ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 379I

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

63. Jahrgang
10. November 2020


Inhalt

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IV   Informationen

 

INFORMATIONEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

 

Rat

2020/C 379 I/01

Schlussfolgerungen des Rates zur Politik des geistigen Eigentums und zur Überarbeitung des Systems gewerblicher Muster und Modelle in der Union

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DE

 


IV Informationen

INFORMATIONEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

Rat

10.11.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CI 379/1


Schlussfolgerungen des Rates zur Politik des geistigen Eigentums und zur Überarbeitung des Systems gewerblicher Muster und Modelle in der Union

(2020/C 379 I/01)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

1.

UNTER HINWEIS AUF

die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom März 2019 (1), in denen die Kommission ersucht wurde, eine langfristige Vision für die industrielle Zukunft der EU vorzulegen;

die Schlussfolgerungen des Rates mit dem Titel „Eine Strategie für die Industriepolitik der EU: Eine Vision für 2030“ vom Mai 2019 (2), in denen anerkannt wurde, dass ein gut funktionierendes und wirksames System für die Rechte des geistigen Eigentums ein Schlüssel für anhaltende Entwicklung und anhaltendes Wachstum ist, und daran erinnert wurde, dass es von zentraler Bedeutung ist, die europäischen Rahmenregelungen für geistiges Eigentum weiterzuentwickeln, zu verbessern und zu aktualisieren, um sicherzustellen, dass Ideen und Erfindungen, insbesondere durch und für KMU, tatsächlich entwickelt und auf den Markt gebracht werden können, zum Nutzen der europäischen Wirtschaft und der Gesellschaft insgesamt;

die Mitteilung der Kommission vom 10. März 2020 mit dem Titel „Eine neue Industriestrategie für Europa“, in der ein Aktionsplan für geistiges Eigentum angekündigt wird zwecks Prüfung des Überarbeitungsbedarfs beim Rechtsrahmen, Gewährleistung einer intelligenten Nutzung von geistigem Eigentum und Verbesserung der Bekämpfung des Diebstahls von geistigem Eigentum, da intelligente Strategien in Bezug auf geistiges Eigentum von wesentlicher Bedeutung dafür sind, es Unternehmen zu erleichtern, zu wachsen, Arbeitsplätze zu schaffen und diejenigen Aspekte zu schützen und weiterzuentwickeln, die sie einzigartig und wettbewerbsfähig machen;

die Mitteilung der Kommission vom 10. März 2020 mit dem Titel „Eine KMU-Strategie für ein nachhaltiges und digitales Europa“, in der sie angekündigt hat, im Aktionsplan für geistiges Eigentum Maßnahmen vorzuschlagen, um das System des geistigen Eigentums für KMU wirksamer zu gestalten, etwa durch eine Vereinfachung der Verfahren für die Eintragung von Rechten des geistigen Eigentums (z. B. Reform der EU-Rechtsvorschriften über gewerbliche Muster und Modelle), eine Verbesserung des Zugangs zu strategischer Beratung im Bereich des geistigen Eigentums (z. B. durch die Einführung von Beratungsangeboten bei allen FuE-Finanzierungen auf EU-Ebene) und eine Erleichterung der Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums zur Erschließung von Finanzmitteln;

Ein effizientes und ausgewogenes System für den Schutz des geistigen Eigentums

2.

ERFREUT ÜBER die jüngste Konsultation zu einem Fahrplan für einen Aktionsplan für geistiges Eigentum und IN KENNTNISNAHME der Ergebnisse dieser Konsultation;

3.

IN WÜRDIGUNG, dass die Förderung europäischer Innovation und Kreativität vor dem Hintergrund der COVID‐19-Pandemie noch mehr an Bedeutung gewonnen hat und ein Schlüsselinstrument für den Wiederaufbau der EU-Wirtschaft und den Beitrag zu einer nachhaltigeren Wirtschaft im digitalen Zeitalter ist —

4.

IST DER AUFFASSUNG, dass die Förderung europäischer Innovation und Kreativität und insbesondere die Aufnahme von Forschungsergebnissen durch den Markt im Zuge der COVID‐19-Pandemie noch wichtiger geworden ist und dass in diesem Zusammenhang die Rechte des geistigen Eigentums und die Übertragung von FuE-Ergebnissen in die Wirtschaft eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau und bei der Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Unternehmen in der EU spielen werden; NIMMT daher mit Interesse die Mitteilung der Kommission vom 30. September 2020 über einen neuen Europäischen Forschungsraum für Forschung und Innovation (3) ZUR KENNTNIS;

5.

ERKENNT die Herausforderungen und Chancen AN, die sich aus dem Aufstieg der immateriellen Wirtschaft und der neuen Technologien ergeben; BETONT, wie wichtig ein starkes, effizientes, transparentes und ausgewogenes System für den Schutz von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen ist und dass eine kohärente Gesamtstrategie erforderlich ist, um sowohl den Schutz von als auch den fairen Zugang zu Innovationen sicherzustellen, damit alle in der EU niedergelassenen Unternehmen, einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen, von ihrem geistigen Eigentum profitieren und neue Technologien wie künstliche Intelligenz, 3D-Druck und Blockchain nutzen können; AN, wie wichtig „grüne“ Patente für die Weiterentwicklung ökologisch nachhaltiger Technologien sind;

6.

ERSUCHT die Mitgliedstaaten, ihre Kräfte zu bündeln, um die Innovationsleistung Europas zu stärken und sicherzustellen, dass Europa sowohl sein innovatives und kreatives Potenzial als auch seine herausragende Forschung optimal nutzt;

7.

ERMUTIGT die Kommission, alsbald den angekündigten Aktionsplan für geistiges Eigentum vorzulegen, der Initiativen enthält, um den Schutz des geistigen Eigentums insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen in der EU wirksamer – auch im Hinblick auf die Regelung über das ergänzende Schutzzertifikat – und erschwinglicher zu machen und eine wirksame gemeinsame Nutzung geistigen Eigentums – insbesondere kritischer Vermögenswerte wie standardessenzieller Patente (SEP) – zu fördern und dabei für einen angemessenen und gerechten Ausgleich zu sorgen;

Biotechnologie

8.

UNTER HINWEIS AUF seine Schlussfolgerungen vom 20. Februar 2017 zur Patentierbarkeit von Pflanzen (4) und insbesondere seine Aufforderung an die Mitgliedstaaten, sich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Europäischen Patentorganisation dafür einzusetzen, dass die Praxis der Organisation mit den genannten Schlussfolgerungen in Einklang gebracht wird — BEGRÜßT die Stellungnahme G 3/19 der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 14. Mai 2020, in der diese zu dem Schluss gekommen ist, dass sich die Nicht-Patentierbarkeit von im Wesentlichen biologischen Verfahren für die Züchtung von Pflanzen und Tieren auch auf pflanzliche oder tierische Erzeugnisse erstreckt, die ausschließlich durch solche Verfahren gewonnen werden;

9.

BEGRÜßT die fruchtbaren Beratungen zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten über die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Patentierbarkeit von im Wesentlichen biologischen Verfahren für die Züchtung von Pflanzen und Tieren und den durch solche Verfahren gewonnenen Erzeugnissen mit dem Ziel, ein besseres Verständnis der Richtlinie und der entsprechenden Bestimmungen des Europäischen Patentübereinkommens zu erreichen;

Geografische Angaben

10.

ERFREUT ÜBER das Inkrafttreten der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben am 26. Februar 2020; IN ANERKENNUNG, dass die Systeme für den Schutz geografischer Angaben in der EU gestärkt werden müssen; IN KENNTNISNAHME der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Oktober 2015 (5) — IST BEREIT, die Einführung eines Systems für den Sui-generis-Schutz nichtlandwirtschaftlicher Erzeugnisse auf der Grundlage einer gründlichen Folgenabschätzung in Bezug auf die potenziellen Kosten und Nutzen ZU ERWÄGEN;

Durchsetzung des geistigen Eigentums

11.

UNTER HINWEIS AUF seine Schlussfolgerungen vom 12. März 2018 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (6) und IN KENNTNISNAHME der Ergebnisse des Berichts über das Funktionieren des Memorandum of Understanding (MoU) über den Verkauf nachgeahmter Waren über das Internet und des Berichts über das Funktionieren des MoU über Online-Werbung und Rechte des geistigen Eigentums vom 14. August 2020 —

12.

NIMMT MIT BESORGNIS ZUR KENNTNIS, dass trotz der freiwilligen Zusammenarbeit von Interessenträgern, z. B. im Rahmen des MoU über den Verkauf nachgeahmter Waren im Internet, nach wie vor eine unannehmbar hohe Zahl nachgeahmter Waren auf Online-Marktplätzen angeboten wird – einschließlich solcher, die die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher gefährden –, was die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Nachahmungen in einer digitalen EU verdeutlicht;

13.

ERMUTIGT die Kommission,

in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums nach Ländern aufgeschlüsselte Daten über den Umfang von Nachahmungen und Produktpiraterie bereitzustellen, um so die Wirksamkeit von Initiativen zu ihrer Bekämpfung – einschließlich der MoU – weiter zu verbessern,

Grundsätze festzulegen, um die dreiseitige Zusammenarbeit zwischen Rechteinhabern, Vermittlern und Strafverfolgungsbehörden bei der Entwicklung wirksamer Strategien zur Bekämpfung von Nachahmungen zu verbessern, und

im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Rates zur Gestaltung der digitalen Zukunft Europas (7) Maßnahmen vorzuschlagen, mit denen Online-Plattformen und andere Hosting-Anbieter verpflichtet werden, angemessen gegen Nachahmungen vorzugehen;

Geschmacksmuster

14.

ERFREUT ÜBER die 2014 eingeleitete Evaluierung des EU-Rechtsrahmens zum Schutz von Geschmacksmustern;

15.

UNTER HINWEIS AUF die Ergebnisse der beiden Studien, die im Rahmen dieser Evaluierung durchgeführt wurden, nämlich 2015 zur wirtschaftlichen Überprüfung gewerblicher Muster und Modelle in Europa und 2016 zur rechtlichen Überprüfung des Schutzes gewerblicher Muster und Modelle in der EU;

16.

IN KENNTNISNAHME der Ergebnisse der Studie zu den Auswirkungen der Entwicklung des industriellen 3D-Drucks auf die Rechte des geistigen Eigentums vom 12. Februar 2020;

17.

ERFREUT ÜBER die öffentliche Konsultation zum Fahrplan zur Evaluierung des EU-Rechtsrahmens zum Schutz von Geschmacksmustern vom 3. Juli 2018 sowie die von Dezember 2018 bis April 2019 durchgeführte öffentliche Konsultation zur Evaluierung des EU-Rechtsrahmens zum Schutz von Geschmacksmustern und IN KENNTNISNAHME der Ergebnisse dieser Konsultationen sowie der Ergebnisse der Befragung der für geistiges Eigentum zuständigen Ämter, die die Expertengruppe der Kommission für die Politik des gewerblichen Eigentums am 9. Dezember 2019 vorgestellt hat;

18.

UNTER BERÜCKSICHTIGUNG der Ergebnisse der Evaluierung des EU-Rechtsrahmens zum Schutz von Geschmacksmustern;

19.

IN ANERKENNUNG DER TATSACHE, dass die Mehrheit derer, die das gemeinschaftliche Geschmacksmusterschutzsystem nutzen, das System selbst sowie den Grundsatz der Koexistenz von gemeinschaftlichem, nationalem und regionalem Geschmacksmusterschutz positiv bewerten, jedoch fast die Hälfte derjenigen, die an der öffentlichen Konsultation teilgenommen haben, auf unbeabsichtigte Folgen oder Mängel der EU-Gesetzgebung zum Geschmacksmusterschutz hingewiesen haben und der Ansicht sind, sie müsse durch eine künftige Überarbeitung weiterentwickelt und präzisiert werden, wobei auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Geschmacksmusterschutzsystemen auf gemeinschaftlicher, nationaler und regionaler Ebene zu achten sei;

20.

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass der nationale und regionale Geschmacksmusterschutz weiterhin den Bedarf einer großen Zahl von Anmeldern deckt und für diese Gruppe daher weiterhin eine Option darstellt —

21.

FORDERT die Kommission AUF, Vorschläge für die Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen im Hinblick darauf vorzulegen, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über gewerbliche Muster und Modelle einander anzunähern, und damit einhergehend eine umfassende und eingehende Folgenabschätzung vorzulegen, um die Geschmacksmusterschutzsysteme der EU zu modernisieren und den Geschmacksmusterschutz für einzelne Entwerfer und Unternehmen – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen – attraktiver zu machen.

BEI DIESER ÜBERARBEITUNG SOLLTE FOLGENDES THEMATISIERT UND BERÜCKSICHTIGT WERDEN:

Änderungen und sonstige Maßnahmen mit dem Ziel, die Komplementarität zwischen gemeinschaftlichen, nationalen und regionalen Geschmacksmusterschutzsystemen zu unterstützen und zu stärken;

Verbesserungen bei der Zugänglichkeit des Geschmacksmustersystems durch Klärung und Weiterentwicklung des Schutzgegenstands und der Schutzanforderungen, Gewährleistung größerer Rechtssicherheit und eines gemeinsamen Verständnisses der Produktdefinition und ihrer Bestandteile, Erweiterung des derzeitigen Produktbegriffs, um den Schutz neu entstehender Geschmacksmuster zu ermöglichen;

die Chancen und Auswirkungen neuer Technologien wie des industriellen 3D-Drucks, die neue Möglichkeiten bieten, Geschmacksmuster zu generieren, zu nutzen und zu teilen, sowie gegebenenfalls die Notwendigkeit, den Rahmen im Hinblick auf neue Technologien anzupassen;

weitere Anstrengungen, Divergenzen innerhalb des Geschmacksmusterschutzsystems in der Union zu verringern, beispielsweise durch Vereinheitlichung des Vorbenutzungsrechts und Klärung, welchen Einfluss die Erzeugnisangabe auf den Umfang des Geschmacksmusterschutzes hat, nicht zuletzt durch eine weitere Annäherung der Verfahren, wie vom Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) unterstützt;

Anpassung der Anforderung an die Wiedergabe von Geschmacksmustern im Hinblick darauf, den Zugang zum Geschmacksmusterschutz zu erleichtern und Anmeldern Rechtssicherheit zu geben, um die Muster im Hinblick auf neue technische Fortschritte – etwa die Entwicklung spezieller Instrumente für die Bildersuche, um den Stand der Technik zu prüfen – zukunftssicher zu machen;

Stärkung des Geschmacksmusterschutzes und wirksamere Bekämpfung von Nachahmungen, indem Rechteinhabern gestattet wird, Dritte daran zu hindern, Geschmacksmuster verletzende Waren, die nicht für den Unionsmarkt bestimmt sind, durch das Gebiet der Union zu transportieren;

Optionen und Möglichkeiten einer Harmonisierung der Vorschriften über die Schutzfähigkeit von Bestandteilen komplexer Produkte für Reparaturzwecke, einschließlich der Möglichkeit, die nationalen Vorschriften an die Gemeinschaftsgeschmacksmusterregelung anzugleichen und damit zur Vollendung des Binnenmarkts für Reparaturersatzteile in der EU beizutragen; sowie

Maßnahmen mit dem Ziel, die Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates und die Richtlinie 98/71/EG – soweit angebracht – mit der Reform der Unionsgesetzgebung über Marken von 2017 in Einklang zu bringen, insbesondere um die Verfahren des EUIPO zu vereinfachen und zu straffen und dadurch auch die Vorhersehbarkeit zu erhöhen und den Aufwand für die Nutzer zu verringern, ohne vom hohen Niveau der Arbeit und der Entscheidungen des EUIPO abzurücken.


(1)  Dok. EUCO 1/19.

(2)  Dok. 9706/19.

(3)  Dok. 11400/20.

(4)  Dok. 5808/17.

(5)  Dok. 2015/2053 (INI).

(6)  Dok. 6681/18.

(7)  Dok. 8711/20.