ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 100

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Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

64. Jahrgang
23. März 2021


Inhalt

Seite

 

IV   Informationen

 

INFORMATIONEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

 

Europäische Kommission

2021/C 100/01

Bekanntmachung der Kommission — Leitlinien für Wirtschaftsakteure und Marktüberwachungsbehörden zur praktischen Umsetzung von Artikel 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten ( 1 )

1

2021/C 100/02

Bekanntmachung der Kommission — Leitfaden zur Anwendung der Verordnung (EU) 2019/515 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gegenseitige Anerkennung von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind ( 1 )

16

2021/C 100/03

Mitteilung der Kommission — Leitfaden zu den Artikeln 34-36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ( 1 )

38


 


 

(1)   Text von Bedeutung für den EWR.

DE

 


IV Informationen

INFORMATIONEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

Europäische Kommission

23.3.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 100/1


BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION

Leitlinien für Wirtschaftsakteure und Marktüberwachungsbehörden zur praktischen Umsetzung von Artikel 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2021/C 100/01)

1.   EINLEITUNG

Die Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten (1) (im Folgenden „Verordnung“) führt ein umfassendes Regelwerk ein, um Verbraucher vor unsicheren und nicht konformen Produkten zu schützen und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Wirtschaftsakteure zu schaffen.

Der EU-Binnenmarkt bietet Wirtschaftsakteuren Zugang zu Verbrauchern und anderen Endnutzern in allen Mitgliedstaaten, sofern sie und ihre Produkte die EU-rechtlichen Anforderungen im Hinblick auf Sicherheit, Umweltverhalten und sonstige öffentliche Interessen erfüllen. Marktüberwachungsbehörden und die für die Kontrolle von Produkten, die auf den EU-Markt gelangen, zuständigen Behörden (2) („Grenzbehörden“) überprüfen die Einhaltung dieser Vorgaben und setzen sie durch. Insbesondere im Fall von Produkten, die im Fernabsatz zum Verkauf angeboten werden, kann dies mitunter nicht einfach sein.

Die neuen Vorschriften zu Marktüberwachung und Produktkonformität sollen die Einhaltung der EU-Vorgaben sicherstellen. Sie unterstützen die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen, indem sie Unternehmen, die konforme Produkte produzieren, vor unlauterem Wettbewerb schützen. Gleichzeitig bewahren sie die Marktüberwachungsbehörden vor übermäßig kostspieligen Ermittlungsprozessen.

Die vorliegenden Leitlinien betreffen die Umsetzung einer der zentralen Bestimmungen der Verordnung: Artikel 4, der die „Aufgaben der Wirtschaftsakteure hinsichtlich Produkten, die bestimmten Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union unterliegen“ regelt (Wortlaut siehe Abschnitt 6). Im Wesentlichen schreibt Artikel 4 vor, dass bestimmte Produkte nur dann auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn es einen in der EU niedergelassenen Wirtschaftsakteur gibt, der den Behörden auf Verlangen Informationen übermitteln oder bestimmte Maßnahmen ergreifen kann. Diese Bestimmung gilt ab dem 16. Juli 2021 (Artikel 44 der Verordnung).

In diesen Leitlinien wird erläutert, wie Wirtschaftsakteure Artikel 4 umsetzen sollten:

Abschnitt 2 beschreibt den Anwendungsbereich und erklärt, welcher Wirtschaftsakteur als Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 für ein bestimmtes Produkt handeln sollte.

Abschnitt 3 präzisiert die Aufgaben des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4.

Abschnitt 4 enthält weitere Einzelheiten zur praktischen Anwendung von Artikel 4 abhängig davon, wer als Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 handelt.

Darüber hinaus erläutert Abschnitt 5, wie Marktüberwachungsbehörden und Grenzbehörden die Vorgaben von Artikel 4, dessen Ziel es ist, ihre Arbeit zu erleichtern, in der Praxis einsetzen können.

Ziel dieser Leitlinien ist es, Wirtschaftsakteure und Behörden in ihrer Arbeit zu unterstützen und eine einheitliche Umsetzung von Artikel 4 zu erleichtern. Sie beziehen sich ausschließlich auf die Umsetzung von Artikel 4 und sind nicht anwendbar auf Produktvorschriften der Union, die nicht in den Geltungsbereich von Artikel 4 fallen und die ähnliche aber nicht identische Vorgaben machen (3). Die Leitlinien beziehen sich auf Vorgaben nach den Harmonisierungsrechtsvorschriften der EU in der zum Zeitpunkt der Annahme dieser Leitlinien geltenden Fassung. Eine umfassende Orientierung zu den Harmonisierungsrechtsvorschriften der EU bietet der „Blue Guide“, auf den sich diese Leitlinien beziehen (4). Die Kommission wird diese Leitlinien unter Berücksichtigung weiterer rechtlicher Entwicklungen in anderen Bereichen, beispielsweise des Gesetzes über digitale Dienste (5), aktualisieren.

Dieses Dokument dient allein der Orientierung — Rechtskraft besitzt ausschließlich der Wortlaut der Verordnung. Die Leitlinien geben die Meinung der Europäischen Kommission wieder und sind demgemäß nicht rechtsverbindlich. Die rechtsverbindliche Auslegung des Unionsrechts obliegt ausschließlich dem Gerichtshof der Europäischen Union. Die hier dargelegten Auffassungen sind nicht als Vorgriff auf Standpunkte zu verstehen, die die Kommission gegebenenfalls vor dem Gerichtshof vertritt. Weder die Kommission noch Personen, die in ihrem Namen handeln, haften für die Anwendung der folgenden Informationen.

2.   GELTUNGSBEREICH UND ANWENDUNG

2.1   Geltungsbereich

Ein Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 ist erforderlich, wenn ein Produkt:

in den Geltungsbereich einer oder mehrerer der in Artikel 4 Absatz 5 genannten Richtlinien oder Verordnungen, sowie jeder anderen Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Artikel 4 bezieht, fällt. Diese „sektorspezifischen Rechtsvorschriften“ betreffen die Sicherheit von Spielzeug, Elektronikgeräten und Funkanlagen, die elektromagnetische Verträglichkeit, die Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten („RoHS“), energieverbrauchsrelevante Produkte („Ökodesign“), Geräte zur Verbrennung von Gasen, Bauprodukte, Maschinen, zur Verwendung im Freien vorgesehene Maschinen und Geräte („umweltbelastende Geräuschemissionen“), Geräte zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen (ATEX), Druckgeräte, einfache Druckbehälter, pyrotechnische Gegenstände, Sportboote, Messgeräte, nichtselbsttätige Waagen, persönliche Schutzausrüstungen und unbemannte Luftfahrzeugsysteme (6) („Drohnen“) (7),

ab dem 16. Juli 2021 in der EU (8) in Verkehr gebracht wird — d. h. erstmalig auf dem Unionsmarkt (9) bereitgestellt wird (Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 44 der Verordnung). Bereitstellen bedeutet jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit. Wird ein Produkt online oder über eine andere Form des Fernabsatzes zum Verkauf angeboten, gilt das Produkt als auf dem Markt bereitgestellt, wenn sich das Angebot an Endnutzer in der EU richtet. Ein Verkaufsangebot gilt als an Endnutzer in der Union gerichtet, wenn der betreffende Wirtschaftsakteur seine Tätigkeiten in irgendeiner Weise auf einen Mitgliedstaat ausrichtet (Artikel 6 der Verordnung). (Eine diesbezügliche Prüfung erfolgt einzelfallbezogen und richtet sich nach maßgeblichen Faktoren wie den geographischen Gebieten, in die geliefert werden kann, der für das Angebot oder die Bestellung verfügbaren Sprache(n), möglichen Zahlungsmitteln usw. (10))

Dementsprechend muss ein Wirtschaftsakteur, der ab dem 16. Juli 2021 ein Produkt, das in den Geltungsbereich von Artikel 4 fällt, in der EU in Verkehr bringen möchte, erst sicherstellen, dass es für dieses Produkt einen Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 in der EU gibt. Andernfalls kann er ein solches Produkt ab dem 16. Juli 2021 nicht in der EU in Verkehr bringen.

2.2   Bestimmung des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4

Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 kann sein:

ein in der EU niedergelassener Hersteller (11);

ein (per definitionem in der EU niedergelassener) Einführer (12), wenn der Hersteller keine Niederlassung in der EU hat;

ein (per definitionem in der EU niedergelassener) Bevollmächtigter (13), der vom Hersteller schriftlich beauftragt wurde, die in Artikel 4 Absatz 3 festgelegten Aufgaben im Namen des Herstellers wahrzunehmen;

ein in der EU niedergelassener Fulfilment-Dienstleister (14), sofern es keinen in der EU niedergelassenen Hersteller, Einführer oder Bevollmächtigten gibt.

Abschnitt 4 erläutert, welche Rolle diesen Wirtschaftsakteuren auf der Grundlage sektorspezifischer Rechtsvorschriften zukommt, und in welchem Verhältnis diese Rolle zu ihren Aufgaben gemäß Artikel 4 steht.

Wer als Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 handelt, hängt vor allem von der Lieferkette ab. Kasten 1 stellt dies zusammenfassend dar, eine ausführliche Erläuterung folgt darunter.

Kasten 1

Der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 je nach Lieferkette

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Schritt 1: Hat der Hersteller (mit oder ohne Sitz in der EU) einen Bevollmächtigten schriftlich beauftragt, die spezifischen Aufgaben nach Artikel 4 wahrzunehmen, so ist dieser Bevollmächtigte der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4. In anderen Fällen hängt es von der Lieferkette ab, wer Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 ist.

Schritt 2: Produkte von Herstellern, die in der EU niedergelassen sind, werden üblicherweise durch den in der EU niedergelassenen Hersteller in Verkehr gebracht, unabhängig davon, ob sie online oder im stationären Einzelhandel verkauft werden (15). Für diese Produkte ist der EU-Hersteller der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 (es sei denn, er hat einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung der Aufgaben nach Artikel 4 beauftragt).

Schritt 3: Produkte, die außerhalb der EU hergestellt und im stationären Einzelhandel innerhalb der EU verkauft werden, werden grundsätzlich durch einen Einführer in der EU in Verkehr gebracht (16). Für diese Produkte ist der Einführer der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 (es sei denn, der Hersteller hat einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung der Aufgaben nach Artikel 4 beauftragt). In Abschnitt 4.2 wird erläutert, wie mit mehreren Einführern für die gleiche Art Produkt umzugehen ist.

Schritt 4: Für Produkte von Herstellern mit Sitz außerhalb der EU, die online (oder über eine andere Form des Fernabsatzes) angeboten werden, kann es ebenfalls einen Einführer geben, wobei dieser das Produkt entweder selbst online zum Verkauf anbietet oder an einen Händler verkauft, der dann das Produkt online zum Verkauf anbietet.

Schritt 5: Gibt es keinen Einführer und das Produkt wird stattdessen von einem Fulfilment-Dienstleister mit Sitz in der EU abgefertigt, so ist der Fulfilment-Dienstleister der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 (es sei denn, der Hersteller hat einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung der Aufgaben nach Artikel 4 beauftragt). Anders als im Fall eines Einführers oder Bevollmächtigten, steht ein Fulfilment-Dienstleister nicht automatisch in einer formellen Beziehung zum Hersteller, die ihn befähigt, die Aufgaben des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 wahrzunehmen. Er muss daher mit den Wirtschaftsakteuren, denen er seine Dienste anbietet („Kunden“), vereinbaren, dass der Kunde, oder der Hersteller selbst, ihn mit den notwendigen Mitteln versorgt, um seinen Verpflichtungen als Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 nachkommen zu können (siehe hierzu Abschnitt 4.4).

Schritt 6: Wird ein Produkt von außerhalb der EU direkt an einen Endverbraucher in der EU verschickt, und gibt es einen Bevollmächtigten, der schriftlich beauftragt wurde, die Aufgaben nach Artikel 4 wahrzunehmen, so ist der Bevollmächtigte der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 für dieses Produkt. Hat der Hersteller keinen Bevollmächtigten benannt, darf das Produkt nicht zum Verkauf an Endnutzer innerhalb der EU angeboten werden. Der Wirtschaftsakteur, der das Produkt zum Verkauf (17) an EU-Endnutzer anbieten will, muss daher sicherstellen, dass der Hersteller einen Bevollmächtigten für das Produkt benennt (siehe hierzu Kasten 2).

Kasten 2

Perspektive eines nicht in der EU niedergelassenen Wirtschaftsakteurs, der Produkte online zum Verkauf an Verbraucher oder andere Endnutzer in der EU anbieten will: Wie sorge ich für einen Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4? (Beispiel)

Überprüfen Sie zunächst, ob die Produkte für den EU-Markt bestimmt sind und mit dem EU-Recht in Einklang stehen. Bei Zweifeln kontaktieren Sie den Hersteller.

Ist dieser Punkt erfüllt, informieren Sie sich beim Hersteller, ob er bereits einen Bevollmächtigten für diese Produkte benannt hat.

Ist dies der Fall, geben Sie den Namen und die Kontaktdaten des Bevollmächtigten wie vorgegeben an (siehe hierzu Abschnitt 2.3).

Sofern kein Bevollmächtigter bestellt wurde, prüfen Sie (gemeinsam mit dem Hersteller) folgende Möglichkeiten:

Falls Sie vorhaben, die Produkte auf einem Online-Marktplatz zum Verkauf anzubieten (siehe Abschnitt 2.4): Bietet dieser Marktplatz die Dienste eines Bevollmächtigten oder Fulfilment-Dienstleisters an?

Falls Sie bereits Produkte verkaufen, für deren Verkauf ein Bevollmächtigter oder eine ähnliche Autorität in der EU erforderlich ist (beispielsweise Kosmetika, Medizinprodukte und Schiffsausrüstung): Wäre dieser daran interessiert, auch Bevollmächtigter für von Ihnen verkaufte Produkte zu sein, die in den Geltungsbereich von Artikel 4 fallen?

Gibt es einschlägige Handelsverbände, die Zugang zu Informationen zu bereits bestellten Bevollmächtigten haben (könnten)? Einige Hersteller von Produkten, die in den Geltungsbereich von Artikel 4 fallen, haben möglicherweise bereits einen Bevollmächtigten in der EU.

Haben Sie einen möglichen Bevollmächtigten gefunden, stellen Sie sicher, dass er vom Hersteller beauftragt wird, die notwendigen Aufgaben wahrzunehmen (siehe Abschnitt 3 und Abschnitt 4.3). Sorgen Sie dann dafür, dass Name und Kontaktdaten des Bevollmächtigten wie erforderlich angegeben sind (siehe Abschnitt 2.3).

Sofern ein Fulfilment-Dienstleister die Aufgaben des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 wahrnehmen soll, sorgen Sie dafür, dass er die dafür erforderlichen Unterlagen erhält, insbesondere die Konformitätserklärungen oder Leistungserklärungen für die betreffenden Produkte. Sorgen Sie dann dafür, dass sein Name und seine Kontaktdaten wie erforderlich angegeben sind (siehe Abschnitt 2.3).

2.3   Informationen zum Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4

Der Name (oder der eingetragene Handelsname/die eingetragene Handelsmarke) und die Kontaktdaten (einschließlich der Postanschrift) des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 sind auf zumindest eine der folgenden Weisen anzugeben (Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung):

auf dem Produkt,

auf der Verpackung (d. h. der Verkaufsverpackung),

auf dem Paket (d. h. der Verpackung für Transport und Abfertigung),

auf einem Begleitdokument, beispielsweise der Konformitätserklärung oder der Leistungserklärung (18).

NB: Ist der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 ein EU-Hersteller oder Einführer, sind diese Daten üblicherweise bereits nach den sektorspezifischen Rechtsvorschriften anzugeben (siehe hierzu Abschnitt 4). Diese können im Hinblick auf die Stelle, an der die Information anzubringen ist, strengere Vorgaben machen, die einzuhalten sind.

Eine Internetadresse kann zusätzlich — aber nicht alternativ — zu einer Postanschrift angegeben werden. (Eine Postanschrift besteht üblicherweise aus Angaben zu Straßenname/Postfachnummer, Hausnummer, Postleitzahl und Ort.) Es ist außerdem zweckdienlich, eine E-Mail-Adresse und/oder Telefonnummer anzugeben, um eine schnelle Kontaktaufnahme durch die zuständigen Behörden zu erleichtern.

Es ist möglich, dass die Namen und Kontaktdaten mehrerer Wirtschaftsakteure auf dem Produkt oder einem Begleitdokument angegeben sind. Es ist nicht ausdrücklich vorgeschrieben, dass diesen die Hinweise „manufactured by“, „imported by“, „represented by“ oder „fulfilled by“ vorangestellt werden. Gleichwohl sollten die angegebenen Informationen nicht irreführend für die Marktüberwachungsbehörden sein. Ist die Rolle des Wirtschaftsakteurs nicht deutlich angegeben, müssen die Behörden diese selbst feststellen. Jeder Wirtschaftsakteur sollte in der Lage sein, einen Beweis für seine Rolle vorzulegen. Es besteht keine Verpflichtung, die englischen Begriffe „manufactured by“, „imported by“, „represented by“ oder „fulfilled by“ zu übersetzen: Es wird davon ausgegangen, dass diese Begriffe in allen EU-Ländern problemlos verstanden werden.

Name und Kontaktdaten des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 müssen zu dem Zeitpunkt, da das Produkt bei der Zollabfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet wird, angegeben und erkennbar sein (Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung). Ist daher ein Produkt für die Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr in der EU vorgesehen, ohne dass eine weitere Verarbeitung des Produkts nach seiner Ankunft auf dem EU-Markt erfolgt (19), sollten Wirtschaftsakteure mit Sitz außerhalb der EU, die dieses Produkt zum Verkauf anbieten, sicherstellen, dass ihre Namen und Kontaktdaten wie oben beschrieben angegeben sind. Wo nötig, sind die entsprechenden Daten vor Verschiffung des Produktes noch zu ergänzen (oder ergänzen zu lassen).

2.4   Verkauf von Produkten über Online-Marktplätze

Ein Online-Marktplatz ist eine Form elektronischer Dienstleistung, bei der Produkte von verschiedenen Wirtschaftsakteuren zum Verkauf angeboten werden (20). Er ermöglicht Wirtschaftsakteuren auf der einen Seite und Endnutzern auf der anderen, Produktverkaufsgeschäfte abzuschließen.

Artikel 4 gilt für Produkte, die über einen Online-Marktplatz verkauft werden.

Artikel 4 legt Online-Marktplätzen keine spezifischen Verpflichtungen auf, sofern sie lediglich Vermittlungsdienste an Drittverkäufer anbieten und in den Anwendungsbereich von Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (21) fallen. Vermittelt ein Online-Marktplatz Verkaufsangebote für Produkte, die in den Geltungsbereich von Artikel 4 fallen und für die kein Wirtschaftsakteur nach Artikel 4 besteht (22), an EU-Endnutzer, und werden ihm rechtswidrige Inhalte bekannt oder bewusst gemacht (beispielsweise durch einen hinreichend genauen und angemessen Begründeten Hinweis einer Marktüberwachungsbehörde), so kann sich der Online-Marktplatz nur dann auf den Haftungsausschluss nach Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie 2000/31/EG berufen, wenn er, sobald er Kenntnis oder Bewusstsein von den betreffenden Inhalten erlangt, unverzüglich tätig wird, um diese zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.

Ist ein Online-Marktplatz gleichzeitig auch Hersteller, Einführer, Bevollmächtigter oder Fulfilment-Dienstleister, kommt er als Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 infrage.

3.   AUFGABEN DES WIRTSCHAFTSAKTEURS GEMÄß ARTIKEL 4

Dieser Abschnitt bietet Orientierungshilfe zu den verschiedenen Aufgaben, die ein Wirtschaftsakteur nach Artikel 4 zu erfüllen hat. Insbesondere wenn es sich dabei um einen EU-Hersteller oder Einführer handelt, kann es sein, dass der Wirtschaftsakteur (abhängig von seiner Einstufung) bereits Verpflichtungen nach einer sektorspezifischen Rechtsvorschrift hat, die seine Aufgaben nach Artikel 4 ganz oder teilweise abdecken (siehe hierzu Abschnitt 4).

Gemäß Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a hat der Wirtschaftsakteur eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen wenn er seine Tätigkeit aufnimmt oder wenn sein Portfolio um ein neues Produkt ergänzt wird:

Er muss überprüfen, ob die Konformitäts- oder Leistungserklärung angefertigt wurde und diese aufbewahren – derartige Erklärungen sind nach allen sektorspezifischen Rechtsvorschriften, die in den Geltungsbereich von Artikel 4 fallen, vorzulegen (23). Nach den in den Geltungsbereich von Artikel 4 fallenden Rechtsvorschriften sind die Erklärungen für einen Zeitraum von 10 Jahren nach dem Inverkehrbringen des Produktes aufzubewahren (24). Fällt ein Produkt unter mehr als einen Rechtsakt, wird eine Konformitätserklärung für alle anzuwendenden Rechtsakte zusammengenommen aufgesetzt (25).

Er muss überprüfen, ob die erforderlichen technischen Unterlagen erstellt wurden (26) und auf Verlangen den Marktüberwachungsbehörden zur Verfügung gestellt werden können. Hat der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 die Unterlagen nicht selbst in seinem Besitz, so erfordert diese Verpflichtung, dass er kontrolliert, dass die Unterlagen existieren, und vom Hersteller eine Versicherung einholt, dass dieser die Unterlagen auf Verlangen entweder dem Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 oder der Marktüberwachungsbehörde selbst vorlegt.

Darüber hinaus ist der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 Absatz 3 Buchstaben c und d zu folgenden Maßnahmen verpflichtet, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass mit einem Produkt ein Risiko (27) verbunden ist:

Er muss die zuständigen Marktüberwachungsbehörden informieren. Diese Verpflichtung gilt für jeden Mitgliedstaat, in dem das Produkt in Verkehr gebracht worden ist. (28) Zu dieser Information gehört auch, welche Korrekturmaßnahmen ergriffen worden sind oder noch ergriffen werden.

Er muss sicherstellen, dass im Falle eines Verstoßes gegen EU-Harmonisierungsrecht unmittelbar notwendige Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, um diesen Verstoß zu beseitigen, oder, falls dies nicht möglich ist, die damit verbundenen Risiken zu mindern (siehe unten).

Der Wirtschaftsakteur nach Artikel 4 hat gemäß Artikel 4 Absatz 3 Buchstaben a, b, und d folgende Maßnahmen zu ergreifen, wenn ihn eine Marktüberwachungsbehörde dazu auffordert:

Er muss der Behörde die Konformitäts- oder Leistungserklärung vorlegen.

Er muss der Behörde die technischen Unterlagen vorlegen oder — falls der Wirtschaftsakteur nach Artikel 4 diese Unterlagen nicht in seinem Besitz hat — sicherstellen, dass die Behörde die technischen Unterlagen erhält (insbesondere vom Hersteller).

Er muss weitere Informationen oder Unterlagen vorlegen, um die Konformität des Produktes nachzuweisen (beispielsweise Zertifikate und Entscheidungen einer notifizierten Stelle). Diese sind in einer Sprache vorzulegen, die für die Behörde leicht zu verstehen ist (in Absprache mit der Behörde; dabei kann es sich auch um eine andere Sprache als die Landessprache(n) handeln).

Er muss mit der Behörde zusammenarbeiten. Welche Maßnahmen zu ergreifen sind, hängt vom Verlangen der Behörde ab. Diese hat dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung).

Er muss sicherstellen, dass unverzüglich die notwendigen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, um eine Nichtkonformität des Produktes mit den einschlägigen EU-Harmonisierungsrechtsvorschriften zu beseitigen oder, falls das nicht möglich ist, die von dem Produkt ausgehenden Risiken zu mindern. Je nach Erfordernis kommen dabei die folgenden Korrekturmaßnahmen in Betracht: Herstellung der Konformität des Produktes, Rücknahme vom Markt oder Rückruf des Produktes. (29) Der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 muss diese Korrekturmaßnahmen oder Maßnahmen zur Minderung der Risiken nicht selbst ergreifen, es sei denn, er ist nach den sektorspezifischen Rechtsvorschriften dazu verpflichtet. Er muss aber sicherstellen, dass entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, beispielsweise indem er den Hersteller bittet, der Aufforderung der Behörde nachzukommen und überprüft, ob der Hersteller dieser Bitte nachgekommen ist.

Der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 sollte innerhalb eines angemessenen Zeitraums oder einer von den Marktüberwachungsbehörden gesetzten Frist tätig werden. Konformitäts- oder Leistungserklärung sollten unverzüglich vorgelegt werden, andere Unterlagen innerhalb eines angemessenen Zeitraums (30).

Ist der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 aufgrund eines Problems in seiner Beziehung zum Hersteller (31) (beispielsweise reagiert der Hersteller nicht auf eine Aufforderung) nicht in der Lage, eine oder mehrere seiner Aufgaben zu erfüllen, so wäre eine geeignete Erstmaßnahme, den Hersteller an seine Verpflichtungen nach EU-Recht zu erinnern. Besteht das Problem fort, so wäre eine logische Konsequenz, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Funktion des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 für die betreffenden Produkte aufzugeben, und zwar mit der Begründung, dass es dem Wirtschaftsakteur nicht möglich ist, seine Aufgaben nach Artikel 4 wahrzunehmen. Dies bedeutet:

für einen Einführer, dass er die Produkte nicht mehr in Verkehr bringt;

für einen Bevollmächtigten, dass er seine Geschäftsbeziehung mit dem Hersteller beendet;

für einen Fulfilment-Dienstleister, dass er die Produkte nicht mehr abfertigt, d. h. nicht mehr an Endnutzer versendet.

Ein Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 kann mit Sanktionen belegt werden (32) wenn er seinen Aufgaben nach Artikel 4 nicht nachkommt. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (Artikel 41 Absatz 2 der Verordnung). Die Verantwortung dafür, dass das Produkt den Anforderungen sektorspezifischer Rechtsvorschriften entspricht, verbleibt beim Hersteller. Ebenso trägt der Hersteller (wie auch andere Akteure in der Lieferkette) weiterhin die Verantwortung für alle rechtlichen Verpflichtungen im Hinblick auf die Produkte, Gewährleistungen, Haftung für fehlerhafte Produkte etc. Artikel 4 begründet keine rechtlichen Verpflichtungen für Verbraucher oder andere Endnutzer.

4.   PRAKTISCHE BEDEUTUNG FÜR WIRTSCHAFTSAKTEURE

Die in Artikel 4 beschriebenen Aufgaben des Wirtschaftsakteurs unterscheiden sich nicht danach, wer als Wirtschaftsakteur handelt. Unterschiede bestehen allerdings im Hinblick auf die Überschneidungen mit den Aufgaben des Wirtschaftsakteurs nach sektorspezifischen Rechtsvorschriften. Alle Verpflichtungen nach Artikel 4 gelten unabhängig davon, welche Verpflichtungen dem Wirtschaftsakteur durch sektorspezifische Vorschriften außerdem auferlegt werden. Es bestehen sektorabhängige Unterschiede, aber die meisten dieser Vorschriften sind eng an die Musterbestimmungen zu den Verpflichtungen der Wirtschaftsakteure (33) angelehnt. Der folgende Abschnitt befasst sich mit den für die Umsetzung des Artikel 4 relevanten Unterschieden.

4.1   In der EU niedergelassene Hersteller

Ein Hersteller ist eine natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt in ihrem eigenen Namen oder unter ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet (Artikel 3 der Verordnung) (34). Hat der Hersteller eine Niederlassung in der EU, so ist er grundsätzlich der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4, es sei denn, er hat einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung der Aufgaben nach Artikel 4 beauftragt.

In der EU niedergelassene Hersteller haben bereits Verantwortlichkeiten im Rahmen sektorspezifischer Rechtsvorschriften, die sich im Allgemeinen mit den Verpflichtungen nach Artikel 4 Absatz 3 decken oder darüber hinausgehen. Eine Ausnahme besteht in den EU-Rechtsvorschriften zu umweltbelastenden Geräuschemissionen, Maschinen und Ökodesign, die — anders als Artikel 4 — den Hersteller nicht ausdrücklich dazu verpflichten, die Marktüberwachungsbehörden zu informieren, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass ein in den Geltungsbereich dieser Vorschriften fallendes Produkt ein Risiko darstellt. Ist ein in der EU niedergelassener Hersteller Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4, ist er jedoch auch für Produkte, die in den Geltungsbereich dieser sektorspezifischen Vorschriften fallen, zu dieser Meldung verpflichtet.

Die meisten sektorspezifischen Rechtsvorschriften verlangen, dass der Name oder die Handelsmarke des Herstellers und dessen Postanschrift auf dem Produkt angegeben sind. Allerdings bestehen folgende Einschränkungen:

In einigen Sektoren kann diese Information unter bestimmten Umständen stattdessen auf der Verpackung oder in einem Begleitdokument angegeben werden.

Die Rechtsvorschriften zu Ökodesign enthalten keine derartige Verpflichtung.

Die für umweltbelastende Geräuschemissionen und Maschinen geltenden Rechtsvorschriften schreiben stattdessen vor, dass Name und Anschrift in der Konformitätserklärung (35) (oder, im Falle unvollständiger Maschinen, der Einbauerklärung (36)) angegeben sind und diese Erklärung dem Produkt beiliegt (37).

In dem besonderen Fall, dass ein Produkt in den Geltungsbereich der Ökodesign-Rechtsvorschriften fällt, aber in keinen anderen Geltungsbereich der sektorspezifischen Rechtsvorschriften nach Artikel 4, muss daher ein Hersteller, der in der EU niedergelassen ist und die Aufgaben des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 wahrnimmt, als zusätzliche Maßnahme seinen Namen und seine Kontaktdaten auf dem Produkt angeben.

4.2   Einführer

Ein Einführer ist eine in der EU ansässige natürliche oder juristische Person, die ein Erzeugnis aus einem Drittland auf dem EU-Markt in Verkehr bringt (Artikel 3 der Verordnung). Gibt es einen in der EU ansässigen Einführer, so ist dieser grundsätzlich der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4, es sei denn, der Hersteller hat einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung der Aufgaben nach Artikel 4 beauftragt.

Einführer haben im Allgemeinen Verantwortlichkeiten im Rahmen sektorspezifischer Rechtsvorschriften, die sich mit den Verpflichtungen nach Artikel 4 Absatz 3 decken oder darüber hinausgehen (38). Auch hier besteht die Ausnahme, dass die EU-Rechtsvorschriften zu umweltbelastenden Geräuschemissionen, Maschinen und Ökodesign — anders als Artikel 4 — den Einführer nicht ausdrücklich dazu verpflichten, die Marktüberwachungsbehörden zu informieren, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass ein in den Geltungsbereich dieser Vorschriften fallendes Produkt ein Risiko darstellt. Einführer von Produkten, die in den Geltungsbereich dieser sektorspezifischen Vorschriften fallen, sind jedoch zu dieser Meldung verpflichtet, wenn sie Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 für diese Produkte sind.

Die sektorspezifischen Rechtsvorschriften zur Angabe des Namens und der Kontaktdaten des Einführers auf dem Produkt oder einem Begleitdokument sind weitgehend identisch mit den den Hersteller betreffenden Vorschriften (siehe oben). Ein Einführer, der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 ist, ist daher (wie der Hersteller) nur im Ausnahmefall nach Artikel 4 dazu verpflichtet, zusätzliche Maßnahmen zur Angabe seines Namens und seiner Kontaktdaten zu ergreifen.

Wird die gleiche Art Produkt von mehreren Einführern abgefertigt, so ist jeder für die von ihm auf dem EU-Markt in Verkehr gebrachten Produkteinheiten Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 und muss sicherstellen, dass sein Name vorschriftsmäßig auf den Produkteinheiten oder in einem Begleitdokument angegeben ist. Diese Verpflichtung besteht im Falle mehrerer Einführer bereits nach den sektorspezifischen Rechtsvorschriften. Ein bestimmtes Produkt sollte daher grundsätzlich nur den Namen des für die Einfuhr des Produktes verantwortlichen Einführers aufweisen.

4.3   Bevollmächtigte

Ein Bevollmächtigter ist eine in der EU ansässige natürliche oder juristische Person, die vom Hersteller schriftlich beauftragt wurde, in seinem Namen bestimmte Aufgaben in Erfüllung der einschlägigen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union oder der Anforderungen der Verordnung (EU) 2019/1020 wahrzunehmen (Artikel 3 der Verordnung). Will ein Hersteller einen Bevollmächtigten als Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 einsetzen, so muss der Hersteller sicherstellen, dass die von ihm erteilte Vollmacht alle in Artikel 4 Absatz 3 genannten Aufgaben abdeckt. Der Bevollmächtigte muss über die geeigneten Mittel zur Wahrnehmung seiner Aufgaben verfügen (Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung).

Viele der sektorspezifischen Rechtsvorschriften erlauben die Benennung eines Bevollmächtigten (39). Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, ist der Bevollmächtigte mindestens mit der Wahrnehmung der folgenden Aufgaben zu beauftragen:

Er muss die Konformitäts- oder Leistungserklärung und die technischen Unterlagen während eines vorgeschriebenen Zeitraums für die Marktüberwachungsbehörden bereithalten (im Falle sektorspezifischer Vorschriften, die in den Geltungsbereich von Artikel 4 fallen, beträgt dieser Zeitraum üblicherweise 10 Jahre).

Er muss auf begründetes Verlangen einer zuständigen nationalen Behörde alle erforderlichen Informationen und Unterlagen für den Nachweis der Konformität eines Produktes an die Behörde übermitteln.

Er muss auf Verlangen der zuständigen nationalen Behörden bei allen Maßnahmen zur Abwendung von Gefahren, die mit zu seinem Aufgabenbereich gehörenden Produkten ausgehen, mit den nationalen Behörden zusammenarbeiten (40).

Ausnahmen hierzu finden sich in den Vorschriften zu umweltbelastenden Geräuschemissionen, Maschinen und Ökodesign, die dem Bevollmächtigten andere Aufgaben auferlegen, die denen des Herstellers ähneln.

Hat ein Hersteller einen Bevollmächtigten nach sektorspezifischen Rechtsvorschriften benannt und soll dieser Bevollmächtigte als Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 handeln, muss der Hersteller demzufolge sicherstellen, dass die von ihm erteilte Vollmacht alle in Artikel 4 Absatz 3 genannten Aufgaben abdeckt. Insbesondere muss der Hersteller unter Umständen weitere Aufgaben in die Vollmacht aufnehmen, wenn der Bevollmächtigte Grund zu der Annahme hat, dass von einem Produkt ein Risiko ausgeht.

Gleichermaßen muss ein Hersteller, der einen Bevollmächtigten zur Erleichterung der Einhaltung von Artikel 4 bestellen will, der auch Bevollmächtigter im Rahmen von sektorspezifischen Vorschriften sein soll, prüfen, ob die einschlägigen sektorspezifischen Vorschriften zusätzliche zu den in Artikel 4 genannten Aufgaben enthalten.

Zusätzlich zu den in Artikel 4 Absatz 3 genannten Aufgaben, muss der Bevollmächtigte auf Verlangen einer Marktüberwachungsbehörde eine Kopie seines Mandats in einer von der Marktüberwachungsbehörde zu bestimmenden EU-Sprache vorlegen (Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung).

Die Vorschriften zu umweltbelastenden Geräuschemissionen, Maschinen und Ökodesign verlangen, dass der Name und die Kontaktdaten des Bevollmächtigten auf der die betreffenden Produkte zu begleitenden (41) Konformitäts- oder Leistungserklärung (42) angegeben sind. In vielen anderen Sektoren verlangen die einschlägigen Vorschriften, dass der Hersteller eine Kontaktadresse auf dem Produkt oder einem Begleitdokument angibt. Diese Adresse kann auch die Adresse des Bevollmächtigten sein. Sind der Name und die Kontaktdaten eines Bevollmächtigten, der als Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 handelt, noch nicht auf dem Produkt oder einem Begleitdokument angegeben, so sollte der Wirtschaftsakteur, der das Produkt in der EU in Verkehr bringt, sicherstellen, dass diese noch vorschriftsmäßig ergänzt werden (im Sinne eines reibungslosen Verfahrens könnte er den Hersteller bitten, dafür zu sorgen, dass dies systematisch geschieht).

4.4   In der EU niedergelassene Fulfilment-Dienstleister

Ein Fulfilment-Dienstleister ist eine natürliche oder juristische Person, die im Rahmen einer Geschäftstätigkeit mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen anbietet, ohne selbst Eigentumsrechte an den betreffenden Produkten zu haben:

Lagerhaltung,

Verpackung,

Adressierung,

Versand.

Nicht anerkannte Dienstleistungen sind Postdienste (43), Paketzustelldienste (44) und alle sonstigen Postdienste oder Frachtverkehrsdienstleistungen (Artikel 3 der Verordnung).

Üblicherweise lagern Fulfilment-Dienstleister Produkte in der EU, sodass diese nach einer Online-Bestellung zügig an EU Verbraucher oder andere Endnutzer ausgeliefert werden können. Sie erbringen also Dienstleistungen für andere Wirtschaftsakteure. Bei Erhalt einer Bestellung, verpacken sie das Produkt (sofern noch nicht für den Transport verpackt), versehen es mit der Lieferadresse und versenden es, entweder über einen Post-, Paket- oder anderen Verkehrsdienst oder durch eigene Zustellung.

Es besteht eine breite Palette von Geschäftsszenarien für die Erbringung von Fulfilment-Dienstleistungen. Wie hier erläutert, gehen Fulfilment-Dienstleistungen aber stets über die Tätigkeiten von reinen Post- oder Paketdienstanbietern hinaus, (die sich auf die Abfertigung, Sortierung, Beförderung und Zustellung von Paketen beschränken). Bietet eine natürliche oder juristische Person sowohl Fulfilment-Dienste als auch Post-/Paketzustelldienste oder Frachtverkehrsdienstleistungen an, so wäre Artikel 4 nur im Hinblick auf die Produkte, die im Rahmen der Fulfilment-Dienstleistung abgefertigt werden, relevant.

In der EU niedergelassene Fulfilment-Dienstleister sind dann Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 für die von ihnen abgefertigten Produkte, wenn es keinen Hersteller, Einführer oder Bevollmächtigten in der EU für diese Produkte gibt. Sie sollten daher, bevor sie einen Auftrag zur Erbringung von Fulfilment-Dienstleistungen für ein Produkt, das in den Geltungsbereich von Artikel 4 fällt, annehmen, bei ihrem Kunden nachfragen, ob es bereits einen der anderen möglichen Wirtschaftsakteure in der EU für das betreffende Produkt gibt. Ist dies nicht der Fall, sind sie Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 für dieses Produkt.

Die sektorspezifischen Rechtsvorschriften verweisen nicht auf die Rolle des Fulfilment-Dienstleisters. Soll ein Fulfilment-Dienstleister als Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 handeln, muss er daher vor Annahme eines entsprechenden Auftrags Vorkehrungen mit seinem Kunden treffen um sicherzustellen, dass er von seinem Kunden oder direkt vom Hersteller die Mittel zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erhält, und zwar insbesondere:

die Konformitäts- oder Leistungserklärung für das betreffende Produkt,

die Zusage, ihn bei der Ausübung seiner Aufgaben zu unterstützen, beispielsweise

durch das Zurverfügungstellen von technischen Unterlagen,

durch das Ergreifen von Korrekturmaßnahmen auf Verlangen der Behörden.

Der Kunde sollte sicherstellen, dass der Name und die Kontaktdaten des Fulfilment-Dienstleisters auf dem Produkt oder einem Begleitdokument angegeben sind, sofern dies nicht bereits durch den Hersteller veranlasst wurde. Der Kunde kann diese Aufgabe selbst übernehmen oder jemand anderen damit beauftragen, bevor das Produkt bei der Zollabfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet wird (siehe hierzu Abschnitt 2.3).

Wie im Falle des Einführers, kann es auch mehrere Fulfilment-Dienstleister für eine bestimmte Art von Produkt geben. Jeder von ihnen ist Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 und hat seinen Namen und seine Kontaktdaten auf den von ihm abgefertigten Produkteinheiten oder den betreffenden Begleitdokumenten anzugeben.

Ein Hersteller kann einen Fulfilment-Dienstleister zu seinem Bevollmächtigten ernennen. In diesem Fall ist der Abschnitt zur Rolle des Bevollmächtigten dieser Leitlinien maßgeblich.

Kasten 3

Ich bin ein in der EU niedergelassener Fulfilment-Dienstleister — was muss ich tun? (Beispiel)

Eine praktische Checkliste würde folgende Punkte enthalten:

Machen Sie bestehende und potenzielle Kunden darauf aufmerksam, dass jedes von ihnen verkaufte Produkt, das in den Geltungsbereich von Artikel 4 fällt, mit einem Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 verbunden sein muss. Weisen Sie dabei auf Artikel 4 und diese Leitlinien hin.

Machen Sie Ihre Kunden darauf aufmerksam, dass Sie der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 sein werden, wenn es keinen Hersteller, Einführer oder Bevollmächtigten mit Sitz in der EU gibt (bzw. wenn Sie nicht wünschen, Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 für die betreffenden Produkte zu werden, machen Sie das deutlich und erläutern Sie Ihren Kunden, dass diese nur dann Ihre Fulfilment-Dienste in Anspruch nehmen können, wenn es einen Hersteller, Einführer oder Bevollmächtigten mit Sitz in der EU gibt).

Will ein Kunde Sie beauftragen, als Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 zu handeln, prüfen Sie, ob Sie diese Aufgabe für die gleiche Art Produkt bereits für einen anderen Ihrer Kunden wahrnehmen. Wenn ja, haben Sie bereits alles was Sie benötigen. Wenn nicht, entscheiden Sie, inwiefern Sie selbst die nötigen Vorkehrungen treffen wollen, um die Rolle des Wirtschaftsakteurs ausüben zu können, und inwiefern Sie das dem Kunden überlassen wollen.

Erklären Sie Kunden, die Sie beauftragen wollen, als Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 zu handeln, welche Vorkehrungen diese Kunden zunächst treffen müssen, um Ihre Fulfilment-Dienste in Anspruch nehmen zu können (Zurverfügungstellen der Kontaktdaten des Herstellers, der Konformitäts- oder Leistungserklärungen usw.).

Informieren Sie Ihre Kunden, sobald alle nötigen Vorkehrungen getroffen wurden, damit Sie die Rolle des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 ausüben können. Erst dann können Ihre Kunden damit beginnen, ihre Produkte zum Kauf anzubieten.

5.   MARKTÜBERWACHUNG UND KONTROLLE DER AUF DEN EU-MARKT GELANGENDEN PRODUKTE

5.1   Marktüberwachung

Um ihrem Auftrag nachzukommen, haben Marktüberwachungsbehörden in angemessenem Umfang geeignete Überprüfungen der Merkmale von Produkten vorzunehmen (Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung). Bei der Entscheidung darüber, welche Arten von Produkten in welchem Umfang welchen Überprüfungen unterworfen werden sollen, gehen die Marktüberwachungsbehörden nach einem risikobasierten Ansatz vor (ebd.).

Nach der Entscheidung, ein bestimmtes Produkt zu überprüfen, müssen die Marktüberwachungsbehörden gegebenenfalls Unterlagen zum Nachweis der Konformität anfordern. Der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 unterstützt sie dabei, indem er den Kontakt zum und die Zusammenarbeit mit dem Hersteller erleichtert. Die Marktüberwachungsbehörden können den Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 direkt kontaktieren, auch wenn er in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist (45). Sie sollten deutlich angeben, welche Art Unterlagen sie benötigen und für welche Produkte.

Will eine Marktüberwachungsbehörde Unterlagen zum Nachweis der Konformität eines Produktes überprüfen, das online oder über eine andere Form des Fernabsatzes verkauft wird, bevor oder ohne dass sie das Produkt selbst überprüft, kann es sein, dass ihr der Name und die Kontaktdaten des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 nicht bekannt sind. In diesem Fall kann die Behörde den Wirtschaftsakteur (im Sinne des Artikel 3 der Verordnung), der das Produkt zum Verkauf anbietet, um diese Information bitten (46).

Der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 ist die zuständige Kontaktperson zur Lösung von Fragen oder Problemen, die über den Bereich der Produktdokumentation hinausgehen (Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe d der Verordnung). In diesen Fällen sollten die Behörden deutlich machen, was sie von dem Wirtschaftsakteur erwarten.

Die Marktüberwachungsbehörden können sich an den Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 für Fragen wenden, die den Hersteller des Produktes oder der Produkte, für die der Wirtschaftsakteur zuständig ist, betreffen und die nicht ausdrücklich in den Geltungsbereich von Artikel 4 fallen. Dies können beispielsweise Fragen zu Rechtsverordnungen oder Produkten sein, die nicht unter den Geltungsbereich von Artikel 4 fallen. Auch wenn Artikel 4 derartige Ersuchen nicht ausdrücklich vorsieht, ist der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 dazu angehalten, den Kontakt zwischen den Behörden und Herstellern auch für diese Zwecke zu erleichtern.

5.2   Kontrolle von Produkten, die auf den EU-Markt gelangen

Es ist Aufgabe der Zollbehörden, Produkte, die in die EU eingeführt werden sollen, zu kontrollieren. Diese Kontrollen führen die Behörden auf Grundlage einer Risikoanalyse durch. Bei der physischen Kontrolle von Produkten, die in den Geltungsbereich von Artikel 4 fallen, wird empfohlen, zu überprüfen, ob der Name und die Kontaktdaten des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 auf dem Produkt, seiner Verpackung, dem Paket oder einem Begleitdokument angegeben sind (Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung). Ist dies nicht der Fall oder haben die Behörden Grund zu der Annahme, dass das Produkt aus einem anderen Grund nicht den Bestimmungen von Artikel 4 entspricht, (47) sollten sie die Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr aussetzen, die Aussetzung an die Marktüberwachungsbehörden melden (Artikel 26 der Verordnung) und deren Reaktion abwarten.

5.3   Verletzung der Bestimmungen von Artikel 4

In Anbetracht der Tatsache, dass Artikel 4 vor allem darauf abzielt, die Überprüfung von Unterlagen zur Konformität zu erleichtern, ist es problematisch, wenn der Name und die Kontaktdaten des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 fehlen, da dies die Marktüberwachung erschwert. Es ist außerdem ein möglicher Hinweis, dass das Produkt nicht für den EU-Markt bestimmt ist und/oder nicht den EU-Vorschriften entspricht.

Stellen die Marktüberwachungsbehörden daher im Rahmen einer Überprüfung fest, dass Name und Kontaktdaten des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 fehlen, sollten sie den zuständigen Wirtschaftsakteur (48) dazu auffordern, entsprechende Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Sie haben außerdem die Befugnis, Sanktionen zu verhängen (Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe i der Verordnung).

Gleiches gilt, wenn Name und Kontaktdaten des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 auf dem Produkt oder einem Begleitdokument angegeben sind, die Behörden bei der Überprüfung jedoch feststellen, dass diese nicht wahrheitsgemäß sind, beispielsweise weil die angegebene Adresse nicht existiert oder es keinen entsprechenden Wirtschaftsakteur unter der Adresse gibt.

Die Verpflichtung, den Namen und die Kontaktdaten des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 anzugeben, ist nicht Hauptgegenstand einer Überprüfung durch die Behörden. Die Marktüberwachungsbehörden könnten jedoch — möglicherweise durch EU-weite gemeinsame Aktionen — gezielt Maßnahmen zur Sensibilisierung zu diesem Thema ergreifen.

Wie in Abschnitt 3 erläutert, kann der Wirtschaftsakteur gemäß Artikel 4 selbst auch mit Sanktionen belegt werden, wenn er seinen Aufgaben nicht nachkommt, insbesondere, wenn er nicht mit den Behörden zusammenarbeitet (Artikel 41 Absatz 1 der Verordnung). Sanktionen müssen dabei wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (Artikel 41 Absatz 2 der Verordnung).

6.   WORTLAUT DER BESTIMMUNG

Artikel 4

Aufgaben der Wirtschaftsakteure hinsichtlich Produkten, die bestimmten Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union unterliegen

(1)   Unbeschadet etwaiger Verpflichtungen, die sich aus den anwendbaren Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union ergeben, darf ein Produkt, das den in Absatz 5 genannten Rechtsvorschriften unterliegt, nur in Verkehr gebracht werden, wenn ein in der Union niedergelassener Wirtschaftsakteur für dieses Produkt für die in Absatz 3 genannten Aufgaben verantwortlich ist.

(2)   Für die Zwecke dieses Artikels bezeichnet der in Absatz 1 verwendete Begriff „Wirtschaftsakteur“ entweder

a)

den in der Union niedergelassenen Hersteller,

b)

einen Einführer, wenn der Hersteller nicht in der Union niedergelassen ist,

c)

einen Bevollmächtigten, der vom Hersteller schriftlich beauftragt wurde, die in Absatz 3 festgelegten Aufgaben im Namen des Herstellers wahrzunehmen, oder

d)

für von ihm abgefertigte Produkte einen in der Union niedergelassenen Fulfilment-Dienstleister, sofern kein anderer Wirtschaftsakteur nach den Buchstaben a, b und c in der Union niedergelassen ist.

(3)   Unbeschadet etwaiger Pflichten der Wirtschaftsakteure nach den anwendbaren Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union nimmt der in Absatz 1 genannte Wirtschaftsakteur folgende Aufgaben wahr:

a)

Falls in den für ein Produkt geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union eine EU-Konformitätserklärung oder eine Leistungserklärung und technische Unterlagen vorgeschrieben sind: Überprüfung, dass die EU-Konformitätserklärung oder die Leistungserklärung und die technischen Unterlagen erstellt wurden, Bereithaltung der Konformitätserklärung oder der Leistungserklärung für die Marktüberwachungsbehörden während des vorgeschriebenen Zeitraums und Sicherstellung, dass die technischen Unterlagen diesen Behörden auf Aufforderung zur Verfügung gestellt werden können;

b)

auf begründetes Verlangen einer Marktüberwachungsbehörde: Übermittlung aller zum Nachweis der Konformität des Produkts erforderlichen Informationen und Unterlagen an die Behörde in einer Sprache, die für diese Behörde leicht verständlich ist;

c)

sofern Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein bestimmtes Produkt ein Risiko darstellt: Unterrichtung der Marktüberwachungsbehörden;

d)

Zusammenarbeit mit den Marktüberwachungsbehörden und — auf begründetes Verlangen — Gewährleistung, dass unverzüglich die notwendigen Korrekturaktivitäten ergriffen werden, um in einem Fall der Nichtkonformität mit den Anforderungen, die in den für das betreffende Produkt geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union festgelegt sind, Abhilfe zu schaffen oder, falls dies nicht möglich ist, die von diesem Produkt ausgehenden Risiken zu mindern, und zwar entweder nach Aufforderung durch die Marktüberwachungsbehörden oder auf eigene Initiative, wenn der in Absatz 1 genannte Wirtschaftsakteur der Ansicht ist oder Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt ein Risiko darstellt.

(4)   Unbeschadet der jeweiligen Verpflichtungen der Wirtschaftsakteure nach den anwendbaren Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union sind auf dem Produkt oder seiner Verpackung, dem Paket oder in einem Begleitdokument der Name, der eingetragene Handelsname oder die eingetragene Handelsmarke und die Kontaktdaten einschließlich der Postanschrift des Wirtschaftsakteurs gemäß Absatz 1 anzugeben.

(5)   Dieser Artikel gilt ausschließlich für Produkte, die Gegenstand der Verordnungen (EU) Nr. 305/2011, (EU) 2016/425 und (EU) 2016/426 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2000/14/EG, 2006/42/EG, 2009/48/EG, 2009/125/EG, 2011/65/EU, 2013/29/EU, 2013/53/EU, 2014/29/EU, 2014/30/EU, 2014/31/EU, 2014/32/EU, 2014/34/EU, 2014/35/EU, 2014/53/EU und 2014/68/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sind.


(1)  Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/42/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 765/2008 und (EU) Nr. 305/2011 (ABl. L 169 vom 25.6.2019, S. 1).

(2)  D. h. die gemäß Artikel 25 Absatz 1 der Verordnung von den Mitgliedstaaten benannten Behörden.

(3)  Z. B. die Richtlinie 2014/90/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über Schiffsausrüstung und zur Aufhebung der Richtlinie 96/98/EG des Rates (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 146), die in Artikel 13 Hersteller ohne Sitz in der EU verpflichtet, einen Bevollmächtigten zu benennen, sowie die Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59), die in Artikel 4 die Bestimmung einer in der EU verantwortlichen Person vorschreibt. Diese fallen nicht in den Geltungsbereich von Artikel 4 und damit auch nicht in den Geltungsbereich dieser Leitlinien.

(4)  Bekanntmachung der Kommission — Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“) (ABl. C 272 vom 26.7.2016, S. 1) oder das Nachfolgedokument.

(5)  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (COM(2020) 825 vom 15.12.2020).

(6)  Wie in Artikel 5 Absatz 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/945 der Kommission vom 12. März 2019 über unbemannte Luftfahrzeugsysteme und Drittlandbetreiber unbemannter Luftfahrzeugsysteme (ABl. L 152 vom 11.6.2019, S. 1) aufgeführt.

(7)  Informationen dazu, welche Richtlinie oder Verordnung auf ein bestimmtes Produkt anzuwenden ist, sind über das Portal Your Europe abrufbar: https://europa.eu/youreurope/business/product/product-rules-specifications/index_en.htm

(8)  Der geografische Geltungsbereich kann ausgeweitet werden; so werden beispielsweise Island, Liechtenstein und Norwegen auch unter den Geltungsbereich fallen, sobald die Verordnung in die Anhänge zum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum aufgenommen ist.

(9)  Siehe die Begriffsbestimmungen 1 und 2 in Artikel 3 der Verordnung.

(10)  Erwägungsgrund 15 der Verordnung. Der Blue Guide enthält weitere Einzelheiten zum Inverkehrbringen eines Produktes (beispielsweise zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens, auch im Hinblick auf Produkte, die sich zum Angebotszeitpunkt noch im Herstellungsprozess befinden, sowie zum Verkauf von Produkten auf Messen).

(11)  Nach Artikel 3 Nummer 8 der Verordnung ist ein Hersteller „jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt in ihrem eigenen Namen oder unter ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet“.

(12)  Nach Artikel 3 Nummer 9 der Verordnung ist ein Einführer „jede in der Union niedergelassene natürliche oder juristische Person, die ein Erzeugnis aus einem Drittland auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringt“.

(13)  Nach Artikel 3 Nummer 12 der Verordnung ist ein Bevollmächtigter „jede in der Union ansässige natürliche oder juristische Person, die vom Hersteller schriftlich beauftragt wurde, in seinem Namen bestimmte Aufgaben in Erfüllung der einschlägigen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union oder der Anforderungen dieser Verordnung wahrzunehmen“.

(14)  Nach Artikel 3 Nummer 11 der Verordnung ist ein Fulfilment-Dienstleister „jede natürliche oder juristische Person, die im Rahmen einer Geschäftstätigkeit mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen anbietet: Lagerhaltung, Verpackung, Adressierung und Versand von Produkten, an denen sie kein Eigentumsrecht hat, ausgenommen Postdienste im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, Paketzustelldienste im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2018/644 des Europäischen Parlaments und des Rates und alle sonstigen Postdienste oder Frachtverkehrsdienstleistungen“.

(15)  Nach Artikel 3 der Verordnung wird der Hersteller definiert als „jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt in ihrem eigenen Namen oder unter ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet“. Ein Einführer ist „jede in der Union niedergelassene natürliche oder juristische Person, die ein Erzeugnis aus einem Drittland auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringt“. Im Falle eines Produktes, das außerhalb der EU hergestellt, aber durch ein in der EU niedergelassenes Unternehmen in dessen Namen oder unter dessen eigener Handelsmarke vermarktet wird, bedeutet dies, dass dieses Unternehmen als der Hersteller des Produktes angesehen wird. Bringt dieser Hersteller das Produkt in der EU in Verkehr, gibt es keinen „Einführer“ im Sinne der Verordnung, selbst wenn die tatsächliche Einführung des Produktes durch ein anderes Unternehmen vorgenommen wird.

(16)  Ausgenommen hiervon sind Fälle, in denen das Produkt innerhalb der EU hergestellt wird, der Hersteller selbst aber nicht in der EU niedergelassen ist. In diesen Fällen besteht weder ein EU-Hersteller noch ein Einführer, sodass von den möglichen Wirtschaftsakteuren gemäß Artikel 4 lediglich der Bevollmächtigte oder der Fulfilment-Dienstleister verbleiben.

(17)  Nicht zu verwechseln mit einem Hosting-Anbieter, der lediglich das Verkaufsangebot online stellt. Für mehr Informationen hierzu siehe Abschnitt 2.4.

(18)  Eine Angabe in der (elektronischen) Zollanmeldung ist nicht ausreichend, da diese dem Produkt nicht beiliegt.

(19)  Erwägungsgrund 53 der Verordnung erinnert daran, dass die Artikel 220, 254, 256, 257 und 258 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) vorsehen, dass auf den EU-Markt gelangende Produkte, die eine weitere Verarbeitung erfordern, um den geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der EU zu entsprechen, in das entsprechende Zollverfahren überführt werden, das eine solche Verarbeitung durch den Einführer ermöglicht.

(20)  In Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) (ABl. L 165 vom 18.6.2013, S. 1) wird der Begriff „Online-Marktplatz“ wie folgt definiert: „Ein Diensteanbieter im Sinne des Artikels 2 Buchstabe b der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), der es Verbrauchern und Unternehmern ermöglicht, auf der Website des Online-Marktplatzes Online-Kaufverträge und Online-Dienstleistungsverträge abzuschließen.

(21)  Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1).

(22)  Dies ist eine „rechtswidrige Tätigkeit oder Information“ nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2000/31/EG, da ein solches Vorgehen gegen Artikel 4 der Verordnung verstößt.

(23)  Für Bauprodukte ist eine Leistungserklärung abzugeben, für alle anderen Produkte eine Konformitätserklärung.

(24)  Die Rechtsvorschriften zu umweltbelastenden Geräuschemissionen, Maschinen und Ökodesign präzisieren einen Zeitraum von 10 Jahren ab dem letzten Tag der Herstellung.

(25)  Artikel 5 des Beschlusses Nr. 768/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung des Beschlusses 93/465/EWG des Rates (ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 82).

(26)  Gemäß aller in den Geltungsbereich von Artikel 4 fallenden Rechtsvorschriften ist der Hersteller verpflichtet, technische Unterlagen zu erstellen.

(27)  Nach Artikel 3 Nummer 19 der Verordnung ist ein Produkt, mit dem ein Risiko verbunden ist, „ein Produkt, das Gesundheit und Sicherheit von Personen im Allgemeinen, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Verbraucherschutz, Umwelt, öffentliche Sicherheit und andere öffentliche Interessen, die durch die geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union geschützt werden, stärker beeinträchtigen kann als das im Verhältnis zu seiner Zweckbestimmung oder bei normaler oder nach vernünftigem Ermessen vorhersehbarer Verwendung des betreffenden Produkts — einschließlich der Gebrauchsdauer sowie gegebenenfalls der Anforderungen an Inbetriebnahme, Installation und Wartung — als vernünftig und vertretbar gilt“.

(28)  Für Informationen zur Kontaktaufnahme siehe: https://ec.europa.eu/growth/single-market/goods/building-blocks/market-surveillance/organisation_de

(29)  Diese Optionen werden in den meisten sektorspezifischen Rechtsvorschriften im Hinblick auf den Hersteller und den Einführer genannt. Weitere mögliche Korrekturmaßnahmen sind in Artikel 16 der Verordnung aufgeführt.

(30)  Einige sektorspezifische Rechtsvorschriften (beispielsweise zur Sicherheit von Spielzeug und Ökodesign) enthalten detailliertere Bestimmungen bezüglich des Zeitrahmens, innerhalb dessen ein Wirtschaftsakteur den Marktüberwachungsbehörden bestimmte Unterlagen zukommen lassen muss. Diese gelten weiterhin.

(31)  Oder besteht ein Problem zwischen einem Fulfilment-Dienstleister und seinem Kunden, bzw. zwischen seinem Kunden und dem Hersteller.

(32)  Artikel 41 Absatz 1 der Verordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten, Regelungen für Sanktionen für Verstöße gegen Artikel 4 und gegen andere Bestimmungen der Verordnung festzulegen.

(33)  Wie im Beschluss Nr. 768/2008/EG festgelegt. Der „Blue Guide“ bietet weitere Orientierungshilfen zu den Verpflichtungen eines Wirtschaftsakteurs.

(34)  Einige sektorspezifische Vorschriften definieren den Hersteller anders. In Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte (ABl. L 285 vom 31.10.2009, S. 10) insbesondere fehlt die Formulierung „oder entwickeln oder herstellen lässt“.

(35)  Anhang II der Richtlinie 2000/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über umweltbelastende Geräuschemissionen von zur Verwendung im Freien vorgesehenen Geräten und Maschinen (ABl. L 162 vom 3.7.2000, S. 1), bzw. Anhang II Teil 1.A.1. der Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (Neufassung) (ABl. L 157 vom 9.6.2006, S. 24).

(36)  Anhang II Teil 1.B.1. der Richtlinie 2006/42/EG.

(37)  Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2000/14/EG, bzw. Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 2006/42/EG.

(38)  In den EU-Rechtsvorschriften zu umweltbelastenden Geräuschemissionen (Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 2000/14/EG) und Maschinen (Artikel 2 Buchstabe i der Richtlinie 2006/42/EG) wird der Begriff „Einführer“ nicht verwendet, sondern stattdessen der Wortlaut „jede [weitere] Person, die [das Produkt] in Verkehr bringt“.

(39)  Eine Ausnahme sind die Vorschriften zu pyrotechnischen Gegenständen. Gemäß Artikel 4 und 5 der Verordnung ist es jedoch möglich, einen Bevollmächtigten für pyrotechnische Gegenstände zu benennen. In diesem Fall sind die von ihm wahrzunehmenden Aufgaben die in Artikel 4 genannten.

(40)  Im Falle der Rechtsvorschriften über die Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten im Rahmen der Richtlinie 2011/65/EU, bedeutet dies eine Zusammenarbeit bei allen Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung der Richtlinie (Artikel 8 Buchstabe b der Richtlinie 2011/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (ABl. L 174 vom 1.7.2011, S. 88)). Im Falle von Rechtsvorschriften zu Drohnen bedeutet dies eine Zusammenarbeit bei allen Maßnahmen zur Beseitigung der Nichtkonformität des Produktes und zur Abwendung der von dem Produkt ausgehenden Risiken (Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe c der Delegierten Verordnung (EU) 2019/945 der Kommission vom 12. März 2019 über unbemannte Luftfahrzeugsysteme und Drittlandbetreiber unbemannter Luftfahrzeugsysteme (ABl. L 152 vom 11.6.2019, S. 1)).

(41)  Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2000/14/EG, Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 2006/42/EG und Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates (ABl. L 88 vom 4.4.2011, S. 5).

(42)  Anhang II der Richtlinie 2000/14/EG, Anhang II Teil 1.A.1. der Richtlinie 2006/42/EG, und Anhang III der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

(43)  Im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. L 15 vom 21.1.1998, S. 14).

(44)  Im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2018/644 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. April 2018 über grenzüberschreitende Paketzustelldienste (ABl. L 112 vom 2.5.2018, S. 19).

(45)  Hat eine Marktüberwachungsbehörde hiermit Schwierigkeiten, kann sie eine Behörde in dem anderen Mitgliedstaat um Amtshilfe ersuchen. Dabei sind die Verfahren und Bedingungen des Kapitel VI der Verordnung einzuhalten.

(46)  Gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung haben Wirtschaftsakteure (im Sinne des Artikel 3) die Verpflichtung, mit den Marktüberwachungsbehörden bei bestimmten Maßnahmen zusammenzuarbeiten. Nach Erwägungsgrund 24 der Verordnung gehört hierzu auch, dass sie den Behörden auf Aufforderung die Kontaktdaten des Wirtschaftsakteurs übermitteln, der Aufgaben in Bezug auf Produkte wahrnimmt, die bestimmten Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union unterliegen, sofern ihnen diese Daten vorliegen.

(47)  Beispielsweise weil Name und Kontaktdaten des Wirtschaftsakteurs gemäß Artikel 4 auf dem Produkt oder einem Begleitdokument angegeben sind, aber die Überprüfung durch die Behörden ergibt, dass diese nicht wahrheitsgemäß sind (beispielsweise existiert die angegebene Adresse nicht oder es gibt keinen entsprechenden Wirtschaftsakteur unter der Adresse).

(48)  Im Allgemeinen der Hersteller (eine mögliche Ausnahme wäre, dass der Hersteller nicht die Absicht hatte, die Produkte in der EU in Verkehr zu bringen, aber ein anderer Wirtschaftsakteur dies dennoch getan hat). Dies ist nur möglich, wenn der Hersteller und seine Kontaktdaten ermittelt werden können.


23.3.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 100/16


BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION

Leitfaden zur Anwendung der Verordnung (EU) 2019/515 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gegenseitige Anerkennung von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2021/C 100/02)

INHALT

1.

Einleitung 18

2.

Geltungsbereich der Verordnung (Artikel 2 der Verordnung) 18

2.1.

Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind 19

2.1.1.

Waren 19

2.1.2.

In einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht 19

2.2.

„Verwaltungsentscheidungen“ im Sinne der Verordnung 19

2.2.1.

Was ist eine Verwaltungsentscheidung? 19

2.2.2.

Erstes Kriterium: Nationale technische Vorschriften als Grundlage für eine Verwaltungsentscheidung 20

2.2.3.

Zweites Kriterium: Direkte oder indirekte Folge der Verwaltungsentscheidung ist eine Beschränkung oder Verweigerung des Marktzugangs im Bestimmungsmitgliedstaat 21

2.2.4.

Nationale technische Vorschriften und Vorabgenehmigungsverfahren 22

2.2.5.

Einige Fälle, in denen die Verordnung (EU) 2019/515 nicht anwendbar ist 23

3.

Wie funktioniert die gegenseitige Anerkennung im Rahmen der Verordnung? 23

3.1.

Rechtmäßiges Inverkehrbringen von Waren im Ursprungsmitgliedstaat 23

3.2.

Verkaufen der Waren in einem anderen Mitgliedstaat 23

3.3.

Informationen über die Bewertung 23

3.4.

Die „Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung“ (Artikel 4 der Verordnung) 23

3.4.1.

Inhalt und Struktur der Erklärung 25

3.4.2.

Sprache der Erklärung 26

3.4.3.

Wer kann die Erklärung abgeben? 26

3.4.4.

Was geschieht, wenn die Erklärung nur teilweise vollständig ist? 26

3.4.5.

Wie und wann kann die Erklärung vorgelegt werden? 27

3.4.6.

Wie werden Unterlagen eingereicht? 27

3.5.

Bewertung durch die zuständige Behörde (Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung) 27

3.5.1.

Berechtigte Gründe des Allgemeininteresses 28

3.5.2.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 28

3.6.

Vorübergehende Aussetzung des Marktzugangs (Artikel 6 der Verordnung) 30

3.7.

Verwaltungsentscheidung (Artikel 5 Absätze 9 bis 13 der Verordnung) 31

3.8.

Mitteilungen an die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten 31

3.9.

Rechtsbehelfe gegen die Verwaltungsentscheidung 32

3.10.

Was ist SOLVIT? 32

3.11.

SOLVIT und das Problemlösungsverfahren nach Artikel 8 der Verordnung 33

3.12.

Die Stellungnahme der Kommission im Rahmen des Problemlösungsverfahrens nach Artikel 8 der Verordnung 34

3.13.

Die Rolle der Produktinfostellen (Artikel 9 der Verordnung) 34

3.14.

Verwaltungszusammenarbeit (Artikel 10 der Verordnung) 35

4.

Vorherige Bewertung nationaler technischer Vorschriften — Richtlinie (EU) 2015/1535 und die Binnenmarktklausel 36

5.

Zusammenhang zwischen der Verordnung (EU) 2019/515 und der Richtlinie 2001/95/EG 37

5.1.

Maßnahmen in Bezug auf Produkte, die eine Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher darstellen 37

5.2.

Maßnahmen in Bezug auf Verbrauchsgüter, die andere Risiken darstellen 37

1.   EINLEITUNG

Die Verordnung (EU) 2019/515 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gegenseitige Anerkennung von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind (1) (im Folgenden „Verordnung“) gilt seit dem 19. April 2020 und ersetzte die Verordnung (EG) Nr. 764/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (2). Ziel der Verordnung ist es, das Funktionieren des Binnenmarktes dadurch zu stärken, dass die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung verbessert wird und ungerechtfertigte Handelshemmnisse abgebaut werden (Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung).

Mit diesem Leitliniendokument sollen Unternehmen und zuständige nationale Behörden bei der Anwendung der Verordnung unterstützt werden (3). Rechtskraft besitzt jedoch nur der Text der Verordnung selbst. Die Auslegung des Unionsrechts obliegt ausschließlich dem Gerichtshof der Europäischen Union („der Gerichtshof“).

Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung leitet sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Artikeln 34 und 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ab. In der Verordnung sind Regeln und Verfahren für die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung in Einzelfällen festgelegt (Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung).

Die Artikel 34 und 36 AEUV finden Anwendung, wenn keine Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union für Waren oder bestimmte Aspekte von Waren vorliegen.

Nach Artikel 34 AEUV sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten.

Artikel 36 AEUV lautet wie folgt:

Die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.

Beschränkungen können auch durch andere Ziele gerechtfertigt sein, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs genannt werden (sogenannte zwingende Erfordernisse).

Auf der Grundlage der Artikel 34 und 36 hat der Gerichtshof den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung entwickelt:

Die Mitgliedstaaten dürfen den Verkauf von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind, in ihrem Hoheitsgebiet nicht verbieten.

Die Mitgliedstaaten können das Inverkehrbringen von Waren beschränken oder verweigern, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind, wenn die Beschränkung oder Verweigerung aus den in Artikel 36 AEUV dargelegten Gründen oder aufgrund anderer, durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannter Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

2.   GELTUNGSBEREICH DER VERORDNUNG (ARTIKEL 2 DER VERORDNUNG)

Diese Verordnung gilt für 1) Waren aller Art, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind, und 2) für Verwaltungsentscheidungen, die von einer zuständigen Behörde eines Bestimmungsmitgliedstaats im Zusammenhang mit solchen Waren getroffen wurden. Um in den Geltungsbereich der Verordnung zu fallen, müssen Verwaltungsentscheidungen auf einer nationalen technischen Vorschrift beruhen, die im Bestimmungsmitgliedstaat anwendbar ist, und die Beschränkung oder Verweigerung des Marktzugangs im Bestimmungsmitgliedstaat als direkte oder indirekte Folge haben (Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung).

Es ist nicht immer ohne Weiteres feststellbar, ob Waren vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung profitieren können. Das liegt daran, dass die Artikel 34 und 36 AEUV — und damit die gegenseitige Anerkennung — für ein sehr breites Spektrum von Waren oder Aspekten von Waren gelten, die nicht vollständig unter die Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union fallen.

2.1.   Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind

2.1.1.   Waren

Die Verordnung gilt für Waren aller Art, einschließlich landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Der Begriff „landwirtschaftliche Erzeugnisse“ schließt gemäß Artikel 38 Absatz 1 AEUV Fischereierzeugnisse ein (Artikel 2 Absatz 1 und Erwägungsgrund 12 der Verordnung).

Die Verordnung betrifft Waren, die unter Artikel 34 AEUV fallen (Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs werden „vom Anwendungsbereich des freien Warenverkehrs nur Erzeugnisse erfasst [...], die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können“ (4).

2.1.2.   In einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht

Die Verordnung betrifft Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind (Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung).

Gemäß Artikel 3 Nummer 1 der Verordnung sind Waren, die „in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht“ worden sind, Waren, die „die im betreffenden Mitgliedstaat geltenden einschlägigen Vorschriften erfüllen oder keiner derartigen im betreffenden Mitgliedstaat geltenden Vorschriften unterliegen und im betreffenden Mitgliedstaat für den Endnutzer bereitgestellt werden“ (Artikel 3 Nummer 1 der Verordnung). Diese zentrale Definition umfasst zwei Kriterien, auf die in den beiden nachstehenden Absätzen näher eingegangen wird.

Das erste Kriterium ist, dass die Waren oder Waren dieser Art die im Ursprungsmitgliedstaat geltenden einschlägigen Vorschriften erfüllen müssen bzw. keinen derartigen im betreffenden Mitgliedstaat geltenden Vorschriften unterliegen dürfen. Wenn für die spezifischen Waren im Ursprungsmitgliedstaat keine einschlägigen nationalen technischen Vorschriften vorhanden sind, ist es daher einfacher, die Frage zu beantworten, ob die Waren die nationalen technischen Vorschriften dieses Mitgliedstaats erfüllen. Gibt es hingegen im Ursprungsmitgliedstaat nationale technische Vorschriften, können Angaben zu den Merkmalen der Waren und die Angabe der Fundstelle im nationalen Recht in einigen Fällen ausreichen, um die Einhaltung der Vorschriften nachzuweisen. In anderen Fällen könnte eine Entscheidung über eine Vorabgenehmigung erforderlich sein. Es ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten möglicherweise sehr unterschiedliche Systeme zur Kontrolle von Waren vor deren Inverkehrbringen (Vorabgenehmigungsverfahren) oder nach deren Inverkehrbringen (Marktüberwachung) anwenden. In diesen unterschiedlichen Systemen kommt es vor, dass bestimmte Waren überhaupt nicht reguliert werden und keinen nationalen gesetzlichen Vorgaben entsprechen müssen. Dass die „Einhaltung der einschlägigen Vorschriften“ für bestimme Waren in einem bestimmten Mitgliedstaat von der Bedingung einer Vorabgenehmigung abhängt, bedeutet nicht notwendigerweise, dass für das rechtmäßige Inverkehrbringen der gleichen Waren in einem anderen Mitgliedstaat eine solche Genehmigung ebenfalls erforderlich wäre. Auf das Konzept des rechtmäßigen Inverkehrbringens haben die unterschiedlichen Anforderungen in den Mitgliedstaaten keine Auswirkung.

Das zweite Kriterium des Konzepts des rechtmäßigen Inverkehrbringens ist, dass die Waren in diesem Mitgliedstaat für Endnutzer bereitgestellt worden sind. In Artikel 3 Nummer 2 der Verordnung wird „Bereitstellung auf dem Markt“ definiert als „jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe der Waren zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Markt innerhalb des Hoheitsgebietes eines Mitgliedstaats im Rahmen einer Geschäftstätigkeit“. Jedes Dokument, das i) eindeutige Angaben zur Erkennung der Waren oder der Art von Waren und zur Identifizierung von Lieferanten, Kunden oder Endnutzern sowie ii) Angaben zum Datum enthält, z. B. eine Rechnung, sollte als notwendiger und hinreichender Nachweis dafür angesehen werden, dass das Kriterium erfüllt ist.

2.2.   „Verwaltungsentscheidungen“ im Sinne der Verordnung

2.2.1.   Was ist eine Verwaltungsentscheidung?

In Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung wird festgelegt, dass die Verordnung für „Verwaltungsentscheidungen“ gilt, die von einer zuständigen Behörde eines Bestimmungsmitgliedstaats im Zusammenhang mit solchen Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind, getroffen wurden oder zu treffen sind, sofern die Verwaltungsentscheidung die folgenden Kriterien erfüllt:

a)

Grundlage für die Verwaltungsentscheidung ist eine nationale technische Vorschrift, die im Bestimmungsmitgliedstaat anwendbar ist, und

b)

direkte oder indirekte Folge der Verwaltungsentscheidung ist eine Beschränkung oder Verweigerung des Marktzugangs im Bestimmungsmitgliedstaat.

Des Weiteren umfasst gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung der Begriff „Verwaltungsentscheidungen“ sämtliche administrativen Schritte, die auf einer nationalen technischen Vorschrift beruhen und dieselbe oder im Wesentlichen dieselbe rechtliche Wirkung haben wie die unter Buchstabe b genannte Entscheidung.

Das bedeutet, dass der administrative Schritt nicht unbedingt die Bezeichnung „Entscheidung“ tragen muss. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob dieser Schritt Waren betrifft, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, und ob er beide Voraussetzungen (gemäß Buchstaben a und b) erfüllt.

2.2.2.   Erstes Kriterium: Nationale technische Vorschriften als Grundlage für eine Verwaltungsentscheidung

Gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung ist unter einer „nationalen technischen Vorschrift“ jede Regelung in einem Gesetz, einer Verordnung oder einer sonstigen Verwaltungsbestimmung eines Mitgliedstaats zu verstehen, auf die Folgendes zutrifft:

a)

Sie deckt Waren oder Aspekte von Waren ab, die keiner Harmonisierung auf EU-Ebene unterliegen,

b)

sie verbietet entweder die Bereitstellung von Waren oder Waren einer bestimmten Art auf dem Markt des betreffenden Mitgliedstaats oder ihre Erfüllung wird tatsächlich oder rechtlich verbindlich vorgeschrieben, wenn Waren oder Waren einer bestimmten Art auf diesem Markt bereitgestellt werden, und

c)

auf sie trifft mindestens eines der folgenden Kriterien zu:

Es werden darin die Merkmale festgelegt, die die Waren bzw. Waren einer bestimmten Art aufweisen müssen, etwa Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen, einschließlich der Anforderungen an diese Waren in Bezug auf Verkaufsbezeichnung, Terminologie, Symbole, Prüfungen und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung sowie Konformitätsbewertungsverfahren (5).

Für Waren oder Waren einer bestimmten Art werden zum Zwecke des Verbraucher- oder Umweltschutzes andere Anforderungen festgelegt, die sich auf den Lebenszyklus der Waren nach ihrer Bereitstellung auf dem Markt des betreffenden Mitgliedstaats auswirken. Dazu gehören auch Bedingungen für Nutzung, Recycling, Wiederverwendung oder Entsorgung, sofern solche Bedingungen einen erheblichen Einfluss entweder auf die Zusammensetzung oder die Art dieser Waren oder Waren einer bestimmten Art oder auf ihre Bereitstellung auf dem Markt des betreffenden Mitgliedstaats ausüben können.

Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung orientiert sich an Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates (6) („Transparenzrichtlinie“) sowie an Artikel 1 Nummer 2 und Artikel 1 Nummer 3 der vorangegangenen Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (7). Die Rechtsprechung zu diesen Bestimmungen (8) dürfte daher nützliche Anhaltspunkte bieten. Es gilt zu beachten, dass der Transparenzrichtlinie unterliegende nationale technische Vorschriften, die im Entwurfsstadium nicht notifiziert werden, Einzelnen nicht entgegengehalten werden können (9). Das Notifizierungsverfahren gemäß der Transparenzrichtlinie wird in Kapitel 4 dieser Leitlinien beschrieben.

Zum Begriff von Vorschriften, die einen erheblichen Einfluss auf die Bereitstellung von Waren auf dem Markt ausüben, ist außerdem zu erwähnen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Beschränkungen der Verwendung bestimmter Waren als Hindernisse für den freien Warenverkehr angesehen werden können, da sie das Verhalten der Verbraucher beeinflussen. Verbraucher werden keine Waren kaufen, die sie nicht verwenden dürfen. Nachfolgend werden drei spezifische Beispiele für diese Rechtsprechung erörtert.

In seinem Urteil in der Rechtssache Kommission/Italien beispielsweise kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass ein Verbot für Kradfahrzeuge, einen Anhänger mitzuführen, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen darstelle. Dies gelte, soweit das Verbot dazu führe, den Zugang zu dem betreffenden Markt für Anhänger zu versperren, die eigens für Kradfahrzeuge konzipiert worden seien, da es erheblichen Einfluss auf das Verhalten der Verbraucher habe und die Nachfrage nach derartigen Anhängern auf dem betreffenden Markt verhindere (10). So hätten Verbraucher, die wüssten, dass sie ihr Kradfahrzeug nicht mit einem eigens dafür konzipierten Anhänger verwenden dürfen, praktisch kein Interesse daran, einen solchen Anhänger zu kaufen (11).

Ganz ähnlich befand der Gerichtshof in der Rechtssache Mickelsson, in der es um nationale Regelungen für die Bezeichnung von schiffbaren Gewässern und Wasserstraßen ging, dass die Beschränkung der Verwendung eines Erzeugnisses, die durch solche Regelungen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats auferlegt werde, je nach ihrer Tragweite erheblichen Einfluss auf das Verhalten der Verbraucher haben könne. Dies wiederum könne sich auf den Zugang des Erzeugnisses zum Markt des Mitgliedstaats auswirken (12). Verbraucher, die wüssten, dass die von einer derartigen Regelung gestattete Benutzung sehr begrenzt ist, hätten nämlich nur ein geringes Interesse daran, das fragliche Erzeugnis zu kaufen (13). Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass die nationalen Regeln über die Bezeichnung der schiffbaren Gewässer und Wasserstraßen, wenn sie dazu führen sollten, die Benutzer von Wassermotorrädern daran zu hindern, von diesen den ihnen eigenen und wesensimmanenten Gebrauch zu machen, oder deren Nutzung stark zu behindern, zur Folge hätten, den Zugang dieser Erzeugnisse zum fraglichen nationalen Markt zu behindern, und damit eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen wären (14).

Der Gerichtshof sah das Verbot der Befestigung von farbigen Folien an den Scheiben von Kraftfahrzeugen als Verstoß gegen Artikel 34 AEUV an und verwies u. a. darauf, dass potenzielle Interessenten, Händler oder Privatpersonen in dem Wissen, dass es verboten sei, solche Folien an der Windschutzscheibe und den Scheiben bei den Sitzen der Kraftfahrzeuginsassen zu befestigen, praktisch kein Interesse daran hätten, sie zu kaufen (15)

Es ist wichtig hervorzuheben, dass die Verordnung nicht für Verwaltungsentscheidungen in Bezug auf andere Arten von Maßnahmen gilt, die zwar unter Artikel 34 AEUV fallen, jedoch keine nationalen technischen Vorschriften darstellen, wie etwa für öffentliche Vergabeverfahren erstellte technische Spezifikationen oder die obligatorische Verwendung der Amtssprache(n) in dem betreffenden Mitgliedstaat (Erwägungsgrund 10 der Verordnung).

Darüber hinaus fallen Vorschriften über Verkaufsmodalitäten nur dann in den Geltungsbereich von Artikel 34 AEUV, wenn sie Erzeugnisse aufgrund ihrer Herkunft diskriminieren, sei es rechtlich oder tatsächlich (16).

2.2.3.   Zweites Kriterium: Direkte oder indirekte Folge der Verwaltungsentscheidung ist eine Beschränkung oder Verweigerung des Marktzugangs im Bestimmungsmitgliedstaat

Wie bereits in Abschnitt 2.2.1 dargelegt, muss laut Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung die „direkte oder indirekte Folge der Verwaltungsentscheidung [...] eine Beschränkung oder Verweigerung des Marktzugangs im Bestimmungsmitgliedstaat“ sein.

In seinem Urteil in der Rechtssache Dassonville (17) stellte der Gerichtshof fest, dass „jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, [...] als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen anzusehen“ sei.

Ein gutes Beispiel für Verwaltungsentscheidungen mit der direkten Folge einer Beschränkung oder Verweigerung des Marktzugangs könnten Entscheidungen sein, wonach Schmuckstücken, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, der Marktzugang mit der Begründung verweigert wird, dass auf ihnen keine Punze angebracht ist oder dass die Punze im Bestimmungsmitgliedstaat nicht anerkannt wird. Im Edelmetallbereich ist die gegenseitige Anerkennung oft mit Schwierigkeiten verbunden.

In der Rechtssache C-525/14, Kommission/Tschechische Republik, ging es darum, dass die tschechische Seite sich geweigert hatte, die Punzen von WaarborgHolland, einer unabhängigen Garantiestelle mit Sitz in den Niederlanden und Zweigniederlassungen in Drittstaaten, anzuerkennen und dementsprechend die Anbringung einer zusätzlichen tschechischen Punze auf den betreffenden Edelmetallen verlangt hatte. Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass nach dieser Praxis die mit Punzen von WaarborgHolland, einer niederländischen Garantiestelle, versehenen Edelmetalle im Hoheitsgebiet Tschechiens erst in Verkehr gebracht werden könnten, nachdem sie in Tschechien einer Kontrolle unterzogen und mit einer zusätzlichen Garantiepunze versehen worden seien. Diese zusätzliche Kontrolle und Punzierung sei geeignet, die Einfuhr der betreffenden Waren aus anderen Mitgliedstaaten in das Hoheitsgebiet Tschechiens zu erschweren und zu verteuern. In Bezug auf Punzen, die in den Niederlanden und nicht in Zweigniederlassungen in Drittstaaten angebracht wurden, wird diese Praxis daher als nach Artikel 34 AEUV verboten angesehen.

Hinsichtlich der indirekten Folgen von Verwaltungsentscheidungen ist zu bedenken, dass es bereits ausreicht, wenn eine Verwaltungsentscheidung den Marktzugang im Bestimmungsmitgliedstaat beschränken oder verweigern könnte. Eine Entscheidung hat indirekte Folgen, wenn sie als solche den Marktzugang zwar nicht beschränkt oder verweigert, doch zumindest geeignet ist, dies nach den tatsächlichen Gegebenheiten und dem begrifflichen Verständnis, die in dem Mitgliedstaat bestehen, zu tun (18).

Entscheidungen, die nur indirekte Folgen für den Intra-EU-Handel haben, sollten klar von Entscheidungen abgegrenzt werden, deren Folgen zu indirekt sind, um sich überhaupt auszuwirken. In bestimmten Fällen (19) hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass die beschränkenden Wirkungen, die eine Maßnahme für den freien Warenverkehr haben könnte, zu ungewiss und zu mittelbar seien, als dass die in ihr aufgestellte Verpflichtung als geeignet angesehen werden könne, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern und eine Verletzung von Artikel 34 AEUV darzustellen.

Wenn eine Maßnahme zwar nur einen Teil des Hoheitsgebiets erfasst, sich aber direkt oder indirekt auf den freien Warenverkehr auswirkt, wird sie auch dann als Beschränkung betrachtet, wenn sie auf ein geografisches Gebiet begrenzt ist.

Ein Beispiel hierfür ist die Rechtssache Ditlev Bluhme (20); nach den dänischen Rechtsvorschriften durften auf der Insel Læsø keine anderen Bienen als solche der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Læsø-Biene) gehalten werden, da Letztere vor dem Aussterben geschützt werden sollte. Obwohl die Maßnahme nur auf dieser relativ kleinen Insel in Dänemark in Kraft war, gelangte der Gerichtshof zu der Überzeugung, dass ein Einfuhrverbot eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung darstelle und „dem [...] nicht entgegen[steht], daß die streitige Maßnahme auf einen Teil des Hoheitsgebiets beschränkt ist“ (21). Das Argument, dass ein Verbot der Einfuhr von Waren (andere Bienenarten), das auf einen Teil des Hoheitsgebiets begrenzt sei, eine Ausnahme wegen Geringfügigkeit darstellen könne, da es den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nur unwesentlich beeinträchtige, wurde vom Gerichtshof zurückgewiesen. Dennoch wurde befunden, dass die Maßnahme nach Artikel 36 EG-Vertrag durch den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren als gerechtfertigt anzusehen sei, da die Gefahr des Aussterbens der braunen Læsø-Biene im Fall der Kreuzung mit gelben Bienen wegen der rezessiven Gene der braunen Biene unbestreitbar bestehe.

2.2.4.   Nationale technische Vorschriften und Vorabgenehmigungsverfahren

Nach dem nationalen Recht mancher Mitgliedstaaten ist eine Vorabgenehmigung erforderlich, bevor Waren in Verkehr gebracht werden. Ein Vorabgenehmigungsverfahren ist ein Verwaltungsverfahren nach dem Recht eines Mitgliedstaats, bei dem eine zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats auf der Grundlage des Antrags eines Wirtschaftsakteurs ihre förmliche Zustimmung zur Bereitstellung von Waren auf dem Markt des Mitgliedstaats geben muss (Artikel 3 Nummer 7 der Verordnung).

Ein Vorabgenehmigungsverfahren stellt als solches keine nationale technische Vorschrift im Sinne der Verordnung dar (Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung). Deshalb sollten Verwaltungsentscheidungen, die den Marktzugang von Waren ausschließlich aus dem Grund beschränken oder verweigern, dass für die Waren keine gültige Vorabgenehmigung vorliegt, vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden (Erwägungsgrund 11 der Verordnung).

Dennoch gilt eine auf der Grundlage einer nationalen technischen Vorschrift getroffene Entscheidung zur Verweigerung der Vorabgenehmigung als eine Verwaltungsentscheidung, die unter diese Verordnung fällt, wenn diese Entscheidung die übrigen Bedingungen nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung erfüllt (Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung). Das heißt, wenn die nationale Vorschrift, mit der das Vorabgenehmigungsverfahren eingeführt wird, eine nationale technische Vorschrift umsetzt, stellt eine auf der Grundlage einer nationalen technischen Vorschrift getroffene Entscheidung zur Verweigerung der Vorabgenehmigung eine Verwaltungsentscheidung im Sinne der Verordnung dar. Folglich kommt der Antragsteller in den Genuss des Verfahrensschutzes der Verordnung (Erwägungsgrund 11 der Verordnung).

2.2.5.   Einige Fälle, in denen die Verordnung (EU) 2019/515 nicht anwendbar ist

Die Verordnung gilt nicht für gerichtliche Entscheidungen der nationalen Gerichtsbarkeit (Artikel 2 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung). Davon betroffen sind Entscheidungen der mitgliedstaatlichen Gerichtsbarkeit über die Rechtmäßigkeit von Fällen, in denen Waren, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, der Zugang zum Markt in einem anderen Mitgliedstaat verwehrt wird (Erwägungsgrund 14 der Verordnung).

Ferner gilt die Verordnung nicht für gerichtliche Entscheidungen von Strafverfolgungsbehörden im Rahmen von Untersuchungen oder Verfolgungen von Straftaten im Zusammenhang mit der Verwendung von Terminologie, Symbolen oder sonstigen inhaltlichen Bezügen auf verfassungsfeindliche oder kriminelle Organisationen oder rassistische, diskriminierende oder fremdenfeindliche Straftaten (Artikel 2 Absatz 5 Buchstabe b der Verordnung).

3.   WIE FUNKTIONIERT DIE GEGENSEITIGE ANERKENNUNG IM RAHMEN DER VERORDNUNG?

3.1.   Rechtmäßiges Inverkehrbringen von Waren im Ursprungsmitgliedstaat

Wenn Wirtschaftsakteure Waren in einem anderen Mitgliedstaat in Verkehr bringen und keine EU-Harmonisierungsrechtsvorschriften vorliegen, sollten die Wirtschaftsakteure zunächst sicherstellen, dass die Waren den Vorschriften des Ursprungsmitgliedstaats entsprechen (oder keinen solchen Vorschriften unterliegen), die an dem Tag gelten, an dem diese Waren im Bestimmungsmitgliedstaat in Verkehr gebracht und für Endnutzer im Ursprungsmitgliedstaat bereitgestellt werden. Wenn die Waren im Ursprungsmitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, können sich die Wirtschaftsakteure vor den zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung berufen.

3.2.   Verkaufen der Waren in einem anderen Mitgliedstaat

Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung lautet:

Der Wirtschaftsakteur darf während der Durchführung der Bewertung nach Absatz 1 dieses Artikels durch die zuständige Behörde die Waren im Bestimmungsmitgliedstaat auf dem Markt bereitstellen, und er kann dies fortsetzen, es sei denn, der betreffende Wirtschaftsakteur erhält eine Verwaltungsentscheidung zur Beschränkung oder Verweigerung des Marktzugangs für diese Waren. Dieser Absatz gilt nicht, wenn die Bewertung im Rahmen eines Vorabgenehmigungsverfahrens erfolgt, oder wenn die zuständige Behörde die Bereitstellung von Waren, die dieser Bewertung unterliegen, auf dem Markt gemäß Artikel 6 vorübergehend ausgesetzt hat.

Dies bedeutet, dass der Wirtschaftsakteur, sobald die Bedingungen gemäß Abschnitt 3.1 erfüllt sind, die Waren grundsätzlich auf dem Markt des Bestimmungsmitgliedstaats bereitstellen darf. Der Wirtschaftsakteur sollte jedoch prüfen, ob im Bestimmungsmitgliedstaat ein Vorabgenehmigungsverfahren vorgeschrieben ist. Ist für das Inverkehrbringen der Waren eine Vorabgenehmigung im Bestimmungsmitgliedstaat erforderlich, so muss der Wirtschaftsakteur diese Genehmigung beantragen, bevor die Waren auf diesem Markt bereitgestellt werden. Wenn ein Vorabgenehmigungsverfahren anwendbar ist oder wenn die zuständige Behörde beschließt, die Bereitstellung der von ihr zu bewertenden Waren auf dem Markt vorübergehend auszusetzen, können die Waren nicht unverzüglich auf dem Markt bereitgestellt werden

3.3.   Informationen über die Bewertung

Hat eine zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats im Rahmen der Umsetzung einer nationalen technischen Vorschrift die Absicht, eine Bewertung von unter diese Verordnung fallenden Waren durchzuführen, so muss dem betreffenden Wirtschaftsakteur unverzüglich mitgeteilt werden, dass eine solche Bewertung vorgenommen wird (Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung). Insbesondere muss die zuständige Behörde den Wirtschaftsakteur darüber informieren, i) welche Waren der Bewertung unterzogen werden, ii) welche geltenden nationalen technischen Vorschriften Anwendung finden oder welches Vorabgenehmigungsverfahren zur Anwendung gelangt und iii) dass die Möglichkeit besteht, eine Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung für die Zwecke dieser Bewertung zur Verfügung zu stellen (Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung).

3.4.   Die „Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung“ (Artikel 4 der Verordnung)

Die Verordnung sieht vor, dass der Hersteller, der Einführer oder der Händler eine freiwillige Erklärung (oder „Selbsterklärung“) zum rechtmäßigen Inverkehrbringen der Waren für die Zwecke der gegenseitigen Anerkennung („Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung“) abgeben können. Diese Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung hilft Unternehmen dabei, darzulegen, dass die Waren in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden. Gleichzeitig hilft sie den zuständigen Behörden bei der Bewertung von Waren nach Artikel 5 der Verordnung und erleichtert die länderübergreifende Zusammenarbeit.

Die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats muss den Wirtschaftsakteur informieren, wenn sie die Absicht hat, zu bewerten, ob bestimmte Waren in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden (Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung). Durch die Verordnung wird sichergestellt, dass das Verfahren für den Wirtschaftsakteur weniger aufwendig ist, wenn er sich für die Erklärung entscheidet.

Wird einer zuständigen Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats eine Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung zur Verfügung gestellt, fordert die zuständige Behörde keine weiteren Angaben oder Nachweise außer den in der Verordnung festgelegten dafür an, dass die Waren in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind (Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung).

Der Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung sind die zur Überprüfung der in der Erklärung enthaltenen Angaben erforderlichen Nachweise beizufügen (Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung).

Die Vorlage der freiwilligen Erklärung hindert die zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats nicht daran, i) eine Bewertung von Waren durchzuführen, um festzustellen, ob die berechtigten Allgemeininteressen, die von der geltenden nationalen technischen Vorschrift in ihrem Bestimmungsmitgliedstaat erfasst werden, unter Berücksichtigung der Merkmale der fraglichen Waren angemessen geschützt sind, oder ii) Verwaltungsentscheidungen für eine Beschränkung oder Verweigerung des Marktzugangs zu treffen, solange diese Entscheidungen begründet sind.

Die Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung sollte immer auch genaue und vollständige Informationen zu den Waren enthalten (Erwägungsgrund 19 der Verordnung). Sie sollte aktualisiert werden, damit alle Änderungen — z. B. der einschlägigen nationalen technischen Vorschriften — berücksichtigt werden (Erwägungsgrund 19 und Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung).

Änderungen der nationalen Vorschriften können auch Änderungen der Waren erforderlich machen. Wenn die spezifischen Waren den geänderten technischen Vorschriften entsprechen, sollten die Waren nicht geändert werden. Wenn die Waren jedoch infolge der Änderungen der nationalen Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, diesen Vorschriften nicht mehr entsprechen, müssen die Waren so geändert werden, dass sie den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats entsprechen, in dem sie rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind. Verantwortlich für den Inhalt und die Richtigkeit der Erklärung ist der Wirtschaftsakteur, der den einschlägigen Teil der Erklärung unterzeichnet (Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung).

Die Wirtschaftsakteure können sich entscheiden, keinen Gebrauch von der Vorlage der Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung zu machen. In diesem Fall können die zuständigen Behörden die Wirtschaftsakteure auffordern, innerhalb einer Frist von mindestens 15 Arbeitstagen nach entsprechender Aufforderung Unterlagen und Angaben zur Verfügung zu stellen (Artikel 5 Absätze 5 und 6 der Verordnung). Die Kommission ist der Auffassung, dass die Anforderung von Unterlagen und Angaben aus Gründen der guten Verwaltung und der Rechtssicherheit schriftlich erfolgen sollte. Die Unterlagen und Angaben, die eine zuständige Behörde anfordern kann, sollten notwendig sein, um Folgendes zu bewerten: i) die Merkmale der fraglichen Waren oder Art von Waren und ii) das rechtmäßige Inverkehrbringen in einem anderen Mitgliedstaat (Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung). Entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen die zuständigen Behörden jedoch nicht mehr verlangen, als notwendig ist, um die Merkmale der Waren aufzuzeigen und um nachzuweisen, dass die Waren rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden. In diesem Sinne könnte die Forderung, dass ein Wirtschaftsakteur eine von einem Ministerium oder einer anderen Verwaltungsstelle im Ursprungsmitgliedstaat ausgestellte Bescheinigung über das rechtmäßige Inverkehrbringen einholen muss, ein Beispiel für eine unverhältnismäßige Anforderung von Nachweisen sein.

Zu Prüfberichten oder Bescheinigungen, die von einer Konformitätsbewertungsstelle ausgestellt werden, heißt es in Artikel 5 Absatz 8 der Verordnung:

Bei der Durchführung der Bewertung nach Absatz 1 berücksichtigen die zuständigen Behörden der Bestimmungsmitgliedstaaten den Inhalt von Prüfberichten oder Bescheinigungen, die von einer Konformitätsbewertungsstelle ausgestellt und von einem beliebigen Wirtschaftsakteur im Rahmen der Bewertung zur Verfügung gestellt wurden, gebührend. Die zuständigen Behörden der Bestimmungsmitgliedstaaten dürfen Prüfberichte oder Bescheinigungen, die von einer für eine entsprechende Konformitätsbewertungstätigkeit gemäß der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 akkreditierten Konformitätsbewertungsstelle ausgestellt wurden, nicht aus Gründen, die sich auf die Befugnisse dieser Konformitätsbewertungsstelle beziehen, zurückweisen.

Das heißt, die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats darf von einem Wirtschaftsakteur, der Bescheinigungen einer für den entsprechenden Bereich der Konformitätsbewertung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (22) akkreditierten Konformitätsbewertungsstelle vorgelegt hat, nicht Bescheinigungen einer anderen Konformitätsbewertungsstelle verlangen, nur weil sie die Befugnis der Konformitätsbewertungsstelle, die die Bescheinigungen ausgestellt hat, infrage stellt.

3.4.1.   Inhalt und Struktur der Erklärung

Im Anhang der Verordnung ist der Aufbau der Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung, die stets sämtliche im Anhang aufgeführten Angaben enthalten muss, dargestellt (Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung).

Die Erklärung gliedert sich in zwei Teile, die beide einem bestimmten Ziel dienen.

Teil I enthält Informationen zu den Merkmalen der Waren oder der Art von Waren und zu den spezifischen Vorschriften in dem Mitgliedstaat, in dem die Waren rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden.

Teil II enthält Angaben zum Inverkehrbringen der Waren oder der betreffenden Art von Waren im Ursprungsmitgliedstaat. Als Nachweise für die Angaben dieses Teils können u. a. eine Rechnung, ein Dokument mit einem Verkaufsnachweis, Steuerunterlagen, Registrierungen, Lizenzen, Mitteilungen an/von Behörden, Bescheinigungen oder Auszüge aus öffentlichen Datenbeständen vorgelegt werden.

Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung für die Zwecke von Artikel 4 der Verordnung (EU) 2019/515 des Europäischen Parlaments und des Rates

Teil I

1.

Eindeutige Kennung der Waren bzw. der Art von Waren: ... [Hinweis: Geben Sie die Warenidentifikationsnummer oder ein anderes Kennzeichen an, an dem die Waren bzw. die Art von Waren eindeutig zu erkennen sind/ist.]

2.

Name und Anschrift des Wirtschaftsakteurs: ... [Hinweis: Geben Sie den Namen und die Anschrift des Unterzeichners des Teils I der Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung an: Hersteller und gegebenenfalls sein Bevollmächtigter oder Einführer oder Händler.]

3.

Beschreibung der Waren bzw. Art von Waren, die Gegenstand der Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung sind/ist:  [Hinweis: Die Beschreibung sollte ausreichen, damit die Waren zum Zwecke der Nachverfolgbarkeit erkannt werden können. Gegebenenfalls kann ein Foto hinzugefügt werden.]

4.

Erklärung und Angaben zur Rechtmäßigkeit des Inverkehrbringens der Waren bzw. der betreffenden Art von Waren

4.1.

Die oben beschriebenen Waren bzw. die Art von Waren, einschließlich ihrer Merkmale, entsprechen/entspricht den folgenden Vorschriften in ... [Hinweis: Geben Sie den Mitgliedstaat an, in dem die Waren oder die betreffende Art von Waren vorgeblich rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden/wurde.]: ... [Hinweis: Geben Sie den Titel und die amtliche Fundstelle der einzelnen in diesem Mitgliedstaat geltenden einschlägigen Vorschriften und — falls für die Waren ein Vorabgenehmigungsverfahren erforderlich war — die Fundstelle der Genehmigungsentscheidung an.]

oder

Die oben beschriebenen Waren bzw. die Art von Waren unterliegen/unterliegt keinerlei einschlägigen Vorschriften in ... [Hinweis: Geben Sie den Mitgliedstaat an, in dem die Waren oder die betreffende Art von Waren vorgeblich rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden/wurde.].

4.2

Fundstelle des Konformitätsbewertungsverfahrens für die Waren bzw. die betreffende Art von Waren oder Fundstelle der Prüfberichte etwaiger Prüfungen durch eine Konformitätsbewertungsstelle, einschließlich des Namens und der Anschrift dieser Stelle (falls ein solches Verfahren oder solche Prüfungen durchgeführt wurden): ...

5.

Weitere Angaben, die für eine Bewertung, ob die Waren bzw. die betreffende Art von Waren in dem in Nummer 4.1 genannten Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind/ist, als relevant erachtet werden: ...

6.

Dieser Teil der Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung wurde unter der alleinigen Verantwortung des in Nummer 2 genannten Wirtschaftsakteurs verfasst.

Unterzeichnet für und im Namen von:

(Ort und Datum):

(Name, Funktion) (Unterschrift):

Teil II

7.

Erklärung und Angaben zum Inverkehrbringen der Waren bzw. der betreffenden Art von Waren

7.1

Die in Teil I beschriebene/n Waren bzw. betreffende Art von Waren werden/wird auf dem Markt des in Nummer 4.1 genannten Mitgliedstaats für Endnutzer bereitgestellt.

7.2

Angabe, dass die Waren bzw. die betreffende Art von Waren für Endnutzer in dem in Nummer 4.1 genannten Mitgliedstaat bereitgestellt werden/wird, einschließlich genauer Angabe des Datums, an dem die Waren erstmals auf dem Markt in diesem Mitgliedstaat für Endnutzer bereitgestellt wurden: ...

8.

Weitere Angaben, die für eine Bewertung, ob die Waren bzw. die betreffende Art von Waren in dem in Nummer 4.1 genannten Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind/ist, als relevant erachtet werden: ...

9.

Dieser Teil der Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung wurde unter der alleinigen Verantwortung von ... [Hinweis: Geben Sie den Namen und die Anschrift des Unterzeichners des Teils II der Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung an: Hersteller und gegebenenfalls sein Bevollmächtigter oder Einführer oder Händler.]

Unterzeichnet für und im Namen von:

(Ort und Datum):

(Name, Funktion) (Unterschrift):

3.4.2.   Sprache der Erklärung

Die Erklärung muss in einer der Amtssprachen der EU abgefasst sein. Ist die Erklärung in einer anderen Sprache als den vom Bestimmungsmitgliedstaat vorgeschriebenen Sprachen abgefasst, hat der Wirtschaftsakteur die Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung in eine vom Bestimmungsmitgliedstaat vorgeschriebene Sprache zu übersetzen (Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 6 der Verordnung).

3.4.3.   Wer kann die Erklärung abgeben?

Durch die Bestimmungen der Verordnung bezüglich der Erklärung wird das notwendige Gleichgewicht gewährleistet, mit dem dafür gesorgt wird, dass i) alle Wirtschaftsakteure die Möglichkeit erhalten, die Erklärung abzugeben, und ii) der Wirtschaftsakteur, der die Erklärung oder Teile der Erklärung abgibt, die Verantwortung dafür übernimmt.

Der Hersteller von Waren oder von Waren einer bestimmten Art ist am besten in der Lage, die freiwillige Erklärung abzugeben. Der Hersteller kann auch einen Bevollmächtigten beauftragen, die Erklärung in seinem Namen und unter seiner Verantwortung abzugeben (Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz1 der Verordnung). Auch der Einführer oder der Händler kann die Erklärung abgeben, sofern er die erforderlichen Nachweise für die Überprüfung der in der Erklärung enthaltenen Angaben vorlegen kann (Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 5 der Verordnung).

Der Hersteller oder sein entsprechend Bevollmächtigter können in der Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung lediglich die in Teil I des Anhangs angeführten Angaben machen (z. B. Art, Beschreibung, Merkmale der Waren, gegebenenfalls die anwendbare Vorschrift in dem Mitgliedstaat, in dem die Waren vorgeblich rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, Konformitätsbewertungsverfahren oder Prüfberichte usw.). In solchen Fällen müssen die in Teil II des Anhangs angeführten Angaben vom Einführer oder Händler eingesetzt werden (Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 4 der Verordnung).

Wirtschaftsakteure, die die Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung oder einen ihrer Teile unterzeichnen, sind verantwortlich für den Inhalt und die Richtigkeit der von ihnen in der Erklärung gemachten Angaben. Sie haften nach Maßgabe der nationalen Rechtsvorschriften, und wenn die Erklärung übersetzt werden muss, sind sie für die Richtigkeit der von ihnen übersetzten Angaben verantwortlich (Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung).

Die Wirtschaftsakteure müssen auch sicherstellen, dass die Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung stets auf dem neuesten Stand gehalten wird, sodass alle Änderungen ihrer Angaben berücksichtigt werden (Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung).

3.4.4.   Was geschieht, wenn die Erklärung nur teilweise vollständig ist?

Gemäß Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 3 der Verordnung muss die Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung gemäß den Teilen I und II des Anhangs aufgebaut sein und sämtliche darin aufgeführten Angaben enthalten.

Wenn die Anmeldung unvollständig ist, weil sie nicht alle erforderlichen Elemente enthält, sollte sie daher als ungültig im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung angesehen werden. Infolgedessen findet Artikel 5 Absätze 5 und 6 der Verordnung Anwendung, und die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats kann die für die Bewertung erforderlichen Informationen anfordern. Dem Wirtschaftsakteur ist eine Frist von mindestens 15 Arbeitstagen einzuräumen, um der Aufforderung nachzukommen, die für die Bewertung erforderlichen Unterlagen und Angaben vorzulegen.

3.4.5.   Wie und wann kann die Erklärung vorgelegt werden?

Die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats muss den betroffenen Wirtschaftsakteur „unverzüglich“ informieren, wenn sie die Absicht hat zu bewerten, ob Waren in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind und, falls dies der Fall ist, ob die berechtigten Allgemeininteressen, die von der geltenden nationalen technischen Vorschrift des Bestimmungsmitgliedstaats erfasst werden, unter Berücksichtigung der Merkmale der fraglichen Waren angemessen geschützt sind (Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung).

Gleichzeitig teilt die zuständige Behörde gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung mit,

welche Waren der Bewertung unterzogen werden,

welche geltenden technischen Vorschriften Anwendung finden oder welches Vorabgenehmigungsverfahren zur Anwendung gelangt,

dass die Möglichkeit besteht, eine Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung zur Verfügung zu stellen.

Der Wirtschaftsakteur kann sich dafür entscheiden, eine Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung zusammen mit den für die Überprüfung der darin enthaltenen Angaben erforderlichen Nachweisen abzugeben. Dies wäre für den Wirtschaftsakteur weniger aufwendig, da die zuständige Behörde von keinem Wirtschaftsakteur weitere Angaben oder Unterlagen zum Nachweis dafür anfordern darf, dass die Waren in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind (Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung).

3.4.6.   Wie werden Unterlagen eingereicht?

Für die Einreichung der Erklärung und der entsprechenden Nachweise muss eine Frist von mindestens 15 Arbeitstagen nach Aufforderung durch die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats eingeräumt werden (Artikel 5 Absatz 6 der Verordnung). Sie kann entsprechend den Anforderungen des Bestimmungsmitgliedstaats entweder in Papierform oder elektronisch übermittelt oder online zugänglich gemacht werden (Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung).

3.5.   Bewertung durch die zuständige Behörde (Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung)

Eine zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats kann Waren bewerten, um festzustellen,

ob die Waren oder die betreffende Art von Waren in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind,

und, falls dies der Fall ist, ob die berechtigten Allgemeininteressen, die von der geltenden nationalen technischen Vorschrift des Bestimmungsmitgliedstaats erfasst werden, unter Berücksichtigung der Merkmale der fraglichen Waren angemessen geschützt sind.

Für Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind, kann der Zugang zum Markt des Bestimmungsmitgliedstaats nur beschränkt oder verweigert werden, wenn

1)

die nationale technische Vorschrift des Bestimmungsmitgliedstaats ein Ziel von berechtigtem öffentlichem Interesse verfolgt und

2)

die Beschränkung oder Verweigerung des Zugangs verhältnismäßig ist, d. h. die Maßnahme für die Erreichung des Ziels geeignet und notwendig ist (also nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist).

Verwaltungsentscheidungen, die den Marktzugang von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind, beschränken oder verweigern, sollen nicht allein darauf gründen, dass die in Rede stehenden Waren das von dem Mitgliedstaat verfolgte Ziel von berechtigtem öffentlichem Interesse auf andere Art erfüllen als Waren in diesem Mitgliedstaat dies tun (Erwägungsgrund 5 der Verordnung). Was heißt: Waren erfüllen das Ziel von berechtigtem öffentlichem Interesse auf andere Art? Es bedeutet, dass Waren das vom nationalen Gesetzgeber verfolgte Ziel auch dann erreichen könnten, wenn sie beispielsweise im Ursprungsmitgliedstaat mit Prüfverfahren geprüft wurden, die sich von dem im Bestimmungsmitgliedstaat vorgeschriebenen Verfahren unterscheiden.

3.5.1.   Berechtigte Gründe des Allgemeininteresses

Gemäß Artikel 36 AEUV stehen die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die i) aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, ii) Ordnung und Sicherheit, iii) zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, iv) des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder v) des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.

Zusätzlich zu den in Artikel 36 AEUV aufgeführten Gründen gibt es „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ oder „zwingende Erfordernisse“ (23), die vom Gerichtshof entwickelt worden sind. In seinem Urteil in der Rechtssache Cassis de Dijon (24) erklärte der Gerichtshof, dass ein Hemmnis für den freien Warenverkehr, das sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung der Erzeugnisse ergebe, hingenommen werden müsse, soweit die betreffenden Bestimmungen notwendig seien, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes. Das Gericht kann auch andere Rechtfertigungsgründe anerkennen, etwa den Schutz der Grundrechte (z. B. Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit von Demonstranten (25), den Verbraucherschutz (26), den Schutz von Kindern (27) oder den Umweltschutz (28).

Weitere Informationen über berechtigte Gründe des Allgemeininteresses finden Sie in der Veröffentlichung Der freie Warenverkehr — Leitfaden zur Anwendung der Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr (29).

3.5.2.   Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Die Entscheidung muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Dies bedeutet, dass die Verwaltungsentscheidung geeignet sein muss, das damit verfolgte Ziel zu verwirklichen, ohne über das zur Zielerreichung erforderliche Maß hinauszugehen.

In der Rechtssache C-320/03, Kommission/Österreich, befand der Gerichtshof: „Bei der Prüfung, ob eine solche Behinderung dem im vorliegenden Fall verfolgten rechtmäßigen Zweck, die Umwelt zu schützen, angemessen ist, ist zu untersuchen, ob sie zur Erreichung des zulässigen Zweckes erforderlich und geeignet ist“ (30).

Die Verhältnismäßigkeit der nationalen technischen Vorschrift bildet die Grundlage für den Nachweis der Verhältnismäßigkeit der Verwaltungsentscheidung, die auf dieser Vorschrift beruht. Allerdings müssen in jedem Einzelfall die Mittel festgelegt werden, mit denen der Nachweis der Verhältnismäßigkeit der Verwaltungsentscheidung zu erbringen ist (Erwägungsgrund 27 der Verordnung).

Die Veröffentlichung Der freie Warenverkehr — Leitfaden zur Anwendung der Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr enthält nützliche Informationen über die Prüfung der Verhältnismäßigkeit.

In den folgenden Absätzen werden einige Beispiele für den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erörtert.

a)   Ist die Maßnahme geeignet, sicherzustellen, dass das angestrebte Ziel erreicht wird?

Der Gerichtshof beurteilte die Geeignetheit von Maßnahmen zur Erreichung des Ziels u. a. in folgenden Fällen (31):

In seinem Urteil in der Rechtssache Ålands Vindkraft betonte der Gerichtshof, dass die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zur Stromerzeugung dem Umweltschutz diene, da sie zur Verringerung der Emissionen von Treibhausgasen beitrage, die zu den Hauptursachen der Klimaänderungen zählten, zu deren Bekämpfung sich die EU und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet hätten (32).

Der Gerichtshof entschied in der Rechtssache Kommission/Italien (Anhänger), dass ein Verbot für Kradfahrzeuge, einen Anhänger mitzuführen, geeignet sei, das Ziel der Gewährleistung der Sicherheit des Straßenverkehrs zu erreichen (33).

In der Rechtssache Dynamic Medien stellte der Gerichtshof fest, dass kein Zweifel bestehe, dass das Verbot des Verkaufs und der Überlassung von Bildträgern im Versandhandel, die nicht durch die zuständige Stelle zum Zweck des Schutzes Minderjähriger geprüft und eingestuft worden seien und die keine Angabe dieser Stelle über die Altersfreigabe trügen, eine Maßnahme darstelle, die geeignet sei, das Kind vor Informationen und Material zu schützen, die sein Wohlergehen beeinträchtigen (34).

b)   Ist die Maßnahme notwendig, um das betreffende Ziel zu erreichen?

Die Verwaltungsentscheidung ist verhältnismäßig, wenn sie nicht nur geeignet, sondern auch notwendig ist, um das rechtmäßige Ziel zu erreichen. In diesem Teil der Bewertung ist zu beurteilen, ob die Verwaltungsentscheidung über das für die Erreichung des rechtmäßigen Ziels erforderliche Maß hinausgeht. Dies ist dann der Fall, wenn dasselbe Ziel auch mit weniger restriktiven Mitteln erreicht werden könnte. Die nachstehenden Beispiele zeigen, welche Fragen gestellt werden sollten, um die Notwendigkeit einer Verwaltungsentscheidung zu bewerten.

In seinem Urteil in der Rechtssache Kommission/Tschechische Republik stellte der Gerichtshof klar, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen der Betrugsbekämpfung, die zum Schutz der Verbraucher in ihrem Hoheitsgebiet unternommen werde, davon ausgehen dürften, dass die im Gebiet von Drittstaaten angebrachten Garantiepunzen kein Verbraucherschutzniveau böten, das den von unabhängigen Stellen im Gebiet der Mitgliedstaaten angebrachten Garantiepunzen gleichwertig sei (es sei denn, der Mitgliedstaat der Einfuhr von Waren aus Drittstaaten, der über ein gleichwertiges Punzierungssystem verfüge, führe Kontrollen der Waren durch und die Ergebnisse erfüllten die Anforderungen dieses Mitgliedstaats) (35). Der Gerichtshof befand jedoch, dass die Maßnahme hinsichtlich des von ihr verfolgten Ziels nicht verhältnismäßig sei, da dasselbe Ziel auch mit anderen, weniger restriktiven Maßnahmen hätte erreicht werden können. Erstens hätten die tschechischen Behörden vom Einführer einen urkundlichen Nachweis verlangen können, der den Ort, an dem die fragliche Punze angebracht wurde, und gegebenenfalls den Ort der Überführung in den freien Verkehr und des rechtmäßigen Inverkehrbringens der fraglichen Edelmetalle in der Union bescheinigt. Zweitens hätten die tschechischen Behörden die Verweigerung der Anerkennung der Punzen von WaarborgHolland auf allein die Fälle beschränken können, in denen eine zusätzliche Kontrolle dieser Metalle durch die tschechischen Behörden tatsächlich durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt sei, insbesondere in Fällen von Einfuhren aus Drittländern (36).

In der Rechtssache Ålands Vindkraft wurde die Zuteilung von schwedischen Stromzertifikaten für einen in Finnland befindlichen Windenergiepark abgelehnt, weil lediglich in Schweden befindliche Anlagen zur Erzeugung grünen Stroms dafür zugelassen werden konnten. Nach Auffassung des Gerichtshofs war diese Maßnahme allerdings verhältnismäßig, da nicht ersichtlich sei, dass Schweden allein dadurch, dass es eine Förderregelung, bei der grüne Zertifikate zum Einsatz kämen, auf den im Inland erzeugten grünen Strom beschränkt habe, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hätte. Die Mitgliedstaaten hätten ein verbindliches nationales Ziel in Bezug auf erneuerbare Energien (ihre angemessene Beteiligung an den Anstrengungen), auf das sie jedoch nur Strom anrechnen könnten, der in ihren eigenen Anlagen erzeugt werde. Infolgedessen sei Schweden zu der Annahme berechtigt gewesen, dass eine solche territoriale Beschränkung nicht über das hinausgehe, was zur Erreichung des sowohl mit dieser nationalen Regelung als auch mit der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (37), in deren Rahmen sie sich einfüge, verfolgten Ziels erforderlich sei, das darin bestehe, in der Union die Erzeugung und, mittelbar, den Verbrauch von grünem Strom zu steigern (38).

In seinem Urteil in der Rechtssache Dynamic Medien bewertete der Gerichtshof die Notwendigkeit der Maßnahme wie folgt: Hinsichtlich der sachlichen Reichweite des in Frage stehenden Verbots sei darauf hinzuweisen, dass das Jugendschutzgesetz nicht jeder Form des Vertriebs von ungeprüften Bildträgern entgegenstehe. Wie der Entscheidung zu entnehmen sei, dürften solche Bildträger eingeführt und an Erwachsene über Vertriebswege verkauft werden, die einen persönlichen Kontakt zwischen dem Lieferanten und dem Käufer beinhalteten und es so ermöglichen würden, zu kontrollieren, dass Kinder zu diesen Bildträgern keinen Zugang hätten. In Anbetracht dieser Umstände sei festzustellen, dass die fragliche Regelung nicht über das hinausgehe, was zur Erreichung des vom betroffenen Mitgliedstaat verfolgten Ziels erforderlich sei (39).

In der Rechtssache C-265/06, Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Portugiesische Republik, stellte der Gerichtshof fest, dass die Verbrechensbekämpfung und die Sicherheit des Straßenverkehrs zwingende Gründe des Gemeinwohls sein könnten, die eine Behinderung des freien Warenverkehrs rechtfertigen könnten. Zwar scheine das Verbot der Befestigung von farbigen Folien an den Scheiben von Personen- oder Güterkraftfahrzeugen „eine solche Beobachtung zu erleichtern und infolgedessen geeignet zu sein, die Ziele der Verbrechensbekämpfung und der Sicherheit des Straßenverkehrs zu erreichen, doch ergibt sich daraus nicht, dass es zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist und dass es dafür keine anderen, weniger einschneidenden Maßnahmen gibt“ (40). Die Notwendigkeit des Verbots sei umso weniger nachgewiesen, als die Behörden eingeräumt hätten, dass Kraftfahrzeuge, die in der Originalausstattung über Scheiben verfügten, die in den von der Richtlinie 92/22/EWG (41) vorgesehenen Grenzen getönt seien, in ihrem Gebiet zugelassen seien. Darüber hinaus gebe es ein großes Sortiment an farbigen Folien (das von transparenten bis zu praktisch undurchsichtigen Folien reiche), was bedeute, dass zumindest bei einigen Folien, nämlich denjenigen, die einen ausreichenden Grad an Transparenz aufwiesen, die gewünschte Sichtkontrolle des Innenraums von Kraftfahrzeugen möglich sei. Daher kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass das Verbot von farbigen Folien an Scheiben von Kraftfahrzeugen übermäßig sei und somit außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehe (42).

3.6.   Vorübergehende Aussetzung des Marktzugangs (Artikel 6 der Verordnung)

Wenn eine zuständige Behörde eines Bestimmungsmitgliedstaats Waren bewertet, bevor sie über eine Beschränkung oder Verweigerung des Marktzugangs entscheidet, sollte diese Behörde nicht die Aussetzung des Marktzugangs beschließen dürfen, es sei denn, es ist ein zügiges Eingreifen erforderlich, um die Sicherheit oder Gesundheit von Menschen zu schützen oder Schäden für die Umwelt zu verhindern oder um die Bereitstellung von Waren zu verhindern, wenn diese Bereitstellung aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit oder der öffentlichen Sicherheit — z. B. zur Kriminalitätsprävention — generell verboten ist (Erwägungsgrund 29 der Verordnung).

Gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung dürfen die zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats, wenn sie eine Bewertung von Waren durchführen, die Bereitstellung der betreffenden Waren auf dem Markt des Mitgliedstaats nur dann vorübergehend aussetzen, wenn

a)

die Waren unter normalen oder nach vernünftigem Ermessen vorhersehbaren Gebrauchsumständen ein erhebliches Risiko für die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit von Menschen oder die Umwelt — einschließlich solcher Risiken, deren Folgen nicht unmittelbar eintreten — darstellen, das ein rasches Einschreiten der zuständigen Behörde notwendig macht, oder

b)

die Bereitstellung der Waren oder von Waren dieser Art auf dem Markt im betreffenden Mitgliedstaat aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit oder der öffentlichen Sicherheit generell verboten ist.

Setzt die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats den Marktzugang vorübergehend aus, muss sie unverzüglich den betroffenen Wirtschaftsakteur, die Kommission sowie die anderen Mitgliedstaaten darüber unterrichten (Artikel 6 Absatz 2). Ist der Grund für die vorübergehende Aussetzung, dass die Waren unter normalen oder nach vernünftigem Ermessen vorhersehbaren Gebrauchsumständen ein erhebliches Risiko für die Sicherheit oder Gesundheit von Menschen oder die Umwelt — einschließlich Risiken ohne unmittelbare Folgen — darstellen, das ein rasches Einschreiten der zuständigen Behörde notwendig macht, so muss diese Mitteilung eine ausführliche technische oder wissenschaftliche Begründung enthalten, warum der Fall in den Anwendungsbereich des genannten Buchstabens fällt (Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung).

3.7.   Verwaltungsentscheidung (Artikel 5 Absätze 9 bis 13 der Verordnung)

Nach Abschluss einer Bewertung der Waren kann die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats beschließen, eine Verwaltungsentscheidung über die Waren zu treffen, die sie bewertet hat (Artikel 5 Absatz 9 der Verordnung).

Wie bereits erwähnt, stellt die gegenseitige Anerkennung kein absolutes Prinzip dar. Dennoch bedarf jede Ausnahme von diesem Prinzip einer fundierten Begründung. Der Marktzugang für Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, kann nicht allein deshalb beschränkt oder verweigert werden, weil die nationalen Vorschriften unterschiedliche Anforderungen an die betreffenden Waren stellen. Wenn ein triftiger Grund dafür vorliegt, den Marktzugang zu beschränken oder zu verweigern, muss eine solche Entscheidung stets begründet werden.

Bisher wurden in Verwaltungsentscheidungen nur selten die Gründe für eine Beschränkung oder Verweigerung des Marktzugangs für Waren dargelegt, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden.

In Artikel 5 Absätze 10 bis 12 der Verordnung sind die Kategorien von Angaben aufgeführt, die in der Verwaltungsentscheidung enthalten sein müssen.

In der Verwaltungsentscheidung sind die Gründe für die Entscheidung anzugeben; diese müssen ausreichend detailliert und fundiert dargestellt sein, um eine Bewertung ihrer Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und den Anforderungen der Verordnung zu erleichtern (Artikel 5 Absatz 10 der Verordnung). Insbesondere ist in der Verwaltungsentscheidung Folgendes anzugeben (Artikel 5 Absatz 11 der Verordnung):

a)

die nationale technische Vorschrift, auf der die Verwaltungsentscheidung beruht,

b)

der berechtigte Grund des Allgemeininteresses, mit dem die Anwendung der nationalen technischen Vorschrift, auf der die Verwaltungsentscheidung beruht, begründet wird,

c)

die durch die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats berücksichtigten technischen oder wissenschaftlichen Nachweise, einschließlich gegebenenfalls etwaiger relevanter Änderungen des Stands der Technik, die seit dem Inkrafttreten der nationalen technischen Vorschrift eingetreten sind,

d)

eine Zusammenfassung der Argumente des betreffenden Wirtschaftsakteurs, falls solche vorgebracht wurden, die relevant sind, um zu bewerten, ob die Waren rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden und ob die berechtigten Allgemeininteressen, die von der geltenden nationalen technischen Vorschrift des Bestimmungsmitgliedstaats erfasst werden, unter Berücksichtigung der Merkmale der fraglichen Waren angemessen geschützt sind,

e)

die Nachweise, die belegen, dass die Verwaltungsentscheidung geeignet ist, das damit verfolgte Ziel zu verwirklichen, ohne über das zur Zielerreichung erforderliche Maß hinauszugehen.

Für die Zwecke von Artikel 5 Absatz 11 der Verordnung sind „berechtigte Gründe des Allgemeininteresses“ definiert als alle in Artikel 36 AEUV aufgeführten Gründe oder sonstige zwingende Gründe des Allgemeininteresses (Artikel 3 Nummer 14 der Verordnung). (43)

In der Verwaltungsentscheidung sind die nach dem nationalen Recht des Bestimmungsmitgliedstaats verfügbaren Rechtsbehelfe und die dafür geltenden Fristen aufzuführen. Es ist darin auch darauf hinzuweisen, dass Wirtschaftsakteure SOLVIT und das neue Problemlösungsverfahren nutzen können (Artikel 5 Absatz 12 der Verordnung, siehe auch Abschnitt 3.10).

Die Verwaltungsentscheidung, mit der der Marktzugang beschränkt oder verweigert wird, muss dem Wirtschaftsakteur unverzüglich mitgeteilt werden. Die Entscheidung wird erst wirksam, wenn sie dem Wirtschaftsakteur mitgeteilt wurde (Artikel 5 Absätze 9 und 13 der Verordnung).

3.8.   Mitteilungen an die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten

Die zuständigen nationalen Behörden müssen die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten unterrichten über

vorübergehende Aussetzungen (Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung);

Verwaltungsentscheidungen (Artikel 5 Absatz 9 der Verordnung).

Für die Zwecke von Artikel 5 Absatz 9 und Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung ist das Informations- und Kommunikationssystem für die Marktüberwachung (Information and Communication System on Market Surveillance — ICSMS) zu verwenden (Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung).

Die Kommission muss für die zukünftige Bewertung der Verordnung die im ICSMS vorhandenen Angaben heranziehen (Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung).

Vorübergehende Aussetzungen müssen der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten unverzüglich über das ICSMS mitgeteilt werden (Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung).

Verwaltungsentscheidungen müssen der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten spätestens 20 Arbeitstage, nachdem die Entscheidung getroffen wurde, über das ICSMS mitgeteilt werden (Artikel 5 Absatz 9 der Verordnung).

Die mitgeteilte vorübergehende Aussetzung oder Verwaltungsentscheidung ist in das ICSMS hochzuladen.

Wenn eine über das System zum raschen Informationsaustausch (Rapid Information Exchange System — RAPEX) (44) oder über das Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (Rapid Alert System for Food and Feed — RASFF) (45) gemeldete Maßnahme Waren betrifft, die nicht unter die EU-Harmonisierungsrechtsvorschriften fallen und die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht werden, muss auch diese Maßnahme theoretisch gemäß der Verordnung über das ICSMS gemeldet werden.

Mit der Verordnung sollen die Mitgliedstaaten von der Last doppelter Meldungen befreit werden, wenn eine Maßnahme nach zwei Systemen gemeldet werden muss. Daher wird in Artikel 7 Folgendes festgelegt: Wenn eine Verwaltungsentscheidung oder eine vorübergehende Aussetzung auch eine Maßnahme darstellt, die über RAPEX oder RASFF zu melden ist, „so ist nach dieser Verordnung eine separate Mitteilung an die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten nicht notwendig“, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind: a) In der RAPEX- oder RASFF-Meldung wird darauf hingewiesen, dass die Meldung auch als Meldung gemäß der Verordnung (EU) 2019/515 gilt, und b) die gemäß der Verordnung (EU) 2019/515 erforderlichen Nachweise sind beigefügt.

Die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats ist für das Hochladen der gemäß der Verordnung erforderlichen Unterlagen verantwortlich. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei diesen Unterlagen um die Verwaltungsentscheidung und die vorübergehende Aussetzung (zusammen mit einer ausführlichen technischen oder wissenschaftlichen Begründung, wenn der Grund ein erhebliches Risiko für die Sicherheit oder Gesundheit von Menschen oder die Umwelt ist).

3.9.   Rechtsbehelfe gegen die Verwaltungsentscheidung

In jeder Verwaltungsentscheidung, die von der zuständigen Behörde eines Bestimmungsmitgliedstaats gemäß der Verordnung getroffen wird, müssen die nach dem nationalen Recht verfügbaren Rechtsbehelfe und die Fristen für deren Inanspruchnahme aufgeführt sein (Artikel 5 Absatz 12 der Verordnung und Erwägungsgrund 35 der Verordnung), damit Wirtschaftsakteure Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung einlegen oder gegen sie klagen können. Welche Möglichkeiten zur Anfechtung solcher Entscheidungen bestehen, hängt von den Rechtsbehelfen ab, die im nationalen Recht vorgesehen sind (Verwaltungsbeschwerde, nationale Gerichtsbarkeit oder andere Berufungsinstanzen). Im Allgemeinen sehen die nationalen Justizsysteme die Möglichkeit vor, entweder direkt oder nach einer Verwaltungsbeschwerde vor einem Gericht Rechtsmittel gegen die Verwaltungsentscheidung der zuständigen Behörde über die Beschränkung oder Verweigerung des Marktzugangs einzulegen.

In Artikel 8 der Verordnung wird ein Problemlösungsverfahren eingeführt, um einen wirksamen Rechtsbehelf zur Verfügung zu stellen und das Vertrauen in die gegenseitige Anerkennung wiederherzustellen. Dieses neue Verfahren wird an das SOLVIT-Netz übertragen.

3.10.   Was ist SOLVIT?

SOLVIT ist ein Netz von Zentren der Mitgliedstaaten, dessen Ziel gemäß der Empfehlung 2013/461/EU der Kommission zu den Grundsätzen für SOLVIT darin besteht, rasche, wirksame und informelle Lösungen für Probleme zu finden, mit denen Einzelpersonen und Unternehmen konfrontiert sind, wenn Behörden ihnen ihre Rechte als EU-Bürger im Binnenmarkt verweigern (46).

SOLVIT ist ein informeller außergerichtlicher Problemlösungsmechanismus, der eine Alternative zu Gerichtsverfahren bietet. SOLVIT bietet in grenzübergreifenden Situationen praktische Lösungen für Einzelpersonen und Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, die mit dem Binnenmarkt zusammenhängen und von einer Behörde verursacht wurden. Bei SOLVIT handelt es sich um einen kostenfreien Dienst, der von den nationalen Behörden in jedem EU-Mitgliedstaat sowie in Island, Liechtenstein und Norwegen erbracht wird. Die Grundsätze für die Arbeitsweise von SOLVIT werden in der Empfehlung 2013/461/EU der Kommission dargelegt, in der es heißt, dass jeder Mitgliedstaat eine SOLVIT-Stelle einrichten muss, die mit angemessenen Mitteln ausgestattet ist, um die Beteiligung am SOLVIT-Netz sicherzustellen (47).

Das SOLVIT-Verfahren kann von Wirtschaftsakteuren eingeleitet werden, die von einer Verwaltungsentscheidung betroffen sind. In der Empfehlung 2013/461/EU wird keine Frist für die Einleitung des SOLVIT-Verfahrens genannt. Wenn Wirtschaftsakteure sich aber entschließen, SOLVIT in Anspruch zu nehmen, ist es ratsam, die Verwaltungsentscheidung so früh wie möglich an SOLVIT zu übermitteln. Da es sich bei SOLVIT um einen informellen Mechanismus handelt, werden durch die Inanspruchnahme des SOLVIT-Verfahrens weder etwaige formale Fristen für eine Verwaltungsbeschwerde oder einen gerichtlichen Rechtsbehelf ausgesetzt, noch werden solche Rechtsmittel dadurch ersetzt. Wenn ein Wirtschaftsakteur während eines laufenden SOLVIT-Verfahrens einen gerichtlichen Rechtsbehelf einlegt, ist es üblich, die SOLVIT-Stelle zu benachrichtigen. Die SOLVIT-Stelle stellt das SOLVIT-Verfahren daraufhin ein, und das Mandat der SOLVIT-Stelle erlischt (48).

Wenn nationale Systeme die Möglichkeit vorsehen, gegen die Verwaltungsentscheidung der zuständigen Behörde, den Marktzugang zu beschränken oder zu verweigern, eine Verwaltungsbeschwerde bei der für die Aufsicht über die zuständige Behörde verantwortlichen Behörde einzulegen (in Abhängigkeit von dem im betreffenden Mitgliedstaat anwendbaren System), beschließen manche Behörden, das Verfahren vorübergehend einzustellen, wenn ein SOLVIT-Problemlösungsverfahren läuft. Auf diese Weise hat die Aufsichtsbehörde die Möglichkeit, das SOLVIT-Verfahren zu berücksichtigen.

Alle SOLVIT-Fälle werden von zwei SOLVIT-Stellen bearbeitet: der Heimat-SOLVIT-Stelle und der federführenden SOLVIT-Stelle (49). Die Heimatstelle befindet sich in der Regel im Mitgliedstaat des Beschwerdeführers, während sich die federführende Stelle im Mitgliedstaat der Behörde befindet, über die eine Beschwerde eingereicht wurde. Die Heimatstelle ist dafür zuständig, eine rechtliche Analyse des Problems vorzunehmen und den Fall vorzubereiten, bevor sie ihn der SOLVIT-Stelle der Behörde zuleitet, über die eine Beschwerde eingereicht wurde. (50) Die federführende Stelle ist dafür zuständig, Lösungen für die Antragsteller zu suchen, einschließlich einer Klarstellung des anwendbaren EU-Rechts, und sollte die Heimatstelle regelmäßig über den Fortgang des Verfahrens informieren (51).

SOLVIT-Stellen nutzen ein sicheres Online-System für die Fallbearbeitung (52). Dieses sorgt für eine effiziente Kommunikation und fördert eine vollständige Transparenz. Die Kommission hat Zugriff auf das System, überwacht die Qualität der Fallbearbeitung und bietet in komplexen Fällen Unterstützung und Beratung an.

3.11.   SOLVIT und das Problemlösungsverfahren nach Artikel 8 der Verordnung

Das in der Empfehlung 2013/461/EU beschriebene SOLVIT-Verfahren und das in Artikel 8 der Verordnung vorgesehene besondere Problemlösungsverfahren unterscheiden sich voneinander. Der Hauptunterschied zwischen diesen Verfahren besteht in Bezug auf die Möglichkeit für die SOLVIT-Stellen, die Kommission um eine Stellungnahme zu ersuchen.

Das in der Empfehlung 2013/461/EU beschriebene SOLVIT-Verfahren sieht für SOLVIT-Stellen keine Möglichkeit vor, die Kommission um eine Stellungnahme zu bitten. In Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung ist jedoch festgelegt, dass, wenn ein Wirtschaftsakteur ein SOLVIT-Verfahren eingeleitet hat, die Heimatstelle oder die federführende Stelle die Kommission um eine Stellungnahme ersuchen kann, um bei der Lösung des Falles Unterstützung zu bieten. Dieses besondere Verfahren kommt nur in Fällen zur Anwendung, in denen die Behörden eine Verwaltungsentscheidung gemäß Artikel 5 der Verordnung erlassen haben. Es beinhaltet die Möglichkeit, dass eine SOLVIT-Stelle die Kommission ersuchen kann, zu bewerten, ob die Verwaltungsentscheidung mit dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und mit den Anforderungen der Verordnung vereinbar ist (Artikel 8 Absätze 1 und 2 der Verordnung). Das Problemlösungsverfahren im Rahmen der Verordnung sieht längere Fristen als das übliche SOLVIT-Verfahren vor, damit die Kommission genügend Zeit hat, die Stellungnahme vorzulegen.

Um Wirtschaftsakteure auf die Verfügbarkeit des spezifischen Problemlösungsverfahrens der Verordnung aufmerksam zu machen, müssen alle von den nationalen Behörden im Rahmen der Verordnung erlassenen Verwaltungsentscheidungen einen Hinweis darauf enthalten, dass Wirtschaftsakteure SOLVIT und das in Artikel 8 der Verordnung festgelegte Problemlösungsverfahren nutzen können (Artikel 5 Absatz 12 der Verordnung; siehe auch Abschnitt 3.7). Die Verwaltungsentscheidung könnte zum Beispiel einen Absatz wie den folgenden enthalten:

„Sie haben die Möglichkeit, diese Entscheidung zu den in der Empfehlung 2013/461/EU festgelegten Bedingungen an SOLVIT zu übermitteln. Die Heimatstelle oder die federführende Stelle kann die Kommission gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/515 darum ersuchen, eine Stellungnahme abzugeben und so bei der Lösung des Falles behilflich zu sein.“

Wirtschaftsakteure haben bei Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt stets die Möglichkeit gehabt, SOLVIT in Anspruch zu nehmen. Sonstige Probleme im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Waren in einem anderen Mitgliedstaat, wie z. B. das Ausbleiben einer Antwort der zuständigen Behörde oder die Weigerung, eine Entscheidung zu erlassen, werden von SOLVIT weiterhin auf die übliche Weise bearbeitet. Solche Probleme lösen jedoch nicht das in Artikel 8 der Verordnung festgelegte besondere Problemlösungsverfahren aus.

3.12.   Die Stellungnahme der Kommission im Rahmen des Problemlösungsverfahrens nach Artikel 8 der Verordnung

Wenn der informelle Ansatz von SOLVIT nicht zum Erfolg führt und weiterhin Zweifel an der Vereinbarkeit der Verwaltungsentscheidung mit dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung bestehen, kann jede der beteiligten SOLVIT-Stellen die Kommission um eine Stellungnahme ersuchen (Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung). Im Rahmen der Stellungnahme soll die Kommission die Möglichkeit haben, zu bewerten, ob die Verwaltungsentscheidung mit dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und den Anforderungen der Verordnung vereinbar ist (Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung). Die Kommission prüft u. a. die im Rahmen des SOLVIT-Verfahrens bereitgestellten Unterlagen und Angaben. Sie kann über die zuständige SOLVIT-Stelle zusätzliche Angaben oder Unterlagen anfordern (Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung).

Innerhalb von 45 Arbeitstagen nach Eingang des Ersuchens um eine Stellungnahme (diese Frist beinhaltet nicht den für die Erlangung der zusätzlichen Angaben und Unterlagen durch die Kommission erforderlichen Zeitraum) muss die Kommission ihre Bewertung abschließen und eine Stellungnahme vorlegen (Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung). In der Stellungnahme sollte nur die Frage bewertet werden, ob die Verwaltungsentscheidung mit dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und den Anforderungen der Verordnung vereinbar ist (Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung). Gegebenenfalls wird in der Stellungnahme auf etwaige bedenkliche Punkte hingewiesen, auf die in dem SOLVIT-Verfahren eingegangen werden sollte, oder es werden Empfehlungen abgegeben, die bei der Lösung des Falles hilfreich sein könnten (Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung). Die Stellungnahme der Kommission muss im Rahmen des SOLVIT-Verfahrens berücksichtigt werden (Artikel 8 Absatz 6 der Verordnung).

Die Kommission übermittelt ihre Stellungnahme über die zuständige SOLVIT-Stelle an den betreffenden Wirtschaftsakteur und die zuständigen Behörden. Sie benachrichtigt auch alle Mitgliedstaaten über das ICSMS über die Stellungnahme (Artikel 8 Absatz 6 der Verordnung). Der Wirtschaftsakteur kann von der in Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung genannten Stellungnahme der Kommission Gebrauch machen und sie allen relevanten Dritten zur Verfügung stellen.

Wird die Kommission davon in Kenntnis gesetzt, dass der Fall während des Bewertungszeitraums gelöst wurde, so muss sie keine Stellungnahme abgeben (Artikel 8 Absatz 5 der Verordnung).

Die Tatsache, dass die Kommission eine Stellungnahme abgibt, berührt nicht ihre Befugnisse nach Artikel 258 AEUV (Erwägungsgrund 40 der Verordnung).

3.13.   Die Rolle der Produktinfostellen (Artikel 9 der Verordnung)

Durch die Verordnung wird es künftig viel einfacher sein, in anderen Mitgliedstaaten Waren in Verkehr zu bringen, die nicht unter die EU-Harmonisierungsrechtsvorschriften fallen, aber es wird den Wirtschaftsakteuren auch mehr Verantwortung übertragen. Sie müssen die einschlägigen nationalen Vorschriften nicht nur in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihre Waren rechtmäßig in Verkehr bringen, sondern auch im Bestimmungsmitgliedstaat kennen, z. B. ob dort ein Vorabgenehmigungsverfahren erforderlich ist.

Um sicherzustellen, dass Wirtschaftsakteure bei der Erfassung produktbezogener Informationen in den Mitgliedstaaten nicht auf sich allein gestellt sind, erleichtert die Verordnung die Erfassung dieser Informationen über die Produktinfostellen. Gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung erbringen die Produktinfostellen ihre Dienstleistungen im Einklang mit der Verordnung (EU) 2018/1724 des Europäischen Parlaments und des Rates (Verordnung über die Einrichtung eines einheitlichen digitalen Zugangstors) (53). Die Produktinfostellen sollten über geeignete Ausrüstung und angemessene Ressourcen verfügen (Artikel 9 Absatz 1 und Erwägungsgrund 42 der Verordnung), damit sie ihre wichtige Rolle bei der Erleichterung der Kommunikation zwischen den nationalen Behörden und den Wirtschaftsakteuren erfüllen können.

Die Produktinfostellen müssen folgende Informationen online bereitstellen (Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung):

a)

den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und die Anwendung der Verordnung im Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaats einschließlich Angaben zum Verfahren der Bewertung von Waren gemäß Artikel 5 der Verordnung;

b)

die Direktkontaktinformationen der zuständigen Behörden in ihrem Mitgliedstaat, einschließlich der Angabe der Behörden, die die Anwendung der im Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaats geltenden nationalen technischen Vorschriften überwachen;

c)

im Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaats verfügbare Rechtsbehelfe und Verfahren bei Streitigkeiten zwischen der zuständigen Behörde und einem Wirtschaftsakteur, einschließlich des Problemlösungsverfahrens gemäß Artikel 8 der Verordnung.

Obwohl die Produktinfostellen dafür verantwortlich sind, die wichtigsten Daten auf ihren Websites bereitzustellen (siehe Artikel 9 Absatz 2 und Erwägungsgrund 42 der Verordnung), können sie auch direkt von Wirtschaftsakteuren oder von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten kontaktiert werden und müssen innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Eingang eines Ersuchens weitere Informationen liefern (Artikel 9 Absätze 3 und 4 der Verordnung). Diese zusätzlichen Informationen müssen sie kostenlos bereitstellen (Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung). Die Produktinfostellen sollten die mit der Bereitstellung produktbezogener Informationen verbundenen Aufgaben, zu denen die Bereitstellung von elektronischen Kopien der nationalen technischen Vorschriften oder eines Online-Zugangs zu diesen Vorschriften gehört, unbeschadet der für die Verbreitung nationaler technischer Vorschriften geltenden nationalen Vorschriften ausführen (Erwägungsgrund 42 der Verordnung).

Die nationalen Behörden können sich auch an die Produktinfostellen oder Behörden eines anderen Mitgliedstaats (z. B. des Ursprungsmitgliedstaats/des Mitgliedstaats des erstmaligen rechtmäßigen Inverkehrbringens) wenden und diese um Informationen ersuchen, um die von Wirtschaftsakteuren im Rahmen der Bewertung von Waren bereitgestellten Daten zu überprüfen (siehe Artikel 5, Artikel 9 und Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung). Produktinfostellen können auch genutzt werden, um Kontakte zwischen den betreffenden zuständigen Behörden zu erleichtern (Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung).

Die Produktinfostellen sollten jedoch nicht verpflichtet sein, Kopien von Normen oder einen Online-Zugang zu Normen, für die Rechte des geistigen Eigentums von Normungsgremien oder -organisationen gelten, bereitzustellen (Erwägungsgrund 42 der Verordnung).

Artikel 10 der Verordnung enthält Regeln für die Verwaltungszusammenarbeit, in denen die wichtigsten Bereiche vorgegeben sind, in denen eine effiziente Zusammenarbeit der Produktinfostellen und der nationalen Behörden erforderlich ist.

3.14.   Verwaltungszusammenarbeit (Artikel 10 der Verordnung)

Mit der Verordnung werden die Produktinfostellen als einer der wichtigsten Kommunikationskanäle für die gegenseitige Anerkennung gestärkt und die Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden und den Produktinfostellen der Mitgliedstaaten verbessert.

Eine der in der Verordnung vorgesehenen Formen der Verwaltungszusammenarbeit ist der Austausch von Beamten zwischen den Mitgliedstaaten und die Durchführung gemeinsamer Aus- und Weiterbildungs- sowie Sensibilisierungsprogramme für Behörden und Unternehmen (Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung). Die Kommission sorgt für die Zusammenarbeit zwischen den Behörden und den Produktinfostellen der Mitgliedstaaten, während die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass ihre zuständigen Behörden und Produktinfostellen sich an diesen Tätigkeiten beteiligen (Artikel 10 Absätze 1 und 2 der Verordnung).

Die Verwaltungszusammenarbeit ist besonders wichtig für die Bewertung von Waren. Über das ICSMS können die zuständigen Behörden eines Bestimmungsmitgliedstaats mit den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats des erstmaligen rechtmäßigen Inverkehrbringens Kontakt aufnehmen, wenn sie die von dem Wirtschaftsakteur bereitgestellten Angaben überprüfen müssen (Artikel 5 Absatz 7 der Verordnung). Die zuständigen Behörden stellen auf solche Anfragen hin innerhalb von 15 Arbeitstagen sämtliche Informationen zu den Waren zur Verfügung, die für die Überprüfung der von dem Wirtschaftsakteur im Rahmen der Bewertung bereitgestellten Daten und Unterlagen sachdienlich sind (Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung).

Die Produktinfostellen können genutzt werden, um Kontakte zwischen den betreffenden zuständigen Behörden innerhalb der Frist von 15 Arbeitstagen für die Bereitstellung der geforderten Angaben zu erleichtern (Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung).

4.   VORHERIGE BEWERTUNG NATIONALER TECHNISCHER VORSCHRIFTEN — RICHTLINIE (EU) 2015/1535 UND DIE BINNENMARKTKLAUSEL

Die Richtlinie (EU) 2015/1535 ist ein wichtiges Instrument zur Vermeidung von technischen Handelshemmnissen für Erzeugnisse, die nicht oder nur teilweise unter die EU-Harmonisierungsrechtsvorschriften fallen. Sie trägt zu einer umfassenderen und besseren gegenseitigen Anerkennung bei, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, der Kommission Mitteilung über alle Entwürfe technischer Vorschriften für Erzeugnisse und Dienste der Informationsgesellschaft zu machen, bevor diese im nationalen Recht festgeschrieben werden.

Die Richtlinie (EU) 2015/1535 und die Verordnung kommen in unterschiedlichen Phasen des Lebenszyklus einer technischen Vorschrift zur Anwendung. Gemeinsam stellen sie sicher, dass nationale Vorschriften zu keinem Zeitpunkt in ihrem Lebenszyklus ungerechtfertigte Handelshemmnisse errichten.

Das Notifizierungsverfahren gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 ermöglicht der Kommission und den Mitgliedstaaten, technische Vorschriften für Erzeugnisse und Dienste der Informationsgesellschaft zu prüfen, die einzelne Mitgliedstaaten zu erlassen beabsichtigen. Es verhindert das Entstehen neuer technischer Handelshemmnisse, indem es sicherstellt, dass die nationalen Rechtsvorschriften mit dem EU-Recht und den Grundsätzen des Binnenmarktes vereinbar sind. Anhand des Verfahrens haben Unternehmen und andere Interessengruppen zudem die Möglichkeit, zu notifizierten Entwürfen in der TRIS-Datenbank (Technical Regulation Information System) Stellung zu nehmen.

Ein kritisches Merkmal des Verfahrens sind die rechtlichen Folgen bei Nichteinhaltung. Der Gerichtshof hat in seinem Urteil in der Rechtssache C-194/94 (54) grundsätzlich entschieden, dass der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht (Artikel 5 der Richtlinie (EU) 2015/1535) zur Unanwendbarkeit der betreffenden technischen Vorschriften führe, sodass sie Einzelnen nicht entgegengehalten werden könnten.

Der Gerichtshof befand, dass die Richtlinie (EU) 2015/1535 dahin auszulegen sei, dass sie unmittelbare Wirkung entfalte, dass sie also von Einzelnen, die sich im Widerspruch zu den zuständigen Behörden befänden, vor nationalen Gerichten herangezogen werden könne. Ferner entschied er, dass die nationalen Vorschriften unanwendbar seien, da sie nicht mitgeteilt worden seien. Der Gerichtshof stellte fest, dass Ziel und Zweck der Richtlinie zunichtegemacht würden, wenn nicht mitgeteilte Vorschriften Einzelnen entgegengehalten werden könnten, da dies die Mitgliedstaaten dazu verleite, von einer Mitteilung abzusehen. Das Urteil in der Rechtssache C-194/94 hat die Wirkung der Richtlinie (EU) 2015/1535 erheblich beeinflusst. Grundsätzlich bedeutet es, dass Unternehmen nicht gezwungen werden können, nationale technische Vorschriften einzuhalten, die nicht notifiziert worden sind.

Der Umstand, dass eine technische Vorschrift notifiziert wurde, ist allerdings keine Garantie dafür, dass ihre Anwendung mit dem EU-Recht vereinbar ist. Auch eine notifizierte technische Vorschrift kann den freien Warenverkehr beeinträchtigen, je nachdem, wie die nationalen Behörden sie anwenden. Hier kommt die Verordnung (EU) 2019/515 über die gegenseitige Anerkennung ins Spiel, die sicherstellt, dass die Vorschrift im Einzelfall korrekt angewendet wird, und zwar in einer Weise, die dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung entspricht.

Um die nationalen Behörden und die Wirtschaftsakteure für den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zu sensibilisieren, sollten die Mitgliedstaaten in Erwägung ziehen, klare und eindeutige „Binnenmarktklauseln“ in ihren nationalen technischen Vorschriften vorzusehen (Erwägungsgrund 16 der Verordnung); so würden sie das Risiko verringern, dass diese Vorschriften zu regulatorischen Handelshemmnissen führen (55), und die Anwendung des besagten Grundsatzes erleichtern. Im Rahmen des Notifizierungsverfahrens gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 empfiehlt die Kommission regelmäßig, dass die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats gegebenenfalls eine Binnenmarktklausel in den notifizierten Entwurf aufnehmen, entsprechend der Formulierung in ihrer Mitteilung Das Waren-Paket: das Vertrauen in den Binnenmarkt stärken (56). Nachstehend wird die Klausel in einer klarer formulierten Fassung wiedergegeben.

Waren, die rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in der Türkei in Verkehr gebracht wurden oder die ihren Ursprung in den Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben und dort rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, gelten als mit diesen Vorschriften vereinbar. Die Anwendung dieser Vorschriften unterliegt der Verordnung (EU) 2019/515 vom 19. März 2019 über die gegenseitige Anerkennung von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind.

5.   ZUSAMMENHANG ZWISCHEN DER VERORDNUNG (EU) 2019/515 UND DER RICHTLINIE 2001/95/EG

In der Richtlinie 2001/95/EG über die allgemeine Produktsicherheit (57) („RaPS“) wird bestimmt, dass nur sichere Produkte in Verkehr gebracht werden dürfen (Artikel 3 der RaPS), und es werden die Produktsicherheitsverpflichtungen von Herstellern und Händlern festgelegt. Laut der Richtlinie verfügen die zuständigen Behörden über die Befugnis, gefährliche Produkte zu verbieten oder andere geeignete Maßnahmen zu ergreifen (Artikel 8 der RaPS).

Die RaPS findet Anwendung auf Verbrauchsgüter, d. h. auf Produkte, die Harmonisierungsrechtsvorschriften der EU unterliegen (sofern diese Rechtsvorschriften keine spezifischen Bestimmungen enthalten, die dasselbe Ziel wie die Richtlinie 2001/95/EG verfolgen), und auf Produkte, die keiner Harmonisierung auf EU-Ebene unterliegen (Artikel 1 Absatz 2 und Artikel 2 Buchstabe a der RaPS).

Die Verordnung gilt sowohl für Verbrauchsgüter als auch für Nichtverbrauchsgüter oder Aspekte von Waren, die nicht unter die EU-Harmonisierungsrechtsvorschriften fallen.

5.1.   Maßnahmen in Bezug auf Produkte, die eine Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher darstellen

In der RaPS wird das Verfahren beschrieben, nach dem die zuständigen Behörden geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn Produkte eine Gefahr darstellen, wie etwa die in Artikel 8 Absatz 1 Buchstaben b bis f genannten Maßnahmen. Die Artikel 5 und 6 der Verordnung berühren nicht die Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstaben b bis f und von Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie 2001/95/EG (siehe Artikel 2 Absatz 6 der Verordnung).

5.2.   Maßnahmen in Bezug auf Verbrauchsgüter, die andere Risiken darstellen

In Bezug auf Verbrauchsgüter findet die Verordnung Anwendung, wenn die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats beabsichtigen, den Marktzugang für ein Verbrauchsgut, das nicht unter die EU-Harmonisierungsrechtsvorschriften fällt und das in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wurde, auf der Grundlage einer nationalen technischen Vorschrift und aus anderen Gründen als wegen einer Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher zu beschränken oder zu verweigern. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn diese Behörden ein Produkt, das keine Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher darstellt, aus Gründen des Umweltschutzes vom Inverkehrbringen ausschließen.


(1)  Verordnung (EU) 2019/515 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 über die gegenseitige Anerkennung von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 764/2008 (ABl. L 91 vom 29.3.2019, S. 1).

(2)  Verordnung (EG) Nr. 764/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 zur Festlegung von Verfahren im Zusammenhang mit der Anwendung bestimmter nationaler technischer Vorschriften für Produkte, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind, und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 3052/95/EG (ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 21).

(3)  Siehe die Mitteilung der Kommission COM(2017) 787 final vom 19. Dezember 2017, Das Waren-Paket: das Vertrauen in den Binnenmarkt stärken, sowie Erwägungsgrund 5 der Verordnung.

(4)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. April 2011, Vlaamse Dierenartsenvereniging und Janssens, verbundene Rechtssachen C-42/10, C-45/10 und C-57/10, ECLI:ECLI:EU:C:2011:253, Rn. 68 und die darin angeführte Rechtsprechung.

(5)  Dieser Punkt erfasst auch i) Herstellungsmethoden und -verfahren für landwirtschaftliche Erzeugnisse gemäß Artikel 38 Absatz 1 Unterabsatz 2 AEUV, ii) die Herstellungsmethoden und -verfahren, die zur menschlichen oder tierischen Ernährung bestimmt sind, sowie iii) Herstellungsmethoden und -verfahren für andere Erzeugnisse, sofern sie die Merkmale dieser Erzeugnisse beeinflussen (Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung).

(6)  Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1).

(7)  Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 21.7.1998, S. 37).

(8)  Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 13. Oktober 2016 im Verfahren M. und S., Rechtssache C-303/15, ECLI:ECLI:EU:C:2016:771; Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juni 2015, Berlington, Rechtssache C-98/14, ECLI:ECLI:EU:C:2015:386; Urteil des Gerichtshofs vom 19. Juli 2012, Fortuna u. a., verbundene Rechtssachen C-213/11, C-214/11 und C-217/11, ECLI:ECLI:EU:C:2012:495; Urteil des Gerichtshofs vom 26. Oktober 2006, Kommission/Republik Griechenland, Rechtssache C-65/05, ECLI:ECLI:EU:C:2006:673; Urteil des Gerichtshofs vom 8. November 2007, Strafverfahren gegen Schwibbert, Rechtssache C-20/05, ECLI:ECLI:EU:C:2007:652; Urteil des Gerichtshofs vom 21. April 2005, Strafverfahren gegen Lindberg, Rechtssache C-267/03, ECLI:ECLI:EU:C:2005:246; Urteil des Gerichtshofs vom 26. September 2018, Strafverfahren gegen Van Gennip u. a., Rechtssache C-137/17, ECLI:ECLI:EU:C:2018:771.

(9)  Urteil des Gerichtshofs vom 30. April 1996, CIA Security/Signalson, Rechtssache C-194/94, ECLI:ECLI:EU:C:1996:172.

(10)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. Februar 2009, Kommission/Italien, Rechtssache C-110/05, ECLI:ECLI:EU:C:2009:66, Rn. 56–58.

(11)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. Februar 2009, Kommission/Italien, Rechtssache C-110/05, ECLI:ECLI:EU:C:2009:66, Rn. 57.

(12)  Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juni 2009 im Verfahren gegen Mickelsson, Rechtssache C-142/05, ECLI:ECLI:EU:C:2009:336, Rn. 26.

(13)  Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juni 2009 im Verfahren gegen Mickelsson, Rechtssache C-142/05, ECLI:ECLI:EU:C:2009:336, Rn. 27.

(14)  Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juni 2009 im Verfahren gegen Mickelsson, Rechtssache C-142/05, ECLI:ECLI:EU:C:2009:336, Rn. 28.

(15)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. April 2008, Kommission/Portugiesische Republik, Rechtssache C-265/06, ECLI:EU:C:2008:210, Rn. 33.

(16)  Urteil des Gerichtshofs vom 24. November 1993, Strafverfahren gegen Keck und Mithouard, verbundene Rechtssachen C-267/91 und C-268/91, ECLI:EU:C:1993:905, Rn. 16 und 17. Weitere Informationen über Verkaufsmodalitäten finden Sie in der Veröffentlichung Der freie Warenverkehr — Leitfaden zur Anwendung der Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr, 2010, Abschnitt 3.1.10.

(17)  Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 1974, Procureur du Roi/Benoît und Gustave Dassonville, Rechtssache C-8-74, ECLI:EU:C:1974:82.

(18)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. September 2009, Budějovický Budvar, národní podnik, Rechtssache C-478/07, ECLI:EU:C:2009:521, Rn. 81–82.

(19)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1994, Strafverfahren gegen Peralta, Rechtssache C-379/92, ECLI:EU:C:1994:296, Rn. 24.

(20)  Urteil des Gerichtshofs vom 3. Dezember 1998, Strafverfahren gegen Ditlev Bluhme, Rechtssache C-67/97, ECLI:EU:C:1998:584, Rn. 19–20.

(21)  Ebd., Rn. 20.

(22)  Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates (ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 30).

(23)  In seinem Urteil in der Rechtssache Cassis de Dijon verwendete der Gerichtshof die Bezeichnung „zwingende Erfordernisse“.

(24)  Urteil des Gerichtshofs vom 20. Februar 1979, Rewe-Zentral AG/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Rechtssache 120/78, ECLI:EU:C:1979:42, Rn. 13.

(25)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 2003, Schmidberger, C-112/00, ECLI:EU:C:2003:333: „Eine Beschränkung des Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten ist durch das berechtigte Interesse des Schutzes von Grundrechten, in diesem Fall der Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit von Demonstranten, gerechtfertigt.“

(26)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. September 2016, Europäische Kommission/Tschechische Republik, Rechtssache C-525/14, ECLI:EU:C:2016:714.

(27)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Februar 2008, Dynamic Medien Vertriebs GmbH/Avides Media AG, Rechtssache C-244/06, ECLI:EU:C:2008:85: Verbot der Einfuhr von japanischen, als „Anime“ bezeichneten Comics auf DVDs oder Videokassetten aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland, weil diese keine Angabe der zuständigen Stelle über die Altersfreigabe trügen und der Schutz von Kindern eine gerechtfertigte Grundlage für das Verbot darstelle.

(28)  Urteil des Gerichtshofs vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft AB/Energimyndigheten, Rechtssache C-573/12, ECLI:EU:C:2014:2037; Urteil des Gerichtshofs vom 15. November 2005, Kommission/Österreich, Rechtssache C-320/03, ECLI:EU:C:2005:684.

(29)  Der freie Warenverkehr — Leitfaden zur Anwendung der Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr, 2010, https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/a5396a42-cbc8-4cd9-8b12-b769140091cd.

(30)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. November 2005, Kommission/Österreich, Rechtssache C-320/03, ECLI:EU:C:2005:684, Rn. 85.

(31)  Weitere Informationen über Verkaufsmodalitäten finden Sie im Leitfaden zur Anwendung der Vorschriften des Vertrags zum freien Warenverkehr, 2010, https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/a5396a42-cbc8-4cd9-8b12-b769140091cd.

(32)  Urteil des Gerichtshofs vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft AB/Energimyndigheten, Rechtssache C-573/12, ECLI:EU:C:2014:2037, Rn. 78.

(33)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. Februar 2009, Kommission/Italien, Rechtssache C-110/05, ECLI:EU:C:2009:66, Rn. 64.

(34)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Februar 2008, Dynamic Medien Vertriebs GmbH/Avides Media AG, Rechtssache C-244/06, ECLI:EU:C:2008:85, Rn. 47.

(35)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. September 2016, Europäische Kommission/Tschechische Republik, Rechtssache C-525/14, ECLI:EU:C:2016:714, Rn. 54 und 55.

(36)  Urteil des Gerichtshofs vom 22. September 2016, Europäische Kommission/Tschechische Republik, Rechtssache C-525/14, ECLI:EU:C:2016:714, Rn. 65 und 66.

(37)  Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 16).

(38)  Urteil des Gerichtshofs vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft AB/Energimyndigheten, Rechtssache C-573/12, ECLI:EU:C:2014:2037, Rn. 104.

(39)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Februar 2008, Dynamic Medien Vertriebs GmbH/Avides Media AG, Rechtssache C-244/06, ECLI:EU:C:2008:85, Rn. 48.

(40)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. April 2008, Kommission/Portugiesische Republik, Rechtssache C-265/06, ECLI:EU:C:2008:210, Rn. 38–41.

(41)  Richtlinie 92/22/EWG des Rates vom 31. März 1992 über Sicherheitsscheiben und Werkstoffe für Windschutzscheiben in Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern (ABl. L 129 vom 14.5.1992, S. 11).

(42)  Urteil des Gerichtshofs vom 10. April 2008, Kommission/Portugiesische Republik, Rechtssache C-265/06, ECLI:EU:C:2008:210, Rn. 38–48.

(43)  Siehe auch Abschnitt 3.5.1.

(44)  Gemäß der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit (ABl. L 11 vom 15.1.2002, S. 4).

(45)  Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1).

(46)  Empfehlung 2013/461/EU der Kommission vom 17. September 2013 zu den Grundsätzen für SOLVIT (ABl. L 249 vom 19.9.2013, S. 10).

(47)  Abschnitt IV Nummer 2 der Empfehlung 2013/461/EU.

(48)  Abschnitt III Nummer 6 der Empfehlung 2013/461/EU.

(49)  Abschnitt V.A Nummer 1 der Empfehlung 2013/461/EU.

(50)  Abschnitt V.B Nummer 2 der Empfehlung 2013/461/EU.

(51)  Abschnitt V.C Nummer 2 der Empfehlung 2013/461/EU.

(52)  Die SOLVIT-Online-Datenbank ist ein eigenständiges Modul im Binnenmarkt-Informationssystem. Angesichts dieser technischen Integration gelten die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems und zur Aufhebung der Entscheidung 2008/49/EG der Kommission („IMI-Verordnung“) (ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 1) zum Schutz personenbezogener Daten und vertraulicher Informationen auch für SOLVIT-Verfahren. Die SOLVIT-Empfehlung präzisiert zudem bestimmte Aspekte der Verarbeitung personenbezogener Daten in SOLVIT im Einklang mit der IMI-Verordnung.

(53)  Verordnung (EU) 2018/1724 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Oktober 2018 über die Einrichtung eines einheitlichen digitalen Zugangstors zu Informationen, Verfahren, Hilfs- und Problemlösungsdiensten und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 1).

(54)  Urteil des Gerichtshofs vom 30. April 1996, CIA Security/Signalson, Rechtssache C-194/94, ECLI:EU:C:1996:172. Siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 26. September 2000, Unilever, Rechtssache C-443/98, ECLI:EU:C:2000:496, und Urteil des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019, Strafverfahren gegen X, Rechtssache C-390/18, ECLI:EU:C:2019:1112.

(55)  Bericht der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Funktionsweise der Richtlinie (EU) 2015/1535 von 2014 bis 2015 (COM(2017) 788 final, S. 5).

(56)  Siehe die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 19. Dezember 2017, Das Waren-Paket: das Vertrauen in den Binnenmarkt stärken (COM(2017) 787 final).

(57)  ABl. L 11 vom 15.1.2002, S. 4.


23.3.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 100/38


MITTEILUNG DER KOMMISSION

Leitfaden zu den Artikeln 34-36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2021/C 100/03)

VORWORT

Der langfristige Aktionsplan zur besseren Anwendung und Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften (im Folgenden „Aktionsplan zur Durchsetzung“) (1), der im März 2020 angenommen wurde, stellt den Binnenmarkt und seine Durchsetzung in den Mittelpunkt. Um die Einhaltung der Vorschriften zu verbessern und eine Marktsegmentierung zu vermeiden, ist in der Maßnahme 1 des Aktionsplans zur Durchsetzung vorgesehen, dass die Kommission den nationalen Behörden und Interessenträgern spezifischere Orientierungshilfen bereitstellt. Der Plan sieht auch eine Aktualisierung des Leitfadens zur Anwendung der Artikel 34 bis 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vor.

In diesem Kontext hat die Kommission den vorliegenden Leitfaden aktualisiert. Dieser Leitfaden soll die Anwendung der EU-Rechtsvorschriften über den freien Warenverkehr erleichtern, die Durchsetzung der Vorschriften verbessern und dazu beitragen, dass Unternehmen und Verbraucher in der EU in den Genuss der Vorteile kommen, die ihnen der Binnenmarkt für Waren bringen kann. Dadurch soll besser nachvollziehbar werden, wie die Artikel 34 bis 36 AEUV im Lichte der besonders relevanten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) (im Folgenden „Gerichtshof“) in diesem Bereich zur Anwendung kommen. Der Leitfaden soll auch zu einer kohärenten Anwendung des Grundsatzes des freien Warenverkehrs im Binnenmarkt beitragen und helfen, verbleibende Hemmnisse zu beheben und keine neuen entstehen zu lassen.

Dieser Leitfaden baut auf der früheren Fassung aus dem Jahr 2009 (2) auf, berücksichtigt die einschlägige Rechtsprechung des EuGH der letzten elf Jahre und bietet somit einen umfassenden und aktuellen Überblick über die Anwendung der Artikel 34 bis 36 AEUV. Obwohl darin die einschlägige Rechtsprechung zusammengefasst und ergänzend kommentiert wird, kann jedoch kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Dieser Leitfaden ist kein rechtsverbindliches Dokument.

Die in diesem Leitfaden genannten EU-Rechtsvorschriften und Urteile sind in EUR-Lex (3) zu finden, die Urteile des Gerichtshofs sind auch auf der Website des EuGH (4) verfügbar.

INHALTSVERZEICHNIS

1.

Die Rolle und die Bedeutung des freien Warenverkehrs im Binnenmarkt 41

2.

Vertragsbestimmungen 41

3.

Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV 42

3.1.

Allgemeine Zulassungsbedingungen 42

3.1.1.

Nicht harmonisierter Bereich 42

3.1.2.

Definition des Begriffs „Waren“ 42

3.1.3.

Adressaten 43

3.1.4.

Aktive und passive Maßnahmen 44

3.2.

Räumlicher Anwendungsbereich 45

3.3.

Grenzüberschreitender Handel 45

3.4.

Beschränkungen im Sinne des Artikels 34 AEUV 46

3.4.1.

Mengenmäßige Beschränkungen 46

3.4.2.

Maßnahmen gleicher Wirkung 46

3.4.2.1.

Nutzungsbeschränkungen 47

3.4.2.2.

Diskriminierende Verkaufsmodalitäten 48

3.5.

Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung 49

4.

Arten von Maßnahmen 51

4.1.

Nationale Vorschriften im Zusammenhang mit Einfuhren (Einfuhrbewilligungen und Einfuhrkontrollen) 51

4.2.

Verpflichtung, einen Vertreter zu benennen oder Lagerkapazitäten im Einfuhrmitgliedstaat bereitzustellen 51

4.3.

Nationales Verbot von speziellen Erzeugnissen/Stoffen 52

4.4.

Preisliche Maßnahmen 53

4.5.

Genehmigungsverfahren 55

4.5.1.

Typgenehmigung 55

4.5.2.

Kraftfahrzeugzulassung 56

4.6.

Werbebeschränkungen 56

4.7.

Technische Vorschriften mit Anforderungen an die Aufmachung von Waren (Gewicht, Zusammensetzung, Aufmachung, Kennzeichnung, Form, Abmessungen, Verpackung) 57

4.8.

Herkunftsangaben, Gütezeichen, Anreize zum Kauf inländischer Erzeugnisse 58

4.9.

Beschränkungen des Fernabsatzes (Verkauf über das Internet, Versandhandel usw.) 59

4.10.

Pfandpflichten 59

4.11.

Kostenerstattungen und Paralleleinfuhren 60

4.12.

Verpflichtung zur Verwendung der Landessprache 62

4.13.

Beschränkungen der Einfuhr von Erzeugnissen für den persönlichen Gebrauch 62

5.

Landwirtschaftliche Erzeugnisse 63

6.

Ausfuhrbeschränkungen (Artikel 35 AEUV) 64

6.1.

Definition des Begriffs „Ausfuhr“ 64

6.2.

Mengenmäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung 64

7.

Rechtfertigungsgründe für Handelsbeschränkungen 66

7.1.

Artikel 36 AEUV 66

7.1.1.

Öffentliche Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit 67

7.1.2.

Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen (Vorsorgeprinzip) 68

7.1.3.

Schutz des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert 69

7.1.4.

Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums 69

7.2.

Zwingende Erfordernisse 71

7.2.1.

Umweltschutz 72

7.2.2.

Verbraucherschutz 73

7.2.3.

Sonstige zwingende Erfordernisse 73

7.3.

Prüfung der Verhältnismäßigkeit 74

7.4.

Beweislast 76

8.

Verhältnis zu anderen Freiheiten und Artikeln des Vertrags betreffend den freien Warenverkehr 76

8.1.

Grundfreiheiten 76

8.1.1.

Artikel 45 AEUV — Freizügigkeit der Arbeitnehmer 76

8.1.2.

Artikel 49 und 56 AEUV — Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr 77

8.1.3.

Artikel 63 AEUV und folgende — Freier Kapital- und Zahlungsverkehr 79

8.2.

Weitere einschlägige Vertragsartikel 79

8.2.1.

Artikel 18 AEUV — Nichtdiskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit 79

8.2.2.

Artikel 28 und 30 AEUV — Zollunion 80

8.2.3.

Artikel 37 AEUV — Staatliche Handelsmonopole 80

8.2.4.

Artikel 107 AEUV — Staatliche Beihilfen 82

8.2.5.

Artikel 110 AEUV — Steuerliche Vorschriften 83

8.2.6.

Artikel 351 AEUV 84

9.

Durchsetzung der sich aus Artikel 34 und 35 AEUV ergebenden Rechte 84

9.1.

Unmittelbare Wirkungen — Durchsetzung durch Einzelne 84

9.2.

SOLVIT 84

9.3.

Vertragsverletzungsverfahren gemäß den Artikeln 258 und 260 AEUV 85

9.3.1.

Vertragsverletzungsverfahren 85

9.3.2.

Beschwerden 85

10.

Einschlägige Instrumente des Sekundärrechts 86

10.1.

Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft 86

10.2.

Verordnung (EU) 2019/515 — Verordnung über die gegenseitige Anerkennung 87

10.3.

Verordnung (EG) Nr. 2679/98 — Die „Erdbeer-Verordnung“ 87

1.   DIE ROLLE UND DIE BEDEUTUNG DES FREIEN WARENVERKEHRS IM BINNENMARKT

Der Binnenmarkt zählt zu den größten Errungenschaften der Europäischen Union. Er ist geradezu das Herzstück des europäischen Projekts, hat in den letzten Jahrzehnten das Wirtschaftswachstum angetrieben und für die europäischen Verbraucher und Unternehmen konkrete Verbesserungen gebracht. In einer Gesundheitskrise wie der COVID-19-Pandemie kommt einem gut funktionierenden Binnenmarkt noch größere Bedeutung zu. Er ermöglicht den freien Verkehr von Waren und stellt sicher, dass sie verfügbar und unionsweit für diejenigen, die sie am dringendsten benötigen, erhältlich sind.

Die Integrität des Binnenmarkts ist auch ein wichtiges Werkzeug zur Ankurbelung der gemeinsamen Erholung der Volkswirtschaften aller Mitgliedstaaten. In dieser Hinsicht kann der Binnenmarkt nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern der EU eine größere Auswahl an Waren bieten, vielmehr erschließt er auch den Wirtschaftsbeteiligten in der EU einen großen Inlandsmarkt, was wiederum den Handel und den Wettbewerb anregt und die Effizienz steigert.

Der Binnenmarkt in seiner heutigen Form macht es möglich, dass Erzeugnisse in 27 Mitgliedstaaten der EU mit einer Gesamtbevölkerung von über 450 Millionen Einwohnern auf einfache Weise gekauft und verkauft werden können, und bietet den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein reichhaltiges Warenangebot. Gleichzeitig wirkt sich der freie Warenverkehr positiv auf die Wirtschaft aus, da ca. 75 % des Intra-EU-Handels auf Waren entfallen. Mit dem Binnenmarkt können die Unternehmen in der EU eine solide Ausgangsbasis in einem offenen, vielfältigen und wettbewerbsorientierten Umfeld aufbauen. Diese Stärke wirkt sich positiv auf das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der EU aus und sichert europäischen Unternehmen die Ressourcen, die sie benötigen, um auf dem globalen Markt erfolgreich zu sein. Ein reibungslos funktionierender Binnenmarkt für Waren ist daher eine unabdingbare Voraussetzung für den derzeitigen und künftigen Wohlstand der EU in einer globalisierten Wirtschaft. (5)

Aus rechtlicher Sicht war der Grundsatz des freien Warenverkehrs ein wichtiges Element bei der Schaffung und Weiterentwicklung des Binnenmarkts. In den Artikeln 34 bis 36 AEUV werden durch das Verbot ungerechtfertigter Beschränkungen des Intra-EU-Handels der Anwendungsbereich und die Inhalte des Grundsatzes des freien Warenverkehrs festgelegt. Diese sind aber nur in nicht harmonisierten Bereichen anwendbar.

Die Harmonisierungsvorschriften bestehen aus Verordnungen und Richtlinien der EU, die auf die Schaffung gemeinsamer, in allen Mitgliedstaaten anwendbarer Vorschriften abzielen. Verordnungen sind unmittelbar anwendbare, verbindliche Rechtsvorschriften, die in vollem Umfang in der gesamten EU angewandt werden müssen, Richtlinien dagegen legen nur ein Ziel fest, das von allen Mitgliedstaaten erreicht werden muss. Durch die Harmonisierung der Rechtsvorschriften wurde die Bedeutung des Binnenmarkts in vielen Bereichen präzisiert und damit ein konkreter Rahmen für den Grundsatz des freien Warenverkehrs für spezifische Erzeugnisse vorgegeben. Allerdings bleibt die grundlegende Funktion dieser im Vertrag festgeschriebenen Grundsätze als Fundament und Sicherheitsnetz für den Binnenmarkt unverändert bestehen.

Der freie Warenverkehr in der heutigen Form ist aus vielen Politikbereichen nicht wegzudenken und fügt sich nahtlos in einen verantwortungsbewussten Binnenmarkt ein, der einen einfachen Zugang zu hochwertigen Produkten und ein hohes Maß an Schutz anderer öffentlicher Interessen gewährleistet.

2.   VERTRAGSBESTIMMUNGEN

Nachstehend sind die wichtigsten Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr aufgeführt:

Artikel 34 AEUV über die Einfuhren innerhalb der Union, der „mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung ... zwischen den Mitgliedstaaten“ verbietet. Er lautet: „Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten.“

Artikel 35 AEUV über die Ausfuhren von einem Mitgliedstaat in einen anderen, der „mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung … zwischen den Mitgliedstaaten“ ebenso verbietet. Er lautet: „Mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten.“

Artikel 36 AEUV, der Ausnahmen von den in den Artikeln 34 und 35 AEUV festgeschriebenen Binnenmarktfreiheiten vorsieht, die aus bestimmten Gründen gerechtfertigt sind. Er lautet: „Die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.“

Das Vertragskapitel über das Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten enthält in Artikel 37 AEUV zudem Vorschriften über die Umformung staatlicher Handelsmonopole. Eine kurze Beschreibung seiner Funktion, auch in Bezug auf die Artikel 34 bis 36 AEUV, findet sich in Kapitel 6 dieses Leitfadens, in dem auch auf andere Vertragsartikel eingegangen wird.

3.   ANWENDUNGSBEREICH VON ARTIKEL 34 AEUV

3.1.   Allgemeine Zulassungsbedingungen

3.1.1.   Nicht harmonisierter Bereich

Die Artikel 34-36 AEUV bilden zwar die Grundlage für den Grundsatz des freien Warenverkehrs, sind aber nicht die einzige Richtschnur für die Beurteilung der Frage, ob nationale Maßnahmen mit den Binnenmarktregeln vereinbar sind. Diese Vertragsartikel finden Anwendung, wenn ein bestimmtes Erzeugnis nicht oder nur zum Teil durch Harmonisierungsvorschriften der EU abgedeckt ist. Dies wäre der Fall, wenn die technischen Spezifikationen oder Verkaufsbedingungen eines bestimmten Erzeugnisses Gegenstand einer Harmonisierung durch auf EU-Ebene erlassene Richtlinien oder Verordnungen sind. Daher gilt grundsätzlich die Regel, dass bei Angelegenheiten, die Gegenstand einer umfassenden Harmonisierung auf EU-Ebene gewesen sind, jede damit zusammenhängende nationale Maßnahme im Lichte der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht im Lichte des Primärrechts zu prüfen ist. (6) Wird allerdings Sekundärrecht, das auf die Beseitigung von Hindernissen für den Binnenmarkt abzielt, nicht ordnungsgemäß umgesetzt, so können sich Einzelpersonen auf die Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr berufen, um ihren Mitgliedstaat für einen Verstoß gegen EU-Recht haftbar zu machen. (7)

Kommt Sekundärrecht zur Anwendung, müssen daher alle diesbezüglichen nationalen Maßnahmen im Lichte der Harmonisierungsvorschriften bewertet werden. (8) Grund hierfür ist der Umstand, dass die Harmonisierungsvorschriften den Grundsatz des freien Warenverkehrs durch die Festlegung konkreter Rechte und Pflichten, die bei bestimmten Erzeugnissen zu beachten sind, präzisieren.

Dies veranschaulicht die Rechtssache C-292/12 Ragn-Sells betreffend bestimmte Auftragsunterlagen, die von einer Gemeinde im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe einer Dienstleistungskonzession für die Sammlung und den Transport von in ihrem Gebiet erzeugten Abfällen erstellt wurden. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass bereits die Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verbringung von Abfällen (9) ein harmonisiertes System von Verfahren bereitstellen soll, mit denen der Umlauf von Abfällen begrenzt werden kann, um den Schutz der Umwelt sicherzustellen, sodass es nicht erforderlich sei, darüber hinaus zu prüfen, ob eine die Abfallverbringung betreffende nationale Maßnahme mit den Artikeln 34 bis 36 AEUV vereinbar sei. (10) Die Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr sind auch nach jahrzehntelangen intensiven Bemühungen des EU-Gesetzgebers zur Schaffung eines Systems harmonisierter Vorschriften nicht überflüssig geworden und haben nach wie vor einen großen Anwendungsbereich. Es ist nicht ungewöhnlich, dass für bestimmte Gebiete überhaupt keine oder nur eine teilweise Harmonisierung erfolgt. Wenn keine Harmonisierungsvorschriften ermittelt werden können oder diese nicht erschöpfend sind, greifen die Artikel 34 bis 36 AEUV. In dieser Hinsicht gewährleisten die Vertragsartikel als eine Art Sicherheitsnetz, dass alle Handelshemmnisse innerhalb des Binnenmarkts auf ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Recht hin geprüft werden.

3.1.2.   Definition des Begriffs „Waren“

Die Artikel 34 und 35 AEUV umfassen Ein- und Ausfuhren von Waren und Erzeugnissen aller Art. Jede Ware, die einen wirtschaftlichen Wert hat, kann durch die Vertragsartikel abgedeckt sein: „Unter Waren im Sinne des Vertrages sind Erzeugnisse zu verstehen, die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können“ (11).

In seiner Rechtsprechung hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union mit der Qualifizierung bestimmter Erzeugnisse befasst. Kunstwerke sind z. B. als Waren zu betrachten. (12) Münzen, die nicht mehr in Umlauf sind, fallen wie Banknoten und Inhaberschecks unter die Definition des Begriffs Waren; (13) das gilt jedoch nicht für Sachspenden. (14) Müll stellt eine Ware dar, unabhängig davon, ob er recyclingfähig oder wiederverwertbar ist. (15) Elektrizität (16) und Erdgas (17) gelten ebenfalls als Waren, ebenso menschliches Blut, Plasma und daraus hergestellte Medizinprodukte (18).

Allerdings ist im Hinblick auf die im Vertrag verankerten Freiheiten eine rechtliche Unterscheidung zwischen Waren und Dienstleistungen erforderlich. (19) Während es sich beispielsweise bei Fisch eindeutig um eine Ware handelt, sind Fischereirechte und Angelgenehmigungen nicht notwendigerweise durch den Grundsatz des freien Warenverkehrs abgedeckt. Sie stellen eher Dienstleistungen im Sinne der Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr dar. (20) Wenn eine staatliche Maßnahme sowohl den freien Dienstleistungsverkehr als auch den freien Warenverkehr beeinträchtigt, kann der Gerichtshof die Maßnahme in Bezug auf beide Freiheiten prüfen. Beispielsweise hat der Gerichtshof in der Rechtssache C-591/17 Österreich/Deutschland betreffend eine Infrastrukturabgabe und eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge diese Maßnahme im Hinblick auf Artikel 34 AEUV und auf den freien Dienstleistungsverkehr nach Artikel 56 AEUV geprüft. Darüber hinaus betrachtete er den Fall auch in Bezug auf den Grundsatz des Verbots der Diskriminierung gemäß Artikel 18 AEUV und auf Artikel 92 AEUV, der ein Diskriminierungsverbot im Verkehrsbereich normiert. (21)

3.1.3.   Adressaten

Die Artikel 34-36 AEUV beziehen sich auf die Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten getroffen werden. Die entsprechenden Bestimmungen wurden weit ausgelegt, sodass sie nicht nur für Regierungsbehörden, sondern auch für alle anderen Behörden eines Landes, einschließlich lokaler und regionaler Gebietskörperschaften (22), sowie für die Organe der Rechtsetzung, der Justiz und der öffentlichen Verwaltung eines Mitgliedstaats (23) verbindlich sind. Abgedeckt sind dadurch offensichtlich alle Maßnahmen, die von „Körperschaften des öffentlichen Rechts“ ergriffen werden. Darüber hinaus können die Artikel 34 bis 36 AEUV auf Maßnahmen nicht staatlicher Akteure oder anderer Körperschaften des privaten Rechts Anwendung finden, sofern sie bestimmte hoheitliche Aufgaben erfüllen oder ihre Tätigkeit auf andere Weise dem Staat zugerechnet werden kann. Die Maßnahmen einer Standesorganisation, der für den betreffenden Berufsstand ordnungsrechtliche und disziplinarische Befugnisse übertragen wurden, können tatsächlich in den Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV fallen. (24)

Gleiches gilt für Tätigkeiten von Körperschaften des privaten Rechts, die jedoch aufgrund eines Gesetzes errichtet wurden, die im Wesentlichen von der Regierung oder durch Pflichtbeiträge von Betrieben des betreffenden Wirtschaftszweigs finanziert werden und/oder deren Mitglieder von öffentlichen Verwaltungen benannt oder überwacht werden und die insofern dem Staat zugerechnet werden können. (25) In der Rechtssache Fra.bo befand der Gerichtshof, dass Artikel 34 AEUV horizontal für eine private Zertifizierungsstelle gelte. Die von dieser Stelle zertifizierten Erzeugnisse wurden von nationalen Behörden als mit dem nationalen Recht konform angesehen. Aufgrund dieser erworbenen Ermächtigung hatte die Zertifizierungsstelle de facto die Befugnis, den Zugang von Erzeugnissen, in diesem Fall Kupferfittings, zum deutschen Markt zu regeln. (26) Der Gerichtshof erkannte an, dass öffentliche Erklärungen eines Staatsvertreters, auch wenn sie keine rechtliche Verbindlichkeit besitzen, einem Mitgliedstaat zuzurechnen sind und insofern ein Hindernis für den freien Warenverkehr darstellen können.. Das könne insbesondere dann der Fall sein, wenn die Empfänger der Erklärungen annehmen dürfen, dass der Beamte die Äußerungen mit Amtsautorität macht. (27)

Auch wenn der Begriff „Mitgliedstaat“ weit ausgelegt worden ist, deckt er in der Regel rein private Maßnahmen, d. h. Maßnahmen von Privatpersonen oder Unternehmen, nicht ab, da diese dem Staat nicht zugerechnet werden können. In der Rechtssache C-265/95 Kommission/Frankreich beurteilte der Gerichtshof jedoch das Versäumnis Frankreichs, alle erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, um Sachbeschädigungen durch Privatpersonen, in diesem Fall französische Bauern, die importierte landwirtschaftliche Erzeugnisse zerstört hatten, als Verletzung des Artikels 34 AEUV in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 3 AEUV. (28) Obwohl die Beschränkung durch Handlungen von Privatpersonen eingetreten war, wurde der Verstoß gegen EU-Recht einem Mitgliedstaat angelastet, weil dieser keine ausreichenden Maßnahmen zum Schutz des freien Warenverkehrs ergriffen hatte.

Artikel 34 AEUV wurde auch auf Maßnahmen der EU-Organe angewendet. Was die gerichtliche Nachprüfbarkeit angeht, so verfügt der EU-Gesetzgeber aber über einen weiten Ermessensspielraum. Folglich ist eine Maßnahme eines EU-Organs nur dann rechtswidrig, wenn die Maßnahme zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist. (29)

3.1.4.   Aktive und passive Maßnahmen

Die Geltendmachung von Artikel 34 AEUV bei nationalen Maßnahmen, die Beeinträchtigungen für den grenzüberschreitenden Handel schaffen, wird häufig als Verteidigungsrecht betrachtet und setzt notwendigerweise ein Tätigwerden seitens eines Staates voraus. Folglich handelt es sich bei den in den Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV fallenden Maßnahmen primär um verbindliche Rechtsvorschriften von Mitgliedstaaten. Doch auch nicht verbindliche Maßnahmen können einen Verstoß gegen Artikel 34 AEUV darstellen. (30) Dies ist der Fall, wenn eine Verwaltungspraxis, die zu einem Hemmnis für den freien Warenverkehr führen kann, sich hinreichend verfestigt hat und einen bestimmten Grad der Allgemeingültigkeit aufweist. (31)

Zu den Verwaltungsverfahren, die vom Gerichtshof als Maßnahmen gleicher Wirkung angesehen werden, gehören: die systematische und ihrer Art nach protektionistische und diskriminierende Ablehnung der Zulassung bestimmter Typen von Frankiermaschinen, (32) die systematische Einstufung von Erzeugnissen auf der Basis von Arzneipflanzen, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig als Nahrungsergänzungsmittel oder diätetische Erzeugnisse hergestellt oder in Verkehr gebracht worden sind, als Funktionsarzneimittel und — mangels Zulassung — ihre Rücknahme vom Markt, (33) die durchgängige Einstufung von Vitaminpräparaten, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig als Nahrungsergänzungsmittel hergestellt oder in Verkehr gebracht worden sind, als Arzneimittel, wenn ihr Vitamingehalt die dreifache empfohlene Tagesdosis überschreitet, (34) sowie die Forderung, dass angereicherte Lebensmittel, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht worden sind, in Dänemark nur dann vermarktet werden dürfen, wenn nachgewiesen wird, dass der betreffende Zusatz von Nährstoffen einem Bedürfnis der dänischen Bevölkerung entspricht. (35)

In Anbetracht der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nach Artikel 4 Absatz 3 AEUV, wonach sie alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung ihrer Vertragsverpflichtungen treffen müssen, und der „nützlichen Wirkung“ des EU-Rechts hat der Gerichtshof festgestellt, dass nach Artikel 34 AEUV nicht nur Handlungen, sondern auch Unterlassungen von Staaten verboten sind. Dies ist möglicherweise dann der Fall, wenn ein Mitgliedstaat nicht die Maßnahmen trifft, die zur Beseitigung von Hemmnissen für den freien Warenverkehr erforderlich wären, wobei das konkrete Hemmnis auch durch Handlungen von Privatpersonen entstanden sein kann. In der Rechtssache C-265/95 wurde Frankreich für Aktionen von Landwirten verantwortlich gemacht, die die Einfuhren landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus benachbarten Mitgliedstaaten beschränken wollten, indem sie Lastwagen mit solchen Erzeugnissen anhielten oder deren Ladung vernichteten. Die Untätigkeit der französischen Behörden bei diesen Aktionen wurde als Verstoß gegen Artikel 34 AEUV angesehen, da die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, in ihrem Hoheitsgebiet den freien Warenverkehr zu gewährleisten, indem sie die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen treffen, um jede Beschränkung aufgrund von Handlungen von Privatpersonen zu verhindern. (36)

Artikel 34 AEUV kann zudem eine Ergebnispflicht begründen. Gegen diese Pflicht wird verstoßen, wenn ein Mitgliedstaat wegen Untätigkeit oder unzureichender Tätigkeit die gesetzten Ziele nicht erreicht. In der Rechtssache C-309/02 befand der Gerichtshof beispielsweise in einer Vorabentscheidung, dass Deutschland gegen Artikel 34 AEUV verstoßen habe, indem nicht sichergestellt wurde, dass sich private Wirtschaftsteilnehmer tatsächlich an einem obligatorischen deutschen Rücknahmesystem für Einweggetränkeverpackungen beteiligen konnten. (37)

3.2.   Räumlicher Anwendungsbereich

Die Verpflichtung zur Einhaltung der Bestimmungen gemäß Artikel 34-36 AEUV gilt für alle Mitgliedstaaten der EU. Darüber hinaus können die Vertragsbestimmungen auch für europäische Gebiete gelten, deren auswärtige Beziehungen von einem Mitgliedstaat wahrgenommen werden, sowie für von einem Mitgliedstaat abhängige oder anderweitig mit ihm assoziierte überseeische Gebiete. (38)

Der Anhang dieses Leitfadens enthält nähere Angaben zu den Gebieten, die in den Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV fallen.

Was die EFTA-Staaten, die Vertragsparteien des EWR-Abkommens sind, und die Türkei angeht, so gelten für den Warenverkehr zwischen diesen Ländern und den Mitgliedstaaten nicht die Bestimmungen des AEUV, sondern die Bestimmungen spezieller Übereinkommen. Für Erzeugnisse gemäß Artikel 8 Absatz 3 des EWR-Abkommens aus Island, Liechtenstein und Norwegen gilt daher gemäß Artikel 11 des EWR-Abkommens der freie Warenverkehr in der EU. Dasselbe trifft für Industrieerzeugnisse aus der Türkei gemäß den Artikeln 5 bis 7 des Beschlusses Nr. 1/95 des Assoziationsrates EG-Türkei über die Durchführung der Endphase der Zollunion zu. (39)

3.3.   Grenzüberschreitender Handel

Der Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV ist auf Handelshemmnisse zwischen den Mitgliedstaaten beschränkt. Damit eine Rechtssache nach dieser Bestimmung beurteilt werden kann, ist daher ein grenzüberschreitendes Element erforderlich. Rein nationale Maßnahmen, die nur inländische Waren betreffen, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Artikel 34-36 AEUV. Um das Kriterium des grenzüberschreitenden Charakters zu erfüllen, genügt es, dass die betreffende Maßnahme geeignet ist, den Handel innerhalb der Union mittelbar oder potenziell zu behindern. (40)

Theoretisch werden die Mitgliedstaaten durch das in den Vertragsbestimmungen festgelegte Erfordernis des grenzüberschreitenden Charakters nicht daran gehindert, ihre inländischen Erzeugnisse weniger günstig als Einfuhren zu behandeln („umgekehrte Diskriminierung“), obwohl dies in der Praxis eher unwahrscheinlich ist. Artikel 34 AEUV gilt zwar, wenn ein inländisches Erzeugnis wiedereingeführt wird oder wenn es den betreffenden Mitgliedstaat verlässt und danach wieder in diesen eingeführt wird (41), kommt aber nicht zur Anwendung, wenn die Wiedereinfuhr nur dazu dient, die nationalen Vorschriften zu umgehen (42).

Ein grenzüberschreitender Charakter kann auch vorliegen, wenn ein Erzeugnis im betreffenden Mitgliedstaat lediglich im Durchfuhrverkehr befördert wird. In diesem Zusammenhang bezieht sich Artikel 36 AEUV eindeutig auf Beschränkungen für Waren im Durchfuhrverkehr, die unter die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 AEUV fallen.

Der Grundsatz des freien Warenverkehrs gilt für Erzeugnisse aus den Mitgliedstaaten und für Erzeugnisse aus Drittländern, die sich in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden. Nach Artikel 29 AEUV gelten Waren aus dritten Ländern als im freien Verkehr eines Mitgliedstaats befindlich, wenn die betreffenden Einfuhrförmlichkeiten erfüllt sowie die vorgeschriebenen Zölle erhoben worden sind. In der Rechtssache C-30/01 Kommission/Vereinigtes Königreich bestätigte der Gerichtshof, dass gemäß Artikel 29 Absatz 2 AEUV Maßnahmen, die zur Liberalisierung des innergemeinschaftlichen Handels getroffen werden, in gleicher Weise für aus den Mitgliedstaaten stammende Waren sowie für Waren aus dritten Ländern gelten. (43)

Nach ständiger Rechtsprechung entgeht eine nationale Maßnahme nicht allein deshalb dem Verbot gemäß den Artikeln 34-35 AEUV, weil die Beschränkung geringfügig ist und noch andere Möglichkeiten des Vertriebs bestehen. (44) Selbst wenn eine Maßnahme von relativ geringer wirtschaftlicher Bedeutung ist, nur für einen sehr begrenzten geografischen Teil des Hoheitsgebiets gilt (45) oder nur eine begrenzte Anzahl von Ein- bzw. Ausfuhren oder Wirtschaftsbeteiligten betrifft, kann sie eine verbotene Maßnahme gleicher Wirkung darstellen.

Staatliche Maßnahmen, deren beschränkende Wirkung auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu ungewiss und nur von mittelbarer Bedeutung ist, können davon jedoch ausgenommen sein. (46) Beispielsweise befand der Gerichtshof in der Rechtssache C-297/05, dass eine administrative Formalität der Niederlande zur Identifizierung von Fahrzeugen, die vor ihrer Zulassung in das Land eingeführt wurden, „nicht abschreckend auf die Einfuhr eines Fahrzeugs in die Niederlande wirken oder eine solche Einfuhr weniger interessant machen“ könne. (47) Somit fiel diese Maßnahme nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV.

3.4.   Beschränkungen im Sinne des Artikels 34 AEUV

3.4.1.   Mengenmäßige Beschränkungen

Mengenmäßige Beschränkungen sind definiert als Maßnahmen, die die Einfuhr oder die Durchfuhr von Waren gänzlich oder teilweise untersagen. (48) Beispiele hierfür sind ein völliges Einfuhrverbot oder ein Quotensystem. (49) Anders ausgedrückt: mengenmäßige Beschränkungen greifen dann, wenn bestimmte Einfuhr- oder Ausfuhrgrenzen erreicht sind. In den Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV fallen allerdings nur nichttarifäre Kontingentierungen, da Zollkontingente durch Artikel 30 AEUV abgedeckt sind, der Ein- und Ausfuhrzölle oder Abgaben gleicher Wirkung verbietet.

Eine mengenmäßige Beschränkung kann auf einer gesetzlichen Regelung oder lediglich auf einer Verwaltungspraxis beruhen. Eine verdeckte oder verschleierte Form der Kontingentierung fällt daher ebenfalls unter Artikel 34 AEUV.

3.4.2.   Maßnahmen gleicher Wirkung

Der Begriff „Maßnahmen gleicher Wirkung“ ist wesentlich weiter gefasst als der Begriff „mengenmäßige Beschränkungen“. Es ist zwar schwierig, eine genaue Trennlinie zwischen mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung zu ziehen, was in der Praxis allerdings von geringer Bedeutung ist, da sich die Prüfungsmethodik für mengenmäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung im Allgemeinen nicht unterscheidet.

In der Rechtssache Dassonville legte der Gerichtshof die Bedeutung und den Umfang von Maßnahmen gleicher Wirkung folgendermaßen aus: (50)

„Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, ist als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen.“

Diese Definition wurde in der späteren Rechtsprechung mit leicht abweichenden Formulierungen bestätigt. So ist heute nur noch selten von „Handelsregelungen“ die Rede, da sich die Dassonville-Formel nicht auf Handelsregelungen beschränkt, sondern beispielsweise auch technische Regelungen und sogar nicht verbindliche Rechtsakte umfasst.

In der Rechtssache Dassonville hat der Gerichtshof hervorgehoben, das wichtigste Element, aufgrund dessen beurteilt werden könne, ob eine nationale Maßnahme unter Artikel 34 AEUV falle, sei ihre Wirkung („die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern“) (51). Demzufolge ist ein diskriminierender Aspekt nicht mehr die Voraussetzung dafür, dass bei einer nationalen Maßnahme Artikel 34 AEUV zur Anwendung kommen kann.

Das Grundsatzurteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Cassis de Dijon (52) bestätigte diesen Ansatz. Darin stellte der Gerichtshof fest, dass die Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten Hindernisse für den Warenverkehr darstellen könnten, und bekräftigte damit, dass Artikel 34 AEUV auch auf nationale Maßnahmen anwendbar sei, die gleichermaßen für inländische und eingeführte Waren gelten. Wenn die Mitgliedstaaten in diesem Fall abweichende Regelungen erlassen, können sie nicht nur Artikel 36 AEUV, sondern auch zwingende Erfordernisse geltend machen; ein Grundsatz, der in diesem Urteil erstmals aufgestellt wurde.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich Artikel 34 AEUV auf nationale Maßnahmen erstreckt, die eingeführte Waren diskriminieren (sogenannte unterschiedlich anwendbare Maßnahmen), und auf nationale Maßnahmen, die scheinbar unterschiedslos für inländische und eingeführte Waren gelten, tatsächlich jedoch Einfuhren erschweren (sogenannte unterschiedslos anwendbare Maßnahmen). (53) Erschwert werden Einfuhren dadurch, dass die betreffenden Waren zwei Arten von Vorschriften erfüllen müssen: die Vorschriften des Herstellungsmitgliedstaats und diejenigen des Einfuhrmitgliedstaats.

Daher gelten inzwischen auch alle sonstigen Maßnahmen, die den Marktzugang behindern können, als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung. (54) In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in der Rechtssache Kommission/Spanien (55) festgestellt, dass aus der Rechtsprechung klar hervorgehe, dass auch eine Maßnahme, die nicht den Zweck oder die Wirkung habe, Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln, unter den Begriff einer Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne des Artikels 34 AEUV falle, wenn sie den Zugang zum Markt eines Mitgliedstaats für Waren aus anderen Mitgliedstaaten behindere.

Der sogenannten Marktzugangsprüfung liegt die Annahme zugrunde, dass die Marktzugangsbedingungen für eingeführte Erzeugnisse in irgendeiner Form erschwert sind. Häufig beschäftigt sich der Gerichtshof schwerpunktmäßig mit der Frage, ob die betreffende Maßnahme möglicherweise erheblichen Einfluss auf das Verhalten der Verbraucher hat, indem sie den Kauf eines eingeführten Erzeugnisses unattraktiver macht. (56)

Daher ist die Definition von Maßnahmen gleicher Wirkung weit gefasst und verändert sich ständig. So hat der Gerichtshof in der Rechtssache C-591/17 Österreich/Deutschland beispielsweise festgestellt, dass eine Infrastrukturabgabe und eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge den Zugang für Waren aus anderen Mitgliedstaaten zum deutschen Markt beschränke und somit eine Beschränkung des freien Warenverkehrs darstelle. In seiner Entscheidung hat er darauf hingewiesen, dass die Infrastrukturabgabe, auch wenn sie nicht auf die beförderten Waren als solche erhoben werde, gleichwohl geeignet sei, den Marktzugang von Waren, die mit in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenen Personenkraftwagen mit einem Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t geliefert würden, zu beeinträchtigen. (57)

Ein weiteres Beispiel für den dynamischen Charakter des Begriffs einer Maßnahme gleicher Wirkung ist die Rechtssache C-573/12 Ålands Vindkraft, die eine nationale Förderregelung für grünen Strom betraf. Unter diesem Programm wurden Zertifikate nur an schwedische Erzeuger von grünem Strom erteilt, selbst wenn der von ihnen gelieferte oder genutzte Strom auch importierten Strom umfassen konnte. Nach Auffassung des Gerichtshofs könnten durch eine solche Regelung Einfuhren von (grünem) Strom aus anderen Mitgliedstaaten zumindest mittelbar und potenziell behindert werden. Der Gerichtshof wies darauf hin, dass das Versäumnis eines Mitgliedstaats, ausreichende Maßnahmen zur Beseitigung von Hemmnissen für den freien Warenverkehr zu treffen, den innergemeinschaftlichen Handel ebenso wie eine Handlung beeinträchtigen könne. Daher befand der Gerichtshof, dass die in Rede stehende Regelung eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung darstellte. (58)

3.4.2.1.   Nutzungsbeschränkungen

In letzter Zeit wird in der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine weitere Kategorie von Beschränkungen ausgearbeitet, nämlich Nutzungsbeschränkungen. Bei solchen Beschränkungen handelt es sich um nationale Regelungen, die den Verkauf eines Erzeugnisses erlauben, gleichzeitig aber in einem gewissen Umfang seine Nutzung einschränken. Nutzungsbeschränkungen können Beschränkungen im Hinblick auf den Zweck oder das Verfahren einer besonderen Nutzung, auf den Kontext oder den Zeitpunkt der Nutzung, den Umfang der Nutzung oder die Art der Nutzung sein. Unter bestimmten Umständen können solche Maßnahmen als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung angesehen werden.

Drei Rechtssachen können in diesem Zusammenhang genannt werden. Der erste Fall, die Rechtssache Kommission/Portugal (59), betraf ein portugiesisches Gesetz, durch das die Befestigung von farbigen Folien an den Scheiben von Kraftfahrzeugen verboten wurde. Die Kommission brachte vor, potenzielle Interessenten, Händler oder Privatpersonen würden solche Folien in dem Wissen, dass sie sie nicht auf den Scheiben von Kraftfahrzeugen befestigen dürften, nicht kaufen. (60) Der Gerichtshof scheint dieser Argumentation gefolgt zu sein und stellte Folgendes fest: „Potenzielle Interessenten, Händler oder Privatpersonen haben in dem Wissen, dass es verboten ist, solche Folien an der Windschutzscheibe und den Scheiben bei den Sitzen der Kraftfahrzeuginsassen zu befestigen, praktisch kein Interesse daran, sie zu kaufen.“ (61) Folglich gelangte der Gerichtshof zu der Auffassung, dass Portugal gegen seine Verpflichtungen aus dem Artikel 34 AEUV verstoßen hat.

Der zweite Fall betraf die Rechtssache Kommission/Italien (62), in der zu prüfen war, ob Italien durch die Aufrechterhaltung von Vorschriften, die das Ziehen von Anhängern durch Krafträder verboten, gegen seine Verpflichtungen nach Artikel 34 AEUV verstoßen habe. In Bezug auf die eigens für Krafträder konzipierten Anhänger vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass die Möglichkeiten, diese anders als zusammen mit Krafträdern zu verwenden, gering seien, da Verbraucher, die wüssten, dass sie ihr Kraftrad nicht mit einem eigens dafür konzipierten Anhänger verwenden dürften, praktisch kein Interesse daran hätten, einen solchen Anhänger zu kaufen. (63) Daher verstieß das fragliche Verbot gegen Artikel 34 AEUV.

Die Rechtssache Mickelsson und Roos (64) schließlich betraf ein Vorabentscheidungsersuchen, in dem die Frage vorgelegt wurde, ob Artikel 34 und 36 AEUV schwedischen Vorschriften über die Benutzung von Wassermotorrädern entgegenstehen. Nach schwedischen Vorschriften ist die Benutzung von Wassermotorrädern außerhalb von Wasserstraßen, die nicht als öffentlichen Wasserstraßen gelten, und von Wasserflächen, für die von der örtlichen Behörde eine Genehmigung erteilt wurde, verboten und wird mit einer Geldbuße geahndet. Der Gerichtshof stellte fest, dass solche Vorschriften, wenn sie dazu führen sollten, die Benutzer von Wassermotorrädern daran zu hindern, von diesen den ihnen eigenen und wesensimmanenten Gebrauch zu machen oder deren Nutzung stark zu behindern, zur Folge hätten, dass der Zugang dieser Erzeugnisse zum fraglichen nationalen Markt behindert wird. Da die tatsächlichen Möglichkeiten, Wassermotorräder in Schweden zu benutzen, nur unbedeutend seien, stellten die nationalen Vorschriften Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung dar. (65) Allerdings befand der Gerichtshof, dass die nationalen Vorschriften sich möglicherweise mit dem Schutz der Umwelt rechtfertigen ließen, wenn bestimmte weitere Anforderungen erfüllt seien. (66) In der Rechtssache Sandström hat der Gerichtshof die Bedingungen weiter präzisiert, unter denen ein Verbot der Benutzung eines Wassermotorrads außerhalb bestimmter ausgewiesener Wasserstraßen zulässig ist. (67)

Wie bereits erläutert, richtet sich die Beurteilung von Nutzungsbeschränkungen auch nach der Marktzugangsprüfung. Neben den Marktauswirkungen einer Maßnahme bewertet der Gerichtshof auch die möglichen Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Maßnahmen, die ein vollständiges Verbot der Verwendung eines bestimmten Erzeugnisses auferlegen, sodass dessen Verwendung für die spezifischen und inhärenten Zwecke, für die es bestimmt ist, verhindert werden oder seine Nutzung stark eingeschränkt wird, in den Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV fallen.

3.4.2.2.   Diskriminierende Verkaufsmodalitäten

Fast zwanzig Jahre nach dem Urteil in der Rechtssache Dassonville hielt es der Gerichtshof für erforderlich, seine Rechtsprechung in Bezug auf den Anwendungsbereich von „Maßnahmen gleicher Wirkung“ gemäß Artikel 34 AEUV zu überarbeiten. So hat der Gerichtshof in seinem Grundsatzurteil in der Rechtssache Keck und Mithouard betreffend französische Rechtsvorschriften, die den Wiederverkauf zum Verlustpreis verboten, den Begriff der Verkaufsmodalitäten geprägt. (68) Er stellte fest, dass „die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet [sei], den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Urteils Dassonville [...] unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, sofern

1.

diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern

2.

sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren.“ (69)

Vorschriften, denen Waren entsprechen müssen, werden auch weiterhin gemäß dem Urteil in der Rechtssache Cassis de Dijon behandelt und fallen daher per se in den Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV. Dagegen gilt für Verkaufsmodalitäten Artikel 34 AEUV nur, wenn derjenige, der einen Verstoß geltend macht, nachweisen kann, dass sie Erzeugnisse aufgrund ihrer Herkunft diskriminieren, sei es rechtlich oder tatsächlich.

In der Rechtssache C-591/17 Republik Österreich beschrieb der Gerichtshof Verkaufsmodalitäten als nationale Vorschriften, die „die Art und Weise regeln, in der Waren vermarktet werden können“. (70) Dementsprechend umfassen Verkaufsmodalitäten Maßnahmen, die sich auf die Voraussetzungen und Methoden des Absatzes (siehe Abschnitt 4.6) (71), den Zeitpunkt des Warenverkaufs (72), den Ort des Warenverkaufs oder auf Beschränkungen hinsichtlich der Frage, wer die Waren verkaufen darf (73), sowie in einigen Fällen auf Maßnahmen der Produktpreisgestaltung (siehe Abschnitt 4.4) (74) beziehen. Vergleichsweise ist einfacher nachvollziehbar, welche Arten von Maßnahmen sich auf die Merkmale von Erzeugnissen beziehen, als welche Arten von Maßnahmen Verkaufsmodalitäten darstellen. Maßnahmen, die die Merkmale eines Erzeugnisses betreffen, könnten sich beispielsweise auf dessen Form, Abmessungen, Gewicht, Zusammensetzung, Aufmachung oder Kennzeichnung beziehen (siehe Abschnitt 4.7).

Als Beispiel sei angeführt, dass der Gerichtshof in der Rechtssache Alfa Vita (75) befand, dass eine nationale Regelung, die den Verkauf von „Bake-off“-Erzeugnissen von denselben Erfordernissen abhängig mache, wie sie für das vollständige Verfahren der Herstellung und des Inverkehrbringens von herkömmlichem Brot und herkömmlichen Backwaren gelten, gegen Artikel 34 AEUV verstoße und nicht als Verkaufsmodalität angesehen werden könne. Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass, wenn von den Verkäufern von „Bake-off“-Erzeugnissen verlangt werde, sämtliche Anforderungen zu erfüllen, die für herkömmliche Bäckereien gelten, die Besonderheit dieser Erzeugnisse nicht berücksichtigt würden und zusätzliche und damit das Inverkehrbringen erschwerende Kosten entstünden. (76)

Bestimmte Verfahren bzw. Verpflichtungen, die sich nicht auf ein Erzeugnis oder dessen Verpackung beziehen, können als Verkaufsmodalitäten betrachtet werden, wie sich in der Rechtssache Sapod Audic/Eco-Emballages (77) gezeigt hat. Die betreffende nationale Maßnahme sah vor, dass jeder Hersteller oder jeder Importeur verpflichtet ist, für die Beseitigung aller seiner Verpackungsabfälle zu sorgen oder hierzu beizutragen. Der Gerichtshof wies darauf hin, dass die Bestimmung lediglich „eine allgemeine Pflicht zur Identifizierung der Verpackungen enthält, die von einem anerkannten Unternehmen zum Zweck ihrer Beseitigung behandelt werden“ (78). Der Gerichtshof vertrat daher folgende Auffassung: „In diesem Fall bezieht sich die in der nationalen Bestimmung statuierte Pflicht nicht als solche auf das Erzeugnis oder seine Verpackung und betrifft daher für sich genommen nicht die Anforderungen, denen Erzeugnisse etwa hinsichtlich ihrer Beschriftung oder ihrer Verpackung genügen müssen.“ (79) Folglich könnte sie als eine Verkaufsmodalität angesehen werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Verkaufsmodalitäten Maßnahmen sind, die sich eher auf den Vertrieb eines Erzeugnisses als auf dessen Merkmale beziehen (80) und die nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV fallen, wenn sie die beiden in dem oben beschriebenen Urteil in der Rechtssache Keck genannten Bedingungen erfüllen.

3.5.   Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung

Technische Hindernisse für den freien Warenverkehr können vorliegen, wenn die Behörden eines Mitgliedstaats nationale Regelungen anwenden, in denen Anforderungen für Erzeugnisse festgelegt werden, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden. Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht werden, sind Waren oder Waren desselben Typs, die den in diesem Mitgliedstaat geltenden einschlägigen Vorschriften entsprechen oder keinen derartigen Vorschriften in diesem Mitgliedstaat unterliegen und Endnutzern in diesem Mitgliedstaat zur Verfügung gestellt werden. Wenn durch nationale Vorschriften das Sekundärrecht der EU nicht umgesetzt wird, stellen sie technische Hindernisse dar, auf die die Artikel 34 und 36 AEUV auch dann anwendbar sind, wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten.

Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs wurde der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung geschaffen. Im Urteil in der Rechtssache Cassis de Dijon (81) stellte der Gerichtshof fest, dass bei nicht vorhandener Harmonisierung nationale Vorschriften, die Anforderungen (wie z. B. in Bezug auf Bezeichnung, Form, Größe, Gewicht, Zusammensetzung, Aufmachung, Etikettierung, Verpackung) festlegen, denen Waren aus anderen Mitgliedstaaten, in denen diese Waren rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht wurden, genügen müssen, Hindernisse für den freien Warenverkehr darstellen und nach Artikel 34 AEUV verbotene Maßnahmen sind.

Nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung sollte ein Unternehmen, wenn es ein Erzeugnis in einem Mitgliedstaat rechtmäßig und unter Einhaltung der geltenden nationalen technischen Vorschriften dieses Mitgliedstaats verkauft, dieses Erzeugnis auch in anderen Mitgliedstaaten verkaufen dürfen, ohne es an die nationalen Vorschriften der einführenden Mitgliedstaaten anpassen zu müssen.

Daher dürfen die Bestimmungsmitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Waren, die auf EU-Ebene nicht harmonisiert sind und die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, grundsätzlich selbst dann nicht beschränken oder ablehnen, wenn sie nach technischen und qualitätsbezogenen Vorschriften hergestellt wurden, die von den für inländische Erzeugnisse bestehenden Bestimmungen abweichen. Dasselbe gilt, wenn es im Ursprungsmitgliedstaat keine technischen Vorschriften für dieses Erzeugnis gibt.

Der Grundsatz gilt jedoch nicht absolut: Eine Einschränkung kann durch einen Zweck gerechtfertigt sein, der im Allgemeininteresse liegt.

Daher sollte die gegenseitige Anerkennung nicht zu einer Herabsetzung der Gesundheits-, Umwelt- oder Sicherheitsstandards oder zu einer Einschränkung der Marktüberwachungskapazitäten der nationalen Behörden führen; vielmehr geht es darum, sorgfältig zwischen dem freien Warenverkehr und dem öffentlichen Interesse abzuwägen. Die Mitgliedstaaten müssen den Grundsatz nur befolgen, wenn die legitimen Interessen, die durch die anwendbare nationale Vorschrift abgedeckt werden, angemessen geschützt sind.

Ausnahmen von der Freiheit des Warenverkehrs müssen eng ausgelegt werden. (82) Hindernisse sind nur dann akzeptabel, wenn die nationalen Maßnahmen erforderlich sind, um zwingenden Erfordernissen oder einem der in Artikel 36 AEUV aufgeführten Interessen Rechnung zu tragen, und wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten berechtigten Ziel stehen. Dies wird in einem kürzlich ergangenen Urteil des Gerichtshofs, das sich auf die Verweigerung der Anerkennung bestimmter Punzen bezieht, gut zusammengefasst:

„So sind Hemmnisse für den freien Warenverkehr, die sich in Ermangelung einer Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften daraus ergeben, dass von einem Mitgliedstaat auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, Vorschriften über die Voraussetzungen, denen diese Waren entsprechend müssen, angewandt werden, auch wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten, nach Art. 34 AEUV verbotene Maßnahmen gleicher Wirkung, sofern sich die Anwendung dieser Vorschriften nicht durch einen Zweck rechtfertigen lässt, der im Allgemeininteresse liegt und den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgeht.“ (83)

In der gleichen Rechtssache stellte der Gerichtshof auch fest, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung auf den Handel innerhalb der Union mit aus Drittländern stammenden Waren, die sich im freien Verkehr befinden, nicht angewandt werden kann, wenn diese Waren nicht vor ihrer Ausfuhr in einen anderen Mitgliedstaat als denjenigen, in dem sie sich im freien Verkehr befinden, im Gebiet eines Mitgliedstaats rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind. (84)

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Ausnahmen vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, der im nicht harmonisierten Bereich gilt, möglich sind.

(1)

Als allgemeine Regel gilt, dass für in einem Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebrachte Erzeugnisse das Recht auf freien Warenverkehr in Anspruch genommen werden kann.

(2)

Die allgemeine Regel gilt nicht, wenn der Bestimmungsmitgliedstaat nachweisen kann, dass er aus den in Artikel 36 AEUV aufgeführten Gründen oder wegen der zwingenden Erfordernisse, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs definiert sind, vorbehaltlich der Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit seine eigenen technischen Vorschriften für die betreffenden Erzeugnisse erlassen muss.

Ab dem 19. April 2020 gilt die neue Verordnung (EU) 2019/515 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gegenseitige Anerkennung von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind (85). Sie ersetzt die Verordnung (EG) Nr. 764/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Verfahren im Zusammenhang mit der Anwendung bestimmter nationaler technischer Vorschriften für Produkte, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind (86).

4.   ARTEN VON MAßNAHMEN

Maßnahmen gleicher Wirkung nach Artikel 34 AEUV können sich sehr vielfältig darstellen und ausgestaltet sein. Zuweilen sind dies recht offenkundige Maßnahmen, die auf die Einfuhren abzielen oder eine Vorzugsbehandlung inländischer Erzeugnisse ermöglichen, während es sich bei anderen wiederum um unerwartete Nebenwirkungen handelt, die sich aus allgemeinen politischen Entscheidungen ergeben. In den letzten Jahrzehnten sind in der Rechtsprechung und in der praktischen Anwendung der Artikel 34 bis 36 AEUV in Vertragsverletzungsverfahren verschiedene Arten von Maßnahmen wiederholt in Erscheinung getreten. Einige davon werden nachfolgend beschrieben.

4.1.   Nationale Vorschriften im Zusammenhang mit Einfuhren (Einfuhrbewilligungen und Einfuhrkontrollen)

Nationale Maßnahmen, die unmittelbar die Einfuhr von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten betreffen, können die Importe erschweren und werden daher regelmäßig als Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen angesehen, die gegen Artikel 34 AEUV verstoßen. Ein anschauliches Beispiel ist die Verpflichtung zur Erlangung einer Einfuhrbewilligung vor der Einfuhr von Erzeugnissen. Da förmliche Verfahren dieser Art zu Verzögerungen führen können, kann eine solche Verpflichtung Artikel 34 AEUV zuwiderlaufen, auch wenn die Bewilligungen automatisch erteilt werden und der betreffende Mitgliedstaat sich das Recht auf Nichterteilung einer Bewilligung angeblich nicht vorbehält. (87)

Kontrollen wie veterinärrechtliche, gesundheitsrechtliche, pflanzenschutzrechtliche und sonstige Kontrollen, einschließlich zollamtlicher Prüfungen von Einfuhren (und Ausfuhren), gelten als Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne der Artikel 34 und 35. (88) Durch solche Kontrollen können Einfuhren oder Ausfuhren durch die mit den Verfahren verbundenen Verzögerungen und durch die zusätzlichen Beförderungskosten, die dem Wirtschaftsbeteiligten möglicherweise entstehen, erschwert oder verteuert werden.

Mit der Errichtung des Binnenmarktes am 1. Januar 1993 wurden die ständigen Grenzkontrollen bei der Beförderung von Waren im Wesentlichen abgeschafft. Seitdem dürfen die Mitgliedstaaten an ihren Grenzen keine Kontrollen mehr durchführen, es sei denn, diese sind Teil allgemeiner Kontrollen, die in gleichem Umfang im nationalen Hoheitsgebiet vorgenommen werden, und/oder es handelt sich um Stichprobenkontrollen. Unabhängig vom Ort ihrer Durchführung gelten solche Kontrollen, wenn sie bei eingeführten Waren systematisch durchgeführt werden, dennoch als Maßnahmen gleicher Wirkung. (89) Sie sind nur ausnahmsweise unter ganz bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt. (90)

4.2.   Verpflichtung, einen Vertreter zu benennen oder Lagerkapazitäten im Einfuhrmitgliedstaat bereitzustellen

Die Verpflichtung eines Importeurs, im Bestimmungsmitgliedstaat der Waren über einen Geschäftssitz zu verfügen, betrachtete der Gerichtshof als unmittelbaren Verstoß gegen die den freien Warenverkehr im Binnenmarkt betreffenden Artikel. Nach Auffassung des Gerichtshofs wird dadurch, dass Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat die Kosten für die Niederlassung eines Vertreters im Einfuhrmitgliedstaat auferlegt werden, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen der Zugang zum Markt dieses Mitgliedstaats erschwert, ja sogar unmöglich gemacht. (91) Auch eine Verpflichtung, im Einfuhrmitgliedstaat einen Vertreter oder einen Beauftragten zu benennen oder eine Zweigniederlassung, ein Büro oder ein Warenlager einzurichten, verstößt generell gegen Artikel 34 AEUV.

Einige Mitgliedstaaten haben versucht, solche Forderungen mit dem Argument zu rechtfertigen, dass nur so die ordnungsgemäße Durchführung der nationalen Bestimmungen zum Schutze des öffentlichen Interesses, einschließlich der Bestimmungen über die strafrechtliche Verantwortlichkeit, sichergestellt werden könne. Dieses Argument wies der Gerichtshof zurück. Er vertrat die Auffassung, dass jeder Mitgliedstaat zwar das Recht habe, in seinem Hoheitsgebiet angemessene Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung zu ergreifen, diese Maßnahmen aber nur gerechtfertigt seien, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien; es müsse nachgewiesen werden, dass die Maßnahmen aus berechtigten Gründen des Allgemeininteresses notwendig seien und dass dies nicht durch Mittel erreicht werden könne, die den freien Warenverkehr weniger beschränkten. (92) Der Gerichtshof argumentierte wie folgt: „Selbst wenn die strafrechtlichen Sanktionen die Wirkung haben können, von strafbarem Verhalten abzuschrecken, ist diese Wirkung weder gewiss noch wird sie ... allein durch die Tatsache verstärkt, dass sich jemand als sein rechtlicher Vertreter im Inland befindet.“ (93) Aus diesem Grund sei das Erfordernis der Niederlassung eines Vertreters im Inland nicht geeignet, beim angestrebten Schutz des Allgemeininteresses zusätzliche Sicherheiten zu bieten, die eine Ausnahme vom Verbot des Artikels 34 AEUV hinreichend rechtfertigen könnten.

Nationale Vorschriften betreffend die Lagerung eingeführter Erzeugnisse können ebenfalls gegen Artikel 34 AEUV verstoßen, wenn diese Maßnahmen die eingeführten Erzeugnisse im Vergleich zu den inländischen Erzeugnissen diskriminieren. Hierzu gehören auch Vorschriften, die nur die Lagerung eingeführter Erzeugnisse verbieten, beschränken oder vorschreiben. Eine nationale Maßnahme, nach der eingeführter Branntwein aus Wein mindestens sechs Monate lang gelagert werden muss, um für bestimmte Qualitätsbezeichnungen infrage zu kommen, hielt der Gerichtshof für eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung. (94)

Ähnliche Hemmnisse für den Warenverkehr können durch nationale Vorschriften geschaffen werden, die die Nutzung von Lagerkapazitäten ganz oder teilweise auf inländische Erzeugnisse beschränken oder die Lagerung eingeführter Erzeugnisse an bestimmte Bedingungen knüpfen, die sich von denjenigen für inländische Erzeugnisse unterscheiden und schwerer zu erfüllen sind. Folglich kann eine nationale Maßnahme, die die Lagerung von im Inland hergestellten Erzeugnissen fördert, eine Beschränkung des freien Warenverkehrs im Sinne des Artikels 34 AEUV darstellen.

4.3.   Nationales Verbot von speziellen Erzeugnissen/Stoffen

Ein Verbot des Inverkehrbringens eines speziellen Erzeugnisses oder Stoffes ist die restriktivste Maßnahme, die ein Mitgliedstaat im Hinblick auf den freien Warenverkehr treffen kann. Die meisten von nationalen Verboten betroffenen Erzeugnisse sind Nahrungsmittel, beispielsweise Vitamine und sonstige Nahrungsergänzungsmittel, (95) und chemische Stoffe (96).

Als Rechtfertigung für solche strengen Maßnahmen führen die Mitgliedstaaten in der Regel den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen im Rahmen von Artikel 36 AEUV sowie die zwingenden Erfordernisse an, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung wie etwa im Hinblick auf den Umweltschutz definierte. Diese Rechtfertigungsgründe werden oftmals miteinander kombiniert. Ein Mitgliedstaat, der ein nationales Verbot gegen ein Erzeugnis bzw. einen Stoff verhängt, muss nachweisen, dass die Maßnahme erforderlich ist und gegebenenfalls dass das Inverkehrbringen der betreffenden Waren eine ernsthafte Gefahr etwa für die öffentliche Gesundheit darstellt und dass diese Regelung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. (97) Zu belegen ist dies unter anderem anhand jeglicher sachdienlicher technischer, wissenschaftliche, statistischer und ernährungsspezifischer Daten. (98) In der Rechtssache Humanplasma zielte die Beschränkung zwar darauf ab, die Qualität und Sicherheit von Blut und Blutbestandteilen und somit den Schutz der öffentlichen Gesundheit sicherzustellen, doch es wurde festgestellt, dass die Maßnahme über das hinausgehe, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei. (99)

Zudem obliegt es dem betreffenden Mitgliedstaat zu beweisen, dass das geltend gemachte Ziel nicht durch andere Mittel erreicht werden kann, die auf den Handel innerhalb der EU eine weniger beschränkende Wirkung haben. (100) So vertrat beispielsweise der Gerichtshof in einer Rechtssache betreffend ein von Frankreich verhängtes Verbot, Getränken Koffein über einem bestimmten Grenzwert zuzusetzen, folgende Auffassung: „Eine geeignete Kennzeichnung, mit der die Verbraucher über die Art, die Inhaltsstoffe und die Eigenschaften der angereicherten Lebensmittel informiert werden, könnte es den Verbrauchern, für die der übermäßige Konsum eines diesen Lebensmitteln zugesetzten Nährstoffs eine Gefahr darstellen könnte, ermöglichen, selbst über deren Verwendung zu entscheiden“ (101). Der Gerichtshof gelangte daher zu dem Schluss, dass das Verbot, Koffein über einem bestimmten Grenzwert zuzusetzen, nicht die am wenigsten beschränkende verfügbare Maßnahme und somit nicht erforderlich sei, um das Ziel des Verbraucherschutzes zu erreichen.

Die Rechtssache Dänische Vitamine (102) betraf die dänische Verwaltungspraxis, nach der die Anreicherung von Nahrungsmitteln mit Vitaminen und Mineralstoffen verboten ist, wenn nicht nachgewiesen wird, dass der betreffende Zusatz einem Bedürfnis der dänischen Bevölkerung entspricht. Der Gerichtshof räumte anfangs ein, es sei Sache Dänemarks, unter Beachtung der Anwendbarkeit des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu bestimmen, in welchem Umfang es den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wolle. Der Gerichtshof merkte aber auch an, die dänischen Behörden hätten „in jedem Einzelfall im Licht der Ernährungsgewohnheiten und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung darzulegen, dass ihre Regelung zum wirksamen Schutz der erfassten Interessen erforderlich ist“ und insbesondere, dass „die Vermarktung der in Frage stehenden Erzeugnisse eine tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt“ (103). Letztendlich kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Maßnahme nicht durch eine „tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ gerechtfertigt gewesen sei, die eine eingehende Prüfung der Auswirkungen des Zusatzes von Mineralstoffen und Vitaminen zu Lebensmitteln in jedem Einzelfall erfordert hätte. (104)

Generell legt der Gerichtshof Maßnahmen dieser Art restriktiv aus. In Bereichen, in denen über die Auswirkungen eines bestimmten Erzeugnisses oder eines bestimmten Stoffes, beispielsweise auf die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt, keine wissenschaftliche Gewissheit besteht, ist es für den Gerichtshof allerdings weit schwieriger, solche Verbote abzuweisen. (105) In solchen Fällen spielt auch das sogenannte Vorsorgeprinzip bei der Bewertung des Falls durch den Gerichtshof eine wichtige Rolle. (106)

In manchen Fällen, bei denen der Schutz der öffentlichen Gesundheit betroffen ist, verbieten Mitgliedstaaten den Zusatz eines in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Erzeugnisses oder Stoffes nicht vollständig, sondern verlangen lediglich eine vorherige Genehmigung für dessen Zusatz. In solchen Fällen sind die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus dem EU-Recht nur dann erfüllt, wenn die Genehmigungsverfahren zugänglich sind und innerhalb eines angemessenen Zeitfensters abgeschlossen werden können und wenn das Verbot eines Erzeugnisses vor den nationalen Gerichten angefochten werden kann. Dieses Verfahren muss in einem für die nationalen Behörden des Mitgliedstaats verbindlichen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung ausdrücklich vorgesehen sein. Die Merkmale dieses „vereinfachten Verfahrens“ legte der Gerichtshof in der Rechtssache C-344/90 (107) fest.

4.4.   Preisliche Maßnahmen

Der Vertrag enthält zwar keine gesonderten Bestimmungen zu nationalen Regelungen für Preiskontrollen. Der Gerichtshof hat jedoch Artikel 34 AEUV bereits mehrfach auch auf nationale Regelungen für Preiskontrollen angewandt.

Solche Regelungen decken eine Reihe von Maßnahmen ab: Mindest- und Höchstpreise, Einfrieren von Preisen, minimale und maximale Gewinnspannen sowie Preisbindung auf Einzelhandelsebene.

Mindestpreise: Die Festsetzung eines Mindestpreises kann, auch wenn er unterschiedslos für inländische und eingeführte Erzeugnisse gilt, Einfuhren dadurch beschränken, dass sich deren niedrigerer Gestehungspreis im Einzelhandelspreis nicht niederschlagen kann. Dies hindert Importeure, ihren Wettbewerbsvorteil zu nutzen, sodass eine Maßnahme gleicher Wirkung gemäß Artikel 34 AEUV vorliegt, da der Verbraucher aus diesem Preis keinen Vorteil ziehen kann. (108) Mindestpreise können jedoch auf EU-Ebene reguliert werden, z. B. im Hinblick auf nationale Rechtsvorschriften zur Festsetzung von Mindestpreisen für Tabak; in diesem Zusammenhang sei auf die Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (109) verwiesen.

In der Rechtssache C-221/15 Colruyt, die die Preisfestsetzung für Tabakwaren in Belgien betraf, stellte der Gerichtshof fest, dass Artikel 34 AEUV einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die es Einzelhändlern verbietet, Tabakwaren zu einem Einheitspreis zu verkaufen, der unter dem Preis liegt, den der Hersteller oder der Importeur auf dem an den Waren angebrachten Steuerzeichen angegeben hat, soweit dieser Preis von Letzteren frei bestimmt worden ist. (110) Hier sah der Gerichtshof die Mindestpreise für Tabakwaren als eine bestimmte Verkaufsmodalität an, die für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben ... [und] nicht geeignet [ist], den Zugang zum belgischen Markt für Tabakwaren aus einem anderen Mitgliedstaat zu versperren oder ihn stärker zu behindern, als sie dies für inländische Tabakwaren tut.

In der Rechtssache Scotch Whisky Association prüfte das Gericht, ob die schottische Regierung durch ihre Vorgabe von Mindestpreisen pro Alkoholeinheit gegen Artikel 34 AEUV verstoßen hat. Die Maßnahmen zielten darauf ab, sehr billigen Alkohol vom Markt zu verdrängen, wobei als Rechtfertigungsgrund der Schutz der öffentlichen Gesundheit angeführt wurde. Der Gerichtshof gelangte zu dem Schluss, dass die nationale Regelung verhindere, „dass sich niedrigere Gestehungskosten eingeführter Erzeugnisse im Endverkaufspreis niederschlagen können“, und sie somit eine Maßnahme mit gleicher Wirkung darstelle. (111)

Höchstpreise: Vor der Rechtssache Keck vertrat der Gerichtshof die Ansicht, ein unterschiedslos für inländische und für eingeführte Erzeugnisse geltender Höchstpreis stelle zwar als solcher noch keine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung dar, er könne aber eine solche Wirkung entfalten, wenn er auf einem Niveau festgesetzt werde, das den Absatz der eingeführten Erzeugnisse entweder unmöglich macht oder gegenüber dem Absatz entsprechender inländischer Erzeugnisse erschwert. Ein Höchstpreis kann jeden Wettbewerbsvorteil eingeführter Waren zunichtemachen und/oder, wenn er zu niedrig angesetzt wird, die von einem Importeur zu tragenden Transportkosten nicht abdecken. (112)

Einfrieren von Preisen: Ebenso vertrat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung vor dem Urteil in der Rechtssache Keck (siehe Abschnitt 3.4.2.2) die Auffassung, dass Preisstopps, die für inländische und für eingeführte Erzeugnisse gleichermaßen gelten, nicht per se Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung darstellten. Allerdings könnten sie de facto eine solche Wirkung entfalten, wenn der Absatz eingeführter Erzeugnisse aufgrund des festgesetzten Preises entweder unmöglich gemacht oder gegenüber inländischen Erzeugnissen erschwert werde. (113) Dies sei beispielsweise der Fall, wenn Importeure eingeführte Erzeugnisse nur mit Verlusten verkaufen können.

Minimale und maximale Gewinnspannen: Dabei handelt es sich um Handelsspannen, die auf einen bestimmten Betrag und nicht als Prozentsatz der Gestehungskosten festgelegt werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH vor dem Urteil in der Rechtssache Keck stellten diese nicht notwendigerweise Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne des Artikels 34 AEUV dar. Gleiches würde für eine feste Einzelhandelsgewinnspanne gelten, die einen Anteil des vom Hersteller frei bestimmten Einzelhandelspreises bildet, was zumindest dann der Fall ist, wenn sie den Einzelhändlern eine angemessene Vergütung ermöglicht. Allerdings fällt eine auf einen einheitlichen Betrag festgesetzte maximale Gewinnspanne, die sowohl für inländische als auch für eingeführte Erzeugnisse gilt und die Einfuhrkosten nicht berücksichtigt, in den Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV. (114)

Seit der Rechtssache Keck hat der Gerichtshof, wie es scheint, nationale Regelungen für Preiskontrollen häufig als „Verkaufsmodalitäten“ eingestuft. (115) Als solche können sie außerhalb des Anwendungsbereichs von Artikel 34 AEUV liegen, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Dass es sich bei „Preiskontrollen“ um „Verkaufsmodalitäten“ handelt, wird durch die Rechtssache Belgapom bestätigt, in der das Urteil erging, dass die belgischen Rechtsvorschriften, die Verlustverkäufe und Verkäufe mit sehr geringen Gewinnspannen verbieten, nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV fallen. (116)

In der neueren Rechtssache LIBRO stellte der Gerichtshof jedoch zunächst fest, dass eine Preisfestsetzungsregelung, die Importeuren deutschsprachiger Bücher untersagt, einen vom Verleger festgesetzten bzw. empfohlenen Letztverkaufspreis zu unterschreiten, als eine bestimmte Verkaufsmodalität im Sinne des Urteils Keck anzusehen sei. Er kam jedoch zu dem Schluss, dass es sich dabei de facto um eine Maßnahme gleicher Wirkung handele, da sie eine unterschiedliche Regelung treffe, die bewirke, dass Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig behandelt würden. (117)

In der Rechtssache Deutsche Parkinson Vereinigung prüfte der Gerichtshof eine Preisfestsetzungsregelung für die Abgabe verschreibungspflichtiger Humanarzneimittel durch Apotheken nach dem Kriterium des Marktzugangs, ohne sich in seinem Urteil ausdrücklich auf die Rechtssache Keck zu beziehen. Der Gerichtshof verglich die Auswirkungen der in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten eingeführten Preisfestsetzungsregelungen und befand schließlich, dass diese Regelung eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung darstelle. (118) Der Gerichtshof befand, dass Versandapotheken nur begrenzt fähig sind, mit traditionellen Apotheken hinsichtlich des Dienstleistungsangebots zu konkurrieren, und dass sie daher hauptsächlich über den Preis konkurrieren und somit von Preisfestsetzungsregelungen stärker betroffen sind. Bei seiner Bewertung verwies der Gerichtshof auf die Rechtssache DocMorris, die deutsche Rechtsvorschriften betraf, durch die der Verkauf von Arzneimitteln außerhalb von Apotheken und somit im Internet verboten wurde, bei der er sich auf das Urteil in der Rechtssache Keck stützte. (119)

Wie oben angeführt, kam der Gerichtshof in der Rechtssache Scotch Whisky Association, ohne ausdrücklich auf das Urteil in der Rechtssache Keck zu verweisen, zu dem Schluss, dass eine Mindestpreisregelung nach dem Kriterium des Marktzugangs eine Maßnahme gleicher Wirkung darstelle. Er argumentierte, dass die „die im Ausgangsverfahren streitige Regelung allein deshalb, weil sie verhindert, dass sich niedrigere Gestehungskosten eingeführter Erzeugnisse im Endverkaufspreis niederschlagen können, geeignet [ist], ... den Zugang ... zu erschweren“. (120)

4.5.   Genehmigungsverfahren

Nationale Regelungen, die das Inverkehrbringen von Erzeugnissen von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen, beschränken den Zugang zum Markt des Einfuhrmitgliedstaats und werden daher als Maßnahmen gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne des Artikels 34 AEUV betrachtet. (121) Der Gerichtshof hat eine Reihe von Bedingungen definiert, unter denen eine vorherige Genehmigung gerechtfertigt sein kann: (122)

Sie muss auf objektiven, nicht diskriminierenden und vorher bekannten Kriterien beruhen, sodass dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern.

Die Maßnahme sollte nicht im Wesentlichen dazu dienen, erneut Kontrollen vorzunehmen, die bereits im Rahmen anderer Verfahren, in demselben oder in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt worden sind.

Ein vorgeschaltetes Genehmigungsverfahren ist nur dann erforderlich, wenn eine nachträgliche Kontrolle als zu spät erachtet werden muss, um tatsächlich Wirksamkeit zu entfalten und das verfolgte Ziel zu erreichen.

Das Verfahren darf nicht so gestaltet sein, dass die fraglichen Wirtschaftsbeteiligten wegen seiner Dauer oder der unverhältnismäßigen mit ihm verbundenen Kosten von der Weiterbetreibung ihres Vorhabens abgehalten werden.

Das Verfahren darf keine technischen Analysen erfordern, wenn diese bereits in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt wurden und die betreffenden Ergebnisse vorliegen. (123)

4.5.1.   Typgenehmigung

In den Zulassungsanforderungen sind die rechtlichen, technischen und sicherheitsspezifischen Bedingungen festgelegt, die ein Erzeugnis erfüllen muss. Zulassungen sind daher nicht nur in einem bestimmten Industriezweig, sondern für unterschiedlichste Erzeugnisse wie etwa Schiffsausrüstung, Mobiltelefone, Personenkraftwagen und medizin-technische Einrichtungen erforderlich.

In der Regel müssen die Zulassungsanforderungen erfüllt sein, bevor ein Erzeugnis in Verkehr gebracht werden darf. Die Erfüllung der Zulassungsanforderungen wird oftmals durch eine auf dem Erzeugnis angebrachte entsprechende Kennzeichnung untermauert. So bestätigt beispielsweise die CE-Kennzeichnung die Übereinstimmung mit den geltenden europäischen Anforderungen entweder aufgrund einer Eigenerklärung des Herstellers oder aufgrund der Zertifizierung durch eine dritte Stelle.

Während die gemeinsamen EU-weiten Zulassungsanforderungen generell das Inverkehrbringen von Erzeugnissen im Binnenmarkt erleichtern, kann der Warenhandel durch nationale Zulassungen in nicht harmonisierten Bereichen behindert werden. Darüber hinaus erschweren es abweichende Produktnormen den Herstellern, ein und dasselbe Erzeugnis in verschiedenen Mitgliedstaaten in Verkehr zu bringen, und sie können zu höheren Kosten führen. Das Erfordernis, vor dem Inverkehrbringen eines Erzeugnisses eine nationale Zulassung zu erhalten, stellt daher eine Maßnahme gleicher Wirkung dar. (124)

Aus Gründen der Gesundheit oder der Sicherheit kann ein Mitgliedstaat berechtigt sein zu verlangen, dass ein Erzeugnis, das bereits in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen wurde, erneut einem Prüf- und Zulassungsverfahren unterzogen wird. Der Einfuhrmitgliedstaat muss in solchen Fällen allerdings die in dem Ausfuhrmitgliedstaat bzw. den Ausfuhrmitgliedstaaten durchgeführten Prüfungen bzw. Kontrollen berücksichtigen, wenn sie gleichwertige Garantien oder einen gleichwertigen Schutz bieten. (125)

In der Rechtssache Kommission/Portugal (126) wurde einem Unternehmen die erforderliche Genehmigung für den Einbau von eingeführten Polyäthylenrohren mit der Begründung versagt, diese Rohre seien von der nationalen Prüfstelle nicht zugelassen worden. Die nicht anerkannten Bescheinigungen des Unternehmens waren von einem italienischen Prüfinstitut ausgestellt worden. Der Gerichtshof vertrat die Auffassung, die Behörden — in diesem Fall die portugiesischen Behörden — seien verpflichtet, die von Zertifizierungsstellen aus anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Bescheinigungen zu berücksichtigen, insbesondere wenn diese Stellen vom betreffenden Mitgliedstaat hierfür zugelassen worden seien. Sofern den portugiesischen Behörden keine ausreichenden Informationen zur Überprüfung der Bescheinigungen vorgelegen wären, hätten sie dieses Material von den Behörden des Ausfuhrmitgliedstaats erbitten können. Von der nationalen Stelle, bei der ein Antrag auf Zulassung oder Anerkennung eines Erzeugnisses gestellt wird, werde ein proaktives Verhalten verlangt.

4.5.2.   Kraftfahrzeugzulassung

In der Regel erfolgt das Verfahren der Zulassung eines Kraftfahrzeugs nach den Rechtsvorschriften der Union in drei Schritten. Zunächst müssen die technischen Merkmale des Kraftfahrzeugs genehmigt werden, in den meisten Fällen über die EG-Typgenehmigung. Manche Fahrzeugarten unterliegen aber nach wie vor nationalen Genehmigungsvorschriften. Als nächstes wird im Rahmen der technischen Überwachung bei Gebrauchtwagen überprüft, ob sich das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Zulassung in einwandfreiem technischem Zustand befindet. Schließlich wird das Kraftfahrzeug zugelassen, wodurch der Betrieb im Straßenverkehr genehmigt wird sowie die Identifizierung des betreffenden Kraftfahrzeugs und die Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens vorgenommen werden.

Der Gerichtshof hat sich auch mit der Weigerung befasst, ein Fahrzeug zuzulassen, dessen Lenkanlage, einschließlich der Einbauposition des Lenkrads, auf der rechten Seite angebracht war. In den Rechtssachen C-61/12 und C-639/11 stellte er fest, dass eine solche Regelung eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung darstelle, soweit sie bewirke, dass der Zugang zum Markt für Fahrzeuge mit rechtsseitiger Lenkanlage, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht worden sind, behindert wird. Nach Auffassung des Gerichtshofs ist eine solche Anforderung nicht erforderlich, um das Ziel der Verkehrssicherheit zu erreichen. (127)

4.6.   Werbebeschränkungen

Die Werbung spielt eine entscheidende Rolle für den Markteintritt, insbesondere wenn es um Erzeugnisse geht, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind. Die wichtige Rolle, die die Werbung beim Zugang eines Erzeugnisses aus einem Mitgliedstaat zu einem neuen Markt in einem anderen Mitgliedstaat spielt, haben auch die Generalanwälte (128) und der Gerichtshof (129) anerkannt. Das Ziel und die Wirkung von Werbung bestehen u. a. darin, die Verbraucher zum Markenwechsel oder zum Kauf neuer Erzeugnisse zu bewegen.

Vor dem Urteil in der Rechtssache Keck (siehe Abschnitt 3.4.2.2) hatte der Gerichtshof häufig befunden, dass nationale Maßnahmen zur Beschränkung der Werbung in den Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV fielen. Um einen solchen Fall handelte es sich in der Rechtssache Oosthoek betreffend das Verbot des Anbietens von Zugaben als Mittel zur Absatzförderung. Der Gerichtshof vertrat diesbezüglich folgende Auffassung: „Eine Regelung, die bestimmte Formen der Werbung und bestimmte Methoden der Absatzförderung beschränkt oder verbietet, kann — obwohl sie die Einfuhren nicht unmittelbar regelt — geeignet sein, das Einfuhrvolumen zu beschränken, weil sie die Absatzmöglichkeiten für die eingeführten Erzeugnisse beeinträchtigt“. (130) Es scheint jedoch, als habe der Gerichtshof seit dem Urteil in der Rechtssache Keck in manchen Fällen einen anderen Ansatz verfolgt (der Werbebeschränkungen als Verkaufsmodalitäten behandelt). Dennoch werden werbungsbezogene Maßnahmen, die auf den ersten Blick zur Kategorie der Verkaufsmodalitäten gehören, wie Vorschriften zu Erzeugnissen behandelt, wenn sich erweist, dass sie sich auf die Anforderungen auswirken, die die Waren erfüllen müssen. (131)

Der Gerichtshof verfolgt also heute eher den Ansatz, dass Beschränkungen für Werbung und Verkaufsförderung als Verkaufsmodalitäten anzusehen sind und, sofern sie nicht diskriminierend sind, nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 34 AEUV fallen. (132) Ist die betreffende Maßnahme jedoch diskriminierend, greift Artikel 34 AEUV. Nationale Maßnahmen zur Beschränkung von Werbung, die den Absatz von Waren aus anderen Mitgliedstaaten gegenüber dem Absatz inländischer Waren erschweren, können daher eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung darstellen. Der Gerichtshof hat darüber hinaus beispielsweise die Auffassung vertreten, dass ein „absolutes Verbot der auf die Merkmale eines Erzeugnisses gestützten Werbung“ (133) den Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindern könne als für inländische Erzeugnisse, mit denen die Verbraucher vertrauter sind. (134)

Wie oben erläutert, scheint der Gerichtshof den Umfang der Beschränkung an das Kriterium der Diskriminierung zu knüpfen. Mit anderen Worten heißt dies, dass im Fall eines vollständigen Verbots davon ausgegangen wird, dass dieses stärkere Auswirkungen auf eingeführte Erzeugnisse haben (135) und dass eine teilweise Beschränkung sich auf inländische und eingeführte Erzeugnisse gleichermaßen auswirken kann. (136) In den Rechtssachen Dior (137) und Gourmet (138) war der Gerichtshof allerdings der Ansicht, Werbeverbote würden Einfuhren nicht zwangsläufig stärker beeinträchtigen als inländische Waren.

Der Gerichtshof hat darüber hinaus betont, dass Beschränkungen der Internet-Werbung den Absatz von inländischen Waren, in diesem Fall von inländischen Arzneimitteln, nicht in der gleichen Weise beeinträchtige wie den Absatz von Arzneimitteln aus anderen Mitgliedstaaten (Rechtssache C-322/01 Deutscher Apothekerverband). Daher können sie daher eine Verletzung von Artikel 34 AEUV darstellen.

4.7.   Technische Vorschriften mit Anforderungen an die Aufmachung von Waren (Gewicht, Zusammensetzung, Aufmachung, Kennzeichnung, Form, Abmessungen, Verpackung)

Erfordernisse, die eingeführte Erzeugnisse im Hinblick auf Form, Abmessungen, Gewicht, Zusammensetzung, Präsentation, Identifizierung oder Aufmachung erfüllen müssen, können einen Hersteller oder Importeur zwingen, die betreffenden Erzeugnisse den geltenden Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie in den Verkehr gebracht werden, beispielsweise durch ihre Umetikettierung anzupassen. (139) In seinem Urteil in der Rechtssache 27/80 Fietje (140) sah der Gerichtshof es als eine durch Artikel 34 AEUV verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung an, wenn ein Mitgliedstaat eine Vorschrift, die den Verkauf bestimmter alkoholischer Getränke unter einer anderen als der durch die nationalen Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Bezeichnung verbietet, in der Weise auch auf die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Getränke anwendet, dass das Etikett geändert werden muss, mit dem das eingeführte Getränk im Ausfuhrmitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wird.

Da Anforderungen an die Aufmachung von Waren in direktem Zusammenhang mit dem Erzeugnis selbst stehen, werden sie nicht als Verkaufsmodalitäten angesehen. Vielmehr gelten sie als Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne des Artikels 34 AEUV. (141)

Folgende Maßnahmen wurden beispielsweise als Verstoß gegen Artikel 34 AEUV eingestuft:

Ein striktes Erfordernis, dass nicht harmonisierte Bauprodukte mit einer CE-Kennzeichnung versehen werden müssen (142)

Das Erfordernis, Margarine nur in würfelförmiger Verpackung in den Verkehr zu bringen, um sie von Butter unterscheiden zu können (143)

Das Verbot eines Mitgliedstaats, Edelmetallarbeiten ohne den vorgeschriebenen (amtlichen) Prägestempel in den Verkehr zu bringen (144)

Das Verbot des Inverkehrbringens von über Versandhandel und Online-Verkäufe vertriebenen Videos und DVDs, die keine Angabe über die Altersfreigabe tragen, die auf einer Einstufungsentscheidung durch die zuständigen Stellen des Einfuhrmitgliedstaats beruht (145)

4.8.   Herkunftsangaben, Gütezeichen, Anreize zum Kauf inländischer Erzeugnisse

Nationale Vorschriften, die die Angabe der Herkunft des Erzeugnisses auf dem Erzeugnis oder seinem Etikett vorschreiben, stellen eine Maßnahme gleicher Wirkung dar, die gegen Artikel 34 AEUV verstößt.

Der Gerichtshof hat entschieden, dass nationale Vorschriften über eine obligatorische Angabe des Ursprungs die Verbraucher dazu anregen können, inländische Erzeugnisse zum Nachteil gleichwertiger Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten zu kaufen. (146) Nach Ansicht des Gerichtshofs führen solche Vorschriften dazu, dass der Absatz ähnlicher Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat erzeugt wurden, erschwert wird, wodurch die gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung in der Europäischen Union verlangsamt wird, indem sie den Verkauf von Waren, die aufgrund einer Arbeitsteilung zwischen Mitgliedstaaten erzeugt wurden, behindern. (147) Der Gerichtshof hob auch hervor, dass es im wirtschaftlichen Interesse eines Wirtschaftsbeteiligten liegen kann, die Herkunft seiner Waren anzugeben, ohne dazu verpflichtet zu sein. In diesem Fall können Verbraucher gegen falsche oder irreführende Herkunftsbezeichnungen durch ein Verbot solcher Verhaltensweisen geschützt werden. (148)

Der Gerichtshof vertrat ebenso die Auffassung, dass im nationalen Recht verankerte Gütezeichen mit Bezug auf die Herkunft des Erzeugnisses ähnliche Auswirkungen haben können. Auch der Umstand, dass ein bestimmtes Gütezeichen fakultativ sei, nehme diesem nicht den Charakter eines Handelshemmnisses, da seine Verwendung den Absatz der fraglichen Erzeugnisse gegenüber den Erzeugnissen, die davon nicht profitieren, begünstige oder begünstigen könne. (149)

Der Gerichtshof befand, dass die Mitgliedstaaten befugt seien, für in ihrem Hoheitsgebiet vermarktete landwirtschaftliche Erzeugnisse Qualitätsregelungen festzulegen und die Verwendung von Qualitätsbezeichnungen von der Einhaltung dieser Regelungen abhängig zu machen. Diese Regelungen und Bezeichnungen könnten jedoch nicht an die Auflage geknüpft werden, dass das Verfahren zur Herstellung der fraglichen Erzeugnisse im Inland stattfinde, sondern nur an das Vorliegen der objektiven inneren Merkmale, die den Erzeugnissen die gesetzlich vorgeschriebene Qualität verleihen. (150) Solche Regelungen müssen daher für jeden Erzeuger in der Union und für jeden sonstigen potenziellen Wirtschaftsbeteiligten der Union, dessen Erzeugnisse die Anforderungen erfüllen, zugänglich sein. Auflagen, die den Zugang zu diesem Zeichen für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindern, sollten vermieden werden, da sie den Vertrieb von Erzeugnissen inländischen Ursprungs — zum Nachteil eingeführter Erzeugnisse — erleichtern können. (151)

Der Gerichtshof akzeptierte in nationalem Recht verankerte Qualitätsregelungen, wenn sie die Einfuhr von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten unter den Bezeichnungen, die sie trügen, gestatteten, selbst dann, wenn diese den nach den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Bezeichnungen ähnlich, vergleichbar oder gleich seien. (152)

Eine von den Behörden eines Mitgliedstaats durchgeführte Werbekampagne, die auf Güte- oder/und Herkunftszeichen abzielt, stellt ebenfalls eine Maßnahme gleicher Wirkung nach Artikel 34 AEUV dar. Der bekannteste Fall eines solchen Anreizes zum Kauf inländischer Erzeugnisse war die Rechtssache Buy Irish (153), die eine groß angelegte Kampagne betraf, in der für den Kauf inländischer Waren geworben wurde. Der Gerichtshof vertrat auch die Auffassung, dass eine Regelung, die auf die Förderung des Absatzes von Erzeugnissen abzielt, die in einem bestimmten Land oder in einer bestimmten Region hergestellt wurden, Verbraucher dazu veranlassen kann, anstelle eingeführter Erzeugnisse solche Erzeugnisse zu kaufen. (154)

4.9.   Beschränkungen des Fernabsatzes (Verkauf über das Internet, Versandhandel usw.)

Durch den Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnologien werden Waren auf dem Binnenmarkt in zunehmendem Ausmaß über das Internet verkauft. Daher nahm die Zahl der vor den Gerichtshof gebrachten Rechtssachen zu, die Internetgeschäfte zum Gegenstand haben, bei denen Waren aus einem Mitgliedstaat in einen anderen geliefert wurden.

Die dem Gerichtshof in der Rechtssache DocMorris (155) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen gingen auf ein nationales Verfahren zurück, das den Verkauf von Humanarzneimitteln über das Internet in einen anderen Mitgliedstaat als denjenigen, in dem DocMorris ansässig war, betraf. Nach deutschem Recht war damals der Versandhandel mit Arzneimitteln, die nur durch Apotheken abgegeben werden durften, verboten.

Die erste Frage des vorlegenden Gerichts war, ob ein Verstoß gegen Artikel 34 AEUV vorliege, wenn die gewerbsmäßige Einfuhr von zugelassenen Arzneimitteln, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ausschließlich in Apotheken verkauft werden dürfen, über in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Apotheken im Wege des Versandhandels aufgrund individueller, über das Internet aufgegebener Bestellungen untersagt ist.

Der Gerichtshof sah diese nationale Beschränkung zunächst als Verkaufsmodalität an, die jedoch einen Verstoß gegen Artikel 34 darstellen könne, wenn sie diskriminierend sei. In Einklang mit der Rechtssache De Agostini (Bedeutung der Werbung für den Verkauf des betreffenden Erzeugnisses) (156) hob der Gerichtshof zunächst die Bedeutung des Internets für den Verkauf eines Erzeugnisses hervor. Danach erklärte er, dass solch ein generelles Verbot Apotheken, die außerhalb Deutschlands ansässig seien, stärker beeinträchtige als Apotheken in Deutschland. Die Maßnahme stellte somit einen Verstoß gegen Artikel 34 AEUV dar.

Der Gerichtshof vertrat konkret die Auffassung, dass für nicht in Deutschland ansässige Apotheken das Internet ein wichtigeres Mittel darstellen könne, um „unmittelbaren Zugang“ zum deutschen Markt zu erlangen. (157) Der Gerichtshof erklärte, ein Verbot, das sich auf außerhalb Deutschlands ansässige Apotheken stärker auswirke, könne geeignet sein, den Marktzugang für Waren aus anderen Mitgliedstaaten stärker zu behindern als für inländische Erzeugnisse.

In der Rechtssache Ker-Optika (158), die eine nationale Regelung betraf, die den Verkauf von Kontaktlinsen ausschließlich in Fachgeschäften für medizinische Hilfsmittel zuließ, bestätigte der Gerichtshof, dass die nationale Maßnahme aufgrund des Verbots des Online-Verkaufs und des Verbots der späteren Kontaktlinsenlieferungen an Kunden gegen die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (159) und die Artikel 34 bis 36 AEUV verstieß.

Das aktuellere Urteil in der Rechtssache Visnapuu bezog sich auf das finnische Alkoholgesetz, wonach ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassener Verkäufer eine besondere Einzelhandelsgenehmigung benötigt, um alkoholische Getränke zum Zwecke des Einzelhandelsverkaufs dieser Getränke an in Finnland ansässige Verbraucher einzuführen. Der Gerichtshof stellte fest, dass das Erfordernis einer Einzelhandelsgenehmigung für die Einfuhr alkoholischer Getränke in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Händler daran hindere, alkoholische Getränke frei nach Finnland einzuführen, und somit eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne des Artikels 34 AEUV darstelle. Darüber hinaus stellte er jedoch fest, dass die Artikel 34 AEUV und 36 AEUV einer solchen Regelung nicht entgegenstehen, sofern diese geeignet sei, die Erreichung des Ziels des Schutzes der Gesundheit und der öffentlichen Ordnung sicherzustellen. (160)

4.10.   Pfandpflichten

Pfand- und Rücknahmesysteme, insbesondere im Getränkesektor, haben in den vergangenen Jahrzehnten im Hinblick auf das Umweltrecht und die Binnenmarktregeln für Diskussionen gesorgt. Solche Systeme machen es Wirtschaftsbeteiligten, die in mehreren Ländern tätig sind, oftmals schwer, das gleiche Erzeugnis in der gleichen Verpackung in verschiedenen Ländern zu vertreiben. Die Hersteller und Importeure müssen stattdessen die Verpackung an die Erfordernisse der einzelnen Mitgliedstaaten anpassen, was in der Regel Mehrkosten verursacht. Der Effekt solcher Systeme, nämlich die Abschottung der Märkte, läuft der Idee eines wirklichen Binnenmarkts häufig zuwider. Nationale Anforderungen dieser Art werden deshalb als Handelshemmnis im Sinne des Artikels 34 AEUV angesehen. Allerdings können Pfandsysteme aus Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt sein.

In zwei Urteilen zur deutschen Pfandpflicht für Einwegverpackungen von Getränken bestätigte der Gerichtshof in den frühen 2000er-Jahren, dass die Mitgliedstaaten nach dem EU-Recht berechtigt sind, zwischen einem Pfand- und Rücknahmesystem, einem flächendeckenden Sammel- und Verwertungssystem für gebrauchte Verkaufsverpackungen und einer Kombination beider Systeme zu wählen. (161)

Heute sind Pfandsysteme zum Teil durch Harmonisierungsvorschriften abgedeckt, nämlich die Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle (162). Doch auch 2020 gibt es kein unionsweites Pfandsystem. Wenn eine nationale Bestimmung nicht in den Anwendungsbereich der einschlägigen Richtlinien fällt, muss ihre Vereinbarkeit mit den Artikeln 34 bis 36 AEUV geprüft werden.

4.11.   Kostenerstattungen und Paralleleinfuhren

Kostenerstattungen: Das EU-Recht berührt nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, ihre Systeme der sozialen Sicherheit auszugestalten. (163) Da dieser Bereich auf EU-Ebene nicht harmonisiert ist, legen die Mitgliedstaaten per Gesetz fest, unter welchen Umständen Sozialversicherungsleistungen gewährt werden. Solche Gesetze können sich aber auf die Möglichkeiten des Inverkehrbringens von Erzeugnissen und somit auf die Einfuhrmöglichkeiten auswirken. Daraus folgt, dass eine nationale Regelung über die Erstattung von Arzneimitteln deren Einfuhr beeinträchtigen kann.

Des Weiteren ist dem Urteil in der Rechtssache Duphar zu entnehmen, dass nationale Regelungen über die Erstattung von Arzneimitteln im Rahmen des nationalen Krankenversicherungssystems unter bestimmten Voraussetzungen mit Artikel 34 AEUV vereinbar sind. Die Auswahl der erstattungsfähigen und der auszuschließenden Arzneimittel darf keine Diskriminierung aufgrund des Ursprungs der Erzeugnisse begünstigen und muss auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhen. Es muss auch möglich sein, die Liste der erstattungsfähigen Arzneimittel jederzeit zu ändern, wenn die Einhaltung der betreffenden Kriterien dies verlangt. Die „objektiven und überprüfbaren Kriterien“, auf die der Gerichtshof verweist, können beispielsweise darauf beruhen, dass auf dem Markt andere, billigere Erzeugnisse mit gleicher therapeutischer Wirkung erhältlich sind, dass die betreffenden Erzeugnisse ohne ärztliche Verordnung frei gehandelt werden oder dass Erzeugnisse aus Gründen arzneimitteltherapeutischer Art, die durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sind, von der Kostenerstattung ausgeschlossen werden.

Die Verfahrensregeln für nationale Entscheidungen über die Kostenerstattung sind in der Richtlinie 89/105/EWG des Rates betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (164) niedergelegt.

In der Rechtssache Decker (165) befand der Gerichtshof, dass eine nationale Regelung, wonach die Kostenübernahme für medizinische Erzeugnisse von der vorherigen Genehmigung des Trägers des betreffenden Mitgliedstaats abhängig gemacht werde, wenn diese Erzeugnisse in einem anderen Mitgliedstaat erworben werden, eine Beschränkung des freien Warenverkehrs im Sinne des Artikels 34 AEUV darstelle. Da in diesem Fall die Regelung Sozialversicherte dazu veranlasst, diese Erzeugnisse im Inland und nicht in einem anderen Mitgliedstaat zu erwerben, sei sie geeignet, die Einfuhr von Erzeugnissen in andere Mitgliedstaaten zu hemmen.

Paralleleinfuhren: Parallelhandel mit Erzeugnissen ist im Binnenmarkt eine rechtmäßige Handelsform. Er ist insofern „parallel“, als er Erzeugnisse betrifft, die der Beschreibung nach mit den Erzeugnissen identisch sind, die über die Vertriebsnetze der Hersteller oder der Erstlieferanten in Verkehr gebracht werden, aber aus unterschiedlichen Chargen stammen, erfolgt jedoch außerhalb dieser Netze (bzw. oft neben diesen). Parallelhandel ist oftmals eine Folge von Preisunterschieden (z. B. bei Arzneimitteln (166) oder Pestiziden (167), wenn Mitgliedstaaten die Preise für auf ihren jeweiligen Märkten verkaufte Erzeugnisse festsetzen oder durch andere Mittel kontrollieren). Prinzipiell sorgt der Parallelhandel für einen gesunden Wettbewerb und für Preissenkungen für die Verbraucher; zudem ist er die unmittelbare Folge der Einführung des Binnenmarkts, der den freien Warenverkehr garantiert und die Abschottung der nationalen Märkte verhindert. (168)

Die Sicherheit und das erstmalige Inverkehrbringen von Arzneimitteln sind zwar durch EU-Rechtsvorschriften geregelt, die rechtlichen Grundsätze des Parallelhandels leiten sich aber aus den Urteilen des Gerichtshofs ab, die auf den Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr basieren. (169)

Von Parallelimporteuren kann nicht verlangt werden, dass sie dieselben Anforderungen erfüllen, die für Wirtschaftsbeteiligte gelten, die zum ersten Mal eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragen, sofern der Schutz der menschlichen Gesundheit nicht gefährdet wird. (170) Wenn die zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats als Ergebnis des erstmaligen Inverkehrbringens eines Erzeugnisses in diesem Mitgliedstaat bereits über die erforderlichen Informationen im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit verfügen, ist für ein parallel eingeführtes Erzeugnis eine Genehmigung erforderlich, die nach einem „vereinfachten“ Verfahren (verglichen mit dem Verfahren der Genehmigung des erstmaligen Inverkehrbringens des Erzeugnisses) erteilt wird, vorausgesetzt:

das Inverkehrbringen des eingeführten Erzeugnisses wurde im Herkunftsmitgliedstaat genehmigt, und zwar ungeachtet des Ablaufs dieser Genehmigung, insbesondere wenn die Referenzgenehmigung aus anderen Gründen als dem Schutz der öffentlichen Gesundheit abläuft, d. h. ausschließlich auf Wunsch des Inhabers der Referenzgenehmigung (171), und

das eingeführte Erzeugnis ist weitgehend identisch mit dem Erzeugnis, dessen Inverkehrbringen im Bestimmungsmitgliedstaat bereits genehmigt wurde, was bedeutet, dass die beiden Erzeugnisse nicht in allen Punkten übereinstimmen müssen, zumindest jedoch nach der gleichen Formel und unter Verwendung des gleichen Wirkstoffs hergestellt worden und überdies die gleichen therapeutischen Wirkungen haben müssen. (172) Die Ablehnung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen kann daher nicht mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt werden, wenn sie allein darauf beruht, dass die beiden Arzneimittel nicht denselben Ursprung haben. (173)

Darüber hinaus können nationale Behörden die Erteilung einer Paralleleinfuhrlizenz nicht allein aus Gründen verweigern, die mit dem Fehlen von Unterlagen in Bezug auf das parallel einzuführende Arzneimittel zusammenhängen, wenn sie über legislative und administrative Mittel verfügen, um sich die betreffenden Unterlagen zu verschaffen. (174) Ebenso wenig können sie im Falle von Tierarzneimitteln denjenigen eine Paralleleinfuhrlizenz verweigern, die eine Einfuhr zwecks Verwendung in ihrem eigenen Viehzuchtbetrieb wünschen. (175)

Zudem ist zwischen Parallelhandel und Wiedereinfuhr zu unterscheiden. So bedeutet Wiedereinfuhr im Fall von Arzneimitteln beispielsweise, dass Arzneimittel in einen Mitgliedstaat, in dem sie zugelassen sind, eingeführt werden, nachdem sie eine Apotheke in einem anderen Mitgliedstaat bei einem Großhändler im Einfuhrmitgliedstaat erworben hat. In dieser Hinsicht vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass ein in einem Mitgliedstaat hergestelltes Erzeugnis, das ausgeführt und anschließend in diesen Staat wieder eingeführt wird, ebenso ein eingeführtes Erzeugnis wie ein in einem anderen Mitgliedstaat hergestelltes Erzeugnis darstellt. (176) Der Gerichtshof wies jedoch darauf hin, dass dies nicht gilt, wenn die betreffenden Erzeugnisse allein zum Zweck ihrer Wiedereinfuhr ausgeführt worden sind, um eine gesetzliche Regelung wie die im Ausgangsfall fragliche zu umgehen. (177)

4.12.   Verpflichtung zur Verwendung der Landessprache

Sprachliche Anforderungen in nicht harmonisierten Bereichen können ebenfalls eine Beschränkung des Intra-EU-Handels darstellen, wenn sie zu einer zusätzlichen Belastung für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten führen. Sie können daher nach Artikel 34 AEUV verboten werden, wenn Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten umetikettiert werden müssen, weil dadurch zusätzliche Kosten entstehen. (178) In manchen Fällen kann es allerdings erforderlich sein, die Landessprache zu verwenden, um sicherzustellen, dass die Verbraucher die Informationen zu dem betreffenden Erzeugnis verstehen. (179)

In seinem Urteil in der Rechtssache Yannick Geffroy (180) vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass Artikel 34 AEUV dahin gehend ausgelegt werden muss, dass er „einer nationalen Regelung ... [entgegensteht], die die Verwendung einer bestimmten Sprache für die Etikettierung von Lebensmitteln vorschreibt, ohne die Möglichkeit vorzusehen, eine andere für den Käufer leicht verständliche Sprache zu verwenden oder die Unterrichtung des Käufers durch andere Maßnahmen zu gewährleisten“.

Hinsichtlich der Festlegung der für den Verbraucher leicht verständlichen Sprache erklärte der Gerichtshof in der Rechtssache Piageme (181), dass mehrere Faktoren berücksichtigt werden können, z. B. „die etwaige Ähnlichkeit der Begriffe in verschiedenen Sprachen, die allgemeine Kenntnis von mehr als einer Sprache in der betreffenden Bevölkerung oder das Vorliegen besonderer Umstände wie umfassender Informationskampagnen oder eine weite Verbreitung des Erzeugnisses, sofern festgestellt werden kann, dass der Verbraucher ausreichend unterrichtet wird“.

Nach dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen die Mitgliedstaaten nationale Maßnahmen treffen, wonach bestimmte Angaben zu inländischen oder eingeführten Erzeugnissen in einer für den Verbraucher leicht verständlichen Sprache gemacht werden müssen. Die betreffende nationale Maßnahme darf jedoch den möglichen Einsatz anderer Mittel, die die Information der Verbraucher gewährleisten, wie die Verwendung von Zeichnungen, Symbolen oder Piktogrammen, nicht ausschließen. (182) Zudem muss sich eine Maßnahme auf die Angaben beschränken, die der betreffende Mitgliedstaat zwingend vorschreibt und bei denen andere Mittel als ihre Übersetzung keine angemessene Information der Verbraucher gewährleisten können.

4.13.   Beschränkungen der Einfuhr von Erzeugnissen für den persönlichen Gebrauch

Nach Artikel 34 AEUV haben nicht nur Unternehmen das Recht, Waren für Gewerbezwecke einzuführen, auch Privatpersonen dürfen Erzeugnisse für ihren persönlichen Gebrauch einführen, wie dies das Urteil in der Rechtssache Schumacher verdeutlichte. (183) Beschränkungen der Einfuhr von Erzeugnissen für den persönlichen Gebrauch beziehen sich meist auf Erzeugnisse, die mit potenziellen Risiken für die menschliche Gesundheit verbunden sind, wie Alkohol, Tabak und Arzneimittel. In der Rechtssache Schumacher hatte eine Privatperson ein Arzneimittel für den persönlichen Gebrauch in Frankreich bestellt. Der Zoll in Deutschland, wo diese Privatperson ansässig war, weigerte sich jedoch, das fragliche Erzeugnis abzufertigen.

Das nationale Gericht wollte wissen, ob Rechtsvorschriften, die einer Privatperson die Einfuhr eines Arzneimittels für ihren persönlichen Gebrauch verbieten, das im Einfuhrmitgliedstaat zugelassen und dort ohne Rezept erhältlich sei und in einer Apotheke in einem anderen Mitgliedstaat gekauft worden sei, gegen die Artikel 34 und 36 AEUV verstoßen. Der Gerichtshof befand, dass solche Rechtsvorschriften einen Verstoß gegen Artikel 34 AEUV darstellten, der nicht mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt werden könne. Er merkte an, der Kauf von Arzneimitteln in einer Apotheke in einem anderen Mitgliedstaat biete die gleiche Sicherheitsgarantie wie der Kauf in einer inländischen Apotheke.

Wie der Rechtssache Escalier Bonnarel (184) zu entnehmen ist, können aber auch für Privatpersonen, die Erzeugnisse für den Gebrauch in ihrem eigenen Betrieb einführen, Verpflichtungen gelten, die Importeure für Gewerbezwecke zu erfüllen haben. In dieser Rechtssache war gegen zwei Privatpersonen ein Strafverfahren eingeleitet worden, denen zur Last gelegt wurde, für die Landwirtschaft bestimmte Schädlingsbekämpfungsmittel, für die keine Zulassung vorlag, zum Zweck ihrer Verwendung in der Landwirtschaft besessen zu haben. Die Beschuldigten machten geltend, dass die nationalen Zulassungsanforderungen auf Landwirte, die Erzeugnisse für ihre eigenen Zwecken einführten, nicht anwendbar seien. Der Gerichtshof erklärte, die Mitgliedstaaten seien verpflichtet, Einfuhren von Pflanzenschutzmitteln in ihr Hoheitsgebiet einem Prüfverfahren zu unterziehen; hierbei könne es sich um ein „vereinfachtes“ Verfahren handeln, mit dem überprüft werden solle, ob ein Mittel eine Zulassung benötige oder ob es als im Einfuhrmitgliedstaat bereits zugelassen anzusehen sei. (185) Der Gerichtshof wies darauf hin, dass die oben genannten Grundsätze unabhängig vom Zweck der Einfuhr gelten.

5.   LANDWIRTSCHAFTLICHE ERZEUGNISSE

Es sei darauf hingewiesen, dass bei einem Großteil der Entscheidungen des Gerichtshofs über den Binnenmarkt landwirtschaftliche Erzeugnisse im Mittelpunkt stehen. In diesem Abschnitt wird auf einige spezifische Fragen im Zusammenhang mit diesen Erzeugnissen eingegangen. Den Ausgangspunkt bildet Artikel 38 Absatz 2 AEUV, wonach die Vorschriften für die Errichtung des Binnenmarkts auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Anwendung finden, soweit in den Artikeln 39 bis 44 nicht etwas anderes bestimmt ist (diese Erzeugnisse sind in Absatz 1 dieses Artikels definiert und in Anhang I AEUV aufgeführt).

In mehreren aktuellen Urteilen des Gerichtshofs geht es um die Frage, in welchem Umfang die Mitgliedstaaten in Bereichen, die unter eine gemeinsame Marktorganisation fallen, Rechtsvorschriften erlassen dürfen. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, für die sich die Union gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe d AEUV die Zuständigkeit mit ihnen teilt, über Rechtsetzungsbefugnisse verfügen, die es ihnen erlauben, ihre Zuständigkeit wahrzunehmen, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat. (186)

Darüber hinaus ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass, wenn eine Verordnung über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für einen bestimmten Sektor erlassen worden ist, die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, sich aller Maßnahmen zu enthalten, die von dieser Verordnung abweichen oder sie verletzen können. Mit einer gemeinsamen Marktorganisation sind auch Vorschriften unvereinbar, die deren ordnungsgemäßes Funktionieren behindern, auch wenn diese Marktorganisation das betreffende Gebiet nicht abschließend geregelt hat. (187)

Was die Vorgabe eines Mindestpreises pro Alkoholeinheit für den Verkauf von Wein im Einzelhandel angeht, ist mangels eines Preisfestsetzungsmechanismus die freie Bestimmung der Verkaufspreise auf der Grundlage des freien Wettbewerbs einer der Bestandteile der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (188) über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Ausdruck des Grundsatzes des freien Warenverkehrs unter Bedingungen wirksamen Wettbewerbs. (189)

Gleichwohl wird den Mitgliedstaaten durch die Schaffung einer gemeinsamen Marktorganisation nicht verwehrt, nationale Regelungen anzuwenden, die ein im Allgemeininteresse liegendes anderes Ziel als die von der betreffenden gemeinsamen Marktorganisation erfassten Ziele verfolgt, selbst wenn diese Regelung einen Einfluss auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes im betroffenen Wirtschaftsbereich hat. (190)

In seinem Urteil in der Rechtssache Scotch Whisky kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse dahin gehend auszulegen sei, dass sie einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegensteht, die für den Verkauf von Wein im Einzelhandel einen Mindestpreis pro Alkoholeinheit vorgibt, sofern diese Maßnahme tatsächlich geeignet ist, das Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, zu gewährleisten und unter Berücksichtigung der Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie des guten Funktionierens der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um das genannte Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, zu erreichen.

In der Rechtssache C-2/18 vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass die Europäische Union mit dem Erlass der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013, insbesondere ihres Artikels 148, ihre Zuständigkeit im Bereich der Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien eines Rohmilchlieferungsvertrags nicht abschließend ausgeübt habe. Somit könne diese Verordnung nicht dahin ausgelegt werden, dass sie den Mitgliedstaaten den Erlass von Maßnahmen in diesem Bereich grundsätzlich verbiete. (191)

Der Gerichtshof war ferner der Auffassung, dass Verweise auf bestimmte unfaire Praktiken nicht die Feststellung erlaubten, dass das von der streitigen Regelung verfolgte Ziel, unfaire Praktiken zu bekämpfen, von der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 abgedeckt sei, zumal diese Praktiken von der Verordnung weder als Ganzes erfasst noch von ihr geregelt, ja nicht einmal konkret benannt würden. (192) Der Gerichtshof stellte fest, dass diese Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung insbesondere der Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik und des ordnungsgemäßen Funktionierens der gemeinsamen Marktorganisation erfolgen müsse, was einen Ausgleich zwischen diesen Zielen und dem mit der nationalen Regelung verfolgten Ziel der Bekämpfung unfairer Handelspraktiken erfordere. (193)

Der Gerichtshof kam in diesem Fall zu dem Schluss, dass die streitige Regelung nicht über das zur Erreichung der mit ihr angestrebten Ziele Erforderliche hinausgehe. Es sei jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, das allein über eine unmittelbare Kenntnis des bei ihm anhängigen Rechtsstreits verfüge, zu prüfen, ob die Maßnahmen, die erlassen worden seien, um unfaire Handelspraktiken dadurch zu bekämpfen, dass sie die Verhandlungsmacht der Milcherzeuger, die keiner anerkannten Erzeugerorganisation angehören, stärken, und somit zu einer rentablen Entwicklung der Erzeugung beitragen, indem sie den Milcherzeugern dadurch angemessene Standards sicherstellen, dass sie den Grundsatz, dass der Preis frei ausgehandelt wird, einschränken, nicht über das Erforderliche hinausgehe. (194)

6.   AUSFUHRBESCHRÄNKUNGEN (ARTIKEL 35 AEUV)

Artikel 35 AEUV lautet: „Mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten.“

6.1.   Definition des Begriffs „Ausfuhr“

Der Ausdruck „Ausfuhr“ im Sinne des Artikels 35 AEUV bezieht sich auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten, d. h. auf Ausfuhren von einem Mitgliedstaat in einen anderen. Ausfuhren in ein Land, das nicht der EU angehört, bleiben unberücksichtigt.

6.2.   Mengenmäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung

Obwohl Artikel 34 und 35 AEUV einen sehr ähnlichen Wortlaut aufweisen, hat der Gerichtshof diese beiden Bestimmungen stets unterschiedlich behandelt. Der Unterschied besteht vor allem darin, dass Artikel 35 AEUV nur auf Maßnahmen angewendet wird, die Waren diskriminieren. Dieser Grundsatz wurde in der Rechtssache Groenveld (195) formuliert, in welcher der Gerichtshof feststellte, dass Artikel 35 AEUV „sich auf nationale Maßnahmen [bezieht], die spezifische Beschränkungen der Ausfuhrströme bezwecken oder bewirken und damit unterschiedliche Bedingungen für den Binnenhandel innerhalb eines Mitgliedstaats und seinen Außenhandel schaffen“. Wenn dies dazu führe, dass „die nationale Produktion oder der Binnenmarkt des betroffenen Staates zum Nachteil der Produktion oder des Handels anderer Mitgliedstaaten einen besonderen Vorteil erlangt“, gelte Artikel 35 AEUV. (196)

Für seine enge Auslegung von Artikel 35 AEUV im Vergleich zur Rechtsprechung in Bezug auf Artikel 34 AEUV hat der Gerichtshof verschiedene Gründe. Bei Einfuhren können nicht diskriminierende Maßnahmen Importeure doppelt belasten, da diese die Vorschriften ihres eigenen Landes und die des Einfuhrlandes zu erfüllen haben. Insofern wird es als angemessen empfunden, wenn solche Maßnahmen von den EU-Rechtsvorschriften zum Schutz des Binnenmarktes erfasst werden. Bei den Exporteuren ist dies dagegen nicht der Fall, da sie einfach nur die für den heimischen Markt geltenden Vorschriften beachten. Wäre der Anwendungsbereich von Artikel 35 AEUV zu weit gefasst, könnte er zudem Beschränkungen abdecken, die auf den Handel innerhalb der Union keinerlei Auswirkungen haben.

In der Rechtssache Rioja resultierte die unterschiedliche Behandlung aus den besseren Herstellungs- oder Handelsbedingungen für inländische Unternehmen. (197) In der Rechtssache Parma ging es um einen besonderen Vorteil für im Erzeugungsgebiet ansässige Unternehmen. Die Verwendung der geschützten Bezeichnung „Prosciutto di Parma“ für Schinken, der in Scheiben geschnitten vermarktet wird, war an die Voraussetzung geknüpft, dass das Aufschneiden und Verpacken im Erzeugungsgebiet erfolgt. (198) Solche Vorteile für die inländischen Marktteilnehmer haben für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Unternehmen Wettbewerbsnachteile zur Folge, entweder weil ihnen zusätzliche Kosten entstehen oder wegen der Schwierigkeit, bestimmte Erzeugnisse zu beschaffen, die erforderlich sind, um mit den inländischen Marktteilnehmern in Wettbewerb treten zu können.

In einigen seiner aktuelleren Urteile betreffend Artikel 35 AEUV hat der Gerichtshof die letzte Bedingung des im Urteil in der Rechtssache Groenveld formulierten Kriteriums („zum Nachteil der Produktion oder des Handels anderer Mitgliedstaaten“) anders ausgelegt. (199) In der Rechtssache Gysbrechts (200) befasste sich der Gerichtshof mit belgischen Rechtsvorschriften, wonach der Verkäufer weder eine Anzahlung verlangen darf noch eine Zahlung während der siebentägigen „Rücktrittsfrist“, innerhalb derer ein Verbraucher einen Fernabsatzvertrag widerrufen kann. In diesem Urteil bestätigte der Gerichtshof die im Urteil in der Rechtssache Groenveld festgelegte Definition. Dennoch argumentierte er, dass das Verbot des Erhalts von Anzahlungen, selbst wenn dieses für alle inländischen Wirtschaftsbeteiligten gelte, sich beim grenzüberschreitenden Direktverkauf an Verbraucher tatsächlich schwerwiegender auswirke und somit Waren, die den Markt des Ausfuhrmitgliedstaats verließen, stärker betreffe als den Absatz von Waren auf dem inländischen Markt des Mitgliedstaats. Interessanterweise behinderte die Maßnahme in dieser Rechtssache in erster Linie den Handel von im Ausfuhrmitgliedstaat ansässigen Unternehmen und nicht von Unternehmen im Bestimmungsmitgliedstaat. (201)

Der Ansatz des Urteils in der Rechtssache Gysbrechts wurde in der Rechtssache New Valmar bekräftigt, in der es darum ging, dass alle Unternehmen mit einem Betriebssitz im Hoheitsgebiet eines bestimmten Mitgliedstaats verpflichtet wurden, sämtliche Rechnungen bezüglich grenzüberschreitender Geschäfte ausschließlich in der Amtssprache dieses Staates abzufassen. Andernfalls würden die betreffenden Rechnungen von den nationalen Gerichten von Amts wegen für nichtig erklärt. Das primäre Kriterium für den Gerichtshof war hier offensichtlich, ob sich eine Maßnahme auf Waren, die den Markt des Ausfuhrmitgliedstaats verlassen, tatsächlich schwerwiegender auswirkt. (202) Er vertrat die Ansicht, dass eine solche Maßnahme in den Anwendungsbereich des Artikels 35 AEUV fällt. Obwohl die Maßnahme ein legitimes Ziel verfolgte, nämlich die Förderung des Gebrauchs einer der Amtssprachen eines Mitgliedstaats, wurde sie nicht als verhältnismäßig angesehen. (203)

Denselben Ansatz verfolgte der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache Hidroelectrica, in dem nationale Maßnahmen zur Priorisierung der Stromversorgung auf dem Inlandsmarkt als Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinn des Artikels 35 AEUV angesehen wurden, da sie sich auf Stromexporte stärker auswirken. (204)

In dem recht aktuellen Urteil in der Rechtssache VIPA, in der es um ungarische Rechtsvorschriften ging, die die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Ungarn auf der Grundlage von Bestellungen durch Angehörige der Gesundheitsberufe in anderen Mitgliedstaaten ausschließen, ging der Gerichtshof so weit, dass selbst unbedeutende Beschränkungen des Handels, sofern sie nicht zu ungewiss oder zu mittelbar sind, ausreichen, um das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Artikels 35 AEUV nachzuweisen. (205)

7.   RECHTFERTIGUNGSGRÜNDE FÜR HANDELSBESCHRÄNKUNGEN

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs können nationale Rechtsvorschriften, die eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen darstellen, aus einem der in Artikel 36 AEUV genannten Gründe des Allgemeininteresses (siehe Abschnitt 7.1) oder durch zwingende Erfordernisse (siehe Abschnitt 7.2) gerechtfertigt sein.

In beiden Fällen muss die Bestimmung des nationalen Rechts geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels sicherzustellen, und darf nicht über das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinausgehen (siehe Abschnitt 7.3).

7.1.   Artikel 36 AEUV

In Artikel 36 AEUV sind die Gründe aufgelistet, mit denen die Mitgliedstaaten nationale Maßnahmen, die den grenzüberschreitenden Handel behindern, rechtfertigen können: „Die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind.“

Zudem hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung sogenannte zwingende Erfordernisse (zu denen beispielsweise der Umweltschutz gehört) definiert, aufgrund derer die Mitgliedstaaten ebenfalls nationale Maßnahmen rechtfertigen können.

Der Gerichtshof legt die in Artikel 36 AEUV aufgeführten Gründe für abweichende Regelungen, die sich ausschließlich auf nicht wirtschaftliche Interessen beziehen, eng aus. (206) Zudem muss jede Maßnahme unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden. Den Nachweis, dass die gemäß Artikel 36 AEUV getroffenen Maßnahmen gerechtfertigt sind, hat der Mitgliedstaat zu erbringen. (207) Kann der Mitgliedstaat sie jedoch auf überzeugende Weise begründen, ist es Sache der Kommission, nachzuweisen, dass die getroffenen Maßnahmen im betreffenden Fall unangemessen sind. (208)

Artikel 36 AEUV kann nicht geltend gemacht werden, um von harmonisierten EU-Rechtsvorschriften abweichende Regelungen zu rechtfertigen. (209) Wenn allerdings auf EU-Ebene keine Harmonisierung besteht, obliegt es den Mitgliedstaaten, ihr eigenes Schutzniveau festzulegen. Im Fall einer Teilharmonisierung ist in den Harmonisierungsvorschriften oftmals explizit vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten strengere Maßnahmen beibehalten oder erlassen können, sofern sie mit dem Vertrag vereinbar sind. In solchen Fällen hat der Gerichtshof zu prüfen, ob die fraglichen Vorschriften gemäß Artikel 36 AEUV gerechtfertigt sind.

Auch wenn eine Maßnahme gemäß Artikel 36 AEUV gerechtfertigt ist, darf sie „weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen“. Mit dem zweiten Satz von Artikel 36 AEUV soll vermieden werden, dass Mitgliedstaaten die Ausnahmeregelungen missbrauchen. Wie der Gerichtshof feststellte, soll Artikel [36] Satz 2 „verhindern, dass auf Gründe des Artikels [36] Satz 1 gestützte Beschränkungen des Handels missbraucht und zur Diskriminierung von Waren aus anderen Mitgliedstaaten oder zum mittelbaren Schutz bestimmter nationaler Produktionen verwandt werden“ (210), d. h., dass protektionistische Maßnahmen getroffen werden.

Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass unterschiedlich anwendbare Maßnahmen nur aus Gründen gemäß Artikel 36 AEUV gerechtfertigt sein können, während unterschiedslos anwendbare Maßnahmen auch aufgrund eines zwingenden Erfordernisses gerechtfertigt sein können. Die Unterscheidung zwischen unterschiedlich und unterschiedslos anwendbaren Maßnahmen ist jedoch nicht mehr so relevant wie früher.

7.1.1.   Öffentliche Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit

Die Mitgliedstaaten können beschließen, ein Erzeugnis aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit zu verbieten. Es ist zwar Sache eines jeden Mitgliedstaats, die Normen festzusetzen, wonach Erzeugnisse mit den nationalen Vorschriften über die öffentliche Sittlichkeit vereinbar sind, doch muss dies im Einklang mit den Verpflichtungen erfolgen, die sich aus dem EU-Recht ergeben. So ist beispielsweise jedes Verbot der Einfuhr von Erzeugnissen, deren Inverkehrbringen beschränkt, aber nicht verboten ist, diskriminierend und verstößt gegen die Bestimmungen über den „freien Warenverkehr“. Der Großteil der Rechtssachen, bei denen der Gerichtshof als Rechtfertigungsgrund die öffentliche Sittlichkeit zuließ, betraf anstößige und unzüchtige Waren. (211) Bei anderen Rechtssachen, bei denen die öffentliche Sittlichkeit geltend gemacht wurde, wurde auf weitere, verbundene Rechtfertigungsgründe verwiesen, z. B. das Allgemeininteresse bei Rechtssachen betreffend Glücksspiele (212) oder der Schutz von Minderjährigen beim Inverkehrbringen von Videos und DVDs (213).

Der Begriff der öffentlichen Ordnung wird vom Gerichtshof in einem sehr engen Sinne ausgelegt und diente bisher nur selten als Begründung für eine abweichende Regelung nach Artikel 36 AEUV. Gründe der öffentlichen Ordnung können beispielsweise nicht angeführt werden, wenn deren Schutz in Form einer allgemeinen Schutzklausel gewährleistet werden soll oder lediglich der Erreichung protektionistischer wirtschaftlicher Ziele dient. Wenn sich für abweichende Regelungen nach Artikel 36 AEUV alternative Rechtfertigungsgründe anbieten, tendiert der Gerichtshof dazu, sich auf diese alternative Rechtfertigung zu stützen oder den Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Ordnung in Verbindung mit anderen möglichen Rechtfertigungsgründen zu kombinieren. (214) Die öffentliche Ordnung wurde als einziger Rechtfertigungsgrund in einem Ausnahmefall akzeptiert, bei dem ein Mitgliedstaat die Ein- und Ausfuhr von Goldmünzen für Sammlerzwecke beschränkte. Der Gerichtshof vertrat die Ansicht, dass dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sei, da es zum Schutz des Münzrechts diene, das herkömmlich als wesentliches Interesse des Staates betrachtet werde. (215)

Der Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Sicherheit ist bisher im spezifischen Bereich des EU-Energiemarkts angeführt worden, obwohl eine Entscheidung nur auf die exakten Sachverhalte einer Rechtssache begrenzt werden sollte und nicht auf breiter Basis anwendbar ist. In der Rechtssache Campus Oil verlangte ein Mitgliedstaat von Erdölimporteuren, bis zu 35 % ihres Bedarfs an Erdöl durch Käufe bei einer nationalen Mineralölgesellschaft zu staatlich festgesetzten Preisen zu decken. Der Gerichtshof hielt dies für eine eindeutig protektionistische Maßnahme, die gegen Artikel 34 AEUV verstieß, die zugleich aber aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt war, weil sie gewährleisten sollte, dass eine wirtschaftlich lebensfähige Ölraffinerie auch in Krisenzeiten die Versorgung aufrechterhalten konnte. (216) Auch in der Rechtssache Hidroelectrica (217) akzeptierte der Gerichtshof die Sicherstellung der Energieversorgung als einen Grund der öffentlichen Ordnung im Sinne des Artikels 36 AEUV.

Ebenso akzeptierte der Gerichtshof die öffentliche Sicherheit als Rechtfertigungsgrund bei Rechtssachen, die den Handel mit strategisch sensiblen Gütern (218) betrafen, da „die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker die Sicherheit eines Mitgliedstaats beeinträchtigen kann“. In diesen Fällen erklärte der Gerichtshof, dass der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Artikels 36 AEUV sowohl die innere Sicherheit eines Mitgliedstaats (beispielsweise Aufdeckung von Straftaten sowie Verhinderung und Regulierung des Handels) als auch seine äußere Sicherheit umfasse. (219)

7.1.2.   Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen (Vorsorgeprinzip)

Nach einer Entscheidung des Gerichtshofs nehmen „unter den in Artikel 36 geschützten Gütern und Interessen ... die Gesundheit und das Leben von Menschen den ersten Rang ein, und es ist Sache der Mitgliedstaaten, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu bestimmen, in welchem Umfang sie deren Schutz gewährleisten wollen, insbesondere wie streng die durchzuführenden Kontrollen ausfallen sollen“. (220) In der gleichen Entscheidung stellte der Gerichtshof fest, dass eine nationale Regelung oder Praxis nicht unter die Ausnahmebestimmungen von Artikel 36 AEUV falle, wenn die Gesundheit und das Leben von Menschen genauso wirksam durch Maßnahmen geschützt werden könne, die den Intra-EU-Handel weniger stark beschränkten. (221)

Der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen ist der von den Mitgliedstaaten zur Rechtfertigung von Hemmnissen für den freien Warenverkehr am häufigsten geltend gemachte Rechtfertigungsgrund. Den Mitgliedstaaten wird zwar ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt (222), bestimmte Grundregeln müssen jedoch beachtet werden. Es muss nachgewiesen werden, dass das Inverkehrbringen der betreffenden Erzeugnisse eine ernsthafte und reale Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt. (223) Dies muss stichhaltig begründet sein, und die Mitgliedstaaten müssen sämtliche Nachweise, Angaben (technische, wissenschaftliche, statistische, ernährungsbezogene und weitere Daten) und sonstigen einschlägigen Informationen vorlegen. (224) Der Schutz der Gesundheit kann nicht angeführt werden, wenn die betreffende Maßnahme in Wirklichkeit dem Schutz des inländischen Markts dient, auch wenn es in Ermangelung einer Harmonisierung den Mitgliedstaaten obliegt, den Umfang des Schutzes festzulegen. Ebenso müssen die Maßnahmen verhältnismäßig sein, d. h. sich auf das beschränken, was zur Erreichung des berechtigten Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist. (225)

Anwendung des „Vorsorgeprinzips“: Auch wenn es möglicherweise in der früheren Rechtsprechung bereits implizit enthalten war, wurde das Vorsorgeprinzip vom Gerichtshof erstmals in der Rechtssache National Farmers’ Union (226) ausdrücklich bekräftigt. Der Gerichtshof stellte Folgendes fest: „Wenn das Vorliegen und der Umfang von Gefahren für die menschliche Gesundheit ungewiss ist, können die Organe Schutzmaßnahmen treffen, ohne abwarten zu müssen, dass das Vorliegen und die Größe der Gefahren klar dargelegt sind.“ Dieses Prinzip legt fest, unter welchen Umständen ein Gesetzgeber auf nationaler, EU- oder internationaler Ebene Maßnahmen erlassen kann, um die Verbraucher vor Gesundheitsrisiken zu schützen, die aufgrund von Unsicherheiten bezüglich des Stands der wissenschaftlichen Forschung bei einer Ware oder einer Dienstleistung möglicherweise bestehen.

Möchten Mitgliedstaaten Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit gemäß Artikel 36 AEUV aufrechterhalten oder treffen, müssen sie in der Regel den Nachweis für ihre Notwendigkeit erbringen. (227) Dies gilt auch für Fälle, bei denen das Vorsorgeprinzip geltend gemacht wird. (228) In seinen Urteilen betonte der Gerichtshof, es müsse auf Basis der aktuellen Erkenntnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung nachgewiesen werden, dass tatsächliche Risiken vorliegen. Der Gerichtshof stellte wiederholt fest, die Mitgliedstaaten müssten eine Risikobewertung vornehmen, bevor sie Vorsorgemaßnahmen gemäß den Artikeln 34 und 36 AEUV treffen. (229) Sie müssen aber nicht aufzeigen, dass zwischen den Beweisen und den Risiken ein eindeutiger Zusammenhang besteht. (230) Wenn die wissenschaftliche Unsicherheit hinsichtlich des Risikos fortbesteht und festgestellt wurde, lässt der Gerichtshof den Mitgliedstaaten bzw. den einschlägigen Institutionen einen erheblichen Ermessensspielraum bei der Entscheidung, welche Schutzmaßnahmen zu treffen sind. (231) In der Rechtssache C-446/08 Solgar Vitamin’s betreffend die Festlegung von Höchstmengen an Vitaminen und Mineralstoffen, die bei der Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden dürfen, bestätigte der Gerichtshof, dass die Mitgliedstaaten nicht abwarten müssen, bis das Vorliegen und die Größe der Gefahren klar dargelegt sind. (232) Dennoch dürfen die Maßnahmen nicht auf der Grundlage „rein hypothetischer Erwägungen“ (233) getroffen werden, wie der Gerichtshof in der Rechtssache C-672/15 Noria Distribution bestätigte, in der es ebenfalls um sichere Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe bei der Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln ging. (234)

7.1.3.   Schutz des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert

Die Pflicht eines Mitgliedstaats, sein nationales Kulturgut und -erbe zu schützen, kann Maßnahmen rechtfertigen, die die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen behindern.

Die Mitgliedstaaten greifen auf unterschiedliche Maßnahmen zur Beschränkung der Ausfuhr von Antiquitäten und sonstigen Kunstwerken zurück, welche als im Sinne des Artikels 36 AEUV gerechtfertigt angesehen werden könnten.

In der Rechtssache LIBRO vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass der Schutz der kulturellen Vielfalt „generell ... nicht unter den ‚[Schutz] des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert‘“ im Sinne des Artikels 36 AEUV falle. (235)

7.1.4.   Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums

Artikel 36 AEUV nennt den „Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums“ als einen Rechtfertigungsgrund für Beschränkungen. „Gewerbliches und kommerzielles Eigentum“ bezeichnet im Allgemeinen Rechte des geistigen Eigentums wie Patente, Handelsmarken, Geschmacksmuster, Urheberrechte und geografische Herkunftsangaben. (236)

In seiner grundlegenden Rechtsprechung hat der Gerichtshof eine Reihe von Prinzipien entwickelt, die für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Ausnahmen auf nationaler Ebene bedeutsam waren sowie den Weg zu einer Harmonisierung und Vereinheitlichung der Rechte des geistigen Eigentums auf Ebene gebahnt haben (eine Besprechung dieser Fragen würde über den Gegenstand des vorliegenden Abschnitts hinausgehen).

Das erste Prinzip besteht darin, dass die gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gewährten Rechte an geistigem Eigentum in ihrer Existenz durch den Vertrag nicht berührt werden. Auf nationaler Ebene erlassene Vorschriften über den Erwerb, die Übertragung und die Erschöpfung dieser Rechte sind somit rechtmäßig. Dieses Prinzip gilt jedoch nicht, wenn die nationalen Vorschriften ein Element der Diskriminierung enthalten. (237)

Das zweite Prinzip ist der Erschöpfungsgrundsatz. Der Inhaber des geistigen Eigentums kann die Nutzung, Herstellung und den Verkauf des durch das geistige Eigentum geschützten Erzeugnisses in dem Mitgliedstaat beschränken, für den dieses Recht gewährt wurde. Sobald aber der Inhaber des geistigen Eigentums das Erzeugnis selbst oder mit seiner Zustimmung in dem Mitgliedstaat rechtmäßig verkauft und vertrieben hat, ist dieses Recht an dem geistigen Eigentum an der Grenze erschöpft. Der Inhaber des Rechtes kann dann nicht mehr die Einfuhr des Erzeugnisses in einen Mitgliedstaat verbieten, in dem es zuerst vermarktet wurde, wodurch von jedem Ort in der EU Parallelimporte möglich werden.

Der Erschöpfungsgrundsatz dient dazu, den Schutz von Rechten am gewerblichen Eigentum und den Grundsatz des freien Warenverkehrs miteinander zu vereinbaren. Ausnahmen sind nur insoweit gestattet, als sie zur Wahrung des spezifischen Gegenstands dieses Eigentums berechtigt sind. Dieser Grundsatz ermöglicht es, in Bezug auf jede Art des geistigen Eigentums die Bedingungen zu bestimmen, unter denen die Ausübung dieses Rechts nach den EU-Rechtsvorschriften zulässig ist, auch wenn eine solche Rechtsausübung in einer grenzüberschreitenden Situation per definitionem den freien Warenverkehr behindert. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Erschöpfungsgrundsatz betrifft vor allem Patente, Warenzeichen, Geschmacksmuster (238) und das Urheberrecht (239).

Bei Patenten sah der Gerichtshof beispielsweise als den spezifischen Gegenstand insbesondere an, „dass der Inhaber zum Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit das ausschließliche Recht erlangt, gewerbliche Erzeugnisse herzustellen und erstmals in den Verkehr zu bringen, mithin die Erfindung entweder selbst oder im Wege der Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten, und dass er ferner das Recht erlangt, sich gegen jegliche Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen“ (240). Es ist dann Aufgabe des Patentinhabers, in voller Kenntnis der Sachlage über die Bedingungen zu entscheiden, unter denen er sein Erzeugnis in den Verkehr bringt, was die Möglichkeit einschließt, das Erzeugnis in einem Mitgliedstaat abzusetzen, in dem dafür kein gesetzlicher Patentschutz besteht. Entscheidet er sich in dieser Weise, so hat er die Konsequenzen seiner Wahl hinzunehmen, soweit es um den freien Verkehr des Erzeugnisses innerhalb des Gemeinsamen Marktes geht. Würde man dem Erfinder erlauben, sich auf das Patent, das er in einem ersten Mitgliedstaat besitzt, zu berufen, um sich der Einfuhr des Erzeugnisses zu widersetzen, das von ihm in einem anderen Mitgliedstaat, in dem dieses Erzeugnis nicht patentfähig war, frei in den Verkehr gebracht worden ist, so würde dies zu einer Abschottung der nationalen Märkte führen, die den Zielen des Vertrages zuwiderliefe. (241)

Was das Warenzeichenrecht betrifft, so hat der Gerichtshof in konsistenter Rechtsprechung entschieden, dass sein spezifischer Gegenstand darin besteht, dass seinem Inhaber das Recht verliehen wird, das Warenzeichen beim erstmaligen Inverkehrbringen eines Erzeugnisses zu benutzen. Dadurch wird er vor Konkurrenten geschützt, die die Stellung und den Ruf des Warenzeichens durch den Vertrieb widerrechtlich mit diesem Zeichen versehener Erzeugnisse zu missbrauchen suchen. Für die Bestimmung der genauen Reichweite dieses ausschließlichen Rechts des Warenzeicheninhabers ist nach Ansicht des Gerichtshofs die Hauptfunktion des Warenzeichens zu berücksichtigen, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität des gekennzeichneten Erzeugnisses zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, dieses Erzeugnis ohne Verwechslungsgefahr von Erzeugnissen anderer Herkunft zu unterscheiden. (242)

Diese Rechtsprechung wurde insbesondere auf dem Gebiet der Umverpackung pharmazeutischer Erzeugnisse weiterentwickelt und verfeinert. (243)

Es muss daran erinnert werden, dass der Gerichtshof seine Rechtsprechung angesichts fehlender Regelungen des EU-Sekundärrechts entwickelt hat. Er stellte fest, „dass sich ... die Voraussetzungen und die Modalitäten dieses Schutzes beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts mangels einer Rechtsvereinheitlichung oder -angleichung innerhalb der Gemeinschaft nach nationalem Recht bestimmen“. (244) Inzwischen hat jedoch der Unionsgesetzgeber eine umfangreiche Reihe von Richtlinien und Verordnungen über das gewerbliche Eigentum erlassen. So ist beispielsweise der Rechtsrahmen für Markenzeichen durch die Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates (245) über Markenzeichen harmonisiert und die Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Unionsmarke vereinheitlicht. (246) Für Geschmacksmuster bestehen vergleichbare Regelungen, wohingegen die Harmonisierung der nationalen Patentvorschriften immer noch eher fragmentiert ist. (247)

Auf dem Gebiet des Urheberrechts und verwandter Rechte hat der Unionsgesetzgeber die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten weitgehend harmonisiert, indem er Autoren und anderen Rechteinhabern ein hohes Schutzniveau gewährte. Dazu gehören unter anderem ausschließliche Rechte, bestimmte Arten der Verwertung ihrer Inhalte zu autorisieren oder zu verbieten, mit harmonisierten Schutzbedingungen, ein Rechtsrahmen von Ausnahmen und Beschränkungen, Rechtsschutz für technische Schutzmaßnahmen und Informationen über Rechteverwaltung sowie kollektive Rechteverwaltung und -durchsetzung. Im Bereich des freien Warenverkehrs gewährt die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (248) Urhebern das ausschließliche Verbreitungsrecht in Bezug auf ihre Werke. Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (249) gewährt ausübenden Künstlern und Herstellern von Tonträgern und Filmen sowie Sendeanstalten das ausschließliche Vertriebsrecht für ihre Schutzgegenstände. Die Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (250) sieht auch ein ausschließliches Vertriebsrecht für Computerprogramme vor.

In den drei oben erwähnten Urheberrechtsrichtlinien ist auch vorgesehen, dass durch den ersten Verkauf oder die erste sonstige Übertragung des Eigentumsrechts an einer Kopie des Werks oder sonstigen Schutzgegenstandes durch den Rechteinhaber oder mit dessen Einverständnis das Vertriebsrecht an dieser Kopie in der Union erschöpft ist. Diese Vorschrift sichert den freien Warenverkehr mit urheberrechtlich geschützten Waren innerhalb der Union, sobald sie durch den Rechteinhaber oder mit seiner Zustimmung auf den Markt gebracht wurden. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass dieser Grundsatz auf körperliche Vervielfältigungsstücke von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen anwendbar ist. Im Fall von Computerprogrammen hat der Gerichtshof jedoch klargestellt, dass das Vertriebsrecht an einer Kopie eines Computerprogramms nach dem Download einer Kopie von dem Internet mit dem Einverständnis des Rechteinhabers unter Bedingungen, die diesen Download dem Verlauf einer Kopie des Computerprogramms gleichwertig macht, ebenfalls erschöpft ist. (251) Der Gerichtshof hat kürzlich geurteilt, dass diese Erweiterung des Erschöpfungsgrundsatzes nach der Übertragung digitaler Kopien im Fall anderer Werke als Computerprogramme (z. B. E-Books) nicht anwendbar ist. (252)

Darüber hinaus hat der Gerichtshof spezifische Regeln für geografische Herkunftsangaben für die Zwecke des Artikels 36 AEUV entwickelt. (253)

7.2.   Zwingende Erfordernisse

Der Gerichtshof definierte zwingende Erfordernisse in seinem Urteil in der Rechtssache Cassis de Dijon als eine nicht abschließende Liste geschützter Interessen im Rahmen von Artikel 34 AEUV. In diesem Urteil erklärte der Gerichtshof, diese zwingenden Erfordernisse bezögen sich insbesondere auf eine wirksame steuerliche Kontrolle, auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit, auf die Lauterkeit des Handelsverkehrs und auf den Verbraucherschutz. (254) Die Terminologie des Gerichtshofs hat sich nach und nach insofern verändert, als der Gerichtshof heutzutage häufig zwingende Erfordernisse des öffentlichen oder des Allgemeininteresses anstelle von zwingenden Erfordernissen anführt.

Zwingende Erfordernisse können zur Rechtfertigung nationaler Maßnahmen geltend gemacht werden, die geeignet sind, den Handel innerhalb des Binnenmarkts zu behindern und nicht unter die in Artikel 36 AEUV genannten Ausnahmen fallen. Die Bewertung der Rechtfertigung ist dieselbe wie nach Artikel 36: Um zulässig zu sein, müssen nationale Maßnahmen im Hinblick auf das verfolgte Ziel verhältnismäßig sein. Grundsätzlich können zwingende Erfordernisse nur zur Rechtfertigung nationaler Maßnahmen herangezogen werden, die unterschiedslos auf inländische Waren und auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten anwendbar sind. (255) Gründe, die nicht durch Artikel 36 AEUV abgedeckt sind, können daher theoretisch nicht zur Rechtfertigung diskriminierender Maßnahmen angeführt werden. Während der Gerichtshof Mittel fand, um diese Abgrenzung ohne Infragestellung seiner früheren Rechtsprechung zu übergehen (256), wurde argumentiert, dass eine derartige Abgrenzung ohnehin künstlich sei, und der Gerichtshof habe sich für eine Vereinfachung entschieden, indem er zwingende Erfordernisse in gleicher Weise wie die in Artikel 36 AEUV aufgeführten Rechtfertigungsgründe behandele.

7.2.1.   Umweltschutz

Auch wenn der Umweltschutz in Artikel 36 AEUV nicht ausdrücklich erwähnt ist, wurde er vom Gerichtshof als zwingendes Erfordernis anerkannt. Der Gerichtshof hat „den Umweltschutz ... als ein wesentliches Ziel [der Union] angesehen, das als solches bestimmte Beschränkungen des freien Warenverkehrs rechtfertigen kann“. (257) Tatsächlich wurde ein hohes Umweltschutzniveau bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren als Ziel des Allgemeininteresses erkannt. (258)

Der Gerichtshof hat für eine Reihe von Maßnahmen und Zielen anerkannt, dass sie unter das Ziel des Umweltschutzes fallen:

Nationale Förderprogramme für grünen Strom, sofern sie zur Verringerung von Treibhausgasemissionen beitragen, die zu den Hauptursachen des Klimawandels gehören, zu deren Bekämpfung sich die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet haben. (259)

Ein nationales System zur Überprüfung der Nachhaltigkeit von flüssigen Biobrennstoffen, das vorsieht, dass alle Wirtschaftsbeteiligten, die in die Lieferkette eingebunden sind, bestimmten Pflichten unterliegen. (260)

Schutz der Luftqualität

Der Schutz der Luftqualität war Gegenstand von zwei Rechtssachen (C-28/09 und C-320/03), die nationale Maßnahmen zur Verringerung der spezifischen Kraftfahrzeugemissionen und der Straßenverkehrsdichte betrafen, mit denen der Ausstoß von Stickstoffdioxid im Bundesland Tirol verringert werden sollte. Zu diesen Maßnahmen gehörten sektorale Fahrverbote für bestimmte Güter befördernde Lastkraftwagen mit einer Gesamtmasse von mehr als 7,5 t auf einem Teilstück der Autobahn A12 in Österreich. Prinzipiell könnten solche Maßnahmen zwar aus Gründen des Schutzes der Luftqualität im Rahmen des Schutzes der Umwelt und der menschlichen Gesundheit gerechtfertigt sein, doch waren sie in Bezug auf die angestrebten Ziele nicht verhältnismäßig.

Nutzung erneuerbarer Energiequellen für die Biogasproduktion

Die Rechtssache E.ON Biofor Sverige betraf ein System zur Überprüfung der Nachhaltigkeit von Biogas. Das in Schweden bestehende System wirkte sich in der Praxis so aus, dass in Deutschland hergestelltes nachhaltiges Biogas, das über das deutsche und das dänische Gasnetz nach Schweden transportiert werden sollte, nicht in das System zur Überprüfung der Nachhaltigkeit von Biogas einbezogen werden und folglich nicht als „nachhaltig“ eingestuft werden konnte. (261)

Der Gerichtshof wies darauf hin, dass die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zur Erzeugung von Biogas grundsätzlich dem Umweltschutz diene, da diese Regelung zur Verringerung der Emissionen von Treibhausgasen beitragen solle. Er stellte ferner fest, dass die vermehrte Nutzung erneuerbarer Energiequellen eines der wesentlichen Elemente des Maßnahmenbündels sei, das zur Verringerung dieser Emissionen und zur Einhaltung der entsprechenden Verpflichtungen auf Ebene der EU und auf internationaler Ebene benötigt werde, und dass eine solche vermehrte Nutzung zugleich den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen bezwecke. (262)

Errichtung eines Pfand- und Rücknahmesystems für Leergut (263)

Die Mitgliedstaaten machen immer häufiger Umweltschutzgründe geltend; dies liegt u. a. an Verpflichtungen zur Bekämpfung des Klimawandels, am wissenschaftlichen Fortschritt und an einem zunehmenden öffentlichen Bewusstsein. Allerdings hat der Gerichtshof bekräftigt, dass die öffentliche Gesundheit und der Umweltschutz nicht immer als Begründungen für eine Beschränkung des freien Warenverkehrs ausreichten. In mehreren Rechtssachen stimmte der Gerichtshof den Argumenten der Kommission zu, wonach nationale Maßnahmen im Hinblick auf das zu erreichende Ziel unverhältnismäßig seien oder die angeführten Risiken nicht hinlänglich nachgewiesen werden konnten. (264)

Der Umweltschutz ist ein gutes Beispiel für den flexibleren Ansatz, den der Gerichtshof bei der Kategorisierung der Begründungen gewählt hat. Der Gerichtshof hat in mehreren Fällen anerkannt, dass der Schutz der Umwelt auch mit den Zielen des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen verknüpft ist. (265) In der Rechtssache Kommission/Österreich stellte der Gerichtshof fest, dass sich aus Artikel 174 Absatz 1 EGV (jetzt Artikel 191 AEUV) ergebe, dass der Schutz der menschlichen Gesundheit zu den Zielen der Umweltpolitik der Gemeinschaft gehöre. Er befand darüber hinaus, dass diese Ziele eng miteinander verbunden seien, insbesondere im Rahmen der Bekämpfung der Luftverschmutzung, mit der die Gesundheitsgefahren begrenzt werden sollen, die mit der Verschlechterung der Umwelt verbunden sind. Somit sei das Ziel des Gesundheitsschutzes grundsätzlich bereits vom Ziel des Umweltschutzes umfasst. (266)

7.2.2.   Verbraucherschutz

Der Verbraucherschutz gehört zu den am häufigsten angeführten Rechtfertigungsgründen. Die Frage, welche Informationen den Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden müssen, wird mit Blick „auf die mutmaßliche Erwartung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ beurteilt. (267) Dies wurde zum Beispiel in der Rechtssache C-481/12 Juvelta festgestellt, in der es um Edelmetallpunzen ging. Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass eine Verpflichtung des Importeurs, in Edelmetallarbeiten ein Zeichen einzustanzen, das den Feingehalt angibt, grundsätzlich geeignet sein könne, einen wirksamen Schutz der Verbraucher zu gewährleisten und die Lauterkeit des Handelsverkehrs zu fördern. Der Gerichtshof hat jedoch auch entschieden, dass ein Mitgliedstaat keine erneute Punzierung von Erzeugnissen vorschreiben darf, die aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführt werden, in dem sie rechtmäßig in Verkehr gebracht und mit einer Punze versehen worden sind, sofern die in dieser Punze enthaltenen Angaben den im Einfuhrmitgliedstaat vorgeschriebenen Angaben entsprechen und für die Verbraucher in diesem Staat verständlich sind. (268)

Dem liegt das Prinzip zugrunde, dass Verbraucher, die klare und angemessene Informationen erhalten, in der Lage sind, selbst Entscheidungen zu treffen. Nach Auffassung des Gerichtshofs ist ein größeres Angebot mit Qualitätsunterschieden für Verbraucher nützlicher als ein begrenztes Angebot von höherer Qualität auf der Grundlage nationaler Standards. (269) Im Falle einer ernsthaften Gefahr der Irreführung von Verbrauchern kann ein Erzeugnis verboten werden.

In seiner Rechtsprechung vertrat der Gerichtshof allerdings generell die Auffassung, dass für eingeführte Erzeugnisse, die inländischen Erzeugnissen ähnelten, eine angemessene Etikettierung, die nach den nationalen Rechtsvorschriften erforderlich ist, ausreiche, um den Verbraucher mit den erforderlichen Informationen über die Art des betreffenden Erzeugnisses zu versorgen. Unnötig beschränkende Maßnahmen können nicht aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt werden. (270)

7.2.3.   Sonstige zwingende Erfordernisse

Der Gerichtshof hat im Lauf der Zeit noch weitere zwingende Erfordernisse anerkannt, mit denen Hemmnisse für den freien Warenverkehr gerechtfertigt werden können:

Grundrechte: In der Rechtssache Schmidberger stellte der Gerichtshof fest, dass in einigen Fällen der Grundrechtsschutz (in diesem Fall die Meinungsäußerung- und Versammlungsfreiheit) mit den im Vertrag verankerten Grundfreiheiten in Einklang gebracht werden müsse, wenn die erstgenannten Freiheiten als Rechtfertigung für die letztgenannten herangezogen werden. (271)

Verbesserung der Arbeitsbedingungen: Während Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz Teil der öffentlichen Gesundheit im Sinne des Artikels 36 AEUV sind, stellt die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein „zwingendes Erfordernis“ dar, selbst wenn keine gesundheitlichen Aspekte vorliegen. (272)

Kulturelle Ziele: (273) In einer Rechtssache betreffend französische Vorschriften, mit denen die Verbreitung von Filmwerken gefördert werden sollte, schien der Gerichtshof anzuerkennen, dass der Schutz von Kultur unter bestimmten Umständen ein „zwingendes Erfordernis“ darstellen kann, das geeignet ist, Ein- oder Ausfuhrbeschränkungen zu rechtfertigen. Darüber hinaus wurde der Schutz von Büchern als Kulturgut als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses angesehen. (274)

Aufrechterhaltung der Medienvielfalt: (275) Bei einem Vorabentscheidungsersuchen betreffend das österreichische Verbot von Zeitschriften, die den Lesern die Teilnahme an Gewinnspielen anboten, vertrat der Gerichtshof die Auffassung, die Aufrechterhaltung der Medienvielfalt könne ein zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses darstellen. Er erklärte, diese Vielfalt trage nämlich zur Wahrung des Rechts der freien Meinungsäußerung bei, das durch Artikel 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geschützt sei.

Finanzielles Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit: Rein wirtschaftliche Gründe können eine Beschränkung des freien Warenverkehrs nicht rechtfertigen. In der Rechtssache C-120/95, Decker erkannte der Gerichtshof jedoch an, dass eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen könne, der eine solche Beschränkung rechtfertigen könne. (276)

Straßenverkehrssicherheit: In mehreren Rechtssachen vertrat der Gerichtshof auch die Auffassung, die Straßenverkehrssicherheit stelle einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der geeignet sei, eine Beschränkung des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen. (277)

Kriminalitätsbekämpfung: In einer Rechtssache betreffend ein portugiesisches Verbot, farbige Folien an den Scheiben von Kraftfahrzeugen zu befestigen (278), befand der Gerichtshof, die Verbrechensbekämpfung könne einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der geeignet sei, eine Beschränkung des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen.

Schutz des Wohlbefindens der Tiere: In der Rechtssache C-219/07 erinnerte der Gerichtshof daran, dass der Schutz des Wohlbefindens der Tiere ein im Allgemeininteresse liegendes berechtigtes Ziel darstellt, dessen Bedeutung die Annahme des Protokolls über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere, das dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist, durch die Mitgliedstaaten sichtbar gemacht habe. (279)

Förderung des Gebrauchs einer der Amtssprachen eines Mitgliedstaats: Der Gerichtshof hat auch darauf hingewiesen, dass die Förderung des Gebrauchs einer der Amtssprachen eines Mitgliedstaats ein berechtigtes Ziel ist, das grundsätzlich geeignet sei, eine Beschränkung der nach dem Unionsrecht bestehenden Verpflichtungen zu rechtfertigen. (280)

Wie bereits erwähnt, ist die Liste der zwingenden Erfordernisse nicht abschließend, sondern entwickelt sich in der Rechtsprechung des Gerichtshofs ständig weiter.

7.3.   Prüfung der Verhältnismäßigkeit

Damit eine staatliche Maßnahme aufgrund von Artikel 36 AEUV oder aufgrund der vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung definierten zwingenden Erfordernisse gerechtfertigt sein kann, muss sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehen. (281) Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zufolge sind die von den Mitgliedstaaten gewählten Maßnahmen auf das zu beschränken, was zur Erreichung des verfolgten berechtigten Ziels tatsächlich geeignet und notwendig ist. (282) Vereinfacht ausgedrückt setzt Geeignetheit voraus, dass die betreffende Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Ziels dienlich ist, während Notwendigkeit voraussetzt, dass die gewählten Maßnahmen den freien Warenverkehr nicht stärker als notwendig beschränken. In diesem Zusammenhang wäre zu prüfen, ob Mittel zur Verfügung stehen, die den Intra-EU-Handel weniger beschränken, aber dennoch zum gleichen Ergebnis führen. Ein wichtiger Aspekt bei der Analyse der von einem Mitgliedstaat vorgebrachten Rechtfertigung ist daher das Vorhandensein alternativer Maßnahmen. Der Gerichtshof hat mehrfach staatliche Maßnahmen als unverhältnismäßig angesehen, weil alternative Maßnahmen verfügbar waren. (283)

So hat der Gerichtshof etwa in den Rechtssachen C-28/09 und C-320/03 hervorgehoben, dass die Behörden vor Erlass einer so radikalen Maßnahme wie der eines völligen Fahrverbots auf einem Autobahnabschnitt, der eine überaus wichtige Verbindung zwischen bestimmten Mitgliedstaaten darstelle, sorgfältig zu prüfen habe, ob nicht auf Maßnahmen zurückgegriffen werden könnte, die den freien Verkehr weniger beschränken, und durften solche nur ausschließen, wenn ihre Ungeeignetheit im Hinblick auf den verfolgten Zweck eindeutig feststand. (284) In der Rechtssache C-549/15 betreffend ein System zur Überprüfung der Nachhaltigkeit von Biogas sah der Gerichtshof es als nicht erwiesen an, dass die Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs erforderlich sei, um die betreffenden Ziele zu erreichen. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Behörden nicht konkret nachgewiesen hätten, dass ein Grund des Allgemeininteresses vorliege und dass die Maßnahme hinsichtlich des verfolgten Ziels verhältnismäßig sei. Daher wurde die fragliche Maßnahme als nicht gerechtfertigt angesehen. (285)

In der Rechtssache Scotch Whisky Association vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass eine Verteuerung des Alkoholkonsums mit dem Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, indem für den Verkauf von alkoholischen Getränken im Einzelhandel ein Mindestpreis pro Alkoholeinheit vorgegeben werde, nicht verhältnismäßig sei. Er begründete dies mit der Verfügbarkeit von weniger einschränkenden Maßnahmen wie einer Verbrauchsteuer. Der Gerichtshof stellte jedoch weiterhin fest, dass es Sache des vorlegenden Gerichts sei, anhand einer eingehenden Prüfung aller einschlägigen Gesichtspunkte der bei ihm anhängigen Rechtssache zu ermitteln, ob dies wirklich der Fall sei. Insoweit müssten die Rechtfertigungsgründe, auf die sich ein Mitgliedstaat berufen kann, von geeigneten Beweisen oder einer Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der von diesem Mitgliedstaat erlassenen beschränkenden Maßnahme sowie von genauen Angaben zur Stützung seines Vorbringens begleitet sein. (286) Die Bewertung der Verhältnismäßigkeit sei nicht auf die Beweismittel oder Angaben beschränkt, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme verfügbar waren, sondern müsse anhand der Beweismittel oder Angaben erfolgen, die dem nationalen Gericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zur Verfügung stehen. (287)

Die Mitgliedstaaten sind zudem gehalten, die geltend gemachten Ziele konsequent und systematisch zu verfolgen. (288) Kann ein Mitgliedstaat nachweisen, dass die alternative Maßnahme anderen berechtigten Interessen zuwiderlaufen würde, wird dies bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt. (289) Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung geht es daher um eine Abwägung einander entgegenstehender Interessen im Gesamtkontext des jeweiligen Falles.

In Ermangelung einer auf Gemeinschaftsebene harmonisierten Regelung steht es den Mitgliedstaaten frei, das Schutzniveau festzulegen, das sie zur Erreichung des betreffenden legitimen Ziels für erforderlich halten. In bestimmten Bereichen ließ der Gerichtshof den Mitgliedstaaten einen gewissen Ermessensspielraum im Hinblick auf die getroffenen Maßnahmen und das angestrebte Schutzniveau, der je nach den nationalen Voraussetzungen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sein kann. Dieser Ermessensspielraum ist natürlich in als sensibler geltenden Bereichen größer. (290)

Ungeachtet dieser relativen Freiheit bei der Festlegung des angestrebten Schutzniveaus darf sich die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem gewählt hat als ein anderer Mitgliedstaat, nicht auf die Beurteilung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der zu diesem Zweck erlassenen Bestimmungen auswirken. (291) Die entsprechenden Bestimmungen sind ausschließlich im Hinblick auf die von den nationalen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats verfolgten Ziele und das angestrebte Schutzniveau zu beurteilen. (292)

Angesichts der zunehmenden Zahl möglicher Rechtfertigungsgründe ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu einem wesentlichen und oft ausschlaggebenden Faktor in der Argumentation des Gerichtshofs geworden. (293)

7.4.   Beweislast

Der Mitgliedstaat, der einen Rechtfertigungsgrund für eine Beschränkung des freien Warenverkehrs geltend macht, muss konkret darlegen, dass im Allgemeininteresse liegende Gründe vorliegen aus denen sich ergibt, dass die Beschränkung erforderlich und hinsichtlich des verfolgten Ziels verhältnismäßig ist. (294) Wie oben beschrieben, muss der von dem Mitgliedstaat geltend gemachte Rechtfertigungsgrund geeignete Beweise oder eine Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der erlassenen beschränkenden Maßnahme vorlegen sowie genaue Angaben zur Stützung seines Vorbringens machen. (295) In dieser Hinsicht reicht eine bloße Erklärung, dass die Maßnahme aus einem der anerkannten Gründe gerechtfertigt ist, oder das Fehlen einer Analyse alternativer Maßnahmen nicht aus. (296) Der Gerichtshof hat aber erklärt, dass die Beweislast nicht so weit geht, dass der Mitgliedstaat positiv belegen müsste, dass sich dieses Ziel mit keiner anderen vorstellbaren Maßnahme unter den gleichen Bedingungen erreichen lasse. (297)

8.   VERHÄLTNIS ZU ANDEREN FREIHEITEN UND ARTIKELN DES VERTRAGS BETREFFEND DEN FREIEN WARENVERKEHR

8.1.   Grundfreiheiten

8.1.1.   Artikel 45 AEUV — Freizügigkeit der Arbeitnehmer

Artikel 45 AEUV (ex-Artikel 39 EGV) gewährleistet die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU. Diese Freizügigkeit umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung von Wanderarbeitnehmern und inländischen Arbeitnehmern innerhalb der EU in Bezug auf die Beschäftigung und die Arbeitsbedingungen sowie die Besteuerung und die Sozialleistungen. Artikel 45 AEUV verbietet jede Art der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, aber auch nationale Rechtsvorschriften, die zwar ungeachtet der Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer zur Anwendung kommen, ihre Freizügigkeit aber beschränken.

Probleme im Zusammenhang mit der Einfuhr persönlicher Gegenstände von Arbeitnehmern könnten theoretisch gemäß Artikel 34 AEUV oder Artikel 45 AEUV bewertet werden. Der Gerichtshof befasste sich mit dieser Frage in der Rechtssache Weigel (298), bei der ein Ehepaar ihre Kraftfahrzeuge aus ihrem Herkunftsland (Deutschland) in einen Mitgliedstaat einführte, in dem der Ehemann eine Beschäftigung aufgenommen hatte (Österreich). Bei der Zulassung der Kraftfahrzeuge in Österreich musste das Ehepaar übermäßig hohe Abgaben entrichten. Das Ehepaar machte geltend, die Abgabe würde sie davon abhalten, ihre Rechte auf Freizügigkeit gemäß Artikel 45 AEUV wahrzunehmen.

Der Gerichtshof stimmte dem Ehepaar insofern zu, als er einräumte, dass „[die Abgabe] Wanderarbeitnehmer davon abhalten könnte, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen“. (299) Der Gerichtshof wies aber aus anderen Gründen das Vorbringen des Ehepaars, die Abgabe verstoße gegen Artikel 45 AEUV, zurück. Es sei angemerkt, dass sich der Gerichtshof nicht explizit zu der Frage äußerte, ob solche Beschränkungen einzig und allein nach Maßgabe von Artikel 34 AEUV zu beurteilen seien. Außerdem ist nach wie vor nicht sicher, in welchen Situationen die Anwendung von Artikel 45 AEUV anstatt von Artikel 34 AEUV vorteilhafter ist, wobei die erste Bestimmung nur bei Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zur Anwendung kommt, während sich Artikel 34 AEUV auf Waren aus einem Drittland bezieht, die in der EU in Verkehr gebracht wurden.

Es sei darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nationale Regelungen, die die Zulassung und/oder die Besteuerung eines Firmenwagens in dem Mitgliedstaat vorschreiben, in dem der Arbeitnehmer, der das Fahrzeug benutzt, ansässig ist, auch wenn der Arbeitgeber, der ihm das Fahrzeug zur Verfügung gestellt hat, in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und das Fahrzeug hauptsächlich im Mitgliedstaat der Niederlassung des Arbeitgebers benutzt wird, gegen Artikel 45 AEUV verstoßen. (300) Der Grund ist, dass solche Vorschriften dazu führen können, dass ein Arbeitnehmer bestimmte Leistungen wie etwa die Bereitstellung eines Fahrzeugs nicht in Anspruch nehmen kann und er letztendlich davon abgehalten wird, in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten.

Dies wurde zuletzt in der Rechtssache C-420/15 bekräftigt, in der es um ein Strafverfahren gegen einen italienischen Staatsangehörigen ging, der sein in Italien zugelassenes Kraftfahrzeug fuhr, obwohl er seinen Hauptwohnsitz in Belgien hatte. Das Kraftfahrzeug war im Wesentlichen zur Nutzung in Italien vorgesehen und wurde in Belgien nur gelegentlich zur Durchfahrt genutzt. Der Gerichtshof bestätigte, dass Artikel 45 AEUV dahin auszulegen sei, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die einen dort wohnhaften Arbeitnehmer dazu verpflichtet, ein in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes und im Wesentlichen zur Nutzung in diesem Mitgliedstaat vorgesehenes Kraftfahrzeug im erstgenannten Mitgliedstaat zuzulassen. (301)

8.1.2.   Artikel 49 und 56 AEUV — Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr

Die Niederlassungsfreiheit nach Artikel 49 AEUV (ex-Artikel 43 EGV) und die Freiheit der (grenzüberschreitenden) Erbringung von Dienstleistungen nach Artikel 56 AEUV (ex-Artikel 49 EGV) sind weitere Grundfreiheiten, die im Vertrag verankert sind und in engem Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr stehen. Sowohl die Niederlassungsfreiheit als auch der freie Dienstleistungsverkehr beziehen sich auf selbstständige wirtschaftliche Tätigkeiten. (302) Im Fall der Niederlassung wird die fragliche Tätigkeit bzw. die Gesellschaft auf einer stabilen und kontinuierlichen Grundlage auf unbestimmte Zeit (303) ausgeübt bzw. gegründet und weist eine tatsächliche oder lediglich potenzielle grenzüberschreitende Dimension auf (304). Bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung wird der Tätigkeit hingegen vorübergehend oder gelegentlich (305) und immer mit einer klaren grenzüberschreitenden Dimension (306) ausgeübt.

Für die Ausübung einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit gilt sowohl Niederlassungsfreiheit als auch der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs. Da diese wirtschaftliche Tätigkeit, die in der Erbringung einer Dienstleistung (mit wirtschaftlicher Gegenleistung (307)) besteht, auch Waren umfassen kann, beeinträchtigt eine nationale Maßnahme, die eine solche Dienstleistung beschränkt, normalerweise auch den Verkehr der betreffenden Waren. Dies ist eindeutig der Fall beim Vertrieb von Waren, allgemein definiert als Transport (308) von Waren, Groß- und Einzelhandel (309), trifft aber auch zu, wenn eine Ware bei der Ausübung der Tätigkeit verwendet wird, entweder als Ausrüstung oder als Material, das ein integraler Bestandteil der erbrachten Dienstleistung ist. Andererseits ist klar, dass der freie Warenverkehr nach Artikel 34 AEUV nicht nur bei Beschränkungen bezüglich der Merkmale der Ware, sondern auch bei Beschränkungen in Bezug auf deren Inverkehrbringen und Verwendung zum Tragen kommt. Die Frage, ob eine nationale Maßnahme sich nun unter dem Aspekt der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit oder unter dem Aspekt des freien Warenverkehrs oder unter beiden Aspekten auf derartige wirtschaftliche Aktivitäten auswirkt, stellt sich daher immer wieder und muss von Fall zu Fall beurteilt werden. Beispielsweise können Werbebeschränkungen (etwa für Alkohol (310)) zum einen Auswirkungen auf den Werbesektor, d. h. den Dienstleister, haben zum anderen auf den Verkauf bestimmter Erzeugnisse und die Marktdurchdringung, sodass der Handel mit diesen Erzeugnissen behindert wird.

Der Gerichtshof vertritt die Auffassung, dass die Verträge keinen Vorrang zwischen dem freien Dienstleistungsverkehr und den übrigen Grundfreiheiten festlegen (311), auch nicht in Bezug auf die Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 57 AEUV, in dem die Dienstleistungsfreiheit gegenüber dem Inhalt der anderen Freiheiten als subsidiär angesehen wird (312). Beschränkt eine nationale Maßnahme mehr als eine Grundfreiheit, prüfte der Gerichtshof vermutlich aus Gründen der Verfahrensökonomie diese Maßnahme häufig nur im Lichte einer Grundfreiheit. Zu diesem Zweck wird üblicherweise entschieden, zu welcher der Grundfreiheiten ein stärkerer Bezug besteht. (313) In einigen wenigen Fällen hat der Gerichtshof eine Maßnahme unter den Gesichtspunkten beider Grundfreiheiten betrachtet.

Dies zeigt sich beispielsweise in der Rechtssache C-591/17 Österreich/Deutschland betreffend eine Infrastrukturabgabe und eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge. Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass Deutschland, indem es die Infrastrukturabgabe eingeführt und gleichzeitig eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in einer Höhe, die mindestens dem Betrag der entrichteten Abgabe entspricht, zugunsten der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen vorgesehen hat, gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 18, 34, 56 und 92 AEUV verstoßen habe. (314)

Maßnahmen, die sich auf den Vertrieb einer Ware auswirken: Maßnahmen, die sich auf den Transport und den Groß- und Einzelhandel einer Ware auswirken, können gleichzeitig den freien Warenverkehr und die Freiheit der Erbringung von Vertriebsdienstleistungen einschränken. Einige Maßnahmen, die sich auf den Vertrieb auswirken, gehören immer noch eindeutig zum Bereich des freien Warenverkehrs, so z. B. Maßnahmen, die den unmittelbaren Vorgang der Einfuhr bzw. Ausfuhr betreffen (siehe Abschnitt 4.1).

Andere Maßnahmen, die sich auf den freien Verkehr von Vertriebsdienstleistungen auswirken, betreffen möglicherweise auf den ersten Blick die Vertriebsdienstleistung an sich und nicht die vertriebene Ware. Nach einer Einzelfallprüfung des jeweiligen Gegenstands, insbesondere auch der Auswirkungen der Maßnahme, kommt es jedoch vor, dass die Maßnahme als eher warenbezogen angesehen wird, wenn sie Folgendes betrifft:

Genehmigungsverfahren für Händler (nicht speziell für Importeure/Exporteure) — siehe Abschnitt 4.5,

Verpflichtungen für Händler, Vertreter zu benennen oder Lagerkapazitäten bereitzustellen — siehe Abschnitt 4.2,

Preiskontrollen und Kostenerstattungspflichten — siehe Abschnitte 4.4 und 4.11,

Werbebeschränkungen — siehe Abschnitt 4.6.

In manchen Fällen kann nicht ohne Weiteres entschieden werden, ob die Maßnahme in Bezug auf ihren Gegenstand und ihre Auswirkungen in erster Linie die Waren selbst oder die jeweilige Dienstleistung betrifft. Nationale Vorschriften, die den Verkauf im Wege einer Versteigerung verbieten, können beispielsweise einerseits die Dienstleistungstätigkeit eines — niedergelassenen oder grenzüberschreitende Dienstleistungen erbringenden — Auktionators behindern, andererseits aber auch Verkaufshindernisse für die betreffenden Waren schaffen. (315)

Ein hilfreiches Kriterium scheint zu sein, ob ein erheblicher Einfluss auf die Bereitstellung des Erzeugnisses auf dem Markt besteht. Im Hinblick auf Vertriebsdienstleistungen ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Laufe der Zeit eindeutiger geworden, da viele, wenn nicht sogar alle Maßnahmen, die auf den Vertrieb einer Ware abzielen oder sich auf diesen auswirken, potenziell als „Verkaufsmodalitäten“ im Sinne des Urteils Keck gelten können (siehe Abschnitt 3.4.2.2).

Maßnahmen, die sich auf die Verwendung einer Ware auswirken: Maßnahmen, die insbesondere auf die Verwendung bestimmter Waren abzielen oder sich auf diese auswirken, sind häufig eng mit Dienstleistungstätigkeiten verbunden. Daher spielen die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit im Allgemeinen eine besonders wichtige Rolle bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Maßnahme.

Der erste zu berücksichtigende Aspekt ist, ob die Tätigkeit, die die Verwendung einer Ware mit sich bringt, eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, d. h., ob sie darin besteht, Dienstleistungen zu erbringen und Waren mit wirtschaftlicher Gegenleistung auf den Markt zu bringen. Ist dies nicht der Fall, kann davon ausgegangen werden, dass die Maßnahme sich zwar auf den freien Verkehr der betreffenden Ware bezieht oder sich darauf besonders auswirkt, nicht aber die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit betrifft.

Handelt es sich bei der Dienstleistungstätigkeit, die die Verwendung einer Ware (im weitesten Sinne, d. h. einschließlich Recycling, Wiederverwendung oder Entsorgung der Ware) mit sich bringt, jedoch um eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit, dann ist die Maßnahme, die sich auf die Verwendung der Ware auswirkt, für die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit von Bedeutung.

In einigen Fällen sind die Auswirkungen auf den freien Verkehr der betreffenden Ware nicht sekundär. Auch hier scheint ein hilfreiches Kriterium zu sein, ob ein erheblicher (wenn auch indirekter) Einfluss auf die Bereitstellung des Erzeugnisses auf dem Markt besteht. (316)

8.1.3.   Artikel 63 AEUV und folgende — Freier Kapital- und Zahlungsverkehr

Die Artikel 63 AEUV und folgende (ex-Artikel 56 EGV und folgende) regeln den freien Kapital- und Zahlungsverkehr. Artikel 63 AEUV verbietet Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten.

Die Freiheit bestimmter Kapitalbewegungen ist eine Voraussetzung für die wirksame Ausübung anderer durch den AEUV garantierter Freiheiten. (317)

Obwohl die Berührungspunkte mit dem freien Warenverkehr gering sind, hat der Gerichtshof der Europäischen Union schon vor langer Zeit klargestellt, dass Zahlungsmittel nicht als Waren zu betrachten sind. (318) Darüber hinaus stellte der Gerichtshof fest, dass ein materieller Transfer von Vermögenswerten als Kapitalverkehr im Sinne des Artikels 63 Absatz 1 AEUV bzw. — wenn ein solcher Transfer eine mit dem Waren- oder Dienstleistungsverkehr zusammenhängende Zahlung darstellt — als Zahlung im Sinne des Artikels 63 Absatz 2 AEUV anzusehen ist. (319)

Während grenzüberschreitender Kapitalverkehr regelmäßig die Investition von Finanzmitteln beinhaltet (320), kann nicht ausgeschlossen werden, dass er unter bestimmten Umständen auch Sachleistungen betrifft. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass es in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger eines Mitgliedstaats die steuerliche Abzugsfähigkeit eines Betrags geltend macht, der dem Wert von Spenden an in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Dritte entspricht, unerheblich ist, ob es sich bei den zugrunde liegenden Spenden um Geld- oder Sachspenden handelt. Solche Spenden fallen auch dann unter Artikel 63 AEUV, wenn es sich um Sachspenden in Form von Gegenständen des täglichen Gebrauchs handelt. (321)

Darüber hinaus hat sich der Gerichtshof ebenfalls mit Fragen der Zulassung von Kraftfahrzeugen aus der Perspektive von Artikel 63 AEUV befasst. (322) Obwohl es in der Regel als Hemmnis für den freien Warenverkehr behandelt wird, wenn dieses Verfahren den Verkehr bestimmter Fahrzeuge zwischen den Mitgliedstaaten beschränkt, hat der Gerichtshof in einem Fall, in dem ein Fahrzeug im Rahmen einer grenzüberschreitenden Transaktion zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Bürgern unentgeltlich überlassen wurde, eine Beurteilung im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr vorgenommen. (323)

8.2.   Weitere einschlägige Vertragsartikel

8.2.1.   Artikel 18 AEUV — Nichtdiskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit

Artikel 18 AEUV (ex-Artikel 12 EGV) verbietet die Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Nach ständiger Rechtsprechung soll die Bestimmung eigenständig nur bei unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen zur Anwendung kommen, für die keine besonderen Diskriminierungsverbote vorgesehen sind. (324)

Der in Artikel 18 AEUV verankerte Grundsatz der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit findet seinen spezifischen Ausdruck in den Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeitsrechte von Personen, d. h. die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Artikel 45 AEUV und den freien Dienstleistungsverkehr nach Artikel 56 AEUV. In der Rechtssache Österreich/Deutschland prüfte der Gerichtshof jedoch eine Autobahnfinanzierungsregelung im Lichte der Artikel 18 sowie 34, 56 und 92 AEUV. Die nationale finanzpolitische Maßnahme Deutschlands wurde letztlich als Verstoß gegen alle diese Vertragsverpflichtungen angesehen, da die wirtschaftliche Last dieser neuen Abgabe allein auf den Haltern ausländischer Fahrzeugen liege. (325)

8.2.2.   Artikel 28 und 30 AEUV — Zollunion

Artikel 34 AEUV bezieht sich lediglich auf nichttarifäre Handelshemmnisse. Zölle und Abgaben gleicher Wirkung sind gemäß Artikel 28 und 30 AEUV (ex-Artikel 25 EGV) verboten. Dieses Verbot ist allgemeiner und absoluter Natur. Es gilt für alle Zölle oder Abgaben gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten, unabhängig von deren Höhe, Bezeichnung, Art der Anwendung oder dem Zweck und der Bestimmung der erzielten Einnahmen. (326)

Im Gegensatz zu Artikel 34 AEUV sind nach Artikel 28 und 30 AEUV keine Ausnahmen gestattet. (327) Allerdings würde Artikel 30 AEUV auf Abgaben, die für Inspektionen im Hinblick auf die Erfüllung von Verpflichtungen aus dem EU-Recht erhoben werden, und auf Abgaben, die ein anteiliges Entgelt für eine tatsächlich erbrachte Dienstleistung darstellen, nicht angewendet werden. (328)

Die Artikel 28 und 30 AEUV sind von dem Verbot der Erhebung diskriminierender inländischer Abgaben nach Artikel 110 AEUV zu unterscheiden, bei dem Rechtfertigungsgründe möglich sind. Es muss stets beachtet werden, dass Artikel 30 und 110 AEUV sich gegenseitig ausschließen. (329)

Abgaben mit zollgleicher Wirkung gemäß Artikel 30 AEUV werden einseitig auf Waren erhoben, weil diese eine Grenze überschreiten. (330) Dennoch fallen nationale Maßnahmen in den Anwendungsbereich von Artikel 110, wenn dieselbe Abgabe auf einheimische und gleiche ausgeführte Erzeugnisse auf der gleichen Handelsstufe einführen, wenn der Steuertatbestand, der die Abgabe auslöst, für diese Erzeugnisse derselbe ist. (331) Ausnahmen gelten für Abgaben, bei denen die Belastung eines nationalen Erzeugnisses durch die Vorteile dieser Abgaben vollständig ausgeglichen wird; sie fallen in den Anwendungsbereich der Artikel 28 und 30 AEUV. (332)

Schließlich hat der Gerichtshof klargestellt, dass der Abgabenpflichtige selbst dann die Möglichkeit haben muss, die Erstattung einer Abgabe, die mit Artikel 30 AEUV unvereinbar ist, zu erlangen, wenn der Zahlungsmechanismus für die Abgabe im nationalen Recht so gestaltet war, dass diese Abgabe auf den Verbraucher abgewälzt werden sollte. (333)

8.2.3.   Artikel 37 AEUV — Staatliche Handelsmonopole

In Artikel 37 (ex-Artikel 31 EGV) Absatz 1 AEUV heißt es: „Die Mitgliedstaaten formen ihre staatlichen Handelsmonopole derart um, dass jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist.“

Dies bedeutet keineswegs, dass Handelsmonopole beseitigt werden müssen. Sie müssen aber derart geändert werden, dass jede möglicherweise diskriminierende Wirkung ausgeschlossen ist. Artikel 37 AEUV kommt im Allgemeinen zur Anwendung, wenn der betreffende Staat 1) ausschließliche Kaufs- oder Verkaufsrechte gewährt, sodass die Ein- und Ausfuhren kontrolliert werden können, oder 2) einem staatlichen Unternehmen, einer staatlichen Einrichtung oder — mittels Delegation — einer privaten Organisation Rechte gewährt.

Artikel 37 AEUV hat eine unmittelbare Wirkung, und er findet nur auf Waren Anwendung (er bezieht sich daher weder auf den freien Dienstleistungsverkehr noch auf den freien Kapitalverkehr (334)). Außerdem betrifft diese Vertragsbestimmung diejenigen Aktivitäten, die untrennbar mit dem Monopol verbunden sind, und ist somit für Regelungen, die sich vom Monopol trennen lassen, irrelevant. Ein solcher Ansatz hat zur Folge, dass Artikel 37 AEUV eine Lex-specialis-Bestimmung gegenüber der allgemeinen Regel des Artikels 34 AEUV darstellt. In der Rechtssache Franzén betreffend das schwedische Einzelhandelsmonopol für alkoholische Getränke erklärte der Gerichtshof, „die Bestimmungen über das Bestehen und die Funktionsweise des Monopols“ (335) fielen in den Anwendungsbereich von Artikel 37 AEUV, wohingegen „die Auswirkung der anderer Bestimmungen der nationalen Regelung, die sich von der Funktionsweise des Monopols trennen lassen, auch wenn sie sich auf dieses auswirken, ... an Artikel [34] AEUV zu messen“ (336) sei.

In der Rechtssache Hanner betreffend das schwedische staatliche Monopol für den Einzelhandelsverkauf von Arzneimitteln argumentierte der Gerichtshof, dass Artikel 37 AEUV „die Hindernisse für den freien Warenverkehr, allerdings mit Ausnahme der durch das Bestehen der betreffenden Monopole bedingten Einschränkungen des Handels, beseitigen soll“ (337). Später befand der Gerichtshof in der Rechtssache Rosengren: „Zwar berührt die in Rede stehende Maßnahme [...] den freien Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, sie regelt als solche jedoch nicht die Ausübung des ausschließlichen Rechts zum Einzelhandelsverkauf alkoholischer Getränke in Schweden durch dieses [schwedische] Monopol [auf den Einzelhandelsverkauf alkoholischer Getränke]. Diese Maßnahme, die also nicht die Ausübung der genannten besonderen Funktion durch dieses Monopol berührt, kann daher nicht als eine Maßnahme angesehen werden, die das Bestehen des Monopols betrifft.“ (338)

Diese Argumentation wurde in der jüngeren Rechtsprechung wiederholt, wie z. B. in der Rechtssache ANETT betreffend eine nationale Regelung, die es Tabakeinzelhändlern verbietet, die Tätigkeit der Einfuhr von Tabakerzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten auszuüben. Erstens stellte der Gerichtshof fest, dass Artikel 37 AEUV anwendbar sei, wenn diese Regelung die Funktionsweise eines Handelsmonopols betreffe und den Handel beschränkende Auswirkungen habe, die durch das Bestehen eines solchen Monopols bedingt seien. Zweitens stellte er fest, dass die Bestimmungen über das Bestehen und die Funktionsweise eines Monopols an Artikel 37 AEUV zu messen seien, der speziell den Fall betrifft, dass ein staatliches Handelsmonopol seine Ausschließlichkeitsrechte ausübt. Bestimmungen der nationalen Regelung wiederum, die sich von der Funktionsweise des Monopols trennen ließen, auch wenn sie sich auf dieses auswirkten, seien auf den Handel innerhalb der Union an Artikel 34 AEUV zu messen. (339)

In der Rechtssache ANETT stellte der Gerichtshof fest, dass das betreffende Monopol aufgrund der ihm zugewiesenen besonderen Funktion, den Konzessionsnehmern das ausschließliche Recht zum Einzelhandelsverkauf von Tabakerzeugnissen vorzubehalten, zwar den freien Warenverkehr berühre, ohne jedoch die Ausübung des zu dem Monopol gehörenden ausschließlichen Rechts zu regeln. Ein solches Verbot könne von der Funktion des Monopols getrennt werden, da dieses sich nicht auf die Modalitäten des Einzelhandelsverkaufs von Tabakerzeugnissen beziehe, sondern auf den vorgelagerten Markt für solche Erzeugnisse. Ebenso ziele das Verbot weder auf das Vertriebsnetz des Monopols noch auf die Vermarktung oder die Werbung für die von ihm vertriebenen Erzeugnisse ab. Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass die nationale Maßnahme nicht als eine Bestimmung angesehen werden könne, die das Bestehen oder die Funktionsweise des Monopols betreffe, und aus diesem Grund der Artikel 37 AEUV für die Prüfung, ob eine solche Maßnahme mit dem Unionsrecht vereinbar sei, nicht einschlägig sei. (340)

In der Rechtssache Visnapuu prüfte der Gerichtshof, ob das Erfordernis einer Einzelhandelserlaubnis für die Einfuhr alkoholischer Getränke mit dem Ziel ihres Einzelhandelsverkaufs an in Finnland ansässige Verbraucher nach Artikel 34 AEUV oder nach Artikel 37 AEUV zu beurteilen sei. Die finnische Regierung machte geltend, dass die Monopolregelung nach Artikel 37 AEUV zu beurteilen sei, die Erlaubnisregelungen dagegen nach Artikel 34 AEUV. Der Gerichtshof folgte dieser Auffassung und stellte fest, dass die Erlaubnistatbestände nicht die Funktionsweise des Monopols oder die Ausübung der Ausschließlichkeitsrechte desselben regelten, da sie für ordnungsgemäß ermächtigte Personen das Recht vorsehen, bestimmte Kategorien alkoholischer Getränke im Einzelhandel zu verkaufen. Somit ließen sich diese Erlaubnistatbestände von der Funktionsweise des Monopols trennen und seien an Artikel 34 AEUV zu messen. (341) Unter Hinweis auf sein Urteil in der Rechtssache Franzén erinnerte der Gerichtshof daran, dass nach Artikel 37 AEUV das Monopol so umgeformt werden muss, dass jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist, damit der Handel mit Waren aus anderen Mitgliedstaaten gegenüber dem mit einheimischen Waren nicht benachteiligt und der Wettbewerb zwischen den Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten nicht verfälscht wird. (342)

Im Lichte der Rechtsprechung scheint der Gerichtshof zu der Betrachtung übergegangen zu sein, dass die Artikel 34 und 37 AEUV sich gegenseitig ausschließen. Falls die fragliche nationale Maßnahme nicht die Ausübung der besonderen Funktion des Monopols betrifft, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 37 AEUV, sondern ist nach den Artikeln 34 und 36 AEUV zu beurteilen.

Allerdings wird auch argumentiert, dass sich Artikel 37 AEUV und andere Vertragsartikel teilweise überschneiden. In Vertragsverletzungsverfahren betreffend verschiedene nationale Elektrizitäts- und Gasversorgungsmonopole (343) befand der Gerichtshof, dass sowohl Artikel 37 AEUV als auch Artikel 34 AEUV zur Anwendung kommen könnten. Dieser Ansatz bedeutet, dass eine Maßnahme betreffend ein staatliches Monopol zunächst im Hinblick auf Artikel 37 AEUV zu prüfen wäre. Wird die Maßnahme als diskriminierend angesehen, ist eine Prüfung gemäß den Artikeln 34 und 35 AEUV nicht mehr erforderlich. Wenn dagegen eine Maßnahme im Sinne des Artikels 37 AEUV nicht als diskriminierend angesehen wird, muss sie in Bezug auf die allgemeinen Bestimmungen über den freien Warenverkehr analysiert werden.

8.2.4.   Artikel 107 AEUV — Staatliche Beihilfen

Artikel 107 AEUV (ex-Artikel 87 EGV) sieht vor, dass staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

In dieser Hinsicht wird mit den Bestimmungen über die staatlichen Beihilfen und mit den Artikeln 34 bis 36 AEUV der gleiche übergeordnete Zweck verfolgt, nämlich die Gewährleistung des freien Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten unter normalen Wettbewerbsbedingungen. (344) Allerdings haben beide Vorschriften ein unterschiedliches Augenmerk, sodass die Einstufung einer Regelung als Beihilfe es nicht automatisch ausschließt, dass dieselbe Regelung nicht auch auf ihre Vereinbarkeit mit anderen EU-Rechtsvorschriften wie etwa den Artikeln 34-36 AEUV geprüft werden kann. (345) In dem richtungsweisenden Urteil in der Rechtssache Kommission/Frankreich (346) beispielsweise untersuchte der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme, wonach Presseunternehmen Steuervergünstigungen unter der Bedingung, dass die Zeitungen in Frankreich gedruckt wurden, gewährt werden sollten. Während die Kommission argumentierte, dass dies einen Verstoß gegen Artikel 34 AEUV darstelle, erläuterte die französische Regierung, dass die Vorschrift nach Artikel 107 AEUV beurteilt werden müsse, da die steuerlichen Maßnahmen nicht von dem Beihilfesystem für die Presse losgelöst werden könnten. Der Gerichtshof stellte fest, dass Frankreich die Beihilfe nicht gemäß Artikel 108 Absatz 3 AEUV angemeldet hatte, und gab folgende Grundsatzerklärung ab: „Der Umstand, dass eine einzelstaatliche Maßnahme möglicherweise als Beihilfe ... betrachtet werden kann, stellt ... keinen hinreichenden Grund dafür dar, sie vom Verbot [gemäß den Bestimmungen über den freien Warenverkehr] auszunehmen“. (347) Darüber hinaus stellte der Gerichtshof in seiner Vorabentscheidung in der Rechtssache PreussenElektra (348) fest, dass die nationale Maßnahme in Bezug auf die regionale Elektrizitätsversorgung geeignet sei, den innergemeinschaftlichen Handel zumindest potenziell zu behindern. Da die Maßnahme jedoch auf den Schutz der Umwelt gerichtet war, indem sie zur Verringerung der Emission von Treibhausgasen beitrug, wurde sie nicht als Verstoß gegen den freien Warenverkehr angesehen.

Allerdings reicht der bloße Umstand, dass eine staatliche Beihilfe den Handel innerhalb der Union als solches beeinträchtigt, nicht aus, um sie als Maßnahme gleicher Wirkung gemäß Artikel 34 AEUV einzustufen. Der Gerichtshof unterscheidet stattdessen zwischen Aspekten, die untrennbar mit dem Ziel der Beihilfe verbunden sind, und Aspekten, die von den Bedingungen und Maßnahmen losgelöst betrachtet werden können, die, auch wenn sie Teil der Beihilferegelung sind, zur Verwirklichung des Zwecks der Beihilfe oder zu ihrem Funktionieren nicht unerlässlich sind. (349) Nur die letzteren Aspekte sind durch die Artikel 34-36 AEUV abgedeckt. Wie das Gericht in seinem Urteil in der Rechtssache Castelnou Energía, SL (350) festgestellt hat, genügt „der Umstand, dass, wenn ein System staatlicher oder aus staatlichen Mitteln gespeister Beihilfen lediglich infolge der Begünstigung bestimmter einheimischer Unternehmen oder Produkte geeignet ist, die Einfuhr ähnlicher oder konkurrierender Erzeugnisse aus den übrigen Mitgliedstaaten zumindest mittelbar zu beeinträchtigen, ... für sich allein genommen nicht ..., um eine Beihilfe als solche einer Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Artikel 34 AEUV gleichzustellen“.

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht auch hervor, dass ein nationales Gericht für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilferegelung mit denjenigen Vertragsbestimmungen, die unmittelbare Wirkung haben und nicht die staatlichen Beihilfen betreffen (z. B. die Artikel 34 bis 36 AEUV; 63 AEUV (351)), nur befugt ist, wenn die Bestimmungen isoliert beurteilt werden können und zur Verwirklichung des Zweckes der Beihilferegelung oder zu ihrem Funktionieren nicht unerlässlich sind. (352) Folglich stehen die Artikel 107 und 108 AEUV dem entgegen, dass ein nationales Gericht eine Beurteilung einer staatlichen Maßnahme nach anderen Bestimmungen mit unmittelbarer Wirkung vornimmt, insofern diese mit dem Funktionieren und dem Zweck der betreffenden Maßnahme verknüpft sind.

8.2.5.   Artikel 110 AEUV — Steuerliche Vorschriften

Artikel 110 AEUV (ex-Artikel 90 EGV) ergänzt die Bestimmungen über die Abschaffung der Zölle und Abgaben gleicher Wirkung. Er soll den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten unter normalen Wettbewerbsbedingungen dadurch gewährleisten, dass jede Form des Schutzes, die aus einer auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten erhobenen diskriminierenden inländischen Abgabe folgen könnte, beseitigt wird. (353) Gegenüber Artikel 34 AEUV wird Artikel 110 AEUV als Lex specialis betrachtet, das heißt, dass Artikel 34 AEUV keine Anwendung auf die in den Anwendungsbereich von Artikel 110 fallenden Rechtssachen findet. Dies war z. B. im Urteil in der Rechtssache Kawala (354) der Fall, bei dem der Gerichtshof erklärte, eine Zulassungsgebühr für eingeführte Gebrauchtwagen sei fiskalischer Art und müsse nach Artikel 110 AEUV geprüft werden. Artikel 34 AEUV komme daher nicht zur Anwendung. Es sei jedoch daran erinnert, dass die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung ihre Zuständigkeit im Bereich der direkten Steuern in einer Weise ausüben müssen, die mit dem EU-Recht und insbesondere mit den durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten vereinbar ist. (355)

Nach Artikel 110 Absatz 1 AEUV ist es allen Mitgliedstaaten verboten, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten höhere inländische Abgaben zu erheben als auf gleichartige inländische Waren. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung liegt vor, wenn eine Abgabe auf ein eingeführtes Erzeugnis und eine Abgabe auf ein gleichartiges inländisches Erzeugnis nicht in gleicher Weise berechnet werden, sodass es zumindest in bestimmten Fällen zu einer höheren Besteuerung des eingeführten Erzeugnisses kommt.

Der Gerichtshof hat gleichartige Waren als Waren definiert, die aus Sicht der Verbraucher ähnliche Merkmale aufweisen und dieselben Bedürfnisse erfüllen, wobei nicht geprüft wird, ob sie streng identisch sind, sondern ob ihre Verwendung ähnlich und vergleichbar ist. In der Rechtssache Kommission/Frankreich (356) vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass dunkle und helle Zigaretten als ähnliche Waren angesehen werden können.

Praktische Schwierigkeiten können nicht herangezogen werden, um die Erhebung inländischer Abgaben zu rechtfertigen, durch die aus anderen Mitgliedstaaten stammende Waren diskriminiert werden. (357)

Mit Artikel 110 Absatz 2 AEUV soll jede Form von indirektem Steuerprotektionismus verhindert werden, der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten benachteiligt, die zwar nicht gleichartig wie inländische Waren sind, aber dennoch mit einigen von ihnen konkurrieren. Die höhere Besteuerung von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten im Vergleich zu konkurrierenden inländischen Waren ist verboten, wenn sie geeignet ist, auf dem betreffenden Markt den potenziellen Verbrauch eingeführter Erzeugnisse zum Vorteil konkurrierender inländischer Erzeugnisse zu reduzieren. In der Rechtssache Kommission/Schweden (358) vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass Weine der mittleren Kategorie (hauptsächlich eingeführte Weine) über hinreichende Gemeinsamkeiten mit Starkbier (hauptsächlich einheimisches Bier) verfügten und demnach als in einem Wettbewerbsverhältnis zu Starkbier anzusehen seien. Nach Auffassung des Gerichtshofs konnte in diesem Fall jedoch nicht nachgewiesen werden, dass die unterschiedliche Besteuerung dieser beiden Erzeugnisse geeignet sei, das Verbraucherverhalten in dem betroffenen Segment zu beeinflussen (keine Schutzwirkung).

Wird eine Abgabe auf inländische und eingeführte Erzeugnisse erhoben und ihr Aufkommen zur Finanzierung von Tätigkeiten, die nur den inländischen Erzeugnissen zugutekommen, verwendet, sodass die Belastung letzterer teilweise (359) (aber nicht vollständig) ausgeglichen wird, stellt dies ebenfalls eine gemäß Artikel 110 AEUV verbotene diskriminierende Abgabe dar. (360)

8.2.6.   Artikel 351 AEUV

Artikel 351 AEUV (ex-Artikel 307 EGV) bezieht sich auf die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die die Mitgliedstaaten vor 1958 oder vor dem Zeitpunkt ihres Beitritts mit einem oder mehreren Drittländern geschlossen haben. Es gilt die Regel, dass diese Rechte und Pflichten durch die Bestimmungen des Vertrags nicht berührt werden, sofern die folgenden Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind:

Die internationale Übereinkunft muss den Mitgliedstaat verpflichten und es ihm nicht nur gestatten, eine Maßnahme zu ergreifen, die mit einer Verpflichtung dieses Mitgliedstaats nach dem Unionsrecht unvereinbar ist. In Bezug auf Artikel 34 AEUV grenzte der Gerichtshof in der Rechtssache C-324/93 (361) die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten ab, Maßnahmen zu treffen, die gegen ihre Verpflichtungen aus diesem Artikel verstoßen. Im konkreten Fall ging es um die Weigerung Großbritanniens, die Einfuhr von Diacetylmorphin (ein unter das Einheits-Übereinkommen von 1961 fallender Suchtstoff) in das Vereinigte Königreich zu genehmigen. Der Gerichtshof entschied: „Die Tatsache, dass sich eine solche Maßnahme ... aus einer internationalen Übereinkunft ergibt, die vor dem Vertrag oder dem Beitritt eines Mitgliedstaats getroffen wurde, und dass der Mitgliedstaat diese Maßnahme gemäß Artikel [351] trotz ihres behindernden Charakters beibehält, führt nicht dazu, dass sie dem Anwendungsbereich des Artikels [34] entzogen ist, denn Artikel [351] greift nur dann ein, wenn die Übereinkunft einem Mitgliedstaat eine mit dem Vertrag unvereinbare Verpflichtung auferlegt.“

Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen, die gegen das EU-Recht, insbesondere gegen die Bestimmungen über den freien Warenverkehr verstoßen, treffen dürfen, wenn die internationalen Übereinkommen, denen sie beigetreten sind, solche Maßnahmen nicht zwingend vorschreiben.

Die Übereinkunft stellt die Grundsätze nicht infrage, die zu den Grundfesten der Unionsrechtsordnung gehören.

9.   DURCHSETZUNG DER SICH AUS ARTIKEL 34 UND 35 AEUV ERGEBENDEN RECHTE

9.1.   Unmittelbare Wirkungen — Durchsetzung durch Einzelne

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das in Artikel 34 AEUV verankerte Verbot „zwingend und klar: es bedarf zu seiner Verwirklichung keiner weiteren Maßnahmen der Mitgliedstaaten oder der Organe [der Union]“. Artikel 34 AEUV „erzeugt somit unmittelbare Wirkungen und begründet Rechte der Einzelnen, die von den staatlichen Gerichten zu wahren sind“. (362)

Später entschied der Gerichtshof, dass Artikel 35 AEUV ebenfalls unmittelbare Wirkung hat und seine Bestimmungen „unmittelbar anwendbar“ sind und „Rechte der Einzelnen, welche die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben“ (363), begründen.

Einzelne können somit den Grundsatz des freien Warenverkehrs und das Recht hierauf vor einem nationalen Gericht geltend machen. Das Gericht kann die Anwendung einer nationalen Vorschrift aussetzen, wenn sie seines Erachtens gegen die Artikel 34 und 35 AEUV verstößt. Die nationalen Gerichte müssen auch beurteilen, inwiefern ein Einfuhr- oder Ausfuhrhemmnis im Hinblick auf zwingende Erfordernisse oder aus den in Artikel 36 AEUV aufgeführten Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein können.

9.2.   SOLVIT

SOLVIT ist ein europaweites Netzwerk (www.europa.eu/solvit) zur Lösung von Problemen, die durch die falsche Anwendung von Binnenmarktregeln durch nationale Behörden entstehen. (364) Zu diesem Zweck haben alle EWR-Staaten SOLVIT-Stellen eingerichtet, die über eine Online-Datenbank direkt miteinander kommunizieren. Die SOLVIT-Stellen sind Teil der nationalen Verwaltung und haben Probleme von Bürgern und Unternehmen innerhalb von zehn Wochen zu lösen. In einer vom Rat gebilligten Empfehlung der Kommission aus dem Jahr 2001 (365) sind die Verfahrensregeln für SOLVIT festgelegt. Die Europäische Kommission überwacht das Netz und unterstützt es erforderlichenfalls, um bei Beschwerden rasche Lösungen zu finden. 2018 hat SOLVIT mehr als 2 000 Fälle bearbeitet, und in diesem Jahr lag der Anteil der abgeschlossenen Fälle bei 90 %.

Darüber hinaus wurde mit der Verordnung (EU) 2019/515 über die gegenseitige Anerkennung ein neues Problemlösungsverfahren im Zusammenhang mit dem SOLVIT-Netzwerk eingeführt. Artikel 8 der Verordnung legt ein Verfahren fest, das auf Fälle anwendbar ist, in denen die nationalen Behörden eine Verwaltungsentscheidung gefällt haben. Die an diesem Verfahren beteiligte SOLVIT-Stelle kann die Kommission ersuchen, die Vereinbarkeit einer Verwaltungsentscheidung zu bewerten und eine Stellungnahme abzugeben. Die Fristen dieses Verfahrens sind länger als üblicherweise beim SOLVIT-Verfahren.

9.3.   Vertragsverletzungsverfahren gemäß den Artikeln 258 und 260 AEUV

9.3.1.   Vertragsverletzungsverfahren

Soweit der Verdacht besteht, dass ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen aus dem EU-Recht nicht nachgekommen ist, kann die Kommission als „Hüterin des Vertrags“ auf eine Beschwerde hin oder auf eigene Initiative ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat einleiten.

In Artikel 258 AEUV (ex-Artikel 226 EGV) sind die förmlichen Schritte des Vertragsverletzungsverfahrens festgelegt. Als erstes wird dem betreffenden Mitgliedstaat ein Aufforderungsschreiben übermittelt, in dem dieser gebeten wird, innerhalb einer bestimmten Frist — in der Regel innerhalb von zwei Monaten — Stellung zu nehmen.

Je nachdem, ob und wie der betreffende Mitgliedstaat darauf reagiert, kann die Kommission beschließen, ihm eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln. In der mit Gründen versehenen Stellungnahme wird dargelegt, warum die Kommission einen Verstoß gegen das EU-Recht als gegeben ansieht, und der Mitgliedstaat aufgefordert, diesen Verstoß bis zu einem bestimmten Zeitpunkt — in der Regel innerhalb von zwei Monaten — abzustellen. Hält sich der Mitgliedstaat nicht an das EU-Recht, kann die Kommission beschließen, den Gerichtshof der EU anzurufen, damit dieser einen Verstoß gegen das EU-Recht feststellt.

In dem Aufforderungsschreiben und der mit Gründen versehene Stellungnahme grenzt die Kommission den Streitgegenstand ein, der danach nicht mehr erweitert werden kann. Die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klage der Kommission müssen daher auf dieselben Gründe gestützt werden wie das Mahnschreiben, mit dem das Vorverfahren eingeleitet wird. (366)

Wenn der Gerichtshof in seinem abschließenden Urteil befindet, dass gegen EU-Recht verstoßen wurde, wird der Mitgliedstaat unmittelbar nach dem Urteil von der Kommission aufgefordert, die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil ergeben. Wird der Verstoß nicht beendet, kann die Kommission den Gerichtshof erneut anrufen und die Auferlegung finanzieller Sanktionen beantragen (Pauschalbetrag und eine tägliche Strafzahlung). Das Verfahren für die zweite Anrufung des Gerichtshofs ist in Artikel 260 Absatz 2 AEUV festgelegt. Im Rahmen dieses Verfahrens und solange der Mitgliedstaat dem Urteil des Gerichtshofs nicht nachgekommen ist, 1) übermittelt die Kommission dem Mitgliedstaat ein Schreiben, in dem sie ihn an seine Verpflichtung zur Einhaltung hinweist; 2) richtet dann ein Aufforderungsschreiben an den Mitgliedstaat und kann schließlich 3) die Angelegenheit an den Gerichtshof überweisen (zweite Anrufung). Stellt der Gerichtshof fest, dass der betreffende Mitgliedstaat seinem ersten Urteil nicht nachgekommen ist, so kann er finanzielle Sanktionen verhängen. Diese Sanktion soll eine abschreckende Wirkung haben und die Mitgliedstaaten dazu ermutigen, dem EU-Recht möglichst rasch nachzukommen. (367)

9.3.2.   Beschwerden

Wer meint, dass die Maßnahme eines Mitgliedstaats gegen Artikel 34-36 AEUV verstößt, kann bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde einreichen. In der Praxis leitet die Kommission einen Großteil der Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr infolge einer Beschwerde ein. Die Vorschriften für den Umgang mit Beschwerden sind in einer Reihe von Mitteilungen der Kommission über die Beziehungen zum Beschwerdeführer in Fällen von Verstößen gegen EU-Recht (368) festgelegt.

Beschwerden werden unter Verwendung eines Standardformulars eingereicht. Das Beschwerdeformular ist auf Anfrage bei den Dienststellen der Kommission erhältlich oder online über die Website „Europa“ (369). Beschwerden müssen online eingereicht oder per Post an das Generalsekretariat der Kommission unter der Anschrift „1049 Brüssel, Belgien“ gesendet werden oder bei einer der Kommissionsvertretungen in den Mitgliedstaaten hinterlegt werden. Das online oder per Brief eingereichte Standardbeschwerdeformular muss in einer der Amtssprachen der Union abgefasst sein.

Der Beschwerdeführer erhält binnen 15 Arbeitstagen eine Empfangsbestätigung von der Kommission. Innerhalb eines Monats nach Absendung dieser Empfangsbestätigung entscheidet die Kommission, ob die Eingabe als Beschwerde registriert wird.

Der Beschwerdeführer ist an einem gegen einen Mitgliedstaat eingeleiteten Verfahren zwar nicht förmlich beteiligt, genießt aber wichtige Rechte gegenüber der Verwaltung:

Die Kommission gibt seine Identität nicht bekannt, es sei denn, er ist ausdrücklich damit einverstanden.

Die Kommission bemüht sich, binnen zwölf Monaten nach Eintragung der Beschwerde eine Sachentscheidung zu treffen (entweder Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens oder Einstellung des Verfahrens).

Die Kommission hält den Beschwerdeführer über die wichtigsten Schritte des Verfahrens auf dem Laufenden. Er wird von der zuständigen Kommissionsdienststelle im Voraus benachrichtigt, wenn diese beabsichtigt, den Vorgang einzustellen, damit er mit neuen Fakten oder Elementen reagieren kann.

Ist die Kommission nach Prüfung einer Beschwerde der Ansicht, dass möglicherweise ein Verstoß gegen EU-Recht vorliegt, kann sie die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Artikel 258 AEUV beschließen.

Als Hüterin des Vertrags überwacht die Kommission sorgfältig, ob das EU-Recht insgesamt eingehalten wird und ob die Mitgliedstaaten den Vorschriften und Verpflichtungen aus dem Vertrag und dem Sekundärrecht nachkommen. Aus verschiedenen Gründen sind Gerichtsverfahren wie etwa Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 258 AEUV aber nicht immer der beste und effizienteste Weg für die Behandlung einer Angelegenheit. Die Kommission nimmt ihre Aufgabe — d. h. die Überwachung der Einhaltung des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten — in vollem Umfang wahr, verfügt bei ihrer Entscheidung, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet oder nicht, aber über einen breiten Ermessensspielraum. (370)

10.   EINSCHLÄGIGE INSTRUMENTE DES SEKUNDÄRRECHTS

10.1.   Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (371)

Gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, der Kommission und deren zuständigen Gremien jeden Entwurf einer technischen Vorschrift in Bezug auf Waren oder Dienste der Informationsgesellschaft zu übermitteln, bevor diese in nationales Recht umgesetzt werden. EWR-Länder, die Schweiz und die Türkei notifizieren ihre technischen Vorschriften ebenfalls über die Datenbank TRIS („Technical Regulation Information System“).

Die Kommission und die Mitgliedstaaten stützen sich dabei auf ein System der vorbeugenden Kontrolle. Es gelten Stillhaltefristen, nach denen die Mitgliedstaaten die mitgeteilten Entwürfe frühestens nach einem Zeitraum von drei Monaten, in dem diese geprüft werden, in Kraft setzen können. Während dieses Zeitraums können bilaterale Gespräche mit den Behörden der Mitgliedstaaten geführt werden. Die Stillhaltefrist kann auf bis zu sechs Monate verlängert werden, wenn ein Verstoß des Entwurfs gegen Binnenmarktvorschriften der EU festgestellt wird. Es ist sogar möglich, die Stillhaltefrist durch eine aufschiebende Entscheidung auf bis zu 18 Monate auszudehnen, wenn der Rat zu dem gleichen Gegenstand, der von dem übermittelten Entwurf einer Vorschrift behandelt wird, einen Standpunkt annimmt. (372)

Das Verfahren zielt folglich darauf ab, in Form einer proaktiven Rechtsaufsicht Hindernisse für den Binnenmarkt zu unterbinden, bevor sie in Kraft treten, wodurch sich Berichtigungsmaßnahmen erübrigen, die immer mit größerem Aufwand verbunden sind.

Laut der Rechtsprechung des Gerichtshofs (siehe die Urteile in den Rechtssachen CIA Security und Unilever (373)) können technische Vorschriften, die nicht ordnungsgemäß im Entwurfsstadium notifiziert wurden oder die während der verbindlichen Stillhaltefrist angenommen wurden, nicht angewendet werden und sind damit auch nicht vor Gericht gegenüber Einzelnen durchsetzbar. Dies ist durch den Gerichtshof mehrfach bestätigt worden. (374)

10.2.   Verordnung (EU) 2019/515 — Verordnung über die gegenseitige Anerkennung

Der EU-Gesetzgeber erließ 2008 die Verordnung (EG) Nr. 764/2008 zur Festlegung von Verfahren im Zusammenhang mit der Anwendung bestimmter nationaler technischer Vorschriften für Produkte, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind. Hauptziel dieser Verordnung war es, die Rechte und Pflichten von nationalen Behörden und Unternehmen festzulegen, wenn erstere das Ziel verfolgen, den Zugang eines in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebrachten Produkts zum Markt zu verweigern. Nach der Verordnung liegt die Beweislast bei den nationalen Behörden, die den Marktzugang verweigern wollen; diese müssen die technische oder wissenschaftliche Begründung darlegen, auf deren Grundlage es beabsichtigt ist, dem betroffenen Produkt den Zugang zum inländischen Markt zu verweigern. Der betreffende Wirtschaftsteilnehmer erhielt die Möglichkeit, seine Interessen zu verteidigen und den zuständigen Behörden stichhaltige Argumente zu unterbreiten.

Die Verordnung sah auch die Einrichtung von „Produktinfostellen“ in jedem Mitgliedstaat vor, die den Unternehmen und den zuständigen Behörden in anderen Mitgliedstaaten Informationen über die technischen Vorschriften für Produkte und über die Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung zur Verfügung stellen.

Die Verordnung (EU) 2019/515 über die gegenseitige Anerkennung von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind, ersetzte ab dem 19. April 2020 die Verordnung (EG) Nr. 764/2008.

Mit der Verordnung (EU) 2019/515 soll die Rechtssicherheit für Unternehmen und nationale Behörden verbessert werden. Eingeführt werden die Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung (Selbsterklärung), mit der Wirtschaftsakteure nachweisen können, dass ihre Waren in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, ein neues Problemlösungsverfahren auf der Grundlage von SOLVIT und eine engere Verwaltungszusammenarbeit sowie ein gemeinsames IT-Tool, um die Kommunikation, die Zusammenarbeit und das Vertrauen zwischen den nationalen Behörden zu verbessern.

Ausführlichere Informationen über die Verordnung (EU) 2019/515 bietet ein separater Leitfaden.

10.3.   Verordnung (EG) Nr. 2679/98 — Die „Erdbeer-Verordnung“

Die Verordnung (EG) Nr. 2679/98 des Rates über das Funktionieren des Binnenmarktes im Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (375) sieht spezielle Verfahren vor, die zur Anwendung kommen, wenn eine schwerwiegende Behinderung des freien Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten den betroffenen Personen erheblichen Schaden zufügt und sich daraus ein unmittelbarer Handlungsbedarf ergibt. Derartige Hindernisse können entstehen, wenn es die einzelstaatlichen Behörden versäumen, gegen gewaltsame Handlungen von Einzelpersonen oder gewaltfreie Grenzblockaden einzuschreiten, oder wenn ein Mitgliedstaat einen institutionalisierten Boykott eingeführter Waren betreibt.

Vorgesehen sind auch ein Warnverfahren und ein Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission. Zudem haben die Mitgliedstaaten die Pflicht, zur Gewährleistung des freien Warenverkehrs die erforderlichen und der Situation angemessenen Maßnahmen zu ergreifen sowie die Kommission darüber zu unterrichten. Die Kommission ist befugt, den betreffenden Mitgliedstaat aufzufordern, die entsprechenden Maßnahmen unverzüglich einzuleiten. (376)


(1)  COM(2020) 94 vom 10.3.2020.

(2)  Leitfaden für die Anwendung der Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr (2010).

(3)  http://eur-lex.europa.eu/de/index.htm

(4)  http://curia.europa.eu/juris/recherche.jsf?language=dehttp://curia.europa.eu/juris/recherche.jsf?language=de

(5)  Mitteilung der Kommission: Der Binnenmarkt in einer Welt im Wandel — Ein wertvoller Aktivposten braucht neues politisches Engagement (COM(2018) 772 final).

(6)  Siehe zum Beispiel Rechtssache C-573/12, Ålands Vindkraft [2014], EU:C:2014:2037, Rn. 57, und Rechtssache C-242/17, L.E.G.O. [2018], ECLI:EU:C:2018:804, Rn. 52.

(7)  Rechtssache C-445/06, Danske Slagterier/Bundesrepublik Deutschland [2009], ECLI:EU:C:2009:178, Rn. 26.

(8)  Rechtssache C-309/02, Radlberger Spitz [2004], ECLI:EU:C:2004:799, Rn. 53.

(9)  Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (ABl. L 190 vom 12.7.2006, S. 1).

(10)  Rechtssache C-292/12, Ragn-Sells [2013], ECLI:EU:C:2013:820, Rn. 49 und 50.

(11)  Rechtssache 7/68, Kommission/Italien [1968], ECLI:EU:C:1968:51.

(12)  Rechtssache 7/68, Kommission/Italien [1968], ECLI:EU:C:1968:51; Rechtssache 7/78, R/Thompson, Johnson and Woodiwiss [1978], ECLI:EU:C:1978:209.

(13)  Rechtssache C-358/93, Bordessa [1995], ECLI:EU:C:1995:54.

(14)  Rechtssache C-318/07, Persche [2009], ECLI:EU:C:2009:33, Rn. 29.

(15)  Rechtssache C-2/90, Kommission/Belgien [1992], ECLI:EU:C:1992:310, Rn. 23 und 28.

(16)  Rechtssache C-393/92, Gemeente Almelo und andere/NV Energiebedrijf Ijsselmij [1994], ECLI:EU:C:1994:171.

(17)  Rechtssache C-159/94, Kommission/Frankreich [1997], ECLI:EU:C:1997:501.

(18)  Rechtssache C-421/09, Humanplasma GmbH/Republik Österreich [2010], ECLI:EU:C:2010:760, Rn. 27-30, bestätigt in Rechtssache C-296/15, Medisanus [2017] ECLI:EU:C:2017:431, Rn. 53.

(19)  Für zusätzliche Informationen zum Zusammenhang zwischen den Artikeln 34-36 und Artikel 56 AEUV wird auf Abschnitt 7.1.2 verwiesen.

(20)  Rechtssache C-97/98, Peter Jägerskiöld/Torolf Gustafsson [1999], ECLI:EU:C:1999:515.

(21)  Rechtssache C-591/17, Österreich/Deutschland [2019], ECLI:EU:C:2019:504, Rn. 39-40.

(22)  Rechtssache C-1/90, Aragonesa de Publicidad/Departamento de sanidad [1991], ECLI:EU:C:1991:327.

(23)  Rechtssache 434/85, Allen & Hanburys [1988], ECLI:EU:C:1988:109, Rn. 25; Rechtssache C-227/06, Kommission/Belgien, ECLI:EU:C:2008:160, Rn. 37.

(24)  Siehe Rechtssachen 266/87 und 267/87, R/Royal Pharmaceutical Society of Great Britain [1989], ECLI:EU:C:1989:205; Rechtssache C-292/92, Hünermund [1993], ECLI:EU:C:1993:932.

(25)  Siehe Rechtssache 249/81, Kommission/Irland (Buy Irish) (Buy Irish) [1982], ECLI:EU:C:1982:402; Rechtssache 222/82, Apple and Pear Development Council [1983], ECLI:EU:C:1983:370; Rechtssache C-325/00, Kommission/Deutschland [2002], ECLI:EU:C:2002:633; Rechtssache C-227/06, Kommission/Belgien [2008], ECLI:EU:C:2008:160.

(26)  Rechtssache C-171/11, Fra.bo Spa/Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches eV (DVGW) — Technisch-Wissenschaftlicher Verein [2012], ECLI:EU:C:2012:453, Rn. 31 und 32.

(27)  Rechtssache C-470/03, A.G.M.-COS.MET Srl [2007], ECLI:EU:C:2007:213.

(28)  Rechtssache C-265/95, Kommission/Frankreich [1997], ECLI:EU:C:1997:595.

(29)  Verbundene Rechtssachen C-154/04 und C-155/04, Alliance for Natural Health u. a. [2004], ECLI:EU:C:2004:848, Rn. 47 und 52.

(30)  Rechtssache 249/81, Kommission/Irland (Buy Irish) [1982], ECLI:EU:C:1982:402; Rechtssache C-227/06, Kommission/Belgien [2008], ECLI:EU:C:2008:160.

(31)  Rechtssache 21/84, Kommission/Frankreich [1985], ECLI:EU:C:1985:184; Rechtssache C-387/99, Kommission/Deutschland [2004], ECLI:EU:C:2004:235, Rn. 42; Rechtssache C-88/07, Kommission/Spanien [2009] ECLI:EU:C:2009:123; Rechtssache C-192/01, Kommission/Dänemark [2003], ECLI:EU:C:2003:492, Rn. 40.

(32)  Rechtssache 21/84, Kommission/Frankreich [1985], ECLI:EU:C:1985:184, Rn. 11-15.

(33)  Rechtssache C-88/07, Kommission/Spanien [2009], ECLI:EU:C:2009:123, Rn. 54-66, 116.

(34)  Rechtssache C-387/99, Kommission/Deutschland [2004], ECLI:EU:C:2004:235, Rn. 83.

(35)  Rechtssache C-192/01, Kommission/Dänemark [2003], ECLI:EU:C:2003:492, Rn. 40.

(36)  Rechtssache C-265/95, Kommission/Frankreich [1997], ECLI:EU:C:1997:595, Rn. 31; siehe auch Rechtssache C-112/00, Schmidberger [2003], ECLI:EU:C:2003:333, Rn. 60, insbesondere zu etwaigen Rechtfertigungen (Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit).

(37)  Rechtssache C-309/02, Radlberger Spitz [2004], ECLI:EU:C:2004:799, Rn. 80.

(38)  Siehe Artikel 355 AEUV.

(39)  ABl. L 35 vom 13.2.1996, S. 1.

(40)  Rechtssache 8/74, Dassonville [1974], ECLI:EU:C:1974:82, Rn. 5.

(41)  Rechtssache 78/70, Deutsche Grammophon/Metro, [1971] ECLI:EU:C:1971:59.

(42)  Rechtssache 229/83, Leclerc/Au Blé Vert [1985], ECLI:EU:C:1985:1.

(43)  Rechtssache C-30/01, Kommission/Vereinigtes Königreich [2003], ECLI:EU:C:2003:489, Rn 49-54.

(44)  Rechtssache 177/82, Van de Haar [1984], ECLI:EU:C:1984:144; Rechtssache 269/83, Kommission/Frankreich [1985], ECLI:EU:C:1985:115; Rechtssache 103/84, Kommission/Italien [1986], ECLI:EU:C:1986:229.

(45)  Rechtssache C-67/97, Ditlev Blühme [1998], ECLI:EU:C:1998:584.

(46)  Rechtssache C-379/92, Peralta [1994], ECLI:EU:C:1994:296; Rechtssache C-44/98, BASF [1999], ECLI:EU:C:1999:440. Siehe auch Rechtssache C-20/03, Burmanjer [2005], ECLI:EU:C:2005:307.

(47)  Rechtssache C-297/05, Kommission/Niederlande [2007], ECLI:EU:C:2007:531, Rn. 63.

(48)  Rechtssache 2/73, Riseria Luigi Geddo/Ente Nationale Risi [1973], ECLI:EU:C:1973:89.

(49)  Rechtssache 13/68, Salgoil SpA/Außenhandelsministerium der Italienischen Republik [1968], ECLI:EU:C:1968:54.

(50)  Rechtssache 8/74, Dassonville [1974], ECLI:EU:C:1974:82. Bezüglich des historischen Hintergrunds siehe auch Richtlinie 70/50/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1969, gestützt auf die Vorschriften des Artikels 33 Absatz 7 über die Beseitigung von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, die nicht unter andere aufgrund des EWG-Vertrags erlassene Vorschriften fallen (ABl. L 13 vom 19.1.1970, S. 29).

(51)  Rechtssache 8/74, Dassonville [1974], ECLI:EU:C:1974:82, Rn. 5.

(52)  Rechtssache 120/78, Rewe Zentrale/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein [1979], ECLI:EU:C:1979:42.

(53)  Zu den Maßnahmen mit gleicher Wirkung zählen beispielsweise Anforderungen an die Zusammensetzung oder sonstige Produktanforderungen, Einschränkungen der Vertriebskanäle oder die Bevorzugung inländischer Waren.

(54)  Siehe unter anderem auch Rechtssache C-110/05, Kommission/Italien [2009], ECLI:EU:C:2009:66, Rn. 37; Rechtssache C-456/10, ANETT [2012], ECLI:EU:C:2012:241; Rechtssache C-148/15, Deutsche Parkinson Vereinigung [2016], ECLI:EU:C:2016:776.

(55)  Rechtssache C-428/12, Kommission/Spanien [2014], ECLI:EU:C:2014:218, Rn. 29.

(56)  Rechtssache C-110/05, Kommission/Italien [2009], ECLI:EU:C:2009:66, Rn. 56.

(57)  Rechtssache C-591/17, Österreich/Deutschland [2019], ECLI:EU:C:2019:504, Rn. 125-134.

(58)  Rechtssache C-573/12, Ålands Vindkraft [2014], ECLI:EU:C:2014:2037, Rn. 67-75, 82 und 119. Allerdings erachtete der Gerichtshof die betreffende Maßnahme aufgrund des Ziels der Förderung der Nutzung erneuerbarer Energiequellen zur Stromerzeugung für gerechtfertigt.

(59)  Rechtssache C-265/06, Kommission/Portugal [2008], ECLI:EU:C:2008:210.

(60)  Ebd., Rn. 15.

(61)  Ebd., Rn. 33.

(62)  Rechtssache C-110/05, Kommission/Italien [2009], ECLI:EU:C:2009:66.

(63)  Rechtssache C-110/05, Kommission/Italien [2009], ECLI:EU:C:2009:66, Rn. 57.

(64)  Rechtssache C-142/05, Mickelsson und Roos [2009], ECLI:EU:C:2009:336.

(65)  Rechtssache C-142/05, Mickelsson und Roos [2009], ECLI:EU:C:2009:336, Rn. 28.

(66)  Rechtssache C-142/05, Mickelsson und Roos [2009] ECLI:EU:C:2009:336, Rn. 39-40. Siehe diesbezüglich auch Rechtssache C-433/05, Sandström [2010], ECLI:EU:C:2010:184.

(67)  Rechtssache C-433/05, Sandström [2010], ECLI:EU:C:2010:184, Rn. 40. Dieser Fall ist auch ein Beispiel für einen prozessorientierten Ansatz in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit, der auf dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Mickelsson basiert.

(68)  Verbundene Rechtssachen C-267/91 und C-268/91, Keck und Mithouard [1993], ECLI:EU:C:1993:905.

(69)  Verbundene Rechtssachen C-267/91 und C-268/91, Keck und Mithouard [1993], ECLI:EU:C:1993:905, Rn. 16.

(70)  Rechtssache C-591/17, Republik Österreich [2019], ECLI:EU:C:2019:504, Rn. 129.

(71)  Siehe zum Beispiel Rechtssache C-412/93, Leclerc-Siplec [1995], ECLI: EU:C:1995:26, Rn. 22, und Rechtssache C-6/98, ARD [1999], ECLI:EU:C:1999:532, Rn. 46.

(72)  Siehe zum Beispiel Rechtssachen C-401/92 und C-402/92, Tankstation ’t Heukske und Boermans [1994], ECLI:EU:C:1994:220, Rn. 14, sowie die verbundenen Rechtssachen C-69/93 und C-258/93, Punto Casa [1994], ECLI:EU:C:1994:226.

(73)  Siehe Rechtssache C-391/92, Kommission/Griechenland [1995], ECLI:EU:C:1995:199, Rn. 15.

(74)  Siehe Rechtssache C-63/94, Belgapom [1995], ECLI:EU:C:1995:270, und Rechtssache C-221/15, Etablissements Fr. Colruyt NV [2016], ECLI:EU:C:2016:704, Rn. 37.

(75)  Verbundene Rechtssachen C-158/04 und C-159/04, Alfa Vita [2006], ECLI:EU:C:2006:562.

(76)  Ebd., Rn. 18 und 19.

(77)  Rechtssache C-159/00, Sapod Audic/Eco-Emballages [2002], ECLI:EU:C:2002:343.

(78)  Ebd., Rn. 71. Ist der Schluss zu ziehen, dass eine Pflicht zur Kennzeichnung oder Beschriftung auferlegt wird, würde die Maßnahme eine technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 21.7.1998, S. 37) darstellen. In einem solchen Fall kann sich ein Einzelner darauf berufen, dass eine nationale Bestimmung nicht mitgeteilt worden ist. Das nationale Gericht darf diese Bestimmung dann nicht anwenden.

(79)  Rechtssache C-159/00, Sapod Audic/Eco-Emballages [2002], ECLI:EU:C:2002:343, Rn. 72.

(80)  Siehe Rechtssache C-71/02, Karner [2004], ECLI:EU:C:2004:181 (Verbot eines Hinweises darauf, dass Waren aus einer Konkursmasse stammen); Rechtssache C-441/04, A-Punkt [2006], ECLI:EU:C:2006:141 (Haustürgeschäfte), sowie die ähnliche Argumentation in der Rechtssache C-20/03, Burmanjer [2005], ECLI:EU:C:2005:307.

(81)  Rechtssache 120/78, Rewe Zentrale/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein [1979], ECLI:EU:C:1979:42. Der Grundsatz wurde zwar anfänglich in der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht ausdrücklich erwähnt, ist mittlerweile aber voll und ganz anerkannt (siehe z. B. Rechtssache C-110/05, Kommission/Italien [2009], ECLI:EU:C:2009:66, Rn. 34, und Rechtssache C-385/10, Elenca [2012], ECLI:EU:C:2012:634, Rn. 23).

(82)  Rechtssache C-111/89, Staat der Nederlanden/P. Bakker Hillegom BV [1990] ECLI:EU:C:1990:177, Rn. 8.

(83)  Rechtssache C-525/14, Kommission/Tschechische Republik [2016], ECLI:EU:C:2016:714, Rn. 35.

(84)  Rechtssache C-525/14, Kommission/Tschechische Republik [2016], ECLI:EU:C:2016:714, Rn. 39.

(85)  Verordnung (EU) 2019/515 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 über die gegenseitige Anerkennung von Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 764/2008 (ABl. L 91 vom 29.3.2019, S. 1).

(86)  Verordnung (EG) Nr. 764/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 zur Festlegung von Verfahren im Zusammenhang mit der Anwendung bestimmter nationaler technischer Vorschriften für Produkte, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind, und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 3052/95/EG (ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 21). Nähere Einzelheiten siehe in Abschnitt 8.3 dieses Leitfadens.

(87)  Rechtssache 51-54/71, International Fruit Company/Produktschap voor Groenten en Fruit [1971], ECLI:EU:C:1971:128; Rechtssache C-54/05, Kommission/Finnland [2007], ECLI:EU:C:2007:168, Rn. 31.

(88)  Rechtssache 4/75, Rewe Zentralfinanz/Landwirtschaftskammer [1975], ECLI:EU:C:1975:98.

(89)  Rechtssache C-272/95, Dt. Milchkontor II [1997], ECLI:EU:C:1997:191.

(90)  Rechtssache C-28/09, Kommission/Österreich [2011], ECLI:EU:C:2011:854, Rn. 119.

(91)  Rechtssache 155/82, Kommission/Belgien [1983], ECLI:EU:C:1983:53, Rn. 7.

(92)  Ebd., Rn. 12. Siehe auch Rechtssache C-12/02, Grilli [2003], ECLI:EU:C:2003:538, Rn. 48 und 49; Rechtssache C-193/94, Skanavi und Chryssanthakopoulos [1996], ECLI:EU:C:1996:70, Rn. 36-38.

(93)  Rechtssache 155/82, Kommission/Belgien [1983], ECLI:EU:C:1983:53, Rn. 15.

(94)  Rechtssache 13/78, Eggers/Freie Hansestadt Bremen [1978], ECLI:EU:C:1978:182.

(95)  Rechtssache 174/82, Officier van Justitie/Sandoz [1983] ECLI:EU:C:1983:213; Rechtssache C-24/00, Kommission/Frankreich [2004], ECLI:EU:C:2004:70; Rechtssache C-420/01, Kommission/Italien [2003], ECLI:EU:C:2003:363; Rechtssache C-192/01, Kommission/Dänemark [2003], ECLI:EU:C:2003:492; Rechtssache C-41/02, Kommission/Niederlande [2004], ECLI:EU:C:2004:762; Rechtssache C-319/05, Kommission/Deutschland [2007], ECLI:EU:C:2007:678.

(96)  Rechtssache C-473/98, Kemikalieinspektionen/Toolex-Alpha AB [2000], ECLI:EU:C:2000:379.

(97)  Rechtssache C-421/09, Humanplasma GmbH/Republik Österreich [2010], ECLI:EU:C:2010:760, Rn. 45.

(98)  Rechtssache C-270/02, Kommission/Italien [2004], ECLI:EU:C:2004:78.

(99)  Rechtssache C-421/09, Humanplasma GmbH/Republik Österreich [2010], ECLI:EU:C:2010:760, Rn. 45.

(100)  Rechtssache 104/75, De Peijper [1976], ECLI:EU:C:1976:67.

(101)  Rechtssache C-24/00, Kommission/Frankreich [2004], ECLI:EU:C:2004:70, Rn. 75.

(102)  Rechtssache C-192/01, Kommission/Dänemark/Dänemark [2003], ECLI:EU:C:2003:492.

(103)  Rechtssache C-192/01, Kommission/Dänemark [2003], ECLI:EU:C:2003:492, Rn. 46.

(104)  Ebd., Rn. 56.

(105)  Rechtssache C-473/98, Kemikalieinspektionen/Toolex-Alpha AB [2000], ECLI:EU:C:2000:379; Rechtssache C-24/00, Kommission/Frankreich [2004], ECLI:EU:C:2004:70.

(106)  Näheres siehe unter Abschnitt 7.1.2.

(107)  Rechtssache C-344/90, Kommission/Frankreich [1992], ECLI:EU:C:1992:328.

(108)  Rechtssache 231/83, Cullet [1985], ECLI:EU:C:1985:29; Rechtssache 82/77, Van Tiggele [1978], ECLI:EU:C:1978:10.

(109)  ABl. L 176 vom 5.7.2011, S. 24.

(110)  Rechtssache C-221/15, Colruyt [2016], ECLI:EU:C:2016:704, Rn. 41.

(111)  Rechtssache C-333/14, Scotch Whisky Association u. a./The Lord Advocate, The Advocate General of Scotland [2015], ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 50.

(112)  Rechtssache 65/75, Tasca [1976], ECLI:EU:C:1976:30; Rechtssache 88-90/75, SADAM [1976], ECLI:EU:C:1976:32; Rechtssache 181/82 Roussel [1983], ECLI:EU:C:1983:352; Rechtssache 13/77 GB-INNO/ATAB [1977], ECLI:EU:C:1977:185.

(113)  Rechtssache 16-20/79, Danis [1979], ECLI:EU:C:1979:248.

(114)  Rechtssache 116/84, Roelstrate [1985], ECLI:EU:C:1985:237; Rechtssache 188/86, Lefevre [1987], ECLI:EU:C:1987:327.

(115)  Zusätzliche Informationen über Verkaufsmodalitäten enthält Abschnitt 3.4.2.2.

(116)  Rechtssache C-63/94, Belgapom/ITM und Vocarex [1995], ECLI:EU:C:1995:270.

(117)  Rechtssache C-531/07, Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft/LIBRO [2009], ECLI:EU:C:2009:276.

(118)  Rechtssache C-148/15, Deutsche Parkinson Vereinigung [2016], ECLI:EU:C:2016:776, Rn. 23-27.

(119)  Rechtssache C-322/01 DocMorris [2003], ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 6.

(120)  Rechtssache C-333/14, Scotch Whisky Association [2015], ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 32. (Hervorhebung hinzugefügt).

(121)  Siehe auch Rechtssache C-254/05, Kommission/ Belgien [2007], ECLI:EU:C:2007:319; Rechtssache C-432/03, Kommission/Portugal [2005], ECLI:EU:C:2005:669, Rn. 41; Rechtssache C-249/07, Kommission/Niederlande [2008], ECLI:EU:C:2008:683, Rn. 26.

(122)  Rechtssache C-390/99, Canal Satélite Digital [2002], ECLI:EU:C:2002:34; Rechtssache C-333/08, Kommission/Frankreich [2010], ECLI:EU:C:2010:44; Rechtssache C-423/13, Vilniaus Energija [2014], ECLI:EU:C:2014:2186.

(123)  Rechtssache C-423/13, Vilniaus energija [2014], ECLI:EU:C:2014:2186, Rn. 55.

(124)  Rechtssache 21/84, Kommission/Frankreich [1985], ECLI:EU:C:1985:184.

(125)  Rechtssache C-455/01, Kommission/Italien [2003], ECLI:EU:C:2003:551.

(126)  Rechtssache C-432/03, Kommission/Portugal [2005], ECLI:EU:C:2005:514.

(127)  Rechtssache C-61/12, Kommission/Litauen [2014], ECLI:EU:C:2014:172, Rn. 57 und 69. Siehe auch Rechtssache C-639/11, Kommission/Polen [2014], ECLI:EU:C:2014:173.

(128)  Siehe zum Beispiel Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache C-412/93 Leclerc-Siplec [1995], ECLI:EU:C:1995:26, und Generalanwalt Geelhoed in der Rechtssache C-239/02 Douwe Egberts [2004], ECLI:EU:C:2004:445.

(129)  Siehe zum Beispiel verbundene Rechtssachen C-34/95 und C-36/95, De Agostini [1997], ECLI:EU:C:1997:344.

(130)  Rechtssache 286/81, Oosthoek [1982], ECLI:EU:C:1982:438, Rn. 15. Siehe auch folgende Rechtssachen aus der Zeit vor dem Keck-Urteil: Rechtssache 362/88, GB-INNO [1990], ECLI:EU:C:1990:102, und Rechtssache C-1/90, Aragonesa [1991], ECLI:EU:C:1991:327.

(131)  Rechtssache C-470/93, Mars [1995], ECLI:EU:C:1995:224, Rn. 13 (Maßnahme, die zusätzliche Verpackungs- und Werbungskosten zur Folge hat). Siehe auch Rechtssache C-368/95, Franzén [1997], ECLI:EU:C:1997:325, Rn. 11.

(132)  Siehe Rechtssache C-292/92, Hünermund [1993], ECLI:EU:C:1993:932 (Verbot der Werbung für „parapharmazeutische“ Erzeugnisse außerhalb von Apotheken), und Rechtssache C-412/93, Leclerc-Siplec [1995], ECLI:EU:C:1995:26 (Beschränkung von Fernsehwerbung); siehe zum Beispiel verbundene Rechtssachen C-34/95 und C-36/95, De Agostini [1997], ECLI:EU:C:1997:344; Rechtssache C-405/98, Gourmet [2001] ECLI:EU:C:2001:135.

(133)  Rechtssache C-239/02, Douwe Egberts [2004], ECLI:EU:C:2004:445, Rn. 53.

(134)  Was die Diskriminierung zwischen inländischen Wirtschaftsbeteiligten und Wirtschaftsbeteiligten anderer Mitgliedstaaten betrifft, siehe Rechtssache C-322/01, DocMorris [ [2003], ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 74, und Rechtssache C-254/98, Heimdienst [2000], ECLI:EU:C:2000:12, Rn. 26. Siehe auch die Rechtssachen 87/85 und 88/85, Legia und Gyselinx [1986], ECLI:EU:C:1986:215, Rn. 15, und Rechtssache C-189/95, Franzén [1997], ECLI:EU:C:1997:504, Rn. 71.

(135)  Siehe diesbezüglich auch Rechtssache C-405/98, Gourmet [2001], ECLI:EU:C:2001:135; Rechtssachen C-34/95 und C-36/95, De Agostini [1997], ECLI:EU:C:1997:344, und Rechtssache C-239/02, Douwe Egberts [2004], ECLI:EU:C:2004:445 (Verbot von Bezugnahmen auf das „Schlankerwerden“ und auf „ärztliche Empfehlungen, Bescheinigungen, Zitate oder Gutachten oder auf zustimmende Erklärungen“).

(136)  Siehe in diesem Zusammenhang Rechtssache C-292/92, Hünermund [1993], ECLI:EU:C:1993:932, und Rechtssache C-71/02, Karner [2004], ECLI:EU:C:2004:181 (Verbot von Hinweisen auf die Herkunft von Waren aus einer Konkursmasse).

(137)  Rechtssache C-337/95, Dior [1997], ECLI:EU:C:1997:517.

(138)  Rechtssache C-405/98, Gourmet [2001], ECLI:EU:C:2001:135.

(139)  Rechtssache C-33/97, Colim [1999], ECLI:EU:C:1999:274, Rn. 37, und Rechtssache C-416/00, Morellato [2003], ECLI:EU:C:2003:475, Rn. 29 und 30; Rechtssache C-217/99, Kommission/ Belgien [2000], ECLI:EU:C:2000:638, Rn. 17.

(140)  Rechtssache 27/80, Fietje, ECLI:EU:C:1980:293, Rn. 15.

(141)  Rechtssache C-385/10, Elenca Srl/Ministero dell’Interno [2012], ECLI: EU:C:2012:634.

(142)  Ebd.

(143)  Rechtssache 261/81 Rau/De Smedt [1982], ECLI:EU:C:1982:382.

(144)  Rechtssache C-30/99 Kommission/Irland [2001], ECLI:EU:C:2001:346; Rechtssache C-525/14 Kommission/Tschechische Republik [2016], ECLI:EU:C:2016:714; siehe auch Rechtssache C-481/12, UAB Juvelta/VĮ Lietuvos prabavimo rūmai [2014], ECLI:EU:C:2014:11.

(145)  Rechtssache C-244/06, Dynamic Medien Vertriebs GmbH/Avides Media AG [2008], ECLI:EU:C:2008:85; in dieser Rechtssache wurden die Handelshemmnisse aus Gründen des Jugendschutzes allerdings als gerechtfertigt angesehen.

(146)  Siehe zum Beispiel Rechtssache 207/83, Kommission/Vereinigtes Königreich [1985], ECLI:EU:C:1985:161, Rn 17.

(147)  Rechtssache C-95/14, UNIC und Uni.co.pel [2015], ECLI:EU:C:2015:492, Rn. 44.

(148)  Rechtssache 207/83, Kommission/Vereinigtes Königreich [1985], ECLI:EU:C:1985:161, Rn 21.

(149)  Siehe Rechtssache C-325/00, Kommission/Deutschland [2002], ECLI:EU:C:2002:633, Rn. 24, und Rechtssache C-255/03, Kommission/Belgien, ECLI:EU:C:2004:378.

(150)  Siehe Rechtssache 13/78, Eggers, ECLI:EU:C:1978:182, Rn. 24 und 25.

(151)  Siehe Urteil des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-321/94 bis C-324/94, Pistre u. a., ECLI:EU:C:1997:229, Rn. 45.

(152)  Rechtssache C-169/17, Asociación Nacional de Productores de Ganado Porcino [2018], ECLI:EU:C:2018:440, Rn. 24-28, und zitierte Rechtsprechung.

(153)  Rechtssache 249/81, Kommission/Irland [1982], ECLI:EU:C:1982:402.

(154)  Siehe zum Beispiel Rechtssache C-325/00, Kommission/Deutschland [2002], ECLI:EU:C:2002:633, Rechtssache C-6/02, Kommission/Frankreich [2003], ECLI:EU:C:2003:136. Siehe auch die verbundenen Rechtssachen C-204/12 bis C-208/12, Essent Belgium [2014], ECLI:EU:C:2014:2192, Rn. 88, 90-95 und 116. Siehe auch Rechtssache C-573/12, Ålands Vindkraft [2014], ECLI:EU:C:2014:2037.

(155)  Rechtssache C-322/01, DocMorris [2003], ECLI:EU:C:2003:664.

(156)  Verbundene Rechtssachen C-34/95 und C-36/95, De Agostini [1997], ECLI:EU:C:1997:344, Rn. 43 und 44. Generalanwalt Geelhoed (Rechtssache C-239/02, Douwe Egberts [2004] ECLI:EU:C:2004:445, Rn. 68) stellt diese Argumentation der Argumentation des Gerichtshofs in den Rechtssachen C-292/92, Hünermund ([1993], ECLI:EU:C:1993:932), und C-412/93, Leclerc-Siplec ([1995], ECLI:EU:C:1995:26), gegenüber. Er führte aus, dass es sich bei den beiden letzten Rechtssachen um beschränkte Werbeverbote handele. Zudem wies er darauf hin, dass der Gerichtshof in den beiden letzten Rechtssachen dem Umstand Bedeutung beigemessen habe, dass diese Regelung die Möglichkeiten anderer Markteilnehmer unberührt lasse, in anderer Weise für die betreffenden Erzeugnisse zu werben. Mit anderen Worten ausgedrückt: „Die Funktion, die die Werbung im Rahmen der Erlangung des Zugangs zum Markt der betreffenden Erzeugnisse hat, blieb intakt.“

(157)  Rechtssache C-322/01, DocMorris [2003], ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 74.

(158)  Rechtssache C-108/09, Ker-Optika [2010], ECLI:EU:C:2010:725, Rn. 43 und 44.

(159)  Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1).

(160)  Rechtssache C-198/14, Visnapuu [2015], ECLI:EU:C:2015:751, Rn. 99, 102, 208 und 129.

(161)  Rechtssache C-463/01, Kommission/Italien [2004], ECLI:EU:C:2004:797; Rechtssache C-309/02, Radlberger Spitz [2004], ECLI:EU:C:2004:799.

(162)  ABl. L 365 vom 31.12.1994, S. 10.

(163)  Siehe Rechtssache 238/82, Duphar [1984], ECLI:EU:C:1984:45 und Rechtssache C-70/95, Sodemare u. a. [1997], ECLI:EU:C:1997:301.

(164)  Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (ABl. L 40 vom 11.2.1989, S. 8).

(165)  Rechtssache C-120/95, Decker [1998], ECLI:EU:C:1998:167.

(166)  Rechtssache C-201/94, Smith & Nephew [1996], ECLI:EU:C:1996:432.

(167)  Rechtssache C-100/96, British Agrochemicals [1999], ECLI:EU:C:1999:129; Rechtssache C-201/06, Kommission/Frankreich [2008], ECLI:EU:C:2008:104, Rn. 33.

(168)  Rechtssache C-44/01, Pippig Augenoptik/Hartlauer [2003], ECLI:EU:C:2003:205, Rn. 63.

(169)  Rechtssache 104/75, De Peijper [1976], ECLI:EU:C:1976:67.

(170)  Rechtssache C-94/98, Rhône-Poulenc Rorer und May & Baker [1999], ECLI:EU:C:1999:614, Rn. 40.

(171)  Rechtssache C-172/00, Decker [2002], ECLI:EU:C:2002:474.

(172)  Rechtssache C-201/94, Smith & Nephew [1996], ECLI:EU:C:1996:432, Rechtssache C-94/98, Rhône Poulenc [1999], EU:C:1999:614.

(173)  Rechtssache C-112/02, Schmidberger [2004], ECLI:EU:C:2004:208, Rn. 15-18.

(174)  Rechtssachen 104/75, De Peijper [1976], ECLI:EU:C:1976:67, Rechtssache C-201/94, Smith & Nephew [1996], ECLI:EU:C:1996:432, Rechtssache C-387/18, Delfarma [2019], ECLI:EU:C:2019:556.

(175)  Rechtssache C-114/15, Audace [2016], ECLI:EU:C:2016:813.

(176)  Rechtssache C-322/01, DocMorris [2003], ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 127. Siehe hierzu Rechtssache 229/83, Leclerc u. a. [1985], ECLI:EU:C:1985:1, Rn. 26, und Rechtssache C-240/95, Schmit [1996] ECLI:EU:C:1996:259, Rn. 10.

(177)  Rechtssache C-322/01, DocMorris [2003], ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 129.

(178)  Rechtssache C-33/97, Colim/Bigg’s Continent Noord [1999], ECLI:EU:C:1999:274.

(179)  Siehe dazu auch:

Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64),

Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95 vom 21.4.1993, S. 29),

Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. L 171 vom 7.7.1999, S. 12) sowie

Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 18).

(180)  Rechtssache C-366/98, Yannick Geffroy [2000], ECLI:EU:C:2000:430, Rn. 28.

(181)  Rechtssache C-85/94, Piageme/Peeters [1995], ECLI:EU:C:1995:312.

(182)  Rechtssache C-33/97, Colim/Bigg’s Continent Noord [1999], ECLI:EU:C:1999:274, Rn. 41 und 43.

(183)  Rechtssache 215/87, Schumacher [1989], ECLI:EU:C:1989:111.

(184)  Verbundene Rechtssachen C-260/06 und C-261/06, Escalier Bonnarel [2007], ECLI:EU:C:2007:659.

(185)  Ebd., Rn. 32.

(186)  Rechtssache C-373/11, Panellinios Sindesmos Viomikhanion Metapoiisis Kapnou [2013], ECLI: EU:C:2013:567, Rn. 26.

(187)  Rechtssache C-283/03, Kuipers [2005], ECLI:EU:C:2005:314, Rn. 37, und zitierte Rechtsprechung.

(188)  Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 671).

(189)  Rechtssache C-333/14, Scotch Whisky Association u. a. [2015], ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 20.

(190)  Ebd., Rn. 26 und zitierte Rechtsprechung.

(191)  Rechtssache C-2/18, Lietuvos Respublikos Seimo narių grupė [2019], ECLI:EU:2019:962, Rn. 45.

(192)  Ebd., Rn. 49.

(193)  Ebd., Rn. 57.

(194)  Ebd., Rn. 69.

(195)  Rechtssache 15/79, P. B. Groenveld BV/Produktschap voor Vee en Vlees [1979], ECLI:EU:C:1979:253.

(196)  Rechtssache 15/79, P. B. Groenveld BV/Produktschap voor Vee en Vlees [1979], ECLI:EU:C:1979:253, Rn. 7. Siehe auch Rechtssache C-12/02, Marco Grilli [2003], ECLI:EU:C:2003:538, Rn. 41.

(197)  Rechtssache C-47/90, Delhaize/Promalvin [1992], ECLI:EU:C:1992:250 (bei dieser Rechtssache unterließ es der Gerichtshof bei seiner Argumentation, auf das Erfordernis eines besonderen Vorteils für die inländische Produktion hinzuweisen, auch wenn er in der Praxis offensichtlich vorlag). Allerdings stellte der Gerichtshof daraufhin in seinem Urteil in der Rechtssache C-388/95 Königreich Belgien/Königreich Spanien [2000], ECLI:EU:C:2000:244 fest, dass das streitige Erfordernis (nämlich das Erfordernis einer Abfüllung im Erzeugungsgebiet bei Wein mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung) ungeachtet seiner beschränkenden Auswirkungen auf den Handelsverkehr als gemeinschaftsrechtskonform anzusehen ist, wenn nachgewiesen wird, dass es ein erforderliches und verhältnismäßiges Mittel darstellt, um das hohe Ansehen, das der „denominación de origen calificada“ Rioja unbestreitbar zukommt, zu erhalten. Der Gerichtshof hat entschieden, dass dies tatsächlich der Fall war, weil die Erzeuger in dem Erzeugungsgebiet wesentliches Know-how zur Durchführung komplexer Abfüllungsvorgänge hätten. Die gleiche Argumentation galt auch für im Erzeugungsgebiet durchgeführte Kontrollen. Überdies würde die Beförderung von Wein außerhalb des Erzeugungsgebiets das Risiko einer Qualitätsverschlechterung durch Oxidation mit sich bringen.

(198)  Rechtssache C-108/01, Consorzio del Prosciutto di Parma [2003], ECLI:EU:2003:296. Allerdings hat der Gerichtshof in dieser Rechtssache entschieden, dass eine Bedingung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende (Aufschneiden und Verpacken müssen im Erzeugungsgebiet erfolgen) ungeachtet ihrer beschränkenden Auswirkungen auf den Handelsverkehr als unionsrechtskonform anzusehen ist, wenn nachgewiesen wird, dass sie ein erforderliches und verhältnismäßiges Mittel darstellt, um die Qualität des betreffenden Erzeugnisses zu wahren oder dessen Ursprung oder die Kontrolle der Spezifikation für diese g.g.A. zu gewährleisten (siehe Rn. 66 des Urteils). Nach Auffassung des Gerichtshofs verhält es verhält es sich so insbesondere, wenn die Spezifikation Fachleute, die über spezielle Kenntnisse der Eigenschaften des betreffenden Erzeugnisses verfügen, mit der Vornahme eingehender und systematischer Kontrollen betraut und es somit kaum vorstellbar ist, solche Kontrollen in den anderen Mitgliedstaaten wirksam einzurichten (siehe Rn. 75). Siehe in diesem Sinne auch Rechtssache C-469/00, Ravil/Bellon, [2003], ECLI:EU:2003:295. Dieser Ansatz wurde in der Rechtssache C-367/17, EA u. a. [2018] ECLI:EU:C:2018:1025, sowie in der Rechtssache C-569/18, Caseificio Cirigliana [2019], ECLI:EU:C:2019:873, bestätigt (siehe Rn. 39).

(199)  Rechtssache 155/80, Oebel [1981], ECLI:EU:C:1981:177; Rechtssache C-388/95, Königreich Belgien/Königreich Spanien [2000], ECLI:EU:C:2000:244, Rn. 41.

(200)  Rechtssache C-205/07, Gysbrechts und Santurel Inter [2008], ECLI:EU:C:2008:730.

(201)  Ebd. Rn. 40-43; Rechtssache C-169/17, Asociación Nacional de Productores de Ganado Porcino [2018], ECLI:EU:C:2018:440, Rn. 29.

(202)  Rechtssache C-15/15, New Valmar [2016], ECLI:EU:C:2016:464, Rn. 36. Siehe auch Rechtssache C-169/17, Asociación Nacional de Productores de Ganado Porcino [2018], ECLI:EU:C:2018:440, Rn. 29.

(203)  Rechtssache C-15/15, New Valmar [2016], ECLI:EU:C:2016:464, Rn. 47, 50-56.

(204)  Rechtssache C-648/18, Hidroelectrica [2020], ECLI:EU:C:2020:723, Rn. 33.

(205)  Rechtssache C-222/18, VIPA [2019], ECLI:EU:C:2019:751, Rn. 62.

(206)  Rechtssache C-120/95, Decker [1998], ECLI:EU:C:1998:167; Rechtssache 72/83, Campus Oil [1984], ECLI:EU:C:1984:256.

(207)  Rechtssache 251/78, Denkavit Futtermittel/Minister für Landwirtschaft [1979], ECLI:EU:C:1979:252.

(208)  Rechtssache C-55/99, Kommission/Frankreich [2000], ECLI:EU:C:2000:693.

(209)  Rechtssache C-473/98, Kemikalieinspektionen/ToolexAlpha [2000], ECLI:EU:C:2000:379; Rechtssache 5/77, Tadeschi/Denkavit [1977], ECLI:EU:C:1977:144.

(210)  Rechtssache 34/79, Henn und Darby [1979], ECLI:EU:C:1979:295, Rn. 21, sowie die verbundenen Rechtssachen C-1/90 und C-176/90, Aragonesa de Publicidad Exterior und Publivía [1991], ECLI:EU:C:1991:327, Rn. 20.

(211)  Rechtssache 121/85, Conegate/Customs and Excise Commissioners [1986], ECLI:EU:C:1986:114; Rechtssache 34/79, R/Henn and Darby [1979], ECLI:EU:C:1979:295.

(212)  Rechtssache C-275/92, Schindler [1994], ECLI:EU:C:1994:119, Rn. 58; Rechtssache C-124/97, Läärä u. a. [1999], ECLI:EU:C:1999:435, Rn. 33. Rechtssache C-98/14, Berlington Hungary [2015], ECLI:EU:C:2015:386, Rn. 58.

(213)  Rechtssache C-244/06, Dynamic Medien Vertriebs GmbH/Avides Media AG [2008], ECLI:EU:C:2008:85.

(214)  Wie der Gerichtshof einräumte, liegen einer Regelung, „die zum Ziel hat, den Alkoholkonsum zu regeln, um den schädlichen Auswirkungen alkoholhaltiger Stoffe auf die menschliche Gesundheit und die Gesellschaft vorzubeugen, und die so den Alkoholmissbrauch bekämpfen soll, die in Artikel 36 AEUV anerkannten Belange des Gesundheitsschutzes und der öffentlichen Ordnung zugrunde“; vgl. Urteil in der Rechtssache C-434/04 Ahokainen und Leppik [2006], ECLI:EU:C:2006:609, Rn. 28; siehe auch Rechtssache C-170/04, Rosengren u. a. [2007], ECLI:EU:C:2007:313, Rn. 40; Rechtssache C-198/14, Visnapuu [2015], ECLI:EU:C:2015:751, Rn. 116.

(215)  Rechtssache 7/78, R/Thompson [1978], ECLI:EU:C:1978:209.

(216)  Rechtssache 72/83, Campus Oil [1984], ECLI:EU:C:1984:256.

(217)  Rechtssache C- 648/18, Hidroelectrica [2019], ECLI:EU:C:2020:723, Rn. 36.

(218)  Rechtssache C-367/89, Strafverfahren gegen Aimé Richardt und Les Accessoires Scientifiques SNC [1991], ECLI:EU:C:1991:376.

(219)  Ebd.

(220)  Rechtssache 104/75, De Peijper [1976], ECLI:EU:C:1976:67.

(221)  Rechtssache C-333/14, Scotch Whisky Association [2015], ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 59.

(222)  Rechtssache C-198/14 Visnapuu [2015], ECLI:EU:C:2015:751, Rn. 118. Rechtssache C-108/09, Ker-Optika [2010], ECLI:EU:C:2010:725, Rn. 58.

(223)  Rechtssache C-270/02, Kommission/Italien [2004] ECLI:EU:C:2004:78, Rn. 22; Rechtssache C-319/05, Kommission/Deutschland [2007], ECLI:EU:C:2007:678, Rn. 88; Rechtssache C-421/09, Humanplasma GmbH/Republik Österreich [2010], ECLI:EU:C:2010:760, Rn. 34.

(224)  Rechtssache C-270/02, Kommission/Italien [2004], ECLI:EU:C:2004:78; Rechtssache C-319/05, Kommission/Deutschland [2007], ECLI:EU:C:2007:678; Rechtssache C-148/15, Deutsche Parkinson Vereinigung [2016], ECLI:EU:C:2016:776, Rn. 36 und 40.

(225)  Rechtssache C-108/09, Ker-Optika [2010], ECLI:EU:C:2010:725, Rn. 35.

(226)  Rechtssache C-157/96 National Farmers Union [1998], ECLI:EU:C:1998:191, Rn. 63.

(227)  Siehe zum Beispiel Rechtssache 227/82, Van Bennekom [1983], ECLI:EU:C:1983:354, Rn. 40, und Rechtssache 178/84, Kommission/Deutschland (Reinheitsgebot) [1987], ECLI:EU:C:1987:126, Rn. 46.

(228)  Rechtssache C-41/02, Kommission/Niederlande [2004], ECLI:EU:C:2004:762, Rn. 47; Rechtssache C-192/01, Kommission/Dänemark [2003], ECLI:EU:C:2003:492, Rn. 46; Rechtssache C-24/00, Kommission/Frankreich [2004], ECLI:EU:C:2004:70, Rn. 53.

(229)  Rechtssache C-249/07, Kommission/Niederlande [2008], ECLI:EU:C:2008:683, Rn. 50-51; Rechtssache C-41/02, Kommission/Niederlande [2004], ECLI:EU:C:2004:762; Rechtssache C-192/01, Kommission/Dänemark [2003], ECLI:EU:C:2003:492. Rechtssache C-24/00, Kommission/Frankreich [2004], ECLI:EU:C:2004:70.

(230)  Die Kommission nahm eine Mitteilung über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips an (KOM(2000) 1 endg.).

(231)  Vgl. Rechtssache C-132/03, Codacons und Federconsumatori [2005], ECLI:EU:C:2005:310, Rn. 61 und Rechtssache C-236/01, Monsanto Agricoltura [2003], ECLI:EU:C:2003:431, Rn. 111.

(232)  Rechtssache C-446/08, Solgar Vitamin’s France [2010], ECLI:EU:C:2010:233, Rn. 67.

(233)  Rechtssache C-236/01, Monsanto Agricoltura [2003], ECLI:EU:C:2003:431, Rn. 106; Rechtssache C-41/02, Kommission/Niederlande [2004], ECLI:EU:C:2004:762, Rn. 52; Rechtssache C-192/01, Kommission/Dänemark [2003], ECLI:EU:C:2003:492, Rn. 49; Rechtssache C-24/00, Kommission/Frankreich [2004], ECLI:EU:C:2004:70, Rn. 56. Case C-446/08, Solgar Vitamin’s France [2010] ECLI:EU:C:2010:233, Rn. 67.

(234)  Rechtssache C-672/15, Noria Distribution SARL [2017], ECLI:EU:C:2017:310, Rn. 33.

(235)  Rechtssache C-531/07, Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft/LIBRO [2009], ECLI:EU:C:2009:276, Rn. 32.

(236)  Siehe für eine Liste spezifischer Rechte des geistigen Eigentums die Erklärung der Kommission zu Artikel 2 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (2005/295/EG) (ABl. L 94 vom 13.4.2005, S. 37).

(237)  Rechtssache C-235/89, Kommission/Italien, Slg. 1992 I-777.

(238)  Siehe zum Beispiel Rechtssache 53/87, CICRA u. a./Renault, ECLI:EU:C:1988:472.

(239)  Siehe zum Beispiel Rechtssache C-5/11, Donner, ECLI:EU:C:2012:370, Rn. 31-37, mit Verweisen auf frühere Rechtsprechung.

(240)  Siehe zum Beispiel die verbundenen Rechtssachen C-267/95 und C-268/95, Merck & Co u. a./Primecrown Ltd u. a. ECLI:EU:C:1996:468, Rn. 30, mit Verweisen auf frühere Rechtssprechung.

(241)  Siehe die verbundenen Rechtssachen C-267/95 und C-268/95, Merck & Co u. a./Primecrown Ltd u. a., ECLI:EU:C:1996:468, Rn. 32, mit Verweisen auf frühere Rechtsprechung.

(242)  Siehe Rechtssache C-10/89, SA CNL-SUCAL NV/HAG GF AG, ECLI:EU:1990:359, Rn. 14, mit Verweisen auf frühere Rechtsprechung.

(243)  Für eine gute Übersicht der Rechtsprechung des Gerichtshofs siehe Rechtssache C-143/00, Boehringer Ingelheim, ECLI:EU:C:2002:246.

(244)  Rechtssache 53/87, CICRA u. a./Renault, ECLI:EU:C:1988:472, Rn. 10.

(245)  Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 336, vom 23.12.2015, S. 1), Artikel 15 Absatz 1.

(246)  Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. L 154, vom 16.6.2017, S. 1).

(247)  Siehehttps://ec.europa.eu/growth/industry/policy/intellectual-property_enhttps://ec.europa.eu/growth/industry/policy/intellectual-property_en

(248)  Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10).

(249)  Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 28).

(250)  Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. L 111 vom 5.5.2009, S. 16).

(251)  Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-128/11, Usedsoft.

(252)  Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-263/18, Tom Kabinet.

(253)  Rechtssache C-3/91, Exportur/LOR, Slg. 1992 I-5529, Rn. 37. Rechtssache C-216/01, Budějovický Budvar [2003], ECLI:EU:C:2003:618, Rn. 99.

(254)  Rechtssache 120/78, Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein [1979] ECLI:EU:C:1979:42, Rn 8.

(255)  Siehe zum Beispiel verbundene Rechtssachen C-1/90 und C-176/90, Aragonesa de Publicidad Exterior und Publivia/Departamento de Sanidad y Seguridad Social de Cataluña [1991], ECLI:EU:C:1991:327, Rn. 13.

(256)  Siehe zum Beispiel Rechtssache C-2/90, Kommission/Belgien, [1992], ECLI:EU:C:1992:310, in der der Gerichtshof entschied, dass die Maßnahme zwar als diskriminierend angesehen werden könne, aber aufgrund der besonderen Art des Gegenstands der Rechtssache nicht diskriminierend sei, und darauf den Umweltschutz als Rechtfertigungsgrund akzeptierte. In der Rechtssache C-320/03, Kommission/Österreich [2005], ECLI:EU:C:2005:684, sah der Gerichtshof eine Maßnahme als unterschiedslos anwendbar und nicht als mittelbar diskriminierend an.

(257)  Rechtssache 302/86, Kommission/Dänemark [1988], ECLI:EU:C:1988:421, Rn. 8.

(258)  Rechtssache 240/83, Procureur de la République/ADBHU [1985], ECLI:EU:C:1985:59, Rn. 12, 13 und 15; Rechtssache 302/86, Kommission/Dänemark [1988], ECLI:EU:C:1988:421, Rn. 8 und 9. Rechtssache C-487/06, British Aggregates/Kommission [2008], ECLI:EU:C:2008:757, Rn. 91.

(259)  Rechtssache C-573/12, Ålands Vindkraft [2014], ECLI:EU:C:2014:2037, Rn. 78.

(260)  Rechtssache C-242/17, L.E.G.O. [2018], ECLI:EU:C:2018:804, Rn. 72.

(261)  Rechtssache C-549/15, E.ON Biofor Sverige [2017], ECLI:EU:C:2017:490, Rn. 74, 80 und 84

(262)  Ebd., Rn. 88 und 89.

(263)  Rechtssache 302/86, Kommission/Dänemark [1988], ECLI:EU:C:1988:421. Wie jedoch bereits oben ausgeführt, fallen Pfandsysteme teilweise unter die Richtlinie 94/62/EG vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle und unter die Richtlinie (EU) 2018/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle (ABl. L 150 vom 14.6.2018, S. 141).

(264)  Siehe beispielsweise Rechtssache C-319/05, Kommission/Deutschland [2007], ECLI:EU:C:2007:678; Rechtssache C-186/05, Kommission/Schweden [2007], ECLI:EU:C:2007:571; Rechtssache C-297/05, Kommission/Niederlande [2007], ECLI:EU:C:2007:531; Rechtssache C-254/05, Kommission/Belgien [2007], ECLI:EU:C:2007:319; Rechtssache C-432/03 Kommission/Portugal [2005], ECLI:EU:C:2005:669.

(265)  Rechtssache C-242/17, L.E.G.O. [2018], ECLI:EU:C:2018:804, Rn. 65; Rechtssache C-573/12, Ålands Vindkraft [2014], ECLI:EU:C:2014:2037, Rn. 79 und 93.

(266)  Rechtssache C-28/09, Kommission/Österreich [2011], ECLI:EU:C:2011:854, Rn. 121-122; Rechtssache C-67/97, Bluhme [1998], ECLI:EU:C:1998:584.

(267)  Rechtssache C-481/12, Juvelta [2014], ECLI:EU:C:2014:11, Rn. 23.

(268)  Rechtssache C-481/12, Juvelta [2014], ECLI:EU:C:2014:11, Rn. 21-22; Rechtssache 220/81, Robertson u. a. [1982], ECLI:EU:C:1982:239, Rn. 11-12.

(269)  Rechtssache C-456/10, ANETT [2012], ECLI:EU:C:2012:241, Rn. 54.

(270)  Rechtssache C-448/98, Guimont [2000], ECLI:EU:C:2000:663, über die französische Rechtsvorschrift, mit der die Bezeichnung „Emmentaler“ einer bestimmten Käsesorte mit Rinde vorbehalten wird, und Rechtssache 261/81, Rau/De Schmedt [1982], ECLI:EU:C:1982:382, über die in Belgien für den Verkauf von Margarine vorgeschriebene Würfelform.

(271)  Rechtssache C-112/00, Schmidberger [2003], ECLI:EU:C:2003:333, Rn. 77.

(272)  In der Rechtssache 155/80, Oebel [1981], ECLI:EU:C:1981:177, stellte der Gerichtshof fest, dass das Nachtbackverbot eine legitime wirtschafts- und sozialpolitische Entscheidung in einem bekanntermaßen sensiblen Sektor ist.

(273)  Verbundene Rechtssachen 60/84 und 61/84, Cinéthèque SA/Fédération nationale des cinémas français [1985], ECLI:EU:C:1985:329.

(274)  Rechtssache C-531/07, Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft [2009], ECLI:EU:C:2009:276, Rn. 34.

(275)  Rechtssache C-368/95, Familiapress [1997], ECLI:EU:C:1997:325.

(276)  Rechtssache C-120/95, Decker 1998], ECLI:EU:C:1998:167, Rn. 39-40, und Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache C-148/15, Deutsche Parkinson Vereinigung [2016], ECLI:EU:C:2016:394, Rn. 42.

(277)  Siehe zum Beispiel Rechtssache C-54/05, Kommission/Finnland [2007], ECLI:EU:C:2007:168, Rn. 40 und zitierte Rechtsprechung, sowie Rechtssache C-61/12, Kommission/Litauen [2014], ECLI:EU:C:2014:172, Rn. 59.

(278)  Rechtssache C-265/06, Kommission/Portugal [2008], ECLI:EU:C:2008:210, Rn. 38.

(279)  Rechtssache C-219/07, Nationale Raad van Dierenkwekers en Liefhebbers und Andibel [2008], ECLI:EU:C:2008:353, Rn. 27.

(280)  Rechtssache C-15/15, New Valmar [2016], ECLI:EU:C:2016:464, Rn. 50. Siehe hierzu Rechtssache C-379/87, Groener/Minister for Education and City of Dublin Vocational Education Committee [1989], ECLI: EU:C:1989:599, Rn. 19; Rechtssache C-391/09, Runevič-Vardyn und Wardyn [2011], ECLI: EU:C:2011:291, Rn. 85, und Rechtssache C-202/11, Las [2013], ECLI: EU:C:2013:239, Rn. 25-27.

(281)  Rechtssache C-390/99 Canal Satélite Digital [2002], ECLI:EU:C:2002:34, Rn. 33; Rechtssache C-254/05, Kommission/Belgien [2007], ECLI:EU:C:2007:319, Rn. 33, und zitierte Rechtsprechung; Rechtssache C-286/07, Kommission/Luxemburg [2008], ECLI:EU:C:2008:251, Rn. 36.

(282)  Siehe zum Beispiel Rechtssache C-320/03, Kommission/Österreich [2005], ECLI:EU:C:2005:684, Rn. 85, und Rechtssache C-319/05, Kommission/Deutschland (Knoblauchpräparat) [2007], ECLI:EU:C:2007:678, Rn. 87, und zitierte Rechtsprechung.

(283)  Vgl. Rechtssache 104/75, De Peijper [1976], ECLI:EU:C:1976:67; Rechtssache C-54/05, Kommission/Finnland [2007], ECLI:EU:C:2007:168, Rn. 46, und Rechtssache C-297/05, Kommission/Niederlande [2007], ECLI:EU:C:2007:53, Rn. 79, bei denen der Gerichtshof Alternativen zu den angefochtenen Maßnahmen aufzeigte.

(284)  Rechtssache C-28/09, Kommission/Österreich [2011], ECLI:EU:C:2011:854, Rn. 116-117, 140, 150 und 151, und Rechtssache C-320/03, Kommission/Österreich [2005], ECLI:EU:C:2005:684, Rn. 87 und 91.

(285)  Rechtssache C-549/15, E.ON Biofor Sverige [2017], ECLI:EU:C:2017:490, Rn. 85, 88-99.

(286)  Rechtssache C-333/14, Scotch Whisky Association [2015], ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 50 und 54.

(287)  Rechtssache C-333/14, Scotch Whisky Association [2015], ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 65.

(288)  Siehe zum Beispiel Rechtssache C-169/07, Hartlauer [2009], ECLI:EU:C:2009:141, Rn. 55, und Rechtssache C-333/14, Scotch Whisky Association [2015], ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 37.

(289)  Siehe Schlussanträge von Generalanwalt Maduro in der Rechtssache C-434/04, Ahokainen und Leppik [2006], ECLI:EU:C:2006:609, Rn. 25.

(290)  Dies ist insbesondere beim Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen der Fall, der unter den in Artikel 36 AEUV geschützten Gütern und Interessen den höchsten Rang einnimmt. Dieser „Ermessensspielraum“ wurde auch bei Maßnahmen eingeräumt, die mit der notwendigen Gewährleistung der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sittlichkeit und der öffentlichen Sicherheit begründet sind. In Bezug auf die öffentliche Gesundheit als Rechtfertigungsgrund siehe beispielsweise Rechtssache C-322/01, DocMorris [2003], ECLI:EU:C:2003:664, Rn. 103, und zitierte Rechtsprechung. In Bezug auf die öffentliche Sittlichkeit als Rechtfertigungsgrund siehe Rechtssachen 34/79, Henn und Darby [1979], ECLI:EU:C:1979:295, und C-244/06, Dynamic Medien [2008], ECLI: EU:C:2008:85. In Bezug auf Maßnahmen zur Bekämpfung des Alkoholkonsums sowie auf die öffentliche Gesundheit und die öffentliche Ordnung als Rechtfertigungsgründe siehe zum Beispiel Rechtssache C-434/04, Ahokainen und Leppik [2006], ECLI:EU:C:2006:609. In Bezug auf Maßnahmen zum Verbot von Geldspielen sowie auf die öffentliche Sittlichkeit, die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit als Rechtfertigungsgründe siehe Rechtssache C-65/05, Kommission/Griechenland [2006], ECLI:EU:C:2006:673; in Bezug auf Maßnahmen zum Tierschutz siehe Rechtssache C-219/07, Nationale Raad van Dierenkwekers en Liefhebbers und Andibel [2008], ECLI:EU:C:2008:353.

(291)  Siehe zum Beispiel Rechtssache C-219/07, Nationale Raad van Dierenkwekers en Liefhebbers und Andibel [2008], ECLI:EU:C:2008:353, Rn. 31.

(292)  Rechtssache C-124/97, Läärä u. a. [1999], ECLI:EU:C:1999:435, Rn. 36.

(293)  Siehe zum Beispiel Rechtssache C-204/12, Essent Belgium [2014], ECLI:EU:C:2014:2192, Rn. 96-116.

(294)  Rechtssache C-14/02, ATRAL [2003], ECLI:EU:C:2003:265, Rn. 69.

(295)  Ebd. Rn. 69, Rechtssache C-254/05, Kommission/Belgien [2007], ECLI:EU:C:2007:319, Rn. 36.

(296)  Rechtssache C-265/06, Kommission/Portugal [2008], ECLI:EU:C:2008:210, Rn. 40-47.

(297)  Rechtssache C-110/05, Kommission/Italien [2009], ECLI:EU:C:2009:66, Rn. 66. Rechtssache C-333/14, Scotch Whisky Association [2015], ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 55.

(298)  Rechtssache C-387/01, Weigel [2004], ECLI:EU:C:2004:256.

(299)  Ebd., Rn. 54.

(300)  Rechtssache C-232/01, Van Lent [2003], ECLI:EU:C:2003:535 und Rechtssache C-464/02, Kommission/Dänemark [2005], ECLI:EU:C:2005:546.

(301)  Rechtssache C-420/15, U [2017], ECLI:EU:C:2017:408, Rn. 21 und 22.

(302)  Im Gegensatz zur Tätigkeit eines Arbeitnehmers im Rahmen eines Arbeitsvertrags nach Maßgabe der Arbeitnehmerfreizügigkeit; siehe Abschnitt 7.1 bzw. Rechtssache C-337/97 Meeusen [1999], ECLI:EU:C:1999:284, Rn. 17, und Rechtssache C-413/13, FNV [2014] ECLI:EU:C:2014:241, Rn. 37.

(303)  Rechtssache C-221/89, Factortame [1991], ECLI:EU:C:1991:320, Rn. 20.

(304)  Rechtssache C-384/08, Attanasio Group [2010] ECLI:EU:C:2010:133, Rn. 39.

(305)  Siehe Artikel 57 Unterabsatz 2 AEUV, sowie Rechtssache C-55/94, Gebhard [1995], ECLI:EU:C:1995:411, Rn. 39.

(306)  Siehe Artikel 56 Unterabsatz 1 AEUV und auch Rechtssache C-97/98, Jägerskiöld [1999], ECLI:EU:C:1999:515, Rn. 43 und 44.

(307)  In der Regel gegen Entgelt erbracht, durch das im Wesentlichen ein Teil der Kosten der Tätigkeit abgedeckt wird; siehe Rechtssache 263/86, Humbel [1988], ECLI:EU:C:1988:451, Rn. 17.

(308)  Verkehrsdienstleistungen fallen nicht unter Artikel 56 AEUV, wie in Artikel 58 Absatz 1 AEUV festgelegt wird.

(309)  In den verbundenen Rechtssachen C-360/15 und C-31/16, Visser [2018], ECLI:EU:C:2018:44, stellte der Gerichtshof eindeutig fest, dass Einzelhandelstätigkeiten eine Dienstleistung darstellen.

(310)  Rechtssache C-405/98, Gourmet International Products [2001], ECLI:EU:C:2001:135.

(311)  Rechtssache C-452/04, Fidium Finanz [2006], ECLI:EU:C:2006:631, Rn. 32.

(312)  Ebd.

(313)  Rechtssache C-20/03, Burmanjer [2005], ECLI:EU:C:2005:307, Rn. 34.

(314)  Rechtssache C-591/17, Österreich/Deutschland [2019], ECLI:EU:C:2019:504, Rn. 164. Im Licht des Urteils in der Rechtssache Visser (Rechtssache C-31/16) ist der Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt („Dienstleistungsrichtlinie“) (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36) von der feinen Abgrenzung der Grundfreiheiten nach dem AEUV nicht beeinträchtigt. Bei seiner Schlussfolgerung, dass Einzelhandel nach Artikel 4 Absatz 1 der Dienstleistungsrichtlinie als eine Dienstleistung angesehen werden sollte und dass das Kapitel der Richtlinie über die Niederlassung (Kapitel III) auf Tatbestände des Binnenmarkts anwendbar ist, hat der Gerichtshof die Überlegung nicht akzeptiert, dass das Primärrecht die Auslegung der Dienstleistungsrichtlinie gemäß ihren eigenen Begriffen einschränkt (siehe Rn. 92-94 und 107 des Urteils).

(315)  Rechtssache C-239/90, SCP Boscher [1991], ECLI:EU:C:1991:180.

(316)  Anhand der (direkten) Auswirkungen der Maßnahmen auf die Verwendung kann mitunter feststellbar sein, ob bei Waren, die einer derartigen bestimmten Verwendung nicht entsprechen können, obwohl sie legal im Handel sind, die Nachfrage stark eingeschränkt oder sogar zur Gänze unterbunden werden soll.

(317)  Rechtssache 203/80, Casati [1981], ECLI:EU:C:1981:261, Rn. 8.

(318)  Rechtssache 7/78, Thompson [1978], ECLI:EU:C:1978:209, Rn. 25.

(319)  Rechtssache C-358/93, Bordessa u. a. [1995], ECLI:EU:C:1995:54, Rn. 13-14.

(320)  Der EG-Vertrag enthält zwar keine Definition des Begriffe „Kapital-“ und „Zahlungsverkehr“, doch hat die Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (ABl. L 178 vom 8.7.1988, S. 5) zusammen mit der Nomenklatur in ihrem Anhang nach ständiger Rechtsprechung Hinweischarakter für die Definition des Begriffs „Kapitalverkehr“ (Rechtssache C-222/97, Trummer und Mayer [1999], ECLI:EU:C:1999:143, Rn. 20-21).

(321)  Rechtssache C-318/07, Persche [2009], ECLI:EU:C:2009:33, Rn. 25 und 30.

(322)  Siehe Abschnitt 4.2.

(323)  Rechtssache C-583/14, Nagy [2015], ECLI:EU:C:2015:737, Rn. 23.

(324)  Rechtssache C-591/17, Österreich/Deutschland [2019], ECLI:EU:C:2019:504, Rn. 39; Rechtssache C-296/15, Medisanus [2017], EU:C:2017:431.

(325)  Rechtssache C-591/17, Österreich/Deutschland [2019], ECLI:EU:C:2019:504, Rn. 162-164.

(326)  Rechtssache 24/68, Kommission/Italien [1969], ECLI:EU:C:1969:29, Rn. 7; Rechtssache C-441/98, Michailidis [2000], ECLI:EU:C:2000:479, Rn. 15; Rechtssache C-313/05, Brzeziński [2007], ECLI:EU:C:2007:33, Rn. 22; Rechtssache C-254/13, Orgacom [2014] ECLI:EU:C:2014:2251, Rn. 23; Rechtssache C-65/16, Istanbul Logistik [2017], ECLI:EU:C:2017:770, Rn. 39.

(327)  Rechtssache C-173/05, Kommission/Italien, [2007], ECLI:EU:C:2007:362, Rn. 42, Rechtssache C-65/16, Istanbul Logistik, [2017] ECLI:EU:C:2017:770, Rn. 40, Rechtssache C-305/17, FENS [2018] ECLI:EU:C:2018:986, Rn. 53.

(328)  Verbundene Rechtssachen C-149/91 und C-150/91, Sanders Adour und Guyomarc’h Orthez Nutrition animale [1992], ECLI:EU:C:1992:261, Rn. 17; Rechtssache C-72/03, Carbonati Apuani [2004], ECLI:EU:C:2004:506, Rn. 31, und Rechtssache C-39/17, Lubrizol [2018], ECLI:EU:C:2018:438, Rn. 26.

(329)  Rechtssache C-39/17, Lubrizol [2018], ECLI:EU:C:2018:438, Rn. 25.

(330)  Rechtssache 24/68, Kommission/Italien [1969] ECLI:EU:C:1969:29, Rn. 14; Rechtssache C-441/98, Michailidis [2000], ECLI:EU:C:2000:479, Rn. 15; Rechtssache C-313/05 Brzeziński [2007], ECLI:EU:C:2007:33, Rn. 22; Rechtssache C-254/13, Orgacom, ECLI:EU:C:2014:2251, Rn. 23; Rechtssache C-65/16, Istanbul Logistik, ECLI:EU:C:2017:770, Rn. 39.

(331)  Rechtssache C-254/13, Orgacom, ECLI:EU:C:2014:2251, Rn. 29.

(332)  Rechtssache C-28/96, Fricarnes [1997], ECLI:EU:C:1997:412, Rn. 24 und 25. Rechtssache C-76/17, Petrotel-Lukoil und Georgescu [2018], ECLI:EU:C:2018:139, Rn. 24.

(333)  Rechtssache C-76/17, Petrotel-Lukoil und Georgescu [2018], ECLI:EU:C:2018:139, Rn. 39.

(334)  Rechtssache 155/73, Sacchi [1974], ECLI:EU:C:1974:40.

(335)  Rechtssache C-189/95, Franzén [1997], ECLI:EU:C:1997:504, Rn. 35.

(336)  Rechtssache C-189/95, Franzén [1997], ECLI:EU:C:1997:504, Rn. 36.

(337)  Rechtssache C-438/02, Hanner [2005], ECLI:EU:C:2005:332, Rn. 35.

(338)  Rechtssache C-170/04, Rosengren [2007], ECLI:EU:C:2007:313, Rn. 21-22; siehe auch Rechtssache C-186/05, Kommission/Schweden [2007], ECLI:EU:C:2007:571.

(339)  Rechtssache C-456/10, ANETT [2012], ECLI:EU:C:2012:241, Rn. 21-23.

(340)  Rechtssache C-456/10, ANETT [2012], ECLI:EU:C:2012:241, Rn. 25-31.

(341)  Rechtssache C-198/14, Visnapuu [2015], ECLI:EU:C:2015:751, Rn. 90- 91.

(342)  Rechtssache C-198/14, Visnapuu [2015], ECLI:EU:C:2015:751, Rn. 95.

(343)  Rechtssache C-159/94, Kommission/Frankreich [1997], ECLI:EU:C:1997:501, Rn. 41; Rechtssache C-158/94, Kommission/Italien [1997], ECLI:EU:C:1997:500, Rn. 33; Rechtssache C-157/94, Kommission/Niederlande [1997], ECLI:EU:C:1997:499, Rn. 24.

(344)  Rechtssache 103/84, Kommission/Italien [1986], ECLI:EU:C:1986:229, Rn. 19.

(345)  Rechtssache C-234/99, Nygård [2002], ECLI:EU:C:2002:244, Rn. 56; Rechtssache 351/88, Laboratori Bruneau [1991], ECLI:EU:C:1991:304, Rn. 7.

(346)  Rechtssache 18/84, Kommission/Frankreich [1985], ECLI:EU:C:1985:175.

(347)  Rechtssache 21/88, Du Pont de Nemours Italiana Spa [1990], ECLI:EU:C:1990:121; Rechtssache 351/88, Laboratori Bruneau [1991], ECLI:EU:C:1991:304; Rechtssache C-156/98, Deutschland [2000], ECLI:EU:C:2000:467, Rn. 78, und Rechtssache C-114/00, Spanien/Kommission [2002], ECLI:EU:C:2002:508, Rn. 104.

(348)  Rechtssache C-379/98, PreussenElektra [2001], ECLI:EU:C:2001:160.

(349)  Rechtssache 74/76, Ianelli [1977], ECLI:EU:C:1977:51, Rn. 17.

(350)  Rechtssache T-57/11, Castelnou Energía/Kommission, [2014], ECLI:EU: T:2014:1021, Rn. 196.

(351)  Rechtssache C-598/17, A-Fonds [2019], ECLI:EU:C:2019:352.

(352)  Ebd., Rn. 47. Siehe hierzu auch Rechtssache C-234/99, Nygård [2002], ECLI:EU:C:2002:244, Rn. 57.

(353)  Rechtssache C-91/18, Kommission/ Griechenland [2019], ECLI:EU:C:2019:600, Rn. 52.

(354)  Rechtssache C-134/07, Piotr Kawala/Gmina Miasta Jaworzna [2007], ECLI:EU:C:2007:770.

(355)  Siehe zum Beispiel Rechtssache C-591/17, Österreich/Deutschland [2019], ECLI:EU:C:2019:504, Rn. 56, und zitierte Rechtsprechung.

(356)  Rechtssache C-302/00, Kommission/Frankreich [2002], ECLI:EU:C:2002:123.

(357)  Rechtssache C-221/06, Stadtgemeinde Frohnleiten [2007], ECLI:EU:C:2007:185, Rn. 70.

(358)  Rechtssache C-167/05, Kommission/Schweden [2008], ECLI:EU:C:2008:202.

(359)  Falls sie vollständig ausgeglichen wird, stellt diese Abgabe eine Abgabe zollgleicher Wirkung dar und verstößt gegen Artikel 28 und 30 AEUV.

(360)  Rechtssache C-76/17, Petrotel-Lukoil [2018], ECLI:EU:C:2018:139, Rn. 22-25.

(361)  Rechtssache C-324/93, The Queen/Secretary of State for Home Department, ex parte Evans Medical und Macfarlan Smith [1995], ECLI:EU:C:1995:84.

(362)  Rechtssache 74/76, Iannelli/Meroni [1977], ECLI:EU:C:1977:51.

(363)  Rechtssache 83/78, Pigs Marketing Board/Redmond [1978], ECLI:EU:C:1978:214.

(364)  Weitere Angaben in der Mitteilung der Kommission: „Aktionsplan zur Stärkung von SOLVIT“ (COM(2017) 255) und der Empfehlung der Kommission zu den Grundsätzen für SOLVIT (C(2013) 5869).

(365)  Empfehlung der Kommission vom 7. Dezember 2001 über Grundsätze zur Nutzung von „SOLVIT“, dem Problemlösungsnetz für den Binnenmarkt, K(2001) 3901 (ABl. L 331 vom 15.12.2001, S. 79).

(366)  Rechtssache C-457/07, Kommission/Portugal [2009], ECLI:EU:C:2009:531, Rn. 55.

(367)  Weitere Informationen zum Vertragsverletzungsverfahren und zur Methode zur Berechnung von finanziellen Sanktionen:https://ec.europa.eu/info/law/law-making-process/applying-eu-law/infringement-procedure_dehttps://ec.europa.eu/info/law/law-making-process/applying-eu-law/infringement-procedure_de

(368)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Europäischen Bürgerbeauftragten über die Beziehungen zum Beschwerdeführer bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht (KOM(2002) 141 endg.). Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: „Aktualisierung der Mitteilung über die Beziehungen zu Beschwerdeführern in Fällen der Anwendung von Unionsrecht“ (COM(2012) 154 final). Mitteilung der Kommission „EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung“ (C(2016) 8600) (ABl. C 18 vom 19.1.2017, S. 10).

(369)  https://ec.europa.eu/assets/sg/report-a-breach/complaints_de/index.htmlhttps://ec.europa.eu/assets/sg/report-a-breach/complaints_de/index.htmlhttps://ec.europa.eu/info/about-european-commission/contact/problems-and-complaints/complaints-about-breaches-eu-law/how-make-complaint-eu-level_de

(370)  Rechtssache 200/88, Kommission/Griechenland [1990], ECLI:EU:C:1990:346; siehe auch den Beschluss in der Rechtssache T-47/96, SDDDA/Kommission [1996], ECLI:EU:T:1996:164, Rn 42. siehe auch den Beschluss in der Rechtssache T-177/05, Finnland/Kommission vom 9. Januar 2006, Rn. 37-40.

(371)  ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1

(372)  Siehe Artikel 5 und 6 der Richtlinie.

(373)  Rechtssache C-194/94, CIA Security [1996], ECLI:EU:C:1996:172; Rechtssache C-443/98, Unilever [2000], ECLI:EU:C:2000:496.

(374)  Rechtssache C-20/05, Schwibbert [2007], ECLI:EU:C:2007:652; Rechtssache C-390/18, Airbnb Ireland [2019], ECLI:EU:C:2019:1112.

(375)  Verordnung (EG) Nr. 2679/98 des Rates vom 7. Dezember 1998 über das Funktionieren des Binnenmarktes im Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 337 vom 12.12.1998, S. 8).

(376)  Weitere Informationen siehehttps://ec.europa.eu/growth/single-market/barriers-to-trade/physical_enhttps://ec.europa.eu/growth/single-market/barriers-to-trade/physical_en


ANHANG

RÄUMLICHER GELTUNGSBEREICH

Gebiete gemäß Artikel 52 Absatz 1 EUV, für die Artikel 34 AEUV im Einklang mit Artikel 355 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gilt:

Das Hoheitsgebiet der 27 Mitgliedstaaten einschließlich folgender Gebiete:

Ålandinseln (autonome Provinz Finnlands).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 4 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 5 EGV).

Azoren (autonome Region Portugals). Sie umfassen São Miguel, Pico, Terceira, São Jorge, Faial, Flores, Santa Maria, Graciosa, Corvo.

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 1 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 2 EGV).

Kanarische Inseln (Autonome Gemeinschaft Spaniens). Sie umfassen Teneriffa, Fuerteventura, Gran Canaria, Lanzarote,La Palma, La Gomera, El Hierro.

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 1 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 2 EGV).

Französisch-Guayana (Übersee-Region Frankreichs).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 1 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 2 EGV).

Guadeloupe (Übersee-Region Frankreichs).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 1 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 2 EGV).

Madeira (autonome Region Portugals). Umfasst Madeira, Porto Santo, Desertas-Inseln, Wilde Inseln.

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 1 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 2 EGV).

Martinique (Übersee-Region Frankreichs).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 1 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 2 EGV).

Mayotte (Übersee-Region Frankreichs).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 1 AEUV.

Réunion (Übersee-Region Frankreichs).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 1 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 2 EGV).

Saint-Martin (Übersee-Körperschaft Frankreichs).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 1 AEUV.

Mit EU-Mitgliedstaaten verbundene Gebiete, für die Artikel 34 AEUV nicht gilt:

Aruba (autonomes Land der Niederlande).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 2 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 3 EGV).

Ceuta und Melilla (autonome Städte unter spanischer Hoheitsgewalt).

Rechtsgrundlage: Obgleich Artikel 34 AEUV vermutlich für Waren gilt, die aus der übrigen EU in diese Gebiete verbracht werden, scheinen die Artikel 24 und 25 der Akte über den Beitritt Spaniens zur EU (1) aufgrund ihres Wortlauts nicht für Waren mit Ursprung in Ceuta und Melilla, die in die übrige EU gelangen, zu gelten. Daher findet Artikel 34 AEUV anscheinend keine Anwendung für Waren mit Ursprung in Ceuta und Melilla.

Färöer (autonome Provinz Dänemarks).

Trotz der Zuständigkeit Dänemarks für die Außenbeziehungen der 18 Inseln, die dieses Gebiet bilden, behalten die Färöer ein hohes Maß an Selbstverwaltung, und im AEUV ist ausdrücklich festgehalten, dass diese Inseln nicht in seinen räumlichen Geltungsbereich fallen.

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 5 Buchstabe a AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 6 Buchstabe a EGV).

Französisch-Polynesien (Übersee-Körperschaft Frankreichs).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 2 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 3 EGV).

Französische Süd- und Antarktisgebiete (überseeisches Gebiet Frankreichs).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 2 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 3 EGV).

Niederländische Antillen (autonomes Land der Niederlande). Sie umfassen Bonaire, Curaçao, Saba, Sint Eustatius und Sint Maarten.

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 2 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 3 EGV).

Neukaledonien und seine Nebengebiete (französische Überseegemeinschaft mit besonderem Status). Umfassen die Hauptinsel Grande Terre, die Loyauté-Inseln und mehrere kleinere Inseln.

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 2 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 3 EGV).

St. Pierre und Miquelon (Übersee-Körperschaft Frankreichs).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 2 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 3 EGV).

Saint Barthélemy (Übersee-Körperschaft Frankreichs).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 2 AEUV.

Wallis und Futuna (Übersee-Körperschaft Frankreichs).

Rechtsgrundlage: Artikel 355 Absatz 2 AEUV (ex-Artikel 299 Absatz 3 EGV).

Schließlich kommen die Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) Island, Liechtenstein und Norwegen gemäß dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in den Genuss des freien Warenverkehrs in der EU.


(1)  ABl. L 302 vom 15.11.1985, S. 23.