Unterstützung bei der Wohnraumbeschaffung gewährt“ wird,

unter Hinweis auf das in Artikel 31 der überarbeiteten Europäischen Sozialcharta verankerte Recht auf Wohnung,

unter Hinweis auf Artikel 34 Absatz 3 der Charta, in der das Recht auf soziale Unterstützung und Unterstützung für die Wohnung zur Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Armut bekräftigt wird,

unter Hinweis auf den Bericht der Kommission von 2019 über Erwerbstätigenarmut (6),

unter Hinweis auf den Bericht der FRA mit dem Titel „Combating child poverty: an issue of fundamental rights“ (Bekämpfung der Kinderarmut: eine Frage der Grundrechte),

unter Hinweis auf die Resolution 2280 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 11. April 2019 mit dem Titel „The situation of migrants and refugees on the Greek islands“ (Die Lage von Migranten und Flüchtlingen auf den griechischen Inseln) (7),

unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 4. April 2019 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) (8),

unter Hinweis auf das in Artikel 2 der überarbeiteten Europäischen Sozialcharta verankerte Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen,

unter Hinweis auf Artikel 31 der Charta zu fairen und gerechten Arbeitsbedingungen,

unter Hinweis auf die Empfehlung des Rates vom 9. April 2019 zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (2019/C 136/01),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Oktober 2019 zu der Beschäftigungs- und Sozialpolitik des Euro-Währungsgebiets (9),

unter Hinweis auf die EU-Strategie für junge Menschen für 2019-2027, die auf der Entschließung des Rates vom 26. November 2018 basiert,

unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (10),

unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates (11),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (12),

unter Hinweis auf den Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat mit dem Titel „Zweiter Bericht über die Fortschritte bei der Bekämpfung des Menschenhandels (2018) gemäß Artikel 20 der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer“ (COM(2018)0777),

unter Hinweis auf den 8. Gesamtbericht über die Tätigkeiten der Expertengruppe für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) (13) und die Berichte der GRETA über die Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels durch alle Mitgliedstaaten (14),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 28. November 2018 an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank mit dem Titel „Ein sauberer Planet für alle — Eine Europäische strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft“ (COM(2018)0773) (15),

unter Hinweis auf Grundsatz 16 der europäischen Säule sozialer Rechte, wonach jede Person das Recht auf rechtzeitige, hochwertige und bezahlbare Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung hat,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. April 2016 zur Lage im Mittelmeerraum und zur Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes der EU für Migration (16),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Juli 2018 zu Leitlinien für Mitgliedstaaten, mit denen verhindert werden soll, dass humanitäre Hilfe kriminalisiert wird (17),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. Mai 2018 zum Schutz minderjähriger Migranten (18),

unter Hinweis auf die Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom Oktober 2014 zu Alternativen für Kinder zur Abschiebehaft (RES 2020),

unter Hinweis auf die Empfehlung der Menschenrechtskommissarin des Europarats vom Juni 2019 mit dem Titel „Lives saved. Rights protected. Bridging the protection gap for refugees and migrants in the Mediterranean“ (Leben gerettet. Rechte geschützt. Schließung der Lücken im Schutz von Flüchtlingen und Migranten im Mittelmeer) (19),

unter Hinweis auf den Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte über die Grundrechte (FRA) 2019 und auf die Aktualisierung vom Juni 2019 durch die FRA im Hinblick auf Schiffe von nichtstaatlichen Organisationen, die im Mittelmeer Such- und Rettungseinsätze durchführen und gegen die strafrechtlich ermittelt wird (20),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Oktober 2017 zu Strafvollzugssystemen und -bedingungen (21),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. Juni 2017 zur Bekämpfung von Antisemitismus (22),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. April 2015 anlässlich des Internationalen Roma-Tages — Antiziganismus in Europa und Anerkennung durch die EU des Tags des Gedenkens an den Völkermord an den Roma während des Zweiten Weltkriegs (23),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2017 zu Grundrechtsaspekten bei der Integration der Roma in der EU: Bekämpfung des Antiziganismus (24),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Februar 2019 zur Notwendigkeit eines verstärkten strategischen Rahmens der EU für nationale Strategien zur Integration der Roma und für eine intensivere Bekämpfung des Antiziganismus für die Zeit nach 2020 (25),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. September 2020 zu dem Thema: „Umsetzung der nationalen Strategien zur Integration der Roma: Bekämpfung der negativen Einstellung gegenüber Menschen mit Roma-Hintergrund in Europa“ (26),

unter Hinweis auf den Bericht der FRA mit dem Titel „Roma women in nine EU countries“ (Roma-Frauen in neun Ländern der EU),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. Mai 2018 zu der Freiheit und zum Pluralismus der Medien in der Europäischen Union (27),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. Februar 2018 zum Schutz und zur Nichtdiskriminierung von Minderheiten in den Mitgliedstaaten der EU (28),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. Juli 2016 zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unter besonderer Berücksichtigung der abschließenden Bemerkungen des Ausschusses der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen (29),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2018 zu der Nutzung der Daten von Facebook-Nutzern durch Cambridge Analytica und den Auswirkungen auf den Datenschutz (30),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2018 zur Zunahme neofaschistischer Gewalttaten in Europa (31),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. Oktober 2020 zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte (32),

unter Hinweis auf die legislative Entschließung vom 17. Januar 2019 zum Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten (33),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 17. Juli 2019 über die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in der Union — Ein Konzept für das weitere Vorgehen (COM(2019)0343),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 30. September 2020 mit dem Titel „Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020 — Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union“ (COM(2020)0580) und ihre 27 begleitenden Länderkapitel zur Rechtsstaatlichkeit in den einzelnen Mitgliedstaaten (SWD(2020)0300-0326), in der auf die Auswirkungen der von den Mitgliedstaaten ergriffenen COVID-19-Maßnahmen auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte eingegangen wird,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Februar 2019 zu den Rechten intersexueller Personen (34),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Februar 2019 zum Recht auf friedlichen Protest und zum verhältnismäßigen Einsatz von Gewalt (35),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. März 2019 zu den Grundrechten von Menschen afrikanischer Abstammung in Europa (36),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. November 2019 zur Kriminalisierung der Sexualerziehung in Polen (37),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. November 2019 zu den Rechten des Kindes anlässlich des 30. Jahrestags des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (38),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Februar 2019 zur Erfahrung von Gegenreaktionen gegen die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter in der EU (39),

unter Hinweis auf die Empfehlung (EU) 2018/951 der Kommission zu Standards für Gleichstellungsstellen (40),

unter Hinweis auf den Jahresbericht der Kommission 2018 über die Liste der Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Dezember 2019 zur öffentlichen Diskriminierung von und Hetze gegen LGBTI-Personen sowie zu LGBTI-freien Zonen (41),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 30. Mai 2018 zur Umsetzung der Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten (42),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Januar 2020 zu den laufenden Anhörungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV zu Polen und Ungarn (43),

unter Hinweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 19. Dezember 2017 in der Rechtssache A.R. und L.R. gegen die Schweiz (22338/15), in der bekräftigt wurde, dass eine umfassende Sexualerziehung die legitimen Ziele des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, des Schutzes der Kinder vor sexueller Gewalt und der Vorbereitung der Kinder auf die sozialen Realitäten verfolgt; daher wurde keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten anerkannt, den Eltern zu gestatten, ihre Kinder aus einer solchen Erziehung herauszunehmen,

unter Hinweis auf die EGMR-Rechtssache Sh.D. und andere gegen Griechenland, Österreich, Kroatien, Ungarn, Nordmazedonien, Serbien und Slowenien (44), in der bekräftigt wird, dass die extreme Gefährdung von Kindern Vorrang vor dem irregulären Status haben sollte und die erforderlichen Maßnahmen zu deren Schutz ergriffen werden sollten und dass die Behörden gegen Artikel 5 verstoßen haben, indem sie automatisch die Schutzhaftregelung angewandt haben, ohne Alternativen zur Inhaftierung in Betracht zu ziehen oder zu berücksichtigen, dass die Inhaftierung von Kindern laut EU-Recht zu vermeiden ist (45),

unter Hinweis auf die Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 3. Oktober 2019 zu geburtshilflicher und gynäkologischer Gewalt (RES 2306), in der die Versammlung die Mitgliedstaaten des Europarates auffordert, gynäkologische und geburtshilfliche Gewalt zu bekämpfen, und entsprechende Empfehlungen abgibt, sowie auf den entsprechenden Bericht des Ausschusses des Europarates für Gleichstellung und Nichtdiskriminierung vom 12. September 2019,

unter Hinweis auf das Themenpapier des Menschenrechtskommissars des Europarats von 2017 mit dem Titel „Women’s sexual and reproductive health and rights in Europe“ (Sexuelle und reproduktive Gesundheit und damit verbundene Rechte der Frau in Europa),

unter Hinweis auf den Bericht der Menschenrechtskommissarin des Europarats über ihren Besuch in Ungarn vom 4. bis 8. Februar 2019 (46),

unter Hinweis auf die Resolution 2299 (2019) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über „Pushback policies and practice in the Council of Europe members“ (Push-Back-Politik und -Praxis in den Mitgliedstaaten des Europarates) (47),

unter Hinweis auf die Berichte nationaler, europäischer und internationaler regierungsunabhängiger Organisationen sowie auf die Berichte der Menschenrechtskommissarin des Europarats,

unter Hinweis auf die Arbeiten der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), des Europarates und der Venedig-Kommission,

unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des EGMR,

unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, das am 11. Mai 2011 in Istanbul zur Unterzeichnung aufgelegt wurde (im Folgenden „Übereinkommen von Istanbul“),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. November 2019 zum Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul und zu weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt (48),

unter Hinweis auf die Arbeit des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, des Ausschusses für konstitutionelle Fragen, des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter und des Petitionsausschusses,

unter Hinweis auf den Jährlichen Bericht der Kommission über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union 2018 (49),

unter Hinweis auf die Grundrechteberichte 2018 und 2019 der FRA (50),

unter Hinweis auf die Studie der FRA mit dem Titel „Civil society space: views of organisations“ (Zivilgesellschaftlicher Raum: Sichtweisen von Organisationen) sowie den Bericht der FRA mit dem Titel „Challenges facing civil society organisations working on human rights in the EU“ (Herausforderungen für zivilgesellschaftliche Organisationen, die für die Menschenrechte in der EU eintreten),

gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen und des Petitionsausschusses,

unter Hinweis auf den Standpunkt des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter in Form von Änderungsanträgen,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0226/2020),

A.

in der Erwägung, dass die EU nicht nur eine Währungsunion, sondern auch eine soziale Union ist, wie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der Europäischen Sozialcharta und der europäischen Säule sozialer Rechte verankert ist; in der Erwägung, dass in Artikel 151 AEUV auf die sozialen Grundrechte, wie sie in der Europäischen Sozialcharta festgelegt sind, verwiesen wird; in der Erwägung, dass die EU eine Wertegemeinschaft ist, die auf der Achtung der Menschenwürde, auf Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit sowie auf der Achtung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören, beruht, wie in Artikel 2 EUV festgelegt, in der Charta wiedergegeben und in den internationalen Menschenrechtsabkommen verankert ist; in der Erwägung, dass die Charta Teil des Primärrechts der EU ist; in der Erwägung, dass die Union der EMRK immer noch nicht beigetreten ist, obwohl sie gemäß Artikel 6 Absatz 2 EUV dazu verpflichtet ist;

B.

in der Erwägung, dass diese Werte allen Mitgliedstaaten gemein sind und von der EU und von allen Mitgliedstaaten sowohl innenpolitisch als auch im auswärtigen Handeln durchgängig geachtet und tatkräftig gefördert werden sollten; in der Erwägung, dass die Achtung der Rechtsstaatlichkeit Grundvoraussetzung für den Schutz der Grundrechte ist und die Mitgliedstaaten in letzter Instanz die Verantwortung dafür tragen, die Menschenrechte aller Menschen zu schützen;

C.

in der Erwägung, dass die Kommission gemäß Artikel 17 EUV für die Anwendung der Verträge zu sorgen hat; in der Erwägung, dass die Weigerung durch einen Mitgliedstaat, das Unionsrecht, die Trennung der Gewalten, die Unabhängigkeit der Justiz und die Berechenbarkeit staatlicher Maßnahmen in vollem Umfang zu wahren, die Glaubwürdigkeit der EU untergräbt; in der Erwägung, dass eine unabhängige Justiz, die Freiheit der Meinungsäußerung, die Informationsfreiheit sowie Medienpluralismus wichtige Bestandteile der Rechtsstaatlichkeit sind;

D.

in der Erwägung, dass die EU in den Jahren 2018 und 2019 ernsthaften und vielfältigen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Schutz der Grundrechte, der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gegenüberstand, die alle untrennbar miteinander verbunden sind; in der Erwägung, dass das Eurobarometer Spezial der Europäischen Kommission vom März 2019 auf ein anhaltend geringes Bewusstsein für die Charta hindeutet; in der Erwägung, dass nach Angaben der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte im Jahr 2018 nicht nur Menschenrechtsverletzungen in der gesamten EU festgestellt wurden, sondern auch die Ablehnung der Systeme zum Schutz der Menschenrechte insgesamt (51);

E.

in der Erwägung, dass die Charta besser bekannt gemacht werden muss, z. B. durch Sensibilisierungskampagnen, um ihre Bestimmungen wirksamer zu machen und sie als positive Auslegungsquelle zu fördern; in der Erwägung, dass ein verstärkter Austausch von Informationen über Erfahrungen und Ansätze bei der Anwendung der Charta zwischen Richtern, Anwaltsverbänden und öffentlichen Verwaltungen innerhalb der Mitgliedstaaten sowie über die nationalen Grenzen hinaus, gegebenenfalls auch durch den Einsatz bestehender Finanzierungsinstrumente, wie sie beispielsweise im Programm „Justiz“ vorgesehen sind, sowie durch gezielte Fortbildungsprogramme für Angehörige der Rechtsberufe, von Nutzen sein könnte;

F.

in der Erwägung, dass Korruption eine schwerwiegende Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte darstellt und allen Mitgliedstaaten wie auch der EU insgesamt schadet; in der Erwägung, dass die Umsetzung des Rechtsrahmens für die Korruptionsbekämpfung in den einzelnen Mitgliedstaaten nach wie vor uneinheitlich ist;

G.

in der Erwägung, dass die Zunahme der prekären Beschäftigung sowie der Jugendarbeitslosigkeit zutiefst beunruhigend ist und zu langfristigen negativen Auswirkungen auf die in Artikel 31 der Charta verankerten Rechte führen kann;

H.

in der Erwägung, dass die Rechte des Kindes in der Charta verankert sind; in der Erwägung, dass das Wohl des Kindes bei allen Maßnahmen der EU ein entscheidender Gesichtspunkt sein sollte und der Grundsatz des Kindeswohls bei allen Rechtsvorschriften, gerichtlichen Entscheidungen und Regierungsbeschlüssen auf allen Ebenen uneingeschränkt beachtet werden sollte; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten das Recht auf Bildung für alle Kinder in der Europäischen Union gewährleisten und sie vor jeglicher Diskriminierung schützen sollten;

I.

in der Erwägung, dass geschlechtsbezogene Gewalt in all ihren Formen, einschließlich Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz, im häuslichen Umfeld und im Internet, eine Verletzung von Grundrechten darstellt, die alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen betrifft, unabhängig von Alter, Bildung, Einkommen, sozialer Stellung und Herkunfts- oder Wohnsitzland, und ein großes Hindernis für die Gleichstellung von Männern und Frauen darstellt; in der Erwägung, dass es immerhin elf Mitgliedstaaten gibt, die keine Daten zu weiblichen Opfern vorsätzlicher Tötungen durch den Lebenspartner oder durch Familienmitglieder zur Verfügung stellen (52);

J.

in der Erwägung, dass der EGMR festgestellt hat, dass verschiedene Arten der Umweltschädigung zur Verletzung der Menschenrechte führen können, darunter das Recht auf Leben, das Recht auf Privat- und Familienleben, das Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung und das Recht auf friedliche Nutzung der Wohnung (53); in der Erwägung, dass Fälle von Ungerechtigkeit im Umweltbereich regelmäßig mit Gesundheitsrisiken und negativen Folgen für das Wohlbefinden verbunden sind und dass bestimmte Gemeinschaften und Gruppen, einschließlich sozioökonomisch benachteiligter Gruppen, sowie schwarze Menschen, People of Colour und ethnische Minderheiten, unverhältnismäßig stark von Umweltbelastungen betroffen sind;

K.

in der Erwägung, dass der Zugang zur Justiz ein Grundrecht ist und die Nichtahndung von Straftaten ein großes Hindernis für die Genesung und den Schutz der Opfer darstellt;

L.

in der Erwägung, dass es seit einigen Jahren organisierte Rückschritte mit Blick auf die Rechte von Frauen und Mädchen gibt, wobei einige Mitgliedstaaten versuchen, die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte wieder einzuschränken, etwa den bestehenden Rechtsschutz für den Zugang von Frauen zur Betreuung bei einem Schwangerschaftsabbruch, unter anderem durch die Einführung von rückschrittlichen Bedingungen, bevor eine Abtreibung stattfinden kann, zum Beispiel verbindliche einseitige Beratungen oder Bedenkzeiten, und indem Hindernisse, die den Zugang zur Abtreibung beeinträchtigen, faktisch nicht ausgeräumt werden sowie durch Versuche, die Abtreibung vollständig zu verbieten oder bestehende Rechtsgrundlagen für eine Abtreibung abzuschaffen; in der Erwägung, dass es in einigen Mitgliedstaaten Versuche gibt, Sexualerziehung und Geschlechterstudien einzuschränken oder zu verbieten und Kampagnen gegen das Übereinkommen von Istanbul zu fördern, in denen die Existenz geschlechtsspezifischer Gewalt geleugnet wird; in der Erwägung, dass der Rückschlag gegen die Rechte von Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter oft mit einer allgemeinen Verschlechterung der Lage der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte verbunden ist;

M.

in der Erwägung, dass Fälle von gynäkologischer und geburtshilflicher Gewalt in mehreren Mitgliedstaaten zunehmend angeprangert werden (54); in der Erwägung, dass die Rechte der Frauen in all ihrer Vielfalt, darunter Roma-Frauen, schwarze Frauen, Women of Colour, LGBT-Frauen und Frauen mit Behinderungen, gemäß dem Vertrag geschützt sind; in der Erwägung, dass die Frauenrechte von Roma-Frauen besonders beeinträchtigt sind und sie in Einrichtungen der reproduktiven Gesundheitsfürsorge oftmals verschärften Formen verbaler, physischer, psychischer und rassistischer Belästigung ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass Roma in Gesundheitseinrichtungen für Mütter auch ethnische Segregation erfahren und in getrennten Räumen mit getrennten Badezimmern und Speiseräumen untergebracht werden; in der Erwägung, dass Roma in einigen Mitgliedstaaten systematisch der Zwangssterilisation unterzogen werden und für die daraus resultierenden Verletzungen ihrer Menschenrechte bislang keine angemessene Wiedergutmachung, einschließlich einer Entschädigung, erhalten konnten;

N.

in der Erwägung, dass in der EU Rassismus, Intoleranz, Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und romafeindliche Gefühle auf dem Vormarsch sind, dass sie in einigen Mitgliedstaaten schon zum Alltag gehören und dass sie von Meinungsmachern und Politikern in der gesamten EU aufgegriffen werden, wodurch ein soziales Klima gefördert wird, das einen fruchtbaren Boden für Rassismus, Diskriminierung und Hassstraftaten bietet; in der Erwägung, dass Muslime, einschließlich muslimische Frauen, in den Ländern der EU noch immer weit verbreiteter Feindseligkeit und Intoleranz ausgesetzt sind (55); in der Erwägung, dass die Agentur der EU für Grundrechte ihrem Bericht von 2019 darauf hingewiesen hat, dass es in vielen Ländern diskriminierende institutionelle Praktiken, Strategien und Gesetze gibt; in der Erwägung, dass der Kampf gegen den Terrorismus und die Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung nicht zu einer allgemeinen Diskriminierung bestimmter Gemeinschaften führen sollten; in der Erwägung, dass die FRA im Dezember 2018 die erste spezifische Datenbank zur Bekämpfung der Islamfeindlichkeit eingerichtet hat; in der Erwägung, dass der Antisemitismus anscheinend zunimmt, wie der Bericht der Agentur der EU für Grundrechte vom 4. Juli 2019 zeigt, wobei mehrere Mitgliedstaaten über eine Zunahme antisemitisch motivierter Straftaten berichten; in der Erwägung, dass ethnische und religiöse Minderheiten häufig verbalen, physischen, psychischen und rassisch motivierten Schikanen ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass die Entwicklung von Bildung und Ausbildung zur Förderung kritischen Denkens, zur Bereitstellung von Instrumenten zur Erkennung aller Formen von Diskriminierung und Intoleranz und zur Förderung der digitalen Kompetenz von entscheidender Bedeutung ist;

O.

in der Erwägung, dass die zunehmende Inanspruchnahme neuer Technologie, wie die vorausschauende Überwachung und der Einsatz von Gesichtserkennung, einige Risiken, insbesondere für ethnische Minderheiten in Europa, mit sich bringt;

P.

in der Erwägung, dass es einen massiven Rückschlag gegen LGBTI-Rechte gibt, was darin gipfelte, dass in einem Mitgliedstaat sogar „LGBTI-freie Zonen“ eingerichtet wurden (56);

Q.

in der Erwägung, dass sich die EU und die Mitgliedstaaten die Zuständigkeiten im Bereich Wohnraum teilen; in der Erwägung, dass sowohl eine Strategie auf nationaler als auch auf EU-Ebene erforderlich ist; in der Erwägung, dass durch Obdachlosigkeit den Menschen ihre Menschenrechte verwehrt werden und die Obdachlosigkeit selbst eine Verletzung der Menschenrechte darstellt; in der Erwägung, dass es in der gesamten EU einen Trend zu immer mehr Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit gibt (57),

R.

in der Erwägung, dass erschwinglicher Wohnraum in Europa heute trotz steigender Nachfrage kaum angeboten wird; in der Erwägung, dass jährliche Übersichten, die von der European Federation of National Organisations Working with the Homeless, FEANTSA) (Europäische Föderation der nationalen Organisationen, die mit Obdachlosen arbeiten) veröffentlicht werden, Anzeichen für eine zunehmende Obdachlosigkeit in fast der gesamten Region EU/EWR zu Tage förderten; in der Erwägung, dass die FEANTSA in ihrem Bericht 2018 feststellte, dass Kinder aufgrund der Verschlechterung der Lebensbedingungen extrem schutzbedürftiger Familien zur größten Gruppe von Menschen in Notunterkünften werden (58);

S.

in der Erwägung, dass die Freiheit der Meinungsäußerung sowie die Freiheit und die Pluralität der Medien in Artikel 11 der Charta und Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sind; in der Erwägung, dass eine unabhängige Justiz, die Meinungs- und Informationsfreiheit und der Pluralismus der Medien entscheidende Bestandteile der Rechtsstaatlichkeit und für das demokratische Funktionieren der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten von entscheidender Bedeutung sind;

T.

in der Erwägung, dass die Zahl der Drohungen und Angriffe auf Journalisten in der gesamten EU zunimmt (59); in der Erwägung, dass die OSZE u. a. angesichts des Umstands, dass in der OSZE-Region weniger als 15 % der Morde an Journalisten aufgeklärt werden, darauf hinweist, dass Straflosigkeit an der Tagesordnung ist (Bericht über die Medienfreiheit); in der Erwägung, dass dies eine deutliche Verschlechterung des Schutzes von Journalisten darstellt, was die Freiheit der Medien und die Meinungsfreiheit untergräbt und die Demokratie gefährdet;

U.

in der Erwägung, dass in der Entschließung des Parlaments zu der Freiheit und zum Pluralismus der Medien in der Europäischen Union betont wird, dass die Mitgliedstaaten und die Kommission keine unnötigen oder unverhältnismäßigen Maßnahmen erlassen dürfen, die den Zugang zum Internet und die Wahrnehmung der grundlegenden Menschenrechte beschränken oder die aufgrund der willkürlichen Verhängung eines Ausnahmezustands oder aus anderen Gründen die Übernahme der Kontrolle über die öffentliche Kommunikation zur Folge haben; in der Erwägung, dass diese Gesetze teilweise schwammig und ungenau formuliert sind, sodass die Strafverfolgungsbehörden einen breiten Ermessensspielraum bei der Umsetzung haben und ein erhöhtes Risiko für die willkürliche Einschränkung des Rechts auf friedliche Versammlung besteht;

V.

in der Erwägung, dass einige namhafte Unternehmen aus dem Bereich der sozialen Medien in den Jahren 2018 und 2019 nachweislich entgegen den geltenden Datenschutzgesetzen Drittanwendungen Zugang zu den personenbezogenen Daten von Nutzern gewährt haben und dass personenbezogene Daten zunehmend für die Verhaltensvorhersage und -manipulation missbraucht werden, unter anderem auch zu Zwecken des Wahlkampfs; in der Erwägung, dass Beeinträchtigungen der Grundrechte angesichts der ständig voranschreitenden technologischen Entwicklung ein bedenkliches Ausmaß annehmen können; in der Erwägung, dass verschiedene Informationssysteme Auswirkungen auf die Grundrechte, wie Datenschutz und das Recht auf Privatsphäre, haben können;

W.

in der Erwägung, dass Beeinträchtigungen der Grundrechte angesichts der ständig voranschreitenden technologischen Entwicklung schwer vorherzusehen sind; in der Erwägung, dass verschiedene Informationssysteme Auswirkungen auf die Grundrechte, wie Schwächen beim Datenschutz und Verstöße gegen das Recht auf Privatsphäre, haben können; in der Erwägung, dass die Interoperabilität dieser Systeme zu einem soliden und rechtzeitigeren Schutz unserer Bürger und daher auch ihrer Rechte führen kann, insbesondere in Fällen von vermissten Minderjährigen, Menschenhandel oder bei der Bekämpfung von Geldwäsche; in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen EU-Agenturen, die sich mit dem Thema Sicherheit befassen, für eine zeitnahe und wirksame Bekämpfung des Terrorismus und der Radikalisierung, aber auch für die Verhinderung von Cyberkriminalität entscheidend sind;

X.

in der Erwägung, dass Hinweisgeber und Journalisten in einer offenen und transparenten Demokratie eine entscheidende Rolle einnehmen; in der Erwägung, dass Hinweisgeber und Journalisten zur Förderung von Transparenz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beitragen, indem sie unrechtmäßiges oder missbräuchliches Verhalten melden, mit dem das öffentliche Interesse untergraben wird, zum Beispiel Korruptionsvorgänge, Straftaten oder Interessenkonflikte, die eine Bedrohung für die Rechte und Freiheiten der Bürger darstellen; in der Erwägung, dass die Weitergabe von Hinweisen (Whistleblowing) und Journalismus grundlegende Aspekte der Meinungs- und Informationsfreiheit sind; in der Erwägung, dass Journalisten und andere Medienschaffende in der EU einer Vielzahl von Angriffen und Bedrohungen sowie vielfältigem Druck von staatlicher wie auch nichtstaatlicher Seite ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass der angemessene Schutz von Journalisten und Hinweisgebern auf EU-, nationaler und internationaler Ebene sowie die Anerkennung der wichtigen Rolle, die Journalisten — insbesondere investigative Journalisten — und Hinweisgeber in der Gesellschaft spielen, Vorbedingungen dafür sind, dass sie diese Rolle auch wirksam spielen können;

Y.

in der Erwägung, dass in Artikel 11 der EMRK und Artikel 12 der Charta verankert ist, dass jede Person das Recht hat, sich frei und friedlich zu versammeln und sich frei zusammenzuschließen, was das Recht jeder Person umfasst, zum Schutz ihrer Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten; in der Erwägung, dass Versammlungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft eines der Instrumente ist, über welches die Menschen an der öffentlichen Debatte teilnehmen und gesellschaftliche Veränderungen bewirken können;

Z.

in der Erwägung, dass Polizeibeamte im Dienst stets identifizierbar sein müssen, um Ermittlungen bei möglichen Exzessen der Gewaltanwendung zu ermöglichen, und dass die nationalen Behörden die damit verbundenen Verantwortlichkeiten festlegen müssen; in der Erwägung, dass die Schwellen für die Anwendung von Gewalt und den Einsatz von Waffen durch Strafverfolgungsbehörden zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in den Mitgliedstaaten unterschiedlich hoch sind; in der Erwägung, dass mehrere Mitgliedstaaten (60) Gesetze erlassen haben, die zur unverhältnismäßigen Einschränkung des Rechts auf friedliche Versammlung führen könnten;

AA.

in der Erwägung, dass der Raum für die Zivilgesellschaft in einigen Mitgliedstaaten schrumpft; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten die Verantwortung dafür tragen sicherzustellen, dass die Rechte von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Menschenrechtsverteidigern nicht eingeschränkt werden und dass ein günstiges rechtliches und regulatorisches Umfeld vorhanden ist, wie in den jüngsten angenommenen Schlussfolgerungen des Rates zum Thema „Charta der Grundrechte nach zehn Jahren: Sachstand und künftige Arbeit“ bekräftigt wird; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen auch durch ausreichende finanzielle Mittel unterstützen und dafür sorgen sollten, dass Mechanismen für eine fruchtbare Zusammenarbeit mit ihnen vorhanden sind;

AB.

in der Erwägung, dass staatlich und nichtstaatlich finanzierte Kampagnen zur Diskreditierung von Menschenrechtsverteidigern und zivilgesellschaftlichen Organisationen mit ihren Strategien darauf abzielen, geltende Gesetze zu grundlegenden Menschenrechten aus den Angeln zu heben; in der Erwägung, dass diese Kampagnen häufig in den traditionellen Medien und sozialen Netzwerken aufgegriffen werden, während die Personen, die Migranten und Asylsuchende, LGBTI+-Gemeinschaften, Überlebende von geschlechtsbezogener Gewalt, Gläubige und religiöse Menschen sowie andere Randgruppen verteidigen, weiterhin kriminalisiert und stigmatisiert werden;

AC.

in der Erwägung, dass laut der Internationalen Organisation für Migration davon auszugehen ist, dass 1 885 Menschen im Jahr 2019 und 2 299 Menschen im Jahr 2018 auf ihrem Weg nach Europa im Mittelmeer zu Tode gekommen oder verschwunden sind; in der Erwägung, dass die Route von Libyen nach Europa nach wie vor die Migrationsroute mit der weltweit höchsten Zahl an Todesopfern ist (bisher 646 Todesopfer im Jahr 2019) und 2018 fünfmal tödlicher war als 2015, insbesondere aufgrund einer Verringerung der Such- und Rettungsmaßnahmen (SAR) vor der libyschen Küste (61); in der Erwägung, dass die Rettung von Leben ein Akt der Solidarität mit gefährdeten Personen, vor allem jedoch eine rechtliche Verpflichtung sowohl gemäß dem Völkerrecht — da nach Artikel 98 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ), das von allen Mitgliedstaaten und der Union selbst ratifiziert wurde, die Staaten sicherstellen müssen‚ dass jedem Menschen in Seenot Hilfe gewährt wird (62) — als auch nach Unionsrecht ist;

AD.

in der Erwägung, dass die Kriminalisierung von Solidarität weiterhin als Instrument eingesetzt wurde, um die Arbeit nichtstaatlicher Organisationen zu behindern, die versuchen, im Mittelmeer Leben zu retten; in der Erwägung, dass Personen, die Migranten und Asylsuchenden Hilfe geleistet haben, für diese Hilfeleistung in mehreren Ländern der EU angeklagt wurden, was ein Beleg für den besorgniserregenden Trend zur Kriminalisierung von humanitärer Hilfe für Migranten und Asylsuchende ist;

AE.

in der Erwägung, dass die EU nach dem EU-Recht und dem Völkerrecht verpflichtet ist, die Anträge derjenigen entgegenzunehmen und zu bearbeiten, die als Asylsuchende in die EU kommen; in der Erwägung, dass „Push-Backs“ eine Verletzung von Unionsrecht und Völkerrecht darstellen und Asylsuchende daran hindern, die darin fest verankerten rechtlichen Garantien in Anspruch zu nehmen; in der Erwägung, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarates große Besorgnis über die übereinstimmenden Berichte von gewaltsamen „Push-Backs“ geäußert hat;

AF.

in der Erwägung, dass Migration Teil der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der EU und eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist, die eindeutige Auswirkungen auf die Grundrechte hat; in der Erwägung, dass Asylsuchende das Recht und die Möglichkeit haben, ihren Asylantrag bei der Einreise in die EU an den offiziellen Grenzübergängen zu stellen; in der Erwägung, dass behauptet wird, dass die Grundrechte von Migranten und Asylsuchenden verletzt worden seien; in der Erwägung, dass die Grenzbeamten den Flüchtlingen angemessene Dienstleistungen anbieten müssen, wobei die besonderen Umstände von schutzbedürftigen Menschen wie Kindern, traumatisierten Menschen und Schwangeren zu berücksichtigen sind;

AG.

in der Erwägung, dass der Frauenanteil bei den illegalen Grenzübertritten an der EU-Außengrenze laut der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache im Jahr 2018 bei 18 % lag und nahezu jeder fünfte Migrant als Kind registriert wurde, von denen etwa 3 750 unbegleitet waren; in der Erwägung, dass diese Frauen und Kinder besonders gefährdet sind, wenn es um Grundrechtsverletzungen wie beispielsweise Menschenhandel geht; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten Kinderschutzsysteme aufbauen und stärken müssen, um Gewalt, Missbrauch, Vernachlässigung und Ausbeutung von Kindern zu verhindern bzw. darauf zu reagieren;

AH.

in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen sollten, dass Migranten- und Flüchtlingskinder unverzüglich nach ihrer Ankunft im Gebiet der Europäischen Union Zugang zu Bildung erhalten;

AI.

in der Erwägung, dass Terroranschläge einen der schwersten Verstöße gegen Grundrechte und Grundfreiheiten darstellen; in der Erwägung, dass es in den Jahren 2018 und 2019 in der Europäischen Union Akte zur Glorifizierung von Terrorismus und Huldigungen von Terroristen gegeben hat; in der Erwägung, dass diese Art von Akten dem Terrorismus Legitimität verleiht, unsere Demokratie bedroht und die Opfer demütigt;

Wirtschaftliche und soziale Rechte

1.

ist sich der Tatsache bewusst, dass die EU eine wichtige Rolle bei der Verhütung von Armut und sozialer Ausgrenzung in den Mitgliedstaaten spielt; betont, wie wichtig es ist, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten spezifische Programme zur Beendigung der Kinderarmut ausarbeiten, da die besonderen nachteiligen Auswirkungen der Armut auf die soziale, psychische und physische Entwicklung von Kindern sowie die gesundheitlichen Folgen für künftige erwachsene Generationen besonders berücksichtigt werden müssen; betont, dass bei Kindern ein unverhältnismäßig hohes Risiko der sozialen und wirtschaftlichen Ausgrenzung besteht, und dass sie der Verletzung ihrer Grundrechte durch Missbrauch, Gewalt, Ausbeutung, Armut und alle Formen der sozialen Ausgrenzung ausgeliefert sind; betont, dass Armut allein schon eine Form des sozialen Unrechts ist, die auf dem Geschlechtergefälle, der Diskriminierung und ungleichen Chancen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen beruht; fordert die Kommission und den Rat auf, bei der Ausarbeitung wirtschaftspolitischer Vorschläge die Grundrechte zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass in Zusammenhang mit allen Beschlüssen über ihre Annahme Folgenabschätzungen im Bereich der Menschenrechte durchgeführt werden, um mögliche nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte einzuschätzen; fordert die Mitgliedstaaten auf, für alle Menschen den gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu hochwertiger Bildung und zu Wohnraum sicherzustellen;

2.

betont, dass erhebliche Kürzungen der Staatsausgaben für öffentliche Dienstleistungen schwerwiegende Auswirkungen auf die Ungleichheiten hatten, die das soziale Gefüge der EU in vielen Mitgliedstaaten tief greifend beeinträchtigt haben, und dass dies auch heute noch anhält — wodurch die bereits zunehmenden Ungleichheiten noch verschärft und die Grundrechte verletzt werden — und insbesondere Frauen, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Kinder, Migranten, Roma, Fahrende, LGBTI+ und Menschen aus anderen benachteiligten Gruppen betrifft; bekräftigt, dass sich die makroökonomische Politik nicht nur am Wirtschaftswachstum, sondern auch an sozialen Standards orientieren muss um zu gewährleisten, dass die Schwächsten in der Gesellschaft ihre sozialen, politischen und wirtschaftlichen Rechte uneingeschränkt wahrnehmen können; betont, dass der gleichberechtigte Zugang zu hochwertiger Bildung und Beschäftigung sowie Chancengleichheit eine entscheidende Rolle dabei spielen, Ungleichheit abzubauen und Menschen aus der Armut zu führen; erkennt die Bedeutung von Arbeitnehmerrechten wie Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub an, die dazu beitragen, ein gesundes, stabiles Umfeld für Kinder zu schaffen; fordert die Mitgliedstaaten auf, Gesetze zum Schutz und zur Stärkung dieser Rechte zu verabschieden, die zur sozialen und wirtschaftlichen Stabilität von Familien beitragen; fordert die Mitgliedstaaten auf, angemessene Arbeitsbedingungen und Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung und Diskriminierung zu gewährleisten, insbesondere für die Gruppen, die am stärksten gefährdet sind, solchen Ungleichheiten ausgesetzt zu sein, wie etwa junge Menschen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Umsetzung der Jugendgarantie zu verstärken und sicherzustellen, dass alle jungen Menschen Zugang zu hochwertigen Beschäftigungs-, Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten haben und dass diese Angebote gleichmäßig auf die Mitgliedstaaten und Regionen verteilt sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Gleichbehandlungsrichtlinie für den Bereich Beschäftigung vollständig umzusetzen, um einen gleichberechtigten Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten unabhängig von religiöser Überzeugung, Alter, Behinderung und sexueller Ausrichtung sicherzustellen;

3.

betont, dass Wohnraum nicht nur eine Ware, sondern eine Notwendigkeit ist, da Bürger, denen er vorenthalten wird, nicht in vollem Umfang an der Gesellschaft teilhaben und nicht alle ihre Grundrechte wahrnehmen können; ist besorgt über die Tatsache, dass vor allem junge Menschen aufgrund steigender Wohnkosten um ihren Wohnraum gebracht werden, und bedauert Fälle von Diskriminierung durch Vermieter und eine Politik, durch die das Wohngeld für junge Menschen gekürzt wird; ist beunruhigt darüber, dass bis zu einem Drittel aller Obdachlosen in den meisten EU-Mitgliedstaaten zwischen 18 und 29 Jahren alt sind; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlungen umzusetzen, welche die Menschenrechtskommissarin des Europarates in ihrem Kommentar vom 23. Januar 2020 mit dem Titel „The right to affordable housing: Europe’s neglected duty“ (Das Recht auf bezahlbaren Wohnraum: Europas vernachlässigte Pflicht) ausgesprochen hat, insbesondere die Empfehlung, dass alle Mitgliedstaaten unverzüglich akzeptieren sollten, dass sie an Artikel 31 der überarbeiteten Europäischen Sozialcharta über das Recht auf Wohnung gebunden sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, das Recht auf angemessenen Wohnraum für die Bürgerinnen und Bürger zu einer Priorität ihrer Sozialpolitik zu machen und die Investitionen in sozialen und erschwinglichen Wohnraum zu verstärken, um der übermäßigen Belastung durch Wohnkosten entgegenzuwirken, insbesondere zum Schutz benachteiligter und gefährdeter Gruppen; fordert die Kommission auf, die gemäß der Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse verbotene Diskriminierung beim Zugang zu Wohnraum hinreichend zu untersuchen und im Falle von Verstößen Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten;

4.

hebt Artikel 37 der Charta hervor, in dem bekräftigt wird, dass ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität in die Politik der Union einbezogen werden müssen; betont die dringende Notwendigkeit, relevante Umweltbelange in den Entscheidungsprozess aller politischen Maßnahmen und Initiativen einzubeziehen, und ist der Auffassung, dass die Nachhaltigkeit das Leitprinzip für jede makroökonomische Politik sein muss, um den gerechten Übergang zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft zu gewährleisten und gleichzeitig nachhaltige Beschäftigung zu schützen und zu schaffen und um mit einer der größten Bedrohungen für die Menschheit fertig zu werden; fordert die EU-weite Anwendung des Übereinkommens von Aarhus, in dem Umweltrechte und Menschenrechte miteinander verknüpft werden; betont, dass Umweltschäden und die fehlende Bereitstellung von Informationen durch einige öffentliche Behörden über ernsthafte Umweltrisiken, denen die Menschen ausgesetzt sind, schwere gesundheitsschädliche Folgen für die Menschen haben können;

5.

erinnert daran, dass für den Schutz und die Verbesserung der menschlichen Gesundheit gemäß Artikel 6 AEUV die Mitgliedstaaten der Union zuständig sind;

Recht auf Gleichbehandlung

6.

betont erneut, dass Frauen und Mädchen selbst über ihren Körper und ihre Sexualität bestimmen können müssen; fordert die Mitgliedstaaten auf, für umfassende Sexualerziehung, den Zugang von Frauen und Mädchen zur Familienplanung und zum gesamten Spektrum der Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, einschließlich moderner Methoden der Empfängnisverhütung und des sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruchs, zu sorgen;

7.

verurteilt den derzeit auf globaler und europäischer Ebene wahrnehmbaren und organisierten Rückschlag gegen die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte der Frauen, einschließlich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte; bekräftigt mit Nachdruck, dass die Verweigerung von Leistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte eine Form von Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist, und hebt hervor, dass der EGMR wiederholt entschieden hat, dass durch restriktive Abtreibungsgesetze und die Verhinderung des Zugangs zu legalen Abtreibungen die Menschenrechte von Frauen verletzt werden; weist erneut darauf hin, dass das Recht von Frauen oder Mädchen auf Zugang zu Behandlungen im Bereich der reproduktiven Gesundheit nicht dadurch verletzt werden darf, dass medizinische Fachleute sich aus persönlichen Gründen weigern, das gesamte Spektrum der Dienstleistungen im Bereich der reproduktiven und sexuellen Gesundheit zu erbringen; fordert die Kommission auf, die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte in ihre Grundrechtsstrategie aufzunehmen;

8.

verurteilt zutiefst die alarmierende Zahl an Frauenmorden in der EU, der extremsten Form von Gewalt gegen Frauen; bedauert, dass in einigen Mitgliedstaaten diesbezüglich keine Daten zur Verfügung stehen, was zeigt, dass es kein Bewusstsein für diese Problematik gibt; fordert den Rat auf, die Ratifizierung des Übereinkommens von Istanbul zur Vorbeugung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt durch die EU auf der Grundlage eines breit angelegten und uneingeschränkten Beitritts umgehend abzuschließen; fordert den Rat und die Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, mit Nachdruck auf, die Ratifizierung des Übereinkommens von Istanbul abzuschließen;

9.

verurteilt mit Nachdruck alle Formen sexueller, gynäkologischer und geburtshilflicher Gewalt gegen Frauen, wie unangemessene oder nicht einvernehmliche Handlungen, schmerzhafte Eingriffe ohne Betäubung, weibliche Genitalverstümmelungen, erzwungene Abtreibung, Zwangssterilisation und erzwungene Leihmutterschaft;

10.

verurteilt scharf die ethnische Segregation von Roma-Frauen in Gesundheitseinrichtungen für Mütter; fordert die Mitgliedstaaten auf, unverzüglich alle Formen der ethnischen Segregation in Gesundheitseinrichtungen, einschließlich der Einrichtungen für die Gesundheitsversorgung von Müttern, zu untersagen; fordert die Mitgliedstaaten auf, rechtzeitig wirksame Rechtsmittel für alle Überlebenden von Zwangssterilisationen zu gewährleisten, auch durch die Einrichtung wirksamer Entschädigungsregelungen;

11.

verurteilt Hassstraftaten und Hetze sowie Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, ethnischer oder sozialer Herkunft, Sprache, Religion oder Weltanschauung, politischer Meinung, Minderheitenstatus, Behinderung, sexueller Ausrichtung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmalen; weist erneut mit Sorge darauf hin, dass Hetze im Internet nach wie vor ein weit verbreitetes und dringendes Problem sind; warnt vor dem zunehmenden Ausmaß und der Banalisierung von Hetze und verschiedenen Formen von Rassismus, wie Islamophobie, Zigeunerfeindlichkeit, Antisemitismus, sowie Rassismus gegen schwarze Menschen und People of Colour in vielen Mitgliedstaaten, die durch das Aufkommen extremistischer Bewegungen und ihrer Rhetorik sowie durch Regierungsvertreter oder politische Führer in bestimmten Mitgliedstaaten, die hasserfüllte Diskurse nutzen, noch verstärkt werden, indem sie sich rassistischer, fremdenfeindlicher oder gegen LGBTI gerichteter Rhetorik bedienen; ist besorgt darüber, dass Hassstraftaten von den Opfern kaum jemals zur Anzeige gebracht werden, da ihnen nur unzulänglicher Schutz geboten wird und die Behörden in den Mitgliedstaaten nicht in der Lage sind, ordnungsgemäß zu ermitteln und die Täter wegen Hassstraftaten gerichtlich zu belangen; weist nachdrücklich darauf hin, dass es notwendig ist, die Opfer zu ermutigen und ihnen zu erleichtern, Hassstraftaten und Fälle von Diskriminierung anzuzeigen, und dass sie ausreichend geschützt und unterstützt werden müssen; erinnert daran, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen sollten, dass Hassstraftaten und Hetze wirksam aktenkundig gemacht, untersucht, strafrechtlich verfolgt und vor Gericht gebracht werden; fordert die Kommission und die Agentur für Grundrechte auf, ihre Arbeit zur Überwachung von Hassstraftaten und Hetze gegen Minderheiten in den Mitgliedstaaten fortzusetzen und regelmäßig über Fälle und Tendenzen Bericht zu erstatten;

12.

erinnert daran, dass es in der Europäischen Union Angriffe auf christliche Kultstätten oder andere mit dem Christentum in Verbindung stehende Orte wie Kirchen, Friedhöfe, Denkmäler und Statuen gegeben hat; verurteilt alle Angriffe auf Christen und fordert die Gleichbehandlung von Christen in Europa und weltweit;

13.

erinnert an die Verpflichtung der Organe und sonstigen Stellen der EU, in Bezug auf alle Bürger das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Religion oder der Weltanschauung, einschließlich philosophischer Überzeugungen, in der Öffentlichkeit und im privaten Bereich uneingeschränkt zu wahren; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Glaubensfreiheit zu schützen und die EU-Leitlinien zu ihrer Förderung und ihrem Schutz wirksam umzusetzen;

14.

ist äußerst besorgt darüber, dass die Förderung des Faschismus in mehreren Mitgliedstaaten zwar gemäß nationalem Recht verboten ist, neofaschistische Bewegungen jedoch in einigen Mitgliedstaaten immer sichtbarer dadurch werden, dass sie faschistische Symbole und Rhetorik verwenden; ist zutiefst besorgt darüber, dass Faschismus in der gesamten EU zunehmend als normal empfunden wird; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ein wirksames Verbot von neofaschistischen und neonazistischen Gruppierungen und jeglichen sonstigen Stiftungen oder Vereinigung, die den Nationalsozialismus und Faschismus verherrlichen, auszusprechen;

15.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die vollständige Umsetzung der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse sicherzustellen, um den anhaltenden Rassismus gegen schwarze Menschen und People of Colour sowie Transphobie, Zigeunerfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamophobie zu bekämpfen; verurteilt die Tatsache, dass rassische, ethnische, sprachliche und religiöse Minderheiten unter strukturellem Rassismus, Diskriminierung, Hassstraftaten und Hetze, einem Mangel an Zugang zur Justiz und anhaltenden sozioökonomischen Ungleichheiten in Bereichen wie Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung und Bildung leiden, was als großes Hindernis für die uneingeschränkte Ausübung der Grundrechte und maßgebliche Barriere für Inklusion und Gleichstellung anerkannt werden muss;

16.

fordert die rasche Verabschiedung der vorgeschlagenen Gleichbehandlungsrichtlinie aus dem Jahr 2008, die noch vom Rat gebilligt werden muss, um die derzeitige Schutzlücke im EU-Rechtsrahmen in Bezug auf die Nichtdiskriminierung aus Gründen des Alters, einer Behinderung, der Religion oder Weltanschauung oder der sexuellen Ausrichtung in Schlüsselbereichen des Lebens, wie Sozialschutz, Bildung und Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, zu schließen; fordert die Kommission auf, Segregation und Diskriminierung — auch durch die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren — aktiv zu bekämpfen und die wirksame Anwendung des Rahmenbeschlusses zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu fördern; erinnert daran, dass diese Maßnahmen von angemessenen nationalen Integrationsstrategien begleitet werden sollten;

17.

erinnert daran, dass das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (VN-BRK) die Chancengleichheit in Bezug auf Barrierefreiheit, Teilhabe, Gleichstellung, Beschäftigung, allgemeine und berufliche Bildung, sozialen Schutz, Gesundheit und Maßnahmen der EU im Außenbereich sicherstellen soll; betont, dass Menschen mit Behinderungen im Hinblick auf Beschäftigung, Bildung und soziale Inklusion noch immer benachteiligt sind und diskriminiert werden; hebt in diesem Zusammenhang den Stellenwert der Barrierefreiheit von öffentlichen Räumen, eines Mindestprozentsatzes in Bezug auf die Einstellung von Menschen mit Behinderungen und der Gewährleistung der inklusiven Bildung unter besonderer Berücksichtigung von Kindern mit Behinderungen, darunter der Zugang zu Initiativen wie Erasmus+, hervor;

18.

fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Kinder vor jeder Art von Diskriminierung im Bildungsbereich geschützt werden; fordert insbesondere, dass Kinder, deren Behinderung mit Problemen der Sprachentwicklung verbunden ist, wie z. B. Autismus-Spektrum-Störung, besonders geschützt werden, wenn ihre Ausbildung in einem mehrsprachigen Umfeld stattfindet, damit sie, wenn die Familien dies wünschen, in ihrer Muttersprache unterrichtet werden können;

Freiheiten

19.

fordert die Mitgliedstaaten auf, eine dynamische, unabhängige, pluralistische und freie Medienbranche zu schützen und zu entwickeln; verurteilt in diesem Zusammenhang Maßnahmen, die darauf abzielen, kritische Medien zum Schweigen zu bringen und die Freiheit und den Pluralismus der Medien zu untergraben, und zwar auch auf raffinierte Weise, die in der Regel nicht dazu führt, dass die Plattform des Europarates zum Schutz des Journalismus und zur Sicherheit von Journalisten eine Warnmeldung erhält; äußert sich besorgt darüber, dass staatlich kontrollierte Stellen eingerichtet werden, die große Teile der Medienlandschaft eines Landes verwalten, und dass man sich öffentlich-rechtlicher Medien bemächtigt, damit sie parteiischen Interessen dienen; erinnert daran, dass dort, wo das Medieneigentum weiterhin stark konzentriert ist, sei es in staatlicher oder privater Hand, ein erhebliches Risiko für die Vielfalt der in den Medieninhalten vertretenen Informationen und Standpunkte besteht; erinnert daran, dass die Meinungs- und Informationsfreiheit, einschließlich der Freiheit der künstlerischen Meinungsäußerung, und die Medienfreiheit von grundlegender Bedeutung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind, und fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Unabhängigkeit ihrer für die Medien zuständigen Behörden zu gewährleisten; erinnert daran, dass das Recht, Informationen und Ideen entweder mündlich, schriftlich oder gedruckt, in Form von Kunst oder durch andere Medien zu suchen, zu erhalten und weiterzugeben, ein Bestandteil der Freiheit der künstlerischen Meinungsäußerung ist (63);

20.

erinnert daran, dass dem investigativen Journalismus in einer demokratischen Gesellschaft eine grundlegende Wächterrolle zukommt, durch die die öffentliche Aufsicht über politische Akteure, auch im Bereich der Korruption, gestärkt wird; verurteilt, dass Gewalt, Drohungen und Einschüchterungen gegen Journalisten in vielen Mitgliedstaaten, auch im Zusammenhang mit der Verbreitung von Informationen über Verstöße gegen die Grundrechte, anhalten und noch zunehmen, was häufig zu Selbstzensur führt und das Recht der Bürger auf Information untergräbt; verlangt von der Kommission, einen Vorschlag für starke und umfassende Mechanismen zum Schutz und zur Stärkung der Redefreiheit und der Medienfreiheit sowie zur Verbesserung des Schutzes von Journalisten vorzulegen, unter anderem durch die Gewährleistung von Transparenz bezüglich der Eigentumsverhältnisse bei Medien, die Annahme einer EU-weiten Richtlinie gegen den Einsatz von taktischen Klagen gegen öffentliche Kritik (SLAPP), die Schaffung eines ständigen EU-Fonds für unabhängige Medien und investigative Journalisten und die Einrichtung eines Krisenreaktionsmechanismus für Journalisten in Gefahr; fordert die Mitgliedstaaten auf, Angriffe auf investigative Journalisten bei der Ausübung ihrer Arbeit zu verhindern und zu bestrafen;

21.

unterstreicht die entscheidende Rolle von Hinweisgebern bei der Wahrung des öffentlichen Interesses und der Förderung einer Kultur der öffentlichen Rechenschaftspflicht und Integrität sowohl in öffentlichen als auch in privaten Institutionen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2019/1937, unverzüglich und vollständig in nationales Recht umzusetzen, damit die Richtlinie nach ihrem Inkrafttreten größtmögliche Wirkung entfaltet; empfiehlt den Mitgliedstaaten, solche Maßnahmen zu ergänzen, um Hinweisgeber auch in den Fällen zu schützen, in denen sie Verstöße melden, die nicht in den Geltungsbereich des EU-Rechts fallen;

22.

bringt seine Besorgnis über die Bedrohung zum Ausdruck, die verschiedene Formen von Propaganda und Fehlinformation für die Rede- und Meinungsfreiheit und die Unabhängigkeit der Medien darstellen, sowie über die negativen Auswirkungen, die sie auf die Qualität der politischen Debatte und auf die Beteiligung der Bürger in einer demokratischen Gesellschaft haben könnten; fordert die Kommission auf, die Stärkung der Medienkompetenz zu fördern und in sie zu investieren, Qualitätsjournalismus aktiv zu unterstützen und den Datenschutz zu fördern sowie ein transparenteres Online-Umfeld zu schaffen und gleichzeitig die Freiheit und den Pluralismus der Medien zu wahren;

23.

betont, dass politisches Profiling, Desinformation und Informationsmanipulation eine Bedrohung für die demokratischen Werte der EU darstellen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, einen Beitrag zur Entwicklung der Bildung und zur Erziehung zu kritischem Denken zu leisten, damit sich die Bürger ihre eigene Meinung bilden können, um diesen Gefahren zu begegnen;

24.

betont, dass Strafverfolgungsbeamte bei der Ausübung ihrer Pflichten die Menschenwürde achten und schützen und die Menschenrechte aller Personen wahren und aufrechterhalten müssen; betont, dass die vorrangige Aufgabe von Polizeikräften darin besteht, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass Proteste friedlich verlaufen; verurteilt die Anwendung von Gewalt und das unverhältnismäßige Eingreifen durch Strafverfolgungsbehörden bei friedlichen Demonstrationen; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass jede Anwendung von Gewalt durch Strafverfolgungsbehörden stets rechtmäßig, verhältnismäßig, notwendig und das letzte Mittel ist und dass das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Menschen dabei geschützt werden; fordert die zuständigen nationalen Behörden auf, in Fällen, in denen die Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt vermutet wird oder behauptet wurde, für eine transparente, unparteiische, unabhängige und wirksame Untersuchung zu sorgen und Straffreiheit zu vermeiden; weist darauf hin, dass Strafverfolgungsbehörden bezüglich der Erfüllung ihrer Pflichten und der Einhaltung des jeweiligen rechtlichen und operativen Rahmens stets uneingeschränkt rechenschaftspflichtig sind;

25.

verurteilt nachdrücklich die zunehmenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, und zwar auch, wenn gerade Wahlen stattfinden; fordert die Mitgliedstaaten auf, von der Verabschiedung restriktiver Gesetze zur Versammlungsfreiheit abzusehen, und ermutigt die EU und ihre Mitgliedstaaten, weitere Schritte zu unternehmen, um die Versammlungsfreiheit als ein Grundrecht und als ein Grundprinzip demokratischer Prozesse zu sichern und zu schützen; fordert die Kommission auf, diese Rechte im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsstandards auf aktive Weise zu fördern;

26.

erinnert an die wesentliche Rolle, die die Zivilgesellschaft auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene sowie auf Ebene der EU bei der Vertretung der Interessen der Bürger und Bürgerinnen, bei der Verstärkung der Stimme der Minderheiten, die nicht angemessen vertreten sind, und bei der Verteidigung und Förderung der in Artikel 2 EUV verankerten Grundsätze spielt; betont, dass für ein günstiges Umfeld für zivilgesellschaftliche Organisationen gesorgt werden muss, in dem sie frei von Angriffen und ohne unnötige oder willkürliche Einschränkungen arbeiten können;

27.

ist zutiefst besorgt über den zunehmend schrumpfenden Raum für eine unabhängige Zivilgesellschaft in einigen Mitgliedstaaten, insbesondere für Frauenrechtsorganisationen, LGBTI-Organisationen und Menschenrechtsverteidiger, einschließlich des unangemessenen Verwaltungsaufwands, der schwindenden finanziellen Unterstützung für die Lobbyarbeit sowie der Einschränkungen der Versammlungs- und Organisationsfreiheit; verurteilt die Beschränkungen des Zugangs zu Finanzmitteln für zivilgesellschaftliche Organisationen, die in einigen Mitgliedstaaten einen eher systemischen Charakter in Form von Gesetzesänderungen oder Änderungen der Politik aufweisen und die Arbeit und die rechtliche Stellung dieser Organisationen ernsthaft beeinträchtigen; fordert die Kommission und den Rat auf, die Unterstützung der EU für Organisationen der Zivilgesellschaft, die die in Artikel 2 EUV verankerten Werte in der Europäischen Union verteidigen, über das Programm „Rechte und Werte“ zu verstärken, das, wie vom Europäischen Parlament gefordert, mit erheblichen finanziellen Mitteln ausgestattet werden sollte;

28.

beharrt darauf, dass eine regelmäßige und umfassende Überwachung und Analyse von entscheidender Bedeutung ist, um zu verstehen, mit welchen Herausforderungen die Zivilgesellschaft in ganz Europa konfrontiert ist; fordert die Kommission auf, einschlägige Indikatoren bezüglich des zivilgesellschaftlichen Raums sowie der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit in künftige jährliche Berichte über die Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen, einen Aktionsplan zum Schutz und zur Förderung der Zivilgesellschaft vorzuschlagen, einschließlich der Annahme von Leitlinien für die Anwendung der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit sowie der Freiheit der friedlichen Versammlung und für den Schutz gefährdeter Menschenrechtsverteidiger, und einen Notfonds zu ihrem Schutz einzurichten; begrüßt den Vorschlag für eine Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 168/2007 des Rates vom 15. Februar 2007 zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (64) und betont, dass ihr Mandat nach einer gründlichen Folgenabschätzung gestärkt und erweitert werden muss; ermutigt die Kommission, den Rat und das Europäische Parlament, die von der FRA erstellten Daten systematisch bei der Politikgestaltung zu nutzen;

29.

räumt ein, dass in Gemeinschaften, in denen Euroskeptizismus vorherrscht, schwerwiegende Probleme entstehen können, insbesondere, wenn dort auch gewaltbereite politische Ansichten vertreten werden, und fordert die EU und die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, die aktive Beteiligung der EU-Bürger in EU-Angelegenheiten zu fördern, vor allem unter jungen Menschen, damit ihre Ansichten über demokratische Kanäle zur Sprache gebracht werden können;

30.

hebt hervor, dass die politische Bildung und der interkulturelle Dialog eine wichtige Rolle spielen, um das Verständnis der EU-Bürger für ihre politische Teilhabe zu verbessern; fordert, dass die EU-Bürger besser über ihre Rechte aufgeklärt werden;

31.

stellt fest, dass neue Techniken für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Verhaltensvorhersage und -manipulation zunehmend Auswirkungen auf die Grundrechte von Milliarden von Menschen in der EU und weltweit haben, insbesondere auf die Rechte auf Privatsphäre, Datenschutz, Information sowie Freiheit und Pluralismus der Medien; fordert in diesem Zusammenhang private Akteure und die zuständigen Behörden nachdrücklich auf, die uneingeschränkte Anwendung des EU-Datenschutzrechts und der Rechtsvorschriften zum Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass der Einzelne versteht, wann und wie seine personenbezogenen Daten zu welchen Zwecken verarbeitet werden und wie er gegen die Datenverarbeitung Einspruch erheben und Beschwerden einlegen kann, um sein Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten und der Privatsphäre zu schützen;

32.

fordert die Kommission auf, Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten einzuleiten, deren Gesetze zur Umsetzung der für ungültig erklärten Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung nicht aufgehoben wurden, um sie mit der Rechtsprechung des EuGH in Einklang zu bringen (65);

33.

unterstreicht die potenziellen Gefahren für die Grundfreiheiten und die Sicherheit im Hinblick auf den Einsatz neuer Technologien, insbesondere von Systemen der künstlichen Intelligenz (KI), einschließlich der Risiken im Zusammenhang mit dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre, bioethischer Bedenken im Zusammenhang mit dem Einsatz der KI im Gesundheitswesen, möglicher direkter und indirekter Diskriminierung und Voreingenommenheit, die Vorurteilen und Marginalisierung sowie der Verbreitung von Desinformationen potenziell Vorschub leisten; weist darauf hin, dass Verzerrungen, die in Datensätzen und bei der Gestaltung und dem Betrieb dieser Systeme auftreten, zu verzerrten Ergebnissen führen können, insbesondere wenn sie von Strafverfolgungsbehörden verwendet werden, was dazu führen kann, dass diese Systeme bestehende gesellschaftliche, persönliche und andere Vorurteile reproduzieren und zu Diskriminierung aufgrund von sozialen, wirtschaftlichen, ethnischen oder rassischen Faktoren sowie von die sexuelle Ausrichtung, das Geschlecht oder einen Behindertenstatus betreffenden Faktoren oder von anderen Motiven führen kann; betont, dass angesichts der Entwicklung neuer Technologien weitere Schutzmaßnahmen erforderlich sind, um den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz zu gewährleisten, und dass etwaige Auswirkungen auf die Grundrechte berücksichtigt werden müssen; fordert die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten auf, sich mit der entstehenden „digitalen Kluft“ zu befassen, insbesondere in den Bereichen öffentliche Verwaltung und Dienstleistungen; betont, dass ältere Menschen zusammen mit sozioökonomisch benachteiligten Personen zu den am stärksten von der „digitalen Kluft“ betroffenen Gruppen gehören; betont, dass beim Umgang mit KI der Mensch im Mittelpunkt stehen und sichergestellt werden sollte, dass menschliche Werte bei der Art und Weise, wie KI-Systeme entwickelt, eingesetzt, genutzt und überwacht werden, im Zentrum stehen, indem die Achtung der in den Verträgen und in der Charta festgelegten Grundrechte sichergestellt wird; fordert die Kommission auf, Gesetzgebungsvorschläge für einen koordinierten europäischen Ansatz zur KI vorzulegen, der sich an den von der Hochrangigen Expertengruppe der Kommission für KI (AI HLEG) ausgearbeiteten Ethikleitlinien für eine vertrauenswürdige KI orientiert;

34.

begrüßt die Initiativen und Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich der Sicherheit und zur Erarbeitung einer Strategie, mit der die EU wirksam auf Terrorismus und Sicherheitsbedrohungen in der Europäischen Union reagieren kann; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, vorbehaltlos zusammenzuarbeiten und den Informationsaustausch untereinander und mit den im Bereich Justiz und Inneres tätigen Agenturen der EU zu verbessern; hebt hervor, dass es wichtig ist, die Grundrechte bei der Terrorismusbekämpfung zu achten; betont, wie wichtig es ist, dass die Aufsichtsmechanismen im Bereich der Nachrichtendienste im Einklang mit der Charta und der EMRK stehen; fordert von den für die Gewährung von Schutzmechanismen zuständigen Einrichtungen, dass sie dafür sorgen, eine nachfolgende Viktimisierung aufgrund von Demütigungen und Angriffen auf das Persönlichkeitsbild der Opfer, die aus mit dem Angreifer verbundenen sozialen Bereichen kommen, zu verhindern;

35.

betont, dass Antidiskriminierungsvorschriften weiterhin eine Schlüsselkomponente jeder Strategie zur Verhinderung von Radikalisierung und zur Entradikalisierung derjenigen, die bereits Mitglieder extremistischer Organisationen sind, darstellen; weist erneut darauf hin, dass die Mitgliedstaaten mit kontinuierlicher Unterstützung der Kommission ihre Anstrengung zur Verhinderung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus verstärken müssen, indem sie europäische Werte, Toleranz und Gemeinschaft fördern;

Grundrechte von Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen

36.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlung der Menschenrechtskommissarin des Europarates vom Juni 2019 mit dem Titel „Lives saved. Rights protected. Bridging the protection gap for refugees and migrants in the Mediterranean“ (Leben gerettet. Rechte geschützt. Schließung der Lücken im Schutz von Flüchtlingen und Migranten im Mittelmeer) umzusetzen; weist erneut darauf hin, dass sich der Verlust von Menschenleben am besten dadurch vermeiden lässt, dass sichere und legale Wege für Migration geschaffen werden; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Umsiedlungsmaßnahmen zu intensivieren, humanitäre Korridore in die EU einzurichten und die Möglichkeit für Asylsuchende einzuführen, humanitäre Visa zu beantragen;

37.

betont, wie wichtig ein striktes Management der Außengrenzen in der EU ist;

38.

äußert große Besorgnis über die übereinstimmenden Berichte von gewaltsamen „Push-Back“-Aktionen durch Strafverfolgungsbehörden in mehreren Mitgliedstaaten; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Fälle zu untersuchen und wirksame Maßnahmen zu ergreifen um sicherzustellen, dass solche Maßnahmen und Praktiken abgeschafft werden, unter anderem durch die Gewährleistung der unabhängigen Überwachung der Grenzkontrolltätigkeiten durch bestehende nationale Menschenrechtsinstitutionen (Ombudsmann-Institutionen, nationale Menschenrechtsinstitutionen, nationale Mechanismen zur Verhütung von Folter), die von der EU und internationalen Gremien (Menschenrechtskommissar des Europarates, CPT, ECRI, FRA) unterstützt werden, und durch die Sicherstellung, dass EU-Mittel nicht zur Begehung von Grundrechtsverletzungen verwendet werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, das Völkerrecht und das EU-Recht sowie die Charta zu achten, um einen breiten Rahmen zu schaffen, der eine geordnete Migration ermöglicht und verhindert, dass Migranten gezwungen werden, irreguläre Migrationskanäle zu nutzen;

39.

verurteilt die Tatsache, dass einige Mitgliedstaaten Gesetze, politische Maßnahmen und Praktiken eingeführt haben, die den wirksamen Schutz der Menschenrechte von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten an Land und auf See untergraben; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Menschenrechte von Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen sowie das Prinzip der geteilten Verantwortung in den Mittelpunkt ihrer Migrations- und Asylpolitik zu stellen; bringt seine tiefe Besorgnis über die humanitäre Lage in Hotspots zum Ausdruck; fordert die Kommission auf, dringend eine Lösung für die eklatanten Menschenrechtsverletzungen in Aufnahmezentren für Flüchtlinge und Migranten auf europäischem Boden zu vorzuschlagen;

40.

betont, dass die Rettung von Leben eine rechtliche Verpflichtung gemäß dem Völkerrecht und dem Unionsrecht darstellt; verurteilt die Einschüchterungen, Verhaftungen und Strafverfahren, die in einigen Mitgliedstaaten gegen Organisationen und Einzelpersonen der Zivilgesellschaft eingeleitet wurden, weil sie Migranten, deren Leben in Gefahr war, humanitäre Hilfe geleistet haben; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Akte humanitärer Hilfe nicht nach dem Zusatzprotokoll der Vereinten Nationen gegen die Schleusung von Migranten kriminalisiert werden;

41.

betont, dass Migranten ohne gültige Ausweispapiere in der Lage sein sollten, ihre grundlegenden Rechte unabhängig von ihrem rechtlichen oder administrativen Status uneingeschränkt auszuüben; erinnert daran, dass Frauen und Kinder sich zu sexuellen Aktivitäten gezwungen sehen können, um Schutz oder grundlegende, das Überleben sichernde Unterstützung zu erhalten, und dass dies oftmals darauf zurückzuführen ist, dass Lücken in den Hilfsmaßnahmen bestehen, die Registrierungssysteme versagen, das Kindeswohl nicht geachtet wird, Familien getrennt werden oder keine sicheren und legalen Wege für die Einreise in die EU existieren;

42.

weist besonders darauf hin, dass Kinder fast ein Drittel der Asylsuchenden ausmachen und deshalb besonders schutzbedürftig sind; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, ihre Anstrengungen zu intensivieren um zu verhindern, dass unbegleitete Minderjährige Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung werden;

43.

fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, genügend Mittel bereitzustellen, um das Geschäftsmodell der Menschenhändlerringe und Schleuser, das die schutzbedürftigsten Gruppen wie Kinder und Frauen in lebensbedrohliche Situationen bringt, zu untergraben und viele vor dem Risiko zu bewahren, sich auf gefährliche und unkontrollierte Migrationsrouten zu begeben, auf denen sie keinen Zugang zu einem offiziellen Asylverfahren erhalten;

44.

bekräftigt, dass die Inhaftierung von Kindern bei der Einwanderung im Einklang mit der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten niemals dem Wohl des Kindes dient; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, die Maßnahmen zur Beendigung der Ingewahrsamnahme von Kindern, insbesondere im Zusammenhang mit der Migration in der EU, zu verstärken und gemeindenahe Alternativen zur Ingewahrsamnahme zu entwickeln und der Integration, Bildung und psychologischen Unterstützung Vorrang einzuräumen; betont, dass ein unbegleitetes Kind in erster Linie ein potenziell gefährdetes Kind ist und dass beim Umgang mit Kindern nicht die Migrationspolitik, sondern der Schutz der Kinder als Leitprinzip für die Mitgliedstaaten und die Europäische Union dienen muss, damit das Grundprinzip des Vorrangs des Kindeswohls gewahrt bleibt;

Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung

45.

bekräftigt, dass Korruption eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Gleichbehandlung aller Bürger darstellt; betont den Zusammenhang zwischen Korruption und Verletzungen der Grundrechte in einer Reihe von Bereichen wie Unabhängigkeit der Justiz, Medienfreiheit und Meinungsfreiheit von Journalisten und Informanten, Haftanstalten, Zugang zu sozialen Rechten oder Menschenhandel (66);

46.

fordert die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten auf, entschlossen gegen Korruption vorzugehen und wirksame Instrumente für die Verhinderung, Bekämpfung und Sanktionierung von Korruption und Betrug und für die regelmäßige Überwachung der Verwendung öffentlicher Mittel zu entwickeln; fordert die Kommission auf, ihre jährliche Überwachung und Berichterstattung in Bezug auf die EU-Organe und Mitgliedstaaten betreffende Korruptionsbekämpfung unverzüglich wiederaufzunehmen; fordert alle Mitgliedstaaten auf, den Empfehlungen der GRECO nachzukommen;

47.

betont, dass das organisierte Verbrechen in erster Linie durch Korruption ermöglicht wird; verurteilt aus Schärfste die Zunahme des Menschenhandels und fordert die Mitgliedstaaten und die EU-Institutionen nachdrücklich auf, die Zusammenarbeit zu verstärken und ihren Kampf gegen das organisierte Verbrechen zu intensivieren;

48.

bekräftigt die Unterstützung des Parlaments für die Einrichtung einer effizienten, unabhängigen und uneingeschränkt einsatzbereiten Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA), um den Kampf gegen Betrug in der Europäischen Union zu verstärken;

49.

betont, dass die Rechtsstaatlichkeit einen Eckpfeiler der Demokratie bildet, die Gewaltenteilung aufrechterhält, Rechenschaftspflicht sicherstellt, zum Vertrauen in die öffentlichen Institutionen beiträgt und die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, der Rechtssicherheit, des Verbots der Willkür der Exekutive, der richterlichen Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit und der Gleichheit vor dem Gesetz sicherstellt; betont, dass insbesondere die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz entscheidend dafür sind, dass die Bürger ihre Grundrechte und -freiheiten wahrnehmen können; weist darauf hin, dass das Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Artikel 47 der Charta den Zugang zu einem „unabhängigen“ Gericht erfordert; betont, dass politische Einflussnahme auf die Justiz oder ihre Kontrolle und ähnliche Hindernisse für die Unabhängigkeit einzelner Richter häufig dazu führen, dass die Justiz ihrer Rolle als unabhängige Kontrolle der willkürlichen Machtausübung durch die Exekutive und die Legislative nicht gerecht werden kann; verurteilt den Missbrauch des Justizsystems für politische Zwecke mit dem Ziel, politisch Andersdenkenden zu schaden, ihnen die Legitimität abzusprechen und sie zum Schweigen zu bringen;

50.

erinnert an die inhärente Verbindung, die zwischen Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten besteht, und an die Notwendigkeit, das Bewusstsein für die in Artikel 2 EUV und in der Charta verankerten Werte durch die Bereitstellung von Informationen über die Rechte der Bürger zu schärfen;

51.

verurteilt nachdrücklich die Bemühungen der Regierungen einiger Mitgliedstaaten, die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz zu schwächen; bringt seine tiefe Besorgnis insbesondere über Entscheidungen zum Ausdruck, die den Vorrang des europäischen Rechts in Frage stellen, und fordert die Kommission auf, alle verfügbaren Mittel zu nutzen, um gegen diese Angriffe vorzugehen;

52.

fordert die Kommission auf, alle Verstöße gegen Artikel 2 EUV, insbesondere solche, die die Grundrechte betreffen, im Rahmen ihres angekündigten Überprüfungszyklus zur Rechtsstaatlichkeit zeitnah zu behandeln; weist erneut darauf hin, dass ein EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, wie vom Parlament vorgeschlagen, dringend erforderlich ist und dass dieser eine jährliche unabhängige, faktengestützte und diskriminierungsfreie Überprüfung umfassen muss, bei der die Einhaltung von Artikel 2 EUV durch alle Mitgliedstaaten bewertet wird; betont, dass Verstöße gegen Artikel 2 EUV das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten untergraben und die grenzüberschreitende justizielle Zusammenarbeit vereiteln;

53.

bedauert den mangelnden Fortschritt bei den laufenden Verfahren nach Artikel 7 im Rat trotz Berichten und Erklärungen der Kommission, der Vereinten Nationen, der OSZE und des Europarates, aus denen hervorgeht, dass sich die Lage in den betroffenen Mitgliedstaaten verschlechtert hat; fordert den Rat auf, bei seinen Anhörungen zum Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 die Lage der Grundrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit zu berücksichtigen; weist darauf hin, dass das Europäische Parlament von diesen laufenden Anhörungen nicht ausgeschlossen werden darf;

54.

fordert die Kommission und den Rat auf, alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente voll auszuschöpfen, um den Risiken schwerwiegender Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit zu begegnen und die laufenden Verfahren nach Artikel 7 voranzubringen; weist darauf hin, dass die Unwirksamkeit der Maßnahmen der EU zum Schutz der Grundrechte die Gesamtheit des EU-Rechts und der darauf beruhenden Bürgerrechte gefährdet und die Glaubwürdigkeit der EU schwächt;

Haftbedingungen

55.

ist beunruhigt über die unwürdigen Haftbedingungen in bestimmten Mitgliedstaaten; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die sich aus dem Völkerrecht und den Normen des Europarates ergebenden Haftvorschriften zu achten; weist darauf hin, dass die Untersuchungshaft als Ausnahmemaßnahme gedacht ist, die nur in den Fällen angewendet werden darf, in denen sie unbedingt notwendig und verhältnismäßig ist, und dass sie so kurz wie möglich sein muss, und bedauert die fortgesetzte übermäßige Anwendung der Untersuchungshaft anstelle von alternativen Maßnahmen, die keinen Freiheitsentzug umfassen; erinnert daran, dass schutzbedürftige Gruppen von Häftlingen wie Frauen, Jugendliche, ethnische Minderheiten, LGBTI-Häftlinge, Häftlinge mit Bedarf an psychischer Gesundheitsversorgung oder schwerkranke Häftlinge besondere Bedürfnisse haben, denen Rechnung getragen werden muss; fordert die Kommission auf, gemeinsame EU-Standards für Haftbedingungen festzulegen, um die Rechte der Gefangenen zu schützen und angemessene Haftbedingungen in der EU zu fördern;

Beitritt der EU zur EMRK

56.

weist auf die in Artikel 6 EUV verankerte Verpflichtung hin, der EMRK beizutreten; fordert die Kommission auf, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die rechtlichen Hindernisse zu beseitigen, die den Abschluss des Beitrittsprozesses verhindern, und einen neuen Entwurf für ein Abkommen über den Beitritt der EU zur EMRK vorzulegen; ist der Auffassung, dass mit seinem Abschluss weitere Garantien für den Schutz der Grundrechte der Bürger und Einwohner der EU eingeführt werden und ein zusätzlicher Mechanismus zur Durchsetzung der Menschenrechte bereitgestellt wird, nämlich die Möglichkeit, beim EGMR Beschwerde in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen einzulegen, die sich aus Handlungen eines EU-Organs oder eines Mitgliedstaats ergeben, mit denen EU-Recht umgesetzt wird, und die in den Anwendungsbereich der EMRK fallen;

o

o o

57.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

(1)  ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.

(2)  ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16.

(3)  ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 55.

(4)  ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17.

(5)  ABl. L 264 vom 25.9.2006, S. 13.

(6)  https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=89&furtherNews=yes&langId=de&newsId =9378

(7)  http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=27678&lang=en

(8)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0350.

(9)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0033.

(10)  ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 105.

(11)  ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 79.

(12)  ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1.

(13)  https://rm.coe.int/8th-/168094b073

(14)  https://www.coe.int/en/web/anti-human-trafficking/country-monitoring-work

(15)  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018DC0773&from=EN.

(16)  ABl. C 58 vom 15.2.2018, S. 9.

(17)  ABl. C 118 vom 8.4.2020, S. 130.

(18)  ABl. C 41 vom 6.2.2020, S. 41.

(19)  https://rm.coe.int/lives-saved-rights-protected-bridging-the-protection-gap-for-refugees-/168094eb87

(20)  https://fra.europa.eu/en/publication/2019/2019-update-ngo-ships-involved-search-and-rescue-mediterranean-and-criminal

(21)  ABl. C 346 vom 27.9.2018, S. 94.

(22)  ABl. C 307 vom 30.8.2018, S. 183.

(23)  ABl. C 328 vom 6.9.2016, S. 4.

(24)  ABl. C 346 vom 27.9.2018, S. 171.

(25)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0075.

(26)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0229.

(27)  ABl. C 41 vom 6.2.2020, S. 64.

(28)  ABl. C 463 vom 21.12.2018, S. 21.

(29)  ABl. C 101 vom 16.3.2018, S. 138.

(30)  ABl. C 345 vom 16.10.2020, S. 58.

(31)  ABl. C 345 vom 16.10.2020, S. 22.

(32)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0251.

(33)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0349.

(34)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0128.

(35)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0127.

(36)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0239.

(37)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0058.

(38)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0066.

(39)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0111.

(40)  ABl. L 167 vom 4.7.2018, S. 28.

(41)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0101.

(42)  ABl. C 76 vom 9.3.2020, S. 114.

(43)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0014.

(44)  Antrag Nr. 141165/16, Urteil vom 13. Juni 2019.

(45)  https://www.asylumlawdatabase.eu/en/content/ecthr-shd-and-others-v-greece-austria-croatia-hungary-northern-macedonia-serbia-and-slovenia

(46)  https://rm.coe.int/report-on-the-visit-to-hungary-from-4-to-8-february-2019-by-dunja-mija/1680942f0d.

(47)  http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-EN.asp?fileid=28074&lang=en

(48)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0080.

(49)  Europäische Kommission, Bericht über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union 2018. https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/784b02a4-a1f2-11e9-9d01-01aa75ed71a1/language-en

(50)  Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), Grundrechtebericht 2018/Grundrechtebericht 2019:

(51)  https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2018-frf-2018-chair-statement_en.pdf

(52)  https://eige.europa.eu/sites/default/files/documents/20190390_mh0419039enn_pdf.pdf

(53)  https://www.coe.int/en/web/commissioner/-/living-in-a-clean-environment-a-neglected-human-rights-concern-for-all-of-us

(54)  http://www.assembly.coe.int/LifeRay/EGA/Pdf/TextesProvisoires/2019/20190912-ObstetricalViolence-EN.pdf

(55)  https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2017-eu-minorities-survey-muslims-selected-findings_en.pdf

(56)  In Polen wurden LGBT-freie Zonen eingeführt — https://atlasnienawisci.pl/

(57)  https://www.coe.int/en/web/commissioner/-/the-right-to-affordable-housing-europe-s-neglected-duty

(58)  https://www.feantsa.org/download/full-report-en1029873431323901915.pdf

(59)  https://rm.coe.int/annual-report-2018-democracy-in-danger-threats-and-attacks-media-freed/1680926453

(60)  Menschenrechtskommissarin des Europarats, Shrinking space for freedom of peaceful assembly (Schrumpfender Raum für die Versammlungsfreiheit), Europarat, Straßburg, 2019.

(61)  https://www.iom.int/news/iom-mediterranean-arrivals-reach-110699-2019-deaths-reach-1283-world-deaths-fall

(62)  Siehe auch die Verpflichtungen, die im Internationalen Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS 1974), im Internationalen Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See (SAR 1979) und im Internationalen Bergungsübereinkommen (1989) festgeschrieben sind.

(63)  Urteil des EGMR vom 24. Mai 1988, Rechtssache Müller u. a./Schweiz, Randnrn. 27, 33; Urteil des EGMR vom 8. Juli 1999, Rechtssache Karatas/Türkei; Urteil des EGMR vom 22. Oktober 2007, Rechtssache Lindon, Otchakovsky-Laurens und Juli/Frankreich

(64)  ABl. L 53 vom 22.2.2007, S. 1.

(65)  Verbundene Rechtssachen C-203/15 und C-698/15 –Tele2 Sverige, und verbundene Rechtssachen C-293/12 und C-594/12 — Digital Rights Ireland.

(66)  https://rm.coe.int/factsheet-human-rights-and-corruption/16808d9c83


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/126


P9_TA(2020)0329

Verschlechterung der Menschenrechtslage in Algerien, insbesondere der Fall des Journalisten Khaled Drareni

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu der Verschlechterung der Menschenrechtslage in Algerien, insbesondere dem Fall des Journalisten Khaled Drareni (2020/2880(RSP))

(2021/C 425/13)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Algerien, insbesondere vom 28. November 2019 zur Lage der Freiheiten in Algerien (1) und vom 30. April 2015 zur Inhaftierung von Menschenrechts- und Arbeitnehmerrechtsaktivisten in Algerien (2),

unter Hinweis auf den EU-Jahresbericht 2019 über Menschenrechte und Demokratie in der Welt vom 15. Juni 2020,

unter Hinweis auf das Themenpapier der Internationalen Juristenkommission mit dem Titel „Flawed and inadequate: Algeria’s Constitutional Amendment Process“ (Fehlerhaft und unzulänglich — Der Prozess der Verfassungsänderung in Algerien), das im Oktober 2020 veröffentlicht wurde,

unter Hinweis auf das gemeinsame Schreiben von 31 lokalen, regionalen und internationalen Organisationen der Zivilgesellschaft vom 29. September 2020, in dem das harte Vorgehen gegen die algerische Zivilgesellschaft angeprangert wird,

unter Hinweis auf die vier Mitteilungen der Sonderverfahren des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen über willkürliche und gewaltsame Festnahmen, unfaire Gerichtsverfahren und Repressalien gegen Menschenrechtsverteidiger und friedliche Aktivisten, die der algerischen Regierung zwischen dem 30. März und dem 16. September 2020 übermittelt wurden,

unter Hinweis auf das Assoziierungsabkommen EU-Algerien und insbesondere auf Artikel 2, in dem festgelegt ist, dass die Wahrung der Grundsätze der Demokratie und die Achtung der Menschenrechte, von denen sich die Vertragsparteien in ihrer Innen- und Außenpolitik leiten lassen, wesentlicher Bestandteil des Abkommens sind,

unter Hinweis auf die 11. Tagung des Assoziationsrats EU-Algerien,

unter Hinweis auf die von Algerien und der Europäischen Union am 13. März 2017 im Rahmen der überarbeiteten Europäischen Nachbarschaftspolitik angenommenen gemeinsamen Partnerschaftsprioritäten,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 19. November 2020 zum EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie 2020 — 2024 und insbesondere auf dessen Mechanismus der EU für Menschenrechtsverteidiger, der geschaffen wurde, um Journalisten und Medienschaffende zu schützen und zu unterstützen,

unter Hinweis auf das algerische Strafgesetzbuch, insbesondere auf die Artikel 75, 79, 95 bis, 98, 100, 144, 144 bis, 144 bis 2, 146 und 196 bis,

unter Hinweis auf die Leitlinien der EU zu Menschenrechtsverteidigern, zur Todesstrafe, zu Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und zur freien Meinungsäußerung online und offline sowie auf den Strategischen Rahmen und den Aktionsplan der EU für Menschenrechte und Demokratie,

unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR), das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (UNCAT) sowie das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, die alle vier von den Mitgliedstaaten der EU und von Algerien ratifiziert wurden,

unter Hinweis auf die Stellungnahme 7/2000 zur Inhaftierung von Fadel Breika, die von der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen (UNWGAD) angenommen wurde,

unter Hinweis auf die dritte allgemeine regelmäßige Überprüfung zu Algerien, die der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen auf seiner 36. Tagung vom 21./22. September 2017 gebilligt hat,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,

unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (ACHPR),

unter Hinweis auf die von Reporter ohne Grenzen erstellte Rangliste der Pressefreiheit 2020,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 und die Erklärung der Vereinten Nationen über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung,

gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass Algerien ab Februar 2019 als Reaktion auf die Aussicht auf eine fünfte Amtszeit des damaligen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika eine beispiellose Protestbewegung (Hirak) erlebt hat; in der Erwägung, dass friedliche Demonstrationen gegen die Korruption der Regierung und für einen bürgerlichen Staat, eine unabhängige Justiz, demokratische Reformen, Transparenz und einen inklusiven Rahmen zur Vorbereitung freier Wahlen regelmäßig freitags und dienstags im ganzen Land stattfanden und ein ganzes Jahr lang, auch während des Wahlprozesses, andauerten; in der Erwägung, dass diese bedeutenden wöchentlichen Demonstrationen wegen der COVID-19-Pandemie im März 2020 freiwillig eingestellt wurden, auch wenn die Protestbewegung in den sozialen Medien weiterging;

B.

in der Erwägung, dass in Algerien nach dem Rücktritt von Präsident Bouteflika vom 2. April 2019 als Reaktion auf die Hirak-Bewegung und die beiden darauffolgenden Wahlverschiebungen, bei denen die militärische Führung eine besonders große Rolle spielte, am 12. Dezember 2019 Präsidentschaftswahlen stattfanden, bei denen der ehemalige Premierminister Abdelmadjid Tebboune zum Präsidenten gewählt wurde; in der Erwägung, dass die Hirak-Bewegung die Kandidatenliste wegen der Verbindungen von Kandidaten zur früheren Regierung kritisiert und die Wahlen, bei denen die offizielle Wahlbeteiligung bei unter 40 % lag, boykottiert hat;

C.

in der Erwägung, dass die politisch motivierten Verhaftungen und willkürlichen Inhaftierungen von friedlichen Mitgliedern der Hirak-Bewegung und Gewerkschaftsaktivisten sowie Journalisten seit Sommer 2019 zugenommen haben, was einen Verstoß gegen die Grundrechte auf ein faires Verfahren und ein ordnungsgemäßes Rechtsverfahren darstellt; in der Erwägung, dass Zensur, Gerichtsverfahren und strenge Bestrafung unabhängiger Medien, die häufig der Verschwörung mit ausländischen Mächten gegen die nationale Sicherheit beschuldigt werden, sich trotz des offiziellen Endes der Regierung Bouteflika weiter verschlimmern; in der Erwägung, dass die zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eingeführten Einschränkungen im Interesse der Sicherheit zu verschärften Kontrollen beigetragen haben und von den Behörden dazu genutzt werden, den zivilgesellschaftlichen Raum weiter einzuengen, den friedlichen Ausdruck abweichender Meinungen einzuschränken sowie die Redefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu behindern;

D.

in der Erwägung, dass vor diesem Hintergrund der Repression, die derzeit in Algerien herrscht, immer mehr Vorwürfe von Folter erhoben werden, die in den Polizeidienststellen und in der Generaldirektion für Innere Sicherheit (DGSI) in Algier stattfinden soll, wie im Fall des Gefangenen Walid Nekkiche;

E.

in der Erwägung, dass der algerischen Regierung zwischen dem 30. März und dem 16. April 2020 von den Sonderverfahren der Vereinten Nationen drei Mitteilungen im Zusammenhang mit willkürlichen und gewaltsamen Verhaftungen, unfairen Gerichtsverfahren und Repressalien gegen Menschenrechtsverteidiger und friedliche Aktivisten sowie am 27. August 2020 eine vierte Mitteilung betreffend Mohamed Khaled Drareni übermittelt wurden;

F.

in der Erwägung, dass Mohamed Khaled Drareni, ein Korrespondent von TV5 Monde, Vertreter von Reporter ohne Grenzen (RSF) und Leiter des Nachrichtenportals Casbah Tribune, im August 2020 zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe von 50 000 algerischen Dinaren verurteilt wurde, weil er Polizeikräfte bei einem Angriff auf Demonstranten gefilmt hatte; in der Erwägung, dass die gegen ihn erhobenen offiziellen Anschuldigungen auf „Anstiftung zu einer unbewaffneten Versammlung“ und die „Untergrabung der Integrität des nationalen Hoheitsgebiets“ lauteten; in der Erwägung, dass seine Strafe am 15. September 2020 im Berufungsverfahren auf zwei Jahre Haft verkürzt wurde; in der Erwägung, dass die Sonderberichterstatter und die Arbeitsgruppe der Sonderverfahren der Vereinten Nationen am 16. September 2020 seine Haftstrafe aufs Schärfste verurteilt und die algerischen Behörden aufgefordert haben, für seine sofortige Freilassung zu sorgen, und seine Verurteilung als einen eindeutigen Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht auf friedliche Versammlung und die Vereinigungsfreiheit bezeichnet haben;

G.

in der Erwägung, dass Mohamed Khaled Drareni über die zweimal wöchentlich stattfindenden Hirak-Proteste seit ihrem Beginn im Februar 2019 berichtete; in der Erwägung, dass seine Tätigkeit zur Aufdeckung des harten Vorgehens der algerischen Regierung gegen friedliche Versammlungen und freie Meinungsäußerung dazu geführt hat, dass er wegen seiner Berichterstattung über die Hirak-Proteste vor seiner Verurteilung dreimal, und zwar am 14. Mai 2019, am 9. August 2019 und am 9. Januar 2020 festgenommen, verhört und eingeschüchtert wurde und Regierungsbeamte in zwei Fällen versucht haben, ihn zu bestechen; in der Erwägung, dass ihm mitgeteilt wurde, seine letzte Inhaftierung diene als letzte Warnung, bevor die Justiz mit seinem Fall befasst werde; in der Erwägung, dass Mohamed Khaled Drareni am 7. März 2020 während eines Protests der Hirak-Bewegung festgenommen wurde; in der Erwägung, dass Drareni am 10. März 2020 freigelassen, am 27. März 2020 jedoch erneut festgenommen wurde;

H.

in der Erwägung, dass am Tag seiner ersten Festnahme mehr als 20 weitere friedliche Demonstranten in Gewahrsam genommen wurden; in der Erwägung, dass zwei der festgenommenen Personen inhaftiert wurden, weil sie die Berberflagge geschwenkt hatten; in der Erwägung, dass die Berberflagge während der Hirak-Proteste weithin verwendet wird; in der Erwägung, dass General Ahmed Gaid Salah die Verwendung der Flagge im Juni 2019 verboten hat; in der Erwägung, dass ehemalige Regierungsbeamte in den letzten Monaten eine Verleumdungskampagne gegen die Bevölkerung der Kabylei, die sich mehrheitlich aus Angehörigen von Berberstämmen zusammensetzt, eingeleitet haben, die zu ethnischen Spaltungen innerhalb der Hirak-Bewegung führen könnte; in der Erwägung, dass berberische Aktivisten und Vertreter der Hirak-Bewegung, darunter Yacine Mebarki, nach wie vor mit willkürlichen Festnahmen konfrontiert sind, weil sie abweichende religiöse und politische Ansichten zum Ausdruck bringen;

I.

in der Erwägung, dass mit den Protesten der Hirak-Bewegung der öffentliche Raum von den Bürgern wieder eingefordert wurde; in der Erwägung, dass insbesondere nachdem die Aktivitäten der Hirak-Bewegung zur Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 ins Internet verlagert wurden, die Einschränkungen der Meinungsfreiheit und die den Journalisten auferlegten Beschränkungen verschärft wurden, insbesondere durch die Sperrung von Internetseiten, die Zensur von Fernsehprogrammen und die Inhaftierung und Schikanierung von Journalisten, Medienmanagern und Demonstranten, die ihre Ansichten in den sozialen Medien äußern, wobei der Zugang zu mindestens sechs Online-Nachrichtendiensten im April und Mai 2020 in den algerischen Netzen gesperrt wurde;

J.

in der Erwägung, dass lokale Menschenrechtsgruppen schätzen, dass von März bis Juni 2020 mindestens 200 Personen willkürlich verhaftet wurden, weil sie ihre Meinung zum Ausdruck gebracht oder die Hirak-Bewegung angeblich unterstützt haben; in der Erwägung, dass der Nationale Ausschuss für die Befreiung von Inhaftierten (CNLD) zum 17. November 2019 mindestens 91 Gefangene aus Gewissensgründen und damit einen Anstieg um 44 gegenüber August registrierte, von denen einige auf unbestimmte Zeit in Untersuchungshaft genommen worden waren; in der Erwägung, dass das Risiko eines COVID-19-Ausbruchs in Gefängnissen eine zusätzliche Gefahr für diejenigen darstellt, die aufgrund ihrer politischen Ansichten inhaftiert sind; in der Erwägung, dass die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, am 25. März 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie die Freilassung von politischen Gefangenen sowie von Personen, die aufgrund kritischer Äußerungen inhaftiert wurden, forderte;

K.

in der Erwägung, dass seit Januar 2020 41 Frauenmorde von Aktivisten, insbesondere von Feminicides-dz, registriert wurden; in der Erwägung, dass Frauenrechtsbewegungen 2020 die zunehmende Gewalt gegen Frauen und die Zahl der Frauenmorde stärker angeprangert haben und die Überarbeitung der geltenden Gesetze, insbesondere des Familiengesetzes und einer Reihe von Artikeln des Strafgesetzbuchs, gefordert haben, damit die uneingeschränkte Gleichstellung von Frauen und Männern gewährleistet wird;

L.

in der Erwägung, dass Algerien im April 2020 auch Änderungen des Strafrechts durch das Gesetz 20-06 angenommen hat, mit denen die Ausübung von Grundrechten wie der Pressefreiheit, der Meinungsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit weiter eingeschränkt und unter Strafe gestellt wird, was mit der konstruierten Begründung, es handele sich dabei um „Falschmeldungen“, die den algerischen Staat untergraben, gerechtfertigt wird; in der Erwägung, dass die algerischen Behörden zunehmend vage formulierte Artikel des Strafrechts verwenden, einschließlich der im April 2020 hinzugefügten Artikel, um Personen zu verfolgen, die ihr Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung sowie auf friedliche Versammlung und Vereinigung ausüben; in der Erwägung, dass eine erstmalige Straftat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft wird, wenn sie während einer aus Gründen der öffentlichen Gesundheit, einer Naturkatastrophe, einer biologischen oder technischen Katastrophe oder einer anderen Katastrophe verhängten Ausgangssperre begangen wurde;

M.

in der Erwägung, dass die algerischen Behörden im Zusammenhang mit dem harten Vorgehen gegen den zivilgesellschaftlichen Raum ein von oben nach unten gerichtetes Verfahren zur Verfassungsänderung vorangebracht haben, das angeblich Teil der anfänglichen Verpflichtung von Präsident Tebboune ist, als Reaktion auf die Proteste der Hirak-Bewegung ein neues Algerien aufzubauen, das jedoch in der algerischen Gesellschaft keine breite Unterstützung findet und von unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen als Verletzung internationaler Standards in den Bereichen Inklusivität, Teilhabe, Transparenz und Souveränität bei der Verfassungsgestaltung kritisiert wurde; in der Erwägung, dass die gleichzeitige Massenverhaftung von Aktivisten der Zivilgesellschaft und von Journalisten die öffentliche Legitimierung des Verfahrens der Verfassungsänderung vollständig untergraben hat;

N.

in der Erwägung, dass Algerien am 1. November 2020 ein Referendum über die Verfassungsänderung abgehalten hat, einschließlich einer Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten auf zwei Wahlperioden; in der Erwägung, dass die Beteiligung Algeriens an dem Referendum mit einer offiziellen Wahlbeteiligung von 23,7 % den Tiefstand seit dem Erringen seiner Unabhängigkeit im Jahr 1962 erreicht hat; in der Erwägung, dass die neue Verfassung von 66,8 % der Wähler offiziell gebilligt wurde; in der Erwägung, dass die Ratifikation der neuen Verfassung bis zur Rückkehr des Präsidenten nach Algerien noch aussteht;

O.

in der Erwägung, dass die in Artikel 54 der überarbeiteten Verfassung offiziell verankerte Pressefreiheit weiterhin, wie in der vorherigen algerischen Verfassung vorgesehen, von der Achtung der Traditionen und der religiösen, moralischen und kulturellen Werte der Nation abhängt; in der Erwägung, dass derartige Einschränkungen der Pressefreiheit gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verstoßen, den Algerien ratifiziert hat; in der Erwägung, dass in der Allgemeinen Bemerkung Nr. 34 des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen erklärt wird, dass Medienunternehmen nicht dafür bestraft werden können, dass sie ein politisches oder soziales System kritisieren; in der Erwägung, dass die Überarbeitung auch eine gefährliche Änderung mit sich bringt, indem sie die politische Rolle und die Befugnisse der Armee in die Verfassung aufnimmt; in der Erwägung, dass die Verfassungsreform außerdem den Einfluss des Präsidenten auf alle öffentlichen Institutionen, einschließlich der Justiz, aufrechterhält;

P.

in der Erwägung, dass der Nationale Richterverband (SNM) die allgegenwärtige und missbräuchliche Anwendung der Untersuchungshaft durch die algerischen Behörden angeprangert hat; in der Erwägung, dass gegen Angehörige der Justiz berufliche Sanktionen verhängt wurden, nachdem sie friedliche Aktivisten freigesprochen oder von den Exekutivbehörden die Achtung der Unabhängigkeit der Justiz gefordert hatten;

Q.

in der Erwägung, dass Algerien im Jahr 2020 auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ auf Platz 146 von 180 Plätzen rangiert und damit im Vergleich zu 2019 um fünf Plätze schlechter und im Vergleich zu 2015 um 27 Plätze schlechter abschneidet;

R.

in der Erwägung, dass Algerien ein wichtiger Partner der Europäischen Union im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik ist und dass das Land und die Region für die EU in politischer, wirtschaftlicher und zwischenmenschlicher Hinsicht wichtig sind; in der Erwägung, dass die Prioritäten der Partnerschaft zwischen der EU und Algerien Ausdruck eines gemeinsamen Bekenntnisses zu den universellen Werten der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte sind;

1.

verurteilt aufs Schärfste den Anstieg willkürlicher und unrechtmäßiger Verhaftungen, Inhaftierungen und gerichtlicher Schikanen gegenüber Journalisten, Menschenrechtsverteidigern, Gewerkschaftern, Rechtsanwälten, der Zivilgesellschaft und friedlichen Aktivisten in Algerien, der jeglichen politischen Dialog über die undemokratische Verfassungsänderung und die Ausübung der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit verhinderte; verurteilt die Einführung von Sofortmaßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, die als Vorwand für die Einschränkung der Grundrechte der algerischen Bevölkerung genutzt wird;

2.

fordert die algerischen Staatsorgane auf, Mohamed Khaled Drareni und all jene, die wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung im Internet und offline und ihres Rechts auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit inhaftiert und angeklagt sind — einschließlich Yacine Mebarki, Abdellah Benaoum, Mohamed Tadjadit, Abdelkrim Zeghileche, Walid Kechida, Brahim Laalami, Aissa Chouha, Zoheir Kaddam, Walid Nekkiche, Nourreddine Khimoud und Hakim Addad –, unverzüglich und bedingungslos freizulassen; bekräftigt die Forderung der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, angesichts der COVID-19-Pandemie alle politischen Gefangenen sowie die aufgrund kritischer Äußerungen Inhaftierten schnellstens freizulassen; fordert die algerischen Staatsorgane auf, die Blockade der Medien zu beenden und der Festnahme und Inhaftierung von politischen Aktivisten, Journalisten und Menschenrechtsverteidigern oder von Personen, die eine abweichende Haltung oder Kritik der Regierung zum Ausdruck bringen, ein Ende zu machen;

3.

weist darauf hin, dass die Meinungsfreiheit, darunter auch die Freiheit von Journalisten und Bürgerjournalisten, über Proteste und andere Ausdrucksformen von Unzufriedenheit mit der Regierung oder den öffentlichen Institutionen oder bestimmten Personen zu berichten und sie zu analysieren und zu kommentieren, grundlegend für einen umfassenden demokratischen politischen Wandel ist;

4.

drückt seine Solidarität mit allen algerischen Bürgerinnen und Bürgern aus — mit Frauen und Männern unterschiedlicher geografischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ethnischer Herkunft –, die seit Februar 2019 friedlich für einen Staat unter ziviler Kontrolle, Volkssouveränität, die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, soziale Gerechtigkeit und die Gleichstellung der Geschlechter demonstrieren; fordert die staatlichen Stellen Algeriens auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Korruption zu bekämpfen;

5.

fordert die staatlichen Stellen Algeriens erneut auf, jeder Form von Einschüchterung, gerichtlichen Schikanen, Kriminalisierung oder willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen von kritischen Journalisten, Bloggern, Menschenrechtsverteidigern, Rechtsanwälten und Aktivisten zu beenden und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, , die Freiheit der Medien sowie die Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Glaubensfreiheit, die von der algerischen Verfassung und dem von Algerien unterzeichneten IPBPR geschützt sind, für alle Menschen in Algerien zu schützen und zu achten; verurteilt jede Art der übermäßigen Anwendung von Gewalt durch Angehörige der Sicherheitskräfte bei der Auflösung friedlicher Proteste; fordert die staatlichen Stellen Algeriens erneut auf, unabhängige Untersuchungen aller Fälle durchzuführen, in denen es zu übermäßiger Gewaltanwendung durch Angehörige der Sicherheitskräfte kam, und alle Täter zur Rechenschaft zu ziehen; fordert die staatlichen Stellen Algeriens ferner auf, ihren internationalen Verpflichtungen gemäß dem UNCAT nachzukommen;

6.

weist darauf hin, dass einige politische Aktivisten, wie etwa die bekannten Oppositionellen Karim Tabbou, Mustapha Bendjema und Khaled Tazaghart, vorläufig freigelassen wurden, seitdem das Parlament seine Entschließung vom 28. November 2019 angenommen hat;

7.

fordert die staatlichen Stellen Algeriens auf, mit der Verabschiedung neuer Gesetze, die den internationalen Normen umfassend entsprechen und keine nach dem Völkerrecht, insbesondere nach den von Algerien ratifizierten Übereinkommen, wie etwa denen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), ungesetzmäßigen Ausnahmen vorsehen, für die Schaffung eines zivilgesellschaftlichen Freiraums zu sorgen, der einen echten politischen Dialog ermöglicht und in dem die Wahrnehmung der Grundfreiheiten nicht als Straftatbestand gilt; hebt hervor, dass dieser zivilgesellschaftliche Freiraum eine Voraussetzung für ein demokratisches und von zivilen Kräften geleitetes Algerien ist; äußert sein Bedauern darüber, dass ausländische Berichterstatter weiterhin administrative Hürden und Schikanen überwinden müssen, um Pressevisa zu erhalten und im Land arbeiten zu können;

8.

weist darauf hin, dass die Achtung der Grundsätze der Demokratie und der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgehaltenen Grundrechte ein wesentlicher Bestandteil des 2005 geschlossenen Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Algerien ist; hebt hervor, dass im Verlauf des derzeitigen politischen Wandels dafür Sorge getragen muss, dass alle Algerier, unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer geografischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ethnischen Herkunft, auch die Imazighen, das Recht haben, sich umfassend am demokratischen Prozess und an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten zu beteiligen, etwa indem die Tendenz umgekehrt wird, dass der Raum für eine unabhängige Zivilgesellschaft, Journalismus und politischen Aktivismus immer enger wird;

9.

äußert Bedenken angesichts restriktiver neuer Gesetze, wie etwa Gesetz 20-06, mit dem die Verbreitung von „Falschmeldungen“, die den öffentlichen Ruf von Staatsbeamten und die Finanzierung von Vereinigungen schädigen, in willkürlicher Weise zu Straftatbestand erklärt wird; hebt hervor, dass dieses Gesetz mehrere Bestimmungen enthält, die die internationalen Normen hinsichtlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Vereinigungsfreiheit, wie etwa Artikel 19 und Artikel 22 des IPBPR, verletzen;

10.

fordert die staatlichen Stellen Algeriens auf, das geltende restriktive Gesetz 12-06 über Vereinigungen aus dem Jahr 2012 und das geltende restriktive Gesetz 91-19 über öffentliche Zusammenkünfte und Demonstrationen aus dem Jahr 1991, das eine Vorabgenehmigung vorsieht, zu überarbeiten und dafür Sorge zu tragen, dass die zuständigen Verwaltungsbehörden den Organisationen der Zivilgesellschaft, nichtstaatlichen Organisationen sowie religiösen und karitativen Organisationen, die eine erneute Registrierung beantragt haben, unverzüglich eine Registrierungsbescheinigung ausstellen;

11.

äußert sein Bedauern über die im April 2020 erfolgten Änderungen des algerischen Strafrechts, mit denen die Pressefreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Vereinigungsfreiheit eingeschränkt wurden; fordert die staatlichen Stellen Algeriens auf, das Strafgesetzbuch und insbesondere dessen Artikel 75, 79, 95 a, 98, 100, 144, 144 bis, 144 bis 2, 146 und 196 bis im Einklang mit dem IPBPR und der ACHPR so zu überarbeiten, dass die Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Rechts auf friedliche Versammlung und Vereinigung nicht länger ein Straftatbestand sind;

12.

begrüßt die Tatsache, dass mit Artikel 4 und Artikel 223 der überarbeiteten Verfassung der Status von Tamazight als National- und Amtssprache gestärkt wird; hebt hervor, dass derartige Erklärungen nicht dazu dienen dürfen, die strukturellen Probleme der Tamazight zu missachten oder die Hirak-Bewegung zu spalten; fordert die staatlichen Stellen Algeriens auf, für die rechtliche Gleichstellung der Verwendung von Arabisch und Tamazight Sorge zu tragen; fordert die algerische Regierung auf, das Verbot der Berberflagge aufzuheben und sofort alle Personen freizulassen, die sich aufgrund des Zeigens von Berbersymbolen in Haft befinden;

13.

unterstützt die algerischen Rechtsanwälte und Angehörigen anderer Rechtsberufe, die trotz der herrschenden Umstände und der bestehenden Risiken unbeirrt bemüht sind, die höchsten juristischen Standards zu wahren; fordert die staatlichen Stellen Algeriens auf, die Unabhängigkeit der Justiz und die Unparteilichkeit des Justizwesens in umfassender Weise sicherzustellen und Einschränkungen, unangemessene Beeinflussung, Druck, Drohungen oder Eingriffe jeder Art in Bezug auf Entscheidungen oder andere Angelegenheiten der Justiz zu unterlassen und zu verbieten;

14.

fordert die staatlichen Stellen Algeriens auf, sowohl die umfassende Rechenschaftspflicht der Streitkräfte und die zivile und demokratische Aufsicht über diese wie auch ihre wirksame Unterordnung unter eine rechtmäßig eingesetzte zivile Behörde sicherzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass die Rolle der Streitkräfte in der Verfassung in angemessener Weise bestimmt und ausdrücklich auf Angelegenheiten der Landesverteidigung beschränkt wird;

15.

fordert die staatlichen Stellen Algeriens auf, internationalen Menschenrechtsorganisationen und den Sonderverfahren der Vereinten Nationen Zugang zum Land zu gewähren;

16.

äußert sich besorgt über die administrativen Hürden, mit denen religiöse Minderheiten in Algerien zu kämpfen haben, insbesondere aufgrund der Verordnung Nr. 06-03; fordert die algerische Regierung auf, die Verordnung Nr. 06-03 zu überarbeiten und mit der Verfassung und ihren internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte, insbesondere mit Artikel 18 des IPBPR, in Einklang zu bringen; fordert die Achtung der Freiheit der Religionsausübung für alle religiösen Minderheiten;

17.

geht davon aus, dass die EU die Lage der Menschenrechte insbesondere im Verlauf der geplanten Tagung des Assoziationsrats EU-Algerien in das Zentrum ihrer Beziehungen zu den staatlichen Stellen Algeriens stellen wird; fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) auf, ein Verzeichnis der besonders besorgniserregenden Fälle anzulegen und zu führen, zu denen etwa die in der vorliegenden Entschließung genannten gehören, und dem Parlament regelmäßig über die Fortschritte bei der Lösung dieser Fälle Bericht zu erstatten;

18.

fordert den EAD, die Kommission und die Mitgliedstaaten sowie den Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Menschenrechte auf, zivilgesellschaftliche Gruppen, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Protestierende zu unterstützen, etwa durch eine entschiedenere öffentliche Haltung hinsichtlich der Wahrung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in Algerien, indem sie Menschenrechtsverletzungen in eindeutiger Weise öffentlich anprangern, von den staatlichen Stellen die Freilassung willkürlich Inhaftierter und die Beendigung der übertrieben häufigen Anwendung der Untersuchungshaft fordern, Zugang zu Inhaftierten fordern und Prozesse gegen Aktivisten, Journalisten und Menschenrechtsverteidiger beobachten und indem sie die Menschenrechtslage in Algerien mithilfe aller zur Verfügung stehenden Mittel genau beobachten;

19.

hebt hervor, dass die Beziehungen zwischen der EU und Algerien von großer Bedeutung sind und Algerien ein wichtiger Nachbar und Partner ist; weist darauf hin, dass eine belastbare und vertiefte Beziehung zwischen der EU und Algerien von großer Bedeutung ist, und bekräftigt seine Zusage, diese Beziehung auf der Grundlage einer umfassenden Achtung der gemeinsamen Werte wie Achtung der Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit der Medien zu fördern;

20.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Delegation der Europäischen Union in Algier, der Regierung Algeriens, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und dem Europarat zu übermitteln.

(1)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0072.

(2)  Angenommene Texte, P8_TA(2015)0188.


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/132


P9_TA(2020)0330

Lage in Äthiopien

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zur Lage in Äthiopien (2020/2881(RSP))

(2021/C 425/14)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Äthiopien,

unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Vertreters und Vizepräsidenten Josep Borrell vom 9. November 2020 zu den jüngsten Entwicklungen in Äthiopien,

unter Hinweis auf die Gemeinsame Erklärung des Hohen Vertreters und Vizepräsidenten Josep Borrell und des für Krisenmanagement zuständigen Kommissionsmitglieds Janez Lenarčič vom 12. November 2020 zu Äthiopien,

unter Hinweis auf die Erklärung des für Krisenmanagement zuständigen Kommissionsmitglieds Janez Lenarčič vom 19. November 2020 zum Thema „Tigray conflict: EU humanitarian support to Ethiopian refugees reaching Sudan“ (Tigray-Konflikt: humanitäre Hilfe der EU für äthiopische Flüchtlinge im Sudan),

unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 4. November 2020,

unter Hinweis auf die Erklärungen der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, vom 6. und 13. November 2020 zum Thema Tigray,

unter Hinweis auf die informellen Gespräche im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vom 24. November 2020 über den anhaltenden Konflikt in der äthiopischen Region Tigray,

unter Hinweis auf den am 11. November 2020 herausgegebenen Lagebericht des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) zu Äthiopien,

unter Hinweis auf die Erklärung des Vorsitzenden der Kommission der Afrikanischen Union, S.E. Moussa Faki Mahamat, vom 9. November 2020 zur Lage in Äthiopien,

unter Hinweis auf die Erklärung der Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU vom 9. November 2020,

unter Hinweis auf die Erklärung der Außenminister der EU-Mitgliedstaaten vom 19. November 2020,

unter Hinweis auf die Verfassung der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien, die am 8. Dezember 1994 angenommen wurde, und insbesondere auf deren Bestimmungen in Kapitel III über Grundrechte und Grundfreiheiten, Menschenrechte und demokratische Rechte,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,

unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker,

unter Hinweis auf die Afrikanische Charta für Demokratie, Wahlen und Regierungsführung,

unter Hinweis auf den Internationalen Pakt der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte,

unter Hinweis auf die zweite Überarbeitung des Cotonou-Abkommens,

gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass der derzeitige bewaffnete Konflikt zwischen der Bundesregierung Äthiopiens und der Regionalverwaltung von Tigray unter Führung der Volksbefreiungsfront von Tigray („Tigray People’s Liberation Front“ — TPLF) Hunderte von zivilen Todesopfern und Massenvertreibungen zur Folge hatte;

B.

in der Erwägung, dass die äthiopische Regierung am 4. November 2020 den Ausnahmezustand ausrief und am Tag nach einem gemeldeten Angriff der TPLF auf die Militärbasis der Bundesregierung in der Region Tigray militärische Operationen im Norden dieser Region einleitete; in der Erwägung, dass es seither zu bewaffneten Konfrontationen zwischen den Bundesstreitkräften (Bundesarmee, Spezialkräfte der Polizei und lokale Milizen in der Region Amhara) auf der einen Seite und regionalen Kräften (Spezialkräfte der Polizei und Milizen in der Region Tigray), die der TPLF loyal gegenüberstehen, auf der anderen Seite kam;

C.

in der Erwägung, dass sich die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen der Wohlfahrtspartei (PP) und der TPLF weiter verschärften, als die Bundesregierung die für Mai 2020 anberaumten nationalen Wahlen aufgrund der COVID-19-Krise verschob;

D.

in der Erwägung, dass die von der TPLF angeführte Regionalverwaltung in Tigray im September 2020 ihre eigene Wahl abhielt, die von der äthiopischen Regierung für illegal erklärt wurde, da ihre Amtszeit im September 2020 enden sollte; in der Erwägung, dass das Bundesparlament den Wahlprozess in der Region Tigray als illegal erachtete; in der Erwägung, dass die Verwaltung von Tigray angekündigt hat, die Bundesverwaltung bzw. ihre Gesetze nicht länger anzuerkennen; in der Erwägung, dass das Bundesparlament die TPLF am 3. November 2020 zu einer „terroristischen Vereinigung“ erklärte;

E.

in der Erwägung, dass sich die TPLF am 8. November 2020 an die Afrikanische Union gewandt hat, um die Aufnahme von Gesprächen vorzuschlagen, die Bundesregierung jedoch jegliche Verhandlungen mit der TPLF ausgeschlossen und internationale Aufrufe zu Dialog und Vermittlung mit dem Argument abgelehnt hat, dass es sich beim Tigray-Konflikt um eine interne Angelegenheit handele, die nicht auf internationaler Bühne behandelt werden sollte; in der Erwägung, dass die EU ihre Unterstützung angeboten hat, um zu einer Deeskalation der Spannungen, einer Rückkehr zum Dialog und zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit in ganz Äthiopien beizutragen;

F.

in der Erwägung, dass Abiy Ahmed im Jahr 2018 ein historisches Friedensabkommen mit Eritrea erzielte, durch das die über ein Jahrzehnt währende Aussetzung der diplomatischen und handelspolitischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern aufgehoben wurde; in der Erwägung, dass die Regierung Abiy bedeutende Schritte unternommen hat, um Journalisten und politische Gefangene freizulassen, zuvor verbotenen Oppositionsgruppen die Arbeit zu ermöglichen und neue Gesetze über zivilgesellschaftliche Organisationen und die Bekämpfung von Terrorismus zu erlassen; in der Erwägung, dass die Regierung unlängst aufgrund der Inhaftierung von Oppositionspolitikern in die Kritik geriet; in der Erwägung, dass nach wie vor Bedenken hinsichtlich der Verabschiedung eines neuen Gesetzes bestehen, mit dem Hassreden und Desinformation eingedämmt werden sollen, durch das allerdings die Meinungsfreiheit beeinträchtigt werden kann;

G.

in der Erwägung, dass einige politische Gruppierungen, die mit äthiopischen Volksgruppen in Verbindung stehen und sich durch das föderalistische Regierungssystem Äthiopiens an den Rand gedrängt fühlen, anführen, dass dieses System zu Günstlingswirtschaft und Diskriminierung auf ethnischer Basis geführt hat;

H.

in der Erwägung, dass es im Juni 2020 nach dem Tod von Hachalu Hundessa, einem Sänger und Aktivisten aus der Region Oromo, zu weit verbreiteten Ausbrüchen von Gewalt kam, wobei Hunderte von Menschen getötet und inhaftiert wurden; in der Erwägung, dass am 1. November 2020 über 50 Amharen bei Angriffen auf drei Dörfer getötet wurden, die weithin als ethnisch motiviert angesehen werden und möglicherweise von der Oromo-Befreiungsarmee (OLA), einer abtrünnigen Miliz der Oromo-Befreiungsfront (OLF), durchgeführt wurden;

I.

in der Erwägung, dass die äthiopischen Staatsorgane nach Angaben der Nationalen Amhara-Bewegung friedliche Proteste gegen ethnisch motivierte Tötungen, die am 28. Oktober 2020 abgehalten werden sollten, untersagt haben;

J.

in der Erwägung, dass es nach Angaben von internationalen Menschenrechtsorganisationen seit Beginn des Konflikts mehrere Zwischenfälle in verschiedenen Teilen von Tigray gegeben hat, bei denen wahllos Zivilisten getötet wurden, darunter ein Massaker in der Nacht vom 9. November 2020 in Mai-Kadra in der Region Tigray, bei dem die Tötung von Hunderten von Zivilisten ein Kriegsverbrechen sein könnte;

K.

in der Erwägung, dass nach Angaben von internationalen Menschenrechtsorganisationen anderswo im Land ansässige Bewohner von Tigray ihre Arbeit verloren haben und daran gehindert wurden, ins Ausland zu fliegen; in der Erwägung, dass es Berichte von körperlicher und digitaler Überwachung sowie von Massenfestnahmen und -inhaftierungen gibt;

L.

in der Erwägung, dass der Präsident von Tigray bestätigt hat, dass seine Streitkräfte Raketen auf den Flughafen von Eritrea in Asmara abgefeuert haben;

M.

in der Erwägung, dass die tödlichen Kämpfe zwischen den äthiopischen föderalen Streitkräften und der TPLF internationale Bedenken hinsichtlich der Risiken aufgeworfen haben, die mit einer Verschärfung der gegenwärtigen Sicherheitslage oder der Auslösung ähnlicher Situationen in Äthiopien einhergehen, was Auswirkungen auf die Nachbarländer haben und möglicherweise die gesamte Region am Horn von Afrika destabilisieren könnte; in der Erwägung, dass Äthiopien Truppen aus Somalia abgezogen hat, die islamistische Aufständische bekämpft haben; in der Erwägung, dass die kenianischen Staatsorgane die Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze zu Äthiopien aus Angst vor eskalierenden Spannungen erhöht haben;

N.

in der Erwägung, dass der im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit der EU für Äthiopien ausgegebene Betrag von 815 Mio. EUR für den Zeitraum 2014–2020 zu den größten weltweit gehört; in der Erwägung, dass Äthiopien darüber hinaus zu den wichtigsten Empfänger des Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika gehört, wobei sich die Mittel im Zeitraum 2015–2019 auf über 271,5 Mio. EUR beliefen; in der Erwägung, dass die EU im Jahr 2020 44,29 Mio. EUR für humanitäre Projekte in Äthiopien zur Verfügung stellt, indem sie die Bereitstellung lebensrettender Hilfe für Binnenvertriebene unterstützt, die durch Gewalt oder Naturkatastrophen entwurzelt wurden;

O.

in der Erwägung, dass das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) einen Zugang zur Region Tigray gefordert hat, die seit Beginn der Kämpfe weiterhin vollständig isoliert ist (die Internet- und Telefonverbindungen wurden unterbrochen); in der Erwägung, dass durch die fehlende Stromversorgung und Telekommunikation sowie durch den mangelnden Zugang zu Brennstoffen und Bargeld nach Angaben des UNHCR jegliche Maßnahmen zur humanitären Hilfe in Tigray und im übrigen Äthiopien beeinträchtigt werden, auch was die Versorgung bzw. Bergung der Personen, die bei den Kämpfen verwundet und getötet wurden, betrifft;

P.

in der Erwägung, dass bereits vor Beginn der Kämpfe 15,2 Millionen Menschen in Äthiopien auf humanitäre Hilfe angewiesen waren, davon zwei Millionen Menschen in der Region Tigray; in der Erwägung, dass die Region Tigray mit über 6 Millionen Einwohnern in Äthiopien in Bezug auf die Bevölkerungszahl an fünfter Stelle liegt und 100 000 Binnenvertriebene und 96 000 eritreische Flüchtlinge aufgenommen hat; in der Erwägung, dass es in der Region mehrere bedeutende Flüchtlingslager gibt, wobei nach Angaben von nichtstaatlichen Organisationen 44 % der dortigen Bewohner Kinder sind;

Q.

in der Erwägung, dass Äthiopien das Cotonou-Abkommen unterzeichnet hat, in dessen Artikel 96 festgelegt ist, dass die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ein wesentlicher Bestandteil der Zusammenarbeit zwischen den AKP-Staaten und der EU ist;

R.

in der Erwägung, dass die Kämpfe Tausende von Toten und Verletzten auf beiden Seiten sowie schwere Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zur Folge hatten; in der Erwägung, dass dem UNHCR zufolge bis zum 22. November 2020 mehr als 38 500 Flüchtlinge vor dem Konflikt geflohen waren und die Grenze zum Sudan überquert hatten; in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen vor einer „weitreichenden humanitären Krise“ warnen und ihre Organisationen sich auf die mögliche Ankunft von 200 000 Flüchtlingen über einen Zeitraum von sechs Monaten einstellen; in der Erwägung, dass die Kämpfe auch zur Binnenvertreibung der Bevölkerung führen; in der Erwägung, dass das UNHCR die beiden Konfliktparteien bereits aufgefordert hat, Korridore zu öffnen, damit Menschen ausreisen können und gleichzeitig Versorgungsgüter eingeführt werden können; in der Erwägung, dass internationale humanitäre Organisationen vor Ort schlecht ausgestattet sind und Engpässe bei den Versorgungsgütern bestehen, die benötigt werden, um neu ankommende Flüchtlinge und Opfer von Gewalt zu behandeln; in der Erwägung, dass die Organisationen der Vereinten Nationen unmittelbare Finanzierung in Höhe von 50 Mio. USD für die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und die Einrichtung neuer Lager benötigen; in der Erwägung, dass die Kommission zunächst eine Soforthilfe in Höhe von 4 Mio. EUR bereitstellt, um die im Sudan ankommenden Vertriebenen zu unterstützen;

1.

ist zutiefst besorgt über die jüngsten Entwicklungen in Äthiopien, einschließlich der anhaltenden Gewalt und der Vorwürfe, dass schwerwiegende Verstöße gegen grundlegende Menschenrechte begangen werden; bedauert den derzeitigen bewaffneten Konflikt zwischen der Bundesregierung Äthiopiens und der Regionalverwaltung Tigrays unter der Führung der TPLF; fordert beide Parteien auf, sich zu einer sofortigen Waffenruhe zu verpflichten, politische Meinungsverschiedenheiten mit demokratischen Mitteln im Rahmen der Verfassung des Landes beizulegen, um eine dauerhafte friedliche Lösung zu finden, einen Mechanismus zur Überwachung der Waffenruhe einzurichten und durch einen inklusiven Dialog auf die Schaffung eines nationalen Konsenses hinzuarbeiten;

2.

bringt seine Solidarität mit den Opfern und den Familien der Betroffenen zum Ausdruck; bedauert den Verlust von Menschenleben, die Tötung unschuldiger Zivilisten und die außergerichtlichen Tötungen, unabhängig davon, von wem sie verübt werden;

3.

fordert die Zentralregierung Äthiopiens und die TPLF auf, unverzüglich Maßnahmen zur Deeskalation des Konflikts zu ergreifen; fordert nachdrücklich, dass alle Akteure in Bezug auf Sicherheit strikt einen auf den Menschen ausgerichteten Ansatz verfolgen;

4.

bedauert, dass der Zugang für humanitäre Helfer derzeit stark eingeschränkt ist; fordert die äthiopische Regierung auf, humanitären Organisationen sofortigen und uneingeschränkten Zugang zu den Konfliktgebieten zu gewähren, um humanitäre Hilfe sicherzustellen; warnt vor der Gefahr einer schweren humanitären Krise im Land sowie in den Nachbarstaaten und in der gesamten Region;

5.

nimmt mit Besorgnis das Ultimatum von Premierministers Abiy an die Kräfte von Tigray zur Kenntnis, in dem dieser sie nachdrücklich auffordert, sich zu ergeben, und erklärt, dass andernfalls eine Militäroperation gegen die Regionalhauptstadt Mek’ele durchgeführt werde;

6.

weist darauf hin, dass vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten Kriegsverbrechen darstellen; fordert die Kräfte auf beiden Seiten auf, die internationalen Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht zu achten und den Schutz der Menschen in den betroffenen Gebieten sicherzustellen; fordert alle Konfliktparteien und die regionalen Regierungen nachdrücklich auf, den Schaden für die Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten und den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung jederzeit sicherzustellen und zu ermöglichen;

7.

stellt mit großer Besorgnis fest, dass die Spannungen und die Gewalt zwischen den ethnischen Gruppen in Äthiopien zunehmen; hält es für äußerst wichtig, dass die Regierungen von Äthiopien und Tigray verantwortungsvolle Führung unter Beweis stellen, indem sie ein inklusives politisches Umfeld für alle Akteure und ethnischen Gruppen fördern;

8.

fordert die Bundesbehörden nachdrücklich auf, der Praxis der willkürlichen Festnahme und Überwachung oder sonstigen Verfolgung ethnischer Gruppen ein Ende zu setzen; fordert die äthiopischen Staatsorgane auf, entschiedene Maßnahmen gegen jegliches ethnisches Profiling zu ergreifen und den Schutz ethnischer Minderheiten im ganzen Land sicherzustellen; fordert die äthiopische Regierung auf, Reformen durchzuführen, durch die die Menschenrechte geschützt werden und der gleichberechtigte Zugang aller ethnischen Gruppen zu staatlichen Diensten und Ressourcen sichergestellt wird;

9.

ist zutiefst besorgt über die zunehmende Verbreitung von Falschinformationen und die Verwendung von Hassreden, wodurch ethnische Gruppen gegeneinander aufgehetzt werden, um den derzeitigen Konflikt in Tigray zu schüren; fordert alle Konfliktparteien auf, sowohl online als auch offline von hetzerischer Sprache und Hassreden abzusehen; fordert die nationalen und lokalen Regierungen, Medienorganisationen und die Öffentlichkeit nachdrücklich auf, davon abzusehen, zu Gewalt, Diskriminierung oder Feindseligkeit gegenüber gefährdeten Bevölkerungsgruppen anzustacheln;

10.

fordert die Nachbarstaaten Äthiopiens, darunter Eritrea, sowie andere Staaten in der gesamten Region, wie die Länder im Nilbecken, auf, von allen politischen und militärischen Handlungen abzusehen, die den Konflikt schüren könnten; betont, dass andernfalls die gesamte Region destabilisiert werden könnte, was katastrophale Folgen für Frieden und Sicherheit in der Welt hätte; betont die entscheidende Rolle, die die Nachbarstaaten Äthiopiens bei der Bereitstellung diplomatischer Unterstützung im Hinblick auf die Deeskalation des Konflikts spielen können;

11.

bekundet seine uneingeschränkte Unterstützung für Vermittlungs- und Deeskalationsbemühungen unter der Leitung der Afrikanischen Union (AU), die vom südafrikanischen Vorsitz der AU eingeleitet wurden, insbesondere die Ernennung von drei Sondergesandten der AU, und fordert alle beteiligten Parteien auf, aktiv mitzuarbeiten und sich an den Vermittlungsbemühungen der AU zu beteiligen; fordert die äthiopischen Staatsorgane auf, mit den Bemühungen internationaler Organisationen wie der Afrikanischen Union, der Zwischenstaatlichen Entwicklungsbehörde (IGAD) und der Europäischen Union zusammenzuarbeiten, um in einen inklusiven Dialog einzutreten, damit Frieden, Sicherheit und Stabilität im Land und in der Region verwirklicht werden;

12.

ist zutiefst besorgt über die De-facto-Kommunikationssperre in der Region Tigray im Norden des Landes; fordert die äthiopische Regierung nachdrücklich auf, als Akt der Rechenschaftspflicht und Transparenz für ihre Militäroperationen in der Region alle Formen der Kommunikation mit Tigray wiederherzustellen und eine freie Kommunikation zwischen den Menschen in Tigray zu ermöglichen; betont die Bedeutung und Notwendigkeit des Zugangs zu Informationen, sowohl online als auch offline, da das Recht aller Menschen auf Information und auf Zugang zu Informationen in Krisensituationen besonders wichtig ist; fordert nachdrücklich, dass eine unabhängige Berichterstattung über die Lage zugelassen wird; erachtet es als äußerst wichtig, unabhängigen Medien unverzüglich Zugang zu Tigray zu gewähren; fordert die Regierung Äthiopiens eindringlich auf, die freie Meinungsäußerung und die Vereinigungs- und Pressefreiheit, die in der äthiopischen Verfassung garantiert werden, uneingeschränkt zu achten und zu Unrecht inhaftierte Journalisten und Blogger freizulassen; ist fest davon überzeugt, dass friedliche Proteste zur Demokratie gehören und dass unter allen Umständen davon Abstand genommen werden sollte, mit übermäßiger Gewalt darauf zu reagieren;

13.

fordert alle Konfliktparteien auf, dafür zu sorgen, dass sich die Zivilbevölkerung sicher und frei bewegen kann und dass das Recht auf Versammlungsfreiheit gewahrt bleibt;

14.

fordert alle am Konflikt in der Region Tigray im Norden des Landes beteiligten Parteien auf, ungehinderten Zugang für unabhängige Menschenrechtsbeobachter zu gewährleisten, damit die internationalen Menschenrechtsstandards eingehalten werden; fordert alle Konfliktparteien auf, eng mit den einschlägigen Akteuren zusammenzuarbeiten, um eine transparente Untersuchung des Massakers in Mai-Kadra durchzuführen, und fordert, dass die für dieses Verbrechen Verantwortlichen unverzüglich zur Rechenschaft gezogen und strafrechtlich verfolgt werden;

15.

fordert die äthiopischen Bundesbehörden auf, alle Tötungen und Menschenrechtsverletzungen, einschließlich der Anwendung übermäßiger Gewalt, willkürlicher Verhaftungen und Verschleppungen, gründlich, unabhängig, wirksam und unparteiisch zu untersuchen, und fordert die Behörden von Tigray auf, bei diesen Ermittlungen mitzuwirken; fordert alle staatlichen Stellen Äthiopiens auf, aktiv gegen Straflosigkeit vorzugehen; weist die äthiopische Regierung darauf hin, dass sie nach der Afrikanischen Charta und anderen internationalen und regionalen Menschenrechtsnormen einschließlich des Cotonou-Abkommens dazu verpflichtet ist, die Achtung der Grundrechte zu garantieren, wozu auch der Zugang zur Justiz und das Recht auf ein faires und unabhängiges Verfahren gehören; fordert die äthiopischen Staatsorgane nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass die faire und unparteiische Rechtsstaatlichkeit in ganz Äthiopien geachtet und gewahrt wird;

16.

fordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den humanitären Hilfsorganisationen der EU und dem UNHCR und fordert das UNHCR auf, die Flüchtlinge, die vor dieser Krise geflohen sind, weiterhin zu unterstützen, auch in der Nähe der Gebiete, aus denen sie geflohen sind; erinnert daran, dass die äthiopische Regierung für die Sicherheit der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen auf ihrem Hoheitsgebiet verantwortlich ist; weist darauf hin, dass mehr als 96 000 eritreische Flüchtlinge überwiegend in Flüchtlingslagern in der Region Tigray Zuflucht gefunden haben; schließt sich den an die internationale Gemeinschaft und humanitäre Organisationen gerichteten Appellen an, die Hilfeleistungen für Flüchtlinge und Vertriebene aufzustocken;

17.

fordert die EU und ihre Partner auf, die sudanesische Regierung und die lokalen Behörden dabei zu unterstützen, unverzüglich auf die Forderung zu reagieren, äthiopische Flüchtlinge aufzunehmen, die vor den Kämpfen in der Region Tigray fliehen; würdigt die Bereitschaft des Sudan, Flüchtlinge aufzunehmen, die vor dem Konflikt fliehen; betont, dass dringend Vorbereitungen für die Ankunft von bis zu 200 000 Flüchtlingen im Sudan getroffen werden müssen; stellt fest, dass Äthiopien ein wichtiges Bestimmungs-, Transit- und Herkunftsland von Migranten ist; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass bei allen finanzierten Projekten, die im Rahmen des EU-Treuhandfonds für Afrika eingeleitet werden, die Menschenrechte geachtet werden, insbesondere die Rechte von Migranten und Binnenvertriebenen;

18.

fordert, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten dringend zusätzliche Ressourcen mobilisieren und strukturiert und abgestimmt einsetzen, um den durch den Konflikt ausgelösten Gesamtbedarf zu decken;

19.

begrüßt die Zusage der äthiopischen Regierung, im Jahr 2021 Parlamentswahlen abzuhalten; fordert alle politischen Akteure im ganzen Land nachdrücklich auf, im Vorfeld der Wahlen in einen politischen Dialog mit Bürgern einzutreten, die dem gesamten politischen, ideologischen, regionalen und ethnischen Spektrum angehören; betont nachdrücklich, dass freie, faire, inklusive und glaubwürdige Wahlen nur in einer Atmosphäre stattfinden können, die frei von Einschüchterung, Gewalt und Schikanen ist und in der die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit im Einklang mit internationalen Standards garantiert ist; bedauert, dass das Engagement für freie Wahlen durch die Inhaftierung mehrerer Oppositionspolitiker des gesamten politischen Spektrums seit Juni 2020 und durch schwerwiegende Verstöße gegen ordentliche Verfahren, die das Recht der Häftlinge auf ein faires Verfahren gefährden, untergraben wird; fordert die Staatsorgane auf, alle Inhaftierten freizulassen, es sei denn, ihnen werden rechtlich anerkannte Straftaten zur Last gelegt und sie können im Einklang mit internationalen Standards für ein faires Verfahren strafrechtlich verfolgt werden;

20.

bringt sein Engagement für die Einheit und territoriale Integrität Äthiopiens zum Ausdruck und fordert alle Akteure in Äthiopien auf, auf eine friedliche Lösung jedes Konflikts innerhalb des Landes hinzuarbeiten;

21.

fordert die EU auf, weiterhin alle erforderlichen diplomatischen Mittel einzusetzen, um mit der Bundes- und den regionalen Regierungen sowie mit regionalen Partnern und multilateralen Institutionen zusammenzuarbeiten, damit der Konflikt friedlich beigelegt wird;

22.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, der Bundesregierung und dem Bundeshaus Äthiopiens, der Regierung Tigrays, der Regierung der Republik Sudan, den Regierungen der IGAD, der Afrikanischen Union und ihren Mitgliedstaaten, dem Panafrikanischen Parlament und der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU zu übermitteln.

20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/137


P9_TA(2020)0331

Die anhaltenden Verstöße gegen die Menschenrechte in Belarus, insbesondere die Ermordung von Raman Bandarenka

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu den anhaltenden Menschenrechtsverstößen in Belarus und insbesondere dem Mord an Raman Bandarenka (2020/2882(RSP))

(2021/C 425/15)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Belarus, insbesondere jene vom 17. September 2020 zur Lage in Belarus (1), vom 4. Oktober 2018 zu der Einschränkung der Medienfreiheit in Belarus‚ insbesondere dem Fall der Charta 97 (2), vom 19. April 2018 zu Belarus (3), vom 6. April 2017 zur Lage in Belarus (4), und vom 24. November 2016 zur Lage in Belarus (5),

unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 21. Oktober 2020 an den Rat, die Kommission und den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) zu den Beziehungen mit Belarus (6),

unter Hinweis auf den Sacharow-Preis für geistige Freiheit 2020, der am 22. Oktober 2020 der demokratischen Opposition in Belarus verliehen wurde,

unter Hinweis auf die Erklärung des Präsidenten des Europäischen Parlaments vom 13. August 2020 und die Erklärung der führenden Vertreter von fünf Fraktionen vom 17. August 2020 zur Lage in Belarus nach der sogenannten Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 1. Oktober 2020 und vom 16. Oktober 2020 und die Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Oktober 2020,

unter Hinweis auf den Beschluss des Rates vom 6. November 2020, 15 Vertreter der belarussischen Staatsorgane, darunter Aljaksandr Lukaschenka, auf die Liste der mit Sanktionen belegten Personen zu setzen, wodurch sich die Zahl der belarussischen Staatsbürger, die einem Reiseverbot unterliegen und deren Vermögenswerte eingefroren werden, auf 59 erhöht hat; unter Hinweis auf den Beschluss des Rates vom 17. Februar 2020, das seit 2004 gegenüber Belarus geltende Embargo auf die Ausfuhr von Waffen und von Ausrüstung, die für innerstaatliche Repressionen verwendet werden könnten, zu verlängern (7),

unter Hinweis auf das Hauptergebnis der außerordentlichen Tagung des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) vom 14. August 2020 und die Schlussfolgerungen des Präsidenten des Europäischen Rates vom 19. August 2020 zur Lage in Belarus nach der Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020,

unter Hinweis auf die zahlreichen aktuellen Erklärungen und Äußerungen des VP/HR zu Belarus, insbesondere jene vom 11. August 2020 und 17. August 2020, und auf die früheren Erklärungen des Sprechers des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), insbesondere jene vom 13. November 2020 zum Tod von Raman Bandarenka, sowie jene zur Anwendung der Todesstrafe in Belarus,

unter Hinweis auf die Erklärung des VP/HR vom 7. September 2020 zu willkürlichen und ungeklärten Festnahmen und Inhaftierungen aus politischen Gründen und die Erklärung des Hohen Vertreters im Namen der Europäischen Union vom 11. September 2020 zur Eskalation von Gewaltanwendung und Einschüchterungsmaßnahmen gegen Mitglieder des Koordinierungsrats; unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der EU-Delegation in Belarus im Namen der in Minsk vertretenen EU-Mitgliedstaaten, der britischen Botschaft, der Botschaft der Schweiz und der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika vom 17. November 2020 zur Verschlechterung der Menschenrechtslage in Belarus,

unter Hinweis auf die Erklärungen der Vereinten Nationen zur Lage in Belarus, insbesondere die Erklärungen der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 13. August 2020 und 19. November 2020 und des Sprechers der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 21. August 2020, 11. September 2020 und 13. November 2020 sowie die während der Dringlichkeitsdebatte zur Menschenrechtslage auf der 45. Tagung des Menschenrechtsrats am 18. September 2020 abgegebenen Erklärungen,

unter Hinweis auf den Bericht der Sonderberichterstatterin des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen für die Menschenrechtslage in Belarus vom 17. Juli 2020 und auf die Resolution des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 17. September 2020 zur Menschenrechtslage in Belarus vor und nach der Präsidentschaftswahl 2020,

unter Hinweis auf den am 5. November 2020 veröffentlichten Bericht des Berichterstatters der OSZE im Rahmen des Moskauer Mechanismus zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020 in Belarus,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und alle Menschenrechtsübereinkommen, deren Vertragspartei Belarus ist,

gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass die beispiellosen friedlichen Proteste und Streiks in Belarus nun bereits mehr als 100 Tage andauern, was ein Beleg für das Ausmaß der Unzufriedenheit und die Mobilisierung der belarussischen Gesellschaft gegen die massive Fälschung des Wahlergebnisses und die Menschenrechtsverletzungen seitens des autokratischen Regimes des Landes ist; in der Erwägung, dass die stärkste Beteiligung an den Protesten jeweils an den Wochenenden bei den „Märschen der Einheit“ zu verzeichnen ist und dass es Proteste diesen Umfangs mit Hunderttausenden von Teilnehmern in der Geschichte von Belarus bislang nicht gegeben hat;

B.

in der Erwägung, dass die belarussischen Staatsorgane auf die berechtigten und friedlichen Proteste mit Gewalt, Repressionsmaßnahmen, systematischer Einschüchterung, Drangsalierung, der Beschneidung der Grundrechte und unmenschlicher Behandlung, darunter Folter und sexualisierte Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger und andere im Verlauf der Proteste inhaftierte Personen, reagieren; in der Erwägung, dass Menschenrechtsverteidiger über 500 Fälle von Folter und Misshandlung dokumentiert haben, wobei zudem mehrere Menschen vermisst werden oder tot aufgefunden wurden, darunter Aljaksandr Tarajkouski, Kanstanzin Schyschmakou, Arzjom Parukou, Aljaksandr Wichor und Henads Schutau; in der Erwägung, dass Belarus das einzige Land in Europa ist, das nach wie vor die Todesstrafe vollstreckt;

C.

in der Erwägung, dass schätzungsweise über 25 000 Belarussen vor bzw. nach der Wahl vom 9. August 2020 wegen ihres Protests gegen das Regime festgenommen wurden, darunter ältere Menschen, Frauen und Kinder; in der Erwägung, dass zuletzt am 8. bzw. 15. November 2020 mehr als 1 000 Menschen während der anhaltenden friedlichen Proteste in Haft genommen wurden; in der Erwägung, dass es in Belarus über 125 politische Häftlinge gibt;

D.

in der Erwägung, dass der 31-jährige Kunstlehrer Raman Bandarenka am Abend des 11. November 2020 von einer Gruppe maskierter Männer in Zivil brutal zusammengeschlagen wurde, die Berichten zufolge enge Verbindungen zum Lukaschenka-Regime unterhalten; in der Erwägung, dass Raman Bandarenka in der Haft weiter geschlagen wurde und nach zwei Stunden mit Kopfverletzungen in ein Krankenhaus gebracht wurde, denen er am folgenden Tag erlag; in der Erwägung, dass die Staatsorgane versuchen, sich der Verantwortung zu entziehen, indem sie behaupten, Raman Bandarenka sei von „besorgten Bürgern“ zusammengeschlagen worden, und indem die beiden Hinweisgeber, ein Arzt und eine Journalistin, strafrechtlich verfolgt werden;

E.

in der Erwägung, dass die belarussischen Staatsorgane es versäumt haben, unverzüglich die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zur Untersuchung einer Straftat zu ergreifen, und dass in den darauffolgenden Tagen in Belarus mehr als 1 100 Personen, die des Todes von Raman Bandarenka gedachten, inhaftiert wurden; in der Erwägung, dass das Untersuchungskomitee der Republik Belarus Vertretern der orthodoxen und der katholischen Kirche mitgeteilt hat, sie hätten gegen das Gesetz verstoßen, als sie die Zerstörung des Mahnmals zum Gedenken an Raman Bandarenka durch die Sicherheitskräfte verurteilten;

F.

in der Erwägung, dass die Staatsorgane nicht etwa diejenigen, die für den Tod von Raman Bandarenka verantwortlich sind, vor Gericht stellen, sondern diejenigen strafrechtlich verfolgen, die versuchen, die Wahrheit über die Umstände seines Todes in Erfahrung zu bringen; in der Erwägung, dass die Generalstaatsanwaltschaft von Belarus am 19. November 2020 gemäß Artikel 178 Absatz 3 des belarussischen Strafgesetzbuches („Offenlegung eines Arztgeheimnisses mit schwerwiegenden Folgen“) ein Strafverfahren eingeleitet hat; in der Erwägung, dass Kazjaryna Baryssewitsch, eine Journalistin der unabhängigen Medieneinrichtung TUT.BY, die über den Tod von Raman Bandarenka berichtete, im Anschluss an ihre Berichte festgenommen wurde;

G.

in der Erwägung, dass das belarussische Innenministerium am 12. Oktober 2020 in einer Erklärung verkündete, bereit zu sein, scharfe Munition gegen Demonstranten einzusetzen; in der Erwägung, dass die Staatsorgane bei mehreren Protestkundgebungen Blendgranaten und Pfefferspray eingesetzt sowie Gummigeschosse direkt auf Personen abgefeuert und Schüsse in die Luft abgegeben haben; in der Erwägung, dass es ständig zu Behinderungen des Verkehrs und der Kommunikation kommt, wozu insbesondere Beschränkungen des Zugangs zum Internet gehören, mit denen Proteste verhindert oder zerstreut werden sollen;

H.

in der Erwägung, dass die belarussischen Staatsorgane unabhängige Journalisten des Landes und Bürger, die über die Ereignisse berichten, weiterhin massiv unterdrücken und danach trachten, einer objektive Berichterstattung zu verhindern; in der Erwägung, dass es allein am 15. November 2020 zur Festnahme von 23 Journalisten gekommen ist, die über Proteste im Gedenken an Raman Bandarenka in mehreren belarussischen Städten berichteten; in der Erwägung, dass ausländische Medien und Journalisten nicht nach Belarus einreisen dürfen;

I.

in der Erwägung, dass während und nach der Wahl insgesamt 390 Journalisten strafrechtlich verfolgt wurden, von denen 77 wegen Verwaltungsvergehen kurze Haftstrafen von bis zu 15 Tagen verbüßen mussten; in der Erwägung, dass Stand 23. November 2020 nach Angaben des Belarussischen Journalistenverbands 14 Journalisten wegen Verwaltungsvergehen oder Straftaten in Haft sitzen;

J.

in der Erwägung, dass willkürliche Inhaftierungen und Festnahmen von Journalisten häufig mit Gewalt einhergehen und anschließend professionelle Ausrüstung beschädigt und beschlagnahmt und aufgenommenes Bildmaterial gelöscht wird; in der Erwägung, dass drei Journalistinnen bei der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit durch Gummigeschosse verletzt wurden;

K.

in der Erwägung, dass ausländischen Korrespondenten, die zur Berichterstattung über die Wahl eingereist sind, die Akkreditierung verweigert wurde; in der Erwägung, dass das belarussische Außenministerium am 2. Oktober 2020 allen ausländischen Journalisten im Land die Akkreditierung entzogen und diesen Schritt als Teil einer Reform der Vorschriften und Verfahren des Landes für die Medien bezeichnet hat;

L.

in der Erwägung, dass in Belarus selbst Kinder Ziel von Repressionen geworden sind, indem deren Eltern damit gedroht wird, ihnen wegen der Teilnahme an Protesten das Sorgerecht zu entziehen;

M.

in der Erwägung, dass die EU Sanktionen gegen 40 Personen verhängt hat, die für Gewalt, Unterdrückung und Wahlfälschung verantwortlich sind; in der Erwägung, dass der Europäische Rat am 6. November 2020 beschlossen hat, 15 Vertreter der belarussischen Staatsorgane, einschließlich Aljaksandr Lukaschenka und seines Sohnes, auf die Liste der mit Sanktionen belegten Personen zu setzen; in der Erwägung, dass weitere Sanktionen gegen Personen und Unternehmen vorbereitet werden; in der Erwägung, dass das Kernkraftwerk Astrawez am 3. November 2020 in Betrieb gegangen ist, was neue Bedenken hinsichtlich seiner Sicherheit aufkommen lässt;

N.

in der Erwägung, dass die belarussischen Staatsorgane die Berichte über weit verbreitete Polizeibrutalität und Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen bisher nicht zum Anlass genommen haben, entsprechende Untersuchungen einzuleiten; in der Erwägung, dass den Opfern ihr Recht auf ein faires Verfahren durch die fehlende Rechtsstaatlichkeit vorenthalten wird;

1.

verurteilt auf das Allerschärfste den Mord an Raman Bandarenka und spricht seiner Familie sowie allen Familien, die infolge der Repressionen des Lukaschenka-Regimes Angehörige verloren haben, sein Beileid aus;

2.

fordert unverzügliche, gründliche, unparteiische und unabhängige Untersuchungen zum Tod von Raman Bandarenka und den im Zusammenhang mit den Demonstrationen stehenden Todesfällen von Aljaksandr Tarajkouski, Aljaksandr Wichor, Arzjom Parukou, Henads Schutau und Kanstanzin Schyschmakou;

3.

fordert die belarussischen Staatsorgane auf, alle politischen Gefangenen umgehend freizulassen, darunter Dr. Arzjom Sarokin und die Journalistin Kazjaryna Baryssewitsch, die offengelegt hat, dass die Staatsmacht die Ermordung von Raman Bandarenka verschleiern will;

4.

bekräftigt seine Unterstützung für die Demonstranten in Belarus, die Freiheit, Demokratie, Würde und das Recht, selbst über ihr Schicksal zu bestimmen, fordern; verurteilt die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen und Einschüchterungen und die unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt gegen friedliche Demonstranten;

5.

fordert die unverzügliche Freilassung des Arztes, der im öffentlichen Interesse liegende Informationen über den Tod von Raman Bandarenka an die Medien weitergegeben hat, ohne die Rechte der Familie des Opfers zu verletzen;

6.

fordert die Staatsorgane von Belarus nachdrücklich auf, alle Formen von Gewalt, Misshandlung, geschlechtsspezifischer Gewalt und Folter gegen belarussische Bürgerinnen und Bürger und gegen in Belarus inhaftierte Personen einzustellen, ihnen Zugang zu medizinischer und rechtlicher Beratung zu gewähren und alle willkürlich inhaftierten Personen umgehend und bedingungslos freizulassen, auch jene, die inhaftiert wurden, weil sie an Demonstrationen gegen das Wahlergebnis oder gegen die von den Staatsorganen verübten Gewaltakte teilgenommen oder Unterstützung für diese Demonstrationen bekundet haben;

7.

verurteilt aufs Schärfste jedweden Rückgriff auf Einschüchterungen, Schikanierungen, willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen sowie Misshandlungen von Bürgern und prangert die Menschenrechtsverletzungen an, die von den belarussischen Staatsorganen oder auf deren Weisung begangen werden; fordert, alle Formen der Schikanierung von Bürgern sofort einzustellen, etwa Entlassungen von Arbeitnehmern oder Exmatrikulationen von Studierenden wegen der Teilnahme an Streiks oder Demonstrationen, den Entzug der journalistischen Akkreditierung, die als Strafmaßnahme vorgenommene Unterbrechung kommunaler Dienste wie Wasser- oder Wärmeversorgung, den Entzug des Sorgerechts für Kinder, die Sperrung privater Bankkonten und die Herbeiführung von Internetausfällen;

8.

fordert alle belarussischen Strafvollzugsbediensteten und all jene, die auf Weisung der belarussischen Staatsorgane handeln, auf, die Gewalt gegen Zivilisten umgehend einzustellen und keine verbrecherischen Befehle und Anweisungen zur Anwendung unverhältnismäßigen Zwangs sowie von Gewalt, Folter und Misshandlung gegen Bürger auszuführen; fordert, dass im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen eine eigene Definition von Folter in das Strafgesetzbuch von Belarus aufgenommen wird und im Zuge einer Gesetzesänderung das Verschwindenlassen zu einem Straftatbestand erklärt wird;

9.

missbilligt die völlige Widerwilligkeit der Staatsorgane, bei der Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen gegen friedliche Bürger Fälle von Misshandlung und Folter durch Strafverfolgungsbeamte zu untersuchen; betont, dass darin die vorsätzliche und systematische Politik der Unterdrückung und Straflosigkeit zum Ausdruck kommt, was daran noch deutlicher wird, dass die Staatsmacht den beteiligten Polizei- und Sondereinsatzkräften nach wie vor höchste Anerkennung für ihre Beteiligung an Verbrechen gegen die Bevölkerung zollt;

10.

erkennt das Ergebnis der sogenannten Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020 nicht an und bekundet der belarussischen Bevölkerung seine uneingeschränkte Unterstützung für ihre berechtigten Forderungen nach einem sofortigen Ende der autoritären Unterdrückung, der Achtung der Grundfreiheiten und Menschenrechte, demokratischer Vertretung, politischer Teilhabe sowie einer freien und fairen Neuwahl im Einklang mit internationalen Normen und unter der Beobachtung des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der OSZE;

11.

fordert alle in Belarus tätigen Unternehmen auf, im Einklang mit den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte besondere Sorgfalt walten zu lassen und ihrer Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte nachzukommen;

12.

beharrt darauf, dass die Rechte der Bürger auf Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung sowie Medienfreiheit gewährleistet und mithin de jure und de facto sämtliche Beschränkungen aufgehoben werden müssen, die der Ausübung dieser Freiheiten entgegenstehen;

13.

bekräftigt, dass es sehr wichtig ist, rechtsstaatliche Verhältnisse einzuführen, damit die Grundfreiheiten und Menschenrechte geachtet werden, und eine funktionierende unabhängige Justiz einzurichten, damit das Recht auf anwaltlichen Beistand, ein faires Verfahren und Rechtsmittel gewahrt werden kann;

14.

fordert die Kommission auf, ihre Unterstützung für unabhängige Medien in Belarus zu verstärken, deren Überleben und Tätigkeit von wesentlicher Bedeutung sind, damit die belarussische Öffentlichkeit und die internationale Gemeinschaft objektiv über die Ereignisse in Belarus informiert werden;

15.

verurteilt aufs Schärfste, dass die Todesstrafe noch immer angewandt wird, und fordert ihre sofortige und dauerhafte Abschaffung und — bis zum Inkrafttreten der Abschaffung — ein Moratorium für die Vollstreckung der Todesstrafe und ein wirksames Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen Todesurteile;

16.

fordert die belarussischen Staatsorgane auf, die Übergriffe auf Journalisten und Medienschaffende sowie die Inhaftierung und Dämonisierung von Journalisten und Medienschaffenden einzustellen und auf den tatsächlichen Schutz der Medienfreiheit hinzuarbeiten;

17.

fordert, dass sich die EU für eine internationale Untersuchung der Verbrechen, die das Lukaschenka-Regime gegen die belarussische Bevölkerung verübt hat, einsetzt, und ist der Ansicht, dass diese Untersuchung durch die Einrichtung eines Beweiserhebungszentrums und einer EU-Arbeitsgruppe aus internationalen Völkerrechtsexperten unterstützt werden sollte, um künftige internationale Ermittlungen voranzubringen; fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und den EAD auf, die Bemühungen des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen und des Moskauer Mechanismus der OSZE sowie Menschenrechtsverteidiger und die Zivilgesellschaft uneingeschränkt zu unterstützen, um sicherzustellen, dass Menschenrechtsverletzungen dokumentiert und über diese Verbrechen berichtet wird, die Täter anschließend zur Rechenschaft gezogen werden und den Opfern Gerechtigkeit widerfährt;

18.

verurteilt die Maßnahmen der Nationalversammlung von Belarus, belarussischen Bürgern aus politischen Gründen die Staatsbürgerschaft zu entziehen;

19.

verurteilt das scharfe Vorgehen gegen Menschenrechtsverteidigerinnen, insbesondere die Festnahmen von Marfa Rabkowa und Maryna Kastyljantschanka vom Menschenrechtszentrum Wjasna, und fordert ein sofortiges Ende der geschlechtsspezifischen Schikanierung engagierter Bürgerinnen;

20.

ist der Ansicht, dass die Verleihung des Sacharow-Preises für geistige Freiheit 2020 an die demokratische Opposition in Belarus infolge der Pandemie einstweilen in Form einer per Videokonferenz übertragenen Zeremonie stattfinden sollte; betont jedoch, dass eine Zeremonie, wie es sie bisher gab, organisiert werden sollte, sobald die Lage dies zulässt;

21.

hebt hervor, dass die bislang von der EU und den Mitgliedstaaten gegen das Lukaschenka-Regime ergriffenen Maßnahmen unzureichend sind, und begrüßt den Beschluss des Rates, ein drittes Sanktionspaket auszuarbeiten, das sich gegen Unternehmen und Oligarchen mit Verbindungen zum Lukaschenka-Regime richtet; fordert eine glaubwürdige Erweiterung der Sanktionsliste der EU;

22.

unterstützt die Einleitung einer alsbaldigen Informationsreise des Europäischen Parlaments nach Vilnius und Warschau sowie die Zusammenarbeit mit der Opposition in Belarus, um eine mögliche Vermittlungstätigkeit und mögliche Maßnahmen zur Unterstützung der Demokratie auszuloten; betont, dass eine weitere Vermittlungstätigkeit und weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Demokratie erforderlich sind, etwa die Entsendung einer hochrangigen Mission im Anschluss an die Informationsreise;

23.

fordert, sämtliche Transfers von EU-Mitteln und die Vergabe von Darlehen durch die Europäische Investitionsbank, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und andere Institute an die derzeitige Regierung von Belarus und staatlich kontrollierte Projekte einzufrieren; fordert den EAD auf, die Verhandlungen über die Prioritäten der Partnerschaft EU-Belarus auszusetzen, bis eine freie und faire Präsidentschaftswahl stattgefunden hat;

24.

fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, die Unterstützung für die Zivilgesellschaft in Belarus aufzustocken und das Engagement der EU zur Unterstützung von unabhängigen Organisationen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidigern und unabhängigen Journalisten, insbesondere jenen, die in Haft sitzen, durch Beobachtung ihrer Gerichtsverfahren zu verstärken; fordert die Kommission auf, dringend ein Stipendienprogramm für Studierende und Lehrkräfte aufzulegen, die wegen ihrer prodemokratischen Haltung von belarussischen Universitäten verwiesen wurden; fordert die Kommission auf, ein gezieltes EU-Hilfsprogramm aufzulegen, um Opfern politischer Unterdrückung und von Polizeigewalt zu helfen;

25.

verurteilt die Ausweisung von EU-Diplomaten aus Belarus und fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, in Erwägung zu ziehen, den Umfang ihres diplomatischen Engagements gegenüber dem Land zu verringern;

26.

missbilligt die von den belarussischen Staatsorganen übermittelten Auslieferungsersuchen gegen Szjapan Puzila und Raman Pratassewitsch, die Gründer der in Warschau ansässigen Kanäle Telegram Next und Nexta Live, die vom Komitee für Staatssicherheit der Republik Belarus (KDB) in die Liste der Personen aufgenommen wurden, die an terroristischen Aktivitäten beteiligt waren;

27.

fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, die Empfehlungen des OSZE-Berichterstatters im Rahmen des Moskauer Mechanismus in Bezug auf die Gewährung von Asyl in Fällen von strafrechtlicher Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention umzusetzen; legt den Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang nahe, die Verfahren für die Vergabe von Visa an Personen, die aus politischen Gründen aus Belarus fliehen, weiter zu vereinfachen und ihnen und ihren Familien die erforderliche Hilfe und Unterstützung zu gewähren;

28.

verurteilt, dass Medien unterdrückt werden, der Zugang zum Internet gestört wird, Falschinformationen verbreitet werden und Journalisten und Blogger verprügelt, festgenommen und eingeschüchtert werden; betont, dass die belarussische Bevölkerung das Recht auf ungehinderten Zugang zu Informationen hat; fordert die EU auf, auf die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zurückzugreifen, um Medien und Journalisten zu unterstützen, gegen die das Regime mit Repressionsmaßnahmen vorgeht;

29.

beharrt darauf, dass belarussische Arbeitnehmer ihr Recht auf friedlichen Streik ausüben dürfen sollten, ohne dass sie Gefahr laufen, gekündigt, festgenommen oder anderen Repressalien ausgesetzt zu werden;

30.

bedauert, dass das Kernkraftwerk Astrawez nicht den höchsten internationalen Umweltschutz- und Sicherheitsnormen entspricht; unterstützt die Bemühungen um die Solidarität der Union in der Frage des Verbots der Einfuhr von Energie aus dem Kernkraftwerk Astrawez in den Binnenmarkt;

31.

bekräftigt seine Forderung an den Rat und die Kommission, ohne weitere Verzögerungen einen umfassenden, wirksamen und rechtzeitig wirkenden unionsweiten Mechanismus mit restriktiven Maßnahmen — einen europäischen Magnitski-Rechtsakt — einzuführen, mit dem gezielte Strafmaßnahmen gegen Einzelpersonen, staatliche und nichtstaatlichen Akteure oder sonstige Einrichtungen ermöglicht werden, die für schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße und Korruption verantwortlich oder daran beteiligt sind;

32.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie der Organisationen für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und den Staatsorganen der Republik Belarus zu übermitteln.

(1)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0231.

(2)  ABl. C 11 vom 13.1.2020, S. 18.

(3)  ABl. C 390 vom 18.11.2019, S. 100.

(4)  ABl. C 298 vom 23.8.2018, S. 60.

(5)  ABl. C 224 vom 27.6.2018, S. 135.

(6)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0280.

(7)  ABl. L 45 vom 18.2.2020, S. 3.


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/143


P9_TA(2020)0332

Eskalation der Spannungen in Varosia nach dem illegalen Vorgehen der Türkei und dringend notwendige Wiederaufnahme der Gespräche

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu der Eskalation der Spannungen in Varosia nach dem illegalen Vorgehen der Türkei und zur dringend notwendigen Wiederaufnahme der Gespräche (2020/2844(RSP))

(2021/C 425/16)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Türkei, insbesondere vom 13. März 2019 zu dem Bericht 2018 der Kommission über die Türkei (1) und vom 17. September 2020 zur Vorbereitung der Sondertagung des Europäischen Rates zu der gefährlichen Eskalation und der Rolle der Türkei im östlichen Mittelmeerraum (2),

unter Hinweis auf seine Erklärung vom 14. Februar 2012 zur Rückgabe des Sperrgebiets von Famagusta an die rechtmäßigen Einwohner (3),

unter Hinweis auf die Berichte des Petitionsausschusses vom 17. Juli 2008 im Anschluss an die Informationsreise nach Famagusta (Zypern) vom 25. bis 28. November 2007, sowie vom 21. November 2018 im Anschluss an die Informationsreise nach Famagusta (Zypern) vom 7./8. Mai 2018 im Zusammenhang mit der Petition Nr. 733/2004, eingereicht von Loizos Afxentiou im Namen der Bewegung „Famagusta Refugee Movement“,

unter Hinweis auf seine Entschließungen zu den Beratungen des Petitionsausschusses vom 23. September 2008 (4), 22. April 2009 (5) und 13. Februar 2018 (6),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 6. Oktober 2020 über die Erweiterungspolitik der EU (COM(2020)0660) und den als Begleitunterlage beigefügten Bericht 2020 über die Türkei,

unter Hinweis auf den am 3. Oktober 2005 festgelegten Verhandlungsrahmen für die Türkei,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 15. und 16. Oktober 2020 und auf die früheren einschlägigen Schlussfolgerungen des Rates und des Europäischen Rates,

unter Hinweis auf die Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) vom 13. Oktober 2020 zu den Entwicklungen betreffend Varosia,

unter Hinweis auf die vom VP/HR im Namen der Europäischen Union abgegebenen Erklärungen vom 6. Oktober 2020 zu den Entwicklungen betreffend Varosia und vom 15. November 2020 zu Varosia,

unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung des VP/HR und des Kommissionsmitglieds Ferreira vom 20. Oktober 2020 zum Wahlprozess in der türkisch-zyprischen Gemeinschaft,

unter Hinweis auf die zentralen Grundsätze des Völkerrechts, die Charta der Vereinten Nationen, die von den politischen Führern der beiden Volksgruppen geschlossene Vereinbarung auf hoher Ebene von 1979 sowie die einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu Zypern, darunter die Resolutionen 541 (1983), 550 (1984), 789 (1992) und 2537 (2020),

unter Hinweis auf die Erklärungen des Präsidenten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 9. Oktober 2019 und vom 9. Oktober 2020 zur Lage in Zypern,

unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen im Anschluss an sein Treffen mit den beiden politischen Führern im November 2019 in Berlin,

gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass die Türkei ein Bewerberland und ein wichtiger Partner der EU ist; in der Erwägung, dass von der Türkei als Bewerberland erwartet wird, dass sie höchste demokratische Standards, die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit achtet und internationale Übereinkommen einhält;

B.

in der Erwägung, dass die Türkei ein NATO-Bündnispartner ist und an ihre Verantwortung erinnert werden sollte, eine konstruktive Rolle bei der Deeskalation von Konflikten zu spielen;

C.

in der Erwägung, dass die Türkei auf den gescheiterten Putsch von 1974, der von der griechischen Junta unterstützt wurde, reagiert hat, indem sie türkische Streitkräfte in Zypern einmarschieren ließ, und in der Erwägung, dass diese im August 1974 auch in die Stadt Famagusta einmarschiert sind und die Stadt seitdem rechtswidrig besetzt ist;

D.

in der Erwägung, dass ein Stadtteil von Famagusta damals abgeriegelt wurde und seither unbewohnt ist und der direkten Kontrolle des türkischen Militärs untersteht;

E.

in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen der Auffassung sind, dass die Türkei die Verantwortung für den Status quo in Varosia und daher auch für alle Bemühungen trägt, diesen Status quo, der der auf hoher Ebene getroffenen Vereinbarung von 1979 und den Resolutionen 550 (1984) und 789 (1992) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen widerspricht, zu ändern;

F.

in der Erwägung, dass in der Resolution 550 (1984) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen jeder Versuch, auf dem Gebiet von Varosia andere Menschen als seine Einwohner anzusiedeln, als unzulässig erachtet und gefordert wird, das Gebiet der Verwaltung der Vereinten Nationen zu unterstellen, sowie in der Erwägung, dass in der Resolution 789 (1992) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gefordert wird, dass im Hinblick auf die Umsetzung der Resolution 550 (1984) Varosia als vertrauensbildende Maßnahme unter Kontrolle der Friedenssicherungstruppe der Vereinten Nationen auf Zypern seinen rechtmäßigen Einwohnern übergeben werden sollte;

G.

in der Erwägung, dass durch die Rückgabe des Sperrgebiets von Famagusta an die rechtmäßigen Einwohner die Bemühungen, eine umfassende Regelung der Zypernfrage zu erreichen, erleichtert würden;

H.

in der Erwägung, dass ein Teil von Varosia am 8. Oktober 2020 nach der entsprechenden Ankündigung vom 6. Oktober 2020 in Ankara und mit der Unterstützung durch den türkisch-zyprischen Führer Ersin Tatar für teilweise „offen“ erklärt wurde, was einen Verstoß gegen frühere Vereinbarungen und die einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen darstellt;

I.

in der Erwägung, dass der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu Anfang September 2019 Varosia besuchte und die Eröffnung eines türkischen „Generalkonsulats“ im Großraum von Varosia ankündigte; in der Erwägung, dass der türkische Vizepräsident Fuat Oktay Anfang Februar 2020 Varosia besuchte, um einen „Gipfel“ zu den rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Aspekten der Wiederöffnung der verlassenen Stadt Varosia abzuhalten;

J.

in der Erwägung, dass die Türkei erklärt hat, dass sie einseitig vorgehen und verschiedene Projekte in Varosia umsetzen werde, und dass sie angedroht hat, das Gebiet für eine illegale Besiedlung vorzubereiten;

K.

in der Erwägung, dass die türkisch-zyprische Gemeinschaft seit dem 18. Oktober 2020 mit Ersin Tatar einen neuen politischen Führer hat; in der Erwägung, dass der ehemalige türkisch-zyprische Führer Mustafa Akıncı eine wichtige, konstruktive und historische Rolle bei der Förderung des Friedens und des Dialogs zwischen den beiden Gemeinschaften auf der Insel gespielt hat;

L.

in der Erwägung, dass am 10. November 2020 mehrere Tausend türkische Zyprer in noch nie dagewesener Zahl im nördlichen Teil Zyperns gegen die Einmischung der Türkei in Zypern, darunter in Varosia, protestierten und Freiheit, Demokratie und die Achtung der Rechte der Zyprer aus Varosia einforderten; in der Erwägung, dass sich auch die wichtigsten Oppositionsführer an den Protesten beteiligten, darunter der ehemalige türkisch-zyprische Führer Mustafa Akıncı;

M.

in der Erwägung, dass der Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im besetzten Teil Zyperns zwecks „Veranstaltung eines Picknicks“ vom 15. November 2020 in Varosia eine Provokation darstellte, die bei den türkischen Zyprern zu extremen Reaktionen geführt hat;

N.

in der Erwägung, dass bei allen früheren Verhandlungen, auch auf der letzten Zypern-Konferenz in Crans-Montana im Jahr 2017, Varosia zu den Gebieten gehörte, die nach einer umfassenden Regelung der Zypernfrage auf der vereinbarten Grundlage einer Föderation von zwei Gemeinschaften und zwei Gebieten an die griechisch-zyprische Verwaltung zurückgegeben werden sollten;

O.

in der Erwägung, dass Ersin Tatar, der derzeitige politische Führer der türkischen Zyprer, die umfassende Regelung der Zypernfrage auf der Grundlage einer Föderation von zwei Gebieten und zwei Gemeinschaften, wie sie in den Parametern der Vereinten Nationen vorgesehen ist, ablehnt; in der Erwägung, dass Präsident Erdoğan am 15. November 2020 Gespräche forderte, die auf die Schaffung von zwei getrennten Staaten in Zypern abzielen;

P.

in der Erwägung, dass die Türkei ihre derzeitigen rechtswidrigen unilateralen Militäraktionen im östlichen Mittelmeer, die der Souveränität der EU-Mitgliedstaaten Griechenland und Zypern zuwiderlaufen, fortführt; in der Erwägung, dass das direkte Engagement der Türkei zur Unterstützung Aserbaidschans im Konflikt um Bergkarabach über ihre geoökonomischen Interessen hinausgeht und auf größere geopolitische Ambitionen hindeutet, wie dies bei den Maßnahmen der Türkei in Libyen und Syrien der Fall ist; stellt mit Besorgnis fest, dass die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei aufgrund der kontinuierlichen und zunehmenden Abkehr der Türkei von europäischen Werten und Normen einen historischen Tiefstand erreicht haben;

1.

verurteilt das rechtswidrige Vorgehen der Türkei in Varosia, insbesondere die teilweise „Öffnung“ der Stadt; betont, dass die Schaffung weiterer vollendeter Tatsachen das gegenseitige Vertrauen und die Aussichten auf eine umfassende Regelung der Zypernfrage untergräbt, indem sie die Lage vor Ort zum Schlechteren verändert, die Spaltung verschärft und die dauerhafte Teilung Zyperns zementiert; warnt vor jeder Änderung des Status quo in Varosia, die gegen die vorgenannten Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen verstoßen würde;

2.

fordert die türkische Regierung nachdrücklich auf, diese Entscheidung rückgängig zu machen und im Einklang mit der jüngsten Forderung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen jede einseitige Aktion zu unterlassen, die weitere Spannungen auf der Insel hervorrufen könnte; fordert die Türkei auf, ihre Truppen aus Zypern abzuziehen, das Gebiet von Varosia im Einklang mit der Resolution 550 (1984) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen seinen rechtmäßigen Einwohnern unter der vorübergehenden Verwaltung der Vereinten Nationen zu übergeben und von jeglichen Maßnahmen abzusehen, die das demografische Gleichgewicht auf der Insel durch eine Politik der illegalen Ansiedlung verändern; betont, dass nach der Regelung der Zypernfrage der Besitzstand der EU auf der gesamten Insel umgesetzt werden muss;

3.

ist fest davon überzeugt, dass eine dauerhafte Lösung des Konflikts nur durch Dialog, Diplomatie und Verhandlungen, die von gutem Willen geprägt sind, und im Einklang mit dem Völkerrecht erreicht werden kann; bekräftigt seine Überzeugung, dass eine dauerhafte Lösung der Zypernfrage jedem Land in der Region, vor allem Zypern, Griechenland und der Türkei, zugutekommen würde; fordert den Europäischen Rat auf, seinen einheitlichen Standpunkt gegenüber einseitigen und rechtswidrigen Handlungen der Türkei beizubehalten, Maßnahmen zu ergreifen und auf das rechtswidrige Vorgehen der Türkei mit harten Sanktionen zu reagieren; weist erneut darauf hin, dass weitere Sanktionen nur durch Dialog, echte Zusammenarbeit und konkrete Fortschritte vor Ort verhindert werden können;

4.

verweist nachdrücklich auf die Aufforderung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, die Verhandlungen anknüpfend an den in Crans-Montana erzielten Stand von 2017 wiederaufzunehmen, und betont, dass dies auf der Grundlage der gemeinsamen Erklärung der beiden politischen Führer vom 11. Februar 2014, des Sechs-Punkte-Rahmens des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 30. Juni 2017 und der bis zum Ende der Konferenz erreichten Konvergenz getan werden sollte; bedauert, dass sich die höchsten staatlichen Stellen der Türkei für die Zweistaatenlösung ausgesprochen haben, und fordert die Türkei nachdrücklich auf, der Aufforderung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen konkret nachzukommen;

5.

bekräftigt seine Unterstützung für eine faire, umfassende und zukunftsfähige Regelung auf der Grundlage einer Föderation von zwei Gemeinschaften und zwei Gebieten mit einer einzigen internationalen Rechtspersönlichkeit, einer einzigen Hoheitsgewalt und einer einzigen Staatsbürgerschaft sowie mit politischer Gleichberechtigung zwischen beiden Gemeinschaften, und zwar gemäß den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und im Einklang mit dem Völkerrecht und dem Besitzstand der EU und auf der Grundlage der Achtung der Grundsätze, auf denen die Union beruht;

6.

bringt seine tiefe Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die rechtswidrige „Öffnung“ von Varosia auf die Änderung der Eigentumsverhältnisse in dem Gebiet abzielt, was die Aussichten auf die Rückgabe von Varosia gemäß den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen oder im Rahmen einer umfassenden Lösung der Zypernfrage untergräbt; fordert die Türkei nachdrücklich auf, davon abzusehen, rechtswidrig andere Menschen als die rechtmäßigen Einwohner in Varosia anzusiedeln oder die rechtmäßigen Einwohner aufzufordern, unter den Bedingungen einer militärischen Besatzung in ihre Häuser zurückzukehren;

7.

betont, dass direkte Gespräche unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen auf der vereinbarten Grundlage die einzige Option bleiben, um eine Lösung zu erreichen, die die Insel und ihre Bevölkerung wiedervereint und unter anderem zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Zypern und der Türkei, zu verbesserten Aussichten im Hinblick auf die Abgrenzung der ausschließlichen Wirtschaftszone zwischen Zypern und der Türkei und zur Verbesserung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei führt; drängt darauf, dass die Verhandlungen über die Wiedervereinigung Zyperns unter der Schirmherrschaft des Generalsekretärs der Vereinten Nationen auf der vereinbarten Grundlage so bald wie möglich wieder aufgenommen werden;

8.

unterstützt sowohl die türkisch-zyprische als auch die griechisch-zyprische Gemeinschaft in ihrem jeweiligen Streben nach Frieden und Stabilität und fordert die Kommission auf, das zweite Jahresaktionsprogramm für Hilfen an die türkisch-zyprische Gemeinschaft, mit dem Projekte unterstützt werden sollen, die die Aussöhnung fördern und die Infrastruktur, den Umweltschutz und die wirtschaftliche Entwicklung verbessern, unverzüglich umzusetzen; fordert insbesondere eine dauerhafte und verstärkte Unterstützung der Zivilgesellschaft sowohl in der türkisch-zyprischen als auch in der griechisch-zyprischen Gemeinschaft, und zwar sowohl durch das Hilfsprogramm der EU als auch — stärker strukturell orientiert — als Teil des neuen mehrjährigen Finanzrahmens, insbesondere durch das Programm „Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“;

9.

fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, eine aktivere Rolle zu spielen, wenn es gilt, die Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen — unter anderem durch die Ernennung eines Vertreters bei der Gute-Dienste-Mission der Vereinten Nationen –, und ihre Bemühungen mit dem Europäischen Parlament zu koordinieren, um die Türkei davon zu überzeugen, ihr illegales Vorgehen in Varosia zu beenden;

10.

unterstreicht seine Unterstützung für die territoriale Unversehrtheit Zyperns und fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, sich jedem Versuch von Drittländern zu widersetzen, auf der Insel Zypern einen anderen Staat als die Republik Zypern anzuerkennen;

11.

bedauert die Äußerungen des türkischen Präsidenten während seines Besuchs in Varosia vom 15. November 2020, in denen Ankaras „Fahrplan“ für eine illegale Besiedlung der abgesperrten Stadt und seine Unterstützung einer dauerhaften Teilung Zyperns in eklatanter Weise offenkundig wurden;

12.

fordert die Türkei auf, davon abzusehen, einseitige Aktivitäten wie illegale Erkundungsbohrungen fortzusetzen, die die Souveränität und die souveränen Rechte der Republik Zypern weiter verletzen, unter Verstoß gegen das Seerecht neue vollendete Tatsachen zu schaffen drohen, die Wiederaufnahme substanzieller Verhandlungen und die Aussichten auf eine umfassende Lösung auf der vereinbarten Grundlage untergraben und den gutnachbarlichen Beziehungen in der Region abträglich sind;

13.

fordert die Mission der Vereinten Nationen in Zypern auf, die Bemühungen zur Überwachung der Entwicklungen in Varosia zu intensivieren;

14.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Türkei zu übermitteln.

(1)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0200.

(2)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0230.

(3)  ABl. C 249 E vom 30.8.2013, S. 1.

(4)  ABl. C 8 E vom 14.1.2010, S. 41.

(5)  ABl. C 184 E vom 8.7.2010, S. 12.

(6)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0114.


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/147


P9_TA(2020)0336

Das Abtreibungsrecht in Polen

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu der De-facto-Abschaffung des Rechts auf Abtreibung in Polen (2020/2876(RSP))

(2021/C 425/17)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf Artikel 2 und Artikel 7 Absatz 1,

unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) vom 4. November 1950 und die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR),

unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“),

unter Hinweis auf die Verfassung der Republik Polen,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948,

unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR) vom 16. Dezember 1966 und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) vom 16. Dezember 1966,

unter Hinweis auf das Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

unter Hinweis auf die abschließenden Feststellungen der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen vom 23. November 2016 zum siebten periodischen Bericht Polens,

unter Hinweis auf die internationalen technischen Leitlinien der UNESCO vom 10. Januar 2018 zur Sexualaufklärung,

unter Hinweis auf die Internationale Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (ICPD), die 1994 in Kairo stattfand, sowie auf ihr Aktionsprogramm, die Ergebnisse ihrer Überprüfungskonferenzen und das Gipfeltreffen von Nairobi im Jahr 2019 zum 25. Jahrestag der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (ICPD25),

unter Hinweis auf die Erklärung und die Aktionsplattform von Peking, die am 15. September 1995 auf der vierten Weltfrauenkonferenz angenommen wurden, sowie auf die darauffolgenden entsprechenden Abschlussdokumente, die im Rahmen der Sondertagungen der Vereinten Nationen Peking + 10 (2005), Peking + 15 (2010) und Peking + 20 (2015) angenommen wurden,

unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul), das am 1. August 2014 in Kraft trat, sowie auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. November 2019 zum Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul und zu weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt (1),

unter Hinweis auf die im Jahr 2015 vereinbarten Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDG),

unter Hinweis auf das Themenpapier des Menschenrechtskommissars des Europarats vom 4. Dezember 2017 mit dem Titel „Women“s sexual and reproductive health and rights in Europe“ (Sexuelle und reproduktive Gesundheit und diesbezügliche Rechte von Frauen in Europa),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des von der Kommission ausgerichteten jährlichen Grundrechtekolloquiums von 2017 zum Thema „Frauenrechte in turbulenten Zeiten“,

unter Hinweis auf die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation von 2018 zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit und den damit verbundenen Rechten von Jugendlichen,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter vom 10. Juli 2017 über seine Delegationsreise vom 22. bis 24. Mai 2017 nach Polen sowie auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres vom 3. Dezember 2018 im Anschluss an die Entsendung einer Ad-hoc-Delegation nach Polen zur Prüfung der Lage der Rechtsstaatlichkeit (19.–21. September 2018),

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Polen, insbesondere jene vom 15. November 2017 zur Lage der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in Polen (2) und jene vom 17. September 2020 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch die Republik Polen (3),

unter Hinweis auf die vier von der Kommission gegen Polen eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit der Reform der polnischen Justiz und unter Hinweis auf den Vorschlag für einen Beschluss des Rates vom 20. Dezember 2017 zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch die Republik Polen (COM(2017)0835),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. März 2018 zu dem Beschluss der Kommission, im Hinblick auf die Lage in Polen das Verfahren gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV einzuleiten (4),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. November 2019 zur Kriminalisierung der Sexualerziehung in Polen (5),

unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 4. April 2019 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten (6) und unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 17. April 2019 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufstellung des Programms „Rechte und Werte“ (7),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Februar 2019 zur Erfahrung von Gegenreaktionen gegen die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter in der EU (8),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Dezember 2019 zur öffentlichen Diskriminierung von und Hetze gegen LGBTI-Personen sowie zu LGBTI-freien Zonen (9),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2020 zu abgestimmten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen (10),

unter Hinweis auf den von der Kommission am 30. September 2020 vorgelegten Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020 mit dem Titel „Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union“ (COM(2020)0580) und das Länderkapitel zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen,

unter Hinweis auf das Schreiben der Vorsitzenden der fünf Mehrheitsfraktionen des Europäischen Parlaments vom 30. Oktober 2020 an den polnischen Ministerpräsidenten (11),

gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass die Union von sich behauptet, sich auf die in Artikel 2 EUV genannten Werte der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Gerechtigkeit, der Rechtsstaatlichkeit, der Wahrung der Menschenrechte und der Nichtdiskriminierung zu gründen; in der Erwägung, dass alle Mitgliedstaaten im Rahmen des Völkerrechts und der EU-Verträge Verpflichtungen zur Achtung, zur Gewährleistung und zur Durchsetzung der Grundrechte eingegangen sind;

B.

in der Erwägung, dass ein wirksames, unabhängiges und unparteiisches Justizwesen eine grundlegende Voraussetzung dafür ist, dass die Rechtsstaatlichkeit und der Schutz der Grundrechte und der bürgerlichen Freiheiten der Menschen in der EU gewährleistet sind;

C.

in der Erwägung, dass das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ein in den Verträgen und der Charta verankertes Grundrecht ist und uneingeschränkt geachtet werden muss; in der Erwägung, dass die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Frauen und ihre damit verbundenen Rechte gemäß der Charta, der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR mit zahlreichen Menschenrechten zusammenhängen, etwa mit dem Recht auf Leben, dem Recht, keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, dem Recht auf Zugang zu Gesundheitsfürsorge, dem Recht auf Privatsphäre, Informationen und Bildung und dem Diskriminierungsverbot; in der Erwägung, dass diese Menschenrechte auch in der polnischen Verfassung verankert sind;

D.

in der Erwägung, dass sich das Parlament in seinem kürzlich angenommenen Programm EU4Health mit der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und den damit verbundenen Rechten befasst hat, um den rechtzeitigen Zugang zu Gütern sicherzustellen, die erforderlich sind, um auf sichere Weise für sexuelle und reproduktive Gesundheit und die Gewährung der damit verbundenen Rechte zu sorgen (etwa Arzneimittel, Kontrazeptive und medizinische Ausrüstung);

E.

in der Erwägung, dass der Verfassungsgerichtshof in Polen als eines der zentralen Elemente eingerichtet wurde, mit denen das zu einer konstitutionellen Demokratie gehörende Prinzip der Gewaltenteilung und das Rechtsstaatsprinzip geschützt werden sollten;

F.

in der Erwägung, dass der Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau und der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen im August 2018 eine gemeinsame Erklärung abgegeben haben, in der sie betonten, dass der Zugang zu sicherer und legaler Abtreibung sowie zu den damit verbundenen Diensten und Informationen ein wesentlicher Aspekt der reproduktiven Gesundheit von Frauen ist, und in der sie die Länder nachdrücklich aufforderten, von Beschränkungen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte von Frauen und Mädchen abzusehen, da durch diese Beschränkungen ihre Gesundheit und ihr Leben gefährdet werden; in der Erwägung, dass der Zugang zu Abtreibung ein Menschenrecht ist, wohingegen die Verzögerung oder Verweigerung einer Abtreibung eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt darstellt und Folter und/oder grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gleichkommen kann; in der Erwägung, dass die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte Ziele im Rahmen des SDG 3 der Vereinten Nationen sind, und in der Erwägung, dass die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt und schädlicher Praktiken zu den Zielen im Rahmen des SDG 5 gehört;

G.

in der Erwägung, dass der Zugang zu umfassenden und altersgerechten Informationen, Sexualerziehung sowie sexueller und reproduktiver Gesundheit und den damit verbundenen Rechten — einschließlich Familienplanung, Verhütungsmethoden und sicherer und legaler Abtreibung — sowie die Selbstbestimmtheit von Mädchen und Frauen und ihre Fähigkeit, freie und unabhängige Entscheidungen über ihren Körper und ihr Leben zu treffen, Voraussetzungen für ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit und daher von wesentlicher Bedeutung für die Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter und die Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt sind; in der Erwägung, dass es ihr Körper und somit ihre Entscheidung ist;

H.

in der Erwägung, dass Polen das Übereinkommen von Istanbul, die Lanzarote-Konvention, den IPBPR, den IPWSKR und das Kinderrechtsübereinkommen ratifiziert hat und gemäß den internationalen Menschenrechtsnormen verpflichtet ist, Zugang zu ganzheitlicher Sexualaufklärung und entsprechenden Informationen zu gewähren, was auch Informationen über die Gefahren sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs umfasst, und Geschlechterstereotype in der Gesellschaft infrage zu stellen; in der Erwägung, dass Polen die Urteile des EGMR zum Zugang zu legaler Abtreibung nicht umgesetzt hat; in der Erwägung, dass das Ministerkomitee des Europarates Polen kritisiert hat, weil das Land in dieser Hinsicht keine Fortschritte erzielt;

I.

in der Erwägung, dass es in den Mitgliedstaaten zahlreiche Unterschiede beim Zugang zu Abtreibungen gibt; in der Erwägung, dass Polen im European Contraception Policy Atlas (Europäischer Atlas für die Politik im Bereich der Empfängnisverhütung) von 2020 einen der niedrigsten Werte in der Europäischen Union aufweist und die Politik des Landes im Bereich des Zugangs zu Verhütungsmitteln, der Familienplanung, der Beratung und der Bereitstellung von Online-Informationen zu den restriktivsten in Europa gehört; in der Erwägung, dass Polen eines der wenigen Länder ist, in dem für Notfallverhütungsmittel eine Verschreibung erforderlich ist, welche von Ärzten aufgrund persönlicher Überzeugungen häufig verweigert wird;

J.

in der Erwägung, dass seit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2015 zum Gesetz vom 5. Dezember 1996 über die ärztlichen und zahnärztlichen Berufe weder Angehörige der Gesundheitsberufe noch medizinische Einrichtungen rechtlich verpflichtet sind, eine andere Einrichtung bzw. einen anderen Arzt anzugeben, falls sie die Ausführung von Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit aufgrund persönlicher Überzeugungen verweigern; in der Erwägung, dass die im Juli 2020 geänderte endgültige Fassung des Gesetzes nicht, wie ursprünglich vorgeschlagen, die Verpflichtung vorsieht, eine andere Einrichtung bzw. einen anderen Arzt anzugeben,; in der Erwägung, dass eine derartige Auslassung eine vollständige Missachtung der Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates hinsichtlich der Umsetzung der Urteile des EGMR gegen Polen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der diesbezüglichen Rechte darstellt;

K.

in der Erwägung, dass nach Aussage von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der Föderation für Frauen und Familienplanung 2018 nur 10 % der Krankenhäuser, die Verträge mit dem polnischen Nationalen Gesundheitsfonds abgeschlossen haben, legale Abtreibungen durchführten, was bedeutet, dass es in Polen ganze Wojewodschaften gibt, in denen keine Möglichkeit besteht, eine sichere und legale Abtreibung durchführen zu lassen, so dass für Frauen der Zugang zu diesen ärztlichen Leistungen extrem schwierig und oft unmöglich ist;

L.

in der Erwägung, dass Ärzte in Polen aus Angst und aufgrund des Drucks von Kollegen und Gesundheitsbehörden nicht mit Abtreibungen in Verbindung gebracht werden wollen; in der Erwägung, dass Ärzte neben der häufig angewendeten Gewissensklausel zusätzliche, gesetzlich nicht vorgesehene Hindernisse schaffen, wie etwa unnötige ärztliche Untersuchungen, psychologische Beratungsgespräche oder zusätzlichen Beratungen durch Experten, oder das Recht von Frauen auf pränatale Untersuchungen und Information verletzen, das im Rahmen der öffentlichen Gesundheitsversorgung für alle Patientinnen und Patienten gelten sollte;

M.

in der Erwägung, dass der Zugang zu gynäkologischer Versorgung in Polen sehr eingeschränkt und in einigen Regionen fast unmöglich ist, was eine hohe Anzahl an ungewollten Schwangerschaften, mangelhafte reproduktive Gesundheit, ein häufiges Vorkommen von Gebärmutterhalskrebs und ungenügenden Zugang zu Verhütungsmitteln nach sich zieht; in der Erwägung, dass der Zugang zu ärztlichen Leistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und die Rechte von LGBTI+-Personen sehr stark eingeschränkt sind; in der Erwägung, dass Transpersonen und nicht binäre Personen, die gynäkologische Leistungen benötigen, in den medizinischen Einrichtungen oft diskriminiert werden und ihnen der Zugang zu ärztlichen Leistungen verweigert wird;

N.

in der Erwägung, dass seit Anfang 2019 über 80 Wojewodschaften, Landkreise oder Gemeinden in Polen Anti–LGBTI+–Entschließungen verabschiedeten, mit denen sie sich für frei von der sogenannten „LGBT-Ideologie“ erklärten, oder die „Regionalen Chartas der Familienrechte“ vollständig oder teilweise annahmen, mit denen insbesondere Alleinerziehende und LGBTI–Eltern und –Personen diskriminiert werden und die Freizügigkeit dieser Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern de facto eingeschränkt wird;

O.

in der Erwägung, dass jedes Jahr in Polen bis zu 200 000 Frauen eine Schwangerschaft abbrechen und sich gezwungen sehen, heimliche Abtreibungen vorzunehmen, wobei sie zumeist Abtreibungspillen verwenden, die sie ohne die erforderliche ärztliche Überwachung und Beratung einnehmen; in der Erwägung, dass geschätzt wird, dass sich bis zu 30 000 Frauen gezwungen sehen, von Polen aus ins Ausland zu reisen, um die ärztliche Behandlung zu erhalten, die sie benötigen, und eine Abtreibung durchführen zu lassen (12); in der Erwägung, dass für diese ärztlichen Leistungen bezahlt werden muss, so dass sie nicht in gleicher Weise für alle Frauen zugänglich sind und der Zugang insbesondere für Frauen, die sich in einer sozial und wirtschaftlich benachteiligten Lage befinden, sowie für Migrantinnen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus erschwert ist; in der Erwägung, dass sichere Abtreibungen in Polen nur einer eingeschränkten Gruppe von Frauen zugänglich sind;

P.

in der Erwägung, dass der Verfassungsgerichtshof am 22. Oktober 2020 auf Antrag von 119 Mitglieder des polnischen Parlaments mit Unterstützung der sogenannten Pro–Life–Bewegung die Bestimmung des Gesetzes von 1993 über die Familienplanung, den Schutz des menschlichen Fötus und die Voraussetzungen für einen legalen Schwangerschaftsabbruch, das eine Abtreibung in Fällen zulässt, in denen Pränataluntersuchungen oder andere medizinische Erwägungen auf eine hohe Wahrscheinlichkeit einer schweren und bleibenden Behinderung oder einer unheilbaren Erkrankung des Fötus, die sein Leben bedroht, hinweisen, für verfassungswidrig erklärt hat;

Q.

in der Erwägung, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit einer schweren und bleibenden Behinderung oder unheilbaren Erkrankung des Fötus die Rechtsgrundlage für 1 074 der 2019 erfolgten 1 110 Schwangerschaftsabbrüche darstellte, während die übrigen Fälle aufgrund einer Gefährdung von Leben oder Gesundheit der Frau erfolgten oder weil die Schwangerschaft aufgrund einer verbotenen Handlung (etwa einer Vergewaltigung) entstanden ist, was die einzigen anderen Fälle sind, in denen eine Abtreibung nach dem Gesetz von 1993 über die Familienplanung gestattet ist;

R.

in der Erwägung, dass das Urteil mit seiner Veröffentlichung, die nach polnischem Recht verbindlich ist, Gültigkeit erlangt, und dass es mit seiner Veröffentlichung zu einem fast vollständigen Verbot von Abtreibungen in Polen kommen und die Durchführung von Abtreibungen strafbar gemacht wird, was eine Ausweitung von heimlichen Abtreibungen unter unsicheren Bedingungen und des nur wenigen Frauen möglichen Abtreibungstourismus nach sich ziehen und damit die Gesundheit von Frauen und ihre Rechte sowie ihr Leben gefährden wird; in der Erwägung, dass das Urteil zwar noch nicht veröffentlicht wurde, dass aber für viele Schwangere, die erfahren haben, dass ihr Fötus mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwere und bleibende Behinderung oder eine unheilbare Krankheit aufweist, der Zugang zu einer legalen Abtreibung dennoch eingeschränkt wurde;

S.

in der Erwägung, dass das Urteil einen weiteren Angriff auf Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte in Polen sowie einen weiteren Versuch zur Einschränkung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der diesbezüglichen Rechte in der langen Reihe der in den vergangenen Jahren erfolgten darstellt; in der Erwägung, dass diese Angriffe in den Jahren 2016, 2018 und 2020 aufgrund des massenhaften Widerstands polnischer Bürgerinnen und Bürger, die sich etwa in den „Black–Friday“–Protestmärschen ausdrückten und von Mitgliedern verschiedener Fraktionen des Europäischen Parlaments entschieden unterstützt wurden, zunächst abgewendet wurden;

T.

in der Erwägung, dass dieses Urteil zu einem Zeitpunkt erging, als aufgrund der zweiten Welle der COVID–19–Pandemie in allen Mitgliedstaaten der EU, auch in Polen, Einschränkungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit galten, die eine angemessene demokratische Debatte und einen echten demokratischen Prozess verhinderten, was bei Entscheidungen über Grundrechte von entscheidender Bedeutung ist;

U.

in der Erwägung, dass trotz der Hygienemaßnahmen und gesundheitlichen Gefährdungen in ganz Polen und weltweit Protestveranstaltungen in nie dagewesenem Ausmaß stattfanden; in der Erwägung, dass weiterhin Tausende Protestierende gegen die schwerwiegenden Einschränkungen ihrer grundlegenden Rechte im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit demonstrieren; in der Erwägung, dass Bereitschaftspolizei und Militärgendarmerie eingesetzt wurden, um die Proteste zu überwachen, und die Polizisten in übertriebenem Maße körperliche Gewalt gegen friedlich Protestierende eingesetzt haben, unter denen sich auch Mitglieder des polnischen Parlaments und polnische Mitglieder des Europäischen Parlaments befanden; in der Erwägung, dass diese Maßnahmen im Widerspruch zu den Verpflichtungen der polnischen Regierung aufgrund von internationalen Menschenrechtsnormen wie etwa der Charta, die Versammlungsfreiheit gewähren, und den Leitlinien des Sonderberichterstatters für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, nach denen das Militär im Allgemeinen nicht für die Überwachung von Versammlungen herangezogen werden sollte, stehen;

V.

in der Erwägung, dass die staatlichen Stellen zu Drohungen griffen, um polnische Bürgerinnen und Bürger und in Polen lebende Personen von der Teilnahme an Kundgebungen abzuhalten, darunter etwa die Verhängung von hohen Bußgeldern, während der Generalstaatsanwalt und Justizminister Zbigniew Ziobro ankündigte, dass gegen die Organisatorinnen und Organisatoren der Proteste Strafanzeigen gestellt würden, die Freiheitsstrafen von bis zu acht Jahren nach sich ziehen können; in der Erwägung, dass viele Protestierende, unter anderem Minderjährige, rechtswidrig festgehalten wurden;

W.

in der Erwägung, dass der stellvertretende Premierminister Jarosław Kaczyński am 28. Oktober 2020 die Menschen dazu aufrief, die traditionellen polnischen Werte zu verteidigen und die Kirchen „um jeden Preis“ zu schützen, was dazu führte, dass Protestierende von nationalistischen Fußballfans tätlich angegriffen wurden; in der Erwägung, dass damit kulturelle und religiöse Werte in Polen missbraucht werden, um die umfassende Umsetzung der Frauenrechte, die Gleichstellung der Frauen und ihr Recht, selbst über ihren Körper zu entscheiden, zu verhindern; in der Erwägung, dass eine fundamentalistische Organisation namens Ordo Iuris, die eng mit der Regierungskoalition verbunden ist, die treibende Kraft hinter den Kampagnen zur Bekämpfung der Menschenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter in Polen ist, etwa der Versuche, Abtreibung zu verbieten, und zum Austritt Polens aus dem Übereinkommen von Istanbul und zur Schaffung von „LGBTI–freien Zonen“ aufruft;

X.

in der Erwägung, dass sich nach den jüngsten Umfragen die Mehrheit der Menschen in Polen für das Recht auf Abtreibung auf Wunsch der Schwangeren bis zur 12. Woche aussprechen; in der Erwägung, dass die Demonstrierenden auch den Rücktritt der Regierung fordern, die wiederholt gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat; in der Erwägung, dass die Proteste zum größten Teil von durch Frauen geleitete Organisationen, Aktivistinnen und Aktivisten und Organisationen der Zivilgesellschaft organisiert und koordiniert und von der politischen Opposition in Polen unterstützt wurden; in der Erwägung, dass der durch den polnischen Präsidenten im Anschluss an die Proteste unterbreitete Vorschlag für eine gesetzliche Regelung der Abtreibung unbefriedigend ist;

Y.

in der Erwägung, dass die am 22. Dezember 2015 und 22. Juli 2016 durch das polnische Parlament verabschiedeten Gesetze über den Verfassungsgerichtshof sowie das aus drei Gesetzen bestehende Paket, das Ende 2016 angenommen wurde, die Unabhängigkeit und die Legitimität des Verfassungsgerichtshofs in schwerwiegender Weise beschädigt haben; in der Erwägung, dass die Gesetze vom 22. Dezember 2015 und vom 22. Juli 2016 vom Verfassungsgerichtshof am 9. März 2016 bzw. 11. August 2016 für verfassungswidrig erklärt wurden; in der Erwägung, dass diese Urteile von den staatlichen Stellen Polens damals nicht veröffentlicht oder umgesetzt wurden; in der Erwägung, dass die Verfassungsmäßigkeit der polnischen Gesetze seit dem Inkrafttreten der genannten Gesetzesänderungen in Polen nicht mehr wirksam gewährleistet werden kann (13);

Z.

in der Erwägung, dass das erwähnte Urteil von Richterinnen und Richtern gefällt wurde, die von Politikerinnen und Politikern der von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) angeführten Regierungskoalition ernannt wurden und vollständig von diesen abhängig sind; in der Erwägung, dass der Präsident des polnischen Senats das Urteil nicht beachtete und die Regierung aufforderte, es nicht zu veröffentlichen, insbesondere da es die Verpflichtungen Polens im Bereich der Menschenrechte verletze und der vorangegangenen Rechtsprechung zur polnischen Verfassung nicht entspreche, sowie aufgrund der unrechtmäßig erfolgten Ernennung dreier Richter und der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs (14);

AA.

in der Erwägung, dass Kommission und Parlament schwerwiegende Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit geäußert haben, darunter auch zur Legitimität, Unabhängigkeit und Wirksamkeit des Verfassungsgerichtshofs; in der Erwägung, dass die Kommission aufgrund der 2015 erfolgten Reformen des Justizwesens in Polen ein Verfahren gemäß Artikel 7 Absatz 1 ausgelöst hat;

1.

verurteilt das Urteil des Verfassungsgerichtshofs und den Rückschlag, den es für die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die diesbezüglichen Rechte der Frauen in Polen bedeutet, auf das Schärfste; weist darauf hin, dass mit dem Urteil die Gesundheit und das Leben von Frauen aufs Spiel gesetzt werden; weist darauf hin, dass es alle Vorschläge für Rechtsakte oder Einschränkungen, die darauf abzielten, den Zugang zu einer legalen Abtreibung unter sicheren Bedingungen in Polen weiter zu verbieten und einzuschränken, stark kritisiert hat, die praktisch einem Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in Polen gleichkommen, da die meisten der legal durchgeführten Abtreibungen aufgrund einer schweren und bleibenden Schädigung des Fötus oder aufgrund einer unheilbaren, für den Fötus lebensbedrohlichen Krankheit durchgeführt werden; weist darauf hin, dass die umfassende Zugänglichkeit von ärztlichen Leistungen und die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die diesbezüglichen Rechte grundlegende Menschenrechte sind;

2.

weist darauf hin, dass mit der Einschränkung des Rechts auf Abtreibung oder ihrem Verbot Abtreibungen keinesfalls abgeschafft, sondern lediglich in den Untergrund verlagert werden, was zu einer größeren Zahl an illegal und unter gefährlichen Bedingungen heimlich durchgeführten Abtreibungen führt, die lebensbedrohlich sein können; weist erneut darauf hin, dass die Durchführung einer Abtreibung keine strafbare Handlung sein sollte, da dies eine abschreckende Wirkung auf Ärztinnen und Ärzte hat, die im Ergebnis die Durchführung von Leistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der diesbezüglichen Rechte ablehnen, da sie strafrechtliche Sanktionen fürchten;

3.

bedauert, dass das Urteil zu einem Zeitpunkt ausgesprochen wurde, als ordnungsgemäße demokratische Verfahren durch die im Zusammenhang mit der COVID–19–Pandemie geltenden Hygieneregelungen stark behindert waren; kritisiert entschieden das strenge Verbot von öffentlichen Versammlungen, das ohne die Ausrufung des bei Naturkatastrophen gemäß Artikel 232 der polnischen Verfassung vorgesehenen Notstands ausgesprochen wurde;

4.

weist darauf hin, dass Frauenrechte grundlegende Menschenrechte sind und dass die Organe und Einrichtungen der EU und die Mitgliedstaaten daher rechtlich verpflichtet sind, diese Rechte im Einklang mit den Verträgen und der Charta sowie dem Völkerrecht zu wahren und zu schützen;

5.

weist darauf hin, dass die ungerechtfertigten und unangemessenen Einschränkungen des Zugangs zu Abtreibungen, die sich aus dem erwähnten Urteil des Verfassungsgerichtshofs ergeben, gegen den Schutz der angeborenen und unveräußerlichen Würde der Frauen verstoßen, da sie gegen die Charta, die EMRK, die Rechtsprechung des EGMR, zahlreiche von Polen unterzeichnete internationale Übereinkommen sowie die Verfassung der Republik Polen verstoßen;

6.

fordert das polnische Parlament und die polnischen staatlichen Stellen nachdrücklich auf, keine weiteren Bemühungen zur Einschränkung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der diesbezüglichen Rechte zu unternehmen, da derartige Maßnahmen gegen den Grundsatz der internationalen Menschenrechtsnormen verstoßen, dass einmal gewährte Rechte nicht zurückgenommen werden; bekräftigt nachdrücklich, dass die Verweigerung von sexueller und reproduktiver Gesundheit und der diesbezüglichen Rechte eine Form der geschlechtsbezogenen Gewalt darstellt; fordert die polnischen staatlichen Stellen auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die in Fällen gegen Polen ergangenen Urteile des EGMR umfassend umzusetzen, der entschied, dass restriktive Abtreibungsgesetze gegen die Menschenrechte von Frauen verstoßen; betont, dass die ungehinderte und rechtzeitige Bereitstellung von Leistungen im Bereich der reproduktiven Gesundheit und die Achtung der reproduktiven Autonomie und Entscheidungsfindung von Frauen entscheidend für den Schutz der Menschenrechte von Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter ist;

7.

hebt hervor, dass eine umfassende, faktengestützte, diskriminierungsfreie und altersgerechte Sexualerziehung sowie die Vermittlung von diesbezüglichen Informationen an alle Menschen erforderlich sind, da fehlende Informationen und Bildung zu Sex und Sexualität eine größere Zahl an ungewollten Schwangerschaften nach sich ziehen;

8.

verurteilt auf das Schärfste die jüngste Entscheidung des polnischen Justizministers, das Austrittsverfahren Polens aus dem Übereinkommen von Istanbul offiziell zu beginnen, was einen Rückschlag für die Gleichstellung der Geschlechter, die Frauenrechte und die Bekämpfung von geschlechtsbezogener Gewalt bedeuten würde; fordert die staatlichen Stellen Polens auf, das Übereinkommen wirksam in der Praxis umzusetzen, darunter auch die Bestimmung, dass geeignete Schutzunterkünfte in ausreichender Zahl für weibliche Gewaltopfer und ihre Kinder vorhanden sein müssen, und dabei die Eskalation geschlechtsbezogener Gewalt während der COVID–19–Pandemie zu berücksichtigen, und dafür Sorge zu tragen, dass die wesentlichen Hilfs– und Gesundheitsangebote auch im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit zur Verfügung stehen;

9.

äußert sein Bedauern angesichts der Tatsache, dass der Zugang zu ärztlichen Leistungen in bestimmten Gebieten Polens immer noch eingeschränkt ist und dass nach Angaben des Obersten Rechnungshof im Jahr 2018 nur bei 2 % der in ländlichen Gegenden Polens lebenden Schwangeren alle während einer Schwangerschaft erforderlichen Standarduntersuchungen wie Ultraschalluntersuchung des Fötus, CTG oder Blutuntersuchung der Mutter vorgenommen wurden;

10.

bedauert die immer häufigere Anwendung der Gewissensklausel, was das Fehlen von verlässlichen Verfahren für die Weiterverweisung von Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen wollen, und langwierige Einspruchsverfahren für Frauen, denen eine derartige Leistung verweigert wurde, nach sich zieht, und bedauert zudem, dass sich Frauenärzte häufig auf die Gewissensklausel berufen, wenn sie um die Verschreibung von Verhütungsmitteln gebeten werden, und damit den Zugang zu Verhütung in Polen faktisch einschränken; weist darauf hin, dass die Gewissensklausel zudem den Zugang zu pränatalen Untersuchungen behindert, was nicht nur eine Verletzung des Rechts auf Information über den Zustand des Fötus darstellt, sondern zudem die erfolgreiche Behandlung des Kindes während oder direkt nach der Schwangerschaft behindert; fordert die polnischen staatlichen Stellen auf, das Gesetz, mit dem der Zugang zu Notfallverhütungsmitteln eingeschränkt wird, aufzuheben;

11.

äußert große Bedenken angesichts der Tatsache, dass Tausende von Frauen ins Ausland reisen müssen, um eine grundlegende ärztliche Leistung wie Abtreibung in Anspruch nehmen zu können; hebt hervor, dass Abtreibungen, für die eine Staatsgrenze überquert werden muss, keine realistische Option für sehr schutzbedürftige und ausgegrenzte Menschen sind; äußert sich besorgt angesichts der Tatsache, dass diese Auslandsreisen ein Risiko für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Frauen darstellen, da sie oft allein reisen; hebt hervor, dass ärztliche Versorgung nach einer Abtreibung von großer Bedeutung ist, insbesondere wenn die Frau aufgrund einer unvollständigen Abtreibung oder einer Abtreibung unter unsicheren Bedingungen unter Komplikationen leidet;

12.

verleiht seiner Unterstützung und Solidarität für Tausende polnischer Bürgerinnen und Bürger, insbesondere für Frauen und LGBTI+–Personen, Ausdruck, die trotz der gesundheitlichen Gefährdungen auf die Straße gegangen sind, um gegen die schwerwiegenden Einschränkungen ihrer grundlegenden Freiheiten und Rechte zu protestieren; weist darauf hin, dass die Protestierenden nicht nur die Rücknahme des Urteils des Verfassungsgerichtshofs fordern, sondern auch den sogenannten „Abtreibungskompromiss“ anprangern und eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts und die Achtung des Rechts auf körperliche Selbstbestimmung fordern; weist darauf hin, dass Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit auch während einer Pandemie ein entscheidender Bestandteil der Europäischen Union ist;

13.

verurteilt auf das Schärfste die übertriebene und unverhältnismäßige Anwendung von körperlicher Gewalt gegen Protestierende, darunter Aktivistinnen und Aktivisten und Organisationen für Frauenrechte, durch Polizistinnen und Polizisten und nichtstaatliche Akteure, wie etwa rechtsextreme nationalistische Gruppierungen; fordert die polnischen staatlichen Stellen auf, dafür Sorge zu tragen, dass Angriffe auf Protestierende geahndet werden;

14.

fordert die polnischen staatlichen Stellen nachdrücklich auf, die einzelstaatliche Gesetzgebung zur Verbesserung der Wahrung der Frauenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter auszubauen, indem Einrichtungen, die sich mit Diskriminierung aufgrund von biologischem bzw. gesellschaftlichem Geschlecht befassen, alle erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen bereitgestellt werden;

15.

fordert die Kommission auf, eine gründliche Bewertung der Zusammensetzung des Verfassungsgerichtshofs vorzunehmen, da aufgrund von dessen rechtswidriger Zusammensetzung seine Urteile und damit seine Fähigkeit, die polnischen Verfassung zu schützen, in Frage gestellt werden können; hebt hervor, dass das erwähnte Urteil ein weiteres Beispiel für die Übernahme des Justizwesens durch die Politik und den strukturellen Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit in Polen ist;

16.

fordert den Rat auf, dieses Thema und andere mutmaßliche Verstöße gegen die Grundrechte in Polen zu behandeln, indem er den Themenbereich der derzeitigen Anhörungen zur Lage in Polen nach Artikel 7 Absatz 1 EUV erweitert; fordert den Rat auf, die für den 10. und 11. Dezember 2020 vorgesehene förmliche Anhörung zum Sachstand in Polen wie geplant durchzuführen;

17.

begrüßt die am 5. November 2020 erzielte vorläufige Einigung über Bestimmungen zur Schaffung eines Verfahrens, das die Aussetzung von Haushaltszahlungen an einen Mitgliedstaat ermöglicht, der gegen die Rechtsstaatlichkeit verstößt; fordert die Kommission auf, die vor Kurzem vereinbarte Konditionalitätsregelung für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2021–2017 mit Entschlossenheit anzuwenden;

18.

fordert den Rat und die Kommission auf, Organisationen der Zivilgesellschaft auf nationaler und lokaler Ebene in angemessener Weise finanziell zu unterstützen, um Basisinitiativen zu fördern, die sich in den Mitgliedstaaten, darunter auch in Polen, für Demokratie, Rechtstaatlichkeit und grundlegende Menschenrechte einsetzen; fordert die Kommission auf, Programme und Organisationen der Zivilgesellschaft in Polen, die sich für den Schutz der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der diesbezüglichen Rechte von Frauen einsetzen, unverzüglich und unmittelbar zu unterstützen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Sensibilisierungs- und Fortbildungsmaßnahmen mit Hilfe von Förderprogrammen zu unterstützen;

19.

fordert die Kommission auf, der Gewährleistung eines gleichwertigen und belastbaren Schutzes aller Menschen durch die Justiz aus allen in Artikel 19 AEUV genannten Gründen hohe Bedeutung einzuräumen; fordert den Rat auf, die Verhandlungen über die horizontale Richtlinie über Nichtdiskriminierung unverzüglich aus der Sackgasse zu führen und abzuschließen, und begrüßt die neuen Zusagen der Kommission in diesem Bereich;

20.

fordert die Kommission auf, die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, allgemeinen Zugang zu ärztlichen Leistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, wie etwa Abtreibungen, sicherzustellen; fordert die Kommission auf, für die Wahrung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und die diesbezüglichen Rechte Sorge zu tragen, indem das Recht auf Abtreibung in die nächste Gesundheitsstrategie der EU aufgenommen wird;

21.

hebt hervor, dass viele Mitgliedstaaten ihre Unterstützung für den Kampf der polnischen Frauen und ein hohes Interesse daran ausdrückten; fordert die EU auf, Organisationen finanziell zu fördern, die eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Organisationen unterstützen, die sichere und legale Abtreibungen durchführen;

22.

fordert die Kommission auf, zu bestätigen, dass Richtlinie 2004/113/EG (15) auch auf Produkte und Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der diesbezüglichen Rechte angewendet wird, und anzuerkennen, dass Einschränkungen und Hürden beim Zugang zu Produkten und Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der diesbezüglichen Rechte eine geschlechtsbezogene Diskriminierung darstellen, da sie ein Geschlecht (Frauen) oder schutzbedürftige Personen (z. B. Transpersonen und nicht binäre Personen) unverhältnismäßig stark betreffen; verurteilte den Missbrauch der Justiz und ihrer Rechtsetzungsbefugnissen durch die polnische Regierung, deren Ziel es ist, das Leben und die Gesundheit von Frauen und LGBTI+–Personen zu instrumentalisieren und zu politisieren, was ihre diesbezügliche Diskriminierung nach sich zieht;

23.

fordert die Kommission auf, Leitlinien für die Mitgliedstaaten zu erlassen, damit gemäß EU–Recht und der Rechtsprechung des EGMR für gleichberechtigten Zugang zu Produkten und Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der diesbezüglichen Rechte gesorgt ist;

24.

fordert den Rat nachdrücklich auf, die Ratifizierung des Übereinkommens von Istanbul durch die EU abzuschließen; verurteilt nachdrücklich die Versuche in einigen Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu widerrufen, die zur Umsetzung des Übereinkommens von Istanbul und geschlechtsbezogene Gewalt zu bekämpfen, bereits getroffen wurden; fordert die Kommission auf, einen Vorschlag vorzulegen, mit dem geschlechtsbezogene Gewalt in das Verzeichnis der Straftaten gemäß Artikel 83 AEUV aufgenommen wird;

25.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission und dem Rat sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament Polens und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten

(1)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0080.

(2)  ABl. C 356 vom 4.10.2018, S. 44.

(3)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0225.

(4)  ABl. C 129 vom 5.4.2019, S. 13.

(5)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0058.

(6)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0349.

(7)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0407.

(8)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0111.

(9)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0101.

(10)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0054.

(11)  Manfred Weber, Vorsitzender der PPE-Fraktion, Iratxe García Pérez, Vorsitzende der S&D-Fraktion, Dacian Cioloș, Vorsitzender der Renew-Fraktion, Philippe Lamberts, Ko-Vorsitzender der Verts/ALE-Fraktion, und Manon Aubry und Martin Schirdewan, Ko-Vorsitzende der GUE/NGL-Fraktion.

(12)  https://www.theseus.fi/handle/10024/138222

(13)  Stellungnahme der Venedig–Kommission vom 14. und 15. Oktober 2016 zu dem Gesetz über den Verfassungsgerichtshof, Randnummer 128; Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, Abschließende Bemerkungen zum siebten periodischen Bericht Polens, 23. November 2016, Nrn. 7–8; Empfehlung (EU) 2017/1520 der Kommission vom 26. Juli 2017 zur Rechtsstaatlichkeit in Polen (ABl. L 228 vom 2.9.2017, S. 19).

(14)  https://www.senat.gov.pl/aktualnoscilista/art,13159,zespol-ekspertow-przy-marszalku-senatu-o-wyroku-trybunalu-konstytucyjnego.html

(15)  Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. L 373 vom 21.12.2004, S. 37).


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/155


P9_TA(2020)0337

Überprüfung der Handelspolitik der EU

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zur Überprüfung der Handelspolitik der EU (2020/2761(RSP))

(2021/C 425/18)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 17. Mai 2020 mit dem Titel „Angepasstes Arbeitsprogramm 2020 der Kommission“ (COM(2020)0440) und die Absichtserklärung der Präsidentin Ursula von der Leyen gegenüber dem Präsidenten David Maria Sassoli und der Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 16. September 2020 zur „Lage der Union 2020“,

unter Hinweis auf das Konsultationspapier der Kommission vom 16. Juni 2020 mit dem Titel „Eine überarbeitete Handelspolitik für ein stärkeres Europa“,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 27. Mai 2020 mit dem Titel „Die Stunde Europas — Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation eröffnen“ (COM(2020)0456),

unter Hinweis auf das Weißbuch zum Thema „Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen bei Subventionen aus Drittstaaten“ (COM(2020)0253),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 14. Oktober 2015 mit dem Titel „Handel für alle — Hin zu einer verantwortungsbewussteren Handels- und Investitionspolitik“ (COM(2015)0497),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 10. März 2020 mit dem Titel „Eine neue Industriestrategie für Europa“ (COM(2020)0102),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 10. März 2020 mit dem Titel „Eine KMU-Strategie für ein nachhaltiges und digitales Europa“ (COM(2020)0103),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2020 mit dem Titel „Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“ (COM(2020)0067),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. Dezember 2019 mit dem Titel „Der europäische Grüne Deal“ (COM(2019)0640),

unter Hinweis auf die Gemeinsame Mitteilung der Kommission und der Hohen Vertreterin/Vizepräsidentin vom 9. März 2020 mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer umfassenden Strategie mit Afrika“ (JOIN(2020)0004),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. Mai 2020 mit dem Titel „,Vom Hof auf den Tisch“ — eine Strategie für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem“ (COM(2020)0381),

unter Hinweis auf das Übereinkommen, das auf der 21. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen geschlossen wurde (Übereinkommen von Paris),

unter Hinweis auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und die Ziele für nachhaltige Entwicklung,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Juli 2016 zu einer auf die Zukunft ausgerichteten innovativen Strategie für Handel und Investitionen (1), seine Entschließung vom 12. Dezember 2017 zu dem Thema „Auf dem Weg zu einer Strategie für den digitalen Handel“ (2), seine Entschließung vom 28. November 2019 zum Klima- und Umweltnotstand (3), seine Entschließung vom 16. September 2020 zu der Rolle der EU beim Schutz und der Wiederherstellung der Wälder in der Welt (4), seine Entschließung vom 7. Oktober 2020 zur Umsetzung der gemeinsamen Handelspolitik — Jahresbericht 2018 (5), seine Entschließung vom 25. November 2020 über eine neue Industriestrategie für Europa (6),

unter Hinweis auf die Erklärung der Kommission vom 24. November 2020,

unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission betreffend die Überprüfung der Handelspolitik der EU (O-000070/2020 — B9-0024/2020),

gestützt auf Artikel 136 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Ausschusses für internationalen Handel,

A.

in der Erwägung, dass es nach dem COVID-19-Ausbruch im Jahr 2020 zu Störungen bei den weltweiten Lieferketten und Fertigungslinien kam, was die Abhängigkeit der Europäischen Union von Bezugsquellen außerhalb der EU verdeutlicht hat, insbesondere in strategisch wichtigen Wirtschaftszweigen wie der Medizin- und Arzneimittelbranche;

B.

in der Erwägung, dass Handelsregeln und -vorteile sowohl in Drittstaaten als auch in den Mitgliedstaaten auf den Prüfstand gestellt werden, und in der Erwägung, dass mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung neue Herausforderungen, etwa die Bekämpfung des Klimawandels, in der gesamte Außen- und Innenpolitik der EU durchgängige Berücksichtigung erfahren müssen;

C.

in der Erwägung, dass die EU bei der Wettbewerbsfähigkeit bereits vor der Pandemie gegenüber anderen Volkswirtschaften zurückgefallen war; in der Erwägung, dass die durch die COVID-19-Pandemie verursachte Störung des internationalen Handels zwischenzeitlich die bereits erheblichen wirtschaftlichen Verluste verschärft hat;

D.

in der Erwägung, dass die Europäische Union ein ressourcenarmer Kontinent und zugleich größter Handelsblock der Welt ist und sich somit in einer einzigartigen Position mit Blick auf eine weltweite Zusammenarbeit befindet, wenn es darum geht, im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal eine nachhaltige Erholung der Weltwirtschaft zu erreichen;

E.

in der Erwägung, dass die Überprüfung der Handelspolitik der EU und die Entwicklung einer bestimmteren EU-Handelsagenda zu einer Zeit erfolgen, in der weltweit zahlreiche von der Politik gelenkte Maßnahmen in den Bereichen Handel, Wirtschaft und Finanzen durchgeführt werden, die mit langfristigen Auswirkungen einhergehen;

Handel und offene strategische Autonomie

1.

begrüßt die rechtzeitige Einleitung der Überprüfung der Handelspolitik der EU im Jahr 2020, womit auf die COVID-19-Pandemie, das weltweit zunehmende protektionistische Verhalten, das besonders schwierige Umfeld des internationalen Handels und die notwendige Einbeziehung des Handels in den europäischen Grünen Deal und die Ziele für nachhaltige Entwicklung reagiert wird und die damit einhergehende Lehren berücksichtigt werden, damit die wirtschaftliche Zusammenarbeit und der Handel fair, inklusiv und nachhaltig gestaltet werden können; hält es für wesentlich, dass die einschlägigen Generaldirektionen der Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst zu diesem Zweck koordiniert und Synergien zwischen ihnen geschaffen werden, was auch für die Handelspolitik und die Innenpolitik (z. B. Industrie, staatliche Beihilfen, Digitalisierung, Umwelt einschließlich Kreislaufwirtschaft und Soziales) gilt, und dass die Handelspolitik in die weiter gefasste Außenpolitik der EU integriert wird;

2.

begrüßt die Debatte über das einzigartige Konzept der EU der „offenen strategischen Autonomie“ und fordert die Kommission auf, ausführlichere Informationen zu dessen Inhalt vorzulegen; stellt in diesem Zusammenhang fest, dass das Konzept mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der EU und ihrem Bekenntnis zu einem regelbasierten Ansatz in ihrer Handelspolitik und zu dem multilateralen Handelssystem, in deren Mittelpunkt die Welthandelsorganisation (WTO) steht, im Einklang stehen sollte; besteht darauf, dass mit der Handelsstrategie der EU die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der EU, was auch die Landwirtschaft einschließt, verbessert wird sowie menschenwürdige, hochwertige Arbeitsplätze geschaffen und die Arbeitnehmer geschützt werden und dass eine inklusive und nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal herbeigeführt wird und die Interessen und Werte der EU gefördert werden;

3.

betont, dass die EU als einer der größten Handelsblöcke der Welt von einer stärkeren Nutzung des Euro im internationalen Handel profitieren würde, da auf diesem Wege das Wechselkursrisiko und andere währungsbedingte Kosten bei Handelsgeschäften verringert werden würden; hebt hervor, dass es nunmehr umso wichtiger ist, den Handel anzukurbeln, und dass die Handelsstrategie der EU potenziell erheblich zur Erholung nach der gegenwärtigen Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit und der Wirtschaft beitragen kann;

4.

fordert die Kommission auf, zu analysieren, wie die Lieferketten der EU widerstandsfähiger gemacht und zugleich die Produktionskapazitäten in der Union ausgebaut werden können, indem mögliche Vorteile ausgelotet werden, die die strategische Bevorratung wesentlicher Güter für Notfälle auf der Ebene der EU mit sich bringt, und indem die Diversifizierung der Bezugsquellen gefördert wird, wobei auch das Konzept der Nahverlagerung und die besondere Funktion, die die Länder in der Nachbarschaft der EU in dieser Hinsicht übernehmen könnten, zu untersuchen sind;

5.

betont, dass Rück- und Nahverlagerungen zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der EU beitragen sollten und nicht — wie eine eingehende branchenspezifische Analyse diesbezüglich zeigte — zu höheren Kosten für die Verbraucher führen dürfen; stellt fest, dass Maßnahmen zum Lieferkettenmanagement eine wichtige Aufgabe bei der wirtschaftlichen Erholung übernehmen können und dass Entscheidungen in jedem Fall in den Händen der betreffenden Wirtschaftsakteure verbleiben sollten;

6.

fordert die Kommission auf, Wirtschaftszweige und Rohstoffe, die für Europa von strategischer Bedeutung sind, zu ermitteln und Unternehmen, insbesondere KMU, schwerpunktmäßig mit Blick auf die derzeitige Krise und mögliche künftige Entwicklungen aktiv zur Seite zu stehen, indem sie Unterstützung in den Bereichen Klimaneutralität, Rechenschaftspflicht und Nachhaltigkeit globaler Lieferketten sowie digitale Innovation bietet, wobei das Ziel verfolgt wird, die Ernährungssicherheit zu erhöhen, indem sogenannte Green Lanes (Sonderfahrspuren) offen gehalten und Lebensmittelwertschöpfungsketten transparenter gestaltet werden; betont, dass die EU in Bezug auf kritische Rohstoffe, die für den ökologischen und digitalen Wandel erforderlich sind, in hohem Maße von Drittländern abhängig ist; betont in diesem Zusammenhang, dass mit einem voll funktionsfähigen multilateralen Handelssystem in Kombination mit einem umfassenden Netz tragfähiger und gut umgesetzter Freihandelsabkommen am besten und am kostengünstigsten sichergestellt werden kann, dass verschiedene Produktionsquellen verfügbar sind; betont darüber hinaus, dass die Widerstandsfähigkeit durch ungehinderte Handelsströme, den Verzicht auf handelsbeschränkende Maßnahmen und eine engere Zusammenarbeit mit unseren Handelspartnern erhöht werden wird; ist der Ansicht, dass eine Zusammenarbeit mit unseren Handelspartnern auch mit Blick auf die Beseitigung von Handelshemmnissen von Nutzen wäre;

Multilaterales Handelssystem

7.

bekräftigt, dass die EU einem offenen, regelbasierten multilateralen Handelssystem mit einer reformierten WTO verpflichtet ist, die als Garant für mehr Effizienz, Stabilität und Vorhersehbarkeit im Mittelpunkt steht; fordert die Kommission auf, ihr Engagement in internationalen Foren in enger Abstimmung mit anderen internationalen Lenkungsinstitutionen wie der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) und der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zu intensivieren und eine ambitionierte Modernisierung, Stärkung und weitreichende Wiederbelebung der WTO sowie ihrer Verhandlungsfunktion und ihres Regelwerks zu verfolgen, wobei die Ziele für nachhaltige Entwicklung und die Bekämpfung des Klimawandels im Mittelpunkt stehen sollten und auch die Kohärenz mit internationalen Verpflichtungen sicherzustellen ist;

8.

fordert nachdrücklich, dass das Berufungsgremium der WTO auf der Grundlage eines voll funktionsfähigen zweistufigen Systems zur Streitbeilegung reformiert wird; hebt hervor, dass die EU die Mehrparteien-Interimsvereinbarung wirksam nutzen und andere WTO-Mitglieder ermutigen sollte, sich an dieser Vereinbarung zu beteiligen, solange das Berufungsgremium nicht ordnungsgemäß funktioniert; fordert die Union auf, die Bestimmungen der Streitbeilegungsvereinbarung der WTO über Vergeltungsmaßnahmen einer Reform zu unterziehen, damit nur die relevanten und betroffenen Wirtschaftszweige bei Streitigkeiten über illegale staatliche Beihilfen berücksichtigt werden;

9.

fordert die Kommission auf, ihre internationale Zusammenarbeit mit strategischen Partnern zu vertiefen, und begrüßt in diesem Zusammenhang die laufenden Diskussionen darüber, wie durch Industriesubventionen verursachte Verzerrungen wirksam beseitigt und abgemildert werden können, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich marktverzerrende Praktiken äußert nachteilig auf den fairen Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen auswirken können, und begrüßt ferner Diskussionen über Lösungen, mit denen ein erzwungener Technologietransfer verhindert wird;

10.

bringt seine Präferenz für multilaterale Übereinkommen zum Ausdruck; räumt jedoch ein, dass plurilaterale Übereinkommen ein nützlicher Zwischenschritt für den Abschluss multilateraler Übereinkommen sein können; weist in diesem Zusammenhang auf den Wert gemeinsamer Erklärungen hin; betont, dass ein verbindliches und durchsetzbares Übereinkommen über Subventionen für den Fischereisektor zu schließen ist, wobei die Auswirkungen auf die Entwicklungsländer und die am wenigsten entwickelten Länder zu berücksichtigen sind;

11.

erneuert seine Forderung nach einem plurilateralen Übereinkommen über den elektronischen Geschäftsverkehr, wodurch die KMU dabei unterstützt würden, die digitale Kluft zu überbrücken und Hindernisse für den digitalen Handel zu beseitigen, und wodurch der kommerzielle grenzüberschreitenden Datenverkehr im Einklang mit den Vorschriften der EU zum Schutz der Privatsphäre und ihrer Datenschutzvorschriften einschließlich der Datenschutz-Grundverordnung erleichtern würde; fordert einen verbesserten Verbraucherschutz im Internet und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Dienststellen der Kommission, um die Aufdeckung nachgeahmter Waren im elektronischen Handel zu verbessern; sieht in diesem Zusammenhang der zwölften WTO-Ministerkonferenz im Jahr 2021 erwartungsvoll entgegen und fordert, dass bis Ende 2020 ein konsolidierter Text vorgelegt wird; betont, dass die EU eine digitale Handelsstrategie, die auf der Entschließung des Parlaments von 2017 zu diesem Thema aufbaut, vorlegen und nach Wegen suchen muss, wie sie neue internationale Regeln, auch durch spezifische Bestimmungen in Handelsabkommen, schaffen und fördern kann, wozu ein digitales Handelsumfeld für Unternehmen aus der EU geschaffen und Hindernisse in Drittländern beseitigt werden;

12.

fordert die Kommission auf, neue Handelshemmnisse, einschließlich Ausfuhrbeschränkungen und anderer Verzerrungen, die wesentliche Güter betreffen, zu überwachen, zu analysieren und auf globaler und bilateraler Ebene mit internationalen Partnern in Angriff zu nehmen und gemeinsame Kriterien für die Gewährung von nachhaltigkeitsorientierten Beihilfen für die Erholung nach der Pandemie auszuarbeiten; fordert die Kommission auf, die Vereinbarung der WTO über die Zollfreiheit für pharmazeutische Erzeugnisse zu aktualisieren und die Möglichkeiten einer umfassenderen plurilateralen Initiative in Bezug auf Gesundheitsprodukte auszuloten; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Flexibilitätsregelungen des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) für wichtige medizinische Produkte optimal genutzt werden können und dass sich die Bestimmungen in bilateralen Abkommen der EU nicht negativ auf diese Flexibilitätsregelungen auswirken;

Beziehungen zu strategischen Partnern

13.

betont, dass die Vereinigten Staaten von Amerika der wichtigste Handelspartner der EU sind; stellt fest, dass diese Beziehungen derzeit von Spannungen geprägt sind; betrachtet die Einigung mit den Vereinigten Staaten über ein Paket von Zollsenkungen als positive Entwicklung und fordert die Kommission nachdrücklich auf, diese Dynamik zu nutzen und eine positive Handelsagenda zwischen der EU und den Vereinigten Staaten zu schaffen, die über Zollsenkungen hinausgeht, da sich ein umfassenderes Kooperationsabkommen als besonders nützlich erweisen könnte, um die wirtschaftliche Erholung auf beiden Seiten und die Beseitigung von Handelshemmnissen zu begünstigen und neue Bereiche für eine Zusammenarbeit auszuloten, etwa Handel, Technologien und Besteuerung der digitalen Wirtschaft, auch im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD); fordert die Kommission auf, Fortschritte bei der Bewertung der Rechtsvorschriften zu erzielen, von denen insbesondere KMU profitieren würden; spricht sich nachdrücklich für eine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten aus, wenn es darum geht, strategische Herausforderungen auf globaler Ebene zu bewältigen; fordert die Vereinigten Staaten nachdrücklich auf, dem Übereinkommen von Paris wieder beizutreten, um die künftige Zusammenarbeit zwischen der EU und den Vereinigten Staaten zu erleichtern; fordert die Vereinigten Staaten auf, die 2017 auferlegten Zölle aufzuheben; nimmt die jüngste, lang erwartete Entscheidung der WTO zum Airbus/Boeing-Streit zur Kenntnis und betont, dass eine Verhandlungslösung gefunden werden muss;

14.

fordert, dass bei den Verhandlungen über das umfassende Investitionsabkommen mit China ambitionierte Fortschritte erzielt werden und die Problematik der dringend erforderlichen Gegenseitigkeit angegangen wird, unter anderem in Bezug auf den Zugang zum Markt für die Vergabe öffentlicher Aufträge und andere offene Fragen der gleichen Wettbewerbsbedingungen wie marktverzerrende Praktiken chinesischer Staatsunternehmen oder erzwungene Technologietransfers, Anforderungen bezüglich Gemeinschaftsunternehmen und die diskriminierungsfreie Behandlung; erachtet es als sehr wichtig, ein ambitioniertes Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung aufzunehmen, damit die Menschenrechte, darunter Kernarbeitsnormen, geschützt und die Umweltnormen und die Bekämpfung des Klimawandels im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris gefördert werden; betont die Bedeutung der strategischen Beziehungen der EU zu China, das als Wettbewerber, Partner und systemischer Rivale auftritt; fordert die Mitgliedstaaten und die Organe der EU daher auf, sich geeint zu zeigen; fordert die Kommission in dieser Hinsicht nachdrücklich auf, eine spezielle China-Taskforce nach dem Vorbild der Taskforce für die Beziehungen zum Vereinigten Königreich einzurichten, damit auf allen Ebenen und in allen Formaten Einheit und Kohärenz bei der Botschaft herrscht, womit auf eine gemeinsame einheitliche Politik der EU gegenüber China hingearbeitet wird; betont, dass Handels- und Investitionsbeziehungen mit der EU an die Forderung der uneingeschränkten Achtung der Menschenrechte geknüpft sind; bringt seine tiefe Besorgnis angesichts der Ausbeutung zu Ausdruck, denen Uiguren Berichten zufolge in Fabriken in China ausgesetzt sind, und betont, dass Produkte, die in Umerziehungslagern hergestellt wurden, auf den Märkten der EU verboten sein sollten; fordert die Kommission auf, eine Vorstudie und eine Folgenabschätzung auf den Weg zu bringen, damit die Verhandlungen mit Taiwan möglichst rasch offiziell aufgenommen werden können;

15.

vertritt die Ansicht, dass im Kontext der Pandemie auf globaler Ebene, insbesondere in Bezug auf Afrika, und im Lichte der neuen EU-Strategie für Afrika neue Konzepte zur Umgestaltung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen verfolgt werden sollten, die auf der Förderung eines fairen und ethischen Handels auf der Grundlage der Grundsätze der Solidarität, der Zusammenarbeit und der Kohärenz mit der Entwicklungspolitik der EU aufbauen;

Übergreifende Aspekte

16.

betont, dass globale Märkte eine wichtige Wachstumsquelle für KMU sind; stellt jedoch fest, dass lediglich 600 000 KMU Waren aus der EU ausführen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, die KMU durch die systematische Aufnahme und Umsetzung spezieller KMU-Kapitel in Handelsabkommen, wobei kein erhöhter Verwaltungs- und Regulierungsaufwand verursacht werden darf, zu unterstützen und die Nutzung solcher Abkommen durch KMU in enger Zusammenarbeit mit den Handelskammern und den Handel fördernden Stellen der Mitgliedstaaten zu unterstützen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, sich mit der Frage der Kosten zu befassen, die den KMU durch die Einhaltung der immer komplexeren Rechtsvorschriften, die sich auf den Handel auswirken, entstehen; fordert die Kommission auf, bei der Einrichtung neuer Informationsportale bzw. bei der Verbesserung bestehender zum frühestmöglichen Zeitpunkt mit den Unternehmen in Kontakt zu treten, damit der Informationsbedarf der KMU praxisorientiert gedeckt werden kann; begrüßt in diesem Zusammenhang die Bemühungen der Kommission, ihre gezielte Unterstützung für KMU im Rahmen der KMU-Strategie vom März 2020 zu verstärken; begrüßt den jüngsten Start des Portals Access2Markets und seines Moduls zur Selbstbewertung der Ursprungsregeln und fordert sämtliche Interessenträger auf, der Kommission ihre Rückmeldungen zu übermitteln, damit das Instrument fortlaufend aktualisiert werden kann;

17.

ist davon überzeugt, dass Rechtsvorschriften über horizontale Sorgfaltspflichten auf der Ebene der EU benötigt werden, die verbindlich sind und in der gesamten Lieferkette für Unternehmen aus der EU und im Binnenmarkt tätige Unternehmen aus Drittländern gelten, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu verwirklichen, eine verantwortungsvolle Unternehmensführung zu fördern und die Rückverfolgbarkeit und Rechenschaftspflicht in globalen Lieferketten zu verbessern, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU durch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen zu stärken und unfaire Wettbewerbsvorteile von Drittländern, die sich im internationalen Handel aus niedrigeren Schutzstandards sowie aus Sozial- und Umweltdumping ergeben, zu mindern; betont, dass das Schadensrisiko und die Größe des Unternehmens berücksichtig werden müssen, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht außer Acht gelassen werden darf;

18.

sieht dem Vorschlag der Kommission über ein CO2-Grenzausgleichssystem, das voll und ganz WTO-kompatibel sein und auf einer Folgenabschätzung basieren sollte, erwartungsvoll entgegen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu sichern, wobei insbesondere die Kosten, Risiken und Ambitionen anderer internationaler Partner zu berücksichtigen sind, und einen transparenten Mechanismus vorzuschlagen, der parallel zu den vorhandenen Maßnahmen gegen die Verlagerung von CO2-Emissionen bestehen kann und gleichzeitig einen stabilen und sicheren Rechtsrahmen für die europäische Industrie bietet; betont, dass weitere ähnliche Vorschläge in unsere Industriestrategie integriert werden sollten, um für die Industrie Anreize mit Blick auf die Herstellung umweltverträglicher und wettbewerbsfähiger Produkte zu schaffen; fordert die Kommission auf, Vorschläge auszuarbeiten und dabei unter anderem das Non-Paper der Niederlande und Frankreichs zu den Themen Handel, sozioökonomische Auswirkungen und nachhaltige Entwicklung zu berücksichtigen; fordert die Kommission auf, die mögliche Nutzung einer Ex-post-Folgenabschätzung und von Überprüfungsklauseln zu prüfen, um bestehende Freihandelsabkommen an dem europäischen Grünen Deal auszurichten, und neue Initiativen vorzuschlagen, mit denen mithilfe der Handelspolitik die Verwirklichung unserer hochgesteckten Klimaziele begünstigt wird, was auch eine neue Initiative zu Klima und Handel im Rahmen der WTO einschließt, die auf dem Mandat des Abkommens über den Handel mit Umweltschutzgütern aufbaut und den Geltungsbereich auf den Handel mit ökologischen Dienstleistungen ausweitet, wodurch die Entwicklung umweltverträglicher Güter gefördert und auf die Unterstützung nicht ökologischer Güter verzichtet wird;

19.

fordert die Kommission auf, die bestehenden Freihandelsabkommen darunter die Kapitel zum Handel und zur nachhaltigen Entwicklung umzusetzen, voranzubringen und für ihre wirksame Anwendung zu sorgen sowie sicherzustellen, dass die Vorzüge allen zugutekommen; weist darauf hin, dass die Durchsetzbarkeit der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung mithilfe verschiedener Durchsetzungsmethoden erheblich verbessert werden könnte und dass die Kommission einen auf Sanktionen beruhenden Mechanismus als letztes Mittel ausloten sollte; unterstützt die Zusage des Exekutiv-Vizepräsidenten der Kommission und des für Handel zuständigen Kommissionsmitglieds Valdis Dombrovskis, die Überprüfung des 15-Punkte-Aktionsplans zu den Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung voranzubringen und dabei von Anfang an mit dem Parlament zusammenzuarbeiten; fordert die Kommission auf, die Ideen in dem Non-Paper der Niederlande und Frankreichs sowie andere Möglichkeiten zu prüfen, wie eine größere Detailgenauigkeit bei der Durchsetzung dieser Kapitel erreicht werden kann; begrüßt die Zusage der Kommission, die Einhaltung des Übereinkommens von Paris zu einem wesentlichen Bestandteil aller künftigen Handelsabkommen zu machen; fordert ergänzende Maßnahmen wie das Verbot der Einfuhr von Produkten, die mit schweren Menschenrechtsverletzungen wie Zwangsarbeit oder Kinderarbeit in Zusammenhang stehen;

20.

fordert die Kommission auf, den Vorschlag für die neue Verordnung über die Anwendung eines Allgemeinen Präferenzsystem rechtzeitig anzunehmen, wobei etwa das Ziel verfolgt wird, die Zahl der dem APS+ verpflichteten Länder zu erhöhen;

21.

betont, dass mit den wichtigsten Handelspartnern gegen wettbewerbswidrige Praktiken vorgegangen werden muss und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaffen sind, um die Voraussetzungen für eine Erholung von der COVID-19-Pandemie zu schaffen und den weltweiten Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu ermöglichen; fordert die Kommission auf, rasch zu handeln und frühzeitig, d. h., sobald eine Schädigung stattfindet, Untersuchungen einzuleiten und sicherzustellen, dass unlautere Handelspraktiken die Wettbewerbsfähigkeit und das Beschäftigungsniveau europäischer Wirtschaftsakteure, nicht beeinträchtigen, wobei besonderes Augenmerk auf die spezifischen Bedürfnisse der KMU zu richten ist;

22.

begrüßt den neu ernannten Leitenden Handelsbeauftragten und ist der Ansicht, dass die schlüssige Umsetzung und Durchsetzung der Abkommen der EU und der WTO, darunter der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung, und der Handelsvorschriften, was auch wirksamere, flexiblere und reaktivere handelspolitische Schutzinstrumente einschließt, unerlässlich sind, um die Glaubwürdigkeit und Werte der EU sowie ihre Agenda für einen faireren Handel zu sichern; fordert den neuen Leitenden Handelsbeauftragten auf, in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament dafür Sorge zu tragen, dass die von den Handelspartnern vor der Ratifizierung eingegangenen Verpflichtungen im Auge behalten werden;

23.

legt der Kommission dringend nahe, die Aufgabe der Delegationen bei der Umsetzung der Agenda der EU mit Blick auf Handel und Zusammenarbeit hinsichtlich der Politikkohärenz zu überprüfen und für ein koordiniertes Vorgehen unter Einbeziehung der verschiedenen Dienststellen der Kommission (z. B. branchenübergreifende Handelsmissionen in Drittländern) zu sorgen;

24.

fordert die Kommission auf, den Abschluss aller notwendigen Schritte nach eingehenden Untersuchungen zu ermöglichen, um alle ermittelten Defizite bei den Handels- und Investitionsinstrumenten zu beseitigen, was auch die Vorlage eines neuen Gesetzgebungsvorschlags zur Überarbeitung der Blocking-Verordnung mit Blick auf Sanktionen, die die territoriale Souveränität der Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen, einschließt, und ein neues Instrument zu schaffen, um Drittländer von Zwangsmaßnahmen abzuhalten und darauf zu reagieren, wozu vorab eine Folgenabschätzung vorzulegen ist;

25.

fordert, dass die Verhandlungen über das Instrument betreffend das internationale Beschaffungswesen (IPI) voranschreiten, damit die Gegenseitigkeit eine solidere Anwendung erfährt, wenn es um den Zugang von Unternehmen aus der EU zu den internationalen Märkten für die Vergabe öffentlicher Aufträgen geht, wobei zugleich Möglichkeiten gesichert werden müssen, das öffentliche Beschaffungswesens als Mittel für den Erfolg der Klimawende zu nutzen, insbesondere in Entwicklungsländern durch ein erneuertes multilaterales Konzept; begrüßt das Weißbuch zu Subventionen aus Drittstaaten als notwendiges Instrument, das Handelsschutzmaßnahmen ergänzt, und sieht einem Gesetzgebungsvorschlag der Kommission im Januar 2021 erwartungsvoll entgegen, bei dem es um den Schutz von Unternehmen aus der EU vor Verzerrungen auf dem Binnenmarkt und den Weltmärkten geht, während zugleich die Bedeutung des freien und fairen Wettbewerbs herausgestellt wird; fordert ferner die Mitgliedstaaten auf, alle verfügbaren Instrumente einschließlich der Verordnung (EU) 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union zu nutzen, um eventuelle Investitionen und Akquisitionen hinsichtlich der Bedrohungen der Sicherheit kritischer Infrastrukturen in der EU zu bewerten, insbesondere in strategischen Bereichen wie dem Gesundheitswesen, Versorgungsunternehmen, der Mobilität sowie der Informations- und Kommunikationstechnologie, um unnötige und schädliche wirtschaftliche Abhängigkeiten zu vermeiden;

26.

begrüßt die Fortschritte, die bei den Verhandlungen über den multilateralen Investitionsgerichtshof erzielt wurden; weist darauf hin, dass die Investitionsgerichtsbarkeit als Schritt auf dem Weg zum multilateralen Investitionsgerichtshof vorgesehen ist; bedauert die äußerst langsamen Fortschritte der Mitgliedstaaten beim Abbau bilateraler Investitionsabkommen innerhalb der EU und fordert die Kommission nachdrücklich auf, gegebenenfalls im Einklang mit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union im Fall Achmea einzuschreiten; fordert die Kommission auf, ihre Arbeit an einem Rahmen zum Schutz und zur Erleichterung von EU-internen Investitionen fortzusetzen; unterstützt die laufenden Verhandlungen über den Vertrag über die Energiecharta im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal, der die Verwirklichung der Klimaneutralität ermöglichen muss, indem der Schutz von Investitionen in herkömmliche Technologien für fossile Brennstoffe schrittweise eingestellt wird; bringt seine Besorgnis über die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten und die Zahl der Fälle im Zusammenhang mit dem Vertrag über die Energiecharta zum Ausdruck;

27.

hebt die Bedeutung von Gleichstellungsfragen hervor; betont, dass die Freihandelsabkommen der EU die Chance bieten, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern, die wirtschaftliche Stellung von Frauen in Drittländern zu stärken und den Lebensstandard von Frauen in allen Wirtschaftszweigen, die unter die Freihandelsabkommen der EU fallen, zu verbessern; stellt fest, dass weniger als zwei Fünftel der Vorteile aus freien und fairen Handelsabkommen in Bezug auf die geschaffenen Arbeitsplätze Frauen zugutekommen, und betont, dass Frauen unter Umständen unverhältnismäßig stark von der derzeitigen Wirtschaftskrise betroffen sind; fordert die Kommission und den Rat auf, sich für die Aufnahme eines spezifischen Kapitels zur Geschlechtergleichstellung in die Handels- und Investitionsabkommen der EU auszusprechen und einzusetzen;

28.

fordert die Kommission auf, für Folgemaßnahmen zu den Vorschlägen zu sorgen, die die internen Beratungsgruppen zur Verbesserung unserer internationalen Handelspolitik unterbreiten, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Vorteile und Auswirkungen, die die der Handelspolitik der EU für alle hat, besser zu kommunizieren, um mehr Transparenz zu schaffen und die Bürger, nichtstaatliche Organisationen, Gewerkschaften und Unternehmen, insbesondere KMU, dafür zu sensibilisieren, zumal es wichtig ist, allen Interessenträgern korrekte Informationen zur Verfügung zu stellen; weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Rechte des Europäischen Parlaments, wie sie in den Artikeln 207 und 218 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert sind, und des interinstitutionellen Dialogs hin, wenn es darum geht, zu den laufenden Diskussionen beizutragen und zu einem positiven Ergebnis zu gelangen; weist auf die Aufgabe des Parlaments als Mitgesetzgeber in der Handelspolitik und seine Rolle bei der genauen Beobachtung der Verhandlungen und bei der wirksamen Umsetzung von Handelsabkommen hin sowie auf die Zusagen, die die Präsidentin der Kommission zur Unterstützung der Entschließungen zu Gesetzesinitiativen, die das Parlament gemäß Artikel 225 AEUV angenommen hat, gegeben hat;

o

o o

29.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  ABl. C 101 vom 16.3.2018, S. 30.

(2)  ABl. C 369 vom 11.10.2018, S. 22.

(3)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0078.

(4)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0212.

(5)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0252.

(6)  Angenommene Texte, P9_TA(2020)0321.


STELLUNGNAHMEN

Europäisches Parlament

Mittwoch, 24. November 2020

20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/161


P9_TA(2020)0310

Ernennung von Julia Laffranque zum Mitglied des durch Artikel 255 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union eingerichteten Ausschusses

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 über den Vorschlag der Ernennung von Julia Laffranque zum Mitglied des durch Artikel 255 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union eingerichteten Ausschusses (2020/2238(INS))

(2021/C 425/19)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf Artikel 255 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf Artikel 128 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Vorschlag des Rechtsausschusses (B9-0368/2020),

A.

in der Erwägung, dass Julia Laffranque die in Artikel 255 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegten Bedingungen erfüllt;

1.

schlägt vor, dass Julia Laffranque zum Mitglied des Ausschusses ernannt wird;

2.

beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss dem Präsidenten des Gerichtshofs zu übermitteln.

III Vorbereitende Rechtsakte

Europäisches Parlament

Dienstag, 23. November 2020

20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/162


P9_TA(2020)0308

Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen ***II

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. November 2020 zu dem Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (Beweisaufnahme) (Neufassung) (09889/2/2020 — C9-0357/2020 — 2018/0203(COD))

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: zweite Lesung)

(2021/C 425/20)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Standpunkt des Rates in erster Lesung (09889/2/2020 — C9-0357/2020),

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 17. Oktober 2018 (1),

unter Hinweis auf seinen Standpunkt in erster Lesung (2) zu dem Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2018)0378),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 7 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die vorläufige Einigung, die gemäß Artikel 74 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung vom zuständigen Ausschuss angenommen wurde,

gestützt auf Artikel 67 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Empfehlung des Rechtsausschusses für die zweite Lesung (A9-0225/2020),

1.

billigt den Standpunkt des Rates in erster Lesung;

2.

stellt fest, dass der Gesetzgebungsakt entsprechend dem Standpunkt des Rates erlassen wird;

3.

beauftragt seinen Präsidenten, den Gesetzgebungsakt mit dem Präsidenten des Rates gemäß Artikel 297 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu unterzeichnen;

4.

beauftragt seinen Generalsekretär, den Gesetzgebungsakt zu unterzeichnen, nachdem überprüft worden ist, dass alle Verfahren ordnungsgemäß abgeschlossen worden sind, und im Einvernehmen mit dem Generalsekretär des Rates die Veröffentlichung des Gesetzgebungsakts im Amtsblatt der Europäischen Union zu veranlassen;

5.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

(1)  ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 56.

(2)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0103.


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/163


P9_TA(2020)0309

Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ***II

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. November 2020 zu dem Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) (Neufassung) (09890/2/2020 — C9-0356/2020 — 2018/0204(COD))

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: zweite Lesung)

(2021/C 425/21)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Standpunkt des Rates in erster Lesung (09890/2/2020 — C9-0356/2020),

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 17. Oktober 2018 (1),

unter Hinweis auf seinen Standpunkt in erster Lesung (2) zu dem Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2018)0379),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 7 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die vorläufige Einigung, die gemäß Artikel 74 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung vom zuständigen Ausschuss angenommen wurde,

gestützt auf Artikel 67 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Empfehlung des Rechtsausschusses für die zweite Lesung (A9-0222/2020),

1.

billigt den Standpunkt des Rates in erster Lesung;

2.

stellt fest, dass der Gesetzgebungsakt entsprechend dem Standpunkt des Rates erlassen wird;

3.

beauftragt seinen Präsidenten, den Gesetzgebungsakt mit dem Präsidenten des Rates gemäß Artikel 297 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu unterzeichnen;

4.

beauftragt seinen Generalsekretär, den Gesetzgebungsakt zu unterzeichnen, nachdem überprüft worden ist, dass alle Verfahren ordnungsgemäß abgeschlossen worden sind, und im Einvernehmen mit dem Generalsekretär des Rates die Veröffentlichung des Gesetzgebungsakts im Amtsblatt der Europäischen Union zu veranlassen;

5.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

(1)  ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 56.

(2)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0104.


Mittwoch, 24. November 2020

20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/164


P9_TA(2020)0311

Ernennung von Frank Elderson als Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 zu der Empfehlung des Rates zur Ernennung eines Mitglieds des Direktoriums der Europäischen Zentralbank N9-0055/2020 — C9-0331/2020 — 2020/0805(NLE))

(Anhörung)

(2021/C 425/22)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Empfehlung des Rates vom 9. Oktober 2020 (N9-0055/2020) (1),

gestützt auf Artikel 283 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, gemäß dem es vom Europäischen Rat angehört wurde (C9-0331/2020),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. März 2019 zum ausgewogenen Verhältnis von Frauen und Männern bei Nominierungen für Positionen im Bereich Wirtschaft und Währung auf EU-Ebene (2),

unter Hinweis auf seinen Beschluss vom 17. September 2019 zur Empfehlung des Rates zur Ernennung der Präsidentin des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (3),

unter Hinweis auf seine Beschlüsse vom 17. Dezember 2019 zur Empfehlung des Rates zur Ernennung zweier Mitglieder des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (4),

gestützt auf Artikel 130 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A9-0218/2020),

A.

in der Erwägung, dass der Europäische Rat das Europäische Parlament mit Schreiben vom 14. Oktober 2020 zur Ernennung von Frank Elderson zum Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank für eine Amtszeit von acht Jahren ab dem 15. Dezember 2020 angehört hat;

B.

in der Erwägung, dass der Ausschuss für Wirtschaft und Währung die Qualifikationen des vorgeschlagenen Kandidaten bewertet hat, insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse nach Artikel 283 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und vor dem Hintergrund des Erfordernisses einer völligen Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank gemäß Artikel 130 dieses Vertrags; in der Erwägung, dass der Ausschuss im Laufe dieser Bewertung einen Lebenslauf des Kandidaten und dessen Antworten auf den schriftlichen Fragenkatalog, der ihm übermittelt worden war, erhalten hat;

C.

in der Erwägung, dass der Ausschuss im Anschluss daran am 9. November 2020 eine Anhörung des Kandidaten durchgeführt hat, bei der dieser zunächst eine Erklärung abgab und anschließend die Fragen der Ausschussmitglieder beantwortete;

D.

in der Erwägung, dass der Rat der Europäischen Zentralbank aus den Mitgliedern des Direktoriums der Europäischen Zentralbank und den 19 Präsidenten der nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten besteht, deren Währung der Euro ist; in der Erwägung, dass es sich dabei bislang ausschließlich um Männer handelt;

E.

in der Erwägung, dass das Parlament wiederholt seine Unzufriedenheit mit dem Ernennungsverfahren für Mitglieder des Direktoriums der Europäischen Zentralbank zum Ausdruck gebracht und diesbezüglich Verbesserungen des Verfahrens gefordert hat; in der Erwägung, dass das Parlament darum ersucht hat, rechtzeitig eine Auswahlliste mit einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis zu erhalten, die mindestens zwei Namen umfasst;

F.

in der Erwägung, dass das Parlament am 17. September 2019 eine befürwortende Stellungnahme zur Empfehlung des Rates abgegeben hat, Christine Lagarde zur ersten Präsidentin der Europäischen Zentralbank zu ernennen;

G.

in der Erwägung, dass das Parlament am 17. Dezember 2019 befürwortende Stellungnahmen zu den Empfehlungen des Rates abgegeben hat, Fabio Panetta und Isabel Schnabel zu Mitgliedern des Direktoriums der Europäischen Zentralbank zu ernennen;

H.

in der Erwägung, dass Frauen im Rat der Europäischen Zentralbank nach wie vor unterrepräsentiert sind; in der Erwägung, dass das Parlament bedauert, dass die Mitgliedstaaten diese Forderung nicht ernst genommen haben, und in der Erwägung, dass es die Organe der Mitgliedstaaten und der EU auffordert, bei den nächsten Ernennungen aktiv auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis hinzuarbeiten;

I.

in der Erwägung, dass alle Organe und Einrichtungen der EU und der Mitgliedstaaten konkrete Maßnahmen umsetzen sollten, um für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu sorgen;

1.

gibt eine befürwortende Stellungnahme zu der Empfehlung des Rates ab, Frank Elderson zum Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank zu ernennen;

2.

beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss dem Europäischen Rat, dem Rat und den Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  ABl. C 338 vom 12.10.2020, S. 2.

(2)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0211.

(3)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0008.

(4)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0093 und Angenommene Texte, P9_TA(2019)0094.


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/166


P9_TA(2020)0312

Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union: Hilfeleistung für Kroatien und Polen im Zusammenhang mit einer Naturkatastrophe und zur Bereitstellung von Vorschusszahlungen für Deutschland, Griechenland, Irland, Kroatien, Portugal, Spanien und Ungarn im Zusammenhang mit einem öffentlichen Gesundheitsnotstand

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 über den Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union zwecks Hilfeleistung für Kroatien und Polen im Zusammenhang mit einer Naturkatastrophe und zur Bereitstellung von Vorschusszahlungen für Deutschland, Griechenland, Irland, Kroatien, Portugal, Spanien und Ungarn im Zusammenhang mit einem öffentlichen Gesundheitsnotstand (COM(2020)0960 — C9-0318/2020 — 2020/0299(BUD))

(2021/C 425/23)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2020)0960 — C9-0318/2020),

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 des Rates vom 11. November 2002 zur Errichtung des Solidaritätsfonds der Europäischen Union (1),

gestützt auf die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1311/2013 des Rates vom 2. Dezember 2013 zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2014–2020 (2), insbesondere auf Artikel 10,

gestützt auf die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 2. Dezember 2013 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin, die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung (3), insbesondere auf Nummer 11,

unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für regionale Entwicklung,

unter Hinweis auf den Bericht des Haushaltsausschusses (A9-0221/2020),

1.

begrüßt den Beschluss als Zeichen der Solidarität der Union mit ihren Bürgerinnen und Bürgern und den Regionen der Union, die von Naturkatastrophen und dem schweren öffentlichen Gesundheitsnotstand, der Anfang 2020 durch die COVID-19-Pandemie verursacht wurde, betroffen sind;

2.

betont, dass den betroffenen Regionen umgehend finanzielle Unterstützung aus dem Solidaritätsfonds der Europäischen Union bereitgestellt werden muss;

3.

billigt den dieser Entschließung beigefügten Beschluss;

4.

beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss mit dem Präsidenten des Rates zu unterzeichnen und seine Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union zu veranlassen;

5.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung mit ihrer Anlage dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1)  ABl. L 311 vom 14.11.2002, S. 3.

(2)  ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 884.

(3)  ABl. C 373 vom 20.12.2013, S. 1.


ANLAGE

BESCHLUSS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

über die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union zwecks Hilfeleistung für Kroatien und Polen im Zusammenhang mit einer Naturkatastrophe und zur Bereitstellung von Vorschusszahlungen für Deutschland, Griechenland, Irland, Kroatien, Portugal, Spanien und Ungarn im Zusammenhang mit einem öffentlichen Gesundheitsnotstand

(Der Text dieser Anlage ist hier nicht wiedergegeben; er entspricht dem endgültigen Rechtsakt, Beschluss (EU) 2021/75.)


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/168


P9_TA(2020)0313

Berichtigungshaushaltsplan Nr. 9zum Gesamthaushaltsplan 2020: Hilfeleistung für Kroatien, Polen, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Irland, Portugal und Spanien

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 zu dem Standpunkt des Rates zu dem Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 9/2020 der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2020 für den Vorschlag zur Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union zwecks Hilfeleistung für Kroatien und Polen im Zusammenhang mit einer Naturkatastrophe und zur Bereitstellung von Vorschusszahlungen für Deutschland, Griechenland, Irland, Kroatien, Portugal, Spanien und Ungarn im Zusammenhang mit einem öffentlichen Gesundheitsnotstand (12522/2020 — C9-0341/2020 — 2020/0297(BUD))

(2021/C 425/24)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf Artikel 314 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf Artikel 106a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (1), insbesondere auf Artikel 44,

unter Hinweis auf den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2020 (2), der am 27. November 2019 endgültig erlassen wurde,

gestützt auf die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1311/2013 des Rates vom 2. Dezember 2013 zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2014–2020 (3) (MFR-Verordnung),

gestützt auf die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 2. Dezember 2013 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin, die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung (4),

gestützt auf den Beschluss 2014/335/EU, Euratom des Rates vom 26. Mai 2014 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union (5),

unter Hinweis auf den Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 9/2020, der von der Kommission am 9. Oktober 2020 angenommen wurde (COM(2020)0961),

unter Hinweis auf den Standpunkt zu dem Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 9/2020, der vom Rat am 30. Oktober 2020 festgelegt und dem Europäischen Parlament am 3. November 2020 zugeleitet wurde (12522/2020 — C9-0341/2020),

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union zwecks Hilfeleistung für Kroatien und Polen im Zusammenhang mit einer Naturkatastrophe und zur Bereitstellung von Vorschusszahlungen für Deutschland, Griechenland, Irland, Kroatien, Portugal, Spanien und Ungarn im Zusammenhang mit einem öffentlichen Gesundheitsnotstand (COM(2020)0960),

gestützt auf die Artikel 94 und 96 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Haushaltsausschusses (A9-0223/2020),

A.

in der Erwägung, dass der Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 9/2020 die vorgeschlagene Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union zwecks Hilfeleistung für Kroatien und Polen infolge von Naturkatastrophen, die sich im Laufe des Jahres 2020 in diesen Mitgliedstaaten ereignet haben, sowie zur Bereitstellung von Vorschusszahlungen für sieben Mitgliedstaaten (Deutschland, Griechenland, Irland, Kroatien, Portugal, Spanien, Ungarn) als Reaktion auf den schweren öffentlichen Gesundheitsnotstand, der Anfang 2020 durch den COVID-19-Ausbruch verursacht wurde, betrifft;

B.

in der Erwägung, dass die Kommission daher vorschlägt, den Haushaltsplan 2020 zu ändern und die Mittel der Haushaltslinie 13 06 01 „Unterstützung der Mitgliedstaaten im Falle einer großen Naturkatastrophe mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Lebensbedingungen, die natürliche Umwelt oder die Wirtschaft“ sowohl bei den Mitteln für Verpflichtungen als auch bei den Mitteln für Zahlungen um 823 548 633 EUR aufzustocken;

C.

in der Erwägung, dass Kroatien die Zahlung eines Vorschusses gemäß Artikel 4a der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 (6) beantragt und die Kommission am 10. August 2020 einen Vorschuss in Höhe von 88 951 877 EUR auf den veranschlagten Finanzbeitrag der Union gewährt hat; in der Erwägung, dass die Kommission die Bereitstellung der erforderlichen zusätzlichen Mittel innerhalb der für den Solidaritätsfonds der Europäischen Union festgelegten jährlichen Obergrenze vorschlägt, weil die im Haushaltsplan 2020 ursprünglich verfügbaren Mittel für Vorschusszahlungen bereits vollständig ausgeschöpft sind;

D.

in der Erwägung, dass in dem Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 9/2020 vorgeschlagen wird, nach Abzug der bereits an Kroatien gezahlten Vorschüsse in Höhe von 88 951 877 EUR einen Betrag von 734 596 756 EUR sowohl an Mitteln für Verpflichtungen als auch an Mitteln für Zahlungen in den Haushaltsplan 2020 einzustellen;

E.

in der Erwägung, dass der Solidaritätsfonds der Europäischen Union, wie in der MFR-Verordnung festgelegt, ein besonderes Instrument ist und dass die entsprechenden Mittel für Verpflichtungen und für Zahlungen über die Obergrenzen des MFR hinaus im Haushaltsplan veranschlagt werden müssen;

1.

nimmt den von der Kommission vorgelegten Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 9/2020 zur Kenntnis;

2.

billigt den Standpunkt des Rates zum Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 9/2020;

3.

beauftragt seinen Präsidenten, festzustellen, dass der Berichtigungshaushaltsplan Nr. 8/2020 endgültig erlassen ist, und seine Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union zu veranlassen;

4.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission und den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

(1)  ABl. L 193 vom 30.7.2018, S. 1.

(2)  ABl. L 57 vom 27.2.2020.

(3)  ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 884.

(4)  ABl. C 373 vom 20.12.2013, S. 1.

(5)  ABl. L 168 vom 7.6.2014, S. 105.

(6)  Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 des Rates vom 11. November 2002 zur Errichtung des Solidaritätsfonds der Europäischen Union (ABl. L 311 vom 14.11.2002, S. 3).


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/170


P9_TA(2020)0316

Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher ***II

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2020 zu dem Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (09573/1/2020 — C9-0355/2020 — 2018/0089(COD))

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: zweite Lesung)

(2021/C 425/25)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Standpunkt des Rates in erster Lesung (09573/1/2020 — C9-0355/2020),

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 20. September 2018 (1),

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 10. Oktober 2018 (2),

unter Hinweis auf seinen Standpunkt in erster Lesung (3) zu dem Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2018)0184),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 7 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die vorläufige Einigung, die gemäß Artikel 74 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung vom zuständigen Ausschuss angenommen wurde,

gestützt auf Artikel 67 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf die Empfehlung des Rechtsausschusses für die zweite Lesung (A9-0224/2020),

1.

billigt den Standpunkt des Rates in erster Lesung;

2.

stellt fest, dass der Gesetzgebungsakt entsprechend dem Standpunkt des Rates erlassen wird;

3.

beauftragt seinen Präsidenten, den Gesetzgebungsakt mit dem Präsidenten des Rates gemäß Artikel 297 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu unterzeichnen;

4.

beauftragt seinen Generalsekretär, den Gesetzgebungsakt zu unterzeichnen, nachdem überprüft worden ist, dass alle Verfahren ordnungsgemäß abgeschlossen worden sind, und im Einvernehmen mit dem Generalsekretär des Rates die Veröffentlichung des Gesetzgebungsakts im Amtsblatt der Europäischen Union zu veranlassen;

5.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

(1)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 66.

(2)  ABl. C 461 vom 21.12.2018, S. 232.

(3)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0222.


Donnerstag, 25. November 2020

20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/171


P9_TA(2020)0317

Märkte für Finanzinstrumente: Änderung im Hinblick auf die Informationspflichten, die Produktüberwachung und die Positionslimits zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie ***I

Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 25. November 2020 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU im Hinblick auf die Informationspflichten, die Produktüberwachung und die Positionslimits zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie (COM(2020)0280 — C9-0210/2020 — 2020/0152(COD)) (1)

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Abänderung 9, sofern nicht anders angegeben

(2021/C 425/26)

ABÄNDERUNGEN DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS (*1)

am Vorschlag der Kommission

RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU im Hinblick auf die Informationspflichten, die Produktüberwachung und die Positionslimits zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie

(Text von Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 53 Absatz 1,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die COVID-19-Pandemie hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Menschen, die Unternehmen, die Gesundheitssysteme und die Volkswirtschaften sowie die Finanzsysteme der Mitgliedstaaten. Die Kommission betonte in ihrer Stellungnahme an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 27. Mai 2020 mit dem Titel „Stunde Europas: Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation eröffnen“ (2), dass Liquidität und der Zugang zu Finanzmitteln in den kommenden Monaten eine Herausforderung bleiben werden. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, die Erholung vom schweren wirtschaftlichen Schock infolge der COVID-19-Pandemie durch die Beseitigung unnötiger Bürokratie über begrenzte gezielte Änderungen an der Finanzgesetzgebung zu fördern. Das übergeordnete Ziel der Änderungen sollte daher der Abbau unnötiger Bürokratie und die Einführung vorübergehender Ausnahmen sein, die als wirksam erachtet werden, um die wirtschaftlichen Turbulenzen abzumildern. Es sollten Änderungen vermieden werden, die den Sektor stärker belasten, komplexe legislative Fragen sollten dabei bei der geplanten Überprüfung der MiFID II geklärt werden. Die entsprechenden Maßnahmen werden unter dem Titel „Maßnahmenpaket für die Erholung der Kapitalmärkte“ verschiedet.

(2)

Die Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (3) über Märkte für Finanzinstrumente wurde 2014 als Reaktion auf die Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 verabschiedet. Diese Richtlinie hat das Finanzsystem innerhalb der Europäischen Union in erheblichem Maße gestärkt und ein hohes Maß an Schutz für Anleger in der gesamten Union sichergestellt. Es könnten weitere Maßnahmen in Betracht gezogen werden, um die aufsichtsrechtliche Komplexität zu verringern, Compliancekosten für Wertpapierfirmen zu senken und Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen , sofern gleichzeitig der Anlegerschutz ausreichend berücksichtigt wird .

(3)

Was die Anforderungen bezüglich des Anlegerschutzes betrifft, hat die Richtlinie 2014/65/EU ihr Ziel der Verabschiedung von Maßnahmen, die den Besonderheiten jeder Anlegergruppe (Kleinanleger, professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien) in ausreichendem Maße Rechnung tragen, nicht in vollem Umfang verwirklicht . Einige der Anforderungen haben den Anlegerschutz nicht immer verbessert, sondern stattdessen die reibungslose Ausführung von Anlageentscheidungen behindert. Zur Verbesserung des Anlegerschutzes ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Verschuldungsgrad von Kleinanlegern bei der Beurteilung der Eignung berücksichtigt wird, insbesondere angesichts der zunehmenden Verschuldung der Verbraucher aufgrund der COVID-19-Pandemie. Ferner könnten bestimmte Regelungen der Richtlinie 2014/65/EU geändert werden, um eine einfache Bereitstellung von Wertpapierdienstleistungen und die Förderung von Anlagetätigkeiten ▌ zu erreichen , sofern die Änderung in einer ausgewogenen Weise erfolgt, bei der Anleger umfassend geschützt sind .

(4)

Produktüberwachungspflichten können zu Einschränkungen im Verkauf von Unternehmensanleihen führen. Unternehmensanleihen mit „Make-Whole-Klauseln“ gelten in der Regel als sichere und einfache Produkte, die für Kleinanleger geeignet sind. Im Falle einer frühzeitigen Rückzahlung durch den Emittenten schützt eine derartige „Make-Whole-Klausel“ Anleger vor Verlusten, indem sie sicherstellt , dass diesen Anlegern ein Betrag in Höhe des Nettogegenwartswerts der Kupons gezahlt wird, die sie erhalten hätten, wenn die Anleihe nicht frühzeitig aufgekündigt worden wäre. Die Produktüberwachungspflichten sollten daher nicht mehr für Unternehmensanleihen mit derartigen „Make-Whole-Klauseln“ gelten.

(5)

Die von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) gestartete Sondierung hinsichtlich der Auswirkungen von Anreizen und der Pflichten zur Offenlegung von Kosten und Nebenkosten gemäß der Richtlinie 2014/65/EU und die öffentliche Konsultation der Kommission lieferten beide die Bestätigung, dass professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien keine standardisierten und obligatorischen Kosteninformationen benötigen, da sie die erforderlichen Informationen bereits während der Verhandlung mit ihrem Dienstleister erhalten. Diese Informationen werden auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und sind in vielen Fällen weitaus präziser. Geeignete Gegenparteien und professionelle Kunden sollten daher von diesen Pflichten zur Offenlegung von Kosten und Nebenkosten ausgenommen werden, es sei denn, es handelt sich um Dienstleistungen in den Bereichen Anlageberatung und Portfolioverwaltung, da professionelle Kunden, die Anlageberatungs- oder Portfolioverwaltungsleistungen in Anspruch nehmen, nicht unbedingt über die erforderliche Erfahrung oder die erforderlichen Kenntnisse verfügen, um eine Ausnahme von der Offenlegung von Kosten und Nebenkosten zu rechtfertigen.

(6)

Aktuell müssen Wertpapierfirmen eine Kosten-Nutzen-Analyse bestimmter Portfolioaktivitäten durchführen, wenn sie während einer dauerhaften Geschäftsbeziehung mit ihren Kunden die eingesetzten Finanzinstrumente wechseln. Wertpapierfirmen müssen daher die erforderlichen Informationen vom Kunden einholen und nachweisen können, dass die Vorteile derartiger Wechsel die Kosten überwiegen. Da dieses Verfahren eine übermäßige Belastung für professionelle Kunden ist, die regelmäßig zwischen Instrumenten wechseln, sollten diese von dieser Regelung ausgenommen werden, sich aber für die Inanspruchnahme der Regelung entscheiden können. Da Kleinanleger ein hohes Maß an Schutz benötigen, sollte diese Wahlmöglichkeit lediglich professionellen Kunden vorbehalten sein.

(7)

Kunden, die in einer dauerhaften Geschäftsbeziehung mit einer Wertpapierfirma stehen, erhalten entweder regelmäßig oder bei Eintreten bestimmter Ereignisse obligatorische Serviceberichte. Weder Wertpapierfirmen noch ihre professionellen Kunden halten diese Serviceberichte für nützlich. Diese Berichte haben sich insbesondere als wenig hilfreich für professionelle Kunden auf äußerst volatilen Märkten herausgestellt, da sie häufig und in großer Stückzahl bereitgestellt werden. Professionelle Kunden lesen diese Serviceberichte häufig nicht oder treffen schnelle Anlageentscheidungen, anstatt weiterhin eine langfristige Anlagestrategie zu verfolgen. Geeignete Gegenparteien sollten diese Serviceberichte deshalb nicht mehr erhalten, während professionellen Kunden die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, sich für den Erhalt dieser Serviceberichte zu entscheiden.

(8)

Die Richtlinie 2014/65/EU hat Meldepflichten eingeführt, denen zufolge anzugeben ist, wie Aufträge zu den für den Kunden günstigsten Konditionen ausgeführt wurden. Die technischen Berichte enthalten große Mengen detaillierter quantitativer Informationen zum jeweiligen Handelsplatz, dem Finanzinstrument, dem Kurs, den Kosten und der Wahrscheinlichkeit der Ausführung. Sie werden nur selten von Anlegern gelesen, was sich anhand der sehr geringen Downloadzahlen auf den Websites der Wertpapierfirmen belegen lässt. Da Anleger keine aussagekräftigen Vergleiche auf der Grundlage dieser Daten anstellen können, sollte die Veröffentlichung dieser Berichte vorübergehend eingestellt werden.

(9)

Um die Kommunikation zwischen Wertpapierfirmen und ihren Kunden und damit den Anlageprozess selbst zu vereinfachen, sollten Anlageinformationen nicht mehr in Papierform bereitgestellt, sondern standardmäßig in elektronischer Form übermittelt werden. Kleinanleger sollten jedoch die Möglichkeit erhalten, die Informationen auf Wunsch weiterhin in Papierform zu erhalten.

(9a)

Die Kommission sollte einen Bericht über die Auswirkungen der Anwendung von Positionslimits und Positionsmanagement auf die Liquidität, den Marktmissbrauch und geordnete Preis- und Abrechnungsbedingungen an den Warenderivatemärkten gemäß dieser Richtlinie vorlegen. Eine faktengestützte Bewertung der Regelung für Warenderivate und die Konsultation eines breiten Spektrums von Interessenträgern sind von wesentlicher Bedeutung, wenn es darum geht, den Inhalt dieser Bestimmungen zu überprüfen, die als Reaktion auf die Vereinbarungen des G20-Gipfels 2009 in Pittsburgh des Gipfels 2011 in Cannes angenommen wurden, um die Regulierung, Funktionsweise und Transparenz der Märkte für Warenderivate zu verbessern und gegen übermäßige Preisschwankungen vorzugehen. [Abänd. 2]

(10)

Gemäß der Richtlinie 2014/65/EU können Personen, die professionell mit Warenderivaten, Emissionszertifikaten und Derivaten davon handeln, von der Zulassung als Wertpapierfirma ausgenommen werden, wenn ihre Handelsaktivität eine Nebentätigkeit zu ihrem Hauptgeschäft darstellt. Personen, die den Nebentätigkeitstest beantragen, müssen die zuständige Behörde jährlich darüber in Kenntnis setzen, dass sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, und die erforderlichen Angaben für die zwei quantitativen Tests übermitteln, sodass festgestellt werden kann, ob ihre Handelsaktivität eine Nebentätigkeit zu ihrem Hauptgeschäft darstellt. Im Rahmen des ersten Tests wird der Umfang der spekulativen Handelsaktivität einer Person mit der gesamten Handelsaktivität innerhalb der Union auf Grundlage der Anlageklasse verglichen. Im zweiten Test wird der Umfang der spekulativen Handelsaktivität, einschließlich aller beinhalteten Anlageklassen, mit der gesamten Aktivitäten beim Handel mit Finanzinstrumenten dieser Person auf Gruppenebene verglichen. Für den zweiten Test besteht eine alternative Variante, bei der das für die spekulative Handelsaktivität veranschlagte Kapital mit dem auf Gruppenebene für das Hauptgeschäft tatsächlich eingesetzten Kapital verglichen wird. Diese quantitativen Tests sollten weiterhin die Grundsatzregel für die Ausnahme für Nebentätigkeiten sein . Alternativ kann den nationalen Aufsichtsbehörden unter klar definierten Bedingungen gestattet werden, sich auf qualitative Elemente zu stützen. Die ESMA sollte befugt sein, die Umständen zu erläutern, unter denen nationale Behörden einen qualitativen Ansatz anwenden könnten, und Entwürfe technischer Regulierungsstandards zu den qualitativen Kriterien auszuarbeiten. Für die Ausnahme infrage kommende Personen, einschließlich Market-Maker, handeln für eigene Rechnung oder erbringen andere Anlagedienstleistungen für Kunden oder Zulieferer ihres Hauptgeschäfts. Die Ausnahme würde in beiden Fällen auf individueller und aggregierter Basis beantragt werden, wenn es sich um eine Nebentätigkeit auf Gruppenebene handelt. Die Ausnahme sollte nicht für Personen infrage kommen, die eine hochfrequente algorithmische Handelstechnik anwenden oder Teil einer Gruppe sind, deren Hauptgeschäft in der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Bankgeschäften besteht oder die als Market-Maker für Warenderivate tätig sind. ▌

(11)

Die zuständigen Behörden müssen derzeit Positionslimits für die Größe einer Nettoposition festlegen und anwenden, die eine Person jederzeit in Warenderivaten, die an Handelsplätzen gehandelt werden, und in von der Kommission als wirtschaftlich gleichwertig eingestuften Over-The-Counter-Kontrakten (EEOTC) halten kann. Da sich herausgestellt hat, dass sich die Positionsbegrenzungsregelung nachteilig auf die Entwicklung neuer Warenmärkte auswirkt, sollten neu aufkommende Warenmärkte von der Positionsbegrenzungsregelung ausgenommen werden. Stattdessen sollten die Positionslimits nur für Warenderivate, die als signifikante und kritische Warenkontrakte eingestuft wurden, und deren EEOTC-Kontrakte gelten. Bei signifikanten und kritischen Derivaten handelt es sich um Derivate auf Energieerzeugnisse mit offenen Positionen von mindestens 300 000 Einheiten in einem Einjahreszeitraum. Aufgrund ihrer entscheidenden Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger gilt für landwirtschaftliche Grunderzeugnisse mit einem Basiswert, der für den menschlichen Verzehr bestimmt ist, und ihre EEOTC-Kontrakte weiterhin die derzeitige Positionsbegrenzungsregelung. Die ESMA sollte beauftragt werden, einen Entwurf für Regulierungsstandards auszuarbeiten, in denen festgelegt wird, welche landwirtschaftlichen Grunderzeugnisse mit einem für den menschlichen Verzehr vorgesehenen Basiswert und welche signifikanten oder kritischen Derivate den Positionslimits unterliegen. Bei signifikanten und kritischen Derivaten sollte sich die ESMA an den 300 000 Einheiten offener Positionen in einem Jahr, der Anzahl der Marktteilnehmer und der zugrunde liegenden Ware orientieren.

(12)

Die Richtlinie 2014/65/EU sieht für finanziellen Stellen keine Ausnahme für Sicherungsgeschäfte vor. Mehrere überwiegend gewerbliche Gruppen, die eine finanzielle Stelle für ihre Handelszwecke eingerichtet haben, befanden sich in einer Situation, in der ihre finanzielle Stelle nicht den gesamten Handel für die Gruppe abwickeln konnte, da die finanzielle Stelle keinen Anspruch auf eine Ausnahme für Sicherungsgeschäfte hatte. Daher sollte eine präzise definierte Ausnahme für Sicherungsgeschäfte für finanzielle Gegenparteien eingeführt werden. Diese Ausnahme für Sicherungsgeschäfte sollte gelten, wenn in einer überwiegend gewerblichen Gruppe eine Person als Wertpapierfirma registriert ist und im Auftrag dieser gewerblichen Gruppe handelt. Um diese Ausnahme für Sicherungsgeschäfte auf finanzielle Stellen zu begrenzen, die für die nichtfinanziellen Stellen in einer überwiegend gewerblichen Gruppe handeln, sollte die Ausnahme für Sicherungsgeschäfte für diejenigen Positionen gelten, die von dieser finanziellen Stelle gehalten werden und die objektiv messbar direkt mit der Geschäftstätigkeit der nichtfinanziellen Stellen der Gruppe verbundene Risiken mindern.

(13)

Auch bei liquiden Kontrakten ist in der Regel nur eine geringe Zahl von Marktteilnehmern als Market-Maker auf Warenmärkten tätig. Wenn diese Marktteilnehmer zur Anwendung von Positionslimits verpflichtet sind, können sie als Market-Maker nicht gleichermaßen effektiv sein. Aus diesem Grund sollte für finanzielle und nichtfinanzielle Gegenparteien eine Ausnahme von der Positionsbegrenzungsregelung für Positionen eingeführt werden, die aus Transaktionen zur vorgeschriebenen Bereitstellung von Liquidität resultieren.

(13a)

Die Änderungen der Positionsbegrenzungsregelung sollen die Entwicklung neuer Energieverträge, insbesondere auf dem Strommarkt, unterstützen und zielen nicht darauf ab, die Regelung für Verträge mit landwirtschaftlichen Rohstoffen zu lockern.

(14)

Den individuellen Eigenschaften von verbrieften Derivaten wird durch die derzeit geltende Positionsbegrenzungsregelung nicht Rechnung getragen. Verbriefte Derivate sollten deshalb von der Positionsbegrenzungsregelung ausgenommen werden.

(15)

Seit dem Inkrafttreten der Richtlinie 2014/65/EU konnten keine gleichen Warenderivatkontrakte erfasst werden. Aufgrund des Begriffs „derselbe Kontrakt“ in dieser Richtlinie wirkt sich die Methodik zur Bestimmung der Positionslimits für die anderen Monate nachteilig auf den Handelsplatz mit dem weniger liquiden Markt aus, wenn Handelsplätze bei Warenderivaten mit demselben Basiswert und denselben Merkmalen in Wettbewerb zueinander stehen. Daher sollte der Verweis auf „denselben Kontrakt“ in Richtlinie 2014/65/EU gestrichen werden. Die zuständigen Behörden sollten sich darüber einigen können, dass die Warenderivate, die auf ihren jeweiligen Handelsplätzen gehandelt werden, auf demselben Basiswert beruhen und dieselben Merkmale haben; in diesem Falle könnte der Ausgangswert für das Limit der anderen Monate auf dem liquidesten Markt für dieses Wertpapierderivat als Richtwert für die Bestimmung der Positionslimits für die anderen Monate für die konkurrierenden Kontrakte, die auf dem weniger liquiden Markt gehandelt werden, dienen.

(16)

An den Handelsplätzen in der Union bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Positionsmanagements. Aus diesem Grund sollten die Positionsmanagementkontrollen erforderlichenfalls gestärkt werden.

(17)

Um die weitere Entwicklung von auf Euro lautenden Warenmärkten in der EU sicherzustellen, sollte der Kommission zur inhaltlichen Ausgestaltung der Positionsmanagementkontrollen die Befugnis übertragen werden, in Übereinstimmung mit Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte zu erlassen, in denen festgelegt wird, für welche Derivate auf landwirtschaftliche Grunderzeugnisse und für welche kritischen oder signifikanten Derivate Positionslimits gelten sollten, um ein Verfahren zur Bestimmung der Personen zu erhalten, die eine Ausnahme für Sicherungsgeschäfte für Positionen, die aus Transaktionen zur vorgeschriebenen Bereitstellung von Liquidität resultieren, beantragen können, sowie ein Verfahren zur Bestimmung der finanziellen Stellen, die Teil einer überwiegend gewerblichen Gruppe sind und eine Ausnahme für Sicherungsgeschäfte im Hinblick auf Positionen beantragen können, die von dieser finanzielle Stelle gehalten werden und die objektiv messbar die direkt mit der Geschäftstätigkeit der nichtfinanziellen Stellen der Gruppe verbundenen Risiken mindern. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission bei ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf Ebene der Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung (4) in Einklang stehen. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.

(18)

Das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) ist die Leitinitiative der Europäischen Union, mit der die Dekarbonisierung der Wirtschaft in Übereinstimmung mit dem Europäischen Grünen Deal erreicht werden soll. Der Handel mit Emissionszertifikaten und Derivaten davon unterliegt der Richtlinie 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 und ist ein wichtiger Bestandteil des CO2-Markts der EU. Die Ausnahme für Nebentätigkeiten gemäß der Richtlinie 2014/65/EU bietet bestimmten Marktteilnehmern unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, auf Märkten für Emissionszertifikate aktiv zu werden, ohne als Wertpapierfirmen zugelassen zu sein. In Anbetracht der Bedeutung geordneter, gut regulierter und beaufsichtigter Finanzmärkte, der bedeutenden Rolle des EHS für die Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele der EU und der Rolle, die ein gut funktionierender Sekundärmarkt für Emissionszertifikate für die Funktionsfähigkeit des EHS hat, ist es unabdingbar, die Ausnahme für Nebentätigkeiten so zu gestalten, dass sie zur Verwirklichung der genannten Ziele beiträgt. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der Handel mit Emissionszertifikaten auf Handelsplätzen in Drittländern stattfindet. Zum Schutz der Finanzstabilität, der Marktintegrität, des Anlegerschutzes und gleicher Wettbewerbsbedingungen in der Union, zur Sicherstellung eines weiterhin transparent und robust funktionierenden EHS und im Interesse einer kosteneffizienten Reduktion von Emissionen sollte die Kommission die weitere Entwicklung des Handels mit Emissionszertifikaten und Derivaten davon innerhalb der Union und in Drittländern überwachen, die Auswirkungen der Ausnahme für Nebentätigkeiten auf das EHS bewerten und gegebenenfalls angemessene Änderungen hinsichtlich des Umfangs und der Anwendung der Ausnahme für Nebentätigkeiten vorschlagen.

(19)

Die Richtlinie 2014/65/EU sollte daher entsprechend geändert werden.

(20)

Das Ziel dieser Änderung ist die Ergänzung bereits bestehender Rechtsvorschriften der Union, was daher am besten auf Ebene der Union, statt durch unterschiedliche nationale Initiativen verwirklicht werden kann. Finanzmärkte sind von Natur aus grenzüberschreitende Märkte und entwickeln sich immer stärker in diese Richtung. Aufgrund dieser Integration wären einzelne nationale Eingriffe deutlich weniger effizient und würden eine Fragmentierung der Märkte und damit Aufsichtsarbitrage sowie eine Wettbewerbsverzerrung nach sich ziehen.

(20a)

Da die Ziele dieser Richtlinie, nämlich die Präzisierung bestehender Unionsvorschriften zur Sicherstellung einheitlicher und geeigneter Anforderungen an Wertpapierfirmen in der gesamten Union, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr aufgrund ihres Umfangs und ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(21)

Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung vom 28. September 2011 der Mitgliedstaaten und der Kommission zu Erläuternden Dokumenten (5) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen eines oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.

(21a)

Ziel der Änderungen sollte es sein, vorübergehende Ausnahmen vorzusehen und Bürokratie abzubauen, um die Wirtschaftskrise abzumildern. Es sollte daher vermieden werden, durch die Änderungen komplexere Fragen im Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften anzusprechen, die das Risiko weiterer Belastungen für den Sektor bergen könnten. Größere Änderungen der Rechtsvorschriften sollten zunächst bei der geplanten Überarbeitung der MiFID II neu bewertet werden –

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Änderung der Richtlinie 2014/65/EU

Die Richtlinie 2014/65/EU wird wie folgt geändert:

1.

Artikel 2 wird wie folgt geändert:

a)

In Absatz 1 erhält Buchstabe j folgende Fassung:

„j)

Personen,

i)

die für eigene Rechnung mit Warenderivaten oder Emissionszertifikaten oder Derivaten davon handeln, einschließlich Market-Maker, aber mit Ausnahme der Personen, die Handel für eigene Rechnung treiben, wenn sie Kundenaufträge ausführen, oder

ii)

die in Bezug auf Warenderivate oder Emissionszertifikate oder Derivate davon andere Wertpapierdienstleistungen als den Handel für eigene Rechnung für die Kunden oder Zulieferer ihrer Haupttätigkeit erbringen,

sofern

dies in jedem dieser Fälle auf individueller und aggregierter Basis auf der Ebene der Unternehmensgruppe eine Nebentätigkeit zu ihrer Haupttätigkeit darstellt,

diese Personen nicht Teil einer Gruppe sind, deren Haupttätigkeit in der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen im Sinne der vorliegenden Richtlinie, in unter Anhang I der Richtlinie 2013/36/EU aufgeführten Tätigkeiten oder in der Tätigkeit als Market-Maker in Bezug auf Warenderivate besteht,

diese Personen keine hochfrequente algorithmische Handelstechnik anwenden,

diese Personen der zuständigen Behörde auf Anforderung die Grundlage mitteilen, auf der sie zu der Auffassung gelangen, dass ihre Tätigkeit nach den Ziffern i und ii eine Nebentätigkeit zu ihrer Haupttätigkeit darstellt;“;

b)

Absatz 4 wird gestrichen. [Abänd. 6]

ba)

folgender Absatz wird angefügt:

„(4a)     Abweichend von Absatz 4 dieses Artikels können sich die Mitgliedstaaten für die Anwendung qualitativer Kriterien im Hinblick auf die in Absatz 1 Buchstabe j genannten Ausnahmen entscheiden.

Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, um Leitlinien zu den qualitativen Kriterien zur Verfügung zu stellen, anhand deren beurteilt wird, ob die in Absatz 1 Buchstabe j dieses Artikels genannten Ausnahmen Anwendung finden.

Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 1. April 2021 vor.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 2 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.“.

2.

Artikel 4 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

a)

Die folgende Nummer 8a wird eingefügt:

„8a.

‚Wechsel von Finanzinstrumenten‘ den Verkauf eines Finanzinstruments und Kauf eines anderen Finanzinstruments oder die Inanspruchnahme eines Rechts, eine Änderung im Hinblick auf ein bestehendes Finanzinstrument vorzunehmen;“;

b)

die folgende Nummer 50a wird eingefügt:

„50a.

‚Unternehmensanleihen mit Make-Whole-Klauseln‘ Unternehmensanleihen mit einer Klausel, die den Emittenten im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung dazu verpflichtet, den Kapitalbetrag der Anleihe sowie den Nettogegenwartswert der Kupons an den Anleger zu zahlen, die dieser erhalten hätte, wenn die Anleihe nicht frühzeitig gekündigt worden wäre.“;

c)

die folgende Nummer 62a wird eingefügt:

„62a.

‚elektronisches Format‘ ein dauerhaftes Medium, das kein Papier ist.“.

3.

In Artikel 16 Absatz 3 wird folgender Unterabsatz angefügt:

„Die in den Unterabsätzen 2 bis 5 dargelegten Anforderungen gelten nicht für Unternehmensanleihen mit Make-Whole-Klauseln.“.

4.

Artikel 24 wird wie folgt geändert:

a)

In Absatz 2 wird folgender Unterabsatz angefügt:

„Dieser Absatz gilt nicht für Unternehmensanleihen mit Make-Whole-Klauseln.“;

b)

in Absatz 4 wird folgender Unterabsatz angefügt:

„Wenn die Vereinbarung, ein Finanzinstrument zu kaufen oder zu verkaufen, unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wird, das eine vorherige Übermittlung der Informationen über Kosten und Gebühren verhindert, kann die Wertpapierfirma dem Kunden die Informationen über Kosten und Nebenkosten unmittelbar nach Geschäftsabschluss ▌übermitteln, sofern die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

i)

Die Wertpapierfirma hat dem Kunden die Möglichkeit eingeräumt, den Geschäftsabschluss zu verzögern, bis er die Informationen erhalten hat;

ii)

der Kunde hat eingewilligt, die Informationen unverzüglich nach dem Geschäftsabschluss zu erhalten.

Die Wertpapierfirma bietet dem Kunden die Möglichkeit, diese Informationen vor Abschluss des Geschäfts telefonisch zu erhalten. “;

c)

folgender Absatz 5a wird eingefügt:

„(5a)   Wertpapierfirmen müssen ihren Kunden oder potenziellen Kunden alle gemäß dieser Richtlinie erforderlichen Informationen in elektronischem Format bereitstellen, es sei denn, der Kunde oder potenzielle Kunde ist ein Kleinanleger oder potenzieller Kleinanleger, der darum gebeten hat, die Informationen in Papierform zu erhalten; in diesem Fall müssen die Informationen kostenlos in Papierform bereitgestellt werden.

Wertpapierfirmen müssen Kleinanleger oder potenzielle Kleinanleger darüber in Kenntnis setzen, dass sie die Möglichkeit haben, die Informationen in Papierform zu erhalten.

Wertpapierfirmen müssen bestehende Kleinanleger, die die gemäß dieser Richtlinie erforderlichen Informationen bisher in Papierform erhalten haben, spätestens acht Wochen vor dem Versenden der Informationen in elektronischer Form darüber in Kenntnis setzen, dass sie diese in elektronischer Form erhalten werden. Wertpapierfirmen müssen bestehende Kleinanleger darüber in Kenntnis setzen, dass sie die Wahl haben, die Informationen entweder weiterhin in Papierform oder künftig in elektronischer Form zu erhalten. Wertpapierfirmen müssen bestehende Kleinanleger zudem darüber in Kenntnis setzen, dass ein automatischer Wechsel zum elektronischen Format vollzogen wird, wenn diese innerhalb der Frist von acht Wochen nicht mitteilen, dass sie die Informationen weiterhin in Papierform erhalten möchten. Bestehende Kleinanleger, die die in dieser Richtlinie geforderten Informationen bereits in elektronischer Form erhalten, müssen nicht informiert werden.“;

ca)

folgender Absatz 9a wird eingefügt:

„(9a)     Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Wertpapierfirmen für die Erbringung von Ausführungsdienstleistungen und die Erbringung von Anlageanalysen gemeinsam zahlen können, sofern alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)

Vor der Erbringung der Ausführungs- oder Anlagenanalysedienstleistungen wurde eine Vereinbarung zwischen der Wertpapierfirma und dem Analyseanbieter getroffen, in der festgelegt ist, welcher Teil der gemeinsamen Zahlung auf die Anlagenanalyse entfällt.

b)

Die Wertpapierfirma informiert ihren Kunden über die gemeinsamen Zahlungen.

c)

Die Ausführungsdienstleistungen, für die die gemeinsame Zahlung geleistet wird, werden ausschließlich in Bezug auf Emittenten durchgeführt, die in den 36 Monaten vor der Bereitstellung der Anlagenanalyse eine Marktkapitalisierung von 1 Mrd. EUR nicht überschritten haben.

Zum Zwecke dieses Artikels bezeichnet der Ausdruck ‚Anlageanalysen‘ Analysematerial oder Analysedienste in Bezug auf eines oder mehrere Finanzinstrumente oder sonstige Vermögenswerte oder die Emittenten bzw. potenziellen Emittenten von Finanzinstrumenten oder auf Forschungsmaterial oder -dienstleistungen, die in engem Zusammenhang zu einem bestimmten Wirtschaftszweig oder Markt stehen, sodass die Analysen die Grundlage für die Einschätzung von Finanzinstrumenten, Vermögenswerten oder Emittenten des Wirtschaftszweigs oder des Marktes liefern.

Zur Anlageanalyse gehören auch Material oder Dienstleistungen, mit denen explizit oder implizit eine Anlagestrategie empfohlen oder nahegelegt und eine fundierte Meinung zum aktuellen oder künftigen Wert oder Preis solcher Instrumente oder Vermögenswerte abgegeben oder anderweitig eine Analyse und neuartige Erkenntnisse vermittelt werden und auf der Grundlage neuer oder bereits vorhandener Informationen Schlussfolgerungen gezogen werden, die genutzt werden könnten, um eine Anlagestrategie zu begründen, und die für die Entscheidungen, die die Wertpapierfirma für die die Analysegebühr entrichtenden Kunden trifft, relevant und von Mehrwert sein könnten.“.

5.

In Artikel 25 Absatz 2 wird folgender Unterabsatz angefügt:

„Erbringen Wertpapierfirmen Anlageberatungs- oder Portfolioverwaltungsdienstleistungen, die einen Wechsel von Finanzinstrumenten umfassen, analysieren sie die Kosten und Vorteile der wechselnden Finanzinstrumente . Bei der Erbringung von Anlageberatungsdienstleistungen informieren Wertpapierfirmen den Kunden darüber, ob die Vorteile eines solchen Wechsels von Finanzinstrumenten die im Rahmen des Wechsels anfallenden Kosten überwiegen oder nicht.“.

5a.

In Artikel 25 Absatz 6 wird folgender Unterabsatz angefügt:

„Dieser Absatz gilt nicht für Verpflichtungen im Zusammenhang mit Schwellenwerten für die Berichterstattung über Verluste gemäß Artikel 25a dieser Richtlinie.“.

5b.

In Artikel 25 Absatz 8 erhält die Einleitung folgende Fassung:

„(8)   Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 89 zu erlassen um sicherzustellen , dass Wertpapierfirmen bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Nebendienstleistungen für ihre Kunden den in den Absätzen 2 bis 6 dieses Artikels festgelegten Grundsätzen genügen; hierzu zählen die zur Beurteilung der Eignung oder Zweckmäßigkeit der Dienstleistungen und der Finanzinstrumente für ihre Kunden einzuholenden Informationen, die Kriterien zur Beurteilung nicht komplexer Finanzinstrumente für die Zwecke des Absatzes 4 Buchstabe a Ziffer vi dieses Artikels, der Inhalt und das Format der Aufzeichnungen und Vereinbarungen für die Erbringung von Dienstleistungen für Kunden und der regelmäßigen Berichte an die Kunden über die erbrachten Leistungen , jedoch unter Ausschluss von Verpflichtungen im Zusammenhang mit den in Artikel 25a festgelegten Schwellenwerten für die Berichterstattung über Verluste . In diesen delegierten Rechtsakten sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:“.

5c.

Folgender Artikel 25a wird eingefügt:

„Artikel 25a

Schwellenwerte für die Berichterstattung über Verluste

(1)    Wertpapierfirmen, die Portfolioverwaltungsdienstleistungen erbringen, teilen dem Kunden mit, wenn der Gesamtwert des zu Beginn des jeweiligen Berichtszeitraums zu beurteilenden Portfolios um 10 % fällt, sowie anschließend bei jedem Wertverlust in 10 %-Schritten, und zwar spätestens am Ende des Geschäftstags, an dem der Schwellenwert überschritten wird oder — falls der Schwellenwert an einem geschäftsfreien Tag überschritten wird — am Ende des folgenden Geschäftstags.

(2)    Wertpapierfirmen, die ein Kleinanlegerkonto führen, das Positionen in fremdfinanzierten Finanzinstrumenten oder Transaktionen mit Eventualverbindlichkeiten umfasst, informieren den Kunden, wenn der Ausgangswert des betreffenden Finanzinstruments um 10 % fällt, sowie anschließend bei jedem Wertverlust in 10 %-Schritten. Die Berichterstattung gemäß diesem Absatz erfolgt, sofern mit dem Kunden nichts anderes vereinbart wurde, für jedes einzelne Instrument, und zwar spätestens am Ende des Geschäftstags, an dem der Schwellenwert überschritten wird, oder — falls der Schwellenwert an einem geschäftsfreien Tag überschritten wird — an Ende des folgenden Geschäftstags.“.

6.

In Artikel 27 Absatz 3 wird folgender Unterabsatz angefügt:

„Die in diesem Absatz dargelegte Berichtspflicht gilt erst ab [Datum des Inkrafttretens dieser Änderung der Richtlinie + 2 Jahre]. Die Kommission überprüft eingehend die Angemessenheit der Berichtspflichten gemäß diesem Absatz und legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum [Datum des Inkrafttretens dieser Änderung der Richtlinie + 1 Jahr] einen Bericht vor.“.

6a.

In Artikel 27 Absatz 6 wird folgender Unterabsatz angefügt:

„Die Kommission überprüft eingehend die Angemessenheit der Berichtspflichten gemäß diesem Absatz und legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum [Datum des Inkrafttretens dieser Änderung der Richtlinie + 1 Jahr] einen Bericht vor.“.

7.

Folgender Artikel 29a wird eingefügt:

„Artikel 29a

Dienstleistungen für professionelle Kunden

(1)   Die Anforderungen nach Artikel 24 Absatz 4 Buchstabe c gelten nicht für andere Dienstleistungen als Anlageberatung und Portfolioverwaltung, die professionellen Kunden erbracht werden. Die Anforderungen nach Artikel 24 Absatz 4 Buchstabe c gelten auch nicht für geeignete Gegenparteien .

(2)   Die Anforderungen nach Artikel 25 Absatz 2 Unterabsatz 3 und Artikel 25 Absatz 6 gelten nicht für Dienstleistungen, die professionellen Kunden erbracht werden, es sei denn, diese Kunden setzen die Wertpapierfirma schriftlich darüber in Kenntnis, dass sie von den durch diese Bestimmungen gewährten Rechten Gebrauch machen möchten.

(3)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Wertpapierfirmen die in Absatz 2 genannten schriftlichen Anfragen aufzeichnen.“.

8.

Artikel 30 Absatz 1 folgende Fassung:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Wertpapierfirmen, die zur Ausführung von Aufträgen im Namen von Kunden, zum Handel für eigene Rechnung oder zur Entgegennahme und Weiterleitung von Aufträgen berechtigt sind, Geschäfte mit geeigneten Gegenparteien anbahnen oder abschließen können, ohne in Bezug auf diese Geschäfte oder auf Nebendienstleistungen in direktem Zusammenhang mit diesen Geschäften den Auflagen des Artikels 24 mit Ausnahme des Absatzes 5a, des Artikels 25, des Artikels 27 und des Artikels 28 Absatz 1 genügen zu müssen.“.

9.

Artikel 57 wird wie folgt geändert:

a)

Absatz 1 erhält folgende Fassung:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden in Übereinstimmung mit der von der ESMA im Rahmen der technischen Regulierungsstandards gemäß Absatz 3 entwickelten Berechnungsmethodologie Positionslimits für die Größe der Nettopositionen festlegen und anwenden, die eine Person jederzeit in Derivaten auf landwirtschaftliche Grunderzeugnisse und kritischen und signifikanten Derivaten, die an Handelsplätzen gehandelt werden, und in wirtschaftlich gleichwertigen OTC-Kontrakten halten darf. Die Positionslimits werden auf der Grundlage aller Positionen festgelegt, die von einer Person oder aggregiert auf Gruppenebene für diese Person gehalten werden, um

a)

Marktmissbrauch zu verhindern;

b)

zu geordneten Preisbildungs- und Abwicklungsbedingungen beizutragen; dies beinhaltet, marktverzerrende Positionen zu verhindern und insbesondere eine Konvergenz zwischen den Preisen von Derivaten im Monat der Lieferung und den Spotpreisen für die zugrunde liegende Ware sicherzustellen, ohne dass die Preisbildung am Markt für die zugrunde liegende Ware davon berührt wird.

Die Positionslimits gelten nicht für:

a)

Positionen, die von oder für eine nichtfinanzielle Stelle gehalten werden und die objektiv messbar die direkt mit der Geschäftstätigkeit dieser nichtfinanziellen Stelle verbundenen Risiken mindern;

b)

Positionen, die von oder für eine finanzielle Stelle gehalten werden, die Teil einer nichtfinanziellen Gruppe ist und im Namen dieser nichtfinanziellen Gruppe handelt, und die objektiv messbar die direkt mit der Geschäftstätigkeit dieser nichtfinanziellen Gruppe verbundenen Risiken mindern;

c)

Positionen, die von finanziellen und nichtfinanziellen Gegenparteien gehalten werden und objektiv messbar aus Transaktionen stammen, die abgeschlossen wurden, um der Verpflichtung gemäß Artikel 2 Absatz 4 Unterabsatz 4 Buchstabe c, einen Handelsplatz mit Liquidität zu versorgen, nachzukommen.

d)

Wertpapiere im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 44 Buchstabe c, die mit einer unter Anhang I Abschnitt C Nummer 10 genannten Ware oder einem dort aufgeführten Basiswert in Verbindung stehen.

Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, um ein Verfahren für finanzielle Stellen festzulegen, die Teil einer überwiegend gewerblichen Gruppe sind und eine Ausnahme für Sicherungsgeschäfte für von dieser finanziellen Stelle gehaltene Positionen, die objektiv messbar die Risiken der gewerblichen Aktivitäten der nichtfinanziellen Stellen der Gruppe mindern, beantragen können. Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, um ein Verfahren festzulegen, gemäß dem Personen eine Ausnahme für Sicherungsgeschäfte für Positionen beantragen können, die aus Transaktionen stammen, die abgeschlossen wurden, um der Verpflichtung, einen Handelsplatz mit Liquidität zu versorgen, nachzukommen.

Die ESMA übermittelt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards spätestens [neun Monate nach Inkrafttreten dieser Richtlinie].

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen;“;

b)

die Absätze 3 und 4 erhalten folgende Fassung:

„(3)   Die ESMA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards, um die in Absatz 1 genannten Derivate auf landwirtschaftliche Grunderzeugnisse und kritischen oder signifikanten Warenderivate zu spezifizieren und um die Berechnungsmethodologie zu bestimmen, nach der die zuständigen Behörden die Positionslimits in Spot-Monaten und anderen Monaten für effektiv gelieferte oder bar abgerechnete Warenderivate auf der Grundlage der Eigenschaften der entsprechenden Derivate festzulegen haben.

Bei der Bestimmung von kritischen oder signifikanten Warenderivaten berücksichtigt die ESMA folgende Faktoren:

a)

offene Positionen in einem Umfang von durchschnittlich 300 000 Einheiten in einem Jahr

b)

die Anzahl der Marktteilnehmer;

c)

die dem jeweiligen Derivat zugrunde liegende Ware.

Bei der Festlegung der in Unterabsatz 1 genannten Berechnungsmethodologie berücksichtigt die ESMA folgende Faktoren:

a)

die lieferbare Menge der zugrunde liegenden Ware

b)

die Gesamtheit der offenen Positionen bei diesem Derivat und die Gesamtheit der offenen Positionen bei anderen Finanzinstrumenten, denen dieselbe Ware zugrunde liegt

c)

die Anzahl und Größe der Marktteilnehmer

d)

die Merkmale des zugrunde liegenden Warenmarkts, einschließlich Produktions- und Verbrauchsmodellen sowie Modellen für den Transport zum Markt

e)

die Entwicklung neuer Derivate

f)

die Erfahrung von Wertpapierfirmen oder Marktbetreibern, die einen Handelsplatz betreiben, und von anderen Rechtsordnungen in Bezug auf die Positionslimits.

Die ESMA übermittelt der Kommission die in Unterabsatz 1 genannten Entwürfe technischer Regulierungsstandards spätestens [neun Monate nach Inkrafttreten dieser Richtlinie].

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.

(4)   Eine zuständige Behörde legt auf der Grundlage der von der ESMA im Einklang mit Absatz 3 entwickelten technischen Regulierungsstandards für kritische oder signifikante Kontrakte auf Warenderivate, die an Handelsplätzen gehandelt werden, und für Derivate auf landwirtschaftliche Grunderzeugnisse Positionslimits auf Grundlage der im Rahmen der gemäß Absatz 3 von der ESMA erlassenen technischen Regulierungsstandards entwickelten Berechnungsmethodologie fest. Diese Positionslimits gelten auch für wirtschaftlich gleichwertige OTC-Kontrakte.

Eine zuständige Behörde überprüft die Positionslimits im Falle erheblicher Änderungen am Markt, einschließlich einer erheblichen Änderung der lieferbaren Menge oder der offenen Positionen, auf der Grundlage der von ihr ermittelten lieferbaren Menge und offenen Positionen und berechnet die Positionslimits im Einklang mit der von der ESMA entwickelten Berechnungsmethodologie neu.“;

c)

die Absätze 6, 7 und 8 erhalten folgende Fassung:

„(6)   Werden Derivate auf landwirtschaftliche Grunderzeugnisse und kritische oder signifikante Derivate mit demselben Basiswert und denselben Eigenschaften in erheblichen Volumina an Handelsplätzen in mehreren Hoheitsgebieten gehandelt, legt die zuständige Behörde des Handelsplatzes, auf welchem das größte Volumen gehandelt wird (‚zentrale zuständige Behörde‘), das einheitliche Positionslimit fest, das für den gesamten Handel mit diesem Derivat gilt. Die zentrale zuständige Behörde konsultiert im Hinblick auf das anzuwendende einheitliche Positionslimit und jede Überarbeitung dieses einheitlichen Positionslimits die zuständigen Behörden der anderen Handelsplätze, an denen große Volumina dieses Derivats gehandelt werden. Zuständige Behörden, die mit der Festlegung eines einheitlichen Positionslimits durch die zentrale zuständige Behörde nicht einverstanden sind, legen schriftlich die vollständigen und ausführlichen Gründe dar, warum aus ihrer Sicht die in Absatz 1 festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Meinungsverschiedenheiten zwischen den zuständigen Behörden werden von der ESMA beigelegt.

Die zuständigen Behörden der Handelsplätze, an denen Derivate auf landwirtschaftliche Grunderzeugnisse und kritische oder signifikante Warenderivate mit demselben Basiswert und denselben Eigenschaften gehandelt werden, sowie die zuständigen Behörden der Inhaber von Positionen in diesen Derivaten treffen Vereinbarungen für eine Zusammenarbeit, einschließlich des Austauschs einschlägiger Daten, um die Überwachung und Durchsetzung des einheitlichen Positionslimits zu ermöglichen.

(7)   Die ESMA überprüft mindestens einmal im Jahr, wie die zuständigen Behörden die Positionslimits umgesetzt haben, die mit der von der ESMA gemäß Absatz 3 entwickelten Berechnungsmethodologie festgelegt wurden. Dabei stellt die ESMA sicher, dass ein einheitliches Positionslimit gemäß Absatz 6 tatsächlich für die Derivate auf landwirtschaftliche Grunderzeugnisse und kritische oder signifikante Kontrakte mit demselben Basiswert und denselben Eigenschaften gilt, ungeachtet dessen, wo diese gehandelt werden.

(8)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Wertpapierfirmen oder Marktbetreiber, die einen Handelsplatz betreiben, an dem Warenderivate gehandelt werden, Positionsmanagementkontrollen durchführen, die unter anderem die Befugnis des Handelsplatzes umfassen, um

a)

die offenen Kontraktpositionen jeder Person zu überwachen,

b)

von jeder Person Zugang zu Informationen, einschließlich aller einschlägigen Unterlagen, über Größe und Zweck einer eingegangenen Position oder offenen Forderung, über wirtschaftliche oder tatsächliche Eigentümer, etwaige Absprachen sowie alle zugehörigen Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten zu erhalten, gegebenenfalls auch zu Positionen, die in verbundenen Kontrakten auf anderen Handelsplätzen und OTC über Mitglieder und Teilnehmer gehalten werden,

c)

von jeder Person die zeitweilige oder dauerhafte Auflösung oder Reduzierung einer Position zu verlangen und — falls der Betreffende dem nicht nachkommt — feinseitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Auflösung oder Reduzierung sicherzustellen, und

d)

von jeder Person zu verlangen, zeitweilig Liquidität zu einem vereinbarten Preis und in vereinbartem Umfang eigens zu dem Zweck in den Markt zurückfließen zu lassen, die Auswirkungen einer großen oder marktbeherrschenden Position abzumildern.

Die ESMA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards zur inhaltlichen Spezifizierung der Positionsmanagementkontrollen und berücksichtigt dabei die Eigenschaften des jeweiligen Handelsplatzes.

Die ESMA übermittelt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards spätestens [neun Monate nach Inkrafttreten dieser Richtlinie].

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen.“.

10.

Artikel 58 Absatz 2 erhält folgende Fassung:

„(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Wertpapierfirmen, die außerhalb eines Handelsplatzes mit Warenderivaten, Emissionszertifikaten bzw. Derivaten davon handeln, der in Artikel 57 Absatz 6 genannten zentralen zuständigen Behörde mindestens einmal täglich eine vollständige Aufschlüsselung ihrer Positionen in Warenderivaten oder Emissionszertifikaten bzw. Derivaten davon, die an einem Handelsplatz und in wirtschaftlich gleichwertigen OTC-Kontrakten gehandelt werden, sowie der Positionen ihrer Kunden und der Kunden dieser Kunden bis zum Endkunden gemäß Artikel 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 und gegebenenfalls Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 übermitteln.“.

11.

In Artikel 90 wird folgender Absatz 1a eingefügt:

„(1a)   Bis zum 31. Dezember 2021 prüft die Kommission die Auswirkungen der Ausnahme nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe j im Hinblick auf Emissionszertifikate und Derivate davon und legt begleitend zu dieser Prüfung gegebenenfalls einen Legislativvorschlag zur Änderung der Ausnahme vor. In diesem Zusammenhang beurteilt die Kommission den Handel mit EU-Emissionszertifikaten und Derivaten davon innerhalb der EU und in Drittländern, die Auswirkungen der Ausnahme nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe j auf den Anlegerschutz, die Integrität und Transparenz der Märkte für Emissionszertifikate und Derivate davon und die Notwendigkeit der Verabschiedung von Maßnahmen im Hinblick auf den Handel an Marktplätzen in Drittländern.“.

Artikel 1a

Änderungen der Richtlinie (EU) 2019/878

Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2019/878 wird wie folgt geändert:

1.

Unterabsatz 1 erhält folgende Fassung:

„Die Mitgliedstaaten nehmen bis zum 28. Dezember 2020 folgende Maßnahmen an und veröffentlichen sie:

(i)

die erforderlichen Maßnahmen, um den Bestimmungen dieser Richtlinie nachzukommen, soweit sie Kreditinstitute betreffen;

(ii)

die erforderlichen Maßnahmen, um Artikel 1 Nummern 1 und 9 dieser Richtlinie im Hinblick auf Artikel 2 Absätze 5 und 6 und Artikel 21b der Richtlinie 2013/36/EU nachzukommen, soweit sie Kreditinstitute und Wertpapierfirmen betreffen.“.

2.

Nach Unterabsatz 1 wird folgender Unterabsatz eingefügt:

„Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.“.

Artikel 1b

Änderungen der Richtlinie 2013/36/EU

Artikel 94 Absatz 2 Unterabsätze 3, 4 und 5 erhalten folgende Fassung:

„Zwecks Ermittlung der Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeiten sich wesentlich auf das Risikoprofil des Instituts im Sinne des Artikels 92 Absatz 2 auswirken, mit Ausnahme des Personals von Wertpapierfirmen im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, arbeitet die EBA Entwürfe technischer Regulierungsstandards zur Festlegung der Kriterien aus, anhand deren Folgendes definiert wird:

a)

Managementverantwortung und Kontrollaufgaben,

b)

wesentlicher Geschäftsbereich und erhebliche Auswirkung auf das Risikoprofil des betreffenden Geschäftsbereichs,

c)

sonstige, in Artikel 92 Absatz 2 nicht ausdrücklich genannte Mitarbeiterkategorien, deren berufliche Tätigkeiten vergleichsweise ebenso wesentliche Auswirkungen auf das Risikoprofil des Instituts haben wie diejenigen der dort genannten Mitarbeiterkategorien.

Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 28. Dezember 2019 vor.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die im vorliegenden Absatz genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Ergänzung dieser Richtlinie zu erlassen. Im Hinblick auf die für Wertpapierfirmen gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 geltenden technischen Regulierungsstandards gelten die in Artikel 94 Absatz 2 dieser Richtlinie, geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates, festgelegten Befugnisse bis 26. Juni 2021.“.

Artikel 2

Umsetzung

(1)   Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen spätestens [neun Monate nach Inkrafttreten dieser Richtlinie] die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Maßnahmen mit.

Die Mitgliedstaaten wenden diese Maßnahmen ab dem [12 Monate nach Inkrafttreten dieser Richtlinie] an.

(2)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 2a

Überprüfungsklausel

Bis spätestens 31. Juli 2021 legt die Kommission nach Anhörung der ESMA und auf der Grundlage der Ergebnisse einer öffentlichen Konsultation, die von der Kommission mit ausreichender Vorlaufzeit durchzuführen ist, einen Vorschlag für eine Überprüfung der Richtlinie 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 vor. Die Überprüfung wird breit angelegt sein und Themen wie Marktstruktur, Daten, Handel und Nachhandel, Analyseregeln, Regeln für die Zahlung von Anreizen an Berater, Niveau der Berufsqualifikation von Beratern in Europa, Kategorisierung der Anleger sowie Brexit berücksichtigen.

Artikel 3

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 4

Adressaten

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am […]

Im Namen des Europäischen

Der Präsident

Parlaments Im Namen des Rates

Der Präsident


(1)  Der Gegenstand wurde gemäß Artikel 59 Absatz 4 Unterabsatz 4 der Geschäftsordnung zu interinstitutionellen Verhandlungen an den zuständigen Ausschuss zurücküberwiesen (A9-0208/2020).

(*1)  Textänderungen: Der neue bzw. geänderte Text wird durch Fett- und Kursivdruck gekennzeichnet; Streichungen werden durch das Symbol ▌gekennzeichnet.

(2)  COM(2020)0456 vom 27.5.2020.

(3)  Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349).

(4)  ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.

(5)  ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.


Freitag, 26. November 2020

20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/184


P9_TA(2020)0324

Anwendung von Zollkontingenten der Union und anderen Einfuhrkontingenten ***I

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung von Zollkontingenten der Union und anderen Einfuhrkontingenten (COM(2020)0375 — C9-0274/2020 — 2020/0176(COD))

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

(2021/C 425/27)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2020)0375),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 207 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9-0274/2020),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 18. November 2020 gemachte Zusage, den Standpunkt des Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für internationalen Handel (A9-0216/2020),

1.

legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.

fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

P9_TC1-COD(2020)0176

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 26. November 2020 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2020/… des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung von Zollkontingenten der Union und anderen Einfuhrkontingenten

(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) 2020/2170.)


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/185


P9_TA(2020)0333

Abschaffung von Zöllen auf bestimmte Erzeugnisse ***I

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Abschaffung von Zöllen auf bestimmte Erzeugnisse (COM(2020)0496 — C9-0284/2020 — 2020/0253(COD))

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

(2021/C 425/28)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2020)0496),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 207 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9-0284/2020),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 18. November 2020 gemachte Zusage, den Standpunkt des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für internationalen Handel (A9-0217/2020),

1.

legt seinen Standpunkt in erster Lesung fest, indem es den Vorschlag der Kommission übernimmt;

2.

fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat, der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

P9_TC1-COD(2020)0253

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 26. November 2020 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2020/… des Europäischen Parlaments und des Rates über die Abschaffung von Zöllen auf bestimmte Waren

(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) 2020/2131.)


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/186


P9_TA(2020)0334

Allgemeine Ausfuhrgenehmigung der Union für die Ausfuhr bestimmter Güter mit doppeltem Verwendungszweck aus der Union in das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ***I

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates durch die Erteilung einer allgemeinen Ausfuhrgenehmigung der Union für die Ausfuhr bestimmter Güter mit doppeltem Verwendungszweck aus der Union in das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (COM(2020)0692 — C9-0345/2020 — 2020/0313(COD))

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

(2021/C 425/29)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2020)0692),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 207 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9-0345/2020),

gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 18. November 2020 gemachte Zusage, den Standpunkt des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

gestützt auf die Artikel 59 und 163 seiner Geschäftsordnung,

1.

legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.

fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

P9_TC1-COD(2020)0313

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 26. November 2020 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2020/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Anhangs IIa der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates in Bezug auf die Erteilung einer allgemeinen Ausfuhrgenehmigung der Union für die Ausfuhr bestimmter Güter mit doppeltem Verwendungszweck aus der Union in das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland

(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) 2020/2171.)


20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/187


P9_TA(2020)0335

Zeitlich befristete Maßnahmen im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer für COVID 19-Impfstoffe und In-vitro-Diagnostika als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie ***I

Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu dem Vorschlag für einen Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates in Bezug auf zeitlich befristete Maßnahmen im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer für COVID 19-Impfstoffe und In-vitro-Diagnostika als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie (COM(2020)0688 — C9-0352/2020 — 2020/0311(CNS))

(Besonderes Gesetzgebungsverfahren — Anhörung)

(2021/C 425/30)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an den Rat (COM(2020)0688),

gestützt auf Artikel 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, gemäß dem es vom Rat angehört wurde (C9-0352/2020),

gestützt auf Artikel 82 und 163 seiner Geschäftsordnung,

1.

billigt den Vorschlag der Kommission;

2.

fordert den Rat auf, es zu unterrichten, falls er beabsichtigt, von dem vom Parlament gebilligten Text abzuweichen;

3.

fordert den Rat auf, es erneut anzuhören, falls er beabsichtigt, den vom Parlament gebilligten Text entscheidend zu ändern;

4.

beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.