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ISSN 1977-088X |
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Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341 |
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Ausgabe in deutscher Sprache |
Mitteilungen und Bekanntmachungen |
64. Jahrgang |
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Inhalt |
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I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen |
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ENTSCHLIEßUNGEN |
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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss |
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561. Plenartagung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — JDE 62 — Videokonferenz über Interactio, 9.6.2021-10.6.2021 |
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2021/C 341/01 |
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STELLUNGNAHMEN |
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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss |
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561. Plenartagung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — JDE 62 — Videokonferenz über Interactio, 9.6.2021-10.6.2021 |
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2021/C 341/02 |
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2021/C 341/03 |
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III Vorbereitende Rechtsakte |
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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss |
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561. Plenartagung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — JDE 62 — Videokonferenz über Interactio, 9.6.2021-10.6.2021 |
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2021/C 341/04 |
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2021/C 341/05 |
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2021/C 341/06 |
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2021/C 341/07 |
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2021/C 341/08 |
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2021/C 341/09 |
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2021/C 341/10 |
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2021/C 341/11 |
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2021/C 341/12 |
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2021/C 341/13 |
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2021/C 341/14 |
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2021/C 341/15 |
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2021/C 341/16 |
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2021/C 341/17 |
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DE |
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I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen
ENTSCHLIEßUNGEN
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
561. Plenartagung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — JDE 62 — Videokonferenz über Interactio, 9.6.2021-10.6.2021
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/1 |
Entschließung zum „Beitrag des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Arbeitsprogramm 2022 der Europäischen Kommission auf der Grundlage der Arbeit der Ad-hoc-Gruppe ‚Beitrag des EWSA zum Arbeitsprogramm 2022 der Kommission‘“
(2021/C 341/01)
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Berichterstatter: |
Mariya MINCHEVA Stefano PALMIERI Jan DIRX |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verabschiedete auf seiner Plenartagung am 09./10. Juni 2021 (Sitzung vom 09. Juni) folgende Entschließung mit 175 Stimmen bei 2 Enthaltungen.
1. Einleitung
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1.1. |
Nach Auffassung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) geht aus dem Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2021 hervor, dass die von der Kommission gewählten sechs Kernziele (europäischer Grüner Deal, ein Europa für das digitale Zeitalter, eine Wirtschaft im Dienste der Menschen, ein stärkeres Europa in der Welt, Förderung unserer europäischen Lebensweise und neuer Schwung für die Demokratie in Europa) einen wirksamen Rahmen für die Ausarbeitung des Arbeitsprogramms bieten. Deshalb hat der EWSA diese Entschließung zu seinem Beitrag zum Arbeitsprogramm der Kommission für 2022 erneut auf diese sechs Kernziele ausgerichtet. |
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1.2. |
Nach Ansicht des Ausschusses sollte es angesichts der Dauer der COVID-19-Pandemie in den kommenden Jahren oberste Priorität der EU-Wirtschaftspolitik sein, die europäische Wirtschaft auf nachhaltigen Wandel, nachhaltiges Wachstum und nachhaltige Beschäftigung auszurichten und den Europäerinnen und Europäern sowie den europäischen Organisationen und Unternehmen Wohlstand zu bringen. Deshalb sollte der Notwendigkeit der Erholung und des Wiederaufbaus nach der Pandemie im Arbeitsprogramm der Kommission für 2022 erneut umfassend Rechnung getragen und die entsprechenden Maßnahmen konkret weiterentwickelt werden. |
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1.3. |
Aufgrund der derzeitigen pandemiebedingten Lage in Europa nehmen Armut und Ungleichheit zu. Die Ressourcen sollten deshalb dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden, um Chancen zu gewährleisten, hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, Armut und Ausgrenzung zu verringern, Unternehmergeist sowie Weiterbildung und Umschulung zu fördern und den Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen sicherzustellen. Wie von den EU-Institutionen, den Sozialpartnern, den zivilgesellschaftlichen Organisationen und den Mitgliedstaaten auf dem Sozialgipfel im Mai 2021 in Porto erklärt, sollten sowohl Investitionen als auch Reformen genutzt werden, um die Wirtschafts- und Sozialkrise zu überwinden und die Widerstandsfähigkeit Europas gegenüber künftigen Schocks auf der Grundlage eines inklusiven und nachhaltigen Wachstums, guter Arbeit und sozialer Gerechtigkeit zu stärken. |
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1.4. |
Gerade jetzt möchte der Ausschuss betonen, dass die EU und damit die gesamte EU-Politik auf den Zielen und Werten der Union beruht und beruhen sollte, wie sie im Vertrag von Lissabon und in der Charta der Grundrechte der EU verankert sind. Dies betrifft folgende Werte: Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte. Nach Auffassung des EWSA sollte sich das Arbeitsprogramm auf die Neustrukturierung und Verbesserung unserer Wirtschaft und Gesellschaft auf der Grundlage folgender Werte konzentrieren: Erschließung des vollen Potenzials des Binnenmarkts, Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele, der Kreislaufwirtschaft und einer klimaneutralen EU bis spätestens 2050 sowie Gewährleistung verantwortungsvollen Regierungshandelns und demokratischer Rechenschaftspflicht. |
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1.5. |
Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass die großen Herausforderungen, vor denen wir alle stehen, und der für eine wirklich nachhaltige Welt unabdingbare tiefgreifende Wandel in unserer Wirtschaft, in unserem Umgang mit Natur und Umwelt sowie in unserem Alltag nur unter aktiver Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und ihrer Organisationen gelingen kann. |
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1.6. |
Der EWSA stellt in seiner Entschließung zur Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft in die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne mit Bedauern fest, dass die nationalen Verwaltungen die organisierte Zivilgesellschaft nur geringfügig in die Ausarbeitung ihrer nationalen Aufbau- und Resilienzpläne einbeziehen. Die Bedeutung und der Nutzen der aktiven Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen an den Maßnahmen und ihrer Umsetzung wird ferner belegt durch die vom EWSA in diesem Frühjahr vorgelegte Studie „Die Reaktion der Organisationen der Zivilgesellschaft auf die Covid-19-Pandemie und die dagegen ergriffenen restriktiven Maßnahmen in Europa“ (1) sowie durch den EWSA-Preis der Zivilgesellschaft (2) für das Engagement sozialer Akteure während der Pandemie. |
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1.7. |
Wir fordern die Kommission deshalb erneut auf, diese Mängel bei der Umsetzung und Bewertung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne durch die Einführung formellerer Verfahren für einen echten Austausch zu beheben. Der Ausschuss erwartet daher, dass die Kommission im Arbeitsprogramm für das nächste Jahr die Schlüsselrolle der Unternehmen, Arbeitnehmer und Organisationen der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung, Überarbeitung und Überwachung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne anerkennt. Der EWSA geht davon aus, dass auf diese Weise auch die 20 Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte als Leitlinien für die EU-Sozialpolitik im Mittelpunkt der Aufbaustrategie stehen werden, um zu gewährleisten, dass sich der digitale und der ökologische Wandel gerecht und fair vollziehen. Die Schlüsselrolle der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft als Mitgestalter der Zukunft Europas im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas muss bei den Tätigkeiten der Kommission ebenfalls zum Tragen kommen. |
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1.8. |
Der Binnenmarkt ist nach wie vor die treibende Kraft einer wettbewerbsfähigen EU-Wirtschaft und damit ein entscheidender Faktor für die Erholung und den Wiederaufbau der Volkswirtschaften — sowohl der einzelnen Mitgliedstaaten als auch der EU insgesamt. Der EWSA betont, dass sämtliche Hemmnisse beseitigt und ein ungestörter grenzüberschreitender Waren-, Dienstleistungs-, Kapital-, Daten- und Personenverkehr gewährleistet sein müssen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Freizügigkeit im Binnenmarkt wie zu vorpandemischen Zeiten so bald wie möglich wiederherzustellen, sie in allen Bereichen zu vertiefen und sich darauf zu konzentrieren, wie die Robustheit der Liefer- und Wertschöpfungsketten durch eine unternehmensorientierte Diversifizierung weiter verbessert werden sollte. |
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1.9. |
Der EWSA begrüßt die Annahme der Aufbau- und Resilienzfazilität. Ihre praktische Umsetzung ist jedoch mit gewissen Risiken verbunden. Es gibt bereits Verzögerungen bei der Ratifizierung des Eigenmittelbeschlusses (3), auf dessen Grundlage die EU die notwendigen Mittel auf den Kapitalmärkten aufnehmen kann. Der EWSA ist besorgt über den Mangel an angemessenen Informationen über die praktischen Modalitäten für die Begebung der zur Finanzierung des Mechanismus erforderlichen Anleihen (4). Es sollte aufmerksam auf die Kohärenz zwischen den von der Europäischen Kommission empfohlenen Leitbereichen und dem tatsächlichen thematischen Inhalt der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne geachtet werden. Es besteht die Gefahr, dass die Erholung nicht in allen Mitgliedstaaten gleich schnell erfolgt. Die Kommission muss dafür sorgen, dass die vorgelegten Pläne rasch angenommen werden, denn jede Verzögerung könnte die Kluft zwischen den Mitgliedstaaten und innerhalb der Sektoren in jeder Volkswirtschaft vergrößern. |
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1.10. |
Der EWSA begrüßt die Mitteilung der Kommission über die fiskalpolitische Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie (5). Darin legt die Kommission dar, dass sie über eine künftige Deaktivierung der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts nach einer Gesamtbewertung der Wirtschaftslage auf der Grundlage quantitativer Kriterien wie z. B. des Umfangs der Wirtschaftstätigkeit in der EU oder dem Euro-Währungsgebiet im Vergleich zum Vorkrisenniveau (2019) entscheiden möchte. Der EWSA teilt die Auffassung, dass die allgemeine Ausweichklausel auch 2022 angewandt werden muss und ein verfrühtes Zurückfahren der fiskalischen Unterstützung vermieden werden sollte. |
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1.11. |
Um die langfristigen Vorteile des EU-Aufbauplans voll auszuschöpfen, fordert der EWSA nachdrücklich, die Überprüfung des wirtschaftspolitischen Steuerungsrahmens der EU möglichst rasch wieder aufzunehmen. Anstelle einer Rückkehr zum Normalbetrieb sollte eine Wende zu einem überarbeiteten und neu austarierten wohlstandsorientierten wirtschaftspolitischen Steuerungsrahmen vollzogen werden, in dem wichtige politische Ziele wie nachhaltiges und integratives Wachstum, Vollbeschäftigung und gute Arbeit, Neubelebung der Produktivität der EU, eine wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft und stabile öffentliche Finanzen einen gleich hohen Stellenwert einnehmen. Ein solcher Rahmen sollte auch dazu beitragen, asymmetrische Auswirkungen in den Mitgliedstaaten zu vermeiden und produktive Investitionen zu fördern, beispielsweise durch die Anwendung einer ausgewogenen goldenen Regel. |
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1.12. |
Die Kommission sollte auch eine Verlängerung des Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen bis Ende 2022 erwägen. Dadurch können die Mitgliedstaaten weiterhin die in den Beihilfevorschriften vorgesehene Flexibilität in vollem Umfang nutzen, um die Wirtschaft vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie zu unterstützen, und zugleich die Wettbewerbsregeln einhalten, sodass Verzerrungen im Binnenmarkt vermieden werden. Der EWSA ist jedoch der Auffassung, dass es sich um eine außerordentliche und befristete Regelung handeln sollte, der eine Haushaltskonsolidierung folgen muss, um die Lage der öffentlichen Finanzen in den Mitgliedstaaten zu verbessern. |
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1.13. |
Der EWSA stellt fest, dass Investitionen kein politisches Ziel der Mandatszeit der Kommission bis 2024 sind. Um sicherzustellen, dass die beispiellosen finanziellen Anstrengungen der EU optimal genutzt werden und diese singuläre Krise überwunden wird, sind eine gut strukturierte europäische Wirtschaftsagenda und wirksame Maßnahmen zur besseren Rechtsetzung dringend erforderlich. Zudem müssen die Impfkampagne beschleunigt und die Behinderungen an den EU-Binnengrenzen abgebaut werden. Der EWSA empfiehlt, auf Investitionen beruhende Initiativen in das Arbeitsprogramm 2022 aufzunehmen, einschließlich Bemühungen um die Mobilisierung privater Investitionen zur Förderung der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung der EU (6). |
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1.14. |
Der EWSA unterstützt den Vorschlag der Kommission, das sozialpolitische Scoreboard als wichtiges Überwachungsinstrument im Rahmen des Europäischen Semesters zu überarbeiten, um die Säule umfassender abzudecken. Zu diesem Zweck empfiehlt der Ausschuss die Aufnahme neuer, verbesserter, messbarer und ergänzender sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Indikatoren, die dazu beitragen werden, die Fortschritte bei der Verwirklichung der Grundsätze der Säule umfassender zu verfolgen und die Umsetzung der Maßnahmen zu überwachen. |
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1.15. |
Gute Arbeit sollte die Regel sein. Die COVID-19-Pandemie hat die Schwächen unseres Sozialsystems aufgedeckt, Ungleichheiten und Armut verschärft und unsere Gesundheits- und Sozialsysteme an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Der EWSA empfiehlt zur Verbesserung der Zukunftsaussichten Europas, zur Bewältigung der derzeitigen Krise und zur Behebung systemischer Probleme, die die Auswirkungen der Pandemie verschärft haben, entschlossen die Armut zu bekämpfen und gute Arbeit zu fördern. Werden die Chancen angemessen genutzt, ermöglichen der digitale und der grüne Wandel mehr und bessere Arbeitsplätze, sofern die Sozialpartner einbezogen werden, Tarifverhandlungen geachtet und gestärkt werden und die Ansichten der Arbeitnehmer (Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung) in den Prozess einbezogen werden. |
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1.16. |
Der EWSA hält die Zeit für gekommen, Lehren aus der Pandemie zu ziehen und sicherzustellen, dass Maßnahmen ergriffen werden, um sich auf ähnliche künftige Schocks einzustellen und die Chancen zur Erneuerung der Industrie zu ergreifen. Die Krise hat deutlich gemacht, wie wichtig die europäische Industrie sowie ein starkes verarbeitendes Gewerbe für die Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen der EU und die Verringerung ihrer übermäßigen und problematischen Abhängigkeit von externen Lieferanten ist. Eine wirksame Industriestrategie muss daher auch künftig das Kernstück des EU-Aufbauprogramms sein. Dem Schutz strategischer Vermögenswerte und Investitionen der EU (gegenüber einigen Drittländern) sollte ebenfalls gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden, da nach der COVID-19-Krise mit erheblichen Änderungen der Eigentumsstrukturen zu rechnen ist. |
2. Der europäische Grüne Deal
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2.1. |
Trotz der durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Turbulenzen müssen und werden die Maßnahmen zur Förderung eines nachhaltigeren und sozial inklusiveren Wirtschaftsmodells, zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele und insbesondere zur Umstellung auf ein umweltverträgliches Wachstum fortgesetzt werden. Der Wandel im Rahmen des europäischen Grünen Deals bietet eine besondere Chance für die Entwicklung der Unternehmen der Sozialwirtschaft. Innovations- und Unternehmergeist sind wesentliche Voraussetzungen für die Entwicklung aussichtsreicher und intelligenter Lösungen für die existenzielle Bedrohung Klimawandel. |
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2.2. |
Die Förderung von Beschäftigung und Kompetenzen, ein reibungsloser Wandel und ein dynamischer sozialer Dialog sind gewiss wichtig, indes ist ein sozialer Deal als wesentlicher Bestandteil eines neuen Grünen Deals keineswegs nur auf Arbeit ausgerichtet. Es geht dabei vielmehr auch um das Einkommen, die soziale Sicherheit und die finanzielle Unterstützung aller, die dies benötigen — auch derjenigen, die überhaupt keinen Zugang zu Beschäftigung haben. Die Einbeziehung aller Akteure der Zivilgesellschaft, also auch die Inklusion der schutzbedürftigsten Gruppen, muss als gemeinsames Anliegen begriffen werden. |
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2.3. |
Die EU kann im Klimaschutz für sich nur dann eine weltweite Vorbildrolle beanspruchen, wenn sie den ökologischen Wandel bewältigt und gleichzeitig wettbewerbsfähige Wertschöpfungsketten, Arbeitsplätze und Unternehmen erhält. Unternehmen müssen beim Wandel unterstützt werden, nicht nur über Finanzinstrumente, sondern auch durch die Förderung neuer nachhaltiger Geschäftsmodelle, damit sie wettbewerbsfähig bleiben. Unternehmerische Freiheit und strengere Regulierung müssen sorgfältig austariert werden, um Innovation anzuregen, Verwaltungsmehraufwand weitestmöglich zu begrenzen und eventuelle Marktverzerrungen zu vermeiden. |
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2.4. |
Die Umstellung auf eine nachhaltigere und resilientere Wirtschaft ist wichtiger denn je. Die notwendigen finanziellen Ressourcen müssen in nachhaltige Investitionen umgelenkt werden. Dabei ist von einem langfristigen Ansatz unter Einbeziehung wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Aspekte sowie unter Berücksichtigung von Governance-Überlegungen auszugehen. Unter Zugrundelegung der bereits geleisteten Arbeit und der von der Kommission im Rahmen des europäischen Grünen Deals angekündigten und im ersten Halbjahr 2021 anzunehmenden neuen Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen müssen die Anstrengungen weiterhin darauf ausgerichtet sein, einen harmonisierten EU-Rahmen zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen zu schaffen und zu verstärken, der von allen Akteuren — Finanzinstituten, Unternehmen, Bürgern und Behörden — unterstützt wird. Der EWSA hebt hervor, dass auch die „nachhaltige Transformation“ unserer Wirtschaft finanziert werden muss. Ein positiver, anreizorientierter Ansatz wird es allen Sektoren und Wirtschaftszweigen ermöglichen, die notwendige Umstellung in Angriff zu nehmen und einen Beitrag zum Wandel zu leisten. Indes ist zu berücksichtigen, dass die Unternehmen, Branchen und Regionen dabei unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen und vor unterschiedlichen Herausforderungen stehen. |
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2.5. |
Im Interesse der Verwirklichung der im Grünen Deal vorgesehenen Ziele für Produktion und Verbrauch sollte die Kommission ihr Engagement für die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft, zu der sie 2020 einen Aktionsplan vorgelegt hatte, 2022 weiter fortsetzen, insbesondere durch:
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Der EWSA und die Europäische Kommission sollten ihre erfolgreiche Zusammenarbeit bei der Europäischen Plattform der Interessenträger für die Kreislaufwirtschaft fortsetzen, die den Interessenträgern einen Raum bietet, um bewährte Verfahren und Erkenntnisse auszutauschen und Forschungsarbeiten und Lösungsansätze für einen gerechten Übergang zusammenzutragen.
2022 sollte die Kommission den europäischen Klimapakt weiter entwickeln, um sicherzustellen, dass er sich auf echte Partizipation und eigenverantwortliche Teilhabe der Klimaschutzakteure vor Ort stützt und einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der EU-Klimaziele leistet. Der EWSA hat außerdem die Errichtung einer Plattform der Interessenträger für den europäischen Klimapakt gefordert, die auf Inklusion, Transparenz und einer echten Teilhabe und Eigenverantwortung der Klimaschutzakteure auf allen Ebenen gründet. Die Einrichtung eines EU-Forums für Klimaschutzfinanzierung im Rahmen des Pakts würde Prozesse echten gegenseitigen Lernens anregen, den Zugang zu Finanzmitteln fördern und Hindernisse abbauen.
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2.6. |
Ein Mechanismus zur Einbeziehung junger Menschen in Klima- und Nachhaltigkeitsfragen wie die vom EWSA vorgeschlagenen Jugendklima- und -Nachhaltigkeitsdebatten sollte ein fester Bestandteil dieses Pakts sein und von Jugendorganisationen unterstützt werden. |
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2.7. |
Die Entscheidung der Kommission, die Zielvorgabe für die Treibhausgasreduktion bis 2030 auf 55 % anzuheben, steht weitgehend im Einklang mit den Stellungnahmen des EWSA. Ab den Meilensteinen kann nur dann ein Netto-Null-Ziel zugrunde gelegt werden, wenn ein integriertes System mitsamt einer präzisen Berechnung der CO2-Emissionen und der CO2-Absorption sichergestellt wird. Der EWSA erachtet es als sehr wichtig, die Bürgerinnen und Bürger und die Sozialpartner darüber zu informieren, wie die Emissionsziele erreicht werden können und was dies für ihre Arbeit und ihr tägliches Leben bedeutet. Dies ist grundlegend für die Akzeptanz aller zu ergreifenden Maßnahmen. Deshalb sollte durch geeignete Vorkehrungen für einen gerechten Ausgleich der damit verbundenen Risiken und Chancen gesorgt werden, um Gewissheit und Stabilität zu gewährleisten. Die EU muss dafür sorgen, dass ihre Handelspolitik und ihre Handelsabkommen im Einklang mit ihren Klimazielen stehen. Deshalb sollte die Kommission den möglichen Folgen für einkommensschwache Bürger von Drittstaaten besondere Aufmerksamkeit widmen. |
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2.8. |
Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und die Biodiversitätsstrategie der Kommission sind Schlüsselelemente des europäischen Grünen Deals. Jetzt ist von entscheidender Bedeutung, dass diese Strategien in zweckmäßige und zeitnahe Maßnahmen umgesetzt werden. Es muss eine strukturierte und umfassende Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Umsetzung dieser Strategien sichergestellt werden, bspw. über einen vom EWSA geforderten Europäischen Rat für Ernährungspolitik. |
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2.9. |
2022 sollte die Kommission die Erarbeitung ihres Vorschlags für einen Rechtsrahmen für nachhaltige Lebensmittelsysteme in Angriff nehmen, dessen Vorlage für 2023 geplant ist. Dieser Rechtsrahmen sollte auf einem umfassenden Ansatz beruhen und von klaren Zielvorgaben, Indikatoren und einem stabilen Überwachungsmechanismus flankiert werden. Der EWSA hat empfohlen, einen EU-Anzeiger für nachhaltige Lebensmittel zu entwickeln, der es ermöglicht, die Herausforderungen für die Lebensmittelsysteme mit einem mehrjährigen Ansatz zu bewältigen und so die Angleichung der Maßnahmen auf den verschiedenen Steuerungsebenen zu fördern. Der Anzeiger sollte Indikatoren umfassen, mit denen Fortschritte bis zur Erreichung der festgelegten Einzelziele gefördert und überwacht werden. |
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2.10. |
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) sollten auch einen wesentlichen Beitrag zum europäischen Grünen Deal leisten, insbesondere im Hinblick auf die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und die Biodiversitätsstrategie, indem ehrgeizigere Umwelt- und Klimaschutzziele gesetzt, nachhaltigere und widerstandsfähigere Lebensmittelsysteme angestrebt werden und für eine gebührende Berücksichtigung der sozialen Dimension gesorgt wird. Weltweit müssen gleiche Wettbewerbsbedingungen für die gesamte Agrar-, Meeresprodukt- und Lebensmittelindustrie sichergestellt werden, damit die nachhaltige Produktion in der EU weder ausgelagert noch durch Einfuhren aus Ländern mit niedrigeren Umwelt-, Sozial-, Gesundheits- und Qualitätsstandards beeinträchtigt wird, insbesondere angesichts der durch die COVID-19-Krise in Wirtschaft und Handel verursachten Störungen. Ferner muss auch im Rahmen der GAP ein Schwerpunkt auf soziale Nachhaltigkeit gelegt werden. Über ein Konzept der sozialen Konditionalität könnte sichergestellt werden, dass bei Verstößen gegen Arbeits- und Menschenrechte keine Förderung durch EU-Mittel möglich ist und dass landwirtschaftlichen Arbeitnehmern der bestmögliche Arbeits- und Sozialschutz gewährt wird. |
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2.11. |
Der EWSA unterstützt das Null-Schadstoff-Ziel der EU für gesunde Ökosysteme und ein gesundes Lebensumfeld für die europäischen Bürgerinnen und Bürger. Zu diesem Zweck wird die Kommission 2021 den Aktionsplan „Auf dem Weg zu einem Null-Schadstoff-Ziel der EU für Luft, Wasser und Boden — einen gesünderen Planeten für gesündere Menschen schaffen“ annehmen. Der EWSA sieht der Prüfung der vorgeschlagenen Instrumente und des Zeitplans für die Umsetzung dieses Aktionsplans erwartungsvoll entgegen. |
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2.12. |
Der EWSA fordert die Kommission auf, konkrete Unterstützungsmaßnahmen für einen erfolgreichen Wandel zu ergreifen, namentlich in Form von Leitmärkten für grünen Stahl, zeitlich befristeten Finanzhilfen für CO2-arme Verfahren und Investitionen in die Infrastruktur für Wasserstoff, CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Nutzung sowie durch eine generelle Neuausrichtung der Beihilfe- und Wettbewerbsregeln. Außerdem muss der Wandel im Banken- und Finanzsektor vorangetrieben werden, um die Unterstützung noch stärker auf nachhaltige und innovative Projekte auszurichten. |
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2.13. |
Der EWSA begrüßt, dass in der neuen Verkehrsstrategie der Kommission der Schwerpunkt auf nachhaltige und intelligente Mobilität gelegt wird und dass die Strategie in den europäischen Grünen Deal einbezogen wird. Da der Binnenmarkt und soziale Aspekte wichtige Faktoren für den Wandel hin zu einer nachhaltigeren und intelligenteren Mobilität sind, würde der EWSA es jedoch begrüßen, wenn sie bei künftigen Maßnahmen stärker berücksichtigt würden. |
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2.14. |
Der EWSA unterstützt einen nachhaltigeren Umbau aller Verkehrsträger und die Förderung eines nachhaltigen multimodalen Verkehrssystems auf der Grundlage einer verkehrsträgerübergreifenden Zusammenarbeit sowie optimierter ökologischer Merkmale und sozialer Tragfähigkeit der einzelnen Verkehrsträger. Gleichzeitig ist ein umfassendes Konzept erforderlich, wie dies erreicht werden kann. Eine erfolgreiche EU-Mobilitätsstrategie muss mit der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrssektors insgesamt und der dafür erforderlichen industriellen Basis der EU einhergehen. Die beispiellose COVID-19-Pandemie hat zwar gezeigt, wie wichtig ein gut funktionierender Verkehrsbinnenmarkt und nachhaltige Lieferketten sind, doch betont der EWSA auch, dass angesichts der COVID-19-Krise eine klare Unterscheidung zwischen der Phase der Erholung des Luftverkehrs auf kurze Sicht und der Sicherung des notwendigen Beitrags der Branche zu den Treibhausgasreduktionszielen, der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sowie fairer Wettbewerbsbedingungen auf mittlere bzw. lange Sicht erforderlich ist. |
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2.15. |
Die Kommission sollte die Entwicklung der Energieunion durch einen jährlichen Lagebericht und die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ihrer nationalen Energie- und Klimapläne weiter vorantreiben. Der Frage, wie die Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt der Energiewende gerückt werden können, sollte mehr Aufmerksamkeit zukommen. Die Förderung von Bürgerenergie und die Stärkung der Verbraucherkompetenz, lokale Eigenverantwortung und regionale Entwicklung sowie die Bewertung der Zweckmäßigkeit von Strategien für einen gerechten Übergang sollten ganz oben auf der Liste der politischen Prioritäten der Kommission stehen. |
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2.16. |
Bereits 2021 legte die Kommission ein umfassendes und ehrgeiziges Programm mit Legislativinitiativen zur Verringerung der CO2-Emissionen im Energiesektor vor, insbesondere im Rahmen des „Fit für 55“-Pakets. Im Jahr 2022 sollte die Kommission die Integration des Energiesystems weiter vorantreiben und dabei einen klaren Pfad zur Sicherung der Versorgungssicherheit auf der Grundlage CO2-armer oder -freier Energiequellen vorgeben, auch mit Blick auf die Rolle des öffentlichen Sektors. Der ökologische Wandel braucht einen unternehmensfreundlichen Ansatz, der den Grünen Deal und seine neuen Ziele mit einer glaubwürdigen Industriestrategie untermauert und so dafür sorgt, dass er zu einem echten Wachstumsmotor wird und gewährleistet, dass die Agenda für ein nachhaltiges Finanzwesen auch die Finanzierung von Übergangstechnologien, -infrastrukturen und -maßnahmen ermöglicht, ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie aus dem Auge zu verlieren. |
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2.17. |
Der Weg zur Klimaneutralität wird für Europa nicht einfach sein. Die Senkung der CO2-Emissionen der Industrie wird energieintensive Unternehmen mit hohen Energiekosten (in der Stahl-, Zement- und Chemiebranche) belasten und gleichzeitig einen massiven Strukturwandel im Industrie-, Verkehrs- und Energiesektor mit sich bringen, wodurch wirtschaftliche Nachteile auf einem wettbewerbsorientierten Weltmarkt drohen. Zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ist eine umfassende Energiewende erforderlich, mit der die Versorgungssicherheit für Unternehmen und Haushalte gewährleistet wird und gleichzeitig Netzanbindung und Speicherkapazität ohne Preisanstieg verbessert werden. Hierbei kommt Wasserstoff eine Schlüsselrolle zu. Die Entwicklung entsprechender Anwendungen muss ein vorrangiges Anliegen sein. |
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2.18. |
Der EWSA erachtet die Verringerung der Energieabhängigkeit als sehr wichtig. Deshalb sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Energieimporte zu verringern und Subventionen für klima- und umweltschädliche Energieträger einzustellen. Die EU sollte bei erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Elektromobilität Maßstäbe setzen. Gleichwohl sollte der soziale Konsens eine Priorität sein, insbesondere angesichts der Tatsache, dass einige noch von der Kohleförderung oder anderen fossilen Brennstoffen abhängige Regionen der EU die Nachhaltigkeitswende längst noch nicht vollzogen haben und ihre Bürgerinnen und Bürger im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten geringere Einkommen und wirtschaftliche Möglichkeiten haben. Das Fehlen einer angemessenen Antwort auf die negativen Auswirkungen der Energiewende auf die Bürger und die Unternehmen (insbesondere KMU) sowie die mangelnde Zusicherung angemessener Unterstützung für die am stärksten Betroffenen können zu erheblichem politischen und sozialen Widerstand führen und die Umsetzung der nationalen Energie- und Klimapläne insgesamt verlangsamen. |
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2.19. |
Der EWSA gibt zu bedenken, dass der Aufbau einer sauberen Wasserstoffwirtschaft in Europa nur ein Teilaspekt der Strategie für eine bessere Verbindung der verschiedenen Energiebereiche in der EU ist. Sauberer Wasserstoff sollte aufgrund seiner hohen Erzeugungs- und Transportkosten nur dann eingesetzt werden, wenn andere bestehende Optionen zur Verringerung der CO2-Emissionen nicht möglich sind, wie etwa in Sektoren, in denen die Emissionen schwer zu senken sind, oder für bestimmte sehr spezifische Anwendungen im Verkehrs- und Gebäudesektor. Der EWSA betont, dass fossile Energieträger nicht mit EU-Mitteln subventioniert werden dürfen, wenn die Verbreitung sauberen Wasserstoffs gefördert werden soll, und fordert die Kommission auf, den Grundsatz der Schadensvermeidung („Do no harm“) auf alle öffentlichen Fördermittel im Rahmen des MFR+, des Programms „InvestEU“‚ des EU-Aufbauplans und staatlicher Beihilfen anzuwenden; |
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2.20. |
Der EWSA ist der Auffassung, dass die Strategie für die Renovierungswelle, nicht zuletzt aufgrund ihrer besonderen Dimension und ihres Zeithorizonts bis zum Jahr 2050, einen stabilen, verständlichen und geeigneten rechtlichen und finanziellen Rahmen erfordert. Die Kommission sollte Anreize zur lokalen Schaffung von Industrialisierungsstrukturen für die Entwicklung und flächendeckende Einführung von Verfahren der energetischen Renovierung bereitstellen. |
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2.21. |
Der EWSA weist darauf hin, dass der Westbalkan äußerst anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels ist, die die allgemeine Gesundheit und die Wirtschaft beeinträchtigen. Daher müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, um die Lebensqualität der Bevölkerung, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, durch einen gerechten Übergang zu einem ökologischeren Modell zu verbessern, wobei niemand zurückgelassen werden darf. Der EWSA unterstützt die grüne Agenda für den Westbalkan und fordert, die künftigen Maßnahmen zur Ökologisierung des Westbalkans an die besonderen Herausforderungen und Bedürfnisse der Region anzupassen, dazu gehören u. a. ein angemessener Rechtsrahmen, grenzüberschreitende Tätigkeiten, innovative technologische Lösungen, vor Ort erzeugte und verbrauchte Energie sowie Energieeffizienz, nachhaltiger städtischer Verkehr, Straßen- und Schienennetze, öffentliches und privates Engagement, IKT und Bereitstellung von schnellem Internet, Maßnahmen im Bereich Landwirtschaft und Lebensmittel usw. |
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2.22. |
Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Zusammenarbeit der Europäischen Kommission mit den EU-Mitgliedstaaten zur Förderung von Schlüsselkompetenzen, Wissen und Perspektiven, die das lebenslange Lernen erleichtern. Wir müssen gute Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen in den Mittelpunkt der EU-Strategie stellen. Dabei ist die Bedeutung von Fachwissen und dessen kontinuierlicher Anwendung im Rahmen des Systems der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Rechts auf lebenslanges Lernen, das durch die Gewährleistung des Zugangs zu entsprechenden Möglichkeiten verwirklicht werden muss, sowie anhand konkreter Beispiele möglicher individueller Lernkonten zu unterstreichen. So werden die Menschen mit dem nötigen Rüstzeug ausgestattet, um sich an die im Zuge des digitalen und des grünen Wandels erforderlichen Veränderungen anzupassen, damit niemand zurückgelassen wird. Der EWSA fordert die Kommission auf, einen sozialen Dialog über individuelle Lernkonten auf den Weg zu bringen und im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal auf EU-Ebene eine Strategie für grüne Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln. |
3. Ein Europa für das digitale Zeitalter
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3.1. |
Die Coronakrise zeigt, dass die digitale Revolution erheblich zur Stärkung der Krisenresilienz unserer Gesellschaft beiträgt. Investitionen in die Digitalisierung wesentlicher Dienstleistungen und die Verbesserung der Fähigkeit von Regierungen, gesetzgebenden Organen und öffentlichen Einrichtungen, ihre Dienste auch unter Krisenbedingungen weiter zu erbringen, sind von größter Bedeutung. Gleichzeitig müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass digitale Technologien nicht das Endziel, sondern nur ein Hilfsmittel sind. Um die uneingeschränkte Zugänglichkeit für Unionsbürgerinnen und -bürger und Chancengleichheit für alle zu gewährleisten, brauchen wir einen effizienten europäischen Rahmen, der hohen Nachhaltigkeitsstandards entspricht. Er muss starke demokratische und technische Schutzmaßnahmen umfassen, verbunden mit Maßnahmen zur Kostenstützung und Wissensförderung, die niemanden zurücklassen. |
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3.2. |
Der EWSA stellt fest, dass die EU erhebliche Mittel für Forschung und Innovation aufwenden und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Forschern, dem öffentlichen Sektor und weiteren Interessenträgern fördern muss, wenn sie ein Vorreiter bei der Digitalisierung sein will. |
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3.3. |
Die Pandemie hat die Digitalisierung beschleunigt und verdeutlicht, dass Herausforderungen wie die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sowie Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer angegangen werden müssen. Der soziale Dialog auf europäischer, nationaler und Branchenebene ist ein nützliches Instrument, um zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Gesundheit und das Privatleben der Beschäftigten in Zeiten allgegenwärtiger digitaler mobiler Kommunikation eines zusätzlichen Schutzes bedürfen und welche Maßnahmen in diesem Zusammenhang angemessen sind (einschließlich der Bewertung des so genannten Rechts auf Unerreichbarkeit auf EU-Ebene). |
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3.4. |
Die Kommission sollte mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um die Unterschiede zwischen Menschen in klassischen und jenen in atypischen bzw. nicht standardmäßigen Beschäftigungsverhältnissen zu beseitigen, und dabei klar zwischen den echten Selbstständigen und den Scheinselbstständigen differenzieren. Jeder Arbeitnehmer im Sinne sowohl des nationalen Rechts als auch der Rechtsprechung des EuGH sollte gleichermaßen geschützt werden, unabhängig davon, ob er für eine digitale Plattform arbeitet oder nicht. Das Recht aller Arbeitnehmer auf Tarifverhandlungen und Vertretung sowie die Wahrung der Arbeitsbedingungen und der Schutz der Gesundheit sollten anerkannt werden, wobei die verschiedenen nationalen Systeme der Arbeitsbeziehungen zu achten sind. |
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3.5. |
Der digitale Wandel sollte zu Produktivitätssteigerungen und zur Verbesserung der Bildung sowie zur Förderung der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabe für alle in der EU lebenden Menschen beitragen. Der EWSA spricht sich dafür aus, dass insbesondere älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen, von sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen sowie weiteren schutzbedürftigen Gruppen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird, um eine digitale Kluft zu vermeiden. Eines der Ziele des digitalen Wandels sollte deshalb die Schaffung eines universellen Zugangs aller Menschen in der EU zur Breitbandinternetversorgung als kostenloser öffentlicher Dienstleistung sein, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Abdeckung derzeit sehr ungleichmäßig ist, vor allem zu Ungunsten der ländlichen Gebiete (KMU und Bürger) ist. |
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3.6. |
Eine wichtige Rolle im globalen Wettlauf spielen die Menschen mit ihrem Wissen sowie ihren Fähigkeiten und Kompetenzen. Die demografische Situation beeinträchtigt die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, zudem öffnet sich die Qualifikationsschere immer weiter. Der EWSA fordert, dass die allgemeine und berufliche Bildung schnellstmöglich weiterentwickelt wird, um den Anforderungen des Zeitalters der künstlichen Intelligenz (KI) zu genügen, und dass dazu u. a. eine solide Basis an Grund- und MINT-Kompetenzen vermittelt wird. Weiterqualifizierung, Umschulung und kontinuierliches Lernen, im Verein mit Anpassungsfähigkeit und Resilienz, sind nötig, damit alle mit den Veränderungen am Arbeitsmarkt und im Alltag mithalten können. |
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3.7. |
In Anbetracht des raschen technischen Fortschritts außerhalb der EU muss die Union mehr für die Verbesserung ihrer eigenen Wettbewerbsfähigkeit tun. Dies gilt für ein breites Spektrum an Technologien, von denen viele zur Erfüllung gesellschaftlicher Bedürfnisse beitragen, etwa in den Bereichen Ernährung, Wasser, Energie, Mobilität und Wohnen. Das schlagkräftigste Beispiel hierfür ist die Entwicklung und Nutzung von KI und anderen digitalen Technologien, die die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft tiefgreifend verändern. |
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3.8. |
Es ist wichtig, das europäische Modell der Rechte, der Standards und der Verbraucherpolitik beizubehalten. All dies macht die EU einzigartig. Im Bereich der Digitalisierung zum Beispiel beruht der Ethikkodex der EU bezüglich der KI auf dem Ansatz „human-in-command“ (Kontrolle durch den Menschen), wodurch sich der Standpunkt der EU von dem anderer Weltregionen unterscheidet. Dieser Ansatz, der auf Grundrechten und Grundfreiheiten beruht (beispielsweise muss sichergestellt werden, dass Geschlecht, ethnische Herkunft usw. keinen Einfluss auf die Entscheidungen durch die KI haben), ist Teil des EU-Modells und sollte nach Ansicht des EWSA trotz des gegenwärtig immer härteren Wettbewerbsklimas beibehalten werden. |
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3.9. |
Der EWSA fordert die Kommission auf, die Wettbewerbsfähigkeit und die Interessen der Arbeitnehmer in den Mittelpunkt des digitalen Wandels zu stellen, indem sie den Arbeitsbeziehungen und der Zukunft der Industriearbeitsplätze einen besonderen Stellenwert einräumt. Außerdem appelliert er an die Kommission, den gerechten Übergang sowie einen den Menschen in den Mittelpunkt rückenden Ansatz für diesen Wandel zu fördern. Eine ehrgeizige Industriestrategie ist von entscheidender Bedeutung, um den Erfolg des grünen und des digitalen Wandels zu sichern. Der digitale Wandel unserer Volkswirtschaften und Gesellschaften muss durch ein investitionsförderndes Klima und durch die Schaffung vertrauenswürdiger Bedingungen für die sichere Einführung und Nutzung neuer Technologien unterstützt werden. |
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3.10. |
Der EWSA stellt fest, dass die Sozialpolitik kompetenzbezogene Investitionen fördern sollte, die Reformen des nationalen Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherung besser unterstützen, und sicherstellen sollte, dass die europäische Säule sozialer Rechte das Wirtschaftswachstum fördert und die Schaffung von Arbeitsplätzen erleichtert. |
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3.11. |
Nach Ansicht des Ausschusses muss der europäische Rechtsrahmen sicherstellen, dass Hindernisse für Online-Transaktionen beseitigt und gleichzeitig der Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten sowie die Cybersicherheit gewährleistet werden. Darüber hinaus sollte die Bekämpfung der Fragmentierung des digitalen Binnenmarkts eine der Prioritäten bleiben, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf KMU und Kleinstunternehmen zu legen ist. |
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3.12. |
Nach Auffassung des Ausschusses sollte die Umsetzung und Überwachung eines Rechtsrahmens für KI ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Die Zivilgesellschaft sollte in diesen Prozess eingebunden werden und die politischen Entscheidungsträger auf neue Themen aufmerksam machen, die sich in diesem Kontext ergeben könnten. Dazu gehört die Begrenzung möglicher technologischer Veränderungen, der Gefahr von Ausgrenzung und der Abhängigkeit der EU von den Tech-Giganten. Beim digitalen Binnenmarkt darf niemand zurückgelassen werden. Dies bedeutet einerseits eine bessere Zugänglichkeit zu digitalen Instrumenten sowie ein besseres Verständnis und eine bessere Nutzung dieser Instrumente und andererseits eine Verbesserung der Kompetenzen und der Ausbildung im Bereich der digitalen Technologien. |
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3.13. |
Der EWSA begrüßt die Neue Transatlantische Agenda und die darin enthaltenen Bemühungen um eine Stärkung der transatlantischen Partnerschaft. Die beispiellose COVID-19-Krise hat deutlich gemacht, dass die digitale Wirtschaft unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften verändert und dass der Technologie in der erneuerten Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA hohe Priorität eingeräumt werden muss. Der EWSA unterstützt deshalb die Einsetzung des Rates für Technologie und Handel (Technology and Trade Council, TTC) und fordert eine enge Einbindung der Zivilgesellschaft in künftige Bemühungen um die Schaffung eines strukturierten transatlantischen Rahmens für politische und rechtliche Grundsätze, einschließlich der Grundlagen für ein künftiges Abkommen zwischen der EU und den USA über den digitalen Handel. |
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3.14. |
Die Digitalisierung wird für das europäische Finanzsystem weiterhin Herausforderungen und Chancen mit sich bringen. 2021 hat der Ausschuss seine Unterstützung für die von der Kommission vorgelegte Strategie für ein digitales Finanzwesen in der EU sowie für die daraus resultierenden Legislativvorschläge zum Ausdruck gebracht. Der EWSA fordert die Kommission auf, diese Bemühungen im Jahr 2022 fortzusetzen, um die Herausforderungen angemessen anzugehen und die Chancen des digitalen Finanzwesens zum Vorteil aller Interessenträger zu nutzen. Dies würde den digitalen Wandel der europäischen Wirtschaft unterstützen, indem ein Beitrag zu innovationsfreundlichen und wettbewerbsfähigen Finanzmärkten geleistet würde. |
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3.15. |
Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass Digitalisierung und Automatisierung einen wesentlichen Beitrag zum nachhaltigeren („grünen“) Verkehr leisten können, und ruft die Kommission auf, eine gerechte Automatisierung und Digitalisierung sicherzustellen, „bei der niemand zurückgelassen wird“. Die Kommission sollte dafür Sorge tragen, dass der grüne und der digitale Wandel in der Branche reibungslos verläuft und wirtschaftlich, sozial und ökologisch ausgewogen ist. |
4. Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen
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4.1. |
Die COVID-19-Pandemie hat in der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft verheerende Auswirkungen mit wachsender Arbeitslosigkeit und damit Ungleichheit gezeitigt. Eine starke wirtschaftliche Basis und Wertschöpfung sind für die nachhaltige Entwicklung und die Wahrung des anspruchsvollen europäischen Sozialmodells entscheidend. Sozialpolitik muss mit Maßnahmen einhergehen, die die wirtschaftliche Entwicklung fördern, denn beides dient dem Gemeinwohl. Die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Entwicklung von Kompetenzen und inklusive Arbeitsmärkte sind das beste Rezept zur Verhinderung von Ungleichheit und Ausgrenzung und zur Stärkung der gesellschaftlichen Stabilität. Wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt greifen deshalb eng ineinander. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Wohlstand sind grundlegende Faktoren. Für eine möglichst rasche Erholung muss das gesamte einschlägige Instrumentarium (Fiskalpolitik, Geldpolitik, strukturelle Instrumente, Investitionsförderung, Regulierung und finanzielle Instrumente) mobilisiert werden. Die Erholung muss sich unter Berücksichtigung sozialer Bedürfnisse und regional gleichmäßig und ausgewogen vollziehen. |
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4.2. |
Neben wirtschaftlichen und ökologischen Fragen muss die soziale Agenda eine maßgebliche Rolle im Arbeitsprogramm der EU für das Jahr 2022 spielen. Das bedeutet, dass sich die Kommission ganz besonders für ein soziales und nachhaltiges Europa einsetzen sollte, wobei auch neue, über das BIP hinausreichende Indikatoren für den wirtschaftlichen Fortschritt in Erwägung gezogen werden sollten (z. B. Lebensqualität, ökologische Nachhaltigkeit, sozialer Zusammenhalt, Gesundheit und das allgemeine Wohlergehen heutiger und künftiger Generationen). Den Organisationen der Zivilgesellschaft kommt hier eine wichtige Rolle zu. Es bietet sich die Chance, durch gemeinsame Prozesse der Entwicklung, Gestaltung und Produktion soziale Innovation als Modell für den Wiederaufbau zu fördern. Damit der Wiederaufbau in einem komplexen sozialen Umfeld mit enormen gesellschaftlichen Herausforderungen gelingen kann, müssen alle Ressourcen in der Gesellschaft mobilisiert werden und muss bereichsübergreifend und multidisziplinär vorgegangen werden, um gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden. Die organisierte Zivilgesellschaft ist die Triebfeder für soziale Innovation. |
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4.3. |
Der EWSA begrüßt den Aktionsplan für die europäische Säule sozialer Rechte und spricht sich für konkrete Maßnahmen zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung und des sozialen Zusammenhalts im Jahr 2022 aus, um den Zugang der Menschen in Europa zu grundlegenden Dienstleistungen von hoher Qualität zu gewährleisten. Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, verschiedene Optionen in Bezug auf die Frage eines Mindesteinkommens in Europa zu prüfen, um bessere Lösungen für die Situation der Europäerinnen und Europäer zu schaffen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die durch die Pandemie und ihre Auswirkungen bedingten schwierigen wirtschaftlichen Aussichten. |
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4.4. |
Die Europäische Kommission sollte sich beim Wiederaufbau darauf konzentrieren, die Beschäftigung wieder zu fördern und Ungleichheit und Armut zu bekämpfen. Besonderes Augenmerk sollte sie darauf richten, schwächere Gruppen wie atypisch Beschäftigte, Kinder in Armut, Menschen mit Behinderungen, Bewohner benachteiligter Gebiete, Bürger mit Migrationshintergrund und Angehörige ethnischer Minderheiten durch aktive und inklusive Maßnahmen zu unterstützen. Armut im Allgemeinen sowie Erwerbsarmut stellen in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor ein erhebliches Problem dar. Deshalb ist es unerlässlich sicherzustellen, dass Arbeit angemessen entlohnt wird, um angemessene Arbeits- und Lebensbedingungen zu gewährleisten. Es bedarf eines umfassenden Ansatzes auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten, um diese Probleme aufzugreifen, einschließlich der Unterstützung von Programmen für die wirksame aktive Eingliederung mit grundlegenden und auf Qualifizierung abstellenden sozialen Dienstleistungen. |
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4.5. |
Die Pandemie hat die Situation von Frauen, die unbezahlte häusliche und pflegerische Arbeit leisten, und das Problem häuslicher Gewalt gegen Frauen verschärft. Die Europäische Kommission sollte einen „Betreuungs- und Pflegedeal für Europa“ vorschlagen, um Frauen von diesen unbezahlten Aufgaben zu befreien, und ehrgeizige Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vorschlagen. |
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4.6. |
Der EWSA will die Rolle der zivilgesellschaftlichen Organisationen und insbesondere der Sozialpartner in seinen Partnerländern in allen Bereichen, vor allem aber im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, stärken. Um die Krise zu überwinden, brauchen wir unbedingt Stabilität, und Voraussetzung dafür ist die Beteiligung der Sozialpartner an den Entscheidungsprozessen in der Wirtschaft und die aktive Einbeziehung der Wirtschaftsverbände in den Gesetzgebungsprozess, die Reformen und deren Umsetzung. Die Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft gibt wichtige Impulse für eine erfolgreiche, nachhaltige und integrative Wirtschaftspolitik sowie für Beschäftigung und soziale Inklusion. Die Kommission sollte diese wichtige Rolle anerkennen und Verbesserungen des sozialen und des zivilen Dialogs gleichermaßen anstreben. |
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4.7. |
Die unternehmerische Initiative in all ihren Formen und in allen Branchen (einschließlich Tourismus, Industrie, Plattformwirtschaft, Sozialwirtschaft und freie Berufe) ist für Wirtschaftswachstum, Innovation, Beschäftigung und soziale Inklusion unverzichtbar. Deshalb müssen die Schwierigkeiten ermittelt werden, mit denen KMU (insbesondere sehr kleine, häufig Familienunternehmen) beim Zugang zum Binnenmarkt konfrontiert sind. Ihnen müssen entsprechende Lösungen angeboten werden, die wirksam und besser auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Soziales Unternehmertum kann bei der Überwindung der Krise und bei der Gewährleistung einer fairen und nachhaltigen wirtschaftlichen Erholung eine wichtige Rolle spielen und verdient deshalb besondere Aufmerksamkeit. |
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4.8. |
Europa befindet sich im Übergang zu Klimaneutralität und Digitalisierung. Dieser ökologische und digitale Wandel, der eng verbunden ist mit neuen Technologien und daher mit Investitionen und Innovationen, wird neuartige Arbeitsplätze und neue Kompetenzen hervorbringen. Die Industriepolitik sollte deshalb eine starke soziale Dimension aufweisen, da hochwertige Arbeitsplätze, Sozialschutz und effiziente öffentliche Dienstleistungen günstige Rahmenbedingungen für eine prosperierende Industrie schaffen. |
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4.9. |
Durch eine moderne Verbraucherpolitik muss sichergestellt werden, dass die Verbraucher auch tatsächlich die ihnen zustehenden Rechte bzw. den benötigten Schutz wahrnehmen können. Der Binnenmarkt macht es möglich, dass Verbraucher und Unternehmen in der EU heute einfacher, Waren und Dienstleistungen über Grenzen hinweg — online und offline — kaufen und verkaufen können. Voraussetzungen dafür sind das Vertrauen in den Markt, zweckmäßige Rechtsvorschriften und eine wirksame Rechtsdurchsetzung. Verbraucherinformation und -schulung tragen dazu bei, dass die Verbraucher den ökologischen und digitalen Wandel mitgestalten und verantwortungsvoller und bewusster entscheiden können. |
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4.10. |
Neue Konsummuster und Produktionsformen müssen genau beobachtet werden, wobei es Umweltbelangen und dem Verbraucher- und Arbeitsschutz sowie Wachstums- und Beschäftigungsaspekten Rechnung zu tragen gilt. Die Kreislaufwirtschaft unterstützt die Umstellung auf nachhaltigere Produktions- und Verbrauchsmuster. |
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4.11. |
Unternehmen bilden den Eckpfeiler eines lebensfähigen Europas. Die europäische Wirtschaft muss innovativer und resilienter werden. Die Rahmenbedingungen für Unternehmen müssen deshalb ständig weiter verbessert werden. Eine gute Rechtsetzung ist ein kostenwirksames Mittel, die Erholung zu unterstützen. Vor neuen politischen Maßnahmen sollte geprüft werden, ob diese dem Grundsatz der besseren Rechtsetzung entsprechen, die Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigen sowie der europäischen Säule sozialer Rechte und der ökologischen Nachhaltigkeit gerecht werden. Für ein günstiges Unternehmensumfeld sind die Aspekte der Regulierung, Besteuerung und Zuweisung öffentlicher Mittel gleichermaßen relevant. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Investitionen in Innovation die Grundlage für den Erfolg Europas bilden. Eine moderne Industriepolitik erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen in allen Politikbereichen abzielt. Investitionen in zukunftsfähige Infrastrukturen sind eine Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Binnenmarkt. Auch die Beseitigung der Doppelbesteuerung sowie die Digitalisierung und Vereinfachung der Steuersysteme, insbesondere im Bereich der Mehrwertsteuer, würden Investitionen und Handel begünstigen. |
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4.12. |
In der Verordnung über die Aufbau- und Resilienzfazilität wird die Bedeutung einer wirksamen Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Ausarbeitung nationaler Aufbau- und Resilienzpläne im Rahmen des Europäischen Semesters herausgestellt. Der EWSA fordert, eine solche Konsultationen auf der Grundlage von auf EU-Ebene festgelegten Mindeststandards verpflichtend zu machen, da die Einbeziehung der Zivilgesellschaft — auch zu anderen Instrumenten des mehrjährigen Finanzrahmens — national und regional sehr unterschiedlich ausfällt. |
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4.13. |
Um die Wirtschaft vor plötzlichen Einbrüchen zu schützen, erneute Sparmaßnahmen zu verhindern und die langfristigen Vorteile des EU-Aufbauplans voll auszuschöpfen, fordert der EWSA nachdrücklich, die Überprüfung des wirtschaftspolitischen Steuerungsrahmens der EU möglichst rasch wieder aufzunehmen. Anstelle einer Rückkehr zum Normalbetrieb sollte eine Wende zu einem überarbeiteten und neu austarierten wohlstandsorientierten wirtschaftspolitischen Steuerungsrahmen vollzogen werden, in dem wichtige politische Ziele wie nachhaltiges und integratives Wachstum, Vollbeschäftigung und gute Arbeit, eine wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft und stabile öffentliche Finanzen einen gleich hohen Stellenwert einnehmen. Ein solcher Rahmen sollte auch dazu beitragen, asymmetrische Auswirkungen in den Mitgliedstaaten zu vermeiden und produktive Investitionen zu fördern, beispielsweise durch die Anwendung einer ausgewogenen goldenen Regel. In jedem Fall sollte die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts so lange aktiviert bleiben, bis die Arbeitslosenzahlen deutlich zurückgehen und die Wirtschaft wieder stabil auf Wachstumskurs ist, wobei anschließend modernisierte fiskalpolitische Regeln angewendet werden. |
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4.14. |
Der EWSA fordert, die Bemühungen um die längst überfällige Vollendung der Bankenunion zu verstärken. Die europäischen Banken werden durch ihre Unterstützung von Wirtschaft und Beschäftigung auch künftig ein wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Erholung nach der COVID-19-Krise sein. Eine vollwertige Bankenunion würde auch zur sozialen Inklusion und zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung beitragen, was für die Sicherung der künftigen Wettbewerbsfähigkeit Europas von grundlegender Bedeutung ist. Nach Ansicht des EWSA muss die Verhältnismäßigkeit der Bankenvorschriften weiter differenziert werden, ohne die Wirksamkeit der Aufsichtsvorschriften zu beeinträchtigen. Bei der Überprüfung der Aufsichtsvorschriften für Banken muss der Diversität der europäischen Bankenlandschaft unbedingt Rechnung getragen werden. |
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4.15. |
Die Kapitalmarktunion sollte auf der Tagesordnung der EU weiterhin einen hohen Stellenwert einnehmen. Der EWSA unterstützt die im Aktionsplan 2020 für die Kapitalmarktunion enthaltenen Initiativen. Er fordert eine echte Unterstützung seitens der Mitgliedstaaten für die Verwirklichung der Ziele der Kapitalmarktunion und betont insbesondere, dass den für die Finanzierung der europäischen Wirtschaft, der Klimawende und des digitalen Wandels strategisch wichtigen Initiativen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Bewährte nationale Verfahren sollten stärker verbreitet werden, um das Finanzwissen der Bürger zu erhöhen, denn dies ist eine Voraussetzung für eine bessere Nutzung der hohen Spareinlagen in Europa. Darüber hinaus betont der EWSA, dass Erwägungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) stärker berücksichtigt werden sollten und dass Investoren daher Zugang zu verlässlichen ESG-Daten haben müssen. |
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4.16. |
Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass im Rahmen der Digitalisierung der Wirtschaft etwaige Änderungen der Zuweisung der Gewinnbesteuerungsrechte weltweit zwischen den Staaten koordiniert werden müssen. Er begrüßt deshalb die enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und der OECD/G20 zur Unterstützung der Bemühungen um eine internationale Lösung. Wenn keine internationale Lösung gefunden werden kann, muss die EU einen Alleingang in Erwägung ziehen. Der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, Geldwäsche und aggressiver Steuerplanung muss weiterhin höchste Priorität eingeräumt werden. |
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4.17. |
Der Kohäsionspolitik kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, eine ausgewogene und wirksame Erholung zu gewährleisten, Konvergenz zu fördern, Ungleichheiten abzubauen und sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wird. Es ist wichtig, dass die Mittel der Kohäsionsfonds im Programmplanungszeitraum 2021–2027 wirksam und rechtzeitig eingesetzt werden, damit eine echte Erholung stattfindet. Im Hinblick auf den Wiederaufbau nach der Krise und die Stärkung von Resilienz und Nachhaltigkeit muss vorrangig für eine ausgewogene und gerechte Verteilung gesorgt werden. Der territoriale Zusammenhalt zielt auch darauf ab, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Gebiete eine ausgewogenere und nachhaltigere Entwicklung zu gewährleisten. Die EU-Kohäsionspolitik sollte sich auch im Zeitraum 2021–2027 auf die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit durch Forschung und Innovation, die Digitalisierung sowie auf die Agenda des europäischen Grünen Deals und die Nachhaltigkeitsziele konzentrieren. |
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4.18. |
Im Verkehrssektor sind die Sicherung guter Arbeitsplätze und angemessene Arbeitsbedingungen entscheidende Voraussetzungen, um qualifizierte Arbeitskräfte zu halten, ohne die wiederum keine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit möglich ist. Es sollte weiterhin für die Sicherung guter Arbeitsplätze und angemessene Arbeitsbedingungen sowie für die Einstellung und Ausbildung qualifizierter Arbeitskräfte Sorge getragen werden. Der EWSA begrüßt die laufenden Initiativen der Kommission im Bereich „Frauen im Verkehrssektor“ und fordert sie auf, noch mehr zu tun, um die Gleichstellung der Geschlechter in dieser Branche zu erreichen. |
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4.19. |
Der EWSA fordert die Kommission auf, im Rahmen der Strategie für eine Renovierungswelle ein neues „Erasmus-Programm für energetische Sanierung 2050“ einzuführen, um junge Menschen in Europa für neue Arbeitsplätze im Baugewerbe zu gewinnen. |
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4.20. |
Mit dem sozialpolitischen Scoreboard sollten die Fortschritte bei der Umsetzung der Säule sowohl im gemeinsamen Beschäftigungsbericht als auch in den Länderberichten überwacht werden. Das Scoreboard sollte mit dem bereits existierenden Anzeiger für die Leistungen im Beschäftigungsbereich und dem Anzeiger für die Leistungsfähigkeit des Sozialschutzes, die die Mitgliedstaaten entwickelt haben, verknüpft werden. Die 14 Scoreboard-Indikatoren und -Subindikatoren (insgesamt 35) sollten unter Mitarbeit der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft laufend überarbeitet und an die politischen Ziele und die sich wandelnden sozioökonomischen Gegebenheiten in Europa angepasst werden. |
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4.21. |
Mit einem neu gestalteten Europäischen Semester sollten im Rahmen einer Beobachtung der sozialen Ungleichheiten soziale Ziele verfolgt und so die Vorrangstellung haushaltspolitischer und makroökonomischer Anforderungen aufgewogen werden. Mit dem sozialpolitischen Scoreboard, das verbesserte und neue messbare Indikatoren enthält, sollten alle Rechte und Grundsätze der Säule überwacht und erfasst werden. Solche Indikatoren könnten neben Statistiken auch den tatsächlichen Zugang zu hochwertigen sozialen Dienstleistungen, durchsetzbaren sozialen Rechten, die Integration von Migranten in Gesellschaft und Arbeitsmarkt, die Tarifbindung, die Einbindung der sozialen Interessenträger in das Europäische Semester sowie den Zugang zu Lehrlingsausbildung und hochwertiger höherer Bildung umfassen. Die Kommission sollte die Umsetzung der nationalen Reformpläne in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern und den einschlägigen Organisationen der Zivilgesellschaft überwachen und dazu länderspezifische Empfehlungen für den Sozialbereich abgeben. Die Zahl und Struktur der Empfehlungen sollten angemessen sein und die Fortschritte bei den im Fahrplan angegebenen Prioritäten widerspiegeln. |
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4.22. |
Darüber hinaus sollte die Einbindung der Sozialpartner gemäß den Bestimmungen des AEUV gestärkt werden, um deren Anhörung zur Ausgestaltung und Umsetzung der wirtschafts-, beschäftigungs- und sozialpolitischen Maßnahmen im Einklang mit den jeweiligen nationalen Gepflogenheiten zu ermöglichen. Die rechtzeitige und wirksame Einbeziehung der Sozialpartner ist ausschlaggebend für eine bessere Einbindung in die Politikgestaltung und trägt gleichzeitig zur erfolgreichen Umsetzung der Maßnahmen bei, indem für einen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gesorgt wird. Die Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern kann wichtige Impulse für eine erfolgreiche, nachhaltige und integrative Wirtschaftspolitik sowie für Beschäftigung und soziale Inklusion setzen. Die Konsultation der Sozialpartner sollte gestärkt werden, indem die Umsetzung des EU-Rahmens für Unterrichtung, Anhörung und Beteiligung, insbesondere bei Umstrukturierungen, verbessert wird (7). |
5. Ein stärkeres Europa in der Welt
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5.1. |
Der EWSA ist der Auffassung, dass der soziale Zusammenhalt, die wirtschaftliche Aufwärtskonvergenz sowie die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Innovation ausgehend von den durch den europäischen Grünen Deal und die Nachhaltigkeitsziele vorgegeben Voraussetzungen die Grundlagen für eine dynamischere Entwicklung der Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets und eine stärkere internationale Rolle des Euro in der Zukunft sein sollten. Dazu müssen unter anderem auch die Wirtschafts- und Währungsunion und die Bankenunion vollendet werden. Außerdem muss mittels zusätzlicher Maßnahmen, darunter eine stabilere europäische Finanzmarktinfrastruktur und solide Referenzzinssätze, für eine Festigung des europäischen Finanzsektors gesorgt werden. Auch die Förderung einer breiteren Verwendung des Euro in strategischen Sektoren würde die internationale Bedeutung unserer Währung wesentlich stärken. Die Mitgliedstaaten sind mithin aufgefordert, in der internationalen Diplomatie einheitlicher aufzutreten und sich stärker für die gemeinsamen Interessen der EU in den betreffenden Branchen einzusetzen, was die Chancen für den Handel vergrößern könnte. |
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5.2. |
In der Erweiterungspolitik erwartet der EWSA, dass in den nächsten Länderberichten anhand einer klaren Struktur überwacht wird, wie die Regierungen der Westbalkanländer mit der Zivilgesellschaft umgehen. Der EWSA ist davon überzeugt, dass die EU auch in die Entwicklung horizontaler zivilgesellschaftlicher Strukturen investieren sollte, indem sie Sozialpartnern und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft aus dem Westbalkan Fachwissen, technische Unterstützung und Gelegenheiten zur Vernetzung auf regionaler und internationaler Ebene bietet — nicht zuletzt um dafür zu sorgen, dass sie eine aktivere Rolle im Erweiterungsprozess spielen. Um die Transparenz und Rechenschaftspflicht der politischen Eliten im Westbalkan im Auge zu behalten, sollte die EU bei Organisationen der Zivilgesellschaft aus der Region regelmäßig die Erstellung von „Schattenberichten“ zur Lage der Demokratie in Auftrag geben. |
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5.3. |
Der EWSA ist davon überzeugt, dass die EU den politischen Entscheidungsträgern und den Bürgerinnen und Bürgern auf dem Westbalkan die Möglichkeit geben sollte, in beratender Funktion an Aktivitäten und Diskussionen rund um die Konferenz zur Zukunft Europas teilzunehmen. So könnte neues Vertrauen in die Erweiterung geschaffen werden, und die aktiven Bemühungen der EU um ihre natürlichen Verbündeten in der Region würden stärkeren Nachdruck bekommen. Die EU-Organe können auf zivilgesellschaftliche Ressourcen vor Ort zurückgreifen und die Hilfe von EU-Delegationen in der Region nutzen, um die Bevölkerung im Westbalkan zu mobilisieren und ihr die Möglichkeit zu bieten, an den Plattformen teilzunehmen, auf denen sich die Unionsbürgerinnen und -bürger während der Konferenz zur Zukunft Europas austauschen werden. |
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5.4. |
In Sachen Östliche Partnerschaft erinnert der Ausschuss daran, dass die EU in erster Linie eine Wertegemeinschaft ist und dass ihre Beziehungen zu den Nachbarstaaten auf unseren Werten gründen müssen. Der Ausschuss setzt sich weiterhin aktiv für die Festigung des gesellschaftlichen Gefüges und der Demokratie in den Nachbarländern ein, in denen die Organisationen der Zivilgesellschaft ungehindert arbeiten können. |
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5.5. |
Angesichts der Verschlechterung der Beziehungen zwischen der EU und Russland appelliert der EWSA an die Kommission, die Beziehungen zur russischen Zivilgesellschaft weiter zu unterstützen. |
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5.6. |
Der Zivilgesellschaft müssen die Mittel an die Hand gegeben werden, damit sie ihren globalen Beitrag leisten kann. Deshalb fordert der EWSA die Kommission zu weiterführenden Überlegungen darüber auf, wie die Internen Beratungsgruppen gestärkt werden könnten. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass angemessene Mittel und Ressourcen zur Verfügung stehen, um sie bei der Wahrnehmung ihrer Überwachungs- und Beratungsfunktionen zu unterstützen, gerade auch angesichts der neuen Generation Interner Beratungsgruppen, deren Aufgabenbereich viel breiter sein wird. Der EWSA wird hierzu seinen Beitrag leisten. Wir erwarten, dass im Arbeitsprogramm der Kommission für 2022 ein Handlungsauftrag an die GD Handel formuliert wird, einige der Empfehlungen umzusetzen, die bei den vertieften konstruktiven Debatten mit dem EWSA und den Internen Beratungsgruppen 2021 herausgearbeitet wurden. Die WTO intensiviert seit einiger Zeit ihre Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft auch jenseits der jährlichen öffentlichen Foren. Diese Bemühungen tragen wesentlich zu mehr Effizienz und Demokratie im multilateralen Handelssystem bei. Es besteht jedoch noch erheblicher Verbesserungsbedarf. Der EWSA blickt erwartungsvoll auf die Entwicklungen im Nachgang zu der Zusage der Kommission, die Stimme der Zivilgesellschaft auf multilateraler Ebene zu stärken, insbesondere in Bezug auf Maßnahme 6 des jüngsten 6-Punkte-Aktionsplans der Ottawa-Gruppe. |
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5.7. |
Die EU ist ein Hauptakteur im internationalen Handel. Sie muss sich bei der Aushandlung von Handelsabkommen mit internationalen Partnern auch demgemäß verhalten und so ihre führende Rolle bei der Aufstellung einer Wirtschaftsagenda behaupten und dabei ihre Grundprinzipien sowie die Sozial- und Arbeitsnormen und -werte fördern (Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte und demokratische Grundsätze). Um die Chancen auf den Weltmärkten nutzen zu können, müssen die laufenden Verhandlungen abgeschlossen, fertig ausgehandelte Abkommen ratifiziert und umgesetzt sowie neue Verhandlungen aufgenommen werden. Des Weiteren sollte die EU einen Beitrag zur Stärkung des Multilateralismus leisten und die Rolle der WTO und deren Modernisierung unterstützen. |
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5.8. |
Der EWSA ist der Auffassung, dass die EU bei der Entwicklung einer europäischen Dateninfrastruktur und neuer digitaler Technologien auf eigenen Beinen stehen muss. Die EU muss sich zwischen China und den Vereinigten Staaten behaupten und in die Technologie der nächsten Generation investieren. Sie muss ihre eigene Vision und Strategie für digitale Souveränität entwickeln und gleichzeitig offen für den Freihandel bleiben und das multilaterale System unterstützen. Strategisch sollte sie sich auf ihre eigene Infrastruktur, Cybersicherheit, Cloud, Schlüsseltechnologien und -daten konzentrieren und globale Partner durch die Qualität ihrer Normen und Produkte zu überzeugen. Die Gewährleistung der Ernährungssicherheit, einer starken Lebensmittelversorgungskette und der Nachhaltigkeit der Agrar- und Ernährungswirtschaft in der EU sollte ebenfalls eine der Prioritäten der Kommission bleiben. |
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5.9. |
Der EWSA schlägt bezüglich der Handels-, Investitions- und Wirtschaftsabkommen der EU Folgendes vor:
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5.10. |
Der Ausschuss fordert die EU nachdrücklich auf, Seite an Seite mit den Vereinigten Staaten aktiv auf die Verwirklichung der Pariser Klimaschutzziele hinzuwirken, denn die Vereinigten Staaten haben sich erneut dem Klimaschutz zugewandt. Gerade in einer Zeit, in der sich die Beziehungen zu China aufgrund der chinesischen Innen- und Außenpolitik zunehmend problematischer gestalten, kommt es nicht nur in der Klimapolitik auf den engen Schulterschluss zwischen der EU und den Vereinigten Staaten an. |
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5.11. |
Der EWSA stellt fest, dass die strategische Partnerschaft zwischen der EU und China aufgrund der sich verschlechternden Lage in Hongkong, des schrumpfenden Handlungsspielraums für die Zivilgesellschaft und der Menschenrechtslage in China, insbesondere im Hinblick auf die Uiguren, in schwieriges Fahrwasser gerät. Der Ausschuss fordert die Kommission daher auf, alle diplomatischen und politischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Lage der Bürger Hongkongs und der Minderheiten in China zu verbessern. In diesem Zusammenhang fordert der EWSA die Kommission auf, unverzüglich einen Vorschlag für eine einheitliche EU-Strategie zu unterbreiten (in voller Übereinstimmung mit der Politik der EU in den Bereichen Verkehr, Wettbewerb, Investitionen, Menschen- und Arbeitsrechte, Sicherheit usw.), um im Zusammenhang mit der Initiative der neuen Seidenstraße („One Belt, One Road“) mit einer anderen Initiative in den EU-Mitgliedstaaten zu reagieren. |
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5.12. |
Der EWSA befürwortet die von der Kommission verlangte „Intensivierung internationaler Maßnahmen zur Stärkung der Klimaresilienz“. Dabei muss auch die Situation außerhalb der EU im Blick behalten werden, man denke etwa an die am wenigsten entwickelten Länder und die kleinen Inselentwicklungsländer, die am härtesten vom Klimawandel betroffen sind. Deshalb fordern wir, dass die EU im Rahmen der Partnerschaftsstrategie EU-Afrika mit den am stärksten gefährdeten Ländern in Afrika zusammenarbeitet. Zu Recht verweist die Kommission auf die Weltbank, der zufolge der Klimawandel allein in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara bis 2050 eine Migration von bis zu 70 Mio. Menschen auslösen könnte. |
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5.13. |
Der Mittelmeerraum muss wieder zu dem Zentrum Europas werden, das er jahrhundertelang gewesen ist — einem Gebiet, in dem unterschiedliche Menschen, Waren und Kulturen zusammenkommen. Der EWSA spricht sich dafür aus, die strategische Rolle des Mittelmeerraums wiederherzustellen, um eine Nachbarschaftspolitik zu ermöglichen, die Friedensprozesse und eine nachhaltige wirtschaftliche, ökologische und soziale Entwicklung gewährleisten kann. |
6. Fördern, was Europa ausmacht
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6.1. |
Die Europäische Union lebt von einer dynamischen Zivilgesellschaft. Unsere Lebensweise zeichnet sich aus durch ein Gefühl für Fairness, Gerechtigkeit und Solidarität sowie durch das Wissen darum, dass wir uns zum Nutzen aller für das Gemeinwohl engagieren müssen. Da die COVID-19-Krise bestimmte gesellschaftliche Gruppen wie Frauen, Jugendliche und mobile EU-Bürger, die unter einem „doppelten Lockdown“ leiden, besonders stark getroffen hat, ist es nun umso wichtiger, dass die Organisationen der Zivilgesellschaft ganz entscheidend zur Stärkung dieser Lebensweise beitragen. Sie sollten als Verbündete beim Schutz, der Förderung und dem Erhalt unserer Lebensweise auf der Grundlage von Inklusion und Respekt für andere betrachtet werden. Der EWSA fordert die Kommission deshalb auf, zivilgesellschaftliche Organisationen angemessen und gezielt zu unterstützen und anzuerkennen und auf diese Weise den zivilgesellschaftlichen Raum und das demokratische Recht auf Vereinigungsfreiheit zu wahren, das für unsere Lebensweise entscheidend ist. |
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6.2. |
Eine wichtige Erkenntnis aus der Coronavirus-Krise lautet, dass die Gesundheitssysteme in fast allen europäischen Ländern gestärkt werden müssen, wobei der Schwerpunkt auf Prävention und der Gewährleistung des Zugangs aller zu Einrichtungen des Gesundheitswesens, einer grundlegenden Gesundheitsversorgung, einschließlich Impfstoffen, und Langzeitpflege liegen muss. Insbesondere die Lage der Menschen in Pflegeeinrichtungen bedarf dringender Aufmerksamkeit. Zwar fällt die Gesundheitsversorgung in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten, doch kennt die Ausbreitung des Virus keine Grenzen und erfordert gemeinsame Maßnahmen auf europäischer Ebene. |
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6.3. |
Die Europäische Kommission sollte sich beim Wiederaufbau darauf konzentrieren, die Beschäftigung wieder zu fördern und Ungleichheit und Armut zu bekämpfen. Besonderes Augenmerk sollte sie darauf richten, schwächere Gruppen wie Kinder in Armut, Menschen mit Behinderungen, atypisch Beschäftigte, Bewohner von benachteiligten Gebieten, Migranten und ethnische Minderheiten durch aktive und inklusive Maßnahmen zu unterstützen. Armut im Allgemeinen sowie Erwerbsarmut stellen in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor ein erhebliches Problem dar. Es bedarf eines umfassenden Ansatzes auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten, um diese Probleme aufzugreifen, einschließlich der Unterstützung von Programmen für die wirksame aktive Eingliederung mit grundlegenden und auf Qualifizierung abstellenden sozialen Dienstleistungen. |
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6.4. |
Kinder und Jugendliche müssen hier besonders beachtet werden, denn diese Generation wird die hohen öffentlichen Schulden abbezahlen müssen, die jetzt von den Ländern aufgenommen werden, um die Folgen der Pandemie zu bewältigen. Wir dürfen die Herausforderungen im Zusammenhang mit ihrer aktiven Teilhabe an der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt nicht außer Acht lassen. |
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6.5. |
Die Migration ist aufgrund ihrer Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft der EU (Beschäftigung, Integration, Grenzkontrollen und Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Populismus und Diskriminierung) nach wie vor ein vorrangiges Thema. Wie auch im Falle früherer Wirtschaftskrisen verschlechtert die COVID-19-Pandemie die aufgrund persönlicher, sozialer, situationsabhängiger und struktureller Faktoren ohnehin schon schwache Stellung von Migranten noch weiter. Nachhaltigere und sicherere legale Einreisemöglichkeiten in die EU müssen geschaffen und schon bestehende Mechanismen effektiv eingesetzt werden. Dabei muss beim aktuellen Asylsystem ein angemessenes Verhältnis zwischen Sicherheit und Solidarität gefunden werden. Darüber hinaus ist es von entscheidender Bedeutung, Falschmeldungen und falsche Wahrnehmungen zu widerlegen und Hetze und politischen Diskurs gegen Migranten zu bekämpfen. Dies trägt auch zur Bekämpfung von Rassismus, Radikalisierung, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung bei. |
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6.6. |
Die transatlantische Partnerschaft beruht auf unseren historischen gemeinsamen Werten. Sie ist von entscheidender Bedeutung für die Bewältigung globaler Herausforderungen und die Wahrung der internationalen Ordnung. Der EWSA fordert die Europäische Union auf, die erneuerte transatlantische Partnerschaft zu nutzen, um die derzeitigen beispiellosen globalen Herausforderungen zu bewältigen, einschließlich des Aufstiegs Chinas und anderer globaler Akteure, die sich bei ihrem Handeln nicht auf dieselben demokratischen Grundsätze stützen. Ferner fordert er eine umfassende Beteiligung der EU an dem von Präsident Biden angekündigten Demokratiegipfel und die starke Einbeziehung der Zivilgesellschaft. |
7. Neuer Schwung für die Demokratie in Europa
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7.1. |
Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Art und Weise, wie die EU Rechtsvorschriften erlässt („bessere Rechtsetzung“), sowie die Notwendigkeit eines europäischen Regelwerks, das den Bürgern und Unternehmen stärker zugutekommt. Das Gesetzgebungsverfahren der EU muss transparenter, offener für Beiträge der Interessenträger und leichter nachvollziehbar werden. |
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7.2. |
Die Beteiligung aller Bürger über Organisationen, Verbände und Netze der Zivilgesellschaft wird den Prozess der Erholung und Neugestaltung der Zukunft Europas auf eine wirklich demokratische Grundlage stellen. Der EWSA ist daher der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten und die EU-Organe sicherstellen müssen, dass bei diesen komplexen Veränderungen niemand zurückgelassen wird, vor allem nicht die Schwächsten. Dies bedeutet, zivilgesellschaftliche Organisationen als wichtige und gleichberechtigte Partner in die Beschlussfassung einzubeziehen. Eine bessere Umsetzung von Artikel 11 Absatz 2 EUV über den Dialog mit der Zivilgesellschaft ist wichtiger denn je. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, wäre nach Auffassung des EWSA die Aufnahme einer vierten Säule in den Europäischen Aktionsplan für Demokratie mit einem starken Schwerpunkt auf der aktiven Bürgerschaft und einer klaren entsprechenden Strategie. |
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7.3. |
Die wichtigsten europäischen Grundsätze von Artikel 2, wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, einschließlich des zivilgesellschaftlichen Raums, sind eng miteinander verbunden. Der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit und der Aktionsplan für Demokratie sollten miteinander verknüpft werden und Probleme im Zusammenhang mit dem zivilgesellschaftlichen Raum berücksichtigen. Der Ausschuss würde sich wünschen, dass die Europäische Kommission diese Aktionspläne weiterverfolgt und stärkere Instrumente zur Verteidigung dieser Grundsätze und des zivilgesellschaftlichen Raumes einsetzt. Wenn nationale Rechtsvorschriften gegen EU-Recht verstoßen, sollten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden. |
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7.4. |
Der EWSA sieht den Plänen der Kommission für eine neue „Initiative für den sozialen Dialog“ für 2022 erwartungsvoll entgegen, fordert die Kommission jedoch auf, sie auf den „zivilgesellschaftlichen Dialog“ auszuweiten, damit erforderlichenfalls auch andere Organisationen der Zivilgesellschaft als die traditionellen Sozialpartner am Dialog teilnehmen können. Dadurch würde die Zivilgesellschaft bei der Politikgestaltung den gleichen Stellenwert genießen wie die Sozialpartner. |
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7.5. |
Der durch die Pandemie verursachte Konjunktureinbruch hat erhebliche Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern, und zwar sowohl in der Abschwungphase als auch während der anschließenden Erholung. Die Pandemie selbst hat das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern verschärft. Daher hält es der EWSA für unerlässlich, die Gleichstellung der Geschlechter und das Gender Mainstreaming bei allen Aspekten der Rechtsetzung und der Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften durchgängig zu berücksichtigen. |
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7.6. |
Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit stehen im Zentrum der europäischen Werte. Sie gelten immer und überall in der EU und können nicht vorübergehend ausgesetzt werden. Sicherlich bedarf es einer raschen Reaktion auf die derzeitige Krise, die bestimmte außerordentliche und zeitlich begrenzte Maßnahmen rechtfertigt. Diese dürfen aber weder gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen noch die Demokratie, die Gewaltenteilung und die Grundrechte der Unionsbürgerinnen und -bürger in Frage stellen. Der Ausschuss ruft die Kommission diesbezüglich zu Wachsamkeit und erforderlichenfalls zum Handeln auf, wenn diese Werte verletzt werden. Die Europäische Kommission sollte zudem die Opferagenda bei allen EU-Finanzierungsprogrammen berücksichtigen, auch in EU-Fonds, die auf nationaler und internationaler Ebene verwaltet werden. Der EWSA verweist auf seinen Vorschlag für eine ehrgeizige EU-Strategie für Kommunikation, Bildung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. |
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7.7. |
Die neuen EU-Instrumente zum Schutz und zur Förderung der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit, beispielsweise der neue Zyklus zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit und der neue Mechanismus, mit dem die Gewährung von EU-Mitteln an die Achtung der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden soll, müssen so umgesetzt werden, dass diese Instrumente rasch und wirksam angewandt werden können. Darüber hinaus fordert der EWSA eine stärkere Einbindung der Zivilgesellschaft in den Zyklus zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit sowie ein Forum der Interessenträger. |
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7.8. |
Gemeinnützige Arbeit und die Zivilgesellschaft spielen bei der Förderung wichtiger europäischer Politikbereiche eine Schlüsselrolle, und unter besseren Rahmenbedingungen könnten sie sogar noch mehr bewirken. Die neue EU-Strategie zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung muss risikobasiert sein und in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken stehen, die sie eindämmen soll. Sie darf legitime öffentliche gemeinnützige Tätigkeiten nicht ungebührlich einschränken. |
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7.9. |
Immer wieder wird deutlich, dass weitere Maßnahmen, sicherlich auch seitens der Kommission, erforderlich sind, um freie und pluralistische Medien und einen unabhängigen Qualitätsjournalismus zu gewährleisten sowie — insbesondere zur Bekämpfung von Desinformation — eine wirksame Regulierung der sozialen Medien einschließlich Bestimmungen zu politischer Werbung und zur Haftung für Inhalte im Internet sicherzustellen. |
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) https://www.eesc.europa.eu/sites/default/files/files/qe-02-21-011-en-n.pdf.
(2) https://www.eesc.europa.eu/de/agenda/our-events/events/civil-solidarity-prize.
(3) Beschluss (EU, Euratom) 2020/2053 des Rates vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union und zur Aufhebung des Beschlusses 2014/335/EU, Euratom (ABl. L 424 vom 15.12.2020, S. 1).
(4) Nur 14 Mitgliedstaaten haben bis zum 30. April 2021 ihre nationalen Pläne vorgelegt.
(5) Mitteilung der Kommission an den Rat: Ein Jahr nach dem Ausbruch von COVID-19 — die fiskalpolitische Reaktion (COM(2021) 105 final) vom 3.3.2021.
(6) Entschließung zum „Beitrag des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2021 auf der Grundlage der Arbeit der Ad-hoc-Gruppe ‚Beitrag des EWSA zum Arbeitsprogramm 2021 der Kommission‘“ (ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 1).
(7) Siehe die EWSA-Stellungnahme zum industriellen Wandel (ABl. C 56 vom 16.2.2021, S. 10) und die Stellungnahme INT/903 — Kein Grüner Deal ohne sozialen Deal (siehe Seite 23 dieses Amtsblatts).
(8) Siehe EWSA-Stellungnahme „Verbindliche Sorgfaltspflicht“ und legislative Entschließung des EP zu Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen (ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 136).
STELLUNGNAHMEN
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
561. Plenartagung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — JDE 62 — Videokonferenz über Interactio, 9.6.2021-10.6.2021
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/16 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Auf dem Weg zu einer kreislauforientierten Auftragsvergabe“
(Initiativstellungnahme)
(2021/C 341/02)
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Berichterstatter: |
Ferre WYCKMANS |
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Mitberichterstatter: |
Gonçalo LOBO XAVIER |
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Beschluss des Plenums |
20.2.2020 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 32 Absatz 2 der Geschäftsordnung |
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Initiativstellungnahme |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch |
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Annahme in der Fachgruppe |
11.5.2021 |
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Verabschiedung auf der Plenartagung |
9.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
187/4/5 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1. |
Ein transparentes, digitales und wettbewerbsfähiges öffentliches Beschaffungssystem zur Förderung der Kreislaufwirtschaft (Circular Public Procurement — CPP) mit einer umweltorientierten öffentlichen Beschaffung (Green Public Procurement — GPP) nach der Definition der EU-Gesetzgebung ist Teil der Politik zur Förderung des Binnenmarkts, der Bereitstellung hochwertiger Waren und Dienstleistungen für Bürger und Verbraucher und der Entwicklung einer innovativen, intelligenten, nachhaltigen und sozial verantwortlichen europäischen Kultur der öffentlichen Auftragsvergabe. |
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1.2. |
Das Management des öffentlichen Beschaffungswesens ist ein zentraler und entscheidender Faktor für die Erhöhung der Investitionen im Umweltbereich, die Klimaziele und den Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa. |
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1.3. |
Eine öffentliche Auftragsvergabe mit verbindlichen Mindestkriterien für eine umweltorientierte öffentliche Beschaffung (EU-GPP-Kriterien) deckt sich mit den Strategien des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft (Circular Economy Action Plan, CEAP). |
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1.4. |
Die kreislauforientierte Vergabe öffentlicher Aufträge muss durch verschiedene Rechts- und Regelungsinstrumente, z. B. Vergaberichtlinien und branchenspezifische Rechtsvorschriften, unterstützt werden. |
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1.5. |
Die Einführung einer kreislauforientierten öffentlichen Auftragsvergabe fördert die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft. Viele der neuen Regeln basieren derzeit noch auf einer freiwilligen Anpassung. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) fordert weitere Schritte, um die Anzahl an verbindlichen Vereinbarungen zu erhöhen. Zusätzlich ist ein einfacher, klar definierter und einheitlicher Rechtsrahmen unerlässlich. |
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1.6. |
Der EWSA ist überzeugt, dass die Einführung von verbindlichen GPP-Mindestkriterien die Ausgangsbasis für eine nachhaltige und kreislauforientierte Vergabe öffentlicher Aufträge europaweit verbessern kann. |
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1.7. |
Diese Mindestkriterien dürfen allerdings kein Hemmnis für Vorreiter oder Innovationen darstellen und den öffentlichen Auftraggebern nicht als Entschuldigung dienen, sich mit dem Minimum zu begnügen. Entscheidend ist, dass die verbindlichen Mindestkriterien entsprechend dem technologischen Fortschritt regelmäßig überprüft und aktualisiert werden und niemanden daran hindern, strengere Maßstäbe anzulegen. |
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1.8. |
Der EWSA ist überzeugt, dass eine kreislauforientierte öffentliche Beschaffung den öffentlichen Auftraggebern erlauben wird, sich bei der Vergabe vom Kriterium des niedrigsten Preises zu lösen und auch die Qualität und Kreislauforientiertheit der Angebote sowie die Arbeitsplatzqualität zu berücksichtigen. |
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1.9. |
Der EWSA ist der Auffassung, dass sich die Qualität der Beschäftigung, einer der Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte, in der Verpflichtung niederschlagen muss, öffentliche Aufträge an Unternehmen zu vergeben, die Tarifverträge anwenden, oder sich, falls das nicht möglich ist, an die geltenden nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten auf der Grundlage der Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern halten. Dadurch wird Sozialdumping verhindert und ein fairer Wettbewerb gewährleistet. |
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1.10. |
Der EWSA begrüßt die standardisierten, frei zugänglichen Instrumente zur Messung der Lebenszykluskosten (Life Cycle Cost, LCC), die bereits von der Kommission entwickelt wurden. Die Lebenszykluskosten eines Produkts oder einer Dienstleistung und die Verwendung von Kriterien, die über den Preis hinausgehen und beispielsweise auf die Qualität, die Nachhaltigkeit oder die soziale Wirkung abstellen, bestärken und ermutigen öffentliche Auftraggeber, die öffentliche Beschaffung zu nutzen, um einen positiven sozialen und ethischen Effekt zu erzielen. |
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1.11. |
Es ist unabdingbar, KMU und Sozialunternehmen stärker in die öffentliche Beschaffung einzubinden, was sich dadurch erreichen ließe, dass man KMU bei der Angebotsabgabe unterstützt und in den Ausschreibungsunterlagen auf ein angemessenes Gleichgewicht zwischen qualitativen und quantitativen Kriterien achtet. |
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1.12. |
Der EWSA ist überzeugt, dass die verpflichtende Berücksichtigung von Sozialklauseln bei Ausschreibungen sicherstellen wird, dass die Bewertung des sozialen Aspekts — der neben den Bereichen Ökonomie und Ökologie die dritte Säule der nachhaltigen Entwicklung darstellt — ein dauerhafter Bestandteil des Ausschreibungswesens wird. |
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1.13. |
Desgleichen hält der EWSA Umweltzeichen für nützlich, sofern sie sich mit Aspekten der Kreislaufwirtschaft verknüpfen lassen; allerdings machen es die aktuellen Richtlinien den Vergabestellen unnötig schwer, weil sie von diesen verlangen, genau zu wissen, wofür ein bestimmtes Umweltzeichen steht. |
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1.14. |
Es ist unerlässlich, öffentliche Auftraggeber mit den rechtlichen und technischen Merkmalen der kreislauforientierten öffentlichen Beschaffung und dem LCC-Konzept vertraut zu machen und diejenigen unter ihnen, die Endverbraucher sind, in der nachhaltigen Nutzung von Produkten zu schulen. |
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1.15. |
Der EWSA hält die Propagierung des CPP-Konzepts für unverzichtbar, und zwar entweder durch eine umfassendere Vermittlung von guten Beispielen und bewährten Verfahren oder durch Werbekampagnen bzw. ggf. durch öffentliche Initiativen und Schulungen. Es sind Partnerschaften und Leitlinien erforderlich, über welche die EU den Aufbau einer Plattform mit einem breiten Beschaffungsnetzwerk unterstützen sollte. |
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1.16. |
Zudem sollten die EU-Institutionen mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie auf eine kreislauforientierte öffentliche Auftragsvergabe achten und dies anhand von Fallstudien demonstrieren, um die Chancen und Vorteile für alle öffentlichen Auftraggeber herauszustellen. |
2. Allgemeine Bemerkungen
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2.1. |
Die jährlichen Staatsausgaben repräsentieren rund 14 % des gesamten Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union (1): Dementsprechend sind die Regierungen die größten Verbraucher in Europa, und ausschlaggebend für ihre Ausgaben ist das öffentliche Beschaffungswesen. |
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2.2. |
Ein transparentes, digitales und wettbewerbsfähiges öffentliches Beschaffungssystem zur Förderung der Kreislaufwirtschaft (CPP) mit einer umweltorientierten öffentlichen Beschaffung (GPP) nach der Definition der EU-Gesetzgebung ist Teil der Politik zur Förderung des Binnenmarkts, der Bereitstellung hochwertiger Waren und Dienstleistungen für Bürger und Verbraucher und der Entwicklung einer innovativen, intelligenten, nachhaltigen und sozial verantwortlichen europäischen Kultur der öffentlichen Auftragsvergabe (2). |
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2.3. |
Die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft gehört zu den Interessensschwerpunkten des EWSA. Das Management des öffentlichen Beschaffungswesens ist ein zentraler und entscheidender Faktor für die Erhöhung der Investitionen im Umweltbereich sowie im Rahmen des Investitionsplans für ein zukunftsfähiges Europa (3) und der Stellungnahme des EWSA „Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ (4). |
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2.4. |
Das Ziel der Stellungnahme besteht im Vorschlag der Aufnahme mehrerer Instrumente in die europäischen Rechtsvorschriften, um die kreislauforientierte Vergabe öffentlicher Aufträge zu fördern, indem der Hauptzweck des jeweiligen Auftrags mit dem Schutz der Umwelt und der sozialen Rechte verbunden wird und wirtschaftliche Lösungen gesucht und gewählt werden, die während ihrer Lebensdauer geringere Umweltauswirkungen haben. |
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2.5. |
Die kreislauforientierte öffentliche Auftragsvergabe muss durch verschiedene Rechts- und Regelungsinstrumente (GPP-Mindestkriterien, Förderung eines sektoralen Ansatzes, Stärkung der Rahmenbedingungen und Verbesserung der Vorschriften für eine umweltgerechte Gestaltung, verpflichtende Überwachung) unterstützt werden, um Folgendes zu erreichen: |
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2.5.1. |
Förderung von Qualität und Innovation, einschließlich aus einer ökologischen und sozialen Perspektive; |
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2.5.2. |
Senkung der aktuellen Ausgaben der lokalen Behörden für die von ihnen angebotenen Dienste; |
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2.5.3. |
intelligentere und effizientere Gestaltung der öffentlichen Auftragsvergabe; |
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2.5.4. |
Nutzung des öffentlichen Beschaffungswesens zur Bewältigung globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und Ungleichheit durch die Unterstützung sozialpolitischer Maßnahmen; |
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2.5.5. |
Beschleunigung des Übergangs zu nachhaltigeren und wettbewerbsfähigeren Logistikketten und Geschäftsmodellen; |
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2.5.6. |
Steuerung der Nutzung des Rahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge in der durch die COVID-19-Krise verursachten Notsituation (5); |
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2.5.7. |
Unterstützung von KMU und Sozialunternehmen bei der Vergrößerung ihres Marktanteils und beim Ausbau ihrer Präsenz auf lokalen Märkten und in den europäischen Industriesystemen, da diese positive Dynamik die Investitionen in ökologische Innovationen und die Nachfrage nach spezialisierten und qualifizierten Arbeitskräften vorantreiben kann; |
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2.5.8. |
Schutz und Ausweitung der Verbraucherrechte und stärkere Förderung der Anwendung der Grundsätze der Gerechtigkeit und Fairness gemäß der europäischen Säule sozialer Rechte. |
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2.6. |
Die Einführung einer kreislauforientierten öffentlichen Auftragsvergabe fördert die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft. Viele der neuen Regeln basieren derzeit noch auf einer freiwilligen Anpassung. Der nächste Schritt besteht in der Erhöhung der Anzahl verbindlicher Vereinbarungen. Darüber hinaus ist ein einfacher, klar definierter und einheitlicher Rechtsrahmen unerlässlich. |
3. Verbindliche EU-GPP-Mindestkriterien
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3.1. |
Die Einführung von verbindlichen Mindestkriterien für eine umweltorientierte öffentliche Beschaffung kann die Ausgangslage für eine nachhaltige und kreislauforientiere Vergabe öffentlicher Aufträge in ganz Europa verbessern. Solche Kriterien können bei der Formulierung von Ausschreibungsbedingungen helfen: Sie umfassen Pflichten, denen öffentliche Verwaltungen nachkommen müssen, Vorteile für Unternehmen mit Umweltzertifizierungen, Boni für besonders gute Angebote, neue Kriterien für die Angebotsbewertung und eine Bündelung der öffentlichen Nachfrage zur Unterstützung einer qualitativen Angebotsbewertung. Es ist wichtig, dass diese Mindestkriterien kein Hemmnis für Vorreiter oder Innovationen darstellen und den öffentlichen Auftraggebern nicht als Entschuldigung dienen, sich mit dem Minimum zu begnügen. Entscheidend ist, dass die verbindlichen Mindestkriterien entsprechend dem technologischen Fortschritt regelmäßig überprüft und aktualisiert werden und niemanden daran hindern, strengere Maßstäbe anzulegen. Unterdessen müssen flexible Modelle die Innovation fördern. |
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3.2. |
Die sozial verantwortliche öffentliche Beschaffung (Socially Responsible Public Procurement, SRPP) soll dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge eine positive soziale Wirkung haben. Diese Strategie besitzt das Potenzial, den breiteren Markt sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite zu beeinflussen. Durch eine kluge Beschaffung können öffentliche Auftraggeber Beschäftigungsmöglichkeiten, angemessene Arbeitsbedingungen, die Inklusion in Gesellschaft und Arbeitsmarkt, bessere Bedingungen für Menschen mit Behinderungen und benachteiligte Menschen, die Barrierefreiheit und einen ethischen Handel fördern (6). |
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3.3. |
Eine verantwortungsbewusste und ethische Auftragsvergabe kann außerdem das Profil jener Unternehmen aufwerten, die am besten auf diese Themen eingestellt sind, indem sie ermutigt werden, sich um ein verantwortungsvolleres und nachhaltigeres Management des Produktionsprozesses und der Beschäftigung zu bemühen. Dies macht die sozial verantwortliche Vergabe öffentlicher Aufträge zu einem strategischen Instrument, um die Sozial- und Arbeitspolitik effizient voranzutreiben. Ein Knackpunkt ist hierbei die Umsetzung von aktiven Strategien zur Unterstützung und Finanzierung von Unternehmen, genauer KMU, die solche Geschäftsmodelle verfolgen möchten. |
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3.4. |
Die soziale Nachhaltigkeit erfordert feste Verpflichtungen, um sicherzustellen, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die gültige Tarifverträge anwenden oder sich, falls das nicht möglich ist, an die geltenden nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten auf der Grundlage der Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern halten. Dadurch wird Sozialdumping verhindert und ein fairer Wettbewerb gewährleistet. |
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3.5. |
Die Europäische Kommission kann die Einbeziehung von Kriterien der sozialen Verantwortung in das öffentliche Auftragswesen erleichtern und ihre EU-weite Nutzung fördern. Sie könnte beispielsweise eine Reihe von Workshops organisieren, durch die das Bewusstsein für den (für 2021 geplanten) neuen Leitfaden für eine sozialorientierte Beschaffung und für die Anwendung von Sozialkriterien und -klauseln durch öffentliche Auftraggeber geschärft wird, um Organisationen der Sozialwirtschaft zu unterstützen und die Chancen für soziale Verantwortung bei der Herstellung von Waren und der Erbringung von Dienstleistungen zu maximieren. Sie könnte außerdem die #WeBuySocialEU-Kampagne aktualisieren, in deren Rahmen 71 bewährte Verfahren und mehrere Videos (7) gesammelt und verbreitet wurden, um öffentliche Auftraggeber anzuregen und zu ermutigen, die öffentliche Beschaffung zu nutzen, um einen positiven sozialen und ethischen Effekt zu erzielen. |
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3.6. |
Durch die Verpflichtung zur Einbeziehung von GPP-Mindestkriterien in die öffentliche Auftragsvergabe werden das soziale Unternehmertum und die Sozialwirtschaft gefördert, was sowohl den KMU als auch den Verbrauchern zugutekommt. Im Übrigen müssen die Behörden sicherstellen, dass die Einführung ökologischer Kriterien keine signifikante Erhöhung des Verwaltungsaufwands zur Folge hat. Der mit dem Beschaffungsprozess verbundene Aufwand ist nämlich eines der Haupthindernisse für KMU, die sich an Ausschreibungen beteiligen möchten. |
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3.7. |
Eine kreislauforientierte Beschaffung wird den öffentlichen Auftraggebern erlauben, sich bei der Vergabe vom Kriterium des niedrigsten Preises zu lösen und auch die Qualität und Kreislauforientiertheit der Angebote sowie die Lebenszykluskosten (LCC) eines Produkts oder einer Dienstleistung zu berücksichtigen und Kriterien zu nutzen, die über den Preis hinausgehen und beispielsweise auf die Qualität, die Nachhaltigkeit oder die soziale Wirkung abstellen. Die Europäische Kommission hat bereits standardisierte, frei zugängliche Instrumente zur LCC-Messung (8) entwickelt und ist damit gut aufgestellt, um solche transparenten und zuverlässigen Hilfsmittel zur vertrauensvollen Verwendung durch die Vergabestellen anzubieten. Diese Instrumente sollten auch die Option umfassen, die CO2-Bilanz von Produkten zu berechnen und zu berücksichtigen. Der EWSA fordert, dass öffentlichen Auftraggeber dazu ermutigt werden, die vorhandenen Instrumente der öffentlichen Beschaffung zu nutzen, um zur Entwicklung innovativer Lösungen beizutragen, z. B. durch Innovationspartnerschaften oder wettbewerbliche Dialoge. |
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3.8. |
Das Ziel der kreislauforientierten öffentlichen Beschaffung sollte darin bestehen, die Auftragsvergabe so zu steuern, dass ein bestimmter Bedarf gedeckt wird, statt nur ein spezifisches Produkt als Bestandteil eines Routineverfahrens zu kaufen. Insbesondere durch eine umfassendere Bedarfsanalyse lässt sich ein funktionaler oder leistungsbasierter Ansatz verfolgen. Dies bietet die Möglichkeit, den Ablauf flexibler zu gestalten, innovativ zu sein und die effizientesten Lösungen zu finden, wodurch wiederum die Kosten und benötigten Ressourcen sinken. Funktionale und leistungsbasierte Ansätze lassen sich am besten erreichen, indem Dienstleistungen statt Produkten bezogen werden, einschließlich Wartung und Rücknahme. Die Nachfrage nach solchen Dienstleistungen wird auf lokaler Ebene neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. |
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3.9. |
Die kreislauforientierte öffentliche Auftragsvergabe kann Folgendes fördern: die umweltgerechte Gestaltung und Wiederverwertbarkeit von Produkten, eine erweiterte Herstellerverantwortung, die Vermeidung von Müll und Verpackungsmaterial, die Wirtschaft des Teilens, die kollaborative Wirtschaft, die Wiederverwendung und die Wiederaufbereitung. |
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3.10. |
Die Richtlinien enthalten zwar keine spezifischen Pflichtvorgaben für Emissionen oder die Kreislaufwirtschaft, versetzen aber öffentliche Auftraggeber in die Lage,
Das derzeitige System, das die Entscheidung über die strategische Auftragsvergabe weitgehend den Mitgliedstaaten überlässt, könnte vielleicht in einigen Bereichen wie Nachhaltigkeit und Lebenszykluskosten durch EU-Mindestkriterien ersetzt werden. Mit einer solchen Politik ließe sich gleichzeitig ein FuE-Rahmen für kreislauforientierte Lösungen fördern. |
4. Besondere Bemerkungen
4.1. KMU
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4.1.1. |
Das Ziel besteht in einer intensiveren Einbindung von KMU und Sozialunternehmen in die öffentliche Beschaffung, indem für eine innovative kreislauforientierte Auftragsvergabe und eine stärkere Professionalisierung aller Interessenträger gesorgt wird. |
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4.1.2. |
Potenzielle Anbieter — insbesondere KMU und Sozialunternehmen — müssen bei der Teilnahme an kreislauforientierten öffentlichen Ausschreibungen unterstützt werden. Viele KMU wissen nach wie vor nicht, welche Marktchancen es gibt, wie man diese u. a. mithilfe des TED-Portals (Tenders Electronic Daily) (10) findet und wie man nach Ausschreibungen in anderen Ländern sucht, und haben Mühe, die ökologischen und sozialen Nachweise zu liefern, die Vergabestellen für den Angebotsvergleich benötigen. Eine effektive und effiziente Beschaffung erfordert hochwertige Angebote. |
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4.1.3. |
In diesem Zusammenhang können soziale und ökologische Kriterien beeinflussen, welche KMU die Möglichkeit haben, ihre Waren und Dienstleistungen anzubieten. Zur Erfüllung dieser Kriterien müssen KMU erhebliche Investitionen tätigen, ohne sich der Zuschlagserteilung sicher sein zu können. Die Vergabestellen müssen deshalb darauf achten, Aufträge nicht primär oder allein auf Basis des niedrigsten Preises zu erteilen, da KMU dadurch benachteiligt würden. |
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4.1.4. |
Die Steigerung der Ressourceneffizienz und das Bemühen um Nachhaltigkeit sind für die Innovation von Bedeutung und stellen für einen Teil des Produktionssystems einen Wettbewerbsvorteil dar, was ganz besonders auf KMU zutrifft. |
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4.1.5. |
Diese innovative Herangehensweise an die kreislauforientierte Auftragsvergabe funktioniert nicht nur auf nationaler oder regionaler Ebene, sondern zweifellos auch auf lokaler Ebene, wo ihre Wirkung für KMU und Genossenschaften am größten sein wird. So soll etwa die „Big Buyers“-Initiative der Kommission in der kreislauforientierten und nachhaltigen Bauwirtschaft innovative Beschaffungsstrategien unterstützen, deren Schwerpunkt auf emissionsfreien Baustellen, schweren Nutzfahrzeugen mit Elektroantrieb und kreislauforientierten Baustoffen liegt. |
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4.1.6. |
Kommerzielle Innovationen werden neuen Auftrieb erhalten, es ist eine fortschrittlichere Überwachung (ökonomische und ökologische Ergebnisse) zu erwarten, und die Digitalisierung der Verfahren wird kleinen Wirtschaftseinheiten die Teilnahme an Ausschreibungen erleichtern. |
4.2. Klauseln und Gütezeichen
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4.2.1. |
Die Pflicht zur Anwendung der EU-GPP-Mindestkriterien auf Ausschreibungen von beliebigem Umfang (d. h. bezogen auf 100 % des Auftragswerts und nicht nur auf einen gewissen Prozentsatz) wird den Übergang erleichtern und sicherstellen, dass die Beschaffung sowohl „grün“ als auch „nachhaltig“ ist. |
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4.2.2. |
Die verpflichtende Berücksichtigung von Sozialklauseln bei Ausschreibungen für die Vergabe von Konzessionsverträgen sowie Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträgen, insbesondere, aber nicht nur, für Verträge über arbeitsintensive Leistungen (wie Reinigung und Gastronomie u. a.), wird sicherstellen, dass die Bewertung des sozialen Aspekts — der neben den Bereichen Ökonomie und Ökologie die dritte Säule der nachhaltigen Entwicklung darstellt — ein dauerhafter Bestandteil des Ausschreibungswesens wird. |
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4.2.3. |
Sozialklauseln betreffen die korrekte Anwendung des für alle Arbeitnehmer geltenden Tarifvertrags. Sie können aber auch dem allgemeinen Interesse dienen: Beschäftigung von Risikogruppen, sozialwirtschaftliche Projekte. |
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4.2.4. |
Wann immer möglich, sollte der öffentliche Auftraggeber in den Ausschreibungsbedingungen ein Umweltzeichen oder eine Umweltzertifizierung verlangen. Umweltzeichen können für Vergabestellen ein wertvolles Instrument sein. Vergabestellen können derzeit vorschreiben, dass Waren und Dienstleistungen den technischen Spezifikationen eines Umweltzeichens entsprechen müssen. Sie können ein bestimmtes Umweltzeichen verlangen, müssen sich aber vergewissern, dass dieses bestimmte, in den Vergaberichtlinien festgelegte Voraussetzungen erfüllt. Das ist kompliziert, und den Vergabestellen fehlt es hierfür oft an Ressourcen und Zeit. |
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4.2.5. |
Umweltzeichen sind nützlich, sofern sie sich mit Aspekten der Kreislaufwirtschaft verknüpfen lassen; allerdings machen es die aktuellen Richtlinien den Vergabestellen unnötig schwer, weil sie von diesen verlangen, genau zu wissen, wofür ein bestimmtes Umweltzeichen steht. Der eigentliche Sinn eines Umweltzeichens besteht jedoch darin, der Vergabestelle die Arbeit dadurch zu erleichtern, dass sie nicht gezwungen ist, alle technischen Einzelheiten einer Ware/Dienstleistung und ihrer Auswirkungen zu verstehen. Das Umweltzeichen sollte unbedingt vertrauenswürdig und gründlich geprüft sein, um falsche Behauptungen und Greenwashing zu vermeiden. Mit zunehmender Hinwendung der Vergabestellen zu funktionaleren oder stärker leistungsbasierten Methoden wird auch die Nachfrage nach kreislauforientierten Dienstleistungen steigen. Umweltzeichen können auch für Dienstleistungen vergeben werden, so wie das neue EU-Umweltzeichen für Reinigungsdienste. |
4.3. Schulungen
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4.3.1. |
Es ist unerlässlich, öffentliche Auftraggeber mit den rechtlichen und technischen Merkmalen der kreislauforientierten öffentlichen Beschaffung und dem LCC-Konzept vertraut zu machen und diejenigen unter ihnen, die Endverbraucher sind, in der nachhaltigen Nutzung von Produkten zu schulen. Der ICLEI (11) hat in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen das GPP-Schulungs-Toolkit der Kommission aktualisiert. Ein Schulungsprogramm der Kommission für Mitarbeiter, die in verschiedenen Bereichen zu CPP-Fachleuten ausgebildet werden sollen, wäre eine Investition, die letztlich zu niedrigeren Ausgaben und mithin Einsparungen führen könnte. Soft Skills wie Kompetenzen im Rahmen des Marktdialogs sind ebenfalls von Bedeutung. Die Zusammenarbeit und der Dialog zwischen Käufern und Anbietern helfen Ersteren, das Angebot auf dem Markt zu verstehen, und Letzteren, sich auf den künftigen Bedarf der Käufer vorzubereiten. Schulungen für Mitarbeiter, die in verschiedenen Bereichen zu Fachleuten für kreislauforientierte Beschaffung ausgebildet werden sollen, sind eine Investition, die letztlich zu niedrigeren Ausgaben und mithin Einsparungen führen kann. Zudem ist es notwendig, potenzielle Anbieter — insbesondere KMU und Sozialunternehmen — bei der Teilnahme an kreislauforientierten öffentlichen Ausschreibungen zu unterstützen. |
4.4. Werbung
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4.4.1. |
Die Propagierung des CPP-Konzepts ist unverzichtbar, und zwar entweder durch eine umfassendere Vermittlung von guten Beispielen und bewährten Verfahren oder eventuell durch weitere Managementmaßnahmen wie Werbekampagnen bzw. ggf. öffentliche Initiativen und Schulungen, die der EWSA unterstützen und organisieren könnte. Neben fähigen Einkäufern erfordert die kreislauforientierte Auftragsvergabe auch engagierte Entscheidungsträger, gut informierte Verbraucher, Vertragsmanager und aufgeschlossene Anbieter, die auf neue Bedürfnisse eingehen können. Pilotprojekte stellen für öffentliche Auftraggeber eine ideale Gelegenheit dar, um Kapazitäten aufzubauen, das Bewusstsein zu schärfen und Marktveränderungen zu beschleunigen, indem sie echte Geschäftsmöglichkeiten bieten. Innovative CPP-Pilotprojekte, die praxisnahes Lernen fördern und Chancen für Weiterentwicklung und Nachahmung eröffnen, sollten auch durch künftige europäische Finanzierungsströme unterstützt werden. |
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4.4.2. |
Seit 2010 hat die Kommission 189 inspirierende Beispiele für eine umweltorientierte öffentliche Beschaffung gesammelt. Weitere zwölf werden 2021 vorbereitet. Viele dieser Beispiele zeigen auch Aspekte der kreislauforientierten öffentlichen Beschaffung. Die Kommission könnte ihre Anstrengungen verstärken, um in allen Mitgliedstaaten verbreitete bewährte Verfahren zu unterstützen (12). |
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4.4.3. |
Die Europäische Plattform der Interessenträger für die Kreislaufwirtschaft wurde im März 2017 als gemeinsame Initiative der Europäischen Kommission und des EWSA ins Leben gerufen. Sie bringt Akteure der europäischen Kreislaufwirtschaft zusammen und erleichtert den Austausch von bewährten Verfahren, Erkenntnissen und Erfahrungen im Bereich der Kreislaufwirtschaft (13), (14). |
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4.4.4. |
Manche Länder vergeben nationale Auszeichnungen im Beschaffungswesen und berücksichtigen normalerweise auch den ökologischen/innovativen/sozialen Aspekt der Auftragsvergabe. Der EWSA schlägt die Schaffung einer europäischen Auszeichnung im öffentlichen Beschaffungswesen vor. |
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4.4.5. |
Zudem sollten die EU-Institutionen mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie auf eine kreislauforientierte öffentliche Auftragsvergabe achten und dies anhand von Fallstudien demonstrieren, um die Chancen und Vorteile für alle öffentlichen Auftraggeber herauszustellen. In der Regel sollten alle Ausschreibungen GPP-Kriterien enthalten. |
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) https://ec.europa.eu/growth/single-market/public-procurement_de.
(2) Die Europäische Kommission hat hierzu 2017 eine nützliche Broschüre veröffentlicht: https://ec.europa.eu/environment/gpp/pdf/cp_european_commission_brochure_de.pdf.
(3) Vgl. den Aktionsplan der Kommission für die Kreislaufwirtschaft, die Stellungnahme des EWSA „Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ und den Initiativbericht des Europäischen Parlaments.
(4) ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 94.
(5) https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020XC0401(05)&from=DE.
(6) Vgl. den derzeit in Erarbeitung befindlichen Leitfaden der Kommission für eine sozialorientierte Beschaffung.
(7) #webuysocialeu — YouTube.
(8) Lebenszykluskosten — GPP — Umwelt — Europäische Kommission (europa.eu).
(9) Pursuing social goals through public procurement | EASME (europa.eu).
(10) https://ted.europa.eu/TED/browse/browseByMap.do.
(11) International Council for Local Environment Initiatives — Internationaler Rat für lokale Umweltinitiativen (https://iclei-europe.org).
(12) Vgl. https://ec.europa.eu/environment/gpp/case_group_en.htm.
(13) Vgl. https://circulareconomy.europa.eu/platform/en/good-practices.
(14) Ein gutes Beispiel für einen lokalen Beschaffungsplan ist der Amsterdamer Plan: https://mk0mraduurzaamnh901f.kinstacdn.com/wp-content/uploads/2020/01/MRA_CirculairInkopen_ENGdef01.pdf
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/23 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Kein Grüner Deal ohne sozialen Deal“
(Initiativstellungnahme)
(2021/C 341/03)
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Berichterstatter: |
Norbert KLUGE |
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Beschluss des Plenums |
20.2.2020 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 32 Absatz 2 der Geschäftsordnung |
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Initiativstellungnahme |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch |
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Annahme in der Fachgruppe |
11.5.2021 |
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Verabschiedung auf der Plenartagung |
9.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
213/3/12 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1. |
Staaten, Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger müssen gemeinsam grundlegende Herausforderungen angehen, die sich rasch verändern. Sie müssen gemeinsam Verantwortung dafür übernehmen, dass niemand zurückgelassen wird. Der Wiederaufbau muss sich an folgenden Prinzipien ausrichten: „Schutz der Menschenrechte und der sozialen Rechte, der demokratischen Werte und der Rechtsstaatlichkeit, Erschließung des vollen Potenzials des Binnenmarkts, Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele, einer Kreislaufwirtschaft und einer klimaneutralen EU bis spätestens 2050“ (1). Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) betont, dass die Europäische Union bei diesem Prozess eine Führungsrolle übernehmen muss, auch auf internationaler Ebene. |
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1.2. |
Der Übergang zu umweltfreundlicheren und nachhaltigeren Wirtschaftsparadigmen wird jedoch zu hohen wirtschaftlichen Kosten führen, womit das Risiko der Zunahme der sozialen Ungleichheit und der Aushöhlung des sozialen Zusammenhalts verbunden ist (2). Es wird keinen „Grünen Deal“ ohne integrierten „sozialen Deal“ geben. Es gibt mehrere politische Schlüsselelemente, die notwendig sind, um eine enge Verknüpfung zwischen Grünem Deal und sozialer Gerechtigkeit zu gewährleisten. |
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1.3. |
Eindeutig wichtige Elemente sind die Förderung von Beschäftigung und Kompetenzen, ein reibungsloser Übergang und ein dynamischer sozialer Dialog. Allerdings steht ein sozialer Deal als wesentlicher Bestandteil eines neuen Grünen Deals sicherlich nicht nur im Zusammenhang mit „Arbeit“. Es geht vielmehr um das Einkommen, die soziale Sicherheit und die finanzielle Unterstützung aller, die dies benötigen — auch derjenigen, die überhaupt keinen Zugang zu Beschäftigung haben. Die Einbeziehung aller Akteure der Zivilgesellschaft muss eine gemeinsame Anstrengung und ein gemeinsames Anliegen sein, auch bei der Entscheidungsfindung in Unternehmen; das bedeutet, dass der Inklusion der schutzbedürftigsten Gruppen Beachtung geschenkt werden muss. |
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1.4. |
Die Unternehmen müssen entsprechend ihren eigenen Möglichkeiten zum Grünen/sozialen Deal beitragen. Natürlich sollten sie auch weiterhin nach Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit streben. Zugleich können sie noch mehr tun, indem sie auf ihre Weise dazu beitragen, dass der Grüne Deal, die Aufbau- und Resilienzpläne und der industrielle Wandel ein Erfolg werden und soziale Vorteile mit sich bringen. Dies beinhaltet auch die Förderung des Unternehmertums und der besonderen Rolle der KMU wie auch der Rolle der sozialwirtschaftlichen Unternehmen, die als Akteure betrachtet werden sollten, die einen ergänzenden Beitrag dazu leisten, die regionalen und lokalen Arbeitsmärkte auf den industriellen Wandel abzustimmen. |
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1.5. |
Ein wesentliches Element eines solchen Ansatzes ist ein starker und zukunftsgerichteter sozialer Dialog (3). Damit wird auch ein Beitrag zu einer offeneren und stärker auf Mitbestimmung ausgerichteten Unternehmensführung geleistet. Zwar gehört eine wirksame Entscheidungsfindung zu den wichtigsten Voraussetzungen für den unternehmerischen Erfolg und müssen die Leitungsorgane von Unternehmen flexibel genug bleiben, um ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der einzelnen Beteiligten herzustellen, doch kann laut zahlreichen empirischen Studien der soziale Dialog auf konstruktive Weise dazu beitragen, die Qualität der Entscheidungsfindung in Unternehmen zu verbessern. Die workers‘ voice (4) zielt darauf ab, in den Unternehmen einen positiven langfristigen Wandel herbeizuführen, indem auf das interne Fachwissen über einschlägige Verfahren zurückgegriffen wird, wodurch das Risikomanagement und die Kontrolle der Regeleinhaltung verbessert werden. Hierdurch werden der Informationsstand und die Qualität der von den Leitungsorganen zu treffenden Entscheidungen erhöht. |
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1.6. |
Der EWSA pflichtet der im Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte (vom März 2021) dargelegten diesbezüglichen Sichtweise der Europäischen Kommission bei: „Sozialer Dialog, Unterrichtung, Anhörung und Beteiligung von Arbeitnehmern und ihren Vertretern auf verschiedenen Ebenen (einschließlich der betrieblichen und sektoralen Ebene) spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des wirtschaftlichen Wandels und der Förderung von Innovationen am Arbeitsplatz, insbesondere im Hinblick auf die laufende grüne und digitale Wende und die Veränderungen in der Arbeitswelt“ (5). Die Kommission empfiehlt den nationalen Behörden und den Sozialpartnern, dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer informiert und konsultiert werden, und im Interesse von Innovationen am Arbeitsplatz die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene zu fördern. |
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1.7. |
Die workers‘ voice muss in der unternehmerischen Entscheidungsfindung in Bezug auf Umstrukturierungen und Innovationen in der Arbeitswelt systematisch Gehör finden, was es auch im Rahmen der Reform des Europäischen Semesters und der nationalen Resilienzpläne zu berücksichtigen gilt. Die EU könnte dies stärker in die Gestaltung ihrer gemeinsamen Handelspolitik einfließen lassen. |
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1.8. |
Obwohl der geltende Corporate-Governance-Rahmen der EU den Unternehmen Leitlinien für die Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen der Beteiligten an die Hand gibt, erfordert eine nachhaltige Unternehmensführung ein umfassenderes und pluralistisches Verständnis dessen, was ein Unternehmen sein soll. Der EWSA erkennt die wesentliche Bedeutung der Aktionäre bei der Überwachung der Unternehmen an und plädiert dafür, Anreize für ein angemesseneres und stärker auf die Interessenträger ausgerichtetes Gesellschaftsrecht innerhalb des Corporate-Governance-Rahmens der EU zu schaffen und die workers‘ voice systematisch anzuerkennen. Umfassender geteilte Standpunkte und ein derartiger zukunftsorientierter Ansatz sollten dazu beitragen, die enormen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Digitalisierung sowie der Erholung von der COVID-19-Pandemie besser zu bewältigen.
Eine verantwortungsvolle Unternehmensführung sollte aus gesellschaftlicher Sicht betrachtet werden, wobei die den Unternehmen durch die Nachhaltigkeit entstehenden „Kosten“ mit den sich für die Gesellschaft aus einer nachhaltigeren Unternehmensführung ergebenden Vorteilen kombiniert werden. Dabei geht es nicht nur um ökologische Vorteile, sondern auch um eine inklusivere Gesellschaft, insbesondere dank einer vielfältigeren Arbeitnehmerschaft. |
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1.9. |
Die Mitsprache aller Interessenträger, insbesondere der Arbeitnehmer als tragende Säulen des Unternehmens, muss fester Bestandteil der Maßnahmen zur Förderung künftiger nachhaltiger und wettbewerbsfähiger Unternehmen in einer gesunden Umwelt sein. Bei diesem Konzept sind KMU, Genossenschaften und sozialwirtschaftliche Tätigkeiten von großer Bedeutung. |
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1.10. |
Der EWSA spricht sich dafür aus, offenere und inklusivere Reflexionen über den EU-Rahmen im Wirtschaftsbereich anzustellen, um die Rolle proaktiver Bürger als Unternehmer, Arbeitnehmer und Konsumenten/Prosumenten zu stärken und ihre demokratischen und repräsentativen Organisationen in die Lage zu versetzen, den Wandel zu antizipieren und zu gestalten (6). Zudem sollten Unternehmen so angeleitet werden, dass sie ihren Beitrag zu einer inklusiveren Gesellschaft leisten können. Dies ist die wirksamste Methode zur Erreichung des Ziels der EU, „niemanden zurückzulassen“. |
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1.11. |
Nach Ansicht des EWSA sollte für die Schaffung langfristiger Werte gesorgt werden — eine Aufgabe der Unternehmensleitung —, indem langfristige Interessen verfolgt werden, weshalb die Unternehmensleitung stärker Rechenschaft über die Unternehmensnachhaltigkeit ablegen sollte. Die Beteiligung der Arbeitnehmer über geeignete Kanäle kann sich auch positiv auf langfristige Unternehmensstrategien und -investitionen auswirken. Arbeitsmethoden wie die Arbeitnehmervertretung in Leitungsorganen haben sich bereits vielfach erwiesenermaßen positiv auf langfristige Unternehmensstrategien und -investitionen ausgewirkt (7). |
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1.12. |
Die soziale Dimension muss in der künftigen aktualisierten Industriestrategie anerkannt werden. Zudem muss sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten Rechnung getragen werden, wenn wesentliche Leistungsindikatoren (KPI) zur besseren Messung der Transformation der europäischen Industrie und ihrer Resilienz in der Zeit nach der Pandemie entwickelt werden, die bei der Aktualisierung der EU-Industriestrategie zu berücksichtigen sind, zu der die Kommission am 5. Mai 2021 eine Mitteilung veröffentlicht hat. Soziale (u. a. arbeitsbezogene) sowie wirtschaftliche und ökologische Aspekte müssen als gleichrangig betrachtet werden. Neben der Industriepolitik und den Finanzmärkten sollte in betrieblichen Buchführungssystemen und Entscheidungsprozessen auch die ökologische und soziale Dimension der KPI Beachtung finden. Dabei sind über das Finanzkapital hinaus das Natur- (8), das Sozial- und das Humankapital zu messen und zu werten. Die europäischen Rechtsvorschriften sollten Rechnungslegungsstandards in Europa fördern, die die tatsächlichen sozialen und wirtschaftlichen Kosten angemessen widerspiegeln. |
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1.13. |
Angesichts dieser Überlegungen möchte der EWSA eine politische Debatte auf allen Ebenen über die Schaffung eines neuen EU-Rahmens für die Interessenträger anstoßen. Das Europäische Parlament und die künftigen EU-Ratsvorsitze müssen eine maßgebliche Rolle bei dieser Debatte über die Frage spielen, wie die Interaktion sämtlicher beteiligter Akteure politisch gestaltet und schließlich auch in einem verbesserten EU-Rechtsrahmen für die Interessenträger verankert werden kann, der eine der Hauptvoraussetzungen für klimafreundliche und resiliente, wirtschaftlich erfolgreiche, auf lange Sicht nachhaltige — und gleichzeitig sozial verantwortliche — Unternehmen darstellt. Dabei sollte auch dem Verhalten der Anleger und der Kapitalmärkte Rechnung getragen werden. |
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1.14. |
Um eine Mitbestimmung auf europäischer Ebene zu ermöglichen und eine direkte Unterrichtung sicherzustellen, ersucht der EWSA die Europäische Kommission und das Europäische Parlament um Fortführung der Diskussion über eine EU-Rahmenrichtlinie für Mindeststandards bezüglich der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer sowie ihrer Vertretung in Leitungsorganen in den Fällen, in denen Unternehmen das EU-Gesellschaftsrecht übernehmen. |
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1.15. |
Eine hohe Qualität der unternehmerischen Entscheidungsprozesse ist für alle Interessenträger, einschließlich der Aktionäre, von größter Bedeutung. In diesem Sinne und angesichts der EU-Ziele des Grünen Deals und des Aufbauinstruments NextGenerationEU fordert der EWSA die politischen Entscheidungsträger der EU auf, den europäischen Corporate-Governance-Rahmen einschließlich der Aktionärsrichtlinie im Hinblick auf weitere Verbesserungen zu überdenken. Der EWSA betont jedoch, dass im Zusammenhang mit allen etwaigen einschlägigen regulatorischen Maßnahmen Folgenabschätzungen durchgeführt und die Grundsätze der besseren Rechtsetzung eingehalten werden müssen. |
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1.16. |
Der EWSA ist der Auffassung, dass die Zuständigkeiten aller Akteure (Unternehmen, Behörden und Zivilgesellschaft) geklärt und in einer solchen Debatte bezüglich eines besseren EU-Rahmens für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung folgende Aspekte herausgestellt werden müssen: die Verbindung zu aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und deren regionale Auswirkungen, effektive öffentliche Arbeitsverwaltungen, an die sich verändernden Arbeitsmarktstrukturen angepasste Systeme der sozialen Sicherheit sowie die Schaffung geeigneter Sicherheitsnetze in Bezug auf Mindesteinkommen und soziale Dienstleistungen für die am stärksten gefährdeten Gruppen. |
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1.17. |
Im Einklang mit dem Konzept der verantwortungsvollen Unternehmensführung für einen erfolgreichen Grünen Deal mit einem inklusiven sozialen Deal fordert der EWSA die Europäische Kommission auf, in ihr Arbeitsprogramm ein umfassenderes Stakeholder-Modell als Bezugsgröße für eine nachhaltige Unternehmensführung aufzunehmen. Die diesbezügliche Debatte könnte sich auf Entschließungen, Stellungnahmen und Berichte stützen, die vom EWSA sowie vom Europäischen Parlament bereits verabschiedet wurden. |
2. Der Grüne Deal und die Erholung von der COVID-19-Krise als Thema des gerechten Übergangs in Europa
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2.1. |
Im EU-Rechtsrahmen sind die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Ziele noch immer nicht vollständig gleichgestellt. Einerseits bezieht sich der Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (9) — mit den Zielen, Kapitalflüsse auf eine nachhaltigere Wirtschaft umzulenken, Nachhaltigkeit durchgängig in das Risikomanagement einzubeziehen sowie Transparenz und Langfristigkeit zu fördern — auf ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte der Nachhaltigkeit; andererseits sind im einheitlichen Klassifizierungssystem (Taxonomie) für nachhaltige Tätigkeiten bislang nur Kriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten festgelegt; somit wird die Definition sozialer Kriterien aufgeschoben (10). In diesem Zusammenhang betrachtet die Europäische Kommission Investoren — und auch Arbeitnehmer investieren in ihr Unternehmen — als eine treibende Kraft für die nachhaltige Entwicklung und prüft ebenfalls, wie Verbraucher und andere Interessenträger in der Nachhaltigkeitswende gestärkt werden können. |
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2.2. |
Die COVID-19-Pandemie hat beispiellose Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Unternehmen: Sie beeinträchtigt die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, die Arbeitsorganisation und die wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen von Unternehmen; gleichzeitig beschleunigt sie die Umstrukturierung und Digitalisierung von Unternehmen sowie die Polarisierung innerhalb der Arbeitsmärkte. |
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2.3. |
Angesichts dieser Unsicherheiten muss die europäische Politik echte Verbesserungen im Leben der Menschen bewirken (11). Das Sozialmodell inklusiver, pluralistischer und demokratischer Gesellschaften benötigt eine widerstandsfähige Zivilgesellschaft und ein solides und nachhaltiges soziales Umfeld, das auf nationalen Maßnahmen und der Integration im Arbeitsbereich beruht. Andernfalls drohen Nationalismus und Populismus zunehmend, demokratische Werte auszuhebeln und die soziale und politische Stabilität zu untergraben. |
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2.4. |
Es ist wirklich notwendig, ein umfassendes Konzept der sozialen Dimension zu entwickeln, um den Grünen Deal zu fördern und alle relevanten Interessenträger darin einzubeziehen. Dieser Ansatz sollte die betreffenden Politikbereiche der EU und der Mitgliedstaaten abdecken, wie etwa Beschäftigung, Sozialschutz und Sozialfürsorge, Gesundheit sowie allgemeine und berufliche Bildung. Dabei sollte der Schwerpunkt auf den am stärksten gefährdeten Gesellschaftsgruppen liegen. |
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2.5. |
Die EU-Mitgliedstaaten sollten Strukturreformen insbesondere in den Bereichen Sozialschutz, Beschäftigung sowie allgemeine und berufliche Bildung fördern, um besser auf die Herausforderungen eines gerechten Übergangs vorbereitet zu sein. Dies bedeutet aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, effektive öffentliche Arbeitsverwaltungen, an die sich verändernden Arbeitsmarktstrukturen angepasste Systeme der sozialen Sicherheit sowie die Schaffung geeigneter Sicherheitsnetze in Bezug auf Mindesteinkommen und soziale Dienstleistungen für die am stärksten gefährdeten Gruppen. |
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2.6. |
Nachhaltige Unternehmen müssen Wettbewerbsfähigkeit, Perspektiven für angemessene Arbeits- und Einkommensverhältnisse an resilienten Standorten und gesunde Rahmenbedingungen schaffen. Es handelt sich hier um eine der maßgeblichen Voraussetzungen für die Verwirklichung der europäischen Ziele und Werte im Hinblick auf einen vorteilhaften und gerechten Übergang für die gesamte Zivilgesellschaft. In Zeiten des Übergangs und der Krise ist die Einbeziehung der Arbeitnehmer und der Interessenträger wichtig und kann eine solide Grundlage für die Unterstützung der Arbeitnehmer in Unternehmen und Gesellschaften schaffen und dadurch Sicherheit und Stabilität fördern. Dies ist für den Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens in einer globalen Gesellschaft entscheidend. |
3. Hin zu einer ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltigen Unternehmensführung
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3.1. |
Unterrichtung, Anhörung und Vertretung von Arbeitnehmern in Leitungsorganen sind ein zentrales Thema der Politik nachhaltiger Unternehmen und unterstreichen die Bedeutung der längerfristigen Planung und der Qualität der Entscheidungsfindung im Rahmen einer Wirtschaftsreformagenda; dabei müssen jedoch nationale und unternehmensbezogene Unterschiede berücksichtigt werden (12). In diesem Zusammenhang wird der „gute Ruf“ eines Unternehmens zu einem Wettbewerbsvorteil. Im Zuge einer nachhaltigen Unternehmensführung muss eine langfristige und pluralistische Ausrichtung der Unternehmensentscheidungen gefördert werden, wobei es die Genauigkeit, Qualität und Effizienz der Entscheidungsfindung zu wahren gilt. Die rechtlichen Interessen der Unternehmen, an die Pflichten der Unternehmensleitung gebunden sind, sind von den Interessen der Aktionäre zu unterscheiden, die zuweilen auf kurzfristige Gewinne ausgerichtet sind. Ein pluralistischer, langfristiger und nachhaltiger Ansatz sollte auch die Interessen der Arbeitnehmer und anderen beteiligten Akteure berücksichtigen. |
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3.2. |
Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission erste Schritte in Richtung einer möglichen Gesetzgebungsinitiative zur Sorgfaltspflicht unternommen. Der EWSA unterstützt diese Initiativen mit Nachdruck (13). |
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3.3. |
Außerdem sollte ein neues Paradigma für die Antizipierung und Bewältigung des Wandels als Komponente einer „verantwortungsvollen“ Unternehmensführung erörtert und entwickelt werden, die neben den Kosten und Produktivitätsindikatoren auch den sozialen Kosten von Umstrukturierungen und Veränderungen sowie dem Beitrag eines Unternehmens zu einer inklusiveren Gesellschaft Rechnung trägt. Darüber hinaus gilt es die Auswirkungen auf die Einkommensverteilung, die alters- und geschlechterspezifische Gleichstellung, die Arbeitsplätze, die Umwelt- und Beschäftigungsqualität sowie die Nachhaltigkeit und die soziale Inklusion zu berücksichtigen (14). |
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3.4. |
Soziale Fragen haben in den KPI für die Finanzanalyse und Unternehmensbewertung noch nicht den gleichen Stellenwert. Während die Europäische Kommission die Europäische Beratergruppe für Rechnungslegung (EFRAG) beauftragt hat, einen europäischen Rechnungslegungsstandard zu entwickeln, gibt es noch keinen globalen Folgenabschätzungs- und -bewertungsstandard für die Monetarisierung und Ausweisung der Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit. Es würde den Unternehmen den Übergang zur Klimaneutralität erleichtern, wenn sie ihre Auswirkungen messen, bepreisen und bei der Rechnungslegung ausweisen würden. |
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3.5. |
In dieser Hinsicht sollten nach Auffassung des EWSA im Rahmen der bevorstehenden Überarbeitung der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen eindeutige Fortschritte bei Berichterstattungsstandards in Bezug auf Sozial- und Arbeitsaspekte der Governance erreicht werden, einschließlich Arbeitsbedingungen, Gleichstellung in Leitungsorganen und Beschäftigung von benachteiligten Arbeitnehmern oder Arbeitnehmern mit Behinderungen. Die Unternehmensnachhaltigkeit sollte unter allen Aspekten gemessen und exakt bewertet werden. |
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3.6. |
Im Einklang mit den Zielen des Grünen Deals und des Wiederaufbaus muss das bislang in der Erwirtschaftung von Gewinnen für die Aktionäre bestehende Ziel der Unternehmensführung nun in gleichem Maße durch die Wahrnehmung der sozialen und ökologischen Verantwortung ergänzt werden (15). Daher müssen Kanäle sichergestellt werden, damit der workers‘ voice im unternehmerischen Entscheidungsprozess systematisch Gehör geschenkt wird. |
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3.7. |
Wie bereits in seiner Stellungnahme zum Thema „Umstellung auf eine grüne und digitale Wirtschaft in Europa“ (16) fordert der EWSA die Kommission auf, die soziale Dimension in der angepassten und aktualisierten Industriestrategie zu stärken und weiterzuentwickeln. Dies dürfte sich auch auf die zu entwickelnden KPI auswirken, z. B. insofern als die Einbeziehung sozialer Indikatoren erwogen werden könnte. Es bedarf eines Mitspracherechts für Arbeitnehmer und Vertreter der Zivilgesellschaft in den Konsultationen über geeignete KPI zur Messung des Erfolgs des Grünen Deals sowohl auf Branchen- als auch auf Unternehmensebene. |
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3.8. |
Es erscheint angezeigt zu untersuchen, ob der EU-Rechtsrahmen dazu beitragen sollte, einen Mindeststandard für eine obligatorische Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer über geeignete Kanäle für die workers‘ voice (17), z. B. auf Ebene der Leitungsorgane, festzulegen, um eine frühzeitige Information und Konsultation der Arbeitnehmer sowie die Antizipierung von Veränderungen zu gewährleisten. Trotz der bisher positiven Bilanz in diesem Bereich müssen die Umsetzung und Durchsetzung noch verbessert werden. |
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3.9. |
Gleichzeitig muss die Gleichstellung von Frauen und Männern in Leitungsorganen und Führungspositionen gestärkt werden. Zu verhindern sind die Umgehung oder Verringerung der Arbeitnehmervertretung in Leitungsorganen, unternehmensrechtliche Tricks und künstliche Konstrukte wie Briefkastenfirmen, die nur dazu dienen, die Arbeitnehmermitbestimmung zu unterbinden. Für die im nationalen Recht von mindestens zwölf Mitgliedstaaten vorgesehene Arbeitnehmervertretung in Leitungsorganen, die in der Regel als Mitbestimmung verstanden wird, impliziert dies ein Konzept, mit dem aktiv ein verbindliches Mindestniveau an Mitspracherechten auf der Grundlage gemeinsamer EU-Mindeststandards für die Arbeitnehmervertretung entwickelt und gefördert wird. Ein Beispiel hierfür ist die EBR-Richtlinie, die besser auf die aktuellen Gegebenheiten und künftigen Erfordernisse transnationaler Umstrukturierungen zugeschnitten werden sollte, indem den Europäischen Betriebsräten die notwendigen Ressourcen und Kompetenzen zur Verfügung gestellt sowie Sanktionen gegen Unternehmen verhängt werden, die gegen die entsprechenden Bestimmungen verstoßen. Auch Branchenkonsultationen sollten aktiver genutzt werden. |
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3.10. |
Ein soziales Europa muss sich an gemeinsamen Regeln orientieren, die sicherstellen, dass sich Unternehmen und ihre Eigentümer an eine „verantwortungsvolle Unternehmensführung“ halten. Dies ist ein Kernelement eines wirksamen sozialen Dialogs (18). Ein verbindlicher EU-Rechtsrahmen für die Sorgfaltspflicht und das verantwortungsvolle unternehmerische Handeln — unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerbeteiligung — wird in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle spielen. |
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3.11. |
Die „durchgängige Berücksichtigung der Mitbestimmung“ sollte ein übergreifendes Strukturelement in allen europäischen Rechtsvorschriften und Initiativen mit Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen werden, um soziale Sicherheit und Wachstum zu fördern. |
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) EESC proposals for post-COVID-19 recovery and reconstruction: towards a new societal model [Vorschläge des EWSA für den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Erholung nach der Covid-19-Krise: Hin zu einem neuen Gesellschaftsmodell].
(2) ABl. C 47 vom 11.2.2020, S. 30.
(3) ABl. C 10 vom 11.1.2021, S. 14.
(4) Die Betriebsräte und Arbeitnehmervertreter in den Leitungsorganen zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen auf Arbeitsplatz- und Unternehmensebene interagieren je nach nationalem Kontext unterschiedlich als funktionale Äquivalente mit dem sozialen Dialog und den Tarifverhandlungssystemen. Unterrichtung und Anhörung sind auf EU-Ebene in der Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat (EBR) definiert. Was die Vertretung in Leitungsorganen betrifft, so beziehen sich die EU-Rechtsvorschriften über die Europäische Gesellschaft (SE) nur auf bereits bestehende nationale Bestimmungen. Um generell verständlich zu machen, worum es in der Stellungnahme geht, wird darin daher der allgemeinere Oberbegriff workers‘ voice verwendet.
(5) https://ec.europa.eu/info/files/european-pillar-social-rights-action-plan_de.
(6) Die Europäische Kommission bereitet derzeit eine Initiative zur Stärkung der Rolle der Verbraucher beim ökologischen Wandel vor, die sich auch auf bestimmte soziale Aspekte erstrecken wird. Darüber hinaus wird es eine Initiative für nachhaltige Produkte geben, der zufolge Informationen über die Nachhaltigkeitskriterien bestimmter Produktkategorien bereitgestellt werden müssen und die auch soziale Aspekte abdecken wird.
(7) Diese Aspekte werden in dem anstehenden Legislativvorschlag der Kommission zu nachhaltiger Unternehmensführung und insbesondere im Teil über die Pflichten der Unternehmensleitung behandelt. Nach Auffassung der Kommission müssen Gewerkschaften und Interessenträger frühzeitig in die konzeptionelle Diskussion einbezogen werden.
(8) Die Europäische Kommission arbeitet bereits mit Unternehmen im Bereich der Naturkapitalbilanzierung zusammen. Da es verschiedene Methoden gibt, wird versucht, diese zu rationalisieren und hierfür gemeinsame Standards zu entwickeln. Gewerkschaften und Interessenträger sollten in die Entwicklung solcher Standards einbezogen werden.
(9) COM(2018) 97 final.
(10) Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088 (ABl. L 198 vom 22.6.2020, S. 13).
(11) ABl. C 228 vom 5.7.2019, S. 24.
(12) ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 35.
(13) ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 136.
(14) Beispielsweise könnten die Überlegungen der „Value Balancing Alliance“ dazu beitragen, dass Investitionen in Fachkräfte in Unternehmensbilanzen mehr Gewicht erhalten. Im Rahmen dieser Allianz arbeiten derzeit die Vorstände mehrerer — deutscher — Großunternehmen zusammen. https://www.value-balancing.com/.
(15) ABl. C 106 vom 31.3.2020, S. 1.
(16) ABl. C 56 vom 16.2.2021, S. 10.
III Vorbereitende Rechtsakte
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
561. Plenartagung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — JDE 62 — Videokonferenz über Interactio, 9.6.2021-10.6.2021
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/29 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Gründung von gemeinsamen Unternehmen im Rahmen von ‚Horizont Europa‘“
(COM(2021) 87 final — 2021/0048(NLE))
(2021/C 341/04)
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Berichterstatterin: |
Anastasis YIAPANIS |
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Befassung |
Rat der Europäischen Union, 6.5.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 187 und 188 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch |
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Beschluss des Präsidiums |
23.3.2021 |
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Verabschiedung im Plenum |
9.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
160/0/3 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist der Auffassung, dass die Endergebnisse der Tätigkeit der gemeinsamen Unternehmen für die Zukunft der europäischen Wirtschaft maßgebend sind. Jetzt ist die beste Zeit, alle verfügbaren Ressourcen zur mobilisieren, unsere Wirtschaft umzugestalten und bahnbrechende Technologien und nachhaltige Wirtschaftsmodelle zu fördern. |
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1.2. |
Im Mittelpunkt der Interaktion und Zusammenarbeit mit anderen europäischen Partnerschaften sollten strategische und wirkungsorientierte Ergebnisse stehen. Synergien zwischen den verschiedenen EU-Finanzierungsprogrammen und den politischen Maßnahmen sowie zwischen den europäischen und den nationalen Fördermitteln auf Ebene der Mitgliedstaaten sind für die Gewährleistung der größtmöglichen Wirkung von FuI-Projekten von ausschlaggebender Bedeutung. |
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1.3. |
Es ist nicht ganz klar, ob und wie die europäischen Partnerschaften für möglichst viele Interessenträger zugänglich gemacht werden. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Grundsätze der offenen Beteiligung und der Transparenz den Tätigkeiten aller gemeinsamen Unternehmen zugrunde liegen sollten. |
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1.4. |
Die Beteiligung der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft — sowohl als Anbieter von Fachwissen als auch als Kommunikationskanäle — ist für den Erfolg der gemeinsamen Unternehmen enorm wichtig. Der EWSA fordert einen ständigen zivilgesellschaftlichen Dialog im Rahmen der bestehenden Beratungsgruppen der gemeinsamen Unternehmen und die Einbeziehung der einschlägigen Sozialpartner und zivilgesellschaftlichen Organisationen in die Interessengruppen der gemeinsamen Unternehmen. |
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1.5. |
Die Anwendung unterschiedlicher Vorschriften auf die verschiedenen gemeinsamen Unternehmen führt zu Unklarheiten, weshalb sich der EWSA für einen einheitlichen Ansatz unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten ausspricht. |
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1.6. |
Der EWSA ist besorgt über die begrenzte Zahl von Organisationen, die als private Gründer für mehrere Unternehmen fungieren können. Außerdem fordert er Offenheit und Transparenz bei der Auswahl der assoziierten Mitglieder. Die gemeinsamen Unternehmen sollten sich darum bemühen, möglichst viele Mitgliedstaaten zu gewinnen. Die Vorteile einer Mitgliedschaft sind angesichts des Grundsatzes der offenen Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen sehr begrenzt. Deshalb sollte die Zahl der Sitze für Vertreter des privaten Sektors im Verwaltungsrat erhöht werden, wie dies beim Gemeinsamen Unternehmen Clean Aviation der Fall ist. |
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1.7. |
Artikel 26 Absatz 4 Buchstabe b sollte wie folgt umformuliert werden: „Finanzbeiträgen der Mitglieder und der beitragenden Partner zum gemeinsamen Unternehmen zur Deckung der Betriebskosten“. Die Rolle der beitragenden Partner ist in Bezug auf die Beteiligung an den Tätigkeiten, die Mitwirkung am Management, die Vorteile für die Bereitstellung von Finanzmitteln usw. unklar. |
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1.8. |
Es gilt, die Hebelwirkung der EU-Finanzierung so weit wie möglich sicherzustellen und private Beiträge zu fördern, die die Kapazitäten der Beitragszahler widerspiegeln. Der EWSA begrüßt den Vorschlag, die jährlichen Kosten für KMU deutlich zu senken, und spricht sich dafür aus, einen Teil der Haushaltsmittel der gemeinsamen Unternehmen für KMU-Aktivitäten aufzuwenden. |
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1.9. |
Der EWSA spricht sich für eine präzise Erläuterung des Verfahrens für die Erstellung des Arbeitsprogramms für die einzelnen gemeinsamen Unternehmen in Teil I der Verordnung aus. Die abschießenden Forschungsergebnisse sollten allen Interessenträgern in der EU in vollem Umfang zur Verfügung gestellt werden. |
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1.10. |
Der EWSA begrüßt nachdrücklich den Vorschlag, Partner von der Pflicht zur Berichterstattung über nicht förderfähige Kosten zu befreien. |
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1.11. |
Es gilt, weiterhin die Eigeninteressen der EU zu verfolgen und den Europäischen Forschungsraum sowie die Innovationsfähigkeit Europas zu stärken. Der EWSA weist ausdrücklich darauf hin, dass die Ergebnisse der Forschungsarbeiten der gemeinsamen Unternehmen in der EU und unter Einsatz europäischer Technologien im Interesse der europäischen Industrie genutzt werden sollten. |
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1.12. |
Europäische Innovationen und Patente sollten vor feindseligen Absichten und Wirtschaftsspionage gut geschützt werden. Die Umsetzung des europäischen Einheitspatents ist ein Muss. Das geistige Eigentum und Patente sind ein zentrales Thema, werden im Legislativvorschlag der Kommission jedoch nicht erwähnt. |
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1.13. |
Der EWSA begrüßt die Überwachungspflichten in Bezug auf die Beteiligung von KMU, die geografische Zusammensetzung und den Konfinanzierungssatz. Auch qualitative Indikatoren z. B. in Bezug auf die Art der erzielten Innovationen, die Vorteile für die Zivilgesellschaft und die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze sollten eingeführt werden. |
2. Einführung
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2.1. |
Die europäische Aufbaustrategie ist sehr klar. In ihrem Mittelpunkt steht der grüne und der digitale Wandel sowie die Bekämpfung strategischer Abhängigkeiten. In diesem Zusammenhang kommt den gemeinsamen Unternehmen eine sehr wichtige Rolle zu, wenn es darum geht, europäisches Know-how aus verschiedenen Wirtschaftszweigen zusammenzubringen, die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, die Kompetenzen zu verbessern und die industrielle Basis zu stärken. |
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2.2. |
Die Europäische Kommission schlägt vor, im Rahmen des Pfeilers II von Horizont Europa — „Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas“ — neun gemeinsame Unternehmen zu schaffen: Kreislauforientiertes biobasiertes Europa, Saubere Luftfahrt, Sauberer Wasserstoff, Europas Eisenbahnen, Global Health EDCTP3, Initiative zu Innovation im Gesundheitswesen, Digitale Schlüsseltechnologien, Single European Sky ATM Research (Forschung zum Flugverkehrsmanagement im einheitlichen europäischen Luftraum) und Intelligente Netze und Dienste. |
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2.3. |
Die Agenden aller gemeinsamen Unternehmen sollten auf dem Europäischen Grünen Deal (1), der Europäischen Digitalen Strategie (2) und den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (3) beruhen und zur Verwirklichung der Ziele der „Aktualisierung der Industriestrategie von 2020: hin zu einem stärkeren Binnenmarkt für die Erholung Europas“ (4) beitragen. Die europäischen Sozialpartner und Organisationen der Zivilgesellschaft, KMU, öffentliche Stellen und andere Interessenträger sollten darin ebenfalls Berücksichtigung finden. Das ist bisher nicht der Fall. |
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2.4. |
Hauptziel der gemeinsamen Unternehmen ist es, die Forschung und Innovation in der gesamten Union zu fördern und gleichzeitig den wirtschaftlichen, sozialen, digitalen und ökologischen Wandel zu beschleunigen. Es liegt auf der Hand, dass gemeinsame Unternehmen in der Lage sind, solide öffentlich-private Partnerschaften aufzubauen, die die Führungsrolle der EU stärken, die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum ankurbeln und zur Drehscheibe für Know-how, Fachwissen und wissenschaftliche Spitzenleistungen aus der gesamten Union und aus Drittländern werden können. Der Austausch von Wissen zwischen den Regionen, Bürgern und Unternehmen ist äußerst wichtig. |
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2.5. |
Forschung und Innovation spielen auch für die Erholung Europas nach der Pandemie eine Schlüsselrolle, da sie die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, die Schaffung von Arbeitsplätzen und nachhaltiges Wachstum gewährleisten und zur Autonomie Europas beitragen. Nur durch große Investitionen in FuI wird sich die EU auf der Weltbühne behaupten können. Jetzt ist die beste Zeit, alle verfügbaren Ressourcen zur mobilisieren, unsere Wirtschaft umzugestalten und bahnbrechende Technologien und nachhaltige Wirtschaftsmodelle zu fördern. |
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2.6. |
In Bezug auf die Investitionen in die FuI hinkt die EU anderen Teilen der Welt, insbesondere den USA und Asien, hinterher. Gleiches gilt für die Kapazität und die Geschwindigkeit der Übertragung von FuE-Ergebnissen in innovative Produkte und Dienstleistungen. Langfristig ist dies nicht hinnehmbar. Europa kann nur dann weltweit führend werden, wenn es die Dynamik nutzt, die durch Horizont 2020 geschaffen wurde. Der EWSA hat bereits mahnend darauf hingewiesen, dass „In Europa entwickelte Technologien […] nur zu oft andernorts vermarktet [werden]. Der EU ist es nicht gelungen, Technologiegiganten hervorzubringen. Zu wenige junge und besonders innovative Unternehmen wachsen zu großen FuE-intensiven Unternehmen heran“ (5). |
3. Allgemeine Bemerkungen
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3.1. |
Gemeinsame Unternehmen mobilisieren europäische, nationale und private Mittel, um die wichtigsten Akteure aus der europäischen Forschung (auch aus den assoziierten Ländern) zusammenzubringen. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Endergebnisse ihrer Tätigkeit für die Zukunft der europäischen Wirtschaft maßgebend sind. |
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3.2. |
Die Arbeit aller gemeinsamen Unternehmen sollte sich durch vollständige Transparenz und ehrgeizige zielorientierte Tätigkeiten auszeichnen. Die Interaktion und Zusammenarbeit mit anderen europäischen Partnerschaften, insbesondere mit den rund 120 Partnerschaften im Rahmen von Horizont 2020, sollten auf strategische und wirkungsorientierte Ergebnisse ausgerichtet sein. „Um mit FuI-Projekten die größtmögliche Wirkung zu erzielen, kommt es [schließlich] entscheidend darauf an, durch kompatible Vorschriften Synergien zwischen den einzelnen EU-Förderprogrammen und -maßnahmen und insbesondere zwischen den Strukturfonds zu schaffen“ (6). |
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3.3. |
Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, europäische Partnerschaften für so viele Interessenträger wie möglich zugänglich zu machen. Es ist jedoch nicht ganz klar, ob und wie dies tatsächlich geschehen soll. Die Anzahl der privaten Gründungsmitglieder ist recht begrenzt, während die assoziierten Mitglieder von einem eingeschränkten Verwaltungsrat ausgewählt werden sollen. Ferner ist nicht klar, wie die beitragenden Partner für die Teilnahme an den gemeinsamen Unternehmen gewonnen werden sollen. Schließlich ist der EWSA der Auffassung, dass die Grundsätze der offenen Beteiligung und der Transparenz den Tätigkeiten aller gemeinsamen Unternehmen zugrunde liegen sollten. |
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3.4. |
Der EWSA verweist darauf, dass in Teil II der Verordnung bisweilen unterschiedliche Ansätze und Organisationsvorschriften für die gemeinsamen Unternehmen zu gelten scheinen. Es gilt, die Hebelwirkung der EU-Finanzierung so weit wie möglich sicherzustellen und private Beiträge zu fördern, die die Kapazitäten der Beitragszahler widerspiegeln. |
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3.5. |
Eine geografisch ausgewogene Vertretung wird nur vom gemeinsamen Unternehmen Europe Rail in Form einer Organisationsvorschrift vorausgesetzt. Auch wenn die Zusammenarbeit zwischen den gemeinsamen Unternehmen äußerst wichtig ist, wird dies nur bei den gemeinsamen Unternehmen Clean Aviation und SESAR erwähnt. |
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3.6. |
Darüber hinaus stellt der EWSA fest, dass beim Gemeinsamen Unternehmen für sauberen Wasserstoff, beim EDCTP3, beim Gemeinsamen Unternehmen für intelligente Netze und Dienste und beim Gemeinsamen Unternehmen für digitale Schlüsseltechnologien die Auswahl assoziierter Mitglieder nicht erwähnt wird. Darüber hinaus müssen die assoziierten Mitglieder in einigen Fällen von der Kommission gebilligt, in anderen wiederum lediglich vom Verwaltungsrat ausgewählt werden. Der EWSA ist der Auffassung, dass einheitliche Regeln mehr Klarheit schaffen würden. |
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3.7. |
Der EWSA ist besorgt über die begrenzte Zahl von Organisationen, die als private Gründer für mehrere Unternehmen fungieren können. Es ist äußerst wichtig, dass die Verfügbarkeit und die Zugänglichkeit zu den gemeinsamen Unternehmen so weitreichend wie möglich ist. Der EWSA fordert eine gründliche Analyse in Bezug auf die Erweiterung der vorgeschlagenen Gründungsmitglieder für alle gemeinsamen Unternehmen und in Bezug auf die Offenheit und Transparenz bei der Auswahl der assoziierten Mitglieder. Um die Kohärenz mit den nationalen und regionalen politischen Maßnahmen zu gewährleisten, sollten sich die gemeinsamen Unternehmen darüber hinaus darum bemühen, möglichst viele Mitgliedstaaten zu gewinnen. Die Vorteile einer Mitgliedschaft sind angesichts des Grundsatzes der offenen Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen sehr begrenzt. Deshalb ist der EWSA der Auffassung, dass die Zahl der Sitze für Vertreter des privaten Sektors im Verwaltungsrat erhöht werden sollte, wie dies beim Gemeinsamen Unternehmen Clean Aviation der Fall ist. |
4. Besondere Bemerkungen
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4.1. |
Die Mitgliedstaaten verfügen über unterschiedliche strukturelle Innovationsökosysteme und die Erfolge der Forschungs- und Innovationsarbeiten sind ebenfalls unterschiedlich. Der EWSA fordert Investitionen und eine Beteiligung aller Mitgliedstaaten, insbesondere jener, die weniger weit fortgeschritten sind. Die Tätigkeiten der gemeinsamen Unternehmen müssen mit anderen Forschungs- und Innovationsprogrammen der EU abgestimmt werden, so auch mit der Aufbau- und Resilienzfazilität (7). Die Mitgliedstaaten sollten angehalten werden, strukturierte Verknüpfungen ihrer nationalen Aufbaupläne mit den strategischen Forschungs- und Innovationsagenden zu schaffen und Synergien aufzubauen, u. a. mit den Finanzierungsprogrammen auf nationaler Ebene. |
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4.2. |
Der EWSA begrüßt, dass sich der Beitrag aus dem EU-Haushalt auf fast 10 Mrd. EUR beläuft. In einigen entscheidenden Sektoren sollte er jedoch erhöht werden, um wichtige zusätzliche Ressourcen aus dem privaten Sektor und den Haushalten der Mitgliedstaaten zu mobilisieren. Die im Dezember 2020 erzielte Einigung über den mehrjährigen Finanzrahmen und über die Zuweisung von 5 Mrd. EUR aus dem Programm NextGenerationEU für Horizont Europa sollte zu einer Aufstockung der Finanzierung der gemeinsamen Unternehmen führen und Sektoren abdecken, die von der COVID-19-Pandemie schwer betroffen bzw. mit strategischen Abhängigkeiten konfrontiert sind. Artikel 26 Absatz 4 Buchstabe b sollte jedoch wie folgt umformuliert werden: „Finanzbeiträgen der Mitglieder und der beitragenden Partner zum gemeinsamen Unternehmen zur Deckung der Betriebskosten“; |
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4.3. |
Der EWSA spricht sich für mehr Klarheit und Transparenz und für eine Ex-ante-Kosten-Nutzen-Analyse in Bezug auf den Vorschlag aus, um ein gemeinsames Backoffice für alle gemeinsamen Unternehmen einzurichten. So ließe sich auch bewerten, ob ein echter Mehrwert und Effizienzgewinne erzielt werden können. Darüber hinaus erwartet der EWSA eine umfassende Transparenz der Verwaltung des Backoffice gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen sowie den Einsatz der verfügbaren Spitzentechnologien, einschließlich Blockchain, Big-Data-Analyse usw. |
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4.4. |
Die Beteiligung der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft ist für den Erfolg der gemeinsamen Unternehmen enorm wichtig. Sie sollten sowohl als Sachverständige als auch als Kommunikationskanäle umfassend einbezogen werden, damit der Fortschritt und die Endergebnisse die gesamte europäische Wirtschaft sowie die Arbeitnehmer, Verbraucher und Bürger erreichen. Der EWSA fordert einen ständigen zivilgesellschaftlichen Dialog im Rahmen der bestehenden Beratungsgruppen der gemeinsamen Unternehmen und die Einbeziehung der einschlägigen Sozialpartner und zivilgesellschaftlichen Organisationen in die Interessengruppen. |
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4.5. |
Der EWSA ist der Auffassung, dass bei der Organisation der gemeinsamen Unternehmen Unterschiede gemacht werden sollten, da sie in unterschiedlichen Sektoren mit jeweils spezifischen Merkmalen angesiedelt sind. Die Grundsätze der offenen Beteiligung für alle interessierten Kreise und der Zugang von KMU sollten jedoch für alle gemeinsamen Unternehmen festgelegt werden. Dies ist zur Zeit nicht der Fall. Der EWSA hat bereits betont, dass trotz „der Bemühungen in früheren Rahmenprogrammen […] KMU stärker an Tätigkeiten auf der Grundlage von FuI beteiligt werden [sollten], wobei Horizont Europa die ideale Möglichkeit bietet, sie, an Bord zu holen“ (8)“. |
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4.6. |
KMU haben die gleichen Probleme und benötigen Unterstützung bei der Expansion und beim Zugang zu internationalen Märkten. Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass die jährlichen Verwaltungskosten für KMU deutlich niedriger sein sollten als für Großunternehmen. Es ist jedoch nicht klar, warum KMU-Vertreter in einigen Verwaltungsräten vertreten sind (z. B. im Gemeinsamen Unternehmen für ein kreislauforientiertes biobasiertes Europa und im Gemeinsamen Unternehmen für saubere Luftfahrt), in anderen jedoch nicht. |
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4.7. |
Nach Auffassung des EWSA sollte ein Teil der Haushaltsmittel der gemeinsamen Unternehmen für KMU-Aktivitäten vorgesehen werden. Diese Mittel sollten nach der Gründung der gemeinsamen Unternehmen möglichst bald zur Verfügung gestellt und auf der offiziellen Website jedes gemeinsamen Unternehmens deutlich sichtbar gemacht werden. |
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4.8. |
Die Kommission muss sicherstellen, dass die verfügbaren Mittel allen interessierten Teilnehmern offenstehen, die auf die Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen der gemeinsamen Unternehmen reagieren. Außerdem muss sie gewährleisten, dass die Annahme von Projekten transparent und fair verläuft. Der EWSA verweist mahnend darauf, dass einige Organisationen, die von den Gründungsmitgliedern in den gemeinsamen Unternehmen unterstützt werden, über eine Art bevorzugten Zugang verfügen könnten. Dies würde das Programm zu einem umfangreichen Förderprogramm machen, was nach Ansicht des EWSA gänzlich inakzeptabel wäre. |
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4.9. |
Der EWSA spricht sich für eine präzise Erläuterung des Verfahrens für die Erstellung des Arbeitsprogramms für die einzelnen gemeinsamen Unternehmen in Teil I der Verordnung aus. Natürlich sind Fälle zu vermeiden, in denen gemeinsame Unternehmen Forschungsprogramme finanzieren, die die Unternehmen ohnehin durchgeführt hätten. Schließlich spricht sich der EWSA dafür aus, dass die abschließenden Forschungsergebnisse allen Interessenträgern in der EU zur Verfügung gestellt werden. |
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4.10. |
In Bezug auf die Vereinfachung begrüßt der EWSA nachdrücklich den Vorschlag, Partner von der Pflicht zur Berichterstattung über nicht förderfähige Kosten zu befreien. Darüber hinaus begrüßt er auch, dass die zusätzlichen Kosten für Tätigkeiten nunmehr weder vom gemeinsamen Unternehmen noch von einer anderen EU-Behörde geprüft werden müssen. |
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4.11. |
Für den Erfolg der gemeinsamen Unternehmen ist es wichtig, dass möglichst viele internationale Interessenträger zusammenkommen. Es gilt jedoch, weiterhin vorrangig die Interessen der EU zu verfolgen und den Europäischen Forschungsraum sowie die Innovationsfähigkeit Europas zu stärken. Der EWSA weist ausdrücklich darauf hin, dass die Ergebnisse der Forschungsarbeiten der gemeinsamen Unternehmen in der EU und unter Einsatz europäischer Technologien im Interesse der europäischen Industrie genutzt werden sollten. |
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4.12. |
Der EWSA hat bereits darauf hingewiesen, dass die EU ohne Menschen mit den entsprechenden Kompetenzen und „ohne kluge Maßnahmen im Bereich des geistigen Eigentums […] ihre Vorreiterrolle bei der Innovation nicht behaupten [kann]. Es ist dafür zu sorgen, dass europäische Innovationen und Patente gut vor feindseligen Absichten und Wirtschaftsspionage geschützt werden. Die Umsetzung des europäischen Einheitspatents ist daher unabdingbar“ (9). Im Jahr 2019 reichte Asien beispielsweise 65 % der weltweiten Patentanmeldungen ein, Europa 11,3 % (10). Geistiges Eigentum und Patente sind ein zentrales Thema, werden im Kommissionsvorschlag aber bedauerlicherweise nicht erwähnt. |
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4.13. |
Der EWSA begrüßt Artikel 171, der sich mit der Überwachung und Evaluierung der gemeinsamen Unternehmen befasst. Er begrüßt insbesondere die Überwachungspflichten in Bezug auf die Beteiligung von KMU, die geografische Zusammensetzung und den Konfinanzierungssatz. Der EWSA schlägt jedoch vor, den Begriff „regelmäßig“ durch „jährlich“ oder „zweijährlich“ zu ersetzen, um Missverständnisse zu vermeiden. Aus demselben Grund sollte die Kommission klarstellen, welche Dienststelle für die Überwachung zuständig ist. |
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4.14. |
Der EWSA hält an seiner Auffassung fest, dass die „‚Intelligenz‘ eines sozioökonomischen Systems […] nicht ausschließlich anhand quantitativer Indikatoren, wie zum Beispiel Ausgaben für Forschung und Innovation, gemessen werden [kann]. Es sollten vielmehr auch qualitative Indikatoren herangezogen werden, darunter die Art der eingebrachten Innovationen, der Nutzen für die Zivilgesellschaft und die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze“ (11). |
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) COM(2019) 640 final.
(2) COM(2020) 67 final.
(3) Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.
(4) https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_21_1884.
(5) ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 108.
(6) ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 33.
(7) Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17)..
(8) ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 33.
(9) ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 108.
(10) World Intellectual Property Indicators 2020.
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/34 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Beteiligung der Union an der von mehreren Mitgliedstaaten gemeinsam durchgeführten europäischen Partnerschaft für Metrologie“
(COM(2021) 89 final — 2021/0049 (COD))
(2021/C 341/05)
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Berichterstatter: |
Philip VON BROCKDORFF |
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Befassung |
Europäisches Parlament, 17.5.2021 Rat, 5.5.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch |
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Annahme in der Fachgruppe |
11.5.2021 |
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Verabschiedung im Plenum |
9.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
229/0/3 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine Europäische Partnerschaft für Metrologie zur Förderung von Forschung und Innovation im Bereich fortschrittlicher Kommunikationstechnologien. Dazu gehören, um nur einige zu nennen, 5G-Netze, das Internet der Dinge, intelligente Stromnetze und intelligente Gebäude, Automobiltechnologien der nächsten Generation und intelligente Fertigung. |
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1.2. |
Der EWSA hält den Vorschlag für einen wichtigen Schritt hin zu einer europäischen Wirtschaft, die in Industrie, Technologie und Digitalisierung führend ist. Eine fortgeschrittene Metrologie kann bei einigen der größten Herausforderungen Europas — von der Gesundheitsversorgung bis hin zum Klimawandel — hilfreich sein. Die Harmonisierung und die grenzüberschreitende Kompatibilität im Messwesen sind dabei jedoch von entscheidender Bedeutung. |
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1.3. |
Der EWSA ist der Auffassung, dass die europäischen Metrologienetze, die stark auf den Interessenträgern und ihren Bedürfnissen aufbauen, wirksamer zur Forschungs- und Innovationsagenda der Europäischen Partnerschaft für Metrologie beitragen werden. |
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1.4. |
Der EWSA begrüßt auch die Finanzierung gemeinsamer Forschungsprojekte in diesem Bereich, da dies zweifellos dazu beitragen wird, das Innovationstempo mit Hilfe messtechnischer Lösungen, Kapazitäten und Infrastruktur zu erhöhen. Damit dürften sich die Aussichten vergrößern, dass EU-Unternehmen neue oder deutlich verbesserte Produkte und Dienstleistungen herstellen oder anbieten können. |
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1.5. |
Der EWSA hält die Zusammenarbeit mit Beteiligten der Metrologie-Wertschöpfungskette für sehr wichtig, um für eine hohe Akzeptanz der neuen Technologien zu sorgen und zur Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen zu können. |
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1.6. |
Der EWSA ist ferner überzeugt, dass eine Stärkung des europäischen Wettbewerbsvorteils bei neuen Technologien und der Entwicklung neuer Produkte nur durch einen gesamteuropäischen Ansatz im Bereich der Metrologie möglich ist. Genau auf dieses Ziel ist der Vorschlag ausgerichtet: nämlich eine Fragmentierung bei der Suche nach Metrologielösungen in der EU zu vermeiden. |
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1.7. |
Der EWSA unterstreicht die Bedeutung der Metrologie als einem der Bausteine der Innovation, die wir für die wirtschaftliche Erholung in der EU brauchen, und begrüßt die Bereitschaft der Metrologie-Institute, kooperative Forschung und Innovation im Bereich der Metrologie zu fördern. Der EWSA stellt ferner fest, dass eine moderne Metrologie dazu beiträgt, den Energieverbrauch zu senken und die Klimaschutzziele und damit die Ziele des Instruments „NextGenerationEU“ zu erreichen. |
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1.8. |
Der EWSA sieht die große Bedeutung verbesserter und harmonisierter Messungen und Normen für das effiziente Funktionieren des Binnenmarkts, insbesondere wenn die EU-Bürger über die im Binnenmarkt erhältlichen Produkte gut informiert sind. Eine moderne Metrologie trägt dazu bei, dies zu erreichen, und kann die Transaktionskosten im Zusammenhang mit der Teilnahme am Binnenmarkt senken. |
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1.9. |
Der EWSA ist der Auffassung, dass genaue Messnormen für alle Beteiligten zugänglich und verständlich sein müssen, insbesondere für Kleinbetriebe und Verbraucher. Dies wird erhebliche Vorteile für die Wirtschaft der EU bringen, wenn sie sich vom Konjunktureinbruch infolge von COVID-19 erholt, und insbesondere beim Übergang zu einem grüneren, digitaleren Europa. Gleichzeitig wird das Vertrauen in der gesamten Lieferkette gefördert. |
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1.10. |
Schließlich betont der EWSA, dass den EU-Bürgern stärker bewusst gemacht werden muss, wie wichtig die Metrologie in Bereichen wie Gesundheitsversorgung, Fertigungswesen, moderne Kommunikationstechnologien und Sicherheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz ist. |
2. Allgemeine Bemerkungen
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2.1. |
Die Metrologie ist die Wissenschaft des Messens anhand von Industriestandards und Parametern verschiedener Einheiten. Messungen sind für die Innovation von wesentlicher Bedeutung, da sie nicht nur die Qualität, sondern auch unterschiedliche technische Parameter beeinflussen. In der verarbeitenden Industrie beispielsweise ermöglicht es die Metrologie den Unternehmen, die Entwurfsspezifikationen der Verbraucher zu erfüllen, die erwarteten funktionalen Ergebnisse zu liefern sowie Vorschriften und Normen einzuhalten. |
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2.2. |
Die Messtechniken entwickeln sich ständig weiter, und zusammen mit dem raschen technischen Fortschritt erhöht sich die Nachfrage nach präzisen und zuverlässigen Metrologieprodukten. So legte die Europäische Kommission am 23. Februar 2021 ihren Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Beteiligung der Union an der von mehreren Mitgliedstaaten gemeinsam durchgeführten europäischen Partnerschaft für Metrologie vor. |
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2.3. |
Die Metrologie wurde somit von den gesetzgebenden Organen der EU als einer der Schwerpunktbereiche anerkannt, die für mögliche institutionelle europäische Partnerschaften auf der Grundlage von Artikel 185 oder Artikel 187 AEUV im Rahmen der Verordnung über Horizont Europa ermittelt wurden. Der aktuelle Vorschlag für eine europäische Metrologie-Partnerschaft baut auf den aus dem Europäischen Metrologie-Forschungsprogramm (EMFP) und dem europäischen Metrologie-Programm für Innovation und Forschung (EMPIR) gewonnenen Erkenntnissen auf. Die vorliegende Initiative hat jedoch eine neue Partnerschaft zur Bewältigung neuer Herausforderungen zum Inhalt. Sie ist nicht als bloße Fortführung früherer Programme gedacht. |
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2.4. |
Die Partnerschaft für Metrologie verfolgt durch die Einbeziehung und das Engagement der Partner bei der Gestaltung und Durchführung eines Programms für Forschungs- und Innovationstätigkeiten die folgenden allgemeinen Ziele:
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2.5. |
Bei der Umsetzung dieser allgemeinen Ziele verfolgt die Partnerschaft für Metrologie die folgenden spezifischen Ziele:
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3. Allgemeine Bemerkungen
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3.1. |
Die Welt ist mit einer durch die COVID-19-Pandemie verursachten Wirtschaftskrise konfrontiert. Wie bei anderen Märkten hat dies auch auf dem Markt für industrielle Metrologie zu einem Rückgang der Wachstumsrate geführt, insbesondere in den Jahren 2020 und 2021. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Organisationen in den meisten der wichtigen nachfrageerzeugenden Branchen in verschiedenen Ländern derzeit nicht operativ sind oder nicht operativ waren, was sich negativ auf den Markt für industrielle Metrologie auswirkt. Die COVID-19-Pandemie hat sich auch massiv auf die Geschäftstätigkeit ausgewirkt, und die Hersteller haben derzeit noch damit zu tun, die Folgen abzuschätzen. Frühere und gegenwärtige Beschränkungen, die zur Stilllegung von Produktionsanlagen führten, haben den Industriesektor stark belastet. |
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3.2. |
Vor der weltweiten Pandemie verzeichnete der Markt in den letzten Jahren ein erhebliches Wachstum, was vor allem auf die steigende Nachfrage nach Massendatenanalytik und die steigende Nachfrage nach Kraftfahrzeugen in den Schwellenländern zurückzuführen war. Für die Zukunft wird jedoch erwartet, dass der globale Markt für industrielle Metrologie von 9,8 Mrd. USD im Jahr 2021 auf 13,2 Mrd. USD im Jahr 2026 anwachsen wird. Die Gründe hierfür sind die zunehmende Verbreitung von Cloud-Diensten bei der Integration metrologischer Daten und die steigende Nachfrage nach Metrologie in der Industrie. Letzteres wird dem Markt für industrielle Metrologie in den kommenden Jahren erheblich Impulse verleihen, wobei davon auszugehen ist, dass das Hardware-Segment den Markt für industrielle Metrologie dominieren wird. |
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3.3. |
Europa ist als globaler Akteur in der Metrologie einem verstärkten globalen Wettbewerb ausgesetzt, was Umfang und Schwerpunkt der Investitionen sowie das langfristige finanzielle Engagement für metrologische Ziele anbelangt. In den letzten zehn Jahren haben die USA, China und Indien ihre Investitionen in die Metrologie um 60 %, 50 % bzw. 52 % erhöht. Die Investitionen in europäischen Instituten blieben dagegen relativ unverändert und wurden nicht auf neue und zunehmend wichtiger werdende Forschungsfelder ausgerichtet. Die unzureichende Höhe der Investitionen in Europa hat in Verbindung mit der Fragmentierung der Metrologiekapazitäten dazu geführt, dass die Anstrengungen zu spärlich ausfallen, nicht auf strategische Schwerpunkte ausgerichtet sind und es kaum möglich ist, potenzielle Skaleneffekte und strategische Komplementaritäten zu nutzen. |
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3.4. |
In den letzten Jahren ist in Drittstaaten in diesem Bereich mehr investiert worden als in der EU. In den USA beispielsweise verfügt das National Institute of Standards and Technology (NIST), das nationale Metrologie-Institut des Landes, über ein vergleichsweise umfangreiches Jahresbudget, um sein Forschungsprogramm für grundlegende Messungen und Quantenwissenschaft durchzuführen. Gleiches gilt für das National Institute of Metrology (NIM) in China mit seinem gezielten Forschungsprogramm für Metrologie. Im Vergleich dazu ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), das nationale Metrologie-Institut Deutschlands und das größte in Europa, mit seinem Budget sowohl für die Forschung als auch für metrologische Dienstleistungen für Industrie und Gesellschaft zuständig. |
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3.5. |
Die globalen Wettbewerber der EU tätigen diese strategischen Investitionen aufgrund des wachsenden Bedarfs an Metrologielösungen, die auf neue Technologien und die Entwicklung neuer Produkte ausgerichtet sind. Im asiatisch-pazifischen Raum beispielsweise treiben die rapide zunehmende Industrialisierung und die rasche technische Entwicklung die Marktnachfrage in die Höhe. Die steigende Nachfrage nach hochwertigen Produkten für Fertigung und Automatisierung in Ländern wie China, Indien und anderen wachsenden Volkswirtschaften verstärkt die Expansion des Metrologiemarktes in diesem Teil der Welt. |
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3.6. |
Offensichtlich wächst der Markt für Messwesen aufgrund der steigenden Nachfrage nach Genauigkeits- und Präzisionsmessungen in vielen Branchen, was zu einem zunehmenden Wettbewerb zwischen den wichtigsten Akteuren auf dem globalen Metrologiemarkt führt. Dazu gehören beispielsweise Carl Zeiss (Deutschland), Hexagon AB (Schweden), Mitutoyo Corp. (USA), Renishaw (Großbritannien), Nikon Metrology (Belgien), Metrology Software Products Ltd. (Großbritannien), 3D Digital Corporation (USA), Perceptron Inc. (USA), Faro Technologies (USA) und andere. |
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3.7. |
Der Markt für Messwesen kann nach Art, Produkt und Endnutzer gegliedert werden. Bei den Arten lässt er sich in industrielle Metrologie, wissenschaftliche Metrologie und gesetzliches Messwesen einteilen. Je nach Produkt unterscheidet man die Bereiche koordinierte Messmaschinen (CMM), optische Digitalisierer, 3D-Scanner, Lasertracker u. a. Im Hinblick auf die Endnutzer schließlich wird der Markt unter anderem in die Bereiche Luft- und Raumfahrt, Automobilindustrie, Unterhaltungselektronik, Industrie, Energie und Strom unterteilt. Regional betrachtet umfasst der globale Metrologiemarkt Nord- und Südamerika, Europa, Asien und den pazifischen Raum sowie die übrige Welt. Europa verfügt über das Potenzial, auf dem Metrologiemarkt eine führende Stellung einzunehmen und seinen Marktanteil weiter auszubauen, was durch weitere technische Fortschritte und Investitionen in die Forschung erreicht werden kann. |
4. Besondere Bemerkungen
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4.1. |
Zuverlässige Messungen sind für die Innovation in Wirtschaft und Gesellschaft von entscheidender Bedeutung: Ohne die Metrologie, die Wissenschaft des Messens, sind wissenschaftliche Forschung, Handel und Industrie kaum denkbar. Neue gesellschaftliche Herausforderungen und neue Technologien erhöhen den Bedarf an Genauigkeit, Präzision und neuartigen Messkapazitäten. Fortgeschrittene Kommunikationstechnologien wie 5G, das Internet der Dinge, intelligente Stromnetze und intelligente Gebäude, Automobiltechnik der nächsten Generation und intelligente Fertigung, um nur einige zu nennen, hängen alle von Fortschritten in der Metrologie ab. Daher begrüßt der EWSA den Vorschlag der Kommission für eine Europäische Partnerschaft für Metrologie. |
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4.2. |
Der EWSA betrachtet den Vorschlag als einen wichtigen Baustein für eine europäische Wirtschaft, die eine Führungsrolle in Industrie, Technologie und Digitalisierung anstrebt. Er erkennt auch die wichtige Rolle an, die die Metrologie-Infrastruktur bei der Innovation und der Bewältigung einiger der größten Herausforderungen Europas — von der Gesundheitsversorgung bis hin zum Klimawandel — spielen kann. Auch wenn einzelne Mitgliedstaaten und einzelne Systeme ihre Eigenheiten aufweisen mögen, so ist doch die Harmonisierung und grenzüberschreitende Kompatibilität im Messwesen ein wichtiges Ziel, das der EWSA uneingeschränkt unterstützt. |
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4.3. |
Die Einrichtung nachhaltiger europäischer Metrologienetze, die in stark wettbewerbsorientierten und aufstrebenden Bereichen mit den globalen Spitzenreitern konkurrieren können, ist für die Zukunft der europäischen Volkswirtschaften von großer Bedeutung und könnte auch dazu beitragen, die wirtschaftliche Erholung nach COVID-19 und die Bewältigung der Folgen der Pandemie voranzutreiben. Der EWSA ist der Auffassung, dass die europäischen Metrologienetze, die stark auf den Interessenträgern und ihren Bedürfnissen aufbauen, wirksamer zur Forschungs- und Innovationsagenda der Europäischen Partnerschaft für Metrologie beitragen werden. |
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4.4. |
Der EWSA begrüßt auch die Finanzierung gemeinsamer Forschungsprojekte, da dies zweifellos dazu beitragen wird, das Innovationstempo mit Hilfe von Lösungen, Kapazitäten und Infrastruktur im Bereich der Metrologie zu erhöhen. Damit dürften sich die Aussichten vergrößern, dass neue oder deutlich verbesserte Produkte und Dienstleistungen in der EU oder von EU-Unternehmen in Drittländern hergestellt oder angeboten werden. Darüber hinaus würde die finanzielle Unterstützung gemeinsamer Forschungsprojekte impulsgebend auf die Bemühungen wirken, die Rolle der Metrologie bei der Konzipierung und Umsetzung stärker evidenzbasierter öffentlicher Maßnahmen zu stärken und zu koordinieren. |
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4.5. |
Der EWSA hält ferner die Zusammenarbeit mit Beteiligten der Metrologie-Wertschöpfungskette für sehr wichtig, um für eine hohe Akzeptanz der neuen Technologien zu sorgen und zur Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen zu können. Eine europäische Partnerschaft für Metrologie würde auch ein breites Spektrum an europäischen Politikbereichen, den Handel sowie die öffentlichen Dienstleistungen unterstützen. Darüber hinaus könnten weitere Möglichkeiten für öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) dazu beitragen, Europas weltweite Vorreiterrolle in der Metrologieforschung zu beschleunigen und neue innovative Produkte zu fördern, die auf neue Anforderungen an Präzisionsprodukte zugeschnitten sind. |
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4.6. |
Der EWSA ist außerdem überzeugt, dass eine Stärkung des europäischen Wettbewerbsvorteils bei neuen Technologien und der Entwicklung neuer Produkte nur durch einen gesamteuropäischen Ansatz im Bereich der Metrologie möglich ist. Auf dieses Ziel ist der Vorschlag ausgerichtet, indem er eine Fragmentierung zu vermeiden sucht: Die EU braucht Metrologielösungen, die Europa bei der Erbringung von Metrologie-Dienstleistungen für bestehende komplexe Messprobleme und neue Technologien an die Spitze der globalen Leistungsträger bringen können. Dieser Ansatz unterstützt auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die bei der Entwicklung hochwertiger Produkte sowohl in der Forschung als auch im Bereich der Dienstleistungen auf die Metrologie angewiesen sind. |
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4.7. |
Der EWSA unterstreicht die Bedeutung der Metrologie als einem der Bausteine der Innovation, die wir für die wirtschaftliche Erholung brauchen, und begrüßt die Bereitschaft der Metrologie-Institute in der EU, kooperative Forschung und Innovation im Bereich der Metrologie zu fördern. Bei der Metrologie geht es im Kern um eine enge Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, da das Messen Eckpfeiler für wirtschaftliche Transaktionen, die Optimierung der Produktion, das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmen sowie für Innovation ist. Fortgeschrittene Metrologie ermöglicht den Unternehmen auch eine Optimierung des Produktionsumfangs, was der Klimaneutralität dient. Daher steht die Senkung des Energieverbrauchs in der Industrie mit einem der Hauptziele der Aufbau- und Resilienzfazilität im Rahmen von „NextGenerationEU“ im Einklang. Darüber hinaus werden mit der laufenden Forschung und Innovation im Bereich der Metrologie sowohl Innovations- als auch Klimaschutzziele unterstützt. Wichtig ist auch, dass Fortschritte bei der Metrologie die öffentlichen Dienste bei der Umsetzung von Rechtsvorschriften künftig wesentlich wirksamer unterstützen können, als dies bisher der Fall ist. |
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4.8. |
Der EWSA weist darüber hinaus auf weitere wirtschaftliche Vorteile hin, die sich aus Forschung und Innovation im Bereich der Metrologie ergeben, nämlich die Begrenzung von Marktversagen, die Verringerung der Transaktionskosten und die Steigerung der wirtschaftlichen Gesamteffizienz. Verbesserte und harmonisierte Messungen und Normen könnten eine wichtige Rolle für das effiziente Funktionieren des Binnenmarkts spielen. Er würde viel effizienter und wirksamer funktionieren, wenn die EU-Bürger gut über die im Binnenmarkt erhältlichen Produkte informiert sind. Die Informationsschieflage zwischen Käufern und Verkäufern ist eine der häufigsten Ursachen für Marktversagen, das dann auftritt, wenn der Käufer die Qualität eines Produkts nicht mit einem hohen Maß an Genauigkeit bestimmen kann. Durch die Bereitstellung fortschrittlicherer Messungen und Normen können die Käufer die Qualität der Produkte anhand der vereinbarten Normen messen und so zwischen Produkten mit geringerer und höherer Qualität unterscheiden. Dadurch wird die Informationsschieflage beseitigt und das bestehende Marktversagen behoben, wodurch die Effizienz des Binnenmarkts gesteigert wird. |
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4.9. |
Ein weiteres Hindernis für den Binnenmarkt sind Transaktionskosten im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Wirtschaftsaustausch. Transaktionskosten entstehen dadurch, dass die Informationen zwischen Verbrauchern und Produzenten ungleich und unvollständig sind. Hier könnte durch eine fortschrittlichere Metrologie Abhilfe geschaffen werden, sodass die Käufer weniger Zeit für die Suche nach Produkten aufwenden müssen, wenn sie von der Qualität des erworbenen Produkts überzeugt sind. Es liegt auf der Hand, dass eine standardisierte, transparente und nahtlose Messung sowohl für Kunden und Verbraucher als auch für Unternehmen von grundlegender Bedeutung ist. |
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4.10. |
Die moderne Metrologie hilft den Herstellern bei der Gestaltung von Produkten im Einklang mit einer Norm. Dies führt dazu, dass die Hersteller weniger Mittel für die Behebung von Mängeln und die Einhaltung der Spezifikationen aufwenden müssen. Dies wiederum erleichtert die Zertifizierung und erhöht das Vertrauen der Verbraucher in die Zertifizierung und Qualität eines Produkts. |
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4.11. |
Wichtig ist ferner, dass die Messnormen und Messeinheiten nach wie vor nicht nur präzise und transparent, sondern für alle Beteiligten auch zugänglich und verständlich sein müssen, insbesondere für Kleinbetriebe und Verbraucher, die das Rückgrat der EU-Wirtschaft bilden. Dies wird nicht nur dazu beitragen, die oben genannten Herausforderungen auf dem Markt zu bewältigen, sondern auch erhebliche Vorteile für die Wirtschaft der EU bringen, wenn sie sich vom Konjunktureinbruch infolge von COVID-19 erholt und insbesondere den Übergang zu einem grüneren, digitaleren Europa vollzieht, und gleichzeitig wird das Vertrauen entlang der gesamten Lieferkette gefördert. Daher müssen solche Erwägungen im Zusammenhang mit der Zugänglichkeit im Mittelpunkt jeder Strategie stehen, die darauf abzielt, Investitionen in fortgeschrittene Metrologie zu fördern. |
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4.12. |
Abschließend betont der EWSA, dass es natürlich nötig ist, den EU-Bürgern die Bedeutung der Metrologie stärker bewusst zu machen. Die Unternehmen stützen sich auf das Messwesen, um genaue Spezifikationen für ein hochwertiges Endprodukt zu erstellen, das wiederum der Nachfrage des Marktes entspricht. Die Industrie nutzt moderne Messtechnik, um die Produktion, auch für Impfstoffe, zu steigern und hohe Verluste zu vermeiden. Durch die Metrologie werden zudem Produktionsstätten für die Arbeitnehmer sicherer. Ebenso wichtig ist die Bedeutung der Metrologie zur Unterstützung neuer Technologien wie der Quantentechnologie. Die EU muss daher ihre Fähigkeit zur Entwicklung fortgeschrittener Metrologiesysteme ausbauen und darf sich nicht so sehr auf andere konkurrierende Nationen verlassen. |
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/39 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/1628 hinsichtlich der Übergangsbestimmungen für bestimmte Maschinen, die mit Motoren im Leistungsbereich zwischen 56 kW und 130 kW oder mehr als 300 kW ausgestattet sind, um den Auswirkungen der COVID-19-Krise zu begegnen“
(COM(2021) 254 final — 2021/0129 (COD))
(2021/C 341/06)
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Berichterstatter: |
Christophe LEFÈVRE |
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Befassung |
Europäisches Parlament, 20.5.2021 Rat, 25.5.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch |
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Beschluss der Präsidentin |
20.5.2021 |
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Verabschiedung im Plenum |
9.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
206/1/11 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1. |
In Anbetracht der durch die COVID-19-Krise verursachten erheblichen Störungen der Lieferketten der Hersteller von nicht für den Straßenverkehr bestimmten mobilen Maschinen und Geräten (non-road mobile machinery, im Folgenden „NRMM“) hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) den Vorschlag geprüft, bestimmte, zunächst in der Verordnung (EU) 2016/1628 des Europäischen Parlaments und des Rates (1) und dann in der Verordnung (EU) 2020/1040 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) festgelegte Fristen zu verlängern. |
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1.2. |
Der EWSA begrüßt den neuen Verordnungsvorschlag, den er als angemessene und verhältnismäßige Reaktion auf die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Krise erachtet. |
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1.3. |
Die Verlängerung um sechs Monate für die Herstellung der mit sogenannten Übergangsmotoren ausgestatteten NRMM und um neun Monate für ihr Inverkehrbringen anstatt der im Jahr 2020 für beide Fälle vorgesehenen Frist von 12 Monaten ist deshalb gerechtfertigt und ausgewogen. |
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1.4. |
Der EWSA bekräftigt die Notwendigkeit, die Verwirklichung der EU-Luftqualitätsziele zu fördern, ist indes der Meinung, dass der Vorschlag ein reibungsloses Funktionieren des Marktes gewährleistet, eine wirtschaftliche Schieflage der Betroffenen verhindert und ein hohes Maß an Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt sicherstellt. |
2. Wesentlicher Inhalt des Vorschlags der Kommission
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2.1. |
Die Verordnung (EU) 2016/1628 legt neue Emissionsgrenzwerte (Stufe V) fest, um die derzeit von Motoren für NRMM verursachten Emissionen von Luftschadstoffen zu verringern, und gibt dafür eine konkrete Frist vor. |
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2.2. |
Die COVID-19-Pandemie hat erhebliche Störungen der Lieferketten verursacht, sodass die Hersteller von NRMM nicht in der Lage sind, bestimmte, in der Verordnung (EU) 2016/1628 festgelegte Fristen einzuhalten. |
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2.3. |
Die Verordnung wurde deshalb durch die Verordnung (EU) 2020/1040 geändert, um bestimmte Fristen zu verlängern, die die Hersteller aufgrund der unerwarteten Störungen der Lieferkette nicht mehr einhalten konnten, ohne ernsthaften wirtschaftlichen Schaden zu nehmen. Den Herstellern wurde eine zusätzliche Frist von 12 Monaten eingeräumt, um die mit Übergangsmotoren im Leistungsbereich zwischen 56 kW und 130 kW ausgerüsteten Maschinen herzustellen und in Verkehr zu bringen, deren Produktion bis zum 30. Juni 2020 abgeschlossen und die bis zum 31. Dezember 2020 in Verkehr gebracht werden mussten. |
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2.4. |
Aufgrund der anhaltenden Lieferketten- und Produktionsstörungen infolge der zweiten und dritten Welle der COVID-19-Pandemie werden die Hersteller jedoch nicht in der Lage sein, die Fristen für 2021 einzuhalten, die für Maschinen gelten, die mit Übergangsmotoren im Leistungsbereich zwischen 56 kW und 130 kW und über 300 kW ausgestattet sind, ohne einen schweren wirtschaftlichen Schaden zu erleiden. |
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2.5. |
Es ist daher notwendig, diese Fristen zu verlängern, um zu vermeiden, dass Übergangsmotoren (deren Anzahl begrenzt ist) nicht mehr rechtzeitig in die Maschinen eingebaut werden können und daher verschrottet werden müssen. |
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2.6. |
Zwar gibt es nach wie vor Verzerrungen in der Versorgungskette und bei der Produktion, doch lassen sich ihr Ausmaß und ihre Intensität nicht mit denen vergleichen, die im Frühjahr 2020 auftraten, weshalb eine Verlängerung um sechs Monate für die Herstellung der mit diesen Motoren ausgestatteten Maschinen und um neun Monate für ihr Inverkehrbringen, anstatt der im Jahr 2020 für beide Fälle vorgesehenen Frist von 12 Monaten, gerechtfertigt ist. |
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2.7. |
Schließlich gilt die vorgeschlagene Verlängerung auch für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge, die mit Übergangsmotoren ausgestattet sind, da sie den Bestimmungen über Schadstoffemissionen aus den Motoren für NRMM unterliegen. |
3. Allgemeine Bemerkungen
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3.1. |
Der EWSA bekräftigt seine wiederholt geäußerte Überzeugung, dass die Reduzierung der schädlichen Kohlenmonoxid-, Stickoxid-, Kohlenwasserstoff- und Partikelemissionen aus Motoren für NRMM als Beitrag zur Erreichung der von der EU festgelegten Luftqualitätsziele unerlässlich ist. |
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3.2. |
In seiner Stellungnahme zu der Verordnung (EU) 2016/1628 empfahl der EWSA, in Anbetracht der starken Gesundheitsbedenken bezüglich bei Verbrennungsprozessen entstehenden Nanopartikeln und des hohen Schutzniveaus, das durch die Umsetzung der vorgeschlagenen Stufe V für Motoren mobiler Maschinen und Geräte erreicht werden kann, die neue Verordnung zügig zu erlassen. |
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3.3. |
Der EWSA ist sich indes darüber im Klaren, dass die COVID-Krise erhebliche Lieferketten- und Produktionsstörungen ausgelöst hat, die infolge der zweiten und dritten Welle der Pandemie weiter anhalten und es den Herstellern folglich unmöglich machen, die Fristen für 2021 einzuhalten, ohne einen schweren wirtschaftlichen Schaden zu erleiden. |
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3.4. |
Der EWSA ist sich ferner umfassend der Tatsache bewusst, dass die Krise nicht vorhersehbar war und eine beispiellose Lage verursacht hat. Er räumt ein, dass die COVID-19-Pandemie für die überwiegende Mehrheit der europäischen Wirtschaftssektoren eine große Herausforderung darstellt. |
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3.5. |
Der EWSA befürwortet daher eine Verlängerung um sechs Monate für die Herstellung der mit diesen Motoren ausgestatteten Maschinen und um neun Monate für ihr Inverkehrbringen, anstatt der im Jahr 2020 für beide Fälle vorgesehenen Frist von 12 Monaten. |
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3.6. |
Seines Erachtens handelt es sich um eine angemessene und verhältnismäßige Maßnahme, die ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts gewährleistet, eine wirtschaftliche Schieflage der Betroffenen verhindert und ein hohes Maß an Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt sicherstellt. |
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) Verordnung (EU) 2016/1628 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2016 über die Anforderungen in Bezug auf die Emissionsgrenzwerte für gasförmige Schadstoffe und luftverunreinigende Partikel und die Typgenehmigung für Verbrennungsmotoren für nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1024/2012 und (EU) Nr. 167/2013 und zur Änderung und Aufhebung der Richtlinie 97/68/EG (ABl. L 252 vom 16.9.2016, S. 53).
(2) Verordnung (EU) 2020/1040 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/1628 hinsichtlich ihrer Übergangsbestimmungen zur Bewältigung der Folgen der COVID-19-Krise (ABl. L 231 vom 17.7.2020, S. 1).
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/41 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Das europäische Wirtschafts- und Finanzsystem: Mehr Offenheit, Stärke und Resilienz
(COM(2021) 32 final)
(2021/C 341/07)
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Berichterstatter: |
Tomasz Andrzej WRÓBLEWSKI |
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Befassung |
Europäische Kommission, 24.2.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt |
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Annahme in der Fachgruppe |
25.5.2021 |
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Verabschiedung auf der Plenartagung |
9.6.2021 |
|
Plenartagung Nr. |
561 |
|
Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
158/1/2 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
|
1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Mitteilung der Europäischen Kommission „Das europäische Wirtschafts- und Finanzsystem: Mehr Offenheit, Stärke und Resilienz“. Der Wandel infolge der Pandemie führt zu einer signifikanten Verschiebung des globalen wirtschaftlichen Kräftegleichgewichts. Daher sollte die EU rasch handeln, um die wirtschaftliche Resilienz Europas zu erhöhen. |
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1.2. |
Der Ausschuss teilt die Einschätzung der Kommission, dass die internationale Rolle des Euro als zentrales Instrument zur globalen Aufwertung Europas gestärkt werden muss. Gleichzeitig ist nach Ansicht des Ausschusses die Festlegung ehrgeiziger wirtschaftlicher Ziele für die Stärkung der einheitlichen Währung von wesentlicher Bedeutung. Dies gilt insbesondere angesichts des raschen weltwirtschaftlichen Wandels und der gegenwärtigen Position der EU in Bezug auf Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und ein günstiges Regelungsumfeld. Der Ausschuss fordert daher eine stärkere Fokussierung auf die Gründe für die Schwächung der internationalen Rolle des Euro und für die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion. |
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1.3. |
Der Ausschuss stellt fest, dass die wachsende Bedeutung Chinas in der Mitteilung nicht berücksichtigt wird, und empfiehlt, dies entsprechend zu ergänzen. |
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1.4. |
Die Vollendung der Bankenunion und der Kapitalmarktunion, mit der Ersparnisse in Investitionen gelenkt werden können, ist von wesentlicher Bedeutung für die Erhöhung der Resilienz der EU, wie der EWSA bereits in früheren Stellungnahmen betonte (1), (2). Der Ausschuss unterstützt alle von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen (3) und schlägt Schritte vor, um die strukturellen Veränderungen sowohl auf Unions- als auch auf nationaler Ebene zu vollenden, beispielsweise durch die Überarbeitung des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung, damit dieser wohlstandsorientierter und investitionsfreundlicher wird (4). |
|
1.5. |
Die Qualität des Rechtsrahmens ist für die Innovationsentwicklung von großer Bedeutung. Daher sollte mehr Gewicht auf die Überprüfung der Vorschriften hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gelegt werden. Darüber hinaus ist der EWSA der Auffassung, dass in der Mitteilung der Rolle der Hochschulen für die Innovationsentwicklung nicht angemessen berücksichtigt wird. |
|
1.6. |
Der Ausschuss unterstützt uneingeschränkt den Vorschlag, einen digitalen Euro einzuführen und weiterhin auf Euro lautende grüne Anleihen zu emittieren. Damit kann die internationale Rolle des Euro gestärkt und die Führungsposition der EU im Bereich der Klimaschutzmaßnahmen gefestigt werden. |
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1.7. |
Der EWSA teilt die Ansicht, dass die Entwicklung von Finanzmarktinfrastrukturen die Abhängigkeit von kritischen Diensten (einschließlich Datendiensten) von Anbietern aus Drittländern verhindert und zur Resilienz der EU beiträgt. |
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1.8. |
Der Ausschuss unterstützt die Bemühungen der Europäischen Kommission, Instrumente zu entwickeln, um den Auswirkungen der unrechtmäßigen extraterritorialen Anwendung einseitiger Maßnahmen durch ein Drittland auf die Wirtschaftsteilnehmer in der EU entgegenzuwirken. Nach Ansicht des Ausschusses können solche Instrumente zur größeren Unabhängigkeit der EU als globaler Akteur beitragen. Die Kommission sollte auch überlegen, wie die wachsende Abhängigkeit der EU von in Drittstaaten ansässigen Anbietern von Finanzdaten und sonstigen Daten überwunden werden kann. |
2. Hintergrund
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2.1. |
Gegenstand dieser Stellungnahme ist die Mitteilung vom 19. Januar 2021 zum Thema „Das europäische Wirtschafts- und Finanzsystem: Mehr Offenheit, Stärke und Resilienz“. Diese Mitteilung ist integraler Bestandteil der Strategie zur Stärkung der offenen strategischen Autonomie der EU (5). |
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2.2. |
Der Binnenmarkt ist das Fundament des Euro und der Offenheit der EU für Investitionen und Handel mit der übrigen Welt. Ihn zu schützen und zu vertiefen ist daher das zentrale Anliegen im Rahmen der offenen strategischen Autonomie der EU. |
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2.3. |
In der Kommissionsmitteilung wird dargelegt, wie die EU ihre offene strategische Autonomie im makroökonomischen und finanziellen Bereich stärken kann. Die Hauptgründe für die Umsetzung der skizzierten Strategie sind:
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|
2.4. |
Die Kommission möchte mit ihrer Mitteilung die internationale Rolle des Euro fördern, die Infrastruktur der EU-Finanzmärkte stärken, die Durchsetzung von EU-Sanktionen verbessern und die Resilienz der EU gegenüber den Auswirkungen unrechtmäßig und einseitig von Drittländern verhängter Sanktionen erhöhen. |
3. Allgemeine Bemerkungen
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3.1. |
Der EWSA begrüßt diese Mitteilung, die Regulierungsvorschläge und Förderungsmaßnahmen zur Erhöhung des Anteils des in Euro abgewickelten Handels und zur Stärkung der Resilienz des EU-Finanzsystems enthält. |
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3.2. |
Das Euro-Währungsgebiet besteht seit über 20 Jahren. Es wächst dank der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten (obgleich der Beitritt neuer Länder auf sich warten lässt) (6) und der Wahrung des internationalen Ansehens des Euro. Gleichzeitig stellt der Ausschuss fest, dass der Anteil des Euro an den Devisenreserven von 23 % auf 19 % im Jahr 2019 gesunken ist, was nahezu dem historischen Tiefststand entspricht (7). Zudem ist das Euro-Währungsgebiet mehreren anerkannten Ökonomen zufolge, darunter die Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz und Paul Krugman, immer noch kein optimales Währungsgebiet (8) nach den Kriterien des Schöpfers der diesbezüglichen Theorie, Robert Mundell. |
|
3.3. |
Der EWSA weist auch darauf hin, dass die Rolle der schnell wachsenden chinesischen Wirtschaft, die in der Weltwirtschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt, im Zusammenhang mit der Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz der EU umfassender diskutiert werden sollte. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des BIP in den letzten 30 Jahren betrug dort rund 10 % gegenüber rund 2 % in der EU. Die Unterschiede bei den BIP-Wachstumsraten dürften sich aufgrund der Pandemie noch vergrößern: 4,4 % in der EU (-6,1 % in 2020) und 8,4 % in China (2,3 % in 2020) (9). |
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3.4. |
Mit dem Wachstum der chinesischen Wirtschaft wächst auch die Rolle der chinesischen Währung im internationalen Handel und Clearing. Der Anteil an den offiziellen Devisenreserven (3. Quartal 2020) betrug für den US-Dollar rund 60,5 %, den Euro 20,5 % und den chinesischen Renminbi 2,1 %. Der Anteil des Renminbi wächst jedoch rapide, während der Anteil des Euro zurückgegangen ist (10). China arbeitet auch intensiv an seiner digitalen Währung (die bereits in mehreren Städten getestet wird) (11) und baut hier seinen Vorsprung gegenüber den meisten Teilen der Welt aus (12). |
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3.5. |
Deswegen ist der EWSA darüber besorgt, dass die Strategie keinen Aktionsplan enthält, der die wachsende wirtschaftliche Bedeutung Chinas berücksichtigt. Er empfiehlt, die Mitteilung in dieser Hinsicht zu ergänzen. |
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3.6. |
Der Ausschuss unterstützt den in der wesentlichen Maßnahme Nr. 1 ausgesprochenen Appell zur Vollendung der Bankenunion (13) und zur Erzielung weiterer Fortschritte bei der Kapitalmarktunion (14), um zur Resilienz der EU beizutragen und die Wirtschafts- und Währungsunion zu vertiefen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass „[d]ie Vollendung der WWU […] in erster Linie starkes politisches Engagement, eine effiziente Steuerung und eine bessere Nutzung der verfügbaren Finanzmittel [erfordert]“ (15). |
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3.7. |
Der Ausschuss stellt fest, dass die Fortführung der strukturellen Veränderungen zur Gewährleistung einer engeren und konsequenteren Währungsunion politisches Engagement erfordert. Er schlägt gleichzeitig vor, die Mitteilung durch eine Reihe von Maßnahmen zu ergänzen, mit denen greifbare Ergebnisse erzielt werden können:
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3.8. |
Der Ausschuss teilt die Auffassung, dass der Rechtsrahmen für die Entwicklung von Innovationen von entscheidender Bedeutung ist. Er hält die in der Mitteilung vorgeschlagenen Maßnahmen jedoch für unzureichend. Gleichzeitig stellt der EWSA fest, dass infolge des Brexits die Zahl der weltweit führenden Hochschulen in der EU, die eine Schlüsselrolle bei der Förderung von Innovationen spielen, zurückgegangen ist. Nur einige wenige der besten 50 Universitäten der Welt befinden sich in der EU (19). Hochschulen sind entscheidend für eine höhere Innovationskraft und gestärkte langfristige Resilienz gegenüber künftigen wirtschaftlichen Turbulenzen. |
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3.9. |
Vor diesem Hintergrund fordert der EWSA, die Mitteilung durch Maßnahmen zu ergänzen, um folgende Ziele zu erreichen:
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4. Besondere Bemerkungen
4.1. Stärkung der internationalen Rolle des Euro
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4.1.1. |
Der Mitteilung zufolge führt die zunehmende Bedeutung des Euro für Handel, Investitionen und Zahlungen auf internationaler Ebene zu zahlreichen Vorteilen: größere Währungsautonomie, stärkere Transmission der Geldpolitik, niedrigere Transaktionskosten und Verringerung von Preisschocks. |
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4.1.2. |
Der EWSA unterstützt die weitere Emission von auf Euro lautenden Anleihen. Der EWSA weiß um die Vorteile dieser Maßnahmen, die Wachstumsstrategie des Euro muss aber neben der Emission gemeinsamer Schuldtitel auch auf der Stärkung und Erweiterung des Euro-Wirtschaftsraums beruhen (20). Die EU wird aufgrund der COVID-19-Krise bis 2026 „neue Schuldtitel mit einem Volumen von fast einer Billion EUR begeben“ (21). Jedoch kann „[e]ine im Verhältnis zum BIP hohe öffentliche Verschuldung […] Probleme im Hinblick auf die Widerstandsfähigkeit aufwerfen“ (22). Um diese zu überwinden, soll das europäische Finanzsystem nach Worten von Kommissar Gentiloni durch die Vollendung der Bankenunion und der Kapitalmarktunion widerstandsfähiger werden (23). Der EWSA empfiehlt, den guten Stand, den der Euro bei festverzinslichen Wertpapieren vor der Finanzkrise 2008/2009 hatte, wiederherzustellen (24). |
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4.1.3. |
Der Ausschuss fordert daher, gewisse Zuständigkeiten der nationalen Finanzaufsichtsbehörden auf die Unionsebene zu übertragen, um einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Errichtung der Bankenunion und der Kapitalmarktunion zu schaffen (25). Nach Ansicht des EWSA sollte der unbegrenzte Kapitalverkehr innerhalb der EU ermöglicht werden, damit letztendlich jeder Bürger oder jedes KMU von den Finanzdienstleistungen eines beliebigen Finanzinstituts profitieren kann, das einer gemeinsamen EU-Finanzaufsicht unterliegt (26). Bei jeder neuen Regelung im Zusammenhang mit der Schaffung der Kapitalmarktunion sollte geprüft (27) werden, ob sie folgende Kriterien erfüllt: mehr Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (insbesondere einschließlich digitaler Wandel), Beitrag zum grünen Wandel und Stabilität der Finanzmärkte. |
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4.1.4. |
Darüber hinaus sollten Schritte unternommen werden, um die Präsenz des Euro in den Zentralbankreserven verschiedener Länder durch Swap-Vereinbarungen zu stärken und den Abschluss großer internationaler Verträge für europäische Unternehmen (die außerhalb der EU ausgeführt werden) durch Clearing in Euro zu unterstützen. |
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4.1.5. |
Um die Rolle des Euro in der Weltwirtschaft zu stärken, muss die Wettbewerbsfähigkeit der Waren und Dienstleistungen der EU gesteigert werden. Dafür sind Investitionen in Bildung sowie in Forschung und Entwicklung erforderlich. |
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4.1.6. |
Die wesentliche Maßnahme Nr. 6 sieht vor, dass die Kommission und die EZB gemeinsam ein breites Spektrum politischer, rechtlicher und technischer Fragen im Zusammenhang mit der möglichen Einführung eines digitalen Euro prüfen werden. |
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4.1.7. |
Der Ausschuss unterstützt die Idee eines digitalen Euro. Nach Ansicht des EWSA sollte der digitale Euro jedoch nicht nur über die EZB, sondern auch über das Eurosystem (28), die Zentralbanken und alle Aufsichtsinstitutionen eingeführt werden (29). |
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4.1.8. |
Dieses neue Abrechnungssystem sollte die gesetzlichen Datenschutzanforderungen (insbesondere die fünfte Geldwäscherichtlinie) berücksichtigen. Ein richtig konzipierter digitaler Euro könnte die Verwendung des Euro außerhalb des Euroraums unterstützen und die Rolle des US-Dollars — und in Zukunft auch des digitalen Yuan (Renminbi) — zurückdrängen, insbesondere bei internationalen Transaktionen und Einzelhandelsgeschäften (30). |
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4.1.9. |
Die EU ist führend auf dem globalen Markt für grüne Anleihen. Im Jahr 2019 lautete fast die Hälfte solcher Emissionen auf Euro (31), und die Anleihen sind auch bei Einwohnern außerhalb des Euro-Währungsgebiets sehr beliebt (32). Der EWSA begrüßt den Vorschlag, neue „grüne“ Finanzinstrumente (33) einzuführen, um den europäischen Grünen Deal zu unterstützen (34). Dies wird die EU in die Lage versetzen, ihre weltweite Führungsrolle beim Klimaschutz zu behaupten und auszubauen (35). |
4.2. Stärkung der Resilienz von EU-Finanzmarktinfrastrukturen und Anbietern damit verbundener kritischer Dienstleistungen
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4.2.1. |
In der Mitteilung wird betont, dass die EU unbedingt ihre Finanzmarktinfrastrukturen ausbauen und deren Resilienz erhöhen muss, um bei der Bereitstellung solcher kritischen Dienstleistungen nicht von Betreibern aus Drittländern abhängig zu sein. Die Kommission sollte auch untersuchen, wie eine Abhängigkeit der EU von in Drittstaaten ansässigen Anbietern von Finanzdaten und sonstigen Daten verhindert werden kann. Das neue digitale Abrechnungssystem auf Euro-Basis könnte verwendet werden, um den Handel mit Partnern zu unterstützen, gegen die Drittländer einseitige Sanktionen verhängt haben. Seine Verwendung durch sanktionierte Länder und Personen könnte blockiert werden (durch Abruf von Informationen aus der Datenbank des Registers für den Informationsaustausch über Sanktionen). |
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4.2.2. |
Der EWSA weist auch erneut auf die Erfahrungen zu Beginn der COVID-19-Pandemie hin, als es durch das zunehmende Interesse am Dollar und die Verlagerung des US-Repomarktes Nicht-US-Finanzinstituten erschwert wurde, ihre Geschäftstätigkeit in Dollar zu refinanzieren. Es könnte ebenso erwogen werden, den Europäischen Stabilitätsmechanismus als Liquiditätspool in Euro zu verwenden, der auch großen Finanzinstituten zugänglich wäre. Wir brauchen einen klaren Fahrplan für Änderungen des ESM und die Entfaltung der Kapitalmarktunion. |
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4.2.3. |
Der EWSA stimmt grundsätzlich den Schritten zu, die zu einer Verstärkung der offenen strategischen Autonomie der EU führen, einschließlich der Stärkung der Resilienz der EU-Finanzmarktinfrastrukturen. Der Ausschuss weist jedoch darauf hin, dass solche Maßnahmen unter bestimmten Umständen unerwünschte politische Auswirkungen haben können. |
4.3. Stärkung der Umsetzung und Durchsetzung von EU-Sanktionen
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4.3.1. |
Um die Wirksamkeit der EU-Sanktionen zu erhöhen, muss sichergestellt werden, dass sie einheitlich umgesetzt und durchgesetzt werden. Tochterunternehmen von Unternehmen aus Drittstaaten profitieren von Gesetzeslücken, um Verbote zu umgehen, was zu Verzerrungen im Binnenmarkt führt. |
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4.3.2. |
Der EWSA begrüßt die Vorschläge zur Stärkung der Fähigkeit der EU, Sanktionen einheitlich anzuwenden und mit einer Stimme zu sprechen. |
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4.3.3. |
Der Ausschuss unterstützt außerdem die Bemühungen der Europäischen Kommission, Instrumente zu entwickeln, um den Auswirkungen der unrechtmäßigen exterritorialen Anwendung einseitiger Maßnahmen durch ein Drittland auf die Wirtschaftsteilnehmer in der EU entgegenzuwirken. Der EWSA betont jedoch, dass unbedingt Mechanismen entwickelt werden müssen, um einen Konsens aller Mitgliedstaaten über den Gegenstand der Sanktionen selbst sicherzustellen. Nach Ansicht des Ausschusses können solche Instrumente zur größeren Unabhängigkeit der EU als globaler Akteur beitragen und den Binnenmarkt vor Schocks schützen. |
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4.3.4. |
Gleichzeitig unterliegt der EU-Finanzmarkt seit der Finanzkrise 2008-2009 strengen Vorschriften. Alle Akteure, die vom EU-Binnenmarkt profitieren möchten, sind dadurch administrativen Anforderungen unterworfen. Es ist wichtig, dass diese Regelungen mit der erforderlichen Flexibilität angewandt werden, um ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis sicherzustellen, die Auswirkungen neuer Vorschriften auf europäische Finanzunternehmen (36) zu bewerten und den Verwaltungsaufwand auch an die jeweilige Größe dieser Unternehmen (europaweite Großbanken, Finanzinstitute und Start-ups im Finanztechnologiesektor) anzupassen (37). |
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) Stellungnahme des EWSA zum Thema Europäisches Einlagenversicherungssystem (ABl. C 177 vom 18.5.2016, S. 21).
(2) Stellungnahme des EWSA zum Paket zur Wirtschafts- und Währungsunion (ABl. C 262 vom 25.7.2018, S. 28).
(3) Stellungnahme des EWSA zum Thema Eine Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen — neuer Aktionsplan (ABl. C 155 vom 30.4.2021, S. 20).
(4) Stellungnahme des EWSA zum Thema Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung 2020 (ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 227).
(5) COM(2021) 32 final.
(6) COM(2018) 796 final, S. 2.
(7) The international role of the euro (Die internationale Rolle des Euro), Europäische Zentralbank, Juni 2020.
(8) Can the European Project be saved? (Kann das Europäische Projekt gerettet werden?) Hauptvortrag von Paul Krugman, 23. International Conference of Europeanists, Philadelphia, 14.-16. April 2016.
(9) Siehe World Economic Outlook Database, Internationaler Währungsfonds, April 2021.
(10) Currency Composition of Official Foreign Exchange Reserves (COFER) (Währungszusammensetzung der offiziellen Devisenreserven), Internationale Finanzstatistik (IFS), Internationaler Währungsfonds, https://data.imf.org/regular.aspx?key=41175
(11) Siehe China Launches Digital Renminbi Trials in 11 Cities, Stages Seven Digital Renminbi Lotteries in Year Following Start of Testing, China Banking News, 19. April 2021.
(12) PwC CBDC global index, April 2021, https://www.pwc.com/gx/en/industries/financial-services/assets/pwc-cbdc-global-index-1st-edition-april-2021.pdf.
(13) Stellungnahme des EWSA zum Thema Hin zu einer stärkeren internationalen Rolle des Euro (ABl. C 282 vom 20.8.2019, S. 27).
(14) Stellungnahme des EWSA zum Thema Eine Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen — neuer Aktionsplan (ABl. C 155 vom 30.4.2021, S. 20).
(15) Stellungnahme des EWSA zum Paket zur Wirtschafts- und Währungsunion (ABl. C 262 vom 25.7.2018, S. 28).
(16) Stellungnahme des EWSA zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets 2021 (ABl. C 123 vom 9.4.2021, S. 12).
(17) COM(2020) 746 final.
(18) Eurofound (2020), Upward convergence in the EU: Definition, measurement and trends, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Luxemburg, S. 9.
(19) Laut Times Higher Education sind es sechs Hochschulen, gemäß den QS World University Rankings nur eine.
(20) EU faces barriers to boosting single currency's global status Financial Times, 19. Januar 2021.
(21) COM(2021) 32 final, S. 8.
(22) Stellungnahme des EWSA zum Thema Eine krisenfestere und nachhaltige europäische Wirtschaft (ABl. C 353 vom 18.10.2019, S. 23).
(23) Siehe Ausführungen von Kommissar Gentiloni auf der Pressekonferenz der Eurogruppe, 15. Februar 2021, Brüssel.
(24) Siehe „Fixed income market liquidity“, Committee on the Global Financial System Papers, Nr. 55, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Januar 2016, S. 18.
(25) Siehe COM(2020) 590 final und COM(2020) 746 final, S. 8.
(26) Stellungnahme des EWSA zum Thema Eine Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen — neuer Aktionsplan (ABl. C 155 vom 30.4.2021, S. 20).
(27) Stellungnahme des EWSA zum Thema Eine Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen — neuer Aktionsplan (ABl. C 155 vom 30.4.2021, S. 20), Nummer 1.16.
(28) Siehe Report on a digital euro, Europäische Zentralbank, Oktober 2020, S. 7-8.
(29) Siehe Report on a digital euro, Europäische Zentralbank, Oktober 2020, S. 36-40.
(30) EU faces barriers to boosting single currency's global status, Financial Times, 19. Januar 2021.
(31) Siehe The role of the euro in global green bond markets, Kasten 1, 19. Jahresbericht über die internationale Rolle des Euro, EZB, Juni 2020.
(32) Siehe Rede von F. Panetta, Mitglied des Direktoriums der EZB: „Unleashing the euro's untapped potential at global level“.
(33) Siehe Wichtigste Ergebnisse der Videokonferenz der Euro-Gruppe, 15. Februar 2021.
(34) COM(2019) 640 final.
(35) Remarks by Paschal Donohoe following the Eurogroup video conference of 15 February 2021 (Ausführungen von Paschal Donohoe nach der Videokonferenz der Euro-Gruppe vom 15. Februar 2021).
(36) Stellungnahme des EWSA zum Thema Eine Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen — neuer Aktionsplan (ABl. C 155 vom 30.4.2021, S. 20).
(37) Stellungnahme des EWSA zum Thema Strategie für ein digitales Finanzwesen in der EU (ABl. C 155 vom 30.4.2021, S. 27).
ANHANG
Abbildung 1
Vergleich der durchschnittlichen Wachstumsraten des realen BIP
(*) Schätzungen ab 2019.
Quelle: Eigene Berechnungen basierend auf: World Economic Outlook Database, Internationaler Währungsfonds, Oktober 2020.
Abbildung 2
Anteil von Dollar, Euro und Renminbi an den offiziellen Devisenreserven (in %)
Quelle: Internationaler Währungsfonds, data.imf.org
Abbildung 3
Anteil der USA, der EU und Chinas am globalen BIP (KKP, in %)
Quelle: World Economic Outlook Database, IWF, Oktober 2020.
Abbildung 4
Anteil der USA, der EU und Chinas an den globalen Exporten (in %)
Quelle: UNCTAD.
Abbildung 5
Bruttoinlandsausgaben für FuE, 2008-2018 (in % des BIP)
Quelle: Eurostat.
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/50 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Strategie für eine verstärkte Anwendung der Grundrechtecharta in der EU
(COM(2020) 711 final)
(2021/C 341/08)
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Berichterstatter: |
Cristian PÎRVULESCU |
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Mitberichterstatter: |
Christian BÄUMLER |
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Befassung |
Europäische Kommission, 24.2.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
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Beschluss des Präsidiums |
26.1.2021 |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft |
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Annahme in der Fachgruppe |
26.5.2021 |
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Verabschiedung auf der Plenartagung |
10.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
201/2/7 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die neue Strategie der Europäischen Kommission. Der Vorschlag umfasst klare Verpflichtungen und einen deutlichen Schwerpunkt auf Anwendungs- und Umsetzungsfragen. Der EWSA hat stets für eine solche Ausrichtung plädiert, auch in seiner 2011 verabschiedeten Stellungnahme zu der ersten Strategie (1). |
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1.2. |
Infolge wesentlicher sozialer, wirtschaftlicher und politischer Entwicklungen ist der Schutz der Grundrechte seitdem schwieriger geworden und sind neue Herausforderungen hinsichtlich der derzeitigen Bestimmungen entstanden; dies gilt auch für die Anwendung der Charta der Grundrechte. Überall in Europa führt die derzeitige Pandemie zu deutlich größeren Risiken für Gesundheit, Sicherheit und Wohlstand von Millionen Menschen. Auf globaler Ebene, wo die EU eine besondere Verantwortung trägt, ist die Lage sogar noch schlimmer. |
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1.3. |
In diesem Zusammenhang müssen sich die EU-Organe und die Mitgliedstaaten mit einer klaren Zielvorstellung energischer für den Schutz der Grundrechte einsetzen. Die Anwendung der Charta ist zwar auf begleitendes EU-Recht beschränkt, durch den wachsenden Korpus an Verordnungen und die bereichsübergreifende Integration von Politikbereichen wird der entsprechende Handlungsspielraum jedoch immer größer. Diese Entwicklung dürfte vielfältige Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft, die lokalen Gemeinschaften, die Sozialpartner und die Unternehmen haben. |
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1.4. |
Nach zehnjähriger Umsetzung der Charta wissen leider noch immer nur wenige Europäerinnen und Europäer, dass es sie gibt bzw. welche Funktion ihr zukommt. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen, nationale Menschenrechtsinstitutionen und Menschenrechtsverteidiger haben sich bislang nur selten auf die Charta berufen. Wir können nicht ein weiteres Jahrzehnt verstreichen lassen, ehe die in der Charta verankerten Rechte für die breite Öffentlichkeit, die Zivilgesellschaft und die öffentlichen Einrichtungen verwirklicht werden. Der EWSA hofft, dass die Europäische Kommission die Bürgerinnen und Bürger, die Medien, die Zivilgesellschaft, die Sozialpartner sowie verschiedene weitere Gremien künftig aktiver über die Charta, ihre Relevanz, ihre Auswirkungen und die damit zusammenhängenden Instrumente informiert. |
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1.5. |
Sämtliche EU-Organe müssen all diejenigen zivilgesellschaftlichen Organisationen, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten, die körperlichen und verbalen Angriffen, Einschüchterung und Belästigung, einschließlich rechtsmissbräuchlicher Klagen, Gewalt sowie Online- und Offline-Hetze ausgesetzt sind, nachdrücklich und uneingeschränkt unterstützen. Es muss Schluss sein mit Hetzkampagnen, welche die Glaubwürdigkeit und Legitimität der Zivilgesellschaft beeinträchtigen, und es muss gegen die Regierungen der Mitgliedstaaten vorgegangen werden, die sich an solchen Kampagnen beteiligen. Die Durchsetzung der geltenden Vorschriften sollte Vorrang haben. |
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1.6. |
Insgesamt sollte die Fähigkeit der zivilgesellschaftlichen Organisationen und Menschenrechtsverteidiger, im Rahmen der Charta tätig zu werden, erheblich verbessert werden — durch ein Paket, das Schulungen und Wissenstransfer, organisatorische Unterstützung, eine dauerhafte, Planungssicherheit gewährleistende Finanzierung sowie den Schutz vor Angriffen und negativen Kampagnen umfasst. Der EWSA ist diesbezüglich bereit, insbesondere über seine Gruppe Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit einen Beitrag zur Ausarbeitung eines umfassenderen und detaillierteren Plans zu leisten. Diese Bemühungen sollten in eine umfassende Strategie für die europäische Zivilgesellschaft eingebettet werden, die nach Ansicht des EWSA dringend notwendig ist (2). |
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1.7. |
Der EWSA begrüßt den umfassenden Ansatz der Kommission zur Förderung und zum Schutz der Grundwerte, auf denen die EU gründet, ebenso wie die Komplementarität zwischen dieser Strategie, dem Europäischen Aktionsplan für Demokratie und dem ersten Bericht über die Rechtsstaatlichkeit. Ferner schlägt er vor, den EU-Aktionsplan gegen Rassismus ebenso wie die EU-Strategien für Menschen mit Behinderungen und für LGBTIQ-Personen in den umfassenden Planungsprozess einzubeziehen. Die Herausforderungen, die mit diesen Plänen und Strategien bewältigt werden sollen, überschneiden sich häufig. |
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1.8. |
Der EWSA bekräftigt seine Bemerkungen zu den wirtschaftlichen Aspekten der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte. Wird der Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit und der allgemeinen Verschlechterung der Lage im Bereich der Grundrechte nicht Einhalt geboten, wirkt sich dies womöglich negativ auf das gegenseitige Vertrauen aus, das dem Binnenmarkt und damit dem Wirtschaftswachstum in der EU zugrunde liegt (3). |
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1.9. |
Der EWSA betont, dass die Charta der Grundrechte auch soziale Rechte umfasst. Ihre Umsetzung ist für das Leben der Menschen von großer Bedeutung. Die Sozialpartner müssen auf europäischer und nationaler Ebene in den Schutz dieser Rechte einbezogen werden. Der soziale Dialog sollte verstärkt und stärker auf die in der Charta verankerten Grundrechte ausgerichtet werden. Der EWSA bekräftigt seine Forderung aus der 2011 verabschiedeten Stellungnahme zu der Strategie und fordert, Titel III (Gleichheit) und Titel IV (Solidarität) stärker in den Mittelpunkt zu rücken, da sie für die EU als demokratischer, wertebasierter Union, die ihr Sozialmodell und ihre Verpflichtungen ernst nimmt, von zentraler Bedeutung sind. |
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1.10. |
Der EWSA begrüßt, dass die Strategie den übergeordneten Charakter der Charta herausstellt und gezielte Anstrengungen ergänzt, die Rechte und Werte der EU greifbarer zu machen, und zwar in Bereichen wie Opferrechte und Zugang zu Gerichten, Gleichstellung, Rassismusbekämpfung und Pluralismus, soziale Rechte und inklusive allgemeine und berufliche Bildung, wirtschaftliche Rechte, Rechte von Unionsbürgerinnen und -bürgern und Drittstaatsangehörigen und Rechte des Kindes. Besondere Aufmerksamkeit sollte den Auswirkungen von COVID-19 auf die Rechte, das Wohlergehen sowie die intellektuelle und emotionale Entwicklung von Kindern gewidmet werden. Der EWSA weist auch auf die Bedeutung jener Artikel der Charta hin, die sich auf die Wirtschaft auswirken, etwa jene zur unternehmerischen Freiheit und zum Eigentumsrecht sowie diejenigen, die angemessene Rechtsvorschriften betreffen. |
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1.11. |
Der EWSA unterstützt uneingeschränkt das Engagement der EU, die Menschenrechte und Werte weltweit zu fördern und zu schützen. Der Verweis auf Handelsabkommen und ihre potenziellen Auswirkungen auf die Grundrechte ist vollkommen gerechtfertigt. Wie in zahlreichen anderen Stellungnahmen weist der EWSA erneut darauf hin, dass die Migrations- und Asylpolitik ein wichtiger Testfall für das Engagement der EU für den Grundrechteschutz ist. Menschenrechtsverteidiger sollten weltweit aktiver unterstützt werden. |
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1.12. |
Wie es in dem Vorschlag heißt, spielen nationale und lokale Behörden, die Parlamente der Mitgliedstaaten sowie Strafverfolgungsbehörden bei der Förderung und dem Schutz von Rechten aus der Charta eine entscheidende Rolle. Unklar ist, wie sich diese Zusammenarbeit von der Kooperation der letzten zehn Jahre, als die ursprüngliche Strategie umgesetzt wurde, unterscheiden soll. Ein zentrales Ziel dieser Strategie sollte darin bestehen, die richtige Mischung aus Anreizen und Instrumenten zu ermitteln, die nationale und lokale Institutionen zu einem engagierteren und proaktiveren Schutz der Grundrechte motiviert. |
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1.13. |
Der EWSA hofft, dass sämtliche Schlüsseldimensionen der Strategie — Prävention, Förderung, Umsetzung und Durchsetzung — erheblich verbessert werden. Hierbei sollte der Schwerpunkt stärker auf die Durchsetzung gelegt werden, ohne dabei die anderen Dimensionen außer Acht zu lassen. Die ordnungsgemäße Anwendung der Charta ist von entscheidender Bedeutung für die Aufrechterhaltung einer funktionierenden, wertebasierten Union. Die Anwendung der Charta ist ebenfalls obligatorisch. Die Kommission muss entsprechend handeln und Vertragsverletzungsverfahren weitaus entschlossener verfolgen, wenn Rechte missachtet werden. |
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1.14. |
Der EWSA unterstützt uneingeschränkt die Einrichtung von Charta-Kontaktstellen durch die Mitgliedstaaten und schlägt vor, diese zentral innerhalb der Regierungen bzw. bei den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Fachministerien — z. B. den Justizministerien — anzusiedeln. |
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1.15. |
Angesichts der erheblichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Gesellschaft fordert der EWSA die Kommission nachdrücklich auf, sich in ihrem Bericht 2022 auf deren Auswirkungen auf die Grundrechte, insbesondere mit Blick auf das sozioökonomische Wohlergehen, zu konzentrieren und somit unmissverständlich zu betonen, dass es sich bei den sozialen Rechten um Grundrechte handelt. Besondere Aufmerksamkeit sollten den Rechten, der Würde und dem Wohlergehen von älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen gewidmet werden, die während der COVID-19-Pandemie in Pflegeheimen in Isolation leben müssen. |
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1.16. |
Der EWSA schlägt vor, dass jeder Fonds (der unter die Dachverordnung fällt) von Monitoring-Ausschüssen überwacht wird, denen unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen, nationale Menschenrechtsinstitutionen und Menschenrechtsverteidiger angehören. All diese Akteure der Zivilgesellschaft sollten ein Mitspracherecht bei der Zuweisung und Verwaltung der Mittel erhalten. Der EWSA fordert die Kommission auf, die Empfehlungen aus seiner im Februar 2021 verabschiedeten Entschließung „Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft in die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne — was funktioniert und was nicht?“ zu berücksichtigen. |
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1.17. |
Der EWSA fordert die Kommission auf, Finanzierungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtsverteidiger, die sich unmittelbar für marginalisierte und schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen einsetzen, zu erschließen und zu nutzen. Der EWSA hält die Mitgliedstaaten dazu an, Finanzierungsprogramme für die Zivilgesellschaft sowie für Basisorganisationen umzusetzen, die sich für die Menschenrechte einsetzen. Bei der Gestaltung der Programme müssen die Autonomie und Unabhängigkeit der finanzierten Einrichtungen gewahrt werden. |
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1.18. |
Der EWSA schlägt vor, einen anforderungsgerechten, schnellen und wirksamen Mechanismus zur Ermittlung und Meldung von körperlichen und verbalen Angriffen, Einschüchterung und Belästigung, rechtsmissbräuchlichen Klagen, Gewalt sowie Hetze im Internet und darüber hinaus zu schaffen, denen zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtsverteidiger ausgesetzt sind. Nationale Menschenrechtsinstitutionen sowie nationale Wirtschafts- und Sozialräte sollten in diesen Mechanismus einbezogen werden. |
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1.19. |
Zur Erleichterung der Koordinierung regt der EWSA an, dass die Mitgliedstaaten nationale Grundrechteforen einrichten, in denen alle betroffenen Einrichtungen zusammenarbeiten könnten: nationale Menschenrechtsinstitutionen, nationale Gleichstellungsstellen, Bürgerbeauftragte, die neu eingerichteten Charta-Kontaktstellen und weitere öffentliche Einrichtungen. An den Foren sollten auch Organisationen und Menschenrechtsverteidiger beteiligt werden. Die Agentur für Grundrechte kann bei der Einrichtung dieser Foren behilflich sein. |
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1.20. |
Der EWSA empfiehlt der Kommission, ein spezielles Unterstützungsprogramm aufzulegen, damit alle nationalen Menschenrechtsinstitutionen umfangreichere und einheitlichere institutionelle Kapazitäten (Schaffung, Akkreditierung und Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung der Bestimmungen) aufbauen, und spezifische Leitlinien für die Mitgliedstaaten zu erarbeiten. Wie bei anderen Instrumenten und Programmen auch, empfiehlt der EWSA, den herausragenden Sachverstand der Agentur für Grundrechte besser und umfassender zu nutzen. Der EWSA fordert die Agentur auf, ihre solide Arbeit zu wichtigen Entwicklungen im Bereich der Grundrechte fortzusetzen und den Schutz der sozialen Rechte genau zu überwachen. Außerdem sollte die Agentur sichtbarer und für die breite Öffentlichkeit sowie für Gruppen und Organisationen der Zivilgesellschaft leichter zugänglich werden. |
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1.21. |
Der EWSA schlägt vor, dass die Kommission Konsultationen und Berichte zu bestimmten Titeln und Artikeln organisiert, zu denen nationale Menschenrechtsinstitutionen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtsverteidiger ihre Erkenntnisse beitragen können. Der EWSA ist mehr als offen für eine enge Zusammenarbeit mit der Kommission bei der regelmäßigen Organisation dieser Art von Treffen unter Beteiligung von Vertretern der Zivilgesellschaft. |
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1.22. |
Der ESWA sieht den Arbeiten der Kommission für eine Sensibilisierungskampagne erwartungsvoll entgegen. Angesichts der Bedeutung und Dringlichkeit dieser Maßnahme wäre es hilfreich gewesen, in dieser Strategie die Ziele, den Zeitplan, die Zielgruppen, Instrumente, Partner und vorgeschlagenen Haushaltsmittel für die Kampagne genauer festzulegen. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, im Rahmen ihrer Konferenz zur Zukunft Europas Aktivitäten im Zusammenhang mit der Charta zu organisieren, die Bürgerinnen und Bürger für Grundrechtsfragen zu sensibilisieren, und dieses Thema stärker im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. |
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1.23. |
Mehr Forschung und Konsultation sind erforderlich, um ein Verständnis für die Anwendung der Charta zu entwickeln — basierend auf Risiken und Schutzbedürftigkeit, die in bestimmten sozialen Gruppen und Regionen häufiger auftreten können. |
2. Allgemeine Bemerkungen
2.1. Hintergrund der Stellungnahme
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2.1.1. |
Die Charta gilt für alle Maßnahmen der EU-Organe. In ihrer 2010 verabschiedeten Strategie zur wirksamen Umsetzung der Charta der Grundrechte durch die Europäische Union betont die Europäische Kommission die Vorbildfunktion der EU und erläutert, wie die Kommission die umfassende Einhaltung der Charta sicherstellen wird. Sie gilt ebenso für die Mitgliedstaaten bei der Anwendung des EU-Rechts. |
|
2.1.2. |
Die Charta hatte neue EU-Rechtsvorschriften zur Folge, die bestimmte grundlegende Rechte direkt schützen und fördern. Wichtige Beispiele sind die neuen Regeln, die den Datenschutz, die Gleichstellung der Geschlechter, den Schutz von Hinweisgebern, ein faires Verfahren und Verteidigungsrechte sowie Opfer von Straftaten betreffen. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird in den unterschiedlichsten Politikbereichen immer stärker auf die Charta Bezug genommen. |
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2.1.3. |
Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte hat sich zu einer vertrauenswürdigen EU-Einrichtung entwickelt, die Vergleichsdaten und Analysen zu den Grundrechten bereitstellt und auf diese Weise die Organe und Mitgliedstaaten der EU unterstützt. Auch die Zahl der unabhängigen nationalen Menschenrechtsinstitutionen und -einrichtungen ist in der EU erheblich gestiegen. |
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2.1.4. |
In drei Mitgliedstaaten gibt es jedoch überhaupt keine nationalen Menschenrechtsinstitutionen (Italien, Malta (4), Tschechische Republik), in zwei Mitgliedstaaten gibt es keine akkreditierten nationalen Menschenrechtsinstitutionen (Estland — Akkreditierung für Ende 2020 geplant — und Rumänien), und in sechs gibt es keine nationalen Menschenrechtsinstitutionen mit dem Status A entsprechend den Pariser Grundsätzen der Vereinten Nationen (Belgien, Österreich, Schweden, Slowakei, Slowenien und Zypern). |
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2.1.5. |
Einer kürzlich durchgeführten Eurobarometer-Umfrage zum Bekanntheitsgrad der Charta zufolge haben lediglich 42 % der Befragten von der Charta gehört, und nur 12 % wirklich wissen, worum es sich dabei handelt. Sechs von zehn Befragten wollen mehr über ihre Rechte sowie darüber erfahren, an wen sie sich bei Verletzungen ihrer Rechte aus der Charta wenden können (5). |
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2.1.6. |
Der EWSA engagiert sich seit Langem für die Unterstützung von Menschenrechten und Menschenrechtsverteidigern. Der EWSA ist integraler Bestandteil der Grundrechtekultur und des Grundrechtsrahmens und beteiligt sich an verschiedenen Strukturen und Aktivitäten, verschafft den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner Gehör und formuliert Vorschläge für Maßnahmen und Rechtsvorschriften anhand eines rechtebasierten Weltbilds. Um seinen Bemühungen noch mehr Nachdruck zu verleihen, seine Sicht der Dinge zu verdeutlichen und seiner diesbezüglichen Verantwortung nachzukommen, hat der EWSA eigens eine Gruppe Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit eingerichtet. |
2.2. Sicherstellung der wirksamen Anwendung der Charta durch die Mitgliedstaaten
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2.2.1. |
Der EWSA unterstützt uneingeschränkt den Vorschlag der Kommission, die Mitgliedstaaten zur Einrichtung von Charta-Kontaktstelle aufzufordern. Ihre Aufgabe — den Informationsfluss und bewährte Verfahren im Zusammenhang mit der Charta zu erleichtern und die Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau im jeweiligen Land zu koordinieren — ist für die Durchsetzung der Grundrechteagenda von zentraler Bedeutung. Idealerweise sollten diese zentral innerhalb der Regierungen bzw. bei den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Fachministerien — z. B. den Justizministerien — angesiedelt sein. |
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2.2.2. |
Der neue Ansatz für die Ausarbeitung des Jahresberichts über die Anwendung der Charta in der EU, die Anwendung der Charta in den Mitgliedstaaten genauer zu untersuchen, ist überzeugend. Der EWSA begrüßt darüber hinaus, dass der Schwerpunkt des neuen Charta-Berichts 2021 auf den Grundrechten im digitalen Zeitalter liegt. Angesichts der erheblichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Gesellschaft fordert der EWSA die Kommission nachdrücklich auf, sich in ihrem Bericht 2022 auf deren Auswirkungen auf die Grundrechte, insbesondere mit Blick auf das sozioökonomische Wohlergehen, zu konzentrieren. Ein weiterer Aspekt, der thematisiert werden muss, ist der von den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten vollzogene Wechsel in den Notfallmodus, der mitunter zulasten der parlamentarischen Kontrolle und der demokratischen Gewaltenteilung ging. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie vollständig demokratisch, zeitlich befristet und verhältnismäßig sein sollten. |
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2.2.3. |
Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, gegebenenfalls verstärkt Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn ein Verstoß gegen EU-Recht vorliegt. |
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2.2.4. |
Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, dass für alle Programme, die durch unter die Dachverordnung fallende EU-Fonds (die „Fonds“) unterstützt werden, wirksame Mechanismen zur Anwendung kommen, die von der Anfangsphase bis zur Durchführung des Programms die Einhaltung der Charta sicherstellen. Der EWSA schlägt vor, dass jeder Fonds von Monitoring-Ausschüssen überwacht wird, denen zivilgesellschaftliche Organisationen, nationale Menschenrechtsinstitutionen und Menschenrechtsverteidiger angehören. Hierdurch könnten die mit der Umsetzung der Dachverordnung betrauten Stellen ihre Wissenslücken hinsichtlich der Grundrechte verringern und die Grundrechteorganisationen an die Basis tatsächlich etwas bewirken. |
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2.2.5. |
Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, genau zu überwachen, inwieweit die EU-Mittel im Einklang mit der Charta verwendet werden, und fordert, dass geeignete und angemessene Maßnahmen ergriffen werden, wie etwa eine mögliche Unterbrechung oder Aussetzung der EU-Finanzierung bzw. Finanzkorrekturen, wenn die Mitgliedstaaten vorschriftswidrige Ausgaben nicht korrigiert haben. Darüber hinaus fordert der EWSA die Kommission auf, die Einhaltung der Charta bei größeren Mittelzuweisungen frühzeitiger zu überprüfen. |
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2.2.6. |
Das in dem Vorschlag vorgesehene Ziel, ein förderliches und sicheres Umfeld für zivilgesellschaftliche Organisationen und Rechteverteidiger in ihren Ländern zu fördern, auch auf lokaler Ebene, ist in der Tat notwendig. Es fehlen jedoch klare Angaben dazu, wie das Ziel umgesetzt werden soll. Der EWSA fordert die Kommission auf, Finanzierungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtsverteidiger, die sich unmittelbar für marginalisierte und schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen einsetzen, zu erschließen und zu nutzen. |
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2.2.7. |
Der EWSA schlägt vor, einen anforderungsgerechten, schnellen und wirksamen Mechanismus zur Ermittlung und Meldung von körperlichen und verbalen Angriffen, Einschüchterung und Belästigung, rechtsmissbräuchlichen Klagen, Gewalt sowie Hetze im Internet und darüber hinaus zu schaffen, denen zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtsverteidiger ausgesetzt sind. Nationale Menschenrechtsinstitutionen sowie nationale Wirtschafts- und Sozialräte sollten in diesen Warnmechanismus einbezogen werden. Der EWSA ist auch bereit, zu dessen Einrichtung beizutragen und sich mit anderen EU-Institutionen für einen wirksamen Schutz und Rechtsbehelfe für die betroffenen Organisationen sowie Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. |
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2.2.8. |
Überaus ermutigend ist die Verpflichtung der Kommission, die Bemühungen zur Gewährleistung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Grundrechte aufeinander abzustimmen (6). Nach Ansicht des EWSA sollten dieselben Koordinierungsgrundsätze auf nationaler Ebene angewandt werden. Allzu oft arbeiten die verschiedenen öffentlichen und nichtstaatlichen Institutionen und Organisationen nicht ausreichend zusammen. So kann die Kommission die Mitgliedstaaten zur Einrichtung nationaler Grundrechteforen auffordern, in denen alle betroffenen Einrichtungen zusammenarbeiten können: nationale Menschenrechtsinstitutionen, nationale Gleichstellungsstellen, Bürgerbeauftragte, neu eingerichtete Charta-Kontaktstellen und andere öffentliche Einrichtungen. An den Foren sollten auch Organisationen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger beteiligt werden. |
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2.2.9. |
Die Schaffung und Akkreditierung nationaler Menschenrechtsinstitutionen und Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Übereinstimmung mit den Pariser Grundsätzen der Vereinten Nationen (7) sollten Vorrang haben, und dafür sollte mehr Unterstützung bereitgestellt werden. Der EWSA empfiehlt der Kommission, ein spezielles Förderprogramm aufzulegen, damit alle nationalen Menschenrechtsinstitutionen umfangreichere und einheitlichere institutionelle Kapazitäten aufbauen können. |
2.3. Förderung der Anwendung der Charta als Richtschnur für die EU-Organe
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2.3.1. |
Der EWSA hofft, dass die Kommission der Überprüfung ihrer wichtigsten Initiativen ab der Vorbereitungsphase und während des gesamten Beschlussfassungsprozesses weiterhin entscheidende Bedeutung beimisst. Es ist angemessen, in dem Vorschlag besonders auf das Gesetz über digitale Dienste und die derzeitigen Maßnahmen zur Einhaltung der Charta hinzuweisen, um das breite Spektrum an Fragen und Auswirkungen abzubilden, das mit der Einhaltung der Bestimmungen einhergeht. |
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2.3.2. |
Sehr wichtig ist, dass die zentralen Kommissionsinitiativen gründlich vorbereitet werden. Zugleich sollte die thematische Entwicklung der Einhaltung durch Charta-basierte Konzepte und Analysen zu den verschiedenen Titeln und Artikeln — entsprechend der Struktur des Jahresberichts — ergänzt werden. Denkbar wären unter anderem Veranstaltungen und Berichte zu bestimmten Titeln und Artikeln, zu denen nationale Menschenrechtsinstitutionen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtsverteidiger ihre Erkenntnisse beitragen können. So könnten umfassende Kenntnisse über die spezifischen Artikel und die von ihnen geschützten Rechte sowie ein klareres Bild der allgemeinen Auswirkungen des Rechts und der Politikgestaltung der EU auf das Leben und die Rechte der Bürgerinnen und Bürger vermittelt werden. |
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2.3.3. |
Wie in Ziffer 2.2.2 dargelegt, muss aufgrund der erheblichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die europäische Gesellschaft der Schwerpunkt auf den Zustand der damit verbundenen Rechte gelegt werden. Die Kommission wird deshalb aufgefordert, in den Jahresberichten verstärkt auf die Auswirkungen von COVID-19 und die dadurch verursachten zahlreichen Krisen für den Grundrechteschutz einzugehen. |
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2.3.4. |
In diesem Zusammenhang und zur Bekräftigung seiner Forderung aus der 2011 verabschiedeten Stellungnahme zu der Strategie sollten Titel III (Gleichheit) und Titel IV (Solidarität) stärker in den Mittelpunkt rücken, da sie für die EU als demokratische, wertebasierte Union, die ihr Sozialmodell und ihre Verpflichtungen ernst nimmt, von zentraler Bedeutung sind. |
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2.3.5. |
Der EWSA unterstützt uneingeschränkt das Engagement der EU, die Menschenrechte und Werte weltweit zu fördern und zu schützen. Der Verweis auf Handelsabkommen und ihre potenziellen Auswirkungen auf die Grundrechte ist vollkommen gerechtfertigt. Wie in zahlreichen anderen Stellungnahmen weist der EWSA erneut darauf hin, dass die Migrations- und Asylpolitik ein wichtiger Testfall für das Engagement der EU für den Grundrechteschutz ist. Er betont ferner, dass die demokratische Stabilität und die daraus resultierenden Systeme zum Schutz der Menschenrechte in den europäischen Nachbarländern unter Druck stehen und mehr für ihre Unterstützung getan werden sollte. Menschenrechtsverteidiger sollten weltweit aktiver unterstützt werden. |
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2.3.6. |
Der EWSA ruft das Europäische Parlament und den Rat auf, mit Unterstützung durch die Kommission und unter Einbeziehung der einschlägigen europäischen Beratungsgremien in die Ausarbeitung von Rechtsvorschriften zu gewährleisten, dass sie die Charta mittels der ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente bei ihren Arbeiten wirksam anwenden. Der EWSA ist bereit, sich an einem solchen interinstitutionellen Dialog und an den einschlägigen Arbeiten zu beteiligen. |
2.4. Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger für ihre Rechte aufgrund der Charta
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2.4.1. |
Der EWSA sieht der Arbeit der Kommission an einer Sensibilisierungskampagne, mit der die Menschen besser über ihre durch die Charta begründeten Rechte informiert werden und erfahren sollen, an wen sie sich bei Verletzungen ihrer Rechte wenden können, erwartungsvoll entgegen. Angesichts der Bedeutung und Dringlichkeit dieser Maßnahme wäre es hilfreich gewesen, in dieser Strategie die Ziele, den Zeitplan, die Zielgruppen, Instrumente, Partner und vorgeschlagenen Haushaltsmittel für die Kampagne genauer festzulegen. |
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2.4.2. |
Die Sensibilisierungskampagne sollte so gestaltet werden, dass sie andere Maßnahmen ergänzt. Der EWSA empfiehlt, die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und staatlichen Einrichtungen, darunter der Justiz, bei der Ausbildung, der Weitergabe bewährter Verfahren und der Kommunikation für die Öffentlichkeit aufzunehmen, sobald die institutionellen Mindestkapazitäten geschaffen sind. Die oben genannten Organisationen und Einrichtungen können als Ressourcen fungieren und die Menschen dabei unterstützen, den Schutz ihrer Grundrechte in einem förderlichen sozialen und institutionellen Umfeld zu verankern. |
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2.4.3. |
Hierfür sollten Sensibilisierungskampagnen konzipiert werden, um die Menschen zu erreichen, die mit der größten Wahrscheinlichkeit von Grundrechtsverletzungen betroffen sind. Mehr Forschung und Konsultation sind erforderlich, um ein Verständnis für die Anwendung der Charta zu entwickeln — basierend auf Risiken und Schutzbedürftigkeit, die in bestimmten sozialen Gruppen und Regionen häufiger auftreten können. Dies würde dazu beitragen, die Maßnahmen verschiedener Einrichtungen zu lenken und Konsultations- und Partizipationsinitiativen zu unterstützen. |
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2.4.4. |
Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, im Rahmen ihrer Konferenz zur Zukunft Europas Aktivitäten im Zusammenhang mit der Charta zu organisieren, die Bürgerinnen und Bürger für Grundrechtsfragen zu sensibilisieren, und dieses Thema stärker im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. |
Brüssel, den 10. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 74.
(2) In seiner Studie „Die Reaktion der Organisationen der Zivilgesellschaft auf die COVID-19-Pandemie und die dagegen ergriffenen restriktiven Maßnahmen in Europa“ (2021) hat der EWSA die durch die Pandemie entstandenen strukturellen Herausforderungen und die Reaktion der Organisationen der Zivilgesellschaft erfasst und analysiert.
(3) ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 16.
(4) Malta hat erhebliche Fortschritte erzielt und wird seine nationale Menschenrechtsinstitution wahrscheinlich in Kürze einrichten.
(5) Eurobarometer Spezial 487b.
(6) Die Koordinierung auf EU-Ebene kann das Europäische Netzwerk von Nationalen Menschenrechtsorganisationen (ENNHRI), das Europäische Netzwerk für Gleichbehandlungsstellen (Equinet) und das Europäische Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten (ENO) umfassen. Die Koordinierung auf nationaler Ebene kann durch einen Kern nationaler Einrichtungen wirksam gestaltet werden.
(7) In den Pariser Grundsätzen der Vereinten Nationen sind die internationalen Standards verankert, anhand derer nationale Menschenrechtsinstitutionen von der Globalen Allianz der nationalen Menschenrechtsinstitutionen (GANHRI) akkreditiert werden können.
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/56 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Europäischer Aktionsplan für Demokratie“
(COM(2020) 790 final)
(2021/C 341/09)
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Berichterstatter: |
Carlos Manuel l TRINDADE |
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Mitberichterstatter: |
Andris GOBIŅŠ |
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Befassung |
Europäische Kommission, 24.2.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft |
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Annahme in der Fachgruppe |
26.5.2021 |
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Verabschiedung im Plenum |
10.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
231/1/8 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) teilt die Ansicht der Europäischen Kommission, dass Maßnahmen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der europäischen Demokratie ergriffen werden müssen. Er betrachtet den Europäischen Aktionsplan für Demokratie (im Folgenden: Aktionsplan) zudem als begrüßenswert und notwendig, unterstützt die darin vorgeschlagenen Maßnahmen weitgehend und schlägt für mehrere Bereiche einen zusätzlichen Schwerpunkt und weitere Maßnahmen vor. |
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1.2. |
Der EWSA hält den Aktionsplan angesichts der besorgniserregenden Anzeichen für eine Aushöhlung des Rechtsstaats, die von Herausforderungen für unsere Demokratie sowohl von innen als auch von Akteuren im Ausland ausgeht, für äußerst aktuell. |
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1.3. |
Der EWSA ist besorgt, dass in mehreren Mitgliedstaaten versucht wird, die schwierige Lage, die durch COVID-19 entstanden ist, zur Schwächung des Rechtsstaats zu nutzen. Seines Erachtens sollte die Kommission diesbezüglich politische Maßnahmen ergreifen. |
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1.4. |
Aus den in den folgenden drei Abschnitten dargelegten Gründen empfiehlt der EWSA der Kommission, im Aktionsplan eine spezifische Säule für die Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner sowie die Förderung der Demokratie in der Arbeitswelt vorzusehen, da er diese neue Säule für äußerst wichtig hält und in Abschnitt 6 dieser Stellungnahme konkrete Vorschläge dazu vorlegt. |
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1.5. |
Nach Ansicht des Ausschusses sollten zur Förderung der europäischen Demokratie, neben den bereits im Aktionsplan vorgesehenen Bereichen die Förderung der demokratischen Teilhabe auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene, die Einbeziehung der Zivilgesellschaft und die Demokratie in all ihren Facetten und Bereichen, darunter auch die Demokratie in der Arbeitswelt, gehören. Der EWSA ist der Auffassung, dass diese Aspekte der Ausübung von Demokratie in den Aktionsplan aufgenommen werden sollten, da sie alle auf ihre Weise zu einer dynamischeren und widerstandsfähigeren Demokratie beitragen. |
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1.6. |
Der EWSA zeigt sich enttäuscht, dass die große Bedeutung des Sozialvertrags im Aktionsplan nicht berücksichtigt wird, wenn es darum geht, Ungleichheiten abzubauen und die Europäer zu ermutigen, sich zu demokratischen Idealen zu bekennen, und dass keine Maßnahmen zur Stärkung dieser Rolle vorgesehen sind. Ebenso werden der soziale Dialog und die Tarifverhandlungen im Aktionsplan nicht anerkannt oder unterstützt, und der Beitrag dieser Bereiche zur Stabilität der europäischen Demokratien wird nicht herausgestellt. |
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1.7. |
Der EWSA hält es auch für notwendig, mehr Gewicht auf den zivilgesellschaftlichen Dialog zu legen, der eine wesentliche Voraussetzung für die bestmögliche Entscheidungsfindung und Eigenverantwortung in jeder Demokratie im Sinne von Artikel 11 AEUV ist. Der EWSA bekräftigt die in seiner Stellungnahme SOC/627 (1) formulierte Empfehlung an die Kommission, ein jährliches Forum der Zivilgesellschaft zu Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit zu veranstalten. |
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1.8. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass der Aktionsplan eine breitangelegte Initiative zur Förderung der Demokratie- und Grundrechtebildung einschließen sollte, die für den Schutz der demokratischen Werte und der aktiven Bürgerschaft, insbesondere im Hinblick auf junge Menschen, von entscheidender Bedeutung ist. |
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1.9. |
Der EWSA fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Bewertung der Umsetzung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste durch die Mitgliedstaaten im Aktionsplan berücksichtigt wird, und ruft die Mitgliedstaaten auf, diese Richtlinie rasch umzusetzen. |
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1.10. |
Im Hinblick auf die Aufsicht fordert der EWSA, dass Online-Plattformen rechenschaftspflichtig und transparent sind, und unterstützt die Entwicklung eines Regulierungsmechanismus im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste und des Gesetzes über digitale Märkte, um Desinformation, Hetze und Manipulationen zu verhindern. |
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1.11. |
Der EWSA ersucht die EU-Institutionen eindringlich, die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Arbeitsbedingungen von Journalisten sowie zur Verhinderung von Schikanen gegen Journalisten und sonstige Gemeinwohlaktivisten, die Opfer von strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPP) sind, umgehend zu ergreifen. |
2. Hintergrund
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2.1. |
Die EU gründet sich auf die „universellen Werte der unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit“ (2) und ist ein Raum, in dem die Grundrechte durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt sind (3). |
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2.2. |
Der EWSA bekennt sich ausdrücklich zu den Werten der europäischen Demokratie und unterstützt die laufenden Bemühungen der Kommission um den Schutz und die Stärkung dieser Werte vorbehaltlos. Gleichzeitig bekräftigt er die Schlussfolgerungen seiner früheren Stellungnahmen zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit (4). Der Wert der Demokratie sowie die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit in unserer Gesellschaft dürfen von den Bürgerinnen und Bürger nicht vergessen oder herabgemindert werden. |
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2.3. |
Die Geschichte hat gezeigt, dass die Demokratie aktiv gefördert und ständig vor wiederholten Angriffen geschützt werden muss. Präsidentin Ursula von der Leyen hat den „Schwung für die Demokratie in Europa“ in ihren politischen Leitlinien für die EU als eines ihrer sechs Hauptziele genannt (5). |
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2.4. |
Durch die tiefgreifenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen infolge der Digitalisierung, die durch die COVID-19-Pandemie noch beschleunigt wurden, entstehen neue Gefahren und Schwachstellen. Dazu zählen die Aushöhlung traditioneller Verfahren für die Chancengleichheit von Kandidaten in Wahlkämpfen, die unkontrollierte Finanzierung politischer Akteure, Schikanen gegen Journalisten, die Verbreitung von Falschinformationen und koordinierte Desinformationskampagnen, Cyberangriffe und viele andere Verhaltensweisen, die die Integrität von Wahlen gefährden. Zudem sind Risiken für den Medien- und Informationspluralismus sowie für öffentliche Debatten, Angriffe auf die Unabhängigkeit der Medien und eine Schwächung der Zivilgesellschaft zu beobachten. |
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2.5. |
Die COVID-19-Pandemie hat sich auch auf die Qualität der europäischen Demokratien ausgewirkt, da die gesundheitliche Notlage außergewöhnliche Maßnahmen erforderte. Die Venedig-Kommission hat diese Maßnahmen untersucht und kam zu dem Schluss, dass die COVID-19-Krise nicht als Gelegenheit genutzt werden darf, um Regierungen auf Kosten der Parlamente zu stärken (6). Sie stellte ferner fest, dass sorgfältig geprüft werden sollte, ob der notwendige Rechtsrahmen vorhanden ist, und inwieweit einige dieser Maßnahmen langfristig beibehalten werden könnten. |
3. Der Europäische Aktionsplan für Demokratie
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3.1. |
Der Europäische Aktionsplan für Demokratie ist in einer Zeit, in der die Demokratie in Europa vor ernsten Herausforderungen steht, die durch die Maßnahmen zur Reaktion auf COVID-19 noch verschärft wurden, als notwendig und aktuell zu betrachten. Er sieht einen verbesserten politischen Rahmen der EU und konkrete Maßnahmen vor, die drei Säulen zugeordnet sind:
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3.2. |
In dem vorgeschlagenen Aktionsplan geht es auch darum, die Bürgerinnen und Bürger sowie die Zivilgesellschaft in die Lage zu versetzen, sich den Bedrohungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entgegenzustellen. Dies ist eine übergreifende Frage bei allen Säulen. |
4. Allgemeine Bemerkungen
4.1. Lage der Demokratie in Europa und Notwendigkeit des Aktionsplans
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4.1.1. |
Der EWSA stellt mit Besorgnis fest, dass die Demokratie und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Regierungsorgane in den letzten Jahren ernsthaft in Frage gestellt wurden. Dies zeigt sich u. a. in einem Rückgang der Wahlbeteiligung, in der Zahl der Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in mehreren Mitgliedstaaten, im Aufkommen und der Verbreitung von Populismus und Hetze, im Druck auf und sogar der Gewalt gegen Journalisten, in Angriffen auf die Unabhängigkeit und den Pluralismus der Medien, in der Konzentration des Medieneigentums, in unrechtmäßiger Einmischung in Wahlen von innen und außen durch Desinformation, unzulässige Finanzierung und Einflussnahme von außen sowie in Versuchen, die organisierte Zivilgesellschaft und ihre Beteiligung an der Entscheidungsfindung zu schwächen und den sozialen Dialog und Tarifverhandlungen abzuwerten oder gar zu unterbinden. |
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4.1.2. |
Der EWSA hält den Aktionsplan für ein begrüßenswertes und notwendiges Instrument und unterstützt die dort vorgeschlagenen Maßnahmen vorbehaltlich der besonderen Bemerkungen in Abschnitt 5 und der Vorschläge in Abschnitt 6 weitgehend. |
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4.1.3. |
Der EWSA bedauert, dass bei der Vorbereitung des Aktionsplans lediglich ein begrenztes Dialogverfahren stattfand, da ein Dialog die Wirksamkeit des Plans erhöht hätte. |
4.2. Geltungsbereich und Umsetzung des Aktionsplans
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4.2.1. |
Der EWSA ist der Auffassung, dass zur Förderung der Demokratie in Europa unter anderem Maßnahmen zum Schutz der Integrität von Wahlen, zur Stärkung der Medienfreiheit und des Medienpluralismus sowie zur Bekämpfung jeglicher Desinformation und Beeinflussung ergriffen werden müssen. |
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4.2.2. |
Seines Erachtens sollte der Geltungsbereich des Aktionsplans ausgeweitet und durch eine eigene Säule zur Bedeutung einer aktiven Bürgerschaft, die durch die Einbeziehung der Zivilgesellschaft ausgeübt wird, ergänzt werden (siehe Abschnitt 6). |
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4.2.3. |
Ein größerer Stellenwert im Aktionsplan hätte der Demokratie auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene beigemessen werden sollen. |
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4.2.4. |
Der EWSA ist ebenfalls der Ansicht, dass im Aktionsplan alle Facetten und Bereiche der europäischen Demokratie abgedeckt werden sollten, darunter auch die Demokratie in der Arbeitswelt und der strukturierte Dialog mit der Zivilgesellschaft. |
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4.2.5. |
Der EWSA äußert die Hoffnung, dass bei der Umsetzung des Aktionsplans der Tatsache Rechnung getragen wird, dass die EU eine wichtige Vorbildfunktion für die Förderung der demokratischen Werte und Standards hat, etwa im Hinblick auf die Kohärenz ihrer innen- und außenpolitischen Maßnahmen. |
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4.2.6. |
Der EWSA ist der Auffassung, dass die EU handeln sollte, um die Widerstandsfähigkeit der europäischen Demokratien, ihren Sozialvertrag und ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, was auch den Zielen der Konferenz zur Zukunft Europas entspricht. |
4.3. Einbeziehung des Aktionsplans in die Politikbereiche der EU und wirksame Überwachung
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4.3.1. |
Der EWSA hält es für den Erfolg des Aktionsplans für notwendig, diesen eng mit anderen laufenden und zu denselben Zielen beitragenden EU-Initiativen zu verknüpfen, insbesondere mit der Umsetzung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, dem EU-Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Verwirklichung der europäischen Säule sozialer Rechte sowie der neuen Gleichstellungsstrategien, und bedauert, dass diese Verknüpfung nicht ausreichend sichtbar ist. Der EWSA empfiehlt, die Verbindungen zwischen den verschiedenen Aktionsplänen deutlich zu machen. |
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4.3.2. |
Der EWSA bekräftigt die in seiner Stellungnahme SOC/627 formulierte Empfehlung an die Kommission, ein jährliches Forum der Zivilgesellschaft zu Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit zu veranstalten. Dementsprechend schlägt er vor, in den Aktionsplan einen gesonderten Teil zur Lage der Demokratie aufzunehmen, der die Frage der Anwendung von Artikel 11 des EU-Vertrags einschließt. |
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4.3.3. |
Er bedauert, dass zum Aktionsplan kein Überwachungsrahmen und kein Modell zur Messung der Fortschritte vorgesehen sind und dass für viele Maßnahmen keine Fristen festgelegt wurden, was rechtzeitige Folgemaßnahmen zu der für 2023 geplanten Evaluierung erschwert. Er schlägt vor, einen geeigneten Überwachungsrahmen vorzulegen. Der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit kann, wie in Abschnitt 6 beschrieben, eine wichtige Rolle spielen. |
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4.3.4. |
Der EWSA betont, dass soziale Ungleichheiten deutlich abgebaut werden müssen, um die Demokratie zu stärken, und zeigt sich enttäuscht, dass im Aktionsplan nicht darauf eingegangen wird, dass der soziale Zusammenhalt als wesentliches Element der demokratischen Stabilität in Europa erhalten bleiben muss. Die Bedeutung des Sozialvertrags für das Bekenntnis der Europäer zu den demokratischen Idealen und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Erhaltung und Stärkung dieses Vertrags werden ebenfalls nicht erwähnt. Der EWSA empfiehlt, diese Punkte in den Aktionsplan aufzunehmen. |
4.4. Folgen der Digitalisierung für demokratische Gesellschaften
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4.4.1. |
Die Auswirkungen von Angriffen auf das demokratische Leben werden durch die fehlende Regulierung von Online-Plattformen — es gibt nur einige wenige, weltweit verbreitete Plattformen — sowie durch die Wirkung ihrer undurchsichtigen Algorithmen verschärft. Die Mechanismen, die zur Gewährleistung der Rechenschaftspflicht dieser Plattformen verwendet werden, sind ungenügend. Alle demokratischen Nationen müssen dafür sorgen, dass Wahlen so organisiert werden, dass die Wähler angesprochen werden sowie Pluralität und faire und transparente Abläufe gewährleistet sind. Dies erfordert Aufmerksamkeit und Maßnahmen. |
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4.4.2. |
Der EWSA bekräftigt seine in der Stellungnahme NAT/794 (8) gestellte Forderung nach geeigneten politischen Maßnahmen, um die digitale Wirtschaft verstärkt auf unsere gesellschaftlichen Werte auszurichten. |
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4.4.3. |
Der EWSA teilt die Ansicht, dass ein entschlossenerer Ansatz bei der Regulierung von Online-Plattformen erforderlich ist, der dazu führt, dass die Hauptakteure der Öffentlichkeit gegenüber rechenschaftspflichtig sind und eine Regulierung durch durchsetzungsfähige Behörden sichergestellt wird. |
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4.4.4. |
Der EWSA begrüßt die ersten ordnungspolitischen Schritte, die mit den vorgeschlagenen Gesetzen über digitale Dienste und über digitale Märkte eingeleitet wurden, um Online-Plattformen, insbesondere sehr große Online-Plattformen, zur Rechenschaft zu ziehen. |
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4.4.5. |
Seines Erachtens ist die Evaluierung und Aktualisierung des Verhaltenskodexes für den Bereich der Desinformation ein wichtiger Zwischenschritt, um eine zuverlässige Überwachung der Folgen von Desinformation, auch in Zusammenhang mit COVID-19, und der damit verbundenen Reaktionen von Online-Plattformen sicherzustellen. |
5. Besondere Bemerkungen
5.1. Förderung freier und fairer Wahlen und einer starken demokratischen Teilhabe
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5.1.1. |
Der EWSA teilt die Ansicht, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Transparenz politischer Werbung und Kommunikation (Punkt 2.1 des Aktionsplans) zu gewährleisten, und befürwortet die Annahme europäischer Rechtsvorschriften, die sicherstellen, dass für die Bürger stets Transparenz im Hinblick auf gesponserte politische Inhalte auf allen Entscheidungsebenen besteht. Nationale Behörden sollten von den sozialen Netzwerken und anderen Netzen alle notwendigen Informationen erhalten, um freie und faire Wahlen auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene durchführen zu können. |
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5.1.2. |
Der EWSA unterstützt, dass die Kommission in ihrem Legislativvorschlag zur Transparenz politischer Werbung und Kommunikation prüfen will, Mikrotargeting, bei dem undurchsichtige Algorithmen eingesetzt werden, und psychologische Profiling im politischen Kontext weiter einzuschränken. |
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5.1.3. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass freie und faire Wahlen, die zu einem vertrauenswürdigen Wahlsystem gehören, eine ständige Herausforderung für alle demokratischen Systeme sind. Er begrüßt eine engere europäische Zusammenarbeit bei den Wahlen in der EU und fordert die Kommission, das EP und die Mitgliedstaaten auf, weitere Formen der verstärkten Zusammenarbeit in diesem Bereich zu entwickeln, damit Wahlen inklusiver, transparenter und repräsentativer sind. Diese Bemühungen sollten mit dem Kompendium bewährter Verfahren unterstützt werden. |
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5.1.4. |
Der EWSA begrüßt die Annahme eines neuen operativen EU-Mechanismus zur Unterstützung widerstandsfähiger Wahlprozesse, der über das Europäische Kooperationsnetz für Wahlen organisiert und koordiniert wird (Punkt 2.3). |
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5.1.5. |
Der Ausschuss teilt die im Aktionsplan geäußerte Sorge im Zusammenhang mit der Verhinderung und Bekämpfung ausländischer Einflussnahme auf europäische demokratische Prozesse und hält es für angemessen, dass die EU die Kosten im Wege gemeinsamer, klarer und strenger Sanktionen denjenigen auferlegt, die für diese Einmischung verantwortlich sind, und eine gemeinsame Initiative zur Cybersicherheit einleitet. |
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5.1.6. |
Der Ausschuss ist der Auffassung, dass Wahlen als kritische Infrastruktur eingestuft werden sollten, was bereits bei der Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (9) berücksichtigt werden kann, und spricht sich dafür aus, für den operativen EU-Mechanismus zur Unterstützung widerstandsfähiger Wahlprozesse Einsatzbedingungen und Mittel vorzusehen, mit denen die Sicherheit der Verfahren, einschließlich der Cybersicherheit von Wahlen, auf allen Ebenen gewährleistet wird. |
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5.1.7. |
Der EWSA schlägt vor, vollständige Transparenz bei der Verbreitung von Online-Inhalten vorzusehen, wozu die Prüfung von Algorithmen, mehr Transparenz im Ökosystem der Online-Werbung und transparente Verfahren für die Hochstufung/Herabstufung von Inhalten gehören. Ferner sollten die Zivilgesellschaft (Hochschulangehörige, Wissenschaftler, Journalisten, zivilgesellschaftliche Organisation) und unabhängige Regulierungsbehörden bei der Durchsetzung der Rechenschaftspflicht von Online-Akteuren unterstützt und Sanktionen gegen böswillig handelnde Personen verhängt werden, insbesondere bei wiederholten Versuchen, sich der Transparenz und Rechenschaftspflicht gegenüber der Gesellschaft zu entziehen. |
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5.1.8. |
Der EWSA bedauert, dass die Förderung des demokratischen Engagements und der aktiven Mitwirkung über die Teilnahme an Wahlen hinaus im Aktionsplan nicht als eigene Säule betrachtet wird, dass die Rolle des sozialen Dialogs bei der Stabilität der Demokratie nicht anerkannt wird und dass keine konkreten Maßnahmen in diesem Zusammenhang vorgesehen sind. Der EWSA empfiehlt, die Förderung des sozialen Dialogs, der Vereinigungsfreiheit von Unternehmen und Gewerkschaften, Tarifverhandlungen und das Recht auf Information und Konsultation in die neue Säule aufzunehmen, die in Abschnitt 6 vorgeschlagen wird. |
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5.1.9. |
Im Hinblick auf die im Aktionsplan bereits bestehenden Vorschläge zur Förderung des demokratischen Engagements und der aktiven Mitwirkung über die Teilnahme an Wahlen hinaus (Punkt 2.4) sollte nach Ansicht des EWSA eine breit angelegte Initiative zur Förderung der demokratiepolitischen Bildung, einschließlich Medien- und Informationskompetenz, in den Aktionsplan aufgenommen werden. Er begrüßt jedoch, dass politische Bildung im Zusammenhang mit der Nutzung der Strukturfonds erwähnt wird. |
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5.1.10. |
Der EWSA erneuert seine in der Stellungnahme SOC/627 formulierte Aufforderung an die Europäische Kommission, eine ehrgeizige Kommunikations-, Bildungs- und Bürgersensibilisierungsstrategie für die Grundrechte, die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie vorzuschlagen. In dieser Strategie sollte ein deutlicher Schwerpunkt auf der aktiven Bürgerschaft liegen. |
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5.1.11. |
Der EWSA empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten die Strukturfonds nutzen und die Kommission selbst die ihr zur Verfügung stehenden Mittel verwendet, um die Kapazitäten der Zivilgesellschaft zu unterstützen und zu verbessern. |
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5.1.12. |
Unabhängige Faktenprüfer sollten angemessene Finanzmittel erhalten, um in Echtzeit arbeiten zu können, wie der EWSA bereits im Hinblick auf den Aktionsplan gegen Desinformation empfohlen hat (10). Es ist wichtig, die Kapazitäten der Kommission auf europäischer Ebene zu stärken, damit sie auf dieser Ebene besser tätig werden und gleichzeitig die Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene besser unterstützen kann. |
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5.1.13. |
Der EWSA empfiehlt, mit großer Umsicht vorzugehen, damit Überlegungen zur Einstufung von Hetze auf europäischer Ebene als Straftat (Punkt 2.4) nicht als Einschränkung der Meinungsfreiheit ausgelegt werden können, und betont, dass bei allen Initiativen in diesem Bereich das Subsidiaritätsprinzip gewahrt werden muss. |
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5.1.14. |
Der EWSA begrüßt, dass im Aktionsplan für die Förderung der Gleichstellung auf allen Ebenen und der Teilnahme von Frauen, LGBTIQ-Personen, benachteiligten jungen Menschen, Angehörigen ethnischer oder rassischer Minderheiten, Menschen mit Behinderung sowie Menschen oder Gruppen mit geringerer digitaler Kompetenz und geringem digitalem Engagement am politischen Leben eingetreten wird. |
5.2. Unterstützung freier und unabhängiger Medien
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5.2.1. |
Im Hinblick auf die Sicherheit von Journalisten (Punkt 3.1) ist der EWSA besorgt über Anzeichen für eine Einschränkung der Freiheit von Journalisten, wozu auch Bedrohungen ihrer körperlichen Sicherheit gehören, und teilt die Auffassung, dass die Lage besorgniserregend ist. Der Ausschuss hält es für sehr wichtig, dass die Kommission die Ausarbeitung einer Empfehlung in dieser Hinsicht vor Ende des Jahres 2021 vorschlägt, und fordert die Kommission, das EP und die Mitgliedstaaten auf, dringend wirksame Instrumente vorzuschlagen, mit denen Journalisten, die redaktionelle Unabhängigkeit, Vielfalt und Pluralismus sowie die Medienkompetenz geschützt werden und ein günstiges Umfeld geschaffen wird, das die Nachhaltigkeit der Branche und gute Arbeitsbedingungen für Journalisten gewährleistet. |
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5.2.2. |
Der EWSA bringt seine Missbilligung gegenüber den Schikanen zum Ausdruck, denen Journalisten und andere Gemeinwohlaktivisten in Form strategischer Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPP) ausgesetzt sind. Die EU muss dafür sorgen, dass Journalisten, Aktivisten, Gewerkschafter, Hochschulangehörige, Wissenschaftler im Bereich der digitalen Sicherheit, Menschenrechtsverteidiger sowie Organisationen der Medien und der Zivilgesellschaft in den Geltungsbereich der Maßnahmen zur Verhinderung von SLAPP-Klagen fallen. |
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5.2.3. |
Im Hinblick auf die Maßnahmen zur Förderung des Medienpluralismus (Punkt 3.4) bedauert der EWSA, dass der Aktionsplan nur vage Aussagen zu der Frage enthält, was die Kommission zur Wahrung des in der Charta der Grundrechte verankerten Medienpluralismus unternehmen wird, insbesondere bei der wichtigen Frage der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich. Die EU muss angesichts der im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020 enthaltenen Feststellung, dass es in einigen Mitgliedstaaten kein System gibt, um Transparenz bei den Eigentumsverhältnissen im Medienbereich zu gewährleisten oder Hindernisse bei der wirksamen Offenlegung dieser Eigentumsverhältnisse zu beseitigen, eine proaktivere Haltung einnehmen. Der EWSA fordert die Kommission deshalb auf, sich mehr Kenntnisse darüber zu verschaffen, welche Akteure auf den Medienmärkten tätig sind und mit welchen Schutzmechanismen und Bedingungen der Pluralismus gefördert werden kann. Die Kommission sollte die Konzentration der Vertriebsnetze und der Vermittler überwachen, die die Bedingungen für den Zugang zu den Medien und den Inhalten sowie deren Art zunehmend beeinflussen oder bestimmen. Die öffentliche Konsultation zum Aktionsplan zeigte auch deutliches Einvernehmen darüber, dass alle Medien und Unternehmen verpflichtet sein sollten, detaillierte Informationen über ihre Eigentumsverhältnisse zu veröffentlichen. |
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5.2.4. |
Der EWSA ist besorgt, dass in mehreren Mitgliedstaaten versucht wird, die durch COVID-19 entstandene schwierige Situation, die den Mediensektor geschwächt hat, dazu zu nutzen, durch missbräuchliche, diskriminierende und repressive Maßnahmen die Pressefreiheit anzugreifen. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um die im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit festgestellten Lücken bei den Vorschriften für die Vergabe staatlicher Werbeaufträge an die Medien zu schließen. |
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5.2.5. |
Er fordert die Kommission auf, die zur Finanzierung des Medienpluralismus verwendeten Mechanismen zu überprüfen und Innovation, freiberufliche Journalisten und lokale Medien zu unterstützen. Es könnte erwogen werden, die Umsetzung und Wirksamkeit des Leistungsschutzrechts für Presseverlage im Urheberrecht in der Richtlinie über den digitalen Binnenmarkt zu bewerten. |
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5.2.6. |
Da die Frist für die Umsetzung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste durch die Mitgliedstaaten am 19. September 2020 abgelaufen ist, fordert der EWSA die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Bewertung dieses Prozesses im Aktionsplan berücksichtigt wird, und ruft die Mitgliedstaaten auf, diese Richtlinie rasch umzusetzen. |
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5.2.7. |
Der EWSA fordert die Kommission auf, die Möglichkeit zu prüfen, das kostenlose Streaming öffentlicher Medien, auch über Kabelnetze und Streaming-Anbieter, in allen Mitgliedstaaten zu gestatten. Dies wäre ein deutlicher Schritt in Richtung Mehrsprachigkeit, besserem Verständnis und Zusammenarbeit und würde die EU stärker zu einem gemeinsamen öffentlichen Raum machen, indem die Bürgerinnen und Bürger in Vielfalt und Pluralismus vereinigt werden. |
5.3. Bekämpfung von Desinformation
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5.3.1. |
Der EWSA begrüßt den Schwerpunkt, der auf der Bekämpfung von Desinformation (Abschnitt 4) liegt, und hält es für wichtig, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu verstärken, um gegen Desinformation vorzugehen. |
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5.3.2. |
Er hebt die Wichtigkeit des Gesetzes über digitale Dienste (Punkt 4.2) im Hinblick auf Aufsicht, Rechenschaftspflicht und Transparenz von Online-Plattformen hervor und befürwortet die Entwicklung eines Regulierungsmechanismus zur Verhinderung von Desinformation. |
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5.3.3. |
Der Ausschuss ist der Ansicht, dass der Aktionsplan angesichts der Bedeutung der demokratiepolitischen Bildung für die Qualität des demokratischen Lebens (Punkt 4.3) in diesem Bereich sehr viel ehrgeiziger sein und Ziele und Vorgaben für die Unterstützung innovativer Vorhaben und die Finanzierung von Initiativen der Zivilgesellschaft auf diesem Gebiet vorsehen sollte. |
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5.3.4. |
Mit den EU-Mechanismen sollte eine bessere Zusammenarbeit zwischen den einschlägigen Regulierungsbehörden unterstützt werden, um das Risiko zu verringern, dass Desinformation über Propagandakanäle verbreitet wird, die in der EU registriert sind. |
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5.3.5. |
Online-Werbeplattformen sollten verpflichtet werden, jährliche Transparenzberichte vorzulegen, idealerweise einer benannten unabhängigen Prüfbehörde. Jährliche Transparenzberichte könnten ausführliche Informationen und Erläuterungen zu Maßnahmen und internen Verfahren zur Bekämpfung von Desinformation, Kriterien für die Herab- und Heraufstufung und Instrumente für die Auswahl und Darstellung von Inhalten sowie Strategien zur Ausrichtung und Verbreitung von Werbung, Strategien zur Anzeige „korrekter“ Informationen (z. B. zu COVID-19 und Wahlen) und Beschwerdeverfahren für zu Unrecht entfernte Inhalte umfassen. Auf EU-Ebene könnte eine unabhängige Prüfstelle eingerichtet werden, die sich aus nationalen Aufsichtsbehörden zusammensetzt und als neues Gremium für die Kontrolle sozialer Medienplattformen fungiert. |
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5.3.6. |
Da im Gesetz über digitale Dienste die Möglichkeit vorgesehen ist, gegen die Macht- und Informationsasymmetrie digitaler Gatekeeper wie Google und Facebook vorzugehen, die einen großen Einfluss auf die Demokratie haben, sollte mit dem Europäischen Aktionsplan für Demokratie ein rechtebasierter Ansatz für das Gesetz über digitale Dienste gewährleistet werden. |
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5.3.7. |
Politische Entscheidungsträger in der EU müssen dafür sorgen, dass die Grundsätze der Redefreiheit gewahrt werden, und Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Desinformation erlassen. Insbesondere besteht das Risiko, dass die Verwendung des Strafrechts zur Bekämpfung groß angelegter Desinformation dazu führt, dass ein gefährlicher Raum für den Missbrauch von Menschenrechten in Form von staatlich geförderter Einschüchterung und ungerechtfertigter Verfolgung kritischer Stimmen entsteht. |
6. Vorschlag für die Schaffung einer vierten Säule „Förderung einer aktiven und demokratischen Mitwirkung über Wahlen hinaus“ im Aktionsplan
6.1. Hintergrund
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6.1.1. |
Nach Ansicht des EWSA sollte der Aktionsplan eine spezielle Säule enthalten, damit eine klare Strategie für eine aktive Bürgerschaft einen angemessenen Stellenwert erhält. Der Ausschuss hält dies für entscheidend, um eine reibungslosere Erholung von der derzeitigen Krise zu ermöglichen und den Weg für eine nachhaltigere und robustere Demokratie in Europa zu bereiten. |
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6.1.2. |
Diese neue Säule sollte die Förderung des sozialen Dialogs, der Tarifverhandlungen und des zivilen Dialogs umfassen. |
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6.1.3. |
Im EU-Vertrag wurde mit dem Konzept der Bürgerbeteiligung in Artikel 11 eine große Neuerung eingeführt. Mehr als zehn Jahre nach seinem Inkrafttreten entsprechen die Möglichkeiten der Bürger, sich über Wahlen hinaus an Entscheidungen zu beteiligen, bei Weitem nicht den Bedürfnissen, Dies führt häufig zu einer zweifachen Unzufriedenheit: der Unzufriedenheit mit der Politik selbst und der Unzufriedenheit mit den fehlenden Möglichkeiten, auf Entscheidungen Einfluss zu nehmen. In diesem Zusammenhang hält es der EWSA, wie bereits in seiner Stellungnahme SOC/423 (11) dargelegt, für äußerst wichtig, konkrete Aktionsvorschläge auszuarbeiten, damit die EU-Institutionen die in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich fallenden Initiativen zur Festlegung angemessener Maßnahmen für die Umsetzung der Absätze 1 und 2 von Artikel 11 EUV ergreifen. |
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6.1.4. |
Nach Artikel 152 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist es zudem Aufgabe der EU, die Rolle der Sozialpartner anzuerkennen und zu fördern. |
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6.1.5. |
In diesem Zusammenhang schlägt der EWSA vor, im Aktionsplan eine vierte Säule „Förderung einer aktiven und demokratischen Mitwirkung über Wahlen hinaus“ vorzusehen, die im Folgenden erläutert wird. |
6.2. Förderung einer Kultur der aktiven Teilhabe
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6.2.1. |
Schaffung eines offenen und günstigen Umfelds für die Zivilgesellschaft in Europa
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6.2.2. |
Demokratiepolitische Bildung und Menschenrechtsbildung sollten eine Priorität der EU darstellen
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6.3. Ein echtes Mitspracherecht für Bürgerinnen und Bürger und ihre Organisationen in den Entscheidungsfindungsprozessen der EU
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6.3.1. |
Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten die Mobilisierung der Bürger vor Ort unterstützen und es ihnen ermöglichen, sich in all ihrer Vielfalt zu Wort zu melden, indem sie deren in Artikel 10 EUV verankertem „Recht, am demokratischen Leben der Union teilzunehmen“ konkreten Ausdruck verleihen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten den Bürgern die Möglichkeit geben, an einem „offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft“ teilzunehmen (Artikel 11 EUV). Der EWSA sollte einen jährlichen Bericht zu diesem Thema erstellen. |
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6.3.2. |
Die Bürger und ihre Organisationen sollten umfassend in die Gestaltung der EU-Politik einbezogen werden. Zwischen den Beiträgen der verschiedenen Interessenträger sollte ein vernünftiges Gleichgewicht hergestellt werden, indem die Konsultationsverfahren überarbeitet werden, um mehr zivilgesellschaftliche und soziale Organisationen auf EU- und nationaler Ebene einzubeziehen, und indem das Potenzial der Europäischen Bürgerinitiative genutzt wird, damit die Bürgerinnen und Bürger die Agenda festlegen können. |
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6.3.3. |
Die Bestimmung in Artikel 11 EUV über einen „offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft“ in allen Politikbereichen der EU sollte vollständig umgesetzt werden. Die Kommission sollte eine interinstitutionelle Vereinbarung über den zivilgesellschaftlichen Dialog mit der europäischen Zivilgesellschaft auf den Weg bringen. |
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6.3.4. |
Eine wirkliche und inklusive Teilnahme der Zivilgesellschaft an der Konferenz zur Zukunft Europas sollte vorgesehen und mit dem Aktionsplan verbunden werden, um zu erörtern, wie demokratische Prozesse und ein aktives bürgerschaftliches Engagement gestärkt werden können. |
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6.3.5. |
Die Mitgliedstaaten sollten aufgefordert werden, in ihren Plänen für den mehrjährigen Finanzrahmen angemessene Mittel für die Finanzierung des zivilgesellschaftlichen Dialogs bereitzustellen und die Möglichkeit der Mitwirkung von Organisationen der Zivilgesellschaft an der Entscheidungsfindung zu verbessern. Die Kommission sollte die Frage Bürgerbeteiligung/Demokratie in die horizontalen Prioritäten ihrer länderspezifischen Empfehlungen aufnehmen. |
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6.3.6. |
Alljährlich sollte eine Veranstaltung durchgeführt werden, bei der Vertreter der EU-Institutionen auf höchstem Niveau und Vertreter der Organisationen/Verbände der Zivilgesellschaft sowie Vertreter der Branchendialoge und der lokalen, regionalen, nationalen und makroregionalen Dialoge (transnationale Dialoge und Dialoge im Rahmen der Nachbarschaftspolitik) zusammenkommen, um bewährte Verfahren auszutauschen und einen Jahresplan zur Stärkung von Demokratie, Teilhabe und zivilgesellschaftlichem Dialog auszuarbeiten. Die Kommission und der EWSA sollten bei diesem Prozess eine führende Rolle als Organisatoren spielen. |
6.4. Stärkung der Unterstützungsstrukturen für sozialen Dialog und Tarifverhandlungen
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6.4.1. |
Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Demokratie durch den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zu stärken, auch durch die Förderung der Demokratie in der Arbeitswelt. Die Demokratie ist auch auf dieser Ebene Angriffen ausgesetzt, und durch die Pandemie wurden wichtige Fragen aufgeworfen, die rasch angegangen werden müssen. |
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6.4.2. |
Der soziale Dialog und Tarifverhandlungen gehören zu den besten Beispielen für ein Funktionieren der Demokratie. Der Dialog zwischen Organisationen, die ihre eigenen Interessen und Werte vertreten, bildet einen strukturierten Raum, in dem gemeinsame Anliegen erörtert und verhandelt werden können, auch wenn unterschiedliche Interessen bestehen. Die gegenseitige Anerkennung und der gegenseitige Respekt zwischen Partnern sowie die rationale Suche nach Lösungen für Situationen, Probleme und Konflikte bilden die Bausteine einer demokratischen Kultur. |
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6.4.3. |
In der Säule sollten Maßnahmen vorgesehen werden, die diese Ziele fördern, namentlich:
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Brüssel, den 10. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) ABl. C 282 vom 20.8.2019, S. 39.
(2) Präambel des Vertrags über die Europäische Union.
(3) ABl. C 202 vom 7.6.2016, S. 389.
(4) Siehe insbesondere folgende Stellungnahmen: ABl. C 228 vom 5.7.2019, S. 24; ABl. C 282 vom 20.8.2019, S. 39; ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 16.
(5) https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/political-guidelines-next-commission_de.pdf.
(6) Venedig-Kommission (2020): „Interim Report on the measures taken in the EU member States as a result of the Covid-19 crisis and their impact on democracy, the Rule of Law and Fundamental Rights“ (Zwischenbericht zu den in den EU-Mitgliedstaaten infolge der COVID-19-Krise ergriffenen Maßnahmen und ihren Auswirkungen auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte), angenommen von der Venedig-Kommission auf ihrer 124. Plenartagung (8./9. Oktober 2020, per Videokonferenz), https://www.venice.coe.int/webforms/documents/?pdf=CDL-AD(2020)018-e.
(7) COM(2020) 790 final.
(8) ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 187.
(9) Wie in der Mitteilung und insbesondere in Fußnote 17 zum Ausdruck gebracht.
(10) Schlussfolgerungen — Ziffer 1.7 der Stellungnahme (ABl. C 228 vom 5.7.2019, S. 89).
(11) ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 8.
(12) Europäische Menschenrechtskonvention, Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
(13) OSZE/BDIMR, Leitlinien zur Vereinigungsfreiheit.
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/66 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/794 in Bezug auf die Zusammenarbeit von Europol mit privaten Parteien, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Europol zur Unterstützung strafrechtlicher Ermittlungen und die Rolle von Europol in Forschung und Innovation“
(COM(2020) 796 final — 2020/0349 (COD))
(2021/C 341/10)
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Berichterstatter: |
Philip VON BROCKDORFF |
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Befassung |
Europäische Kommission, 24.2.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft |
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Annahme in der Fachgruppe |
26.5.2021 |
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Verabschiedung auf der Plenartagung |
9.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
233/2/3 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Kommission zur Stärkung des Mandats von Europol insofern, als damit Datenschutzgarantien und Forschungskapazitäten verbessert werden, was dazu beitragen wird, zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und terroristischer Aktivitäten zu intensivieren und die operative polizeiliche Zusammenarbeit in den EU-Mitgliedstaaten zu stärken. |
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1.2. |
Der EWSA begrüßt ebenfalls die vorgeschlagene Zusammenarbeit von Europol mit Drittstaaten und die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit privaten Parteien oder Anbietern, insbesondere im Hinblick auf den Austausch von Daten. Der EWSA ist der Ansicht, dass private Anbieter eine Anlaufstelle auf EU-Ebene haben sollten, der sie Informationen melden können, die für strafrechtliche Ermittlungen von Belang sein könnten. Mit dem Vorschlag der Kommission wird dieser Mangel behoben. |
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1.3. |
Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission auch deshalb, weil er die für Verbrechensverhütung zuständigen Behörden darin unterstützen soll, innovative Lösungen zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität zu finden und mit den Entwicklungen in diesem Bereich Schritt zu halten. Mit dem Vorschlag sollen auch die Kompetenzen und Forschungskapazitäten von Europol und den nationalen Strafverfolgungsbehörden weiterentwickelt werden. |
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1.4. |
Der EWSA betont, dass bei der Stärkung der Fähigkeiten von Europol grenzüberschreitende Ermittlungen, insbesondere in Fällen schwerwiegender Angriffe auf Hinweisgeber und investigative Journalisten, die eine wesentliche Rolle bei der Aufdeckung von Korruption, Betrug, Misswirtschaft und anderem Fehlverhalten im öffentlichen und privaten Sektor spielen, eine Priorität sein sollten. |
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1.5. |
Der EWSA hat des Weiteren keine Bedenken hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre und der Grundrechte bei der Datenverarbeitung. Durch modernisierte und harmonisierte Rechtsvorschriften würde vielmehr eine effektivere Prüfung von Datenschutzfragen ermöglicht und gleichzeitig ein Gleichgewicht zwischen den Sicherheitsanforderungen der einzelnen Mitgliedstaaten und denen der EU erreicht. |
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1.6. |
Derzeit kann Europol den Strafverfolgungsbehörden in den Mitgliedstaaten Informationen zu kriminellen Tätigkeiten aus Drittstaaten oder von internationalen Organisationen nicht direkt und in Echtzeit zur Verfügung stellen. Daher soll mit den vorgeschlagenen Änderungen diese Sicherheitslücke geschlossen und eine neue Ausschreibungskategorie eingeführt werden, die in klar definierten Fällen ausschließlich von Europol verwendet wird. Der EWSA begrüßt dementsprechend die Einführung einer neuen Ausschreibungskategorie zur Festigung des Schengener Informationssystems. |
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1.7. |
Die Ausweitung der Befugnisse und Ressourcen von Europol geht mit dem Bemühen um Effizienz einher, da Größenvorteile ein kosteneffizientes Vorgehen ermöglichen. Der EWSA ist der Auffassung, dass die vorgeschlagene Aufstockung des Haushalts von Europol eine positive Reaktion im Sinne eines stärkeren Schutzes der EU-Bürger sowie der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Europol und nationalen Strafverfolgungsbehörden ist. Er erwartet jedoch auch, dass sich diese Aufstockung in der Zahl der Einsatzkräfte von Europol und in einer größeren organisatorischen Effizienz niederschlägt. |
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1.8. |
Insgesamt ist der EWSA der Auffassung, dass die Vorschläge ein Schritt in die richtige Richtung sind, da die Rolle von Europol mit Blick auf die sich verändernde Lage ausgeweitet wird. Die Arbeit von Europol hängt jedoch weiterhin stark von den Tätigkeiten und Maßnahmen der Mitgliedstaaten sowie den von nationalen Strafverfolgungsbehörden erfassten Daten ab. Daher stellt sich insbesondere angesichts einer zunehmend globalisierten Welt die Frage, ob es nicht an der Zeit ist, Europol ein Tätigwerden auf eigene Initiative zu ermöglichen. |
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1.9. |
In diesem Zusammenhang vertritt der EWSA ebenfalls die Ansicht, dass künftig möglicherweise noch entschiedenere Schritte zur Erweiterung des Mandats und des Tätigkeitsbereichs von Europol unternommen werden müssen. Wie im Vorschlag festgestellt wird, geht die organisierte Kriminalität immer trickreicher vor, und die gefährlichsten kriminellen Netzwerke haben zunehmend einen grenzübergreifenden Charakter. Da sich die organisierte Kriminalität ständig weiterentwickelt, muss das Mandat von Europol langfristig angepasst werden, damit der Agentur bei der europäischen Sicherheit eine noch zentralere Rolle zukommt. |
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1.10. |
Aus diesem Grund empfiehlt der EWSA zu gegebener Zeit eine unabhängige Überprüfung der Rolle und Zuständigkeiten von Europol. Bei der Überprüfung sollte auch untersucht werden, wie sich die nationalen Verfahren zur Strafverfolgung und Datenerhebung auf die von Europol vorgelegten Analysen auswirken. Bei dieser Überprüfung wären auch die Standpunkte der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner sowie sonstiger wichtiger Interessenträger zu berücksichtigen. |
2. Vorschlag der Europäischen Kommission
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2.1. |
In Reaktion auf die zunehmenden Sicherheitsbedrohungen, insbesondere durch kriminelle Organisationen, hat die Europäische Kommission am 9. Dezember 2020 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/794 in Bezug auf die Zusammenarbeit von Europol mit privaten Parteien, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Europol zur Unterstützung strafrechtlicher Ermittlungen und die Rolle von Europol in Forschung und Innovation veröffentlicht. |
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2.2. |
Der Vorschlag zielt insbesondere auf folgende zentrale Punkte ab:
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2.3. |
Die Kommission hält es auch für notwendig, die Zusammenarbeit von Europol mit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) sowie mit Drittstaaten zu stärken. Europols Rolle bei Forschung und Innovation, ihr Datenschutzrahmen und die entsprechende parlamentarische Kontrolle werden ebenfalls gestärkt. |
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2.4. |
Im Hinblick auf die verstärkte Zusammenarbeit mit privaten Parteien enthält der Vorschlag Bestimmungen, nach denen Europol personenbezogene Daten mit privaten Parteien austauschen kann (um die Agentur in die Lage zu versetzen, personenbezogene Daten von privaten Parteien zu erhalten) sowie diese Parteien über fehlende Informationen informieren und die Mitgliedstaaten ersuchen kann, andere private Parteien zur Weitergabe zusätzlicher Informationen aufzufordern. |
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2.5. |
Mit den Bestimmungen wird auch die Möglichkeit eingeführt, dass Europol als technischer Kanal für den Austausch zwischen den Mitgliedstaaten und den privaten Parteien fungiert. Zur Verbesserung der Krisenreaktion wird in weiteren Vorschriften die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen geregelt, die großflächige Verbreitung terroristischer Inhalte (die sich auf aktuelle oder kürzlich stattgefundene reale Ereignisse beziehen und in denen Angriffe auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit anderer gezeigt werden oder unmittelbar zu Angriffen auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit anderer aufgerufen wird) über Online-Plattformen zu verhindern. |
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2.6. |
Um umfangreiche und komplexe Datensätze verarbeiten zu können, beabsichtigt die Kommission, die Möglichkeit zu schaffen, eine Vorabanalyse personenbezogener Daten durchzuführen, deren einziger Zweck darin besteht, festzustellen, ob diese Daten in die einzelnen Kategorien von betroffenen Personen fallen und mit einem Verbrechen in Zusammenhang stehen. |
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2.7. |
Um die strafrechtlichen Ermittlungen in den Mitgliedstaaten oder durch die EUStA in bestimmten Fällen wirksam zu unterstützen, würde Europol Daten, die die nationalen Behörden oder die EUStA im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen erlangt haben, im Einklang mit den nach nationalem Strafrecht geltenden Verfahrensanforderungen und -garantien verarbeiten können. Zu diesem Zweck wäre es Europol erlaubt, alle in einer vom Mitgliedstaat oder der EUStA zur Verfügung gestellten Ermittlungsakte enthaltenen Daten so lange zu verarbeiten (und auf Ersuchen zu speichern), wie Europol diese bestimmte strafrechtliche Ermittlung unterstützt. |
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2.8. |
Die Kommission schlägt ferner die Einführung einer neuen Ausschreibungskategorie in das Schengener Informationssystem vor. Dieser Vorschlag geht darauf zurück, dass Europol nicht in der Lage ist, den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten direkt und in Echtzeit Informationen aus Drittländern oder von internationalen Organisationen über Personen zur Verfügung zu stellen, die einer Straftat oder terroristischen Straftat verdächtigt beziehungsweise aufgrund einer solchen verurteilt wurden. |
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2.9. |
Im Hinblick auf den Haushalt wären laut dem Vorschlag für den Zeitraum des mehrjährigen Finanzrahmens 2021–2027 zusätzliche Haushaltsmittel in Höhe von etwa 180 Mio. EUR und rund 160 zusätzliche Stellen erforderlich. |
3. Allgemeine Bemerkungen
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3.1. |
Europa ist in allen (privaten und öffentlichen) Tätigkeitsfeldern mit sich verändernden und immer komplexeren Sicherheitsbedrohungen konfrontiert. Der digitale Wandel, moderne Technologien und die Tatsache, dass es für Kriminelle leicht ist, ihre Tätigkeiten über das Internet abzuwickeln, haben zu einer Zunahme krimineller Aktivitäten in Europa und weltweit sowie zu einem exponentiellen Anstieg der Cyberkriminalität geführt. |
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3.2. |
Auch der Terrorismus stellt nach wie vor eine erhebliche Bedrohung für die Freiheit und die Lebensweise der EU und ihrer Bürgerinnen und Bürger dar. Durch die COVID-19-Krise haben sich diese Bedrohungen verschärft, kriminelle Organisationen haben sich die Krise zunutze gemacht und ihre Vorgehensweisen angepasst oder neue kriminelle Tätigkeiten entwickelt. |
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3.3. |
Diese sich entwickelnden Sicherheitsbedrohungen erfordern eine wirksame Unterstützung der Arbeit nationaler Strafverfolgungsbehörden auf EU-Ebene. Diese Bedrohungen breiten sich über Grenzen hinweg aus, erstrecken sich über eine große Bandbreite von Straftaten und manifestieren sich in organisierten kriminellen Vereinigungen, die an einem breiten Spektrum krimineller Tätigkeiten beteiligt sind. |
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3.4. |
Angesichts dieser Entwicklungen reichen Maßnahmen auf nationaler Ebene allein nicht aus, um die grenzüberschreitenden Sicherheitsprobleme zu bewältigen. Die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten greifen zunehmend auf die Unterstützung und das Fachwissen zurück, die Europol — die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung — zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus bietet. |
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3.5. |
Europol bildet auf EU-Ebene das Kernstück der Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus. Die Agentur bietet den nationalen Strafverfolgungsbehörden Unterstützung und Fachwissen bei der Prävention und Bekämpfung der schweren Kriminalität, die zwei oder mehrere Mitgliedstaaten betrifft, des Terrorismus und der Kriminalitätsformen, die ein gemeinsames Interesse verletzen, das Gegenstand einer EU-Politik ist. Seit Inkrafttreten der Europol-Verordnung im Jahr 2016 hat sich die operative Bedeutung der Aufgaben der Agentur erheblich verändert, und ihre operative Unterstützung hat weiter zugenommen. Europol ist nun an fast allen größeren Ermittlungen zur Bekämpfung des Terrorismus in der EU beteiligt. |
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3.6. |
Vor dem Hintergrund sich entwickelnder und zunehmend komplexer werdender grenzüberschreitender Sicherheitsbedrohungen, bei denen die Grenzen zwischen der physischen und der digitalen Welt verschwimmen, sowie der anhaltend hohen Bedrohung durch den Terrorismus in Europa wird eine Stärkung der Fähigkeiten und Instrumente von Europol zur wirksamen Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus als begrüßenswerte Reaktion betrachtet, die zur rechten Zeit kommt. |
4. Besondere Bemerkungen
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4.1. |
Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission zur Stärkung des Mandats von Europol, da er darauf abzielt, die Datenschutzgarantien zu verbessern und die Rolle von Europol im Bereich der Forschung auszuweiten. |
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4.2. |
Der EWSA begrüßt ebenfalls die vorgeschlagene operative Zusammenarbeit mit Drittstaaten und die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit privaten Parteien, insbesondere im Hinblick auf den Austausch von Daten. Der EWSA hält den Vorschlag, eine Zusammenarbeit mit privaten Parteien zu ermöglichen, nicht für unverhältnismäßig. Vielmehr wird der Vorschlag angesichts der fortschreitenden Entwicklung der internationalen Internet- und Mobilgerät-Kriminalität als durchaus notwendig erachtet. Kriminelle Organisationen nutzen für ihre Kommunikation und die Durchführung rechtswidriger Handlungen zunehmend grenzüberschreitende Dienstleistungen privater Parteien. Gegenwärtig besteht für private Anbieter auf EU-Ebene jedoch keine Anlaufstelle, der sie Informationen melden können, die für strafrechtliche Ermittlungen von Belang sein könnten. Mit dem Vorschlag soll diese Lücke geschlossen werden. Durch die Änderung der rechtlichen Vorschriften würde Europol in die Lage versetzt, als Anlaufstelle zu fungieren und Straftaten oder Fälle, zu denen Ermittlungen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten laufen, zentral zu untersuchen. Diese Regelung ermöglicht die Entwicklung der notwendigen Zusammenarbeit zwischen Europol und privaten Parteien. |
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4.3. |
In der Änderung wird vorgeschlagen, dass Europol bei der Unterstützung der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Entwicklung neuer technischer Lösungen auf der Grundlage künstlicher Intelligenz zum Nutzen der nationalen Strafverfolgungsbehörden in der gesamten EU eine Schlüsselrolle zukommt. Die Suche nach innovativen Lösungen ist ein wichtiger Teil der Bekämpfung der internationalen Kriminalität und soll sicherstellen, dass die für die Verbrechensbekämpfung zuständigen Behörden mit dem sich verändernden Umfeld Schritt halten können. Dies kann nur durch eine abgestimmte Forschungstätigkeit erreicht werden. Der EWSA befürwortet daher die proaktive Rolle von Europol bei der zentralen Unterstützung von Strafverfolgungsbehörden in den Mitgliedstaaten bei i) der Ermittlung von Innovationen und ii) der Entwicklung von Kompetenzen und Fähigkeiten dieser Behörden, wobei in der EU entwickelte Technologien und Innovationen genutzt werden sollten, statt auf Sicherheitslösungen aus Drittstaaten zurückzugreifen. |
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4.4. |
Im Hinblick auf den Datenschutz von Einzelpersonen soll mit den Änderungen sichergestellt werden, dass die Privatsphäre und die Grundrechte bei der Verarbeitung verschiedener Arten von Daten uneingeschränkt geschützt werden. Der EWSA ist ferner der Ansicht, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten bereits sehr streng geregelt ist und daher keine Probleme zu erkennen sind. Durch modernisierte und harmonisierte Rechtsvorschriften würde vielmehr eine effektivere Prüfung von Datenschutzfragen ermöglicht und gleichzeitig ein Gleichgewicht zwischen den Sicherheitsanforderungen der einzelnen Mitgliedstaaten und der EU als Ganzes erreicht. |
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4.5. |
Der EWSA stellt ferner fest, dass Europol derzeit nicht in der Lage ist, den Strafverfolgungsbehörden in den Mitgliedstaaten direkt und in Echtzeit Informationen aus Drittländern oder von internationalen Organisationen über Personen zur Verfügung zu stellen, die einer Straftat oder terroristischen Straftat verdächtigt beziehungsweise aufgrund einer solchen verurteilt wurden. Diese Sicherheitslücke soll mit dem Vorschlag der Kommission geschlossen werden. Der EWSA begrüßt dies ebenso wie die Einführung einer neuen Ausschreibungskategorie, die in bestimmten und klar definierten Fällen und Umständen ausschließlich von Europol verwendet wird. |
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4.6. |
Seines Erachtens könnte es jedoch erforderlich sein, dass die Kommission künftig noch entschiedenere Schritte unternimmt, um das Mandat und den Tätigkeitsbereich von Europol auszuweiten. Wie im Vorschlag festgestellt wird, hat sich die Kriminalität weiterentwickelt; die gefährlichsten kriminellen Netzwerke haben zunehmend einen grenzübergreifenden Charakter. Daher ist eine Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten und Polizeikräften wichtig. Das Mandat von Europol muss langfristig angepasst werden, damit der Agentur bei der europäischen Sicherheit eine noch zentralere Rolle zukommt. |
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4.7. |
Der EWSA betont, dass bei der Stärkung der Fähigkeiten von Europol grenzüberschreitende Ermittlungen, insbesondere in Fällen schwerwiegender Angriffe auf Hinweisgeber und investigative Journalisten, die eine wesentliche Rolle bei der Aufdeckung von Korruption, Betrug, Misswirtschaft und anderem Fehlverhalten im öffentlichen und privaten Sektor spielen, eine Priorität sein sollten. Dies steht im Einklang mit der Entschließung des Europäischen Parlaments vom Juli 2020, in der eine Stärkung des Mandats zur Sprache gebracht wird, damit Europol bei schwerwiegenden Angriffen auf Hinweisgeber und investigative Journalisten die Einleitung grenzüberschreitender Ermittlungen beantragen kann (1). |
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4.8. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass die Ausweitung der Befugnisse von Europol mit dem Bemühen um Effizienz einhergeht, da Größenvorteile ein kosteneffizientes Vorgehen ermöglichen. Eine weitere Stärkung des Mandats der Agentur und eine Aufstockung ihrer Ressourcen sind notwendig, wenn die europäische Gesellschaft sich geschützt fühlen und geschützt werden soll. |
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4.9. |
Eine weitere Stärkung des Mandats von Europol bedeutet nach Ansicht des EWSA, dass die Abstimmung zwischen den nationalen Strafverfolgungsbehörden und Europol weiter verbessert werden muss, wobei Europol als Zentrum für Analyse und Innovation dienen sollte. In diesem Zusammenhang wird der Legislativvorschlag als Schritt in die richtige Richtung gesehen. Eine Abstimmung zwischen Europol und den Mitgliedstaaten ist dabei äußerst wichtig; die Vorschläge bieten eine solide Grundlage für eine Verbesserung dieser Abstimmung. |
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4.10. |
Kriminelle Tätigkeiten kennen jedoch keine Grenzen, und so wirft der EWSA die Frage auf, ob es in einer zunehmend globalisierten Welt nicht an der Zeit ist, Europol die Möglichkeit zu geben, aus eigener Initiative tätig zu werden. Sollte Europol das Recht haben, Ermittlungen einzuleiten und proaktiv Strafverfolgungsmaßnahmen in den Mitgliedstaaten durchzuführen? Dies ist derzeit nicht gestattet. Aufgrund der Entwicklungen bei den kriminellen Tätigkeiten wäre es eventuell jedoch notwendig, dass eine Diskussion darüber geführt wird, ob Europol in der Lage sein sollte, strafrechtliche Ermittlungen in einem größeren Umfang einzuleiten. |
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4.11. |
Wie bereits festgestellt, sind die Vorschläge ein Schritt in die richtige Richtung, da die Rolle von Europol ausgeweitet wird, um auf die sich verändernde Lage zu reagieren. Die Arbeit von Europol wird jedoch weiterhin stark von den Tätigkeiten und Maßnahmen der Mitgliedstaaten und den von nationalen Strafverfolgungsbehörden erfassten Daten abhängen. Der EWSA ist daher der Ansicht, dass eine unabhängige Überprüfung der Effektivität, mit der Europol ihre Aufgaben und Tätigkeiten durchführt (die in erheblichem Maße auch von der Effektivität der nationalen Strafverfolgungsbehörden abhängen), äußerst sinnvoll sein könnte. Im Rahmen der Überprüfung, die evtl. von einer kleinen Gruppe ranghoher Justiz- und Polizeikräfte im Ruhestand durchgeführt wird, würde ebenfalls untersucht werden, wie sich Strafverfolgungsverfahren und Datenerhebung auf nationaler Ebene auf die Analysen und Bewertungen von Europol auswirken und wie dies wiederum die nationale Strafverfolgung beeinflusst. Bei dieser Überprüfung müssten auch die Standpunkte der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner sowie der entsprechenden Interessenträger berücksichtigt werden, insbesondere von Gruppen und Einzelnen, deren Leben durch Strafverfolgungsmaßnahmen unangemessen oder ungerechtfertigt beeinträchtigt werden könnte. |
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Juli 2020 zu einer umfassenden Politik der Union zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (2020/2686(RSP).
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/71 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — EU-Strategie für eine Sicherheitsunion
(COM(2020) 605 final)
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine EU-Agenda für Terrorismusbekämpfung: antizipieren, verhindern, schützen und reagieren
(COM(2020) 795 final)
(2021/C 341/11)
Berichterstatter: Ákos TOPOLÁNSZKY
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Befassung |
Europäische Kommission, 24.2.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft |
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Annahme in der Fachgruppe |
26.5.2021 |
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Verabschiedung auf der Plenartagung |
9.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
234/1/3 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt und unterstützt die im Rahmen der EU-Strategie für eine Sicherheitsunion (1) vorgeschlagene strategische Agenda zum Schutz der EU-Bürgerinnen und -Bürger vor den Gefahren des Terrorismus und stimmt darin überein, dass in diesem Bereich eine ehrgeizige und robuste Politik zur Terrorismusbekämpfung erforderlich ist. |
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1.2. |
Gleichzeitig betont er, dass dies nur unter Anerkennung und uneingeschränkter Einhaltung der Rechtsgrundlagen des internationalen und europäischen Rechts erfolgen darf, die unsere pluralistische Gesellschaft, unsere gemeinsamen Werte und unsere europäische Lebensweise schützen und wahren. |
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1.3. |
Der EWSA hält die neue Agenda für wichtig und zeitgerecht und befürwortet grundsätzlich ihre Struktur und ihren Schwerpunkt auf dem Begriff Resilienz. |
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1.4. |
Er hebt hervor, wie wichtig der Einsatz moderner Technologien ist, unterstreicht jedoch zugleich, dass im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte ein beschränkter Einsatz dieser Technologien garantiert werden muss. |
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1.5. |
Nach Ansicht des Ausschusses bietet die Agenda einen kohärenten Aktionsrahmen, der vor allem für Institutionen und Behörden bestimmt ist, die mit besonderen und wesentlichen Aufgaben zur Prävention und Bekämpfung terroristischer Bedrohungen betraut sind, wird darin jedoch den Vertretern der lokalen Gemeinschaften, zivilgesellschaftlichen und Opferorganisationen und Gewerkschaften sowie den Religionsgemeinschaften, Hochschulen und privaten Partnern keine angemessene Rolle für die Lösung dieses Problems zuerkannt. |
|
1.6. |
Der EWSA ist der Überzeugung, dass Risiken und Spannungen in erster Linie vermieden und beseitigt werden sollten, anstatt im Nachhinein ihre unerwünschten Folgen mit den damit einhergehenden hohen spezifischen sozialen Kosten bewältigen zu müssen. |
|
1.7. |
Er betont, wie wichtig die entsprechende Forschung und Evaluierung sind, um die Einführung von grundlos die Grundrechte gefährdenden Instrumenten zu verhindern. |
|
1.8. |
Er weist auf die Rolle der Mitgliedstaaten hin sowie darauf, dass diese bei der nachhaltigen Umsetzung der Agenda Synergien schaffen müssen. |
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1.9. |
Für eine wirksame Terrorismusbekämpfung ist es unabdingbar, sich nicht auf rein politische Reaktionen zu beschränken, sondern den individuellen und sozialen Ursachen des Terrorismus mit Hilfe wissenschaftlicher Instrumente auf den Grund zu gehen. |
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1.10. |
Bezüglich der Prävention weist der EWSA darauf hin, dass es sinnvoll ist, die Zivilgesellschaft und ihre Organisationen sowie die Sozialpartner aktiv einzubeziehen, was bislang nicht hinreichend der Fall war. Hier erachtet der EWSA ein konzertiertes Handeln, Risikominderungsprogramme und Aussöhnungsprozesse als besonders gute Investition in die Sicherheit. |
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1.11. |
Der EWSA ist überzeugt, dass der Terrorismus stets wirksam, aber ohne die europäischen Werte und die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu verletzen, bekämpft werden muss. Würden diese nämlich wesentlich eingeschränkt, hätten die Terroristen tatsächlich ihre Ziele erreicht. |
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1.12. |
Der Schutz des öffentlichen Raums muss zur Erzielung eines Konsens unter Einbeziehung privater Akteure und Vertreter lokaler Gemeinschaften konzipiert und umgesetzt werden. Es bedarf eines ständigen Dialogs mit Religionsführern, da Religionen viel zur Eindämmung bestimmter Formen von Radikalisierung und Bedrohungen sowie der durch Terrorismus zwischen Gemeinschaften entstehenden Spannungen beitragen können. |
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1.13. |
Der EWSA hebt hervor, dass das EU-Recht eine allgemeine und unterschiedslose Datenspeicherung verbietet, die nur unter genau in den Rechtsvorschriften abgegrenzten und strengen rechtlichen Garantien nebst ständiger Kontrolle des Systems zulässig ist. |
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1.14. |
Im Falle der Verwendung im Programm zur Fahndung nach Finanzquellen des Terrorismus (TFTP) (2) sollten Schutzvorkehrungen zum Schutz der Privatsphäre der EU-Bürger einer ständigen Bewertung unterzogen werden. |
2. Einleitende Bemerkungen (3)
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2.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt und unterstützt die im Rahmen der EU-Strategie für eine Sicherheitsunion (4) vorgeschlagene strategische Agenda für wirksame und koordinierte Maßnahmen mittels umfassender Instrumente zum Schutz der EU-Bürgerinnen und -Bürger vor den Gefahren des Terrorismus. |
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2.2. |
Der EWSA stimmt darin überein, dass eine ehrgeizige und robuste Politik zur Terrorismusbekämpfung erforderlich ist, betont jedoch, dass sie sich auf eine faktengestützte Risikoanalyse und eine strenge Folgenabschätzung hinsichtlich der in der EU bereits umgesetzten Maßnahmen stützen sollte. |
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2.3. |
Der EWSA setzt sich uneingeschränkt für die universellen Werte der Achtung des menschlichen Lebens und der Menschenwürde ein, die auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert sind. Er unterschreibt ferner die Aussage, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Achtung der Grundrechte, insbesondere des Rechts auf Privatsphäre, auf freie Meinungsäußerung und auf Religionsfreiheit, sowie die Achtung der Vielfalt das Fundament der Europäischen Union bilden und daher einen starken kollektiven Ansatz auf EU-Ebene erfordern, der unsere pluralistische Gesellschaft, unsere gemeinsamen Werte und unsere europäische Lebensweise schützt und bewahrt. Diese grundlegenden Werte müssen bei der Konzipierung und Umsetzung der in der Mitteilung vorgesehenen Maßnahmen stets konsequent berücksichtigt werden. |
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2.4. |
Der EWSA hält die neue Agenda für wichtig und zeitgerecht; ihre Antizipation, Prävention, Schutz und Reaktion ermöglichende Struktur sowie der übergreifende Aspekt der internationalen Zusammenarbeit bieten einen geeigneten Rahmen und Ansatz für die Umsetzung eines umfassenden Reaktionsplans. Er hält auch die in der Mitteilung gesetzten Schwerpunkte für angemessen, insbesondere denjenigen auf der Bedeutung der Resilienz. Denn Resilienz erfordert eine stärkere Einbeziehung der Gesellschaft — und somit der Zivilgesellschaft und der Bürgergemeinschaften — bei der Schaffung und Gewährleistung von Sicherheit. |
|
2.5. |
Zudem ist der auf den Einsatz moderner Technologien gelegte Schwerpunkt hervorzuheben, mit denen sich terroristische Aktivitäten und Aktivitäten zur Unterstützung des Terrorismus eindeutig wirksamer bekämpfen lassen. Es ist jedoch unbedingt erforderlich, die Nutzung all dieser Instrumente, der neuen — insbesondere derjenigen, mit denen sich Massendaten beschaffen und analysieren lassen — wie der älteren, im Einklang mit dem Unionsrecht genau einzugrenzen, die Verwendung und Speicherung der erhobenen Daten zu regeln sowie die Einhaltung der Regeln ständig und kontinuierlich zu überwachen. |
|
2.6. |
Nach Ansicht des Ausschusses bietet die Agenda einen kohärenten Aktionsrahmen, der vor allem für Institutionen und Behörden bestimmt ist, die mit besonderen und wesentlichen Aufgaben zur Prävention und Bekämpfung terroristischer Bedrohungen betraut sind, wird darin jedoch den Vertretern der lokalen Gemeinschaften, zivilgesellschaftlichen und Opferorganisationen und Gewerkschaften sowie den Religionsgemeinschaften, Hochschulen und privaten Partnern keine angemessene Rolle für die Lösung dieses Problems zuerkannt. Die terroristische Bedrohung lässt sich nur mit Stumpf und Stiel ausmerzen, wenn sich die lokalen gesellschaftlichen Akteure um gemeinsame, konsensfähige Vereinbarungen bemühen, die das Risiko senken. |
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2.7. |
Der EWSA ist der Überzeugung, dass Risiken und Spannungen in erster Linie vermieden und beseitigt werden sollten, anstatt im Nachhinein ihre unerwünschten Folgen mit den damit einhergehenden hohen spezifischen sozialen Kosten bewältigen zu müssen. Der Ausschuss hält es für wichtig, dass die Umsetzung der Agenda nicht auf gesellschaftlichen Wahrnehmungen und politischen Reaktionen, sondern stets auf der Realität des Terrorismus und der tatsächlich von ihm ausgehenden Bedrohung beruht und dass die Gegenmaßnahmen auf dieser Grundlage entwickelt werden. Auch politische Maßnahmen sollten entsprechend konzipiert werden. |
|
2.8. |
Er weist darauf hin, dass die EU nur dann erfolgreich die Radikalisierung bekämpfen kann, wenn sie auch wirksam gegen die Ausgrenzung ihrer eigenen autochthonen Minderheiten (z. B. der Roma) sowie der erst vor Kurzem in die EU gekommenen Minderheiten vorgeht. |
|
2.9. |
Im Interesse der sozialen Inklusion und einer verhältnismäßigen Reaktion wäre es wichtig, dafür zu sorgen, dass die von der Gesellschaft wahrgenommene terroristische Bedrohung und das tatsächliche Ausmaß dieser Bedrohung nicht so stark voneinander abweichen wie das in einigen Mitgliedstaaten zu beobachten ist. Er betont, wie wichtig die entsprechende Forschung und Evaluierung sind, um die Einführung von grundlos die Grundrechte gefährdenden Instrumenten zu verhindern. Schutzmaßnahmen lassen sich nur anhand der auf der Grundlage von Fakten ermittelten tatsächlichen Gefahren und Bedrohungen festlegen. |
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2.10. |
Der EWSA hält auch das starke Engagement im Rahmen der Agenda zur Bekämpfung der Radikalisierung für ein wichtiges positives Element im Kampf gegen den Terrorismus. Er erachtet es neben Maßnahmen gegen radikale Online-Inhalte jedoch in diesem Bereich auch als wesentlich, die Radikalisierungs- und Entradikalisierungsmechanismen zu verstehen und zu untersuchen, die Natur und den Prozess der Radikalisierung zu erforschen und sie auf dieser Grundlage zu verhindern. Die Vertreter der Zivilgesellschaft und die Bürgergemeinschaften können hier eine Schlüsselrolle spielen. |
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2.11. |
Der EWSA ist überzeugt, dass der Terrorismus stets wirksam, aber ohne die europäischen Werte und die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu verletzen, bekämpft werden muss. Würden diese nämlich wesentlich eingeschränkt, hätten die Terroristen tatsächlich ihre Ziele erreicht. |
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2.12. |
Selbst bei den besten und umfassendsten Programmen hängt der Erfolg weitgehend von der Kooperationsbereitschaft der an ihrer Umsetzung beteiligten Mitgliedstaaten sowie von deren Resilienz und den politischen Entscheidungen zu ihrer Unterstützung ab. Der diesbezügliche politische Willen ist von entscheidender Bedeutung. |
|
2.13. |
Nach Ansicht des EWSA hätte die Agenda mit einer gründlichen Bewertung der Lage starten müssen, in der sowohl die Prozesse, auf die sie eine angemessene Antwort geben sollte, als auch die den bisherigen Anstrengungen zuzuschreibenden Ergebnisse hätten aufgezeigt werden sollen. |
3. Inhaltliche Aspekte
3.1. Antizipation
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3.1.1. |
Der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) im Rahmen der frühzeitigen Erkennung terroristischer Bedrohungen und der Terrorismusbekämpfung im Allgemeinen muss unbedingt transparent und überprüfbar sein, nur für die Terrorismusbekämpfung relevante Inhalte und Personen dürfen effektiv ins Visier genommen und den sieben Kernanforderungen (5) der KI-Strategie muss entsprochen werden. |
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3.1.2. |
Beim Schutz des öffentlichen Raums konzentriert sich die Agenda zu Recht auf den Einsatz neuer Technologien. Der EWSA bedauert jedoch, dass inhaltlich nur indirekt auf die Vorbereitung auf Amokfahrten eingegangen wird, obwohl diese in den letzten Jahren sehr häufig waren. Auf diese Weise wurde eine Reihe sogenannter strategischer Terroranschläge (hohe Opferzahl, umfangreiche Medienberichterstattung, großer Angsteffekt) begangen. |
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3.1.3. |
Hinsichtlich der Wirksamkeit der Reaktion auf den Terrorismus ist es wesentlich, den individuellen und sozialen Ursachen des Terrorismus mit Hilfe wissenschaftlicher Instrumente auf den Grund zu gehen. Daher sollte dieser Frage nach Ansicht des EWSA besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, da die so gewonnenen Erkenntnisse wirksam menschlichen und materiellen Schaden verringern können. |
3.2. Prävention
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3.2.1. |
Hinsichtlich der Prävention macht der EWSA vor allem darauf aufmerksam, dass in diesem Bereich der Terrorismusbekämpfung die Privatsphäre eine wichtige und auch inhaltlich relevante Rolle spielen kann und bereits spielt: angefangen bei der Stärkung des Gefühls der Sicherheit in der Gesellschaft über die Erkennung, Prävention und Verhinderung von Radikalisierung bis hin zur Unterstützung und Überwachung der operativen Praktiken der Einrichtungen zur Terrorismusbekämpfung. Daher sollten in der Agenda der Rahmen und der Inhalt der auf allen Ebenen der Gesellschaft realisierbaren Zusammenarbeit deutlich genauer untersucht werden. Die Zusammenarbeit zwischen Einzelpersonen, Gruppen und Gemeinschaften kann nachweislich langfristig zur Risikominderung und Förderung einer stabilen Integration beitragen. Anstelle eines rein reaktiven Ansatzes sollte in der Agenda stärker dieser proaktive Ansatz betont werden. |
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3.2.2. |
In der Agenda wird ganz zu Recht großes Gewicht auf die Bekämpfung über das Internet verbreiteter extremistischer Ideologien gelegt. In diesem Zusammenhang wird das Live-Streaming von Terroranschlägen durch Terroristen genannt. Es wird allerdings nicht auf das viel häufigere Phänomen der Verbreitung von Terroranschlägen in den sozialen Medien durch Augenzeugen verwiesen, das es nach Ansicht des EWSA unbedingt zu verhindern gilt. |
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3.2.3. |
Angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung sehr großer Online-Plattformen werden in der Agenda auch deren Pflichten festgelegt. Neben den bereits genannten Aspekten sollten unter anderem auch regelmäßig die systemischen Risiken bewertet werden, die mit den Grundrechten und den sozialen Spaltungen sowie radikalisierenden manipulativen Techniken zusammenhängen. |
Ebenso ist eine kontinuierliche Bewertung der Risiken im Zusammenhang mit den Akteuren in Industrie, Wirtschaft und Handel, den kleinen und mittleren Unternehmen und den Vertretern der Zivilgesellschaft erforderlich, deren Rolle als Partner bei der Terrorismusprävention über ihre Dachorganisationen gestärkt werden muss.
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3.2.4. |
Bei der Prävention ist darauf hinzuweisen, dass neben Hassreden auch die Verbreitung von Falschmeldungen und Verschwörungstheorien eine herausragende Rolle bei der Radikalisierung spielt. Die Bekämpfung dieses Phänomens ist also mit ausschlaggebend für den Erfolg der Terrorismusbekämpfung. |
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3.2.5. |
Der EWSA unterstreicht, wie wichtig eine strategische Kommunikation nicht nur nach einem Anschlag, sondern auch als Mittel der Prävention ist, dazu gehört auch die Einbeziehung der von der Zivilgesellschaft entwickelten, die Attraktivität des Terrorismus schmälernden und Alternativen eröffnenden Botschaft. |
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3.2.6. |
Ein gemeinsames Engagement und die Resilienz der Städte und Gemeinden können wirksam zum Schutz der Gemeinschaft beitragen. Bei der Prävention erachtet der EWSA ein konzertiertes Handeln, Risikominderungsprogramme und Aussöhnungsprozesse als besonders gute Investition in die Sicherheit. Würden Spannungen angegangen, aufgelöst und schließlich ganz beseitigt, könnte in riskanten Situationen kein Handlungszwang mehr bestehen, was nicht nur erhebliche Ressourcen freisetzen, sondern auch die soziale Inklusion steigern würde. Dies würde voraussetzen, die Wurzeln des Terrorismus zu verstehen, sein Wesen zu ergründen und die ergriffenen Maßnahmen kontinuierlich zu überwachen. |
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3.2.7. |
Damit die Städte in der EU die aktuellen Herausforderungen bewältigen und ihre Resilienz erhöhen können, muss ihr Zugang zu Finanzmitteln, Beratung und Bildung verbessert werden. Der EWSA befürwortet nachdrücklich die Unterstützung, welche die Europäische Kommission den Tätigkeiten der lokalen Präventionskoordinatoren über das Aufklärungsnetzwerk gegen Radikalisierung zuteilwerden lässt. Er hält die „EU-Initiative Städte gegen Radikalisierung“ und den strategischen Dialog zwischen den Städten für wichtig. Seines Erachtens sollte dieser Dialog durch die Schaffung geeigneter Foren auch in städtischen Ballungsräumen ständig eingerichtet werden. |
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3.2.8. |
Da die tatsächliche und die wahrgenommene soziale Ausgrenzung, die Diskriminierung und die Marginalisierung empfänglicher für radikale Propaganda machen und zusätzliche Bedrohungen für den sozialen Zusammenhalt darstellen können, sollte die Europäische Kommission ihre Maßnahmen gegen Rassismus verstärken. Daher ist eine angemessene, risikomindernde und vertrauensbildende Sozialpolitik erforderlich, denn Terrorakte können auch als extreme Anzeichen sozialer Spannungen und von Misstrauen gedeutet werden. |
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3.2.9. |
Nach Ansicht des EWSA sollte der Prüfung, Anerkennung und wirksamen Prävention der Radikalisierung in Haftanstalten verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Er hofft, dass die auf den im vorherigen Zeitraum durchgeführten Bewertungen basierenden Förderprogramme, die er unterstützt, in diesem Kontext weiter gestärkt werden. Mit gut konzipierten Strategien sollte dafür gesorgt werden, dass die Gefängnisse nicht zur Brutstätte für Radikalisierung werden, sondern möglichst zu einem Ort, an dem dagegen angegangen wird. |
3.3. Schutz
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3.3.1. |
In dem Abschnitt „Terroristen handlungsunfähig machen“ wird nicht auf die zur Verhinderung von Amokfahrten geplanten Maßnahmen eingegangen. Angesichts der zunehmenden Häufigkeit solcher Anschläge in den letzten Jahren sollte die Agenda diesem Problem unbedingt Rechnung tragen. |
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3.3.2. |
Der EWSA spricht sich ferner dafür aus, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um die Verwendung von Miet- und Carsharing-Fahrzeugen als Instrument für Terroranschläge zu verhindern, und effiziente Stadtplanungspraktiken zu entwickeln, um Schäden durch dafür eingesetzte Fahrzeuge vorzubeugen. |
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3.3.3. |
Der Schutz des öffentlichen Raums muss zur Erzielung eines Konsenses unter Einbeziehung privater Akteure und Vertreter lokaler Gemeinschaften konzipiert und umgesetzt werden, wobei seine freie Nutzung möglichst wenig eingeschränkt werden sollte. Der EWSA stimmt zu, dass für den Schutz besonders stark frequentierter und symbolträchtiger Orte Mindeststandards festgelegt werden müssen. |
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3.3.4. |
Es bedarf eines ständigen Dialogs mit Religionsführern, da Religionen viel zur Eindämmung bestimmter Formen von Radikalisierung und Bedrohungen sowie der durch Terrorismus zwischen Gemeinschaften entstehenden Spannungen beitragen können. Dieser sollte durch einen Dialog zwischen den Religionen und — falls erforderlich — Versöhnungsprozesse ergänzt werden. |
3.4. Reaktion
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3.4.1. |
Angesichts des speziellen Charakters der Reaktion auf terroristische Bedrohungen betont der EWSA ganz besonders die Notwendigkeit und Bedeutung einer regelmäßigen Kommunikation der Ergebnisse. |
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3.4.2. |
Der EWSA hebt hervor, dass das EU-Recht eine allgemeine und unterschiedslose Datenspeicherung verbietet, die nur unter genau in den Rechtsvorschriften abgegrenzten und strengen rechtlichen Garantien nebst ständiger Kontrolle des Systems zulässig ist. |
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3.4.3. |
Die Tätigkeiten des sich zurzeit noch in der Pilotphase befindenden EU-Kompetenzzentrums für Terroropfer sollten fortgeführt und ausgeweitet werden, um die Wirkung der Terrorismusbekämpfung auf die Zivilgesellschaft und die Grundrechte zu bewerten. Außerdem sollten im Rahmen der ersten EU-Strategie für die Rechte von Opfern (2020-2025) (6) die nationalen Mechanismen für die Opferhilfe überprüft und gestärkt werden. Ferner ist ein wirksames Funktionieren der nationalen Anlaufstellen (7) für Terrorismusopfer unerlässlich. |
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3.4.4. |
Das Programm zur Fahndung nach Finanzquellen des Terrorismus (TFTP) (8) liefert zahlreiche Ermittlungshinweise. Bei ihrer Nutzung, insbesondere durch eine externe Partei (z. B. im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA), müssen die Vorkehrungen zum Schutz der Privatsphäre der EU-Bürgerinnen und -Bürger fortlaufend bewertet werden. Dasselbe gilt für die Cybersicherheit, die Verarbeitung verschlüsselter Informationen während den Ermittlungen, die Verwaltung elektronischer Beweismittel (eEDES) und gemeinsam mit internationalen Partnern geführte digitale Ermittlungen. Auf jeden Fall müssen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich des Schutzes ihrer Rechte als vorrangig betrachtet werden. |
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) COM(2020) 605 final.
(2) ABl. L 195 vom 27.7.2010, S. 3.
(3) Da der EWSA die Agenda inhaltlich befürwortet und diese technischer Natur ist, geht es in der vorliegenden Stellungnahme vor allem um die im Mittelpunkt des EWSA-Mandats stehenden mit der Zivilgesellschaft, der Rechtsstaatlichkeit und den Grundrechten zusammenhängenden Aspekte.
(4) COM(2020) 605 final.
(5) COM(2020) 65 final.
(6) COM(2020) 258 final.
(7) Im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Rates vom 4. Juni 2018 zu Terrorismusopfern (9719/18).
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/76 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Europas Plan gegen den Krebs
(COM(2021) 44 final)
(2021/C 341/12)
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Berichterstatterin: |
Małgorzata BOGUSZ |
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Mitberichterstatterin: |
Milena ANGELOVA |
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Befassung |
Europäische Kommission, 26.3.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 168 Absatz 1 AEUV |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft |
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Annahme in der Fachgruppe |
26.5.2021 |
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Verabschiedung auf der Plenartagung |
9.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
226/3/3 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt Europas Plan gegen den Krebs als Meilenstein im Kampf gegen den Krebs und seine sozialen, finanziellen und psychischen Folgen für die Unionsbürgerinnen und -bürger und fordert einen konkreten Fahrplan für die Umsetzung des Plans mit Leistungsindikatoren und realistischen Zeitvorgaben. |
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1.2. |
Die Krebsprävention hat allergrößte Bedeutung. Genauso wichtig ist jedoch, dass die Europäische Union und die Mitgliedstaaten für die Verfügbarkeit hochwertiger und zugänglicher Gesundheitsinfrastrukturen einschließlich Vorsorge-, Diagnose- und Behandlungseinrichtungen, Gesundheitsdienste mit einem angemessenen und bedarfsorientierten Personalschlüssel beim Gesundheitspersonal und wirksame Unterstützungssysteme für das körperliche und psychische Wohlergehen der Patientinnen und Patienten während und nach der Behandlung sorgen. |
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1.3. |
Besonders dringend müssen die durch die COVID-19-Pandemie entstandenen Probleme in Bezug auf den Zugang zu Gesundheitsdiensten angegangen werden. Beschränkungen und Verzögerungen können die Heilungschancen verringern und müssen wirksam angegangen werden. Auf die Ängste der Menschen muss dringend eingegangen werden. Die Sozialpartner und die zivilgesellschaftlichen Organisationen sind unverzichtbar für die Verbreitung bewährter Verfahren und die Bereitstellung einschlägiger Informationen über Krebsrisikofaktoren und -früherkennungsmöglichkeiten, die Förderung der Prävention und die Motivierung zu einer gesunden Lebensweise. Ihre Bemühungen müssen unterstützt werden, unter anderem durch die Bereitstellung von Mitteln im Rahmen des ESF+ für gemeinsame Maßnahmen zur Krebsbekämpfung und für die Verbreitung bewährter Verfahren im Bereich der Gesundheitsvorsorge. |
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1.4. |
Zur Verbesserung der Früherkennung von Krebs befürwortet der EWSA die Initiativen von Vorsorge- und Präventionsprojekten und unterstützt die Nutzung neuer Technologien und Bemühungen, die Bevölkerung für die Notwendigkeit präventiver Vorsorge zu sensibilisieren. Die Vorsorge- und Aufklärungsinitiativen sollten alle häufigen Krebsarten abdecken und möglichst vielen Menschen offenstehen. |
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1.5. |
Der Plan gegen Krebs muss der demografischen Lage in der EU Rechnung tragen und die Voraussetzungen für den Erhalt einer guten Gesundheit bis ins hohe Alter schaffen. Gleichzeitig fordert der EWSA besondere Aufmerksamkeit für die Bekämpfung von Krebs bei Kindern, wofür in Bezug auf die Erkennung, den Zugang zu herkömmlichen und innovativen Therapien und die auf Kinder und Jugendliche spezialisierte Versorgung eigene Maßnahmen erforderlich sind. |
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1.6. |
Zur Minderung der nationalen, regionalen und sozialen Ungleichheiten bei der Krebsbekämpfung und zur Bereitstellung hochwertiger Lösungen für alle muss die EU alle Mitgliedstaaten in die Umsetzung des Plans einbeziehen und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auch mit Unterstützung durch EU-Mittel fördern. Bei der Umsetzung des Plans müssen die speziellen und besonderen Bedürfnisse der Krebskranken und -überlebenden berücksichtigt werden und es muss eine Anpassung an die unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten erfolgen, u. a. an die unterschiedlichen sozioökonomischen Rahmenbedingungen, das Alter, das Geschlecht oder eine etwaige Behinderung der Betroffenen. |
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1.7. |
Darüber hinaus fordert der EWSA, Krebspatientinnen und -patienten mehr Möglichkeiten für die Inanspruchnahme einer qualitativ hochwertigen Behandlung, Versorgung und des Fachwissens in anderen Mitgliedstaaten zu eröffnen. Außerdem sollten ihnen über einen gut funktionierenden Binnenmarkt Arzneimittel, medizinische Ausrüstung und andere Medizinprodukte zur Verfügung gestellt werden. |
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1.8. |
Nach Ansicht des EWSA bilden Forschung und Innovation einen Grundpfeiler für ein besseres Verständnis der Risikofaktoren für Krebs und für eine Verbesserung der Diagnosen, Therapien und Behandlungen. Innovationsökosysteme, denen Unternehmen verschiedener Größe, Forscherinnen und Forscher, Patientinnen und Patienten, medizinische Fachkräfte und Behörden angehören, müssen durch EU-Mittel und nationale Finanzmittel, insbesondere durch Partnerschaften im Rahmen von Horizont Europa, angeregt, vorangebracht und gefördert werden. |
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1.9. |
Der EWSA hebt hervor, dass die Bemühungen um die Generierung, Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Daten dringend verstärkt werden müssen, damit sie zur Entwicklung modernerer Präventions-, Diagnose- und Behandlungsmethoden beitragen. Im Hinblick auf eine personalisierte Prävention und Versorgung muss eine Verknüpfung von digitalen Gesundheitsdaten mit den Genomdaten von Biobanken ermöglicht werden. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der EU muss auch die Entwicklung und Nutzung von Datenanalysemethoden einschließlich KI ausgebaut werden. |
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1.10. |
Der EWSA betont, dass es wichtig ist, den Tabakkonsum zu verringern, und verweist auf den Bericht der Kommission über die Anwendung der Richtlinie 2014/40/EU über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen (1) sowie die darin enthaltenen Schlussfolgerungen mit dem Ziel, die Exposition von Rauchern gegenüber gefährlichen und/oder suchterzeugenden Stoffen zu reduzieren. In diesem Zusammenhang ist der EWSA — unter Berücksichtigung der Feststellungen der Kommission zu Emissionen und Messverfahren (Abschnitt 3.1 des Berichts) — auch der Ansicht, dass die Methoden zur Messung der Inhaltsstoffe von Rauchemissionen (einschließlich der WHO-Methode „Intense Regime“) weiter erforscht sowie die auf entsprechenden Forschungsergebnissen beruhenden WHO-Empfehlungen umgesetzt werden sollten. |
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1.11. |
Als Beitrag zur wirksamen Prävention berufsbedingter Krebserkrankungen fordert der EWSA, die Exposition gegenüber Karzinogenen, Mutagenen und endokrinen Disruptoren am Arbeitsplatz und die Ursachen für berufsbedingte Krebserkrankungen, insbesondere bei Frauen, noch weiter zu erforschen. Der EWSA nimmt die im Plan enthaltenen Legislativinitiativen gegen Krebs zur Verringerung der Exposition von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gegenüber Krebsrisikofaktoren zur Kenntnis und betont, dass sich etwaige Aktualisierungen auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten stützen und durch Konsultationen der Sozialpartner untermauert werden müssen. Der EWSA betont, dass Forschung und Entwicklung zur Suche nach einem Ersatz für gefährliche Stoffe und Produkte gefördert und unterstützt werden müssen. In Bezug auf Asbest verweist der EWSA auf seine früheren Stellungnahmen, einschließlich der Vorschläge zu den Aspekten Anerkennung und Entschädigung (2). Außerdem fordert er, bei der Risikobewertung und dem Risikomanagement am Arbeitsplatz Mehrfachexpositionen zu berücksichtigen und die Daten zu Expositionen am Arbeitsplatz in die Früherkennungsprogramme aufzunehmen. |
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1.12. |
Eine erfolgreiche Krebsbekämpfung bedarf der internationalen Zusammenarbeit und einer hochwertigen Ausbildung in krebsbezogenen Fachgebieten sowie einer Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei den Ausbildungs- und Kompetenzförderprogrammen, die von der EU unterstützt und auch durch gemeinsame Aktionen der Sozialpartner umgesetzt werden. Besonders wichtig ist ferner auch die Zusammenarbeit im Bereich der Forschung und Innovation und bei der Ermöglichung eines Wissensaustauschs. Darüber hinaus ist eine offene und strukturierte Zusammenarbeit erforderlich, um die Verfügbarkeit von Arzneimitteln, Geräten und anderen Waren für Krebstherapien sicherzustellen. |
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1.13. |
Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Lösungen für die Krebsprävention, -vorsorge, -diagnose und -behandlung spielen Unternehmen. Einen Beitrag zur Krebsbekämpfung leisten diese auch durch die Minderung ihrer Umweltauswirkungen, die Entwicklung und Produktion sicherer bzw. modifizierter und weniger schädlicher Produkte, die Verbesserung von Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz und die Unterstützung der Patientinnen und Patienten bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Krebstherapie sowie der reibungslosen Rückkehr an den Arbeitsplatz. Um dies zu fördern, muss die EU günstige Bedingungen für Innovation, Investitionen und die Führung von Unternehmen schaffen. |
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1.14. |
Der EWSA fordert eine enge Einbindung der Sozialpartner und zivilgesellschaftlichen Organisationen in die Weiterentwicklung und Weiterverfolgung des Plans sowie eine gezielte Förderung und Finanzierung gemeinsamer Aktionen der Sozialpartner und zivilgesellschaftlichen Organisationen einschließlich einer umfassenden Vertretung verschiedener Branchen. |
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1.15. |
Der EWSA fordert EU-weite Kampagnen, um die Menschen für Maßnahmen zur Prävention von und zum Umgang mit Krebs am Arbeitsplatz zu sensibilisieren und aufzuklären. Außerdem sollte darauf aufmerksam gemacht werden, welche Rolle hochwertige Lebensmittel, sauberes Trinkwasser und saubere Luft sowie eine individuelle gesunde Lebensweise einschließlich Ernährung, Sport und der Wahl besserer Alternativen bei der Krebsprävention spielen. Für den Erfolg des Plans und die Verwirklichung seiner Ziele wird die Kommunikation maßgeblich sein, mit der der Plan und seine Maßnahmen den Unionsbürgerinnen und -bürgern auf verständliche und glaubwürdige Weise nahegebracht werden. |
2. Allgemeine Bemerkungen
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2.1. |
Der EWSA begrüßt Europas Plan gegen den Krebs als Meilenstein bei der Bekämpfung des zunehmenden Problems der Krebsbelastung bei Unionsbürgerinnen und -bürgern. Da der Vorschlag nach Ansicht des EWSA zu allgemein gehalten ist, fordert er die Europäische Kommission auf, zu beschreiben, wie er in konkrete Maßnahmen übersetzt werden und sich auf die Prävention und die Situation der Patientinnen und Patienten auswirken soll. Außerdem fordert der EWSA die Ausarbeitung eines Fahrplans mit genauen Angaben zur Umsetzung des Plans gegen den Krebs und mit Leistungsindikatoren und realistischen Zeitvorgaben für diese Strategie. |
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2.2. |
Der EWSA begrüßt die Vorschläge für einen vielseitigen und innovativen Ansatz für die Krebsbekämpfung, der auf Prävention, Früherkennung, Diagnose und Therapie sowie der Verbesserung der Lebensqualität der Patientinnen und Patienten und Überlebenden basiert — indem vor allem auch dafür gesorgt wird, dass sie weiterhin ihrer Beschäftigung nachgehen können. Der Krebsprävention kommt allergrößte Bedeutung zu. Genauso wichtig ist aber auch, dass die EU und die Mitgliedstaaten für die Verfügbarkeit hochwertiger Gesundheitsinfrastrukturen einschließlich Vorsorge-, Diagnose- und Behandlungseinrichtungen sowie Gesundheitsdienste sorgen. |
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2.3. |
Der EWSA stellt fest, dass der Plan weiter angepasst werden muss, um eine gleichberechtigte Beteiligung aller Mitgliedstaaten und ihrer Regionen zu ermöglichen, damit etwaige Ungleichheiten überwunden werden können. Sehr häufig weisen Morbidität und Sterblichkeit nicht nur einen Zusammenhang mit der Art der Krebserkrankung, sondern auch mit dem Wohnort der Betroffenen und der sozialen Schicht auf. Daher müssen die Empfehlungen mit Blick auf die Beteiligung der einzelnen Mitgliedstaaten an der Krebsbekämpfung angepasst werden, was auch die organisatorischen Fortschritte bei den nationalen Vorsorge- und Impfprogrammen und Unterstützungsregelungen betrifft, wobei auch die Frage der sozialen Ungleichheiten bei der Gesundheitsversorgung angegangen werden muss. Ferner müssen Betroffene und die sie betreuenden und pflegenden Personen beim Umgang mit den Folgen von Krebs unterstützt werden, was den Verlust von Selbstständigkeit und Teilhabe am staatsbürgerlichen Leben anbelangt, und Unterstützung beim Zugang zu Finanzhilfen, Hilfe im Alltag usw. erhalten. Ebensolche Beachtung muss die Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen von Krebs und der damit verbundenen Konsequenzen für ohnehin schwächere gesellschaftliche Gruppen erfahren. |
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2.4. |
Das Register der Ungleichheiten bei der Krebsbekämpfung sollte möglichst umfassend sein und den Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten und Regionen und — sofern möglich — den sozialen Ungleichheiten insbesondere in Bezug auf Arbeit und Geschlecht Rechnung tragen. Ferner bedarf es im Rahmen einer effizienten Kooperation bei den Krebsregistern aller Mitgliedstaaten und der länderübergreifenden Zusammenarbeit einer geeigneten Infrastruktur und kompetenter Mitarbeiter für die Erhebung hochwertiger einschlägiger Daten. |
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2.4.1. |
Hierbei spielt die Exposition von Arbeitnehmern, verstärkt durch weitere Faktoren wie die sozialen Determinanten der Gesundheit einschließlich Umweltexpositionen, Zugang zur Versorgung, Bildungsniveau usw., eine wichtige Rolle. Der EWSA betont, dass die Forschung zur Suche nach einem Ersatz für gefährliche Stoffe und Produkte gefördert und unterstützt werden muss. |
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2.4.2. |
Der EWSA unterstreicht die Bedeutung von Umweltexpositionen — einschließlich der Qualität von Lebensmitteln, Wasser und Luft — und betont, dass einschlägige Schulungs-, Bildungs- und Informationsmaßnahmen gebraucht werden, um die Menschen für eine gesunde Lebensweise zu motivieren und sie darin zu bestärken. |
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2.4.3. |
Der Kampf gegen den Krebs erfordert in all seinen Phasen Aufmerksamkeit: umsichtige und informationsgestützte Prävention, relevante Früherkennung, Zugang zu rascher Behandlung und guter Versorgung mit einem angemessenen und bedarfsorientierten Personalschlüssel beim Gesundheitspersonal, Unterstützung bei der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung sowie Nachsorge. |
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2.5. |
Der EWSA begrüßt die Bereitstellung von 4 Mrd. EUR zur Finanzierung des Plans, hält es jedoch für angeraten, diese Mittel vor dem Hintergrund der nationalen Gesundheitssysteme unter Berücksichtigung der Organisation öffentlicher/privater Systeme zur Finanzierung des Gesundheitswesens zu überprüfen. Die EU kann es sich nicht leisten, in der Krebsbekämpfung weiterhin nur langsam zu agieren, was zu menschlichem Leid führen und die wirtschaftliche Lage der Unionsbürgerinnen und -bürger verschlechtern würde. Die EU braucht einen neuen Marshallplan für die Onkologie. |
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2.6. |
Nach Ansicht des EWSA sind die demografischen und wirtschaftlichen Folgen von wesentlicher Bedeutung für den Plan. Die alternde Bevölkerung Europas geht einerseits mit einer niedrigen Fertilitätsrate und andererseits einem Anstieg der Lebenserwartung einher, was langfristig auch eine Herausforderung für die Gesundheitssysteme in der EU darstellen wird. Dies ist auch mit einem höheren Krebsrisiko im Alter verbunden. Hier sind einschneidende Maßnahmen erforderlich, um die Voraussetzungen für den Erhalt eines guten Gesundheitszustands der Europäerinnen und Europäer bis ins hohe Alter zu schaffen. Zur Verwirklichung dieses Ziels sollten die im Plan skizzierten Maßnahmen als neuer Ansatz für die Krebsprävention, -behandlung und -versorgung dienen. Der Plan sollte alle zwei Jahre einer Bestandsaufnahme/Überprüfung unterzogen werden und gemeinsame Indikatoren für alle EU-Mitgliedstaaten enthalten. |
3. Hohe Qualität und einheitliche Versorgung
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3.1. |
Besonders dringend müssen die durch die Pandemie entstandenen Probleme angegangen werden. Der EWSA stellt fest, dass ein eingeschränkter Zugang zu vielen medizinischen Dienstleistungen, vor allem in der Onkologie und Kardiologie, nur vermieden werden kann, wenn die durch COVID-19 bedingten Beeinträchtigungen wirksam angegangen werden. Erhebliche Verzögerungen bei der Diagnose und Behandlung verringern die Heilungschancen und führen somit zu höheren Sterblichkeitsraten. |
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3.2. |
Des Weiteren müssen die Infrastrukturen und Dienstleistungen verbessert und weiterentwickelt werden, um dem mittel- und langfristigen Bedarf gerecht zu werden. Es müssen Verfahrensweisen entwickelt werden, um für weitere potenzielle Ausnahmesituationen gut gerüstet zu sein und entsprechend reagieren zu können, was die Entwicklung und EU-weite Einführung von Telemedizin und aus der Ferne durchführbaren Maßnahmen umfasst, die in allen Fällen anwendbar sind und auch dazu beitragen, Ungleichheiten bei der Krebsbekämpfung zwischen den Mitgliedstaaten und innerhalb deren Regionen zu mindern. |
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3.2.1. |
Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten bestehen zwischen Ost und West — mit einer Abwanderung hochqualifizierter Kräfte in Richtung Westen — und zwischen kleinen und großen Ländern, wobei große Unterschiede zwischen den Vorsorgeprogrammen und Investitionen in die Gesundheitssysteme zu beobachten sind. Dabei nehmen in der Forschung aktive Krankenhäuser die ersten Plätze in der Krebsbekämpfung ein. |
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3.2.2. |
Die notwendige Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten kann durch verschiedene Maßnahmen und Instrumente erfolgen, darunter:
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3.3. |
Der EWSA begrüßt die Initiative „Hilfe für Kinder mit Krebs“, ist jedoch besorgt über das Fehlen spezifischer Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems und fordert speziellere und wirklich rasche und konkrete Maßnahmen mit entsprechenden Finanzmitteln, um mehr krebskranke Kinder und Jugendliche wirksam heilen zu können. Angesichts der dringenden Notwendigkeit, Kindern innovative Therapien zugänglich zu machen, Ungleichheiten bei der Behandlung zu verringern und die Ursachen von Krebserkrankungen bei Kindern zu ergründen — da anders als bei Erwachsenen Krebs bei Kindern nicht vorgebeugt werden kann- ruft der EWSA dazu auf, den Plan als Chance dafür zu nutzen, die Ungerechtigkeit den vergessenen Kindern gegenüber zu beenden und ihnen endlich die Aufmerksamkeit zu widmen, die sie verdienen, denn Kinder sind die Zukunft Europas. |
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3.4. |
Der EWSA ist besorgt angesichts der erheblichen regionalen Unterschiede bei den Kooperationsmodellen und Informationsflüssen und der digitalen Kluft, die sich nachteilig auf ältere Menschen, die Bevölkerung außerhalb großer Städte, Menschen mit Behinderungen und finanziell benachteiligte Bevölkerungsgruppen auswirkt. Aus diesem Grund muss der Fahrplan für eine Standardisierung in diesem Bereich sorgen. |
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3.5. |
Darüber hinaus fordert der EWSA einen stärker an der Basis orientierten Plan, der flexibel genug ist, um auf besondere Bedürfnisse zu reagieren und sich an unterschiedliche Gegebenheiten und die Lage Krebskranker und -überlebender anzupassen. |
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3.6. |
Der EWSA begrüßt das Ziel, durch Virusinfektionen verursachte Krebserkrankungen durch eine Impfung der Bevölkerung zu verhindern, weist jedoch auf die großen regionalen Unterschiede bei den Impfquoten und Fortschritten bei den Impfprogrammen hin. Alle Regionen sollten entsprechende bewährte Verfahren übernehmen, damit alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu diesen Arten von Impfstoffen haben. |
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3.7. |
Der EWSA befürwortet die Pläne zur Verbesserung der Früherkennung von Krebs durch Vorsorgeprojekte und Aufklärungsaktivitäten sowie die Nutzung neuer Technologien, um die Patientinnen und Patienten für die Notwendigkeit präventiver Vorsorge zu sensibilisieren und Daten zu berufsbedingten Expositionen in die Früherkennungsprogramme aufzunehmen. Zur gezielten Ausrichtung der Vorsorge müssen ferner mehr Erkenntnisse über erbliche Krebserkrankungen gewonnen werden. |
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3.8. |
Die Prävention ist effektiver, wenn dabei nicht einfach ausschließlich das individuelle Verhalten berücksichtigt wird und wenn schädigende Faktoren und gemeinsame Krebsrisikofaktoren reduziert bzw. beseitigt werden. Die sozialen Determinanten werden in Abschnitt 3 des Plans nicht ausreichend berücksichtigt. |
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3.9. |
Der Ausschuss weist darauf hin, dass Initiativen zur Frühdiagnose auf alle Krebsarten einschließlich Blutkrebs ausgerichtet werden und Vorsorgeuntersuchungen für möglichst viele Menschen verfügbar sein sollten. |
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3.10. |
Der EWSA fordert dazu auf, Krebspatientinnen und -patienten mehr Möglichkeiten für die Inanspruchnahme einer qualitativ hochwertigen Behandlung, Versorgung und des Fachwissens in anderen Mitgliedstaaten zu eröffnen. Außerdem sollten ihnen über einen gut funktionierenden Binnenmarkt Arzneimittel, medizinische Ausrüstung und andere Medizinprodukte zur Verfügung gestellt werden. |
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3.11. |
Ferner betont der EWSA, dass es Systeme geben muss, mit denen zum einen die notwendigen Informationen und Kenntnisse zur Verfügung gestellt werden und zum anderen das körperliche und psychische Wohlergehen der Patientinnen und Patienten während und nach der Therapie gefördert wird. Dieselben Überlegungen sind auch für Beschäftigte, Arbeitgeber und Unternehmer relevant. Der EWSA hebt ferner das Wohlergehen der Betreuungs- und Pflegepersonen von Krebskranken hervor. Deren informelle Betreuungs- und Pflegetätigkeit kann gravierende Auswirkungen auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben haben und ihr physisches Wohlergehen erheblich beeinträchtigen. Daher schließt sich der EWSA der an die Mitgliedstaaten gerichteten Forderung der Europäischen Kommission an, die Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige vollumfänglich umzusetzen und die künftige Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030 zu unterstützen. |
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3.12. |
Der EWSA verweist auf die kulturelle Vielfalt und darauf, dass die Grundrechte der Unionsbürgerinnen und -bürger auch in Bezug auf die Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz, den Sozialschutz oder den Zugang zu Finanzdienstleistungen wie Krediten in unterschiedlichem Maße eingehalten werden. Daher müssen die Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten beseitigt und der Grundsatz des „Rechts auf Vergessenwerden“ in Bezug auf die individuelle Krebserkrankung sowie Vertreterinnen und Vertreter von Betreuungs- und Pflegepersonen eingehalten werden. |
4. Notwendigkeit neuer Lösungen zur Krebsbekämpfung
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4.1. |
Angesichts der gewaltigen technischen, wissenschaftlichen und medizinischen Fortschritte begrüßt der EWSA das Versprechen eines modernen Ansatzes für die Krebsbekämpfung durch neue Technologien, Forschung und Produktinnovation. Ebenso begrüßenswert ist die Tatsache, dass die Europäische Kommission sich bei ihren Leitinitiativen und Maßnahmen auf das aus Begleiterkrankungen und den Sozial- und Verhaltenswissenschaften gewonnene Wissen stützt. |
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4.2. |
In dem Plan wird zu Recht die Rolle von Forschung und Innovation als Grundpfeiler für ein besseres Verständnis der Krebsrisikofaktoren und für eine Verbesserung der Diagnosen, Therapien, Behandlungen und Präventionsstrategien hervorgehoben. Hier sind internationale und EU-weite Zusammenarbeit entscheidend, um bewährte Verfahren auch für Regulierungsansätze auszutauschen und Fachwissen, Daten und Technologien sowie finanzielle Ressourcen möglichst produktiv miteinander zu kombinieren. |
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4.3. |
Die größeren Anstrengungen sollten auf die Generierung, Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Daten ausgerichtet werden, um modernere Verfahren zur Nachverfolgung von Genomen, Prävention, Diagnose und Behandlung zu entwickeln und zur Schaffung des europäischen Raums für Gesundheitsdaten beizutragen. Damit Patientinnen und Patienten eine angemessene Versorgung und Behandlung sowie eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung zuteilwird, bedarf es einer Digitalisierung von Gesundheitsdaten und eines sicheren Austauschs derselben während der gesamten Versorgung. Gleichzeitig muss der bürokratische Aufwand im Gesundheitswesen reduziert und die Verwaltung von Patientenakten möglichst effizient gestaltet werden. Auch die Möglichkeit, digitale Gesundheitsdaten mit den Genomdaten von Biobanken zu verknüpfen, muss als wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Krebsvorsorge und -diagnose sowie patientenorientierter Versorgung erleichtert werden. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der EU muss auch die Entwicklung und Nutzung von Datenanalysemethoden einschließlich KI ausgebaut werden. |
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4.4. |
Die Frage der Mehrfachexpositionen ist eine der größten Herausforderungen bei der Konzeption von Präventionsstrategien für umwelt- und berufsbedingte Krebserkrankungen. Die EU sollte die Förderung der bestehenden Forschungstätigkeiten in diesem Bereich ausbauen. Ebenso wichtig sind die Bereitstellung relevanter Informationen über Krebsrisikofaktoren und -früherkennungsmöglichkeiten, die Bewältigung von krebsbedingtem Stress, die Förderung der Prävention und die Motivierung zu einer gesunden Lebensweise. Die Sozialpartner und die zivilgesellschaftlichen Organisationen spielen eine unverzichtbare Rolle. Ihre Bemühungen müssen unterstützt werden, unter anderem durch die Bereitstellung entsprechender Mittel im Rahmen des ESF+ für gemeinsame Maßnahmen zur Krebsbekämpfung und für die Verbreitung bewährter Verfahren im Bereich der Gesundheitsvorsorge. |
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4.5. |
Auf europäischer Ebene muss eine systematische Erhebung von Daten über die Exposition gegenüber Karzinogenen und Mutagenen am Arbeitsplatz koordiniert werden. Vorhandene Daten aus Krebsregistern müssen mit Daten zu den Berufen Krebskranker verknüpft werden. Dies würde gezieltere Präventionsmaßnahmen und eine Früherkennung von Krebs bei Personen mit entsprechender Exposition ermöglichen. Neue und innovative Forschungsprojekte in Europa sollten auf alle Mitgliedstaaten ausgeweitet werden. |
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4.6. |
Die Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren wird mit einer Reihe hormonbedingter Krebsarten in Verbindung gebracht. Die Grundlagenforschung zu diesen Stoffen muss als Ausgangspunkt für eine bessere europäische Strategie in diesem Bereich und für eine bessere Prävention dienen. |
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4.7. |
Eine erfolgreiche Krebsbekämpfung bedarf ferner einer hochwertigen Ausbildung in krebsbezogenen Fachgebieten sowie einer engen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern bei den von der EU unterstützten Ausbildungs- und Kompetenzförderprogrammen wie beispielsweise dem fachübergreifenden Krebsschulungsprogramm „Inter-specialty cancer training programme“ und dem Kompetenzpakt der Europäischen Kommission. In dem Plan sollte auf die Notwendigkeit der kontinuierlichen beruflichen Weiterentwicklung, Information und Sensibilisierung der medizinischen Fachkräfte auch in Bezug auf den Umgang mit und die Verabreichung von gefährlichen Arzneimitteln eingegangen werden. Darüber hinaus werden für die verschiedenen Dienstleistungen hochqualifizierte und kompetente Fachkräfte benötigt, sei es für die Erstdiagnose und Aufstellung eines Behandlungsplans oder die Verabreichung von Arzneimitteln, die Chirurgie und Radiologie, während die enge Zusammenarbeit zwischen Krebsforschung, medizinischen Fachkräften und Patientinnen und Patienten einen weiteren Grundstein für die erfolgreiche Versorgung darstellt. Zur Ermöglichung des Wissensaustauschs ist zudem eine intensive Zusammenarbeit mit Partnern außerhalb der EU unerlässlich. |
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4.8. |
Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Lösungen für die Krebsprävention, -vorsorge, -diagnose und -behandlung spielen Unternehmen. Für den Erfolg der EU sind Fortschritte bei den Innovationsökosystemen und deren Förderung von höchster Bedeutung. An den Ökosystemen müssen Unternehmen unterschiedlicher Größe (von großen internationalen Unternehmen bis hin zu Start-ups) sowie Forscherinnen und Forscher, Patientinnen und Patienten, medizinische Fachkräfte und Behörden beteiligt sein. Diese Arbeit muss durch EU-Fördermittel und nationale Finanzhilfen unterstützt werden, vor allem durch Partnerschaften im Rahmen von Horizont Europa. Ebenso muss die Rolle festgelegt werden, die der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) bei der Förderung und Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Einführung innovativer, sicherer und wirksamer Krebstherapien zukommt. |
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4.9. |
Der EMA kommt eine wichtige Rolle bei der Vermarktung und sicheren Zugänglichmachung neuartiger Produkte und einschlägiger Ausrüstung zu, die zur Krebsprävention und wirksamen Heilung von Krebs beitragen. Sie kann auch den Mitgliedstaaten den Zugang zu solchen Produkten erleichtern und deren wirksame Einführung in der gesamten EU koordinieren. Auf diese Weise erhalten alle Patientinnen und Patienten schneller Zugang zu einer hochwertigen modernen Behandlung. |
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4.10. |
Neben der Entwicklung und Bereitstellung von Arzneimitteln, Impfstoffen, Technologie und Pflegedienstleistungen streben Unternehmen an, den Krebs zu bekämpfen, indem sie ihre Umweltauswirkungen reduzieren, sichere bzw. modifizierte und weniger schädliche Produkte entwickeln und herstellen und die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz verbessern. Unter anderem soll die Exposition gegenüber UV-Strahlung bei Tätigkeiten im Freien weitestmöglich reduziert werden, vor allem in Branchen wie der Landwirtschaft und dem Bauwesen. Die Sozialpartner messen der Gesundheit dieselbe Bedeutung wie der Sicherheit bei, weshalb sie branchenspezifische Präventionsmaßnahmen entwickeln, die sie über Sozialbeiträge finanzieren. Zur vollen Entfaltung ihres Potenzials ist ein reibungsloses und koordiniertes Handeln erforderlich, um die Entwicklung und Bereitstellung hochwertiger Lösungen zu ermöglichen. Darüber hinaus werden die Patientinnen und Patienten von ihren Arbeitgebern — sowie den Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen — dabei unterstützt, Arbeit und Krebstherapie miteinander zu vereinbaren und ohne Schwierigkeiten an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. |
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4.11. |
Um die Arbeit der auf die Entwicklung von Lösungen zur Krebsbekämpfung spezialisierten Unternehmen zu unterstützen, muss die EU günstige Bedingungen für Innovation, Investitionen und die Führung von Unternehmen schaffen. Dies trägt maßgeblich zur Stärkung der weltweiten Position der EU in Bezug auf krebsbezogene Gesundheitstechnologien, -dienstleistungen und -lösungen bei. |
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4.12. |
Darüber hinaus muss die Einführung neuer Krebsdiagnoseverfahren und -therapien sowie der Zugang zu diesen beschleunigt werden, ohne die Sicherheit der Patientinnen und Patienten und der medizinischen Fachkräfte zu gefährden. Diesbezüglich ist ein günstiger und förderlicher Rechtsrahmen eine wesentliche Voraussetzung für ein unternehmensfreundliches Umfeld. Mit den auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden EU-Vorschriften muss für gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen in der EU und ihre Konkurrenten weltweit gesorgt werden. |
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4.13. |
Angesichts der zentralen und vielseitigen Rolle der Unternehmen und Arbeitgeber bei der praktischen Arbeit zur Krebsbekämpfung muss bei der künftigen Entwicklung und Umsetzung der Maßnahmen eine möglichst umfassende Vertretung von Unternehmen und Arbeitgebern — vom Gesundheitswesen über die Baubranche und Gebrauchsgüter bis hin zur Landwirtschaft und zu den Fertigungsindustrien — sowie von Patientinnen und Patienten und Betreuungs- und Pflegepersonen sichergestellt sein. Ebenso wichtig ist die Rolle der Sozialpartner und zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bereitstellung von bewährten Verfahren und Informationen sowie bei der Organisation von Sensibilisierungskampagnen. |
5. Krebsarten, die besondere Aufmerksamkeit erfordern
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5.1. |
Der EWSA begrüßt die Initiative des Plans zu Krebs im Kindesalter, weist jedoch darauf hin, dass die Bemühungen, die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen zu verbessern und die bestehenden Ungleichheiten abzubauen, dringend verstärkt werden müssen. Dies erfordert Investitionen in Innovationen und eindeutige und dringliche gezielte Maßnahmen und Finanzmittel für die Entwicklung und Einführung geeigneter Erkennungsmethoden, Arzneimittel, Therapien und Versorgungsleistungen. Hier bietet sich die Chance, die Ungerechtigkeit gegenüber den vergessenen Kindern zu beenden und ihnen endlich die verdiente Beachtung zu schenken, denn Kinder sind die Zukunft Europas. |
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5.2. |
Der EWSA weist darauf hin, dass Leukämie eine erhebliche gesundheitliche und wirtschaftliche Belastung für die Unionsbürgerinnen und -bürger darstellt. Diese Last kann Patientinnen und Patienten, ihren Familien und der Gesellschaft mit dem Plan genommen werden, indem die Versorgung von Leukämiekranken mitberücksichtigt und mit innovativen Ansätzen angegangen wird. Durch einen angemessenen Einsatz für und entsprechende Investitionen in eine hochwertige Krebsüberwachung, eine Reform des Gesundheitssystems und innovative Versorgungsansätze kann sichergestellt werden, dass allen Betroffenen dauerhaft sinnvolle Weiterentwicklungen in der Blutkrebsbehandlung zuteilwerden. |
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5.3. |
Der EWSA weist darauf hin, dass mit dem Plan verdeutlicht werden könnte, dass der Schwerpunkt speziell auf Blutkrebserkrankungen liegen muss und gezielte Initiativen erforderlich sind, um den Versorgungsstatus für diese besonders schwache Patientengruppe zu verbessern:
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6. Internationale Zusammenarbeit bei der Krebsbekämpfung
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6.1. |
Der EWSA stimmt zu, dass zur Förderung der medizinischen Entwicklung und der Aussichten auf langfristige Gesundheit für Millionen Europäerinnen und Europäer internationale Zusammenarbeit und Koordinierung erforderlich sind, ist jedoch besorgt darüber, dass bei der Umsetzung des Plans ein zu allgemeiner Ansatz gegenüber der internationalen Zusammenarbeit verfolgt wird. Welchen Stellenwert die internationale Zusammenarbeit einnimmt, lässt sich am besten anhand der traurigen Tatsache veranschaulichen, dass die 5-Jahres-Überlebensraten in den USA, Kanada, Australien und Neuseeland am höchsten sind, gefolgt von den erfolgreichsten EU-Ländern. |
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6.2. |
Der EWSA betont, dass die Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Innovation mit Blick auf die Festlegung von auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden und dem Risiko angemessenen Regulierungsstandards und bei der Ermöglichung von Wissensaustausch besonders wichtig ist, um sicherzustellen, dass die Europäerinnen und Europäer von den neuesten Erkenntnissen profitieren. |
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6.3. |
Der EWSA betont, dass es wichtig ist, den Tabakkonsum zu verringern, und verweist auf den Bericht der Kommission über die Anwendung der Richtlinie 2014/40/EU über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen (4) sowie die darin enthaltenen Schlussfolgerungen mit dem Ziel, die Exposition von Rauchern gegenüber gefährlichen und/oder suchterzeugenden Stoffen zu reduzieren. In diesem Zusammenhang ist der EWSA — unter Berücksichtigung der Feststellungen der Kommission zu Emissionen und Messverfahren (Abschnitt 3.1 des Berichts) — auch der Ansicht, dass die Methoden zur Messung der Inhaltsstoffe von Rauchemissionen (einschließlich der WHO-Methode „Intense Regime“) weiter erforscht sowie die auf entsprechenden Forschungsergebnissen beruhenden WHO-Empfehlungen umgesetzt werden sollten. |
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6.4. |
Während die EU in strategischen Bereichen wie der Gesundheitsversorgung eine übermäßige Abhängigkeit von Drittstaaten vermeiden sollte, bedarf es einer internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit, damit sichere Arzneimittel, Geräte und andere Waren für Krebstherapien zur Verfügung stehen. Bei den internationalen Lieferketten im Bereich Gesundheit muss ein offener Handel stattfinden und die EU jegliche Form von Protektionismus zwischen den Mitgliedstaaten bzw. weltweit bekämpfen. Lösungen für Krebserkrankungen verschaffen auch europäischen Unternehmen erhebliche Exportmöglichkeiten, die es zu fördern gilt, um die globale Nachfrage nach Gesundheitslösungen zu decken. |
7. Gesundheitsförderungsmaßnahmen und Kommunikation
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7.1. |
Der EWSA ist sich des Zusammenhangs zwischen der Qualität der Umwelt und einer gesunden Lebensweise und Ernährung als Faktoren, die das Auftreten von Krebserkrankungen mindern, bewusst. Die Mitgliedstaaten sollten gemeinsam mit den Sozialpartnern und den zivilgesellschaftlichen Organisationen erläutern und bekannt machen, welch wichtige Rolle hochwertige Lebensmittel, sauberes Trinkwasser und saubere Luft bei der Prävention von Krebs und anderen Krankheiten spielen. Darüber hinaus sollten sie ihre Kräfte bündeln, um die Menschen aufzuklären und sie zu einer gesunden Lebensweise zu motivieren und dazu anzuhalten, gefährliche Stoffe zu meiden, da dies u. a. die einzige Möglichkeit ist, Kindern zu helfen, eine Exposition gegenüber Karzinogenen zu vermeiden. Zudem sollte in den Schulen und über Kampagnen in klassischen und sozialen Medien mehr Wissen zu Krebsthemen vermittelt werden. |
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7.2. |
Die Öffentlichkeit muss für eine gesunde Lebensweise und die Prävention, Behandlung und Versorgung von Krebspatientinnen und -patienten, Überlebenden und Menschen mit Krebsrisiko sensibilisiert werden. Zudem ist es wichtig, die Verbraucherinnen und Verbraucher mit korrekten Informationen über bessere Alternativen aufzuklären. |
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7.3. |
Der Ausschuss weist jedoch darauf hin, dass das Gesundheitsbewusstsein in den Regionen unterschiedlich ausgeprägt ist und bei Änderungen in diesem Bereich die lokalen Gebräuche berücksichtigt werden müssen. |
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7.4. |
Da die Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern am Arbeitsplatz eine wichtige Rolle spielt, fordert der EWSA EU-weite Kampagnen zur Sensibilisierung der Beschäftigten und Arbeitgeber sowie zum Ausbau ihrer Kenntnisse über Maßnahmen für die Verhinderung von und den Umgang mit Krebs am Arbeitsplatz, die auch den Austausch bewährter Verfahren und die Bereitstellung von Instrumenten und Schulungen umfassen. |
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7.5. |
Der EWSA teilt die Auffassung, dass der Plan ein großes Potenzial besitzt, den Bedürfnissen der Bevölkerung im Bereich Gesundheit gerecht zu werden. Für den Erfolg des Plans und die Verwirklichung seiner Ziele wird daher die Kommunikation maßgeblich sein, mit der der Plan und seine Maßnahmen den Unionsbürgerinnen und -bürgern auf verständliche und glaubwürdige Weise nahegebracht werden. |
8. Weiterverfolgung der Strategie
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8.1. |
Der EWSA betont, dass viele Aspekte zusammenkommen müssen, um sämtliche Zweifel hinsichtlich der Aussicht auf eine wirksame Umsetzung des Plans zu zerstreuen. Der allgemeine und unverbindliche Charakter des Plans garantiert weder seine wirksame Umsetzung noch eine wirksamere und stärker regional geprägte Reaktion auf die Zunahme der Krebsbelastung. Folglich fordert der EWSA die Konzipierung unterschiedlicher Instrumente, die eine wirksame Umsetzung des Plans entsprechend den nationalen Besonderheiten und Verfahrensweisen ermöglichen. |
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8.2. |
Darüber hinaus fordert der EWSA eine enge Einbindung der Anbieter von Gesundheitstechnologien und -lösungen, der Sozialpartner und zivilgesellschaftlichen Organisationen in die Weiterentwicklung und Weiterverfolgung des Plans sowie eine möglichst umfassende Vertretung verschiedener Branchen. Dies ist auch von entscheidender Bedeutung für die Ausarbeitung der entsprechenden nationalen Aktionspläne. |
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) Bericht der Kommission über die Anwendung der Richtlinie 2014/40/EU.
(2) Ein äußerst wichtiger Aspekt sind weitere Bemühungen, die Verwendung des gefährlichen Asbests zu verbieten — siehe die Stellungnahmen des EWSA ABl. C 251 vom 31.7.2015, S. 13, und ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 56.
(3) Institute for Health Metrics and Evaluation, Global-Burden-of-Disease-Studie von 2016.
(4) Bericht der Kommission über die Anwendung der Richtlinie 2014/40/EU.
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/84 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen
(COM(2021) 93 final — 2021/0050 (COD))
(2021/C 341/13)
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Berichterstatter: |
Pekka RISTELÄ |
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Befassung |
Europäisches Parlament, 11.3.2021 Rat, 15.3.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
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Zuständige Fachgruppe |
Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft |
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Annahme in der Fachgruppe |
26.5.2021 |
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Verabschiedung auf der Plenartagung |
9.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
147/87/11 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Kommission. Dieser soll es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erleichtern, den Grundsatz des gleichen Entgelts durchzusetzen, wenn sie der Ansicht sind, Opfer einer Entgeltdiskriminierung geworden zu sein. Er soll ferner zu mehr Transparenz in den Vergütungsstrukturen beitragen sowie die Rolle der nationalen Stellen bei der Durchsetzung dieses Grundsatzes stärken. |
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1.2. |
Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass der Geltungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie weit gefasst ist und für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor gilt, und dass intersektionellen Aspekten der Diskriminierung Rechnung getragen wird. |
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1.3. |
Der EWSA ist jedoch der Ansicht, dass der Vorschlag in verschiedener Hinsicht gestärkt werden sollte. Dies gilt insbesondere für die Kriterien zur Bestimmung des Wertes der Arbeit, den Umfang einiger der wichtigsten Transparenzpflichten und die Rolle der Sozialpartner und Tarifverhandlungen bei der Umsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts. |
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1.4. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass eine detailliertere Anleitung zu den objektiven Kriterien zur geschlechtsneutralen Bestimmung des Wertes der Arbeit bereitgestellt werden könnte. Diese Kriterien sollten Qualifikationen und Merkmale von Arbeit einbeziehen, die typischerweise von Frauen ausgeführt wird, z. B. menschenorientierte Qualifikationen, die bei der Beurteilung des Wertes von Arbeit oft übersehen oder unterbewertet werden. Diese Kriterien sollten von den Sozialpartnern oder mit ihrer Beteiligung entwickelt und so formuliert werden, dass sie von ihnen weiter ausgestaltet werden können. |
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1.5. |
Der Vorschlag berücksichtigt zwar zu Recht Bedenken hinsichtlich zusätzlicher Belastungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), jedoch hält der EWSA eine vollständige Befreiung aller Arbeitgeber mit weniger als 250 Beschäftigten nicht für gerechtfertigt. Sonderregelungen für KMU könnten jedoch sinnvoll sein. Die Mitgliedstaaten sollten außerdem verpflichtet werden, den Arbeitgebern, insbesondere KMU, bei der Erfüllung ihrer Pflichten zur Lohntransparenz Unterstützung, Schulungen und technische Hilfe zu erbringen. |
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1.6. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass Maßnahmen zur Förderung von Tarifverhandlungen zu gleichem Entgelt und andere Maßnahmen zur Beseitigung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles unbeschadet der Autonomie der Sozialpartner ergriffen werden sollten. Tarifverhandlungen können eine bedeutende, positive Rolle bei der systematischen Förderung von gleichem Entgelt und der Gleichstellung der Geschlechter auf betrieblicher, sektoraler, regionaler und nationaler Ebene spielen. |
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1.7. |
Der EWSA weist darauf hin, dass die in dem Vorschlag enthaltenen Maßnahmen nur einige der Schritte sind, die für die Lösung der strukturellen Probleme, die dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle zugrunde liegen, notwendig sind. Ein ganzheitlicher Ansatz mit einer verbesserten und stärkeren Durchsetzung wird notwendig sein, um gleiches Entgelt in der Praxis zu gewährleisten. Dazu sollten weitere Anstrengungen gehören, um die Segregation auf dem Arbeitsmarkt, Geschlechterstereotypen und die Unterbewertung von überwiegend von Frauen geleisteter Arbeit zu bekämpfen. Nötig sind auch angemessene und zugängliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten, angemessene Regelungen für Urlaub des Partners/der Partnerin sowie Initiativen zur Sensibilisierung für Lohnunterschiede, zur Förderung von Karrieremöglichkeiten für Frauen und zur Gewährleistung einer besseren Vertretung von Frauen in Entscheidungspositionen sowie der Abbau steuerlicher Negativanreize für die Beschäftigung von Frauen. |
2. Einleitung
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2.1. |
Gleiches Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eines der Grundrechte und -prinzipien sowohl der EU (1) als auch internationaler und europäischer Menschenrechtsinstrumente (2). Es wurde erst kürzlich im zweiten Grundsatz der europäischen Säule sozialer Rechte bekräftigt. Es kommt auch in Artikel 4 der Gleichbehandlungsrichtlinie (3) zum Ausdruck, die unmittelbare und mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei dem Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit verbietet. |
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2.2. |
Der EU-Rahmen für gleiches Entgelt besteht seit vielen Jahrzehnten (4) und hat dazu beigetragen, Entgeltdiskriminierung und geschlechtsspezifische Verzerrungen in den Vergütungsstrukturen zu bekämpfen. Nach Angaben des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) sind 9 % (von 14,1 %) des geschlechtsspezifischen Lohngefälles (der „nicht zu erklärende“ Teil) auf nicht beobachtete Merkmale der Arbeitnehmer, die von dem Modell nicht erfasst werden, und auf Diskriminierung zurückzuführen (5). Weitere Ursachen für das geschlechtsspezifische Lohngefälle sind z. B. die Tatsache, dass Frauen einen größeren Anteil an unbezahlten Betreuungstätigkeiten tragen, was ihre Beteiligung am Arbeitsmarkt wie zum Beispiel in Form von Teilzeitarbeit beeinträchtigt, sowie die horizontale und vertikale Segregation auf dem Arbeitsmarkt. Einige dieser Punkte werden in anderen Aspekten des Unionsrechts und der Unionspolitik berücksichtigt (6). |
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2.3. |
Diese Maßnahmen haben zu Fortschritten beim Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles in der EU geführt. Das durchschnittliche Lohngefälle bei Vollzeitarbeit liegt in der EU jedoch immer noch bei 14,1 %, wobei in den letzten zehn Jahren nur sehr geringe Fortschritte erzielt wurden. Die Entwicklung verläuft in den Mitgliedstaaten unterschiedlich, wobei das Lohngefälle in einigen sogar noch zunimmt (7). Die Tatsache, dass Frauen im Durchschnitt immer noch weniger pro Stunde verdienen als Männer, trägt zu geschlechtsspezifischen Unterschieden beim jährlichen Gesamtverdienst (36,7 %) (8) und den Renten (30 %) (9) bei, wenngleich auch andere Faktoren dafür mitverantwortlich sind. Die geschlechtsspezifische Diskrepanz beim Gesamtverdienst erklärt sich vor allem dadurch, dass Frauen weniger Stunden einer bezahlten Arbeit nachgehen, und zwar großenteils, um unbezahlte Betreuungstätigkeiten auszuführen (10). Vollzeitbeschäftigung trägt erheblich zum Einkommen und zu Karrierechancen bei. Damit sowohl Frauen als auch Männer dazu Gelegenheit erhalten, sind Unterstützungsstrukturen wie Betreuungsdienste, Arbeitsteilung in der Familie und die Beseitigung steuerlicher Negativanreize für die Beschäftigung von Frauen erforderlich. |
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2.4. |
Die Rechtsprechung der Überwachungsorgane internationaler und europäischer Menschenrechtsinstrumente zeigt deutlich, dass es in den meisten Mitgliedstaaten sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Praxis noch viel Raum für Verbesserungen bei der Gewährleistung und Durchsetzung des Rechts auf gleiches Entgelt gibt, auch in Bezug auf die Lohntransparenz (11). |
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2.5. |
Die COVID-19-Pandemie hat erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Beschäftigten und die Unternehmen. Insbesondere ist in der Pandemie deutlich geworden, dass Frauen immer noch schlechter bezahlt werden als Männer und dass die Arbeit, die in vielen frauendominierten, wichtigen Berufen geleistet wird, immer noch unterbewertet wird. Die Pandemie hat darüber hinaus Frauen unverhältnismäßig stark getroffen, sowohl am Arbeitsplatz als auch in anderen Bereichen, und ohne entschlossenes Gegensteuern ist von negativen Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter auszugehen (12). |
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2.6. |
In dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen (2021/0050 (COD), im Folgenden „der Vorschlag“) wird die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Förderung des gleichen Entgelts für Männer und Frauen in diesem Zusammenhang anerkannt. Der Vorschlag zielt darauf ab, einige der Haupthindernisse für die wirksame Umsetzung und Durchsetzung des EU-Rahmens für gleiches Entgelt in der Praxis zu beseitigen, was nach wie vor eine Herausforderung darstellt (13). Die Kommission hält eine Verringerung des nicht zu erklärenden geschlechtsspezifischen Lohngefälles um drei Prozentpunkte für eine angemessene Schätzung der Wirkung der vorgeschlagenen Maßnahmen. Gleichwohl ist es aufgrund des Fehlens genauer Daten über das Ausmaß der Entgeltdiskriminierung schwierig, die Wirkung der vorgeschlagenen Maßnahmen zu beurteilen (14). |
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2.7. |
Die Kommission hat in diesem Zusammenhang drei wichtige Herausforderungen identifiziert: fehlende Klarheit über zentrale Rechtsbegriffe wie „gleichwertige Arbeit“, fehlende Transparenz in den Vergütungssystemen und eine Reihe von Verfahrenshindernissen wie hohe Prozesskosten oder ein Mangel an ausreichender Entschädigung (15). 2014 veröffentlichte sie eine Empfehlung zur Stärkung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen durch Lohntransparenz („die Empfehlung“), mit der einige dieser Probleme angegangen werden sollten (16). Die Empfehlung wurde in den Mitgliedstaaten kaum aufgegriffen (17), obwohl einige Länder bereits verschiedene Maßnahmen zur Lohntransparenz eingeführt haben, die sich in Ansatz und Umfang unterscheiden (18). |
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2.8. |
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bei ihrem Amtsantritt den Grundsatz der Lohngleichheit als ein Grundprinzip einer neuen europäischen Gleichstellungsstrategie bezeichnet und verbindliche Maßnahmen zur Lohntransparenz als eine ihrer politischen Prioritäten genannt. In der Folge hat die Kommission die Einführung verbindlicher Maßnahmen zur Lohntransparenz in die Strategie der EU für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025 aufgenommen. Das Europäische Parlament hat sich in seinen Entschließungen zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle (19) und zur Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter (20) für die Einführung solcher Maßnahmen ausgesprochen. Der EWSA hat die Kommission ferner aufgefordert, in diesem Bereich tätig zu werden, um Abhilfe bei Situationen zu schaffen, in denen die typischerweise von Frauen verrichtete Arbeit unterbewertet wird. Dies sollte unter anderem die Einführung verbindlicher Maßnahmen zur Lohntransparenz umfassen, aber auch Maßnahmen zur Gewährleistung der Chancengleichheit von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt sowie zur Bekämpfung der horizontalen und vertikalen Geschlechtertrennung nach Berufen (21). |
3. Allgemeine Bemerkungen
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3.1. |
Der EWSA hat bereits bei früherer Gelegenheit die Ansicht vertreten, dass verbindliche Maßnahmen notwendig sind, um den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen zu stärken (22). Die Erfahrungen mit der Empfehlung zur Lohntransparenz aus dem Jahr 2014 haben gezeigt, dass unverbindliche Maßnahmen das gewünschte Ergebnis — die wirksame Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts in der Praxis — wahrscheinlich nicht in dem erforderlichen Tempo erreichen werden. |
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3.2. |
Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, der es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erleichtern soll, den Grundsatz des gleichen Entgelts durchzusetzen, wenn sie der Ansicht sind, Opfer einer Entgeltdiskriminierung geworden zu sein. Er soll ferner zu mehr Transparenz in den Vergütungsstrukturen beitragen und die Rolle der nationalen Stellen bei der Durchsetzung dieses Grundsatzes stärken. |
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3.3. |
Der EWSA ist jedoch der Ansicht, dass der Vorschlag in verschiedener Hinsicht gestärkt werden sollte. Dies gilt insbesondere für die Kriterien zur Bestimmung des Wertes der Arbeit und den Umfang einiger der wichtigsten Transparenzpflichten, aber auch für die Rolle der Sozialpartner und Tarifverhandlungen bei der Umsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts. Denn die Sozialpartner können den Wert beruflicher Qualifikationen und Tätigkeiten am besten einschätzen (23). Er befürchtet, dass der Nutzen der vorgeschlagenen Maßnahmen andernfalls für viele Beschäftigte begrenzt sein wird und die Maßnahmen nicht ausreichend zu den grundlegenden Veränderungen beitragen werden, die zur Beseitigung von Entgeltdiskriminierung und geschlechtsspezifischen Verzerrungen in den Vergütungsstrukturen erforderlich sind. |
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3.4. |
Der EWSA weist darauf hin, dass die in dem Vorschlag enthaltenen Maßnahmen nur einige der Schritte sind, die für die Lösung der strukturellen Probleme, die dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle zugrunde liegen, notwendig sind. Es bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes, der weitere Maßnahmen umfasst und die Durchsetzung stärkt, um Lohngleichheit in der Praxis zu gewährleisten. Dazu sollten weitere Anstrengungen gehören, um gegen die Segregation auf dem Arbeitsmarkt, Geschlechterstereotypen und die Unterbewertung von überwiegend von Frauen geleisteter Arbeit vorzugehen. Nötig sind auch angemessene und zugängliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten, angemessene Regelungen für Urlaub des Partners/der Partnerin sowie Initiativen zur Sensibilisierung für Lohnunterschiede, zur Förderung von Karrieremöglichkeiten für Frauen, zur Gewährleistung einer besseren Vertretung von Frauen in Entscheidungspositionen und zur Beseitigung steuerlicher Negativanreize für die Beschäftigung von Frauen. |
4. Besondere Bemerkungen
4.1. Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen
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4.1.1. |
Der EWSA nimmt den breiten Geltungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie (Artikel 2) zur Kenntnis, die sowohl für den öffentlichen als auch für den privaten Sektor und für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt, die einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis haben. Dabei sollte sich die Ermittlung des Vorliegens eines solchen Verhältnisses an den Fakten orientieren, die sich auf die tatsächliche Arbeitsleistung beziehen. Dazu gehören auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, die z. B. auf Abruf oder auf Plattformen beschäftigt sind, wenn die Fakten der Arbeitsleitung darauf hindeuten, dass diese Kriterien erfüllt werden (24). Das Vorliegen eines Arbeitsvertrags oder eines Beschäftigungsverhältnisses wird durch die in dem jeweiligen Mitgliedstaat geltenden Gesetze, Tarifvereinbarungen und/oder Gepflogenheiten bestimmt, wobei der Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechnung zu tragen ist. |
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4.1.2. |
Die Definition der „Gruppe von Arbeitnehmern“ in Artikel 3 sieht vor, dass diese vom Arbeitgeber festgelegt werden sollten. Dazu müssen Mechanismen bestehen, die sicherstellen, dass die Gruppen von Arbeitnehmern auf geschlechtsneutrale Weise festgelegt werden, z. B. durch Erarbeitung unter Mitwirkung von Gewerkschafts-/Arbeitnehmervertretern im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten. |
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4.1.3. |
Der EWSA begrüßt es, dass die Definition von Entgeltdiskriminierung eine Diskriminierung aufgrund einer Kombination aus Geschlecht und einem anderen beliebigen Grund der Diskriminierung (25) umfasst, weil dadurch intersektionellen Aspekten der Diskriminierung Rechnung getragen wird. Die Kommission sollte mit weiteren Leitlinien dafür sorgen, dass Fälle, in denen Entgeltdiskriminierung aus einer Kombination aus Geschlecht und einem anderen geschützten Merkmal resultiert, als solche erkannt und behandelt werden können. |
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4.1.4. |
Der EWSA stellt fest, dass in dem gesamten Vorschlag den „Arbeitnehmervertretern“ Zuständigkeiten zugewiesen werden, ohne dass der Begriff definiert wird. In der Begründung heißt es dazu: „Gibt es in der Organisation keine förmlichen Arbeitnehmervertreter, sollte der Arbeitgeber zu diesem Zweck einen oder mehrere Arbeitnehmer benennen“. Um nicht ungebührlich in die nationalen Systeme der Arbeitsbeziehungen einzugreifen und um zu vermeiden, dass die Rechte und Vorrechte der Gewerkschaften durch vom Arbeitgeber ausgewählte Arbeitnehmervertreter umgangen werden (26), sollte mit dem Vorschlag sichergestellt werden, dass die rechtmäßigen Arbeitnehmervertreter stets von den Arbeitnehmern benannt werden. Es ist klarzustellen, dass dies im Einklang mit den einschlägigen Übereinkommen und der Rechtsprechung der Internationalen Arbeitsorganisation über die Vereinigungsfreiheit, das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen geschehen muss. |
4.2. Gleiches Entgelt und gleichwertige Arbeit
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4.2.1. |
In Artikel 4 Absatz 3 des Vorschlags werden im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einige der objektiven Kriterien für die Beurteilung des Wertes der Arbeit genannt. Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Instrumente und Methoden zur Bewertung des Wertes der Arbeit festgelegt werden. Diese Bestimmungen helfen Arbeitnehmern, die ihre Rechte durchsetzen möchten, bei der Feststellung einer geeigneten Vergleichsperson. So wird eine einheitlichere Bewertung des Werts der Arbeit in den Mitgliedstaaten sichergestellt. Die Sozialpartner werden darin unterstützt, Vergütungsstrukturen geschlechtsneutral zu gestalten und zu bestimmen, welche Gruppen von Arbeitnehmern gleichwertige Arbeit leisten. Dies ist für die Anwendung anderer Bestimmungen der vorgeschlagenen Richtlinie ausschlaggebend. |
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4.2.2. |
In der vorgeschlagenen Bestimmung werden jedoch nur einige wenige, allgemeine Kriterien aufgelistet. Es wäre wünschenswert, eine detailliertere Liste objektiver Kriterien für die Bestimmung des Wertes der Arbeit zu erstellen. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass die erforderlichen Qualifikationen und Merkmale typischerweise von Frauen ausgeführter Arbeit nicht außer Acht gelassen werden. Ohne die Berücksichtigung solcher Fähigkeiten und Merkmale wäre die Einschätzung des Wertes der Arbeit nicht geschlechtsneutral. Die vorgeschlagenen Kriterien sollten z. B. weitere zu beachtende Unterkriterien enthalten, darunter auch menschenorientierte Qualifikationen, die typisch für die Arbeit in vielen frauendominierten Berufen wie der Pflege sind (27). Detailliertere Angaben würden dazu beitragen, dass die typischerweise von Frauen ausgeübte Arbeit nicht unterbewertet wird. Diese Kriterien sollten so formuliert werden, dass sie von den Sozialpartnern weiter ausgestaltet werden können. |
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4.2.3. |
Die Sozialpartner sind am besten in der Lage, den Wert von Qualifikationen und Berufen einzuschätzen. Die Kriterien der Geschlechtsneutralität sowie die in Artikel 4 Absatz 2 genannten Instrumente und Methoden zur Bestimmung des Wertes der Arbeit müssen von diesen selbst oder unbeschadet der Autonomie der Sozialpartner zumindest mit ihrer Beteiligung entwickelt werden. Der soziale Dialog und Kollektivverhandlungen tragen entscheidend zum Erreichen der angestrebten Ziele und zur Beseitigung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles bei. |
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4.2.4. |
Der EWSA begrüßt die Möglichkeit, eine hypothetische Vergleichsperson oder andere Nachweise heranzuziehen, die auf eine mutmaßliche Diskriminierung schließen lassen, wenn keine konkrete Vergleichsperson ermittelt werden kann. Dies wird Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in stark nach Geschlechtern getrennten Berufen ermöglichen, Diskriminierung auch dann aufzuzeigen, wenn es keine konkrete Vergleichsperson gibt. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass Arbeitnehmerinnen an Arbeitsplätzen mit hoher geschlechterspezifischer Segregation gleiches Entgelt einfordern können, denn vieles deutet darauf hin, dass ein Zusammenhang zwischen dem Grad der Feminisierung eines Arbeitsplatzes und einem niedrigeren Entgelt besteht, d. h. je höher der Frauenanteil, desto niedriger das Entgelt (28). |
4.3. Lohntransparenz
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4.3.1. |
Der EWSA nimmt die in den Artikeln 5 bis 9 vorgeschlagenen Maßnahmen, die auf die Verbesserung der Verfügbarkeit von Informationen über das Entgelt, auch vor der Beschäftigung, und die Transparenz der Vergütungsstrukturen abzielen, zur Kenntnis, hält es jedoch für notwendig, nationale Systeme der Arbeitsbeziehungen zu achten. Diese können dazu beitragen, eine der größten Herausforderungen bei der Ermittlung und Bekämpfung von Entgeltdiskriminierung sowie von Entgeltunterschieden zu bewältigen, die zurückzuführen sind auf geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Verhandlungen über das Einstiegsgehalt, bei denen Frauen tendenziell benachteiligt sind (29). Der EWSA stellt fest, dass in Artikel 5 des Vorschlags die Verhandlungsmacht des Arbeitgebers, des Arbeitnehmers oder der Sozialpartner nicht ausdrücklich eingeschränkt wird, einen Lohn oder ein Gehalt außerhalb der angegebenen Spanne auszuhandeln. |
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4.3.2. |
Diese Maßnahmen könnten die Arbeitgeber dazu veranlassen, Einkommensunterschiede im eigenen Unternehmen zu erkennen und dagegen vorzugehen. Die Pflichten zur Berichterstattung und gemeinsamen Entgeltbewertung können dazu beitragen, das Bewusstsein für Entgeltdiskriminierung und geschlechtsspezifische Verzerrungen in den Vergütungsstrukturen zu schärfen und grundlegender und wirksamer dagegen vorzugehen. Dies käme allen Arbeitnehmern im Unternehmen zugute, ohne dass eine Klage auf gleiches Entgelt eingereicht werden müsste. Gleichzeitig ist es wichtig, die Beschäftigten besser darüber zu informieren, wie sich Vergütung und Gehalt zusammensetzen und wie sie beeinflusst werden können. Sensibilisierungsmaßnahmen zu Gleichstellungsfragen am Arbeitsplatz würden ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des Lohngefälles leisten. Mehr Lohntransparenz kann sich auch positiv auf die Zufriedenheit, Bindung und Produktivität der Belegschaft auswirken (30). |
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4.3.3. |
Der Wortlaut des vorgeschlagenen Artikels 7 Absatz 5 deutet darauf hin, dass Arbeitnehmer daran gehindert werden können, über die besonderen Umstände der Durchsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts hinaus mit anderen frei über ihr Gehalt zu sprechen. Der EWSA weist darauf hin, dass zur Gewährleistung einer höheren Transparenz klargestellt werden sollte, dass die Arbeitnehmer nicht daran gehindert werden, ihr Gehalt gegenüber Kollegen und anderen, insbesondere einer Gewerkschaft, offenzulegen. Die Möglichkeit, mit anderen frei über das Entgelt zu sprechen, hilft Arbeitnehmern zu erkennen, dass der Grundsatz des gleichen Entgelts verletzt wurde. |
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4.3.4. |
Darüber hinaus sollten Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer nicht daran hindern dürfen, ihre Gewerkschaft über das Einkommen von Gruppen von Arbeitnehmern zu informieren, das nach dem Auskunftsrecht eingeholt wurde und auf eine Entgeltdiskriminierung hinweisen könnte (Artikel 7 Absatz 6). Der Empfänger könnte zur Geheimhaltung der Informationen verpflichtet werden, es sei denn, sie werden zur Durchsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts verwendet. |
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4.3.5. |
Die Beschränkung der Verpflichtung, über das Lohngefälle innerhalb des Unternehmens Bericht zu erstatten, auf Arbeitgeber mit mindestens 250 Arbeitnehmern (Artikel 8 Absatz 1), von der somit alle KMU ausgenommen sind, bedeutet, dass nur etwa ein Drittel aller Arbeitnehmer in der EU von dieser Maßnahme profitieren kann (31). Außerdem sind Frauen in kleinen Unternehmen stärker vertreten (32), sodass ein noch geringerer Anteil erwerbstätiger Frauen von dieser Maßnahme profitieren wird. Dieser Schwellenwert ist ein Rückschritt gegenüber der Empfehlung der Kommission von 2014, die eine Meldepflicht für Arbeitgeber mit mindestens 50 Beschäftigten vorsieht (33). |
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4.3.6. |
Der EWSA ist sich bewusst, dass KMU möglicherweise über einschränkte Ressourcen verfügen, um ihren Verpflichtungen gemäß der vorgeschlagenen Richtlinie nachzukommen. Der Vorschlag sollte den Bedenken hinsichtlich zusätzlicher Belastungen für KMU Rechnung tragen, insbesondere angesichts der Bedeutung, die diese für den Erholungsprozess nach der Pandemie haben können, der nach dem Inkrafttreten der vorgeschlagenen Richtlinie noch andauern kann. Dennoch schätzt die Kommission, dass die Kosten für die Erstellung von Berichten überschaubar sind (34). Eine vollständige Befreiung aller Arbeitgeber mit weniger als 250 Beschäftigten ist daher nicht gerechtfertigt, aber Sonderregelungen für KMU könnten sinnvoll sein. |
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4.3.7. |
Sonderregelungen zur Reduzierung der geforderten Häufigkeit der Berichterstattung für kleinere Unternehmen würden die Kosten senken und gleichzeitig die Arbeitgeber verpflichten, ein Lohngefälle zum Vorteil der Arbeitnehmer zu erkennen und zu beseitigen. Der Schwellenwert für Berichtspflichten sollte nicht höher sein als 50 Arbeitnehmer, aber die Berichtshäufigkeit könnte für Unternehmen mit mehr als 50, aber weniger als 250 Arbeitnehmern verringert werden. |
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4.3.8. |
Ähnliche Bedenken gelten für die Beschränkung der Verpflichtung zur Durchführung einer gemeinsamen Entgeltbewertung auf Arbeitgeber mit mindestens 250 Arbeitnehmern (Artikel 9). Die Kosten für die Erstellung einer gemeinsamen Entgeltbewertung werden dabei etwas höher als die Kosten für die Berichterstattung geschätzt (35), doch rechtfertigen sie immer noch keine vollständige Befreiung für Arbeitgeber mit weniger als 250 Beschäftigten. Sonderregelungen für KMU könnten gerechtfertigt sein. |
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4.3.9. |
Die Mitgliedstaaten sollten verpflichtet werden, den Arbeitgebern, insbesondere KMU, bei der Erfüllung ihrer Pflichten zur Lohntransparenz Unterstützung, Schulungen und technische Hilfe anzubieten, u. a. durch die Entwicklung von Instrumenten und Methoden zur Berechnung des Lohngefälles. Die Mitgliedstaaten sollten, wo immer möglich und angemessen, auch von der Möglichkeit in Artikel 8 Absatz 4 Gebrauch machen, Informationen über das Lohngefälle in den Unternehmen selbst zusammenzustellen. Dies gilt insbesondere für KMU. |
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4.3.10. |
Der EWSA stellt fest, dass der Vorschlag von der Empfehlung abweicht. Denn Arbeitgeber müssen nur über das Lohngefälle zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern nach Gruppe von Arbeitnehmern und innerhalb des gesamten Unternehmens berichten. Um eine höhere Transparenz und Rechenschaftspflicht zu gewährleisten, sollten Gewerkschafts-/Arbeitnehmervertreter in der Lage sein, die vom Arbeitgeber verwendete Methode zur Berechnung des Lohngefälles und die Richtigkeit der Berechnungen im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten zu überprüfen. Gemäß der Empfehlung sollten die Pflichten zur Berichterstattung auf das durchschnittliche Einkommen von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern nach Gruppe von Arbeitnehmern erweitert werden. Dies ermöglicht es Arbeitnehmern und anderen Stellen, die tatsächlichen Entgeltunterschiede zwischen den einzelnen Gruppen von Arbeitnehmern zu beurteilen, was für die wirksame Durchsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts unerlässlich ist. |
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4.3.11. |
Der EWSA weist darauf hin, dass der Vorschlag nicht vorsieht, wie häufig Arbeitgeber Informationen über das Entgelt von verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern bereitstellen sollten (Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe g). Diese Informationen sollten wie andere Arten von Informationen auf jährlicher Basis zur Verfügung gestellt werden. Für KMU könnten, wie in Abschnitt 4.3.7 vorgeschlagen, Sonderregelungen hinsichtlich der Häufigkeit vorgesehen werden. |
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4.3.12. |
Der EWSA unterstützt den Vorschlag, Arbeitgeber zu verpflichten, in Zusammenarbeit mit den Gewerkschafts-/Arbeitnehmervertretern und anderen Stellen Abhilfe zu schaffen, sowie die Verpflichtung, Maßnahmen zur Beseitigung eines festgestellten Gefälles vorzusehen und über die Wirksamkeit dieser Maßnahmen in der gemeinsamen Entgeltbewertung zu berichten (Artikel 8 Absatz 7, Artikel 9 Absatz 2 und 3). Diese Bestimmungen sind der Schlüssel dazu, dass die Pflichten zur Berichterstattung und gemeinsamen Entgeltbewertung den Grundsatz des gleichen Entgelts wirksam fördern. |
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4.3.13. |
Laut Artikel 10 Absatz 1 müssen die gemäß den oben genannten Anforderungen bereitgestellten Informationen, die die Verarbeitung personenbezogener Daten beinhalten, im Einklang mit der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (36) (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO) zur Verfügung gestellt werden. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass die DSGVO von Arbeitgebern nicht als Grund für die Verweigerung von Informationen zur Identifizierung von Entgeltdiskriminierung verwendet werden darf. Artikel 10 Absatz 3 enthält einen angemessenen Schutz der Privatsphäre der einzelnen Arbeitnehmer, da darin vorgeschrieben ist, dass die relevanten Informationen nur den Gewerkschafts-/Arbeitnehmervertretern oder der Gleichbehandlungsstelle offengelegt werden, falls damit ein bestimmter Mitarbeiter identifiziert werden könnte. Diese beraten dann den Arbeitnehmer, ob Gründe für einen Anspruch auf gleiches Entgelt vorliegen. |
4.4. Tarifverhandlungen und sozialer Dialog zum gleichen Entgelt
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4.4.1. |
In dem Vorschlag wird es als wichtig angesehen, dass die Sozialpartner Fragen des gleichen Entgelts in Tarifverhandlungen besondere Aufmerksamkeit widmen. Die Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen ergreifen, um die Sozialpartner zu ermutigen, Fragen des gleichen Entgelts gebührend zu berücksichtigen, auch auf der entsprechenden Ebene der Tarifverhandlungen (37). Darüber hinaus müssen die unterschiedlichen Merkmale des nationalen sozialen Dialogs und der Tarifverhandlungssysteme in der EU, die Autonomie und Vertragsfreiheit der Sozialpartner sowie ihre Eigenschaft als Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter berücksichtigt werden (38). Im Gegensatz zur Empfehlung von 2014 enthält der Vorschlag jedoch keine Bestimmung, durch die sichergestellt wird, dass die Frage des gleichen Entgelts auf der entsprechenden Ebene der Tarifverhandlungen erörtert werden kann. |
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4.4.2. |
Artikel 11 sieht lediglich vor, dass die Rechte und Pflichten im Rahmen dieser Richtlinie mit den Sozialpartnern erörtert werden sollten. Es sollte näher spezifiziert werden, was dies bedeutet. Insbesondere ist es wichtig sicherzustellen, dass Maßnahmen zur Förderung von Tarifverhandlungen zu gleichem Entgelt und andere Maßnahmen zur Beseitigung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles unbeschadet der Autonomie der Sozialpartner ergriffen werden. Tarifverhandlungen können eine bedeutende, positive Rolle bei der systemischen Förderung von gleichem Entgelt und der Gleichstellung der Geschlechter auf betrieblicher, sektoraler und nationaler Ebene spielen. |
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4.4.3. |
Darüber hinaus sollten weitere Maßnahmen gefördert werden, die den sozialen Dialog, die Erörterung von gleichem Entgelt und die Entwicklung geschlechtsneutraler Systeme zur Arbeitsbewertung durch die Sozialpartner, die Sensibilisierung der Sozialpartner für Fragen des gleichen Entgelts und den Austausch bewährter Verfahren unterstützen. |
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4.4.4. |
Die Möglichkeiten der Gewerkschafts-/Arbeitnehmervertreter, im Namen der Arbeitnehmer zu handeln, sollten gestärkt werden, u. a. indem den Gewerkschafts-/Arbeitnehmervertretern das Recht eingeräumt wird, Informationen über das Einkommen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für Gruppen von Arbeitnehmern, zu verlangen. Solche Informationen können Gewerkschafts-/Arbeitnehmervertreter in die Lage versetzen, Entgeltdiskriminierung zu erkennen und zu bekämpfen, u. a. durch Tarifverhandlungen. |
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4.4.5. |
Der EWSA weist darauf hin, dass Gewerkschafts-/Arbeitnehmervertreter über das notwendige Fachwissen verfügen und entsprechend geschult sein müssen, um Entgeltdiskriminierung erkennen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinsichtlich der entsprechenden Fragen beraten und vertreten zu können. Es sollte klargestellt werden, dass Gewerkschaften ein Recht auf Vertretung ihrer Mitglieder haben. |
4.5. Rechtsmittel und Rechtsdurchsetzung
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4.5.1. |
Der EWSA nimmt die vorgeschlagenen Bestimmungen zur Kenntnis, die darauf abzielen, verfahrenstechnische Hindernisse zu beseitigen, mit denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konfrontiert sind, die eine Klage auf gleiches Entgelt einreichen möchten, z. B. hohe Prozesskosten, unzureichende Entschädigung und Verjährungsfristen. Er erkennt in dieser Hinsicht an, dass es unterschiedliche Rechtstraditionen in den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Verfahrensordnungen gibt. Der EWSA weist darauf hin, dass Flexibilität erforderlich ist, um sowohl die nationalen Rechtssysteme als auch die unterschiedlichen Merkmale des nationalen sozialen Dialogs und der Tarifverhandlungssysteme in der Union sowie die Autonomie und Vertragsfreiheit der Sozialpartner und ihre Rolle als Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter zu respektieren. |
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4.5.2. |
Der EWSA unterstützt den Vorschlag, sicherzustellen, dass verschiedene juristische Personen im Namen oder zur Unterstützung eines Arbeitnehmers oder einer Gruppe von Arbeitnehmern mit dessen/deren ausdrücklicher Zustimmung handeln können und dass Gleichbehandlungsstellen und Arbeitnehmervertreter im Namen mehrerer Arbeitnehmer handeln können (Artikel 13). Die Möglichkeit einer Gruppenklage auf nationaler Ebene könnte ebenfalls in Betracht gezogen werden, da davon auszugehen ist, dass sie erhebliche Auswirkungen auf die Durchsetzung haben wird (39). Der EWSA weist darauf hin, dass Flexibilität erforderlich ist, um den unterschiedlichen Rechtstraditionen und nationalen Rechtssystemen Rechnung zu tragen. |
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4.5.3. |
Der EWSA stellt fest, dass Artikel 19 in Bezug auf die Gerichts- und Verfahrenskosten Kleinstunternehmen und manchen Kleinunternehmen als Beklagte im Verfahren finanzielle Schwierigkeiten verursachen könnte. Wenn die Rechtskosten so hoch sind, dass sie den Betrieb des Unternehmens gefährden, sollte die Nichtbeitreibung als offensichtlich unangemessen angesehen werden. |
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4.5.4. |
Der EWSA stellt fest, dass die in Artikel 18 vorgeschlagene dreijährige Verjährungsfrist erhebliche Änderungen erforderlich machen könnte, was bei den in einigen Mitgliedstaaten bestehenden Streitbeilegungsmechanismen Probleme bereiten könnte. Wenn dies der Fall ist, sollten die Mitgliedstaaten ihre Rechtssysteme und Rechtstraditionen berücksichtigen können, ohne das Ziel von Artikel 18 zu gefährden, nämlich sicherzustellen, dass knappe Verjährungsfristen kein Hindernis darstellen, das Opfer von Entgeltdiskriminierung davon abhält, ihr Recht auf gleiches Entgelt durchzusetzen. |
4.6. Gleichbehandlungs- und Überwachungsstellen
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4.6.1. |
Der EWSA begrüßt den Vorschlag, die Rolle der Gleichbehandlungsstellen bei der Durchsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts zu stärken und die Zusammenarbeit zwischen den Gleichbehandlungsstellen und anderen Stellen mit einer Aufsichtsfunktion zu gewährleisten (Artikel 25). Darüber hinaus sollten unter gebührender Beachtung der Autonomie der Sozialpartner Vorkehrungen zur Sicherstellung einer engen Zusammenarbeit zwischen den Gleichbehandlungsstellen und den Sozialpartnern sowie der Überwachungsstelle, sollte diese von der Gleichbehandlungsstelle abweichen, getroffen werden. |
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4.6.2. |
Der EWSA begrüßt insbesondere die Bestimmung über angemessene Ressourcen, damit die Gleichbehandlungsstellen ihre Aufgaben wirksam erfüllen können (Artikel 25 Absatz 3). Er begrüßt auch die vorgeschlagene Anforderung, eine Überwachungsstelle zu benennen, die die Umsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts unterstützt (Artikel 26). Um die Rolle der nationalen Stellen weiter zu stärken, sollte der Vorschlag jedoch sicherstellen, dass die Überwachungsstelle und die Arbeitsaufsichtsbehörden mit angemessenen Ressourcen ausgestattet werden, damit sie ihre Aufgaben wirksam wahrnehmen können. |
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4.6.3. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass die Zusammensetzung der Überwachungsstelle die an der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts beteiligten gesellschaftlichen Akteure umfassen sollte, insbesondere Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter sowie Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter und gleiches Entgelt einsetzen. |
4.7. Horizontale Bestimmungen
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4.7.1. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass die vorgeschlagene Bestimmung zum Schutzniveau (Artikel 24) durch folgenden Zusatz weiter gestärkt werden kann: keine Bestimmung der Richtlinie darf so ausgelegt werden, dass Rechte und Grundsätze eingeschränkt oder beeinträchtigt werden, die im jeweiligen Anwendungsbereich durch Unionsrecht, internationales Recht oder durch internationale Übereinkünfte, bei denen die Union oder die Mitgliedstaaten Vertragspartei sind, anerkannt werden. |
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4.7.2. |
Mit Artikel 27 wird klargestellt, dass die Richtlinie in keiner Weise das Recht der Sozialpartner auf die Aushandlung, den Abschluss und die Durchsetzung von Tarifverträgen und das Recht auf Kollektivmaßnahmen im Einklang mit nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten berührt. Außerdem sollte präzisiert werden, dass die Sozialpartner Bestimmungen einführen oder Tarifverträge anwenden können, die für die Arbeitnehmer günstiger als die in der Richtlinie sind. |
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4.7.3. |
Der EWSA stellt fest, dass Artikel 30 die Durchführung der Richtlinie durch die Sozialpartner zulässt, sofern sie dies gemeinsam beantragen und die mit dieser Richtlinie angestrebten Ergebnisse jederzeit erzielt werden. Damit wird sichergestellt, dass die Richtlinie in den einzelnen nationalen Systemen zwar auf unterschiedliche Weise, aber mit dem gleichen Schutzniveau für die Arbeitnehmer umgesetzt werden kann. |
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) Festgelegt in Artikel 119 der Römischen Verträge (1957) und jetzt in Artikel 157 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union enthalten. Artikel 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sieht vor, dass die Gleichheit von Frauen und Männern in allen Bereichen, einschließlich des Arbeitsentgelts, sicherzustellen ist.
(2) Siehe insbesondere: Artikel 7 Buchstabe a Ziffer i des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen (ICECSR), Übereinkommen 100 der IAO (1951) und Artikel 4 Ziffer 3 der Europäischen Sozialcharta des Europarates (1961, 1996 revidiert).
(3) ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23.
(4) Richtlinie über gleiches Entgelt (ABl. L 45 vom 19.2.1975, S. 19).
(5) EIGE (2020) Gender inequalities in care and consequences on the labour market, S. 26.
(6) ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 79; COM(2020) 152 final vom 5.3.2020 und COM(2017) 678 final vom 20.11.2017.
(7) Eurostat-Daten von 2019, Gender pay gap statistics.
(8) Eurostat-Daten von 2016, Gender overall earnings gap.
(9) Eurostat-Daten von 2018, Closing the gender pension gap?.
(10) Eurostat (2019) Warum arbeiten Menschen in Teilzeit?.
(11) Siehe z. B. Rechtsprechung des IAO-Sachverständigenausschusses zur Durchführung von Übereinkommen und Empfehlungen (CEACR) zum Übereinkommen 100 über die Gleichheit des Entgelts (1951), der erlassenen Entscheidungen des Europäischen Ausschusses für Soziale Rechte (ECSR) des Europarates zu den von der University of Women Europe (UWE) gegen 15 EU-Mitgliedstaaten eingereichten Kollektivbeschwerden und der Schlussfolgerungen des ECSR zur Nichteinhaltung von Artikel 4 Absatz 3 der Europäischen Sozialcharta im Rahmen des normalen Meldeverfahrens.
(12) Wenham, C. (2020) The gendered impact of the COVID-19 crisis and post-crisis period, Europäisches Parlament; Eurofound (2020) Women and labour market equality: Has COVID-19 rolled back recent gains?; Europäische Kommission, 2021 report on gender equality in the EU.
(13) Gemäß Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung der Richtlinie 2006/54/EG (COM(2013) 861 final) und der Evaluierung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des im Vertrag verankerten Grundsatzes des „gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit“ (SWD(2020) 50 final).
(14) Folgenabschätzung zu dem Vorschlag, S. 116.
(15) COM(2013) 861 final; SWD(2020) 50 final.
(16) ABl. L 69 vom 8.3.2014, S. 112.
(17) COM(2017) 671 final.
(18) Veldman, A. (2017) Pay Transparency in the EU: A legal analysis of the situation in the EU Member States, Iceland, Liechtenstein and Norway, Luxemburg, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union.
(19) Entschließung des Europäischen Parlaments vom 30.1.2020.
(20) Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21.1.2021.
(21) ABl. C 110 vom 22.3.2019, S. 26, ABl. C 240 vom 16.7.2019, S. 3, ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 77.
(22) ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 77.
(23) ABl. C 110 vom 22.3.2019, S. 26.
(24) Erwägungsgrund 11 des Vorschlags.
(25) Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22) und Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16).
(26) Die Rechtsprechung des Ausschusses für Vereinigungsfreiheit (CFA) und des Sachverständigenausschusses für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen (CEACR) der IAO urteilt eindeutig, dass die Befugnisse der Gewerkschaften nicht umgangen oder auf andere Organisationen, Vereinigungen oder (Gruppierungen von) einzelnen (durch den Arbeitgeber ernannten) Arbeitnehmern übertragen werden dürfen. Siehe insbesondere Gesetzessammlung der IAO — CFA (§ § 1214, 1222-1230, 1234, 1342-1349) und die allgemeine Erhebung des CEACR von 2012, S. 96-97.
(27) So könnte beispielsweise angegeben werden, dass zu den „Qualifikationen“ auch zwischenmenschliche Fähigkeiten zu rechnen sind, mit „Belastung“ nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige und psychosoziale Belastung gemeint ist oder dass zur „Art der Aufgaben“ auch emotionale Unterstützung gehört. Nähere Hinweise zu den Arten von Kriterien und Unterkriterien, die der Bestimmung des Werts der Arbeit zugrundezulegen sind, finden sich in der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, einem Begleitdokument zu dem Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Anwendung der Richtlinie 2006/54/EG (SWD(2013) 512 final vom 16. Dezember 2013).
(28) IAO (2018): „Global wage report 2018/2019: what lies behind gender pay gaps“, Genf, Internationale Arbeitsorganisation, S. 75.
(29) So gibt es beispielsweise Hinweise, dass Frauen Gehaltsverhandlungen eher meiden und Männer bei Verhandlungen auf dem Arbeitsmarkt bessere Ergebnisse erzielen als Frauen. Siehe M. Recalde und L. Vesterlund, Gender Differences in Negotiation and Policy for Improvement, Arbeitsunterlage des US National Bureau for Economic Research (abrufbar unter https://www.nber.org/papers/w28183); A. Leibbrandt und J.A. List, Do Women Avoid Salary Negotiations? Evidence from a Large Scale, Natural Field Experiment, Arbeitsunterlage des US National Bureau for Economic Research (abrufbar unter https://www.nber.org/papers/w18511).
(30) Siehe Folgenabschätzung, S. 17-18, und z. B. Chamberlain, A., Is Salary Transparency More Than a Trend?, Glassdoor Economic Research Report, 2015; Wall, A., Pay openness movement: Is it merited? Does it influence more desirable employee outcomes than pay secrecy?, Organization Management Journal, 2018.
(31) KMU machen etwa zwei Drittel der Beschäftigung in der EU und 99,8 % aller Unternehmen aus, siehe dazu Statistics on small and medium-sized enterprises.
(32) EIGE (2020) Gender inequalities in care and consequences on the labour market, S. 29.
(33) Empfehlung 4.
(34) Die Folgenabschätzung der Kommission geht von zusätzlichen durchschnittlichen Kosten zwischen mindestens 379–508 EUR und höchstens 721–890 EUR im ersten Jahr aus, wobei die Kosten in den Folgejahren sinken. Siehe Folgenabschätzung (SWD(2021) 41 final, S. 59). Siehe auch Eurofound (2020), Measures to promote gender pay transparency in companies: How much do they cost and what are their benefits and opportunities? Arbeitsunterlage Eurofound, WPEF20021.
(35) Durchschnittliche Kosten zwischen mindestens 1 180-1 724 EUR und höchstens 1 911-2 266 EUR, wobei die Kosten für Folgebewertungen sinken sollten. Siehe Folgenabschätzung (SWD(2021) 41 final, S. 61).
(36) Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
(37) Vorschlag, Erwägungsgrund 31.
(38) Erwägungsgrund 31 des Vorschlags.
(39) Foubert, P. (2017). Siehe auch Benedi Lahuerta, S. (2018).
ANHANG
Folgende abgelehnte Änderungsanträge erhielten mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen (Artikel 43 Absatz 2 der Geschäftsordnung):
Neue Ziffer 3.1
Neue Ziffer vor Ziffer 3.1 einfügen:
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|
Abstimmungsergebnis:
|
Ja-Stimmen: |
90 |
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Nein-Stimmen: |
109 |
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Enthaltungen: |
18 |
Ziffer 3.2
Ändern:
|
|
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Abstimmungsergebnis:
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Ja-Stimmen: |
85 |
|
Nein-Stimmen: |
131 |
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Enthaltungen: |
17 |
Ziffer 3.3 (in Verbindung mit Ziffer 1.3)
Ändern:
|
|
|
Abstimmungsergebnis:
|
Ja-Stimmen: |
90 |
|
Nein-Stimmen: |
138 |
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Enthaltungen: |
17 |
Ziffer 4.2.4
Ändern:
|
|
|
Abstimmungsergebnis:
|
Ja-Stimmen: |
69 |
|
Nein-Stimmen: |
114 |
|
Enthaltungen: |
15 |
Ziffer 4.3.5
Streichen:
|
|
|
Abstimmungsergebnis:
|
Ja-Stimmen: |
81 |
|
Nein-Stimmen: |
125 |
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Enthaltungen: |
13 |
Ziffer 4.3.6 (in Verbindung mit Ziffer 1.5)
Ändern:
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Abstimmungsergebnis:
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Ja-Stimmen: |
90 |
|
Nein-Stimmen: |
121 |
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Enthaltungen: |
13 |
Ziffer 4.3.7
Streichen:
|
|
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Abstimmungsergebnis:
|
Ja-Stimmen: |
82 |
|
Nein-Stimmen: |
127 |
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Enthaltungen: |
18 |
Ziffer 4.3.8
Ändern:
|
|
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Abstimmungsergebnis:
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Ja-Stimmen: |
82 |
|
Nein-Stimmen: |
130 |
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Enthaltungen: |
20 |
Ziffer 4.3.9
Ändern:
|
|
|
Abstimmungsergebnis:
|
Ja-Stimmen: |
91 |
|
Nein-Stimmen: |
130 |
|
Enthaltungen: |
15 |
Ziffer 4.4.4
Ändern:
|
|
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Abstimmungsergebnis:
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Ja-Stimmen: |
88 |
|
Nein-Stimmen: |
127 |
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Enthaltungen: |
11 |
Neue Ziffer 4.5.5
Neue Ziffer nach 4.5.4 einfügen:
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|
Abstimmungsergebnis:
|
Ja-Stimmen: |
89 |
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Nein-Stimmen: |
127 |
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Enthaltungen: |
20 |
Neue Ziffer 4.5.6
Neue Ziffer nach Ziffer 4.5.5:
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|
Abstimmungsergebnis:
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Ja-Stimmen: |
91 |
|
Nein-Stimmen: |
145 |
|
Enthaltungen: |
13 |
Ziffer 4.7.2
Ändern:
|
|
|
Abstimmungsergebnis:
|
Ja-Stimmen: |
95 |
|
Nein-Stimmen: |
134 |
|
Enthaltungen: |
12 |
Ziffer 4.7.3
Ändern:
|
|
|
Abstimmungsergebnis:
|
Ja-Stimmen: |
86 |
|
Nein-Stimmen: |
142 |
|
Enthaltungen: |
9 |
Ziffer 1.1 (in Verbindung mit Ziffer 3.1)
Ändern:
|
|
|
Ziffer 1.3 (in Verbindung mit Ziffer 3.3)
Ändern:
|
|
|
Ziffer 1.5 (in Verbindung mit Ziffer 4.3.6)
Ändern:
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|
|
(1) COM(2021) 93 final.
(2) COM(2021) 93 final.
(3) ABl. C 110 vom 22.3.2019, S. 26.
(4) IAO (2018): „Global wage report 2018/2019: what lies behind gender pay gaps“, Genf, Internationale Arbeitsorganisation, S. 75.
(5) KMU machen etwa zwei Drittel der Beschäftigung in der EU und 99,8 % aller Unternehmen aus, siehe dazu Statistics on small and medium-sized enterprises.
(6) EIGE (2020) Gender inequalities in care and consequences on the labour market , S. 29.
(7) Empfehlung 4.
(8) Die Folgenabschätzung der Kommission geht von zusätzlichen durchschnittlichen Kosten zwischen mindestens 379-508 EUR und höchstens 721-890 EUR im ersten Jahr aus, wobei die Kosten in den Folgejahren sinken. Siehe Folgenabschätzung (SWD(2021) 41 final, S. 59). Siehe auch Eurofound (2020), Measures to promote gender pay transparency in companies: How much do they cost and what are their benefits and opportunities? Arbeitsunterlage Eurofound, WPEF20021.
(9) Durchschnittliche Kosten zwischen mindestens 1 180-1 724 EUR und höchstens 1 911-2 266 EUR, wobei die Kosten für Folgebewertungen sinken sollten. Siehe Folgenabschätzung (SWB(2021) 41 final, S. 61).
(10) COM(2021) 93 final.
(11) COM(2021) 93 final.
|
24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/100 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen — Evaluierung des Weißbuchs „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum — Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“
(SWD(2020) 410 final)
(2021/C 341/14)
|
Berichterstatter: |
Pierre Jean COULON |
|
Mitberichterstatterin: |
Lidija PAVIĆ-ROGOŠIĆ |
|
Befassung |
Europäische Kommission, 14.1.2021 |
|
Rechtsgrundlage |
Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
|
Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft |
|
Annahme in der Fachgruppe |
27.5.2021 |
|
Verabschiedung auf der Plenartagung |
9.6.2021 |
|
Plenartagung Nr. |
561 |
|
Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
241/1/4 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
|
1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Initiative zur Evaluierung der Umsetzung des Weißbuchs von 2011. Er bedauert jedoch, dass die Evaluierung recht spät erfolgt und dass ihm das Dossier erst auf sein Ersuchen hin vorgelegt wurde. |
|
1.2. |
Künftig möchte der EWSA regelmäßig über Fortschritte bei der Umsetzung der Strategien der Kommission unterrichtet werden und seinen Beitrag im Bereich Verkehr leisten können. Darüber hinaus empfiehlt der EWSA, dass künftige strategische Dokumente von Anfang an einen eindeutigen Monitoringplan umfassen. |
|
1.3. |
Der EWSA regt an, dass im Rahmen der Bewertungen regelmäßige thematische Fortschrittsberichte vorgelegt werden und dass die von diesen abgedeckten Zeiträume so festgelegt werden, dass eine echte Bewertung der Fortschritte, Verzögerungen und deren Ursachen sowie der gegebenenfalls ergriffenen Korrekturmaßnahmen möglich ist. Es ist wichtig, zeitnah zu bewerten, was erreicht wurde und was nicht und gegebenenfalls warum nicht (z. B. Komodalität, bessere Situation in Bezug auf die Schiene, Staus, soziale Fragen, Umweltziele usw.), und entsprechend zu handeln. |
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1.4. |
Der Ausschuss unterstützt die Ökologisierung des Verkehrs, betont jedoch, dass die Energiewende gerecht sein und unter Beibehaltung der Ziele tragfähige und realistische Alternativen bereitstellen muss, wobei den wirtschaftlichen und sozialen Besonderheiten und Bedürfnissen der einzelnen Gebiete in allen Teilen Europas, auch des ländlichen Raums, Rechnung zu tragen ist. |
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1.5. |
Der Ausschuss bekräftigt zudem seine Positionen zum Weißbuch, dass nämlich eine Einschränkung der Mobilität keine Option ist, dass Komodalität und nicht Verlagerung auf andere Verkehrsträger angestrebt werden sollte und dass die Ökowende sozial gerecht sein und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Verkehrs bewahren muss, auch durch die umfassende Umsetzung des europäischen Verkehrsraums mit uneingeschränkter Umsetzung des Binnenmarkts. Der EWSA bedauert in diesem Zusammenhang die Verzögerungen bei der Umsetzung der TEN-V. |
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1.6. |
Wie bereits in seiner Stellungnahme von 2012 dargelegt, möchte der EWSA einen offenen, kontinuierlichen und transparenten Meinungsaustausch über die Umsetzung des Weißbuchs zwischen der Zivilgesellschaft (Unternehmen, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Nutzer, NRO und Wissenschaft usw.), der Kommission und anderen relevanten Akteuren wie den nationalen Stellen auf verschiedenen Ebenen fördern. So werden die Akzeptanz und das Verständnis seitens der Zivilgesellschaft gestärkt und die Rückmeldungen in Form nützlicher Informationen an die politischen Entscheidungsträger und für die Umsetzung Zuständigen verbessert. |
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1.7. |
Der EWSA bekräftigt die Ausführungen seiner 2011 vorgelegten Stellungnahme zu den sozialen Aspekten der EU-Verkehrspolitik. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, über geeignete Maßnahmen für eine Harmonisierung der Sozialnormen im EU-Binnenverkehr zu sorgen und dabei auch die Notwendigkeit gleicher Ausgangsbedingungen auf internationaler Ebene zu berücksichtigen. |
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1.8. |
Die neue „Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität: Den Verkehr in Europa auf Zukunftskurs bringen“ hat der EWSA in einer am 28. April 2021 verabschiedeten Stellungnahme (TEN/729 (1)) behandelt. Der EWSA fordert erneut nachdrücklich die Umsetzung all seiner Schlussfolgerungen und Empfehlungen. |
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1.9. |
Der EWSA wird die Entwicklung aufmerksam verfolgen und zur künftigen Strategie „Fit for 55“, für die die Kommission am 14. Juli Legislativvorschläge vorlegen will, mehrere Stellungnahmen erarbeiten. |
2. Einleitung
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2.1. |
Am 10. Dezember 2020 wurde die Arbeitsunterlage „Evaluierung des Weißbuchs Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum — Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ (SWD(2020) 410) vorgelegt. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss war 2011 zu diesem Fahrplan konsultiert worden. Er hat dazu am 26. Oktober 2011 eine Stellungnahme (TEN/454 (2)) verabschiedet. Nach der Vorlage der Evaluierung (SWD(2020) 410) beschloss der EWSA, diese mit den Zielen des Fahrplans, seiner Stellungnahme TEN/454 sowie den zwischenzeitlichen Entwicklungen abzugleichen. |
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2.2. |
Seit der Annahme des Weißbuchs hat die Kommission zahlreiche Initiativen zu allen Verkehrsträgern ergriffen (z. B. viertes Eisenbahnpaket‚ europäische Strategie für emissionsarme Mobilität von 2016, Richtlinie über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, drei Mobilitätspakete zu verschiedenen Aspekten des Straßenverkehrs, Verordnung über Hafendienste, blauer Gürtel, Verkehrsverordnungen, Luftfahrtstrategie, Programm NAIADES, europäischer Rechtsakt zur Barrierefreiheit, Verordnung über transeuropäische Verkehrsnetze und Verordnung über die Fazilität „Connecting Europe“). Die Evaluierung bietet die Gelegenheit, die technischen, politischen und sozialen Entwicklungen und insbesondere den Aspekt der Rechtsvorschriften für den Straßenverkehr im Rahmen des Mobilitätspakets von 2020 hervorzuheben und gleichzeitig auf die Ziele hinzuweisen, die verfehlt wurden. |
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2.3. |
Das Erreichte muss vor dem Hintergrund der ursprünglichen Ziele von 2011 betrachtet werden, als bestimmte spätere Entwicklungen noch nicht absehbar waren und nicht berücksichtigt werden konnten, etwa auf geopolitischem Gebiet (Brexit, Aufstieg Chinas), in Bezug auf den Zustand der Umwelt (kein Anzeichen einer Verlangsamung der Erderwärmung oder der gemeinsamen Fähigkeit, die Ziele des Pariser Übereinkommens zu erreichen) oder in gesundheitlicher Hinsicht (COVID-19-Krise). Die Gesundheitskrise hat die Abhängigkeit Europas von Importen strategischer Güter, die für die Souveränität relevant sind, deutlich gemacht und war Auslöser für wirtschaftliche Eingriffe historischer Tragweite durch die EU (Aufbaupaket im Umfang von 750 Mrd. EUR), nachdem die europäischen Ziele im Bereich des Umweltschutzes bereits tiefgreifend überarbeitet worden waren. So soll bis 2050 Klimaneutralität erreicht werden, und die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen sollen im Rahmen des europäischen Grünen Deals um 90 % gesenkt werden. |
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2.4. |
Der EWSA nimmt die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen aus dem Jahr 2016 zur Bewertung der Umsetzung des Fahrplans (3) zur Kenntnis, in der festgestellt wird, dass seit der Annahme des Weißbuchs zu wenig Zeit vergangen ist, um die Fortschritte bei den meisten der darin festgelegten Ziele angemessen bewerten zu können. In der Bewertung wird darauf hingewiesen, dass Anstrengungen unternommen werden, um die einschlägigen Indikatoren zu verbessern, und es wird darauf verwiesen, dass die Interessenträger eine verstärkte Konzentration auf die Umsetzung, mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, eine bessere Berücksichtigung der Bedürfnisse der Verkehrsnutzer und der Arbeitnehmer, einen stärkeren einheitlichen europäischen Verkehrsraum und technische Entwicklungen erwarten. |
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2.5. |
Diese Stellungnahme beschäftigt sich im Wesentlichen mit den Aussagen, die im Rahmen der Evaluierung getroffen werden, kann die globalen Entwicklungen jedoch nicht gänzlich unberücksichtigt lassen. Der Leser der Stellungnahme ist deshalb aufgefordert, sich die Frage nach den kurz-, mittel- und langfristigen möglichen, vorhersehbaren bzw. wahrscheinlichen Auswirkungen dieser Ereignisse zu stellen, die sich derzeit noch nicht absehen lassen. |
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2.6. |
Der EWSA bekräftigt seine in seiner Stellungnahme zum Fahrplan vertretene Auffassung, dass die Zivilgesellschaft in die Umsetzung und Bewertung des Fahrplans eingebunden werden muss. 2015 verabschiedete der EWSA eine Stellungnahme zu den Fortschritten und Herausforderungen des Fahrplans. Dies erfolgte auf Ersuchen des Europäischen Parlaments, das im September 2015 eine Entschließung zur Umsetzung des Fahrplans angenommen hatte. In der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen aus dem Jahr 2016 wurde auf mehrere Stellungnahmen von EU-Einrichtungen Bezug genommen — eine aus Sicht des EWSA löbliche Praxis. |
3. Allgemeine Bemerkungen
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3.1. |
Der EWSA begrüßt die Initiative einer Evaluierung, die es ihm gestattet, seinen Standpunkt zu formulieren, und die vor allem dazu dienen sollte, eine Rangfolge der Prioritäten mit Blick auf die in dem Dokument herausgearbeiteten Entwicklungen, Fortschritte und Verzögerungen zu erstellen. Künftig möchte der EWSA in Form von derartigen Evaluierungen regelmäßig, und zwar in Zeiträumen, die dem jeweiligen Projekt angepasst sind, über die Fortschritte der umgesetzten Strategien unterrichtet werden. Der EWSA meint, dass diese Evaluierungen natürlich eine Bestandsaufnahme der Fortschritte und Verzögerungen, aber auch die wichtigsten Gründe für die Fortschritte und Verzögerungen enthalten sowie zudem auf internationale Entwicklungen und Initiativen eingehen sollten, die Auswirkungen auf die ursprünglichen Fahrpläne haben oder haben können. |
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3.2. |
In seiner Stellungnahme vom Oktober 2011 bedauerte der EWSA, dass die Liste der vorgeschlagenen Maßnahmen nur sehr wenige Fristvorgaben für deren Umsetzung enthält und dass im Fahrplan strategische Maßnahmen (bis 2050) und taktische Maßnahmen (die bereits jetzt ergriffen werden können) nicht deutlich genug miteinander verknüpft werden. In der Stellungnahme wurde gefordert, dass im Rahmen des Fahrplans insbesondere ein detaillierterer Arbeitsplan für den Zeitraum 2013-2020 erstellt werden sollte. In seiner Stellungnahme von 2015 empfahl der EWSA eine allgemeine Neubewertung des Aktionsplans in Anhang I zu dem Fahrplan im Hinblick auf seine aktuelle politische Machbarkeit. Festzustellen ist, dass 2018 nur bescheidene Fortschritte bei den drei spezifischen Zielen (Treibhausgasemissionen — bis 2050 Reduzierung um 60 % gegenüber 1990 und bis 2030 Reduzierung um 20 % gegenüber 2008 — Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, langsamere Zunahme der Überlastung) zu verzeichnen waren. Die Treibhausgasemissionen liegen 32 % über dem Niveau von 1990 und haben im Zeitraum 2013–2018 sogar zugenommen. Der Energiebedarf des Verkehrssektors wird nach wie vor zum überwiegenden Teil aus fossilen Energieträgern gedeckt. Zwar nimmt ihr Anteil seit einigen Jahren eher ab, doch vollzieht sich diese Entwicklung, die eng mit der Umsetzung der Umweltvorschriften in den verschiedenen Ländern zusammenhängt, zu langsam. In Bezug auf die Verkehrsüberlastung wurde selbst das nicht quantifizierte und nicht sehr ambitioniert formulierte Ziel nicht erreicht. Der EWSA weist jedoch darauf hin, dass die neuen Formen der Arbeitsorganisation, die durch die Gesundheitskrise entstanden sind, neue systemische Perspektiven eröffnen. |
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3.3. |
In seiner Stellungnahme von 2011 befürwortete der EWSA die Strategie des Fahrplans, verstärkt auf Marktmechanismen zu setzen. In seiner Stellungnahme von 2015 wies der EWSA darauf hin, dass bei der Einhaltung des Verursacherprinzips unter anderem auf den Zusammenhalt geachtet werden muss, dass Risiken der sozialen Ausgrenzung bedacht werden müssen und dass allgemein auf Kohärenz mit dem Steuer- und Gebührenrahmen zu achten ist. Angesichts des gleichbleibenden Tempos der Erderwärmung, der Lehren aus der Gesundheitskrise und der wichtigen Rolle der Politik in dieser Krise und zweifellos auch nach ihr fordert der EWSA Europa und die öffentlichen Stellen der Mitgliedstaaten auf, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um die für eine nachhaltige Zukunft notwendigen Veränderungen zu steuern, insbesondere durch die Beschleunigung der Investitionsprogramme. |
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3.4. |
Die meisten der im Weißbuch vorgesehenen Initiativen sind auf die Schaffung eines komodalen Verkehrssystems in einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum ausgerichtet. Der EWSA bekräftigt sein Eintreten für Komodalität. Der EWSA weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass die mit dem vierten Eisenbahnpaket erreichte förmliche Marktöffnung in der Praxis vollständig umgesetzt werden muss, um die Schiene zu einem attraktiven Partner im Rahmen der Multimodalität zu machen, wobei auch ökologische und soziale Aspekte zu berücksichtigen sind. |
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3.5. |
2011 und 2015 wies der EWSA auf den Mangel an Realismus in Bezug auf die Methoden und die Kosten einer Ökologisierung des Verkehrssystems hin. Angesichts der aufgezeigten Verzögerungen sowie der Gesundheitskrise und ihrer wirtschaftlichen Folgen ist der EWSA äußerst besorgt, was die Fähigkeit der Akteure zur Finanzierung der erforderlichen Veränderungen angeht. |
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3.6. |
Das ursprüngliche Ziel, die verkehrsbedingten CO2-Emissionen bis 2050 um 60 % zu reduzieren, war sehr ambitioniert, insbesondere mit Blick auf die Zahlen Ende 2018 und die Prognose der Evaluierung, wonach das Ziel nicht erreicht wird, wenn keine zusätzlichen Maßnahmen ergriffen bzw. bereits bestehende Maßnahmen nicht verstärkt werden. Der EWSA hofft, dass der neue Impuls des europäischen Grünen Deals in eine Forschungs- und Entwicklungspolitik der EU einfließt, die auf der Höhe der Herausforderungen steht, und dass eine Steuerung erfolgt und ein kompakterer Zeitplan festgelegt wird. |
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3.7. |
Der Ausschuss schlägt vor, die Straffung des Zeitplans und die Festlegung mittelfristiger Ziele nicht nur auf die CO2-Emissionen zu beziehen, sondern konkrete und bezifferbare Ziele für die Reduzierung der Abhängigkeit von Erdöl, die Lärmemissionen sowie die Luftverschmutzung festzulegen. Der Ausschuss betont, dass die Energiewende nicht zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen in bestimmten Teilen Europas führen darf. Die Energiewende muss gerecht sein und den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Besonderheiten Rechnung tragen, ohne dass ihre Ziele verwässert werden. |
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3.8. |
Unter Bezugnahme auf seine früheren Stellungnahmen (2011 und 2015) verweist der EWSA darauf, dass in Ziffer 18 des Fahrplans ganz klar betont wurde, dass „die Einschränkung von Mobilität keine Option“ ist. Der EWSA verweist allerdings darauf, dass Maßnahmen für mehr Energieeffizienz des Verkehrs und zur Reduzierung der Emissionen damit keinesfalls eine Absage erteilt wird. Europa ist derzeit erheblichem Gegenwind ausgesetzt. Das darf uns jedoch nicht veranlassen, unseren Kurs zu ändern. Bei den Zielen des Fahrplans, die sich auf die Organisation des EU-Binnenmarkts beziehen, wurden beträchtliche Fortschritte erzielt. Es wäre sehr bedauerlich, wenn die sozial- und umweltpolitischen Erwartungen verschiedener europäischer Initiativen in den kommenden Jahren in den Hintergrund rücken würden. |
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3.9. |
In dem Fahrplan wird herausgestellt, dass die Wettbewerbsfähigkeit von Alternativen zum Straßenverkehr gestärkt werden muss. Der Ausschuss unterstützt weiter dieses Ziel, sofern es durch die Förderung von Kapazität und Qualität des Eisenbahn-, Binnenschiff- und Kurzstreckenseeverkehrs und effiziente intermodale Dienste erreicht wird und die Entwicklung effizienter und nachhaltiger Straßenverkehrsdienste in der EU nicht behindert. |
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3.10. |
Der EWSA begrüßt die Fortschritte im sozialen Bereich (Schaffung einer Europäischen Arbeitsbehörde, Übernahme des Seearbeitsübereinkommens der IAO in europäisches Recht, Umsetzung der im Straßenverkehrspaket vom Dezember 2011 vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen u. a.). Der Ausschuss ist jedoch nach wie vor besorgt angesichts der Spannungen, die aufgrund unterschiedlicher Sozialschutzbestimmungen und Entgelte auf dem Güterkraftverkehrsmarkt entstanden sind, sowie der teilweise unangemessenen Arbeitsbedingungen. Wie bereits 2011 und 2015 plädiert der EWSA für die Stärkung der Straßenverkehrssicherheit, der Sozialstandards sowie der personellen und finanziellen Mittel zur Überwachung der Einhaltung der Rechtsvorschriften. Schließlich ersucht der EWSA die Kommission, sich mit dem Problem der Beschäftigten von Lieferdiensten auseinanderzusetzen. Wie bereits in seiner Stellungnahme TEN/697 (4) fordert der Ausschuss die Förderung von Arbeitnehmern und die Bekämpfung von Sozialdumping. |
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3.11. |
In seinen früheren Stellungnahmen (2011 und 2015) hat der EWSA erhebliche Zweifel daran zum Ausdruck gebracht, ob das spezifische Ziel des Fahrplans für die Verkehrsverlagerung angemessen ist, namentlich die Verlagerung von 30 % des Straßengüterverkehrs über 300 km bis 2030 auf andere Verkehrsträger wie Eisenbahn- oder Schiffsverkehr und von mehr als 50 % bis 2050. Die Evaluierung zeigt deutlich, dass die Verkehrsverlagerung bisher nicht stattgefunden hat. Der EWSA stimmt in diesem Zusammenhang der Aussage in der Entschließung des Europäischen Parlaments von 2015 zur Umsetzung des Fahrplans zu, dass die im Fahrplan vorgesehene Strategie zur Verlagerung des Verkehrs nicht erfolgreich ist und deshalb die Nachhaltigkeit aller Verkehrsträger verbessert und Lösungen für die Komodalität angestrebt werden sollten. Mit dem europäischen Grünen Deal und seinem Ziel, die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen bis 2050 um 90 % zu senken, werden die Karten zwar neu gemischt, aber es werden keine Antworten auf die praktischen Fragen gegeben, die mit diesem neuen Ziel einhergehen. |
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3.12. |
Der EWSA bekräftigt seine Bedenken hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit Europas und seiner Unternehmen. Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass globale Maßnahmen bevorzugt werden sollten. Maßnahmen, die derzeit nur für einzelne Regionen oder Kontinente ergriffen werden, wie europäische Verbraucherrechte, Sozialstandards und Nachhaltigkeitsmaßnahmen, sollten auch für Verkehrsunternehmen aus Drittländern gelten, die in den, aus dem und im Binnenmarkt tätig sind, um weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und die Verlagerung von CO2-Emissionen und den Verlust von Arbeitsplätzen zu vermeiden. |
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3.13. |
Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass in beiden früheren Evaluierungen weitgehend die Auffassung vertreten wird, dass es noch zu früh ist, um die Ergebnisse der Umsetzung des Fahrplans umfassend bewerten zu können. Der EWSA hält es für unbefriedigend, dass offenbar keine ausreichenden Bewertungskriterien vorliegen, um zu einem beliebigen Zeitpunkt der Evaluierung der Strategie zu einer belastbaren Bestandsaufnahme zu gelangen. Das ist vor allem deshalb unbefriedigend, als die Umsetzung jeweils bereits fünf (2016) und neun (2020) Jahre lief. Der EWSA verweist in diesem Zusammenhang auf die Empfehlung in seiner Stellungnahme von 2011, wonach für den Zeitraum 2013–2020 ein detaillierterer Arbeitsplan nötig ist, der die Bewertung erleichtert. |
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3.14. |
In den Bewertungen von 2016 und 2020 wird der umfassenden Umsetzung des einheitlichen europäischen Verkehrsraums erhebliche Bedeutung beigemessen, und in der Evaluierung von 2020 wird der EU-Binnenmarkt ganz besonders als starker Motor für einen kosteneffizienten Wandel herausgestellt, was wichtig sei, um eine breite Akzeptanz des technologischen Wandels zu fördern. Zudem wird darauf hingewiesen, dass dies öffentliche und private Investitionen in diesen Wandel begünstigen muss. Angesichts dieser Feststellung findet es der EWSA überraschend, dass in der Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität der Kommission aus dem Jahr 2020 dem Zusammenhang von Nachhaltigkeits- und Digitalisierungszielen und dem Binnenmarkt, einschließlich der sozialen Aspekte und des Zusammenhalts, nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Unter anderem aus diesen Gründen bedauert es der EWSA, dass die Evaluierung 2020 nicht vor der Annahme der neuen Strategie abgeschlossen wurde. Dann hätten nämlich die Schlussfolgerungen der Evaluierung in die Konzipierung der neuen Strategie einfließen können. |
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3.15. |
Der EWSA bedauert, dass die Probleme und Verzögerungen bei der Umsetzung der TEN-V, insbesondere der Kernnetzkorridore, in der Evaluierung nicht angemessen angesprochen wurden. |
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3.16. |
Der EWSA weist darauf hin, dass die Unterstützung der Zivilgesellschaft und der Interessenträger gewonnen werden muss, auch durch einen partizipatorischen Dialog, wie in der Stellungnahme des EWSA von 2012 empfohlen. Ein breites Verständnis und eine breite Akzeptanz der Ziele der Strategie werden erheblich zu ihrem Erfolg beitragen. |
4. Besondere Bemerkungen
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4.1. |
Der Ausschuss unterstützt auch weiterhin das TEN-V-Programm. Der EWSA hat sich bereits in der Vergangenheit für Investitionen in eine moderne und zukunftsgerechte Infrastruktur im Rahmen des Grünen Deals eingesetzt und wird dies auch künftig tun (5). Der Ausschuss unterstützt auch weiterhin das TEN-V-Programm. Darüber hinaus empfiehlt der Ausschuss, direkten Verbindungen zwischen Drehkreuz-Flughäfen und dem Hochgeschwindigkeitsschienennetz Vorrang einzuräumen, die existieren müssen, bevor das Verbot von Kurzstreckenflügen überhaupt erwogen werden kann. |
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4.2. |
Der EWSA bekräftigt seine Unterstützung für die Schaffung und Umsetzung eines einheitlichen europäischen Luftraums. Unter Bezugnahme auf seine Stellungnahme TEN/697 und vor dem Hintergrund der Krise fordert der Ausschuss die Mitgliedstaaten und alle Luftverkehrsakteure auf, die vollständige und rasche Umsetzung der ehrgeizigen Ziele der EU in Bezug auf Sicherheit, Rentabilität, Kapazität und Nachhaltigkeit im europäischen Luftverkehr zu ermöglichen. |
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4.3. |
Was die Schiene betrifft, so hat sich die Europäische Kommission in ihrer Verkehrspolitik bisher vor allem auf den Wettbewerb innerhalb der Bahnbranche konzentriert, statt konsequent die umweltpolitischen Ziele aus dem Weißbuch Verkehr zu verfolgen. Der EWSA betont, dass integrierte Bahnsysteme eine gerechte Zuweisung genauso garantieren können wie nichtintegrierte Systeme. Die Entflechtung hatte in den einzelnen Mitgliedstaaten je nach Zustand der Infrastruktur, Qualität und Größe der Fahrzeugflotte und dem Entflechtungsmodell unterschiedliche Auswirkungen. Die Wettbewerbsfähigkeit neuer privater Verkehrsunternehmen stützt sich häufig auf ein niedriges Niveau der Arbeitsbedingungen. Ein Einheitsmodell für die Schiene ist nicht gut — berücksichtigt werden sollten geografische Besonderheiten, Reichweite des Modells, Trassenführung sowie die Art des Betriebs des Güter- und Personenverkehrs. |
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4.4. |
Die beträchtlichen Summen, die zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 und der Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens die Hälfte bis 2030 aufgewandt werden sollen, werden den Verkehrssektor wahrscheinlich tiefgreifend verändern. Der EWSA spricht sich für die Einrichtung eines Fonds für einen gerechten Übergang im Verkehrssektor aus, mit dem die Beschäftigten und die überwiegend kleineren Unternehmen der Branche konkret unterstützt werden. |
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4.5. |
Seit 2011 wurden Fortschritte im sozialen Bereich erzielt, insbesondere mit der Umsetzung des Seearbeitsübereinkommens der IAO von 2006. Diese Mindestvorschriften können den betroffenen Arbeitnehmern jedoch keine Arbeitsbedingungen garantieren, die den Ambitionen des europäischen Projekts gerecht werden. Da das Projekt einer europäischen Flagge aufgegeben worden ist, fordert der EWSA die Europäische Kommission auf, ihre Anstrengungen in Bezug auf die Harmonisierung der Sozialstandards im EU-Binnenverkehr fortzusetzen und dabei auch die Notwendigkeit gleicher Wettbewerbsbedingungen auf internationaler Ebene in diesem Bereich zu berücksichtigen. |
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4.6. |
In Bezug auf die Einrichtung eines Schiffsregisters und einer europäischen Flagge stellt der EWSA fest, dass in der Evaluierung aus verschiedenen und komplexen Gründen nicht darauf eingegangen wird, warum dem Projekt kein Erfolg beschieden war. |
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4.7. |
Was die europäische Forschungs-, Innovations- und Einführungsstrategie für den Verkehr betrifft, so erfordern die neuen Ziele des europäischen Grünen Deals wirksame Wege für die effiziente Nutzung der Ressourcen sowie ein besseres Zusammenwirken der verschiedenen Akteure des Sektors. |
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4.8. |
Der Ausschuss verweist auf seine Stellungnahme von 2011 zu den sozialen Aspekten der europäischen Verkehrspolitik, in der er anregt, „Frauen und junge Arbeitskräfte für Verkehrsberufe zu gewinnen, und zwar durch Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsplatzqualität, der Arbeitsbedingungen, der Aus- und Weiterbildung, der Investitionen in das lebenslange Lernen, Maßnahmen zur Verbesserung der Aufstiegschancen, des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit am Arbeitsplatz sowie zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei allen Verkehrsträgern“ (6). |
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4.9. |
Der Ausschuss betont erneut, dass eine Beobachtungsstelle für Sozial-, Beschäftigungs- und Ausbildungsfragen im Verkehrssektor eingerichtet werden sollte. Es müssen Anreize für die Einhaltung von Qualitätsstandards im gesamten Verkehrssektor geschaffen werden. |
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4.10. |
In seiner Stellungnahme von 2011 hatte der EWSA betont, dass „die soziale Dimension in dem Fahrplan [insgesamt] zu kurz [kommt]“. Dieselbe Feststellung trifft der Ausschuss in Bezug auf die Evaluierung. Aus Sicht des EWSA ist eine sozialpolitische Evaluierung, die im Zusammenhang mit der Forderung nach der Einrichtung einer Beobachtungsstelle für soziale Fragen, wie in vorhergehenden Ziffer dargelegt, zu sehen ist, von vorrangiger Bedeutung. Die Entwicklungen und deren Tempo, die dem Sektor abverlangt werden, werden zwangsläufig eine Belastung für die Organisationen und die darin tätigen Menschen darstellen. |
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4.11. |
Die Gesundheitskrise und der Aufschwung des Internethandels mit Lieferung nach Haus oder in die Nähe des Kunden haben die individuelle Beförderung von Waren, vor allem in den Städten, zunehmen lassen. Diese Beschleunigung der Verteilung trägt zur Verkehrsüberlastung und zur Verschmutzung in den Städten bei und wirft wie im Bereich der Energie die Frage der letzten Meile auf. Diese Art des Konsums bringt zunehmende Herausforderungen mit sich, was die noch raschere Ergreifung von Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen, vor allem in dicht besiedelten Gebieten, erforderlich macht. |
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4.12. |
Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass im Bereich der Elektrofahrzeuge Fortschritte erzielt werden, dass die Situation in den einzelnen Ländern der Union jedoch höchst unterschiedlich ist. Diese Fortschritte, die im wesentlichen auf die Rechtsvorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten zurückzuführen sind, erfordern eine gewisse Infrastruktur und werfen Fragen der Standardisierung auf. Der Ausschuss hat sich bereits in seiner einschlägigen Stellungnahme (7) vorbehaltlos für Anstrengungen zur Entwicklung von Elektrofahrzeugen ausgesprochen. Er begrüßt den Einsatz CO2-freier Energieträger, der jedoch mit Umsicht erfolgen sollte. |
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4.13. |
Der EWSA stellt fest, dass sich das Weißbuch hauptsächlich mit technischer Innovation befasst und andere wichtige Aspekte nachhaltiger Mobilitätsstrategien außer Acht lässt, die auch innovativ sein können (z. B. weiche Maßnahmen und soziale Innovation wie neue Konzepte für Planung, Bürgerbeteiligung, innovative Sensibilisierungsmaßnahmen usw.). Nötig ist deshalb ein umfassenderes Verständnis des Begriffs Innovation. |
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4.14. |
Obwohl der nichtmotorisierte Verkehr 2011 Erwähnung fand, wird er nach wie vor nicht ausreichend und kohärent gefördert. Viele Städte investieren in die Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer (z. B. über EFRE-Programme). Die Europäische Union verfügt derzeit jedoch weder über eine Strategie noch über die Verwaltungs- und Managementkapazitäten, um diesen Bereich umfassend, übergreifend und integriert anzugehen. Der EWSA verweist auf seine Stellungnahme zum erheblichen potenziellen gesundheitlichen Nutzen aktiver Formen des Verkehrs wie Radfahren und Zufußgehen in Europa, in der gezielt kleine Maßnahmen vorgeschlagen wurden, um den Rad- und Fußgängerverkehr mit Blick auf den Nutzen für die Gesundheit und die Zugänglichkeit für die EU-Bürger zu fördern. Der EWSA schlägt deshalb vor, eine EU-Strategie für den nichtmotorisierten Verkehr zu entwickeln, die zu konkreten Maßnahmen der EU in den Bereichen strategische Planung, Entwicklung von Konzepten und Investitionen in Fahrräder und das Zufußgehen führt. |
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4.15. |
Seit der Veröffentlichung der Leitlinien für den Plan für nachhaltige städtische Mobilität im Jahr 2013 hat die Kommission Hunderten von Städten in ganz Europa EU-Mittel zur Verfügung gestellt (z. B. CIVITAS-Initiative), um eine ausgewogene und integrierte Entwicklung nachhaltiger städtischer Verkehrsträger zu gewährleisten. Davon zeugt die beeindruckende und wirkungsvolle Einführung von Plänen für nachhaltige städtische Mobilität in Europa. Wichtig ist, dass dabei ein partizipatorischer Ansatz verfolgt wird, bei dem die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen. Eine umfassende nachhaltige Planung der städtischen Mobilität hat sich als wirksames Mittel zur Bewältigung der Herausforderungen in den Bereichen Klima, Energie und Umwelt erwiesen. Der EWSA plädiert für eine europäische Initiative zur Schaffung nationaler Rahmen in den EU-Ländern für die Entwicklung und Umsetzung von Plänen für nachhaltige städtische Mobilität als wichtigste strategische Instrumente für die Planung der Mobilität in der Stadt. |
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4.16. |
In Bezug auf Kommunikation und Wissenstransfer zur Mobilität in der Stadt nimmt der EWSA die hervorragende Arbeit zur Kenntnis, die mit der Einrichtung des Portals ELTIS im Jahr 2014 geleistet wurde. Damit wurde eine Beobachtungsstelle für urbane Mobilität geschaffen, die Trends und gute Beispiele bekannt macht. |
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4.17. |
Die Maßnahmen für eine Pkw-Maut und Zugangsregelungen für Fahrzeuge im städtischen Raum sind in Europa nach wie vor nicht allgemein akzeptiert. Im Weißbuch heißt es, dass die überlastungsbedingten Kosten bis 2050 um rund 50 % steigen werden und dass die bestehenden Regelungen zur Pkw-Maut geprüft werden müssen, wobei Anreize für die Mitgliedstaaten geschaffen werden sollten, die im Rahmen von Pilotprojekten an solchen Leitlinien ausgerichtete Regelungen einführen. Den öffentlichen Verkehr und die nicht-motorisierte Mobilität zu fördern und dafür zu werben, könnte eine Lösung sein. |
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4.18. |
Das Weißbuch sah die zunehmende Entwicklung alternativer Kraftstoffe (Elektrofahrzeuge und Wasserstoff-Brennstoffzellen-Fahrzeuge) als Beitrag zur Ökologisierung des Verkehrs vor. Obwohl in den letzten zehn Jahren bei der Herstellung alternativer Kraftstoffe Verbesserungen und Wachstum zu verzeichnen waren, stammten 2018 nur 33 % des Stroms in der EU aus erneuerbaren Energiequellen. Der EWSA ist daher der Auffassung, dass die Fahrzeugemissionen und ihr CO2-Fußabdruck über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg gemessen werden sollten. Zudem wird die Ersetzung von Verbrennungsmotoren durch Elektroautos nichts an der Verkehrsüberlastung in unseren Städten ändern. |
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
(1) ABl. C 286 vom 16.7.2021, S. 158.
(2) ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 146.
(3) SWD(2016) 226.
(4) ABl. C 14 vom 15.1.2020, S. 112.
(5) Stellungnahme des EWSA zum Thema „Nachhaltige Entwicklung der EU-Verkehrspolitik und TEN-V-Planung“ (Sondierungsstellungnahme) (ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 31) (TEN/446).
(6) Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die Auswirkungen der EU-Politik auf Beschäftigungschancen, Ausbildungsbedarf und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Verkehrsgewerbe“ (Sondierungsstellungnahme) (ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 22) (CESE 1006/2011).
(7) Stellungnahme des EWSA zum Thema „Hin zu einer starken Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen“ (Sondierungsstellungnahme) (ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 47) (CESE 989/2010).
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/106 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Bewirtschaftungs-, Erhaltungs- und Kontrollmaßnahmen für den Zuständigkeitsbereich der Thunfischkommission für den Indischen Ozean (IOTC) und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1936/2001, (EG) Nr. 1984/2003 und (EG) Nr. 520/2007 des Rates
(COM(2021) 113 final — 2021/0058 (COD))
(2021/C 341/15)
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Befassung |
Europäisches Parlament, 24.3.2021 Rat, 31.3.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 43 Absatz 2 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt |
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Verabschiedung im Plenum |
9.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
187/0/2 |
Da der Ausschuss dem Vorschlag zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 561. Plenartagung am 9./10. Juni 2021 (Sitzung vom 9. Juni) mit 187 Stimmen bei 2 Enthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/107 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/625 hinsichtlich der amtlichen Kontrollen von Tieren und Erzeugnissen tierischen Ursprungs, die aus Drittländern in die Union ausgeführt werden, um die Einhaltung des Verbots bestimmter Verwendungen antimikrobieller Wirkstoffe sicherzustellen“
(COM(2021)108 final — 2021/0055 (COD))
(2021/C 341/16)
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Befassung |
Europäisches Parlament, 11.3.2021 Rat: 17.3.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 43, Absatz 2, Artikel 114, Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe b und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
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Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt |
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Verabschiedung im Plenum |
9.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
212/0/4 |
Da der Ausschuss dem Vorschlag zustimmt und keine Bemerkungen zu dieser Thematik vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 561. Plenartagung am 9./10. Juni 2021 (Sitzung vom 9. Juni) mit 212 Stimmen bei 4 Enthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG
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24.8.2021 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 341/108 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen für den Bereich des Übereinkommens über die Fischerei im westlichen und mittleren Pazifik und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 520/2007 des Rates“
(COM(2021) 198 final — 2021/0103(COD))
(2021/C 341/17)
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Befassung |
Europäisches Parlament, 26.4.2021 Rat, 6.5.2021 |
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Rechtsgrundlage |
Artikel 43 Absatz 2 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
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Zuständiges Fachgruppe |
Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt |
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Verabschiedung im Plenum |
9.6.2021 |
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Plenartagung Nr. |
561 |
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Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
221/0/7 |
Da der Ausschuss dem Vorschlag zustimmt und keine Bemerkungen zu dieser Thematik vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 561. Plenartagung am 9./10. Juni 2021 (Sitzung vom 9. Juni) mit 221 Stimmen bei 7 Enthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.
Brüssel, den 9. Juni 2021
Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Christa SCHWENG