ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 39

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

63. Jahrgang
5. Februar 2020


Inhalt

Seite

 

I   Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

 

ENTSCHLIESSUNGEN

 

Ausschuss der Regionen

2020/C 39/01

Entschließung des Europäischen Ausschusses der Regionen — Entwicklungen in den interinstitutionellen Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021–2027

1

 

ENTSCHLIESSUNGEN

2020/C 39/02

Entschließung des Europäischen Ausschusses der Regionen — Europäisches Semester 2019 und Blick auf den Jahreswachstumsbericht 2020

7

 

STELLUNGNAHMEN

 

Ausschuss der Regionen

2020/C 39/03

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Empfehlungen zur Erarbeitung wirksamer regionaler Entwicklungsstrategien über 2020 hinaus

11

 

STELLUNGNAHMEN

2020/C 39/04

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Bessere Kommunikation der Kohäsionspolitik

16

2020/C 39/05

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Der Beitrag des AdR zur erneuerten territorialen Agenda mit besonderer Betonung der von der örtlichen Bevölkerung betriebenen lokalen Entwicklung

21

2020/C 39/06

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030: Follow-up zu den UN-Nachhaltigkeitszielen, zur Ökowende und zum Klimaschutzübereinkommen von Paris

27

2020/C 39/07

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Umsetzung des Pakets Saubere Energie: die nationalen Energie- und Klimapläne als Instrument für einen lokalen und regionalen Governance-Ansatz bei Klimaschutz sowie aktiver und passiver Energienutzung

33

2020/C 39/08

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Der Beitrag der Regionen und Städte zum neuen politischen EU-Rahmen für KMU

38

2020/C 39/09

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Bericht zur Umsetzung der Vergaberichtlinien

43

2020/C 39/10

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Bessere Rechtsetzung: Wir ziehen Bilanz und erneuern unser Engagement

48

2020/C 39/11

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Aktiv und gesund im Alter

53

2020/C 39/12

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Sozioökonomischer Strukturwandel der Kohleregionen in Europa

58

2020/C 39/13

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Die Afrikanische Schweinepest und der Schweinefleischmarkt in der EU

62

2020/C 39/14

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Pastoralismus

65

2020/C 39/15

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Forschungsinfrastrukturen: die Zukunft des Europäischen Forschungsraums (EFR) aus regionaler und grenzüberschreitender Sicht

68

2020/C 39/16

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Umsetzung des Übereinkommens von Paris durch eine innovative und nachhaltige Energiewende auf regionaler und lokaler Ebene

72

2020/C 39/17

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Intelligente Städte: neue Herausforderungen für einen gerechten Übergang zur Klimaneutralität — Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele in der Praxis

78

2020/C 39/18

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Digitales Europa für alle: Intelligente und inklusive Lösungen vor Ort

83


DE

 


I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

ENTSCHLIESSUNGEN

Ausschuss der Regionen

5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/1


Entschließung des Europäischen Ausschusses der Regionen — Entwicklungen in den interinstitutionellen Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021–2027

(2020/C 39/01)

I.   EMPFEHLUNGEN FÜR ÄNDERUNGEN

COM(2018) 375 final

Änderungsempfehlung 1

Artikel 32

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung des AdR

Ergänzend zu Artikel 31 kann der Mitgliedstaat vorschlagen, weitere Maßnahmen der technischen Hilfe zur Stärkung der Kapazität der Behörden des Mitgliedstaats, der Begünstigten und relevanter Partner zu ergreifen, die für eine wirksame Administration und einen wirksamen Einsatz der Fonds notwendig sind. […]

Ergänzend zu Artikel 31 kann der Mitgliedstaat vorschlagen, weitere Maßnahmen der technischen Hilfe zur Stärkung der Kapazität der Behörden des Mitgliedstaats, der Begünstigten und relevanter Partner zu ergreifen, die für eine wirksame Administration und einen wirksamen Einsatz der Fonds sowie für den Ausbau der institutionellen und administrativen Kapazitäten der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, einschließlich zusätzlicher Investitionen in die Ausrüstung , notwendig sind. […]

Begründung

Da das thematische Ziel 11 nicht fortgeführt wird, hält es der AdR für wichtig sicherzustellen, dass der Kapazitätsaufbau der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften durch TZ 11-artige Maßnahmen in allen Programmen gefördert wird.

COM(2018) 383 final/2

Änderungsempfehlung 2

Artikel 2 Absatz 1

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung des AdR

1.   Das vorgeschlagene Programm zielt allgemein – auch durch die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen – auf den Schutz und die Förderung der in den EU-Verträgen verankerten Rechte und Werte ab, um eine tragfähige Basis für eine offene, demokratische und inklusive Gesellschaft in Europa zu sichern.

1.   Das vorgeschlagene Programm zielt allgemein – auch durch die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen, lokaler und regionaler Gebietskörperschaften und ihrer Vertreter – auf den Schutz und die Förderung der in den EU-Verträgen verankerten Rechte und Werte ab, um eine tragfähige Basis für eine offene, demokratische, auf Gleichstellung beruhende und inklusive Gesellschaft in Europa zu sichern.

Begründung

Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften erhalten Mittel aus diesem Programm, und insbesondere bei der Bürgerbeteiligung und beim Schutz der Rechte der Unionsbürger kommt ihnen eine wichtige Rolle zu.

COM(2018) 383 final/2

Änderungsempfehlung 3

Artikel 18 Absatz 2

Vorschlag der Europäischen Kommission

Änderung des AdR

2.   Die Kommission führt Maßnahmen zur Information und Kommunikation über das Programm, die Programmmaßnahmen und die Ergebnisse durch. Mit den dem Programm zugewiesenen Mitteln werden auch Kommunikationsmaßnahmen der Kommission über die politischen Prioritäten der Union gefördert, insofern sie die in Artikel 2 genannten Ziele betreffen.

2.   Die Kommission führt Maßnahmen zur Information und Kommunikation über das Programm, die Programmmaßnahmen und die Ergebnisse durch, insbesondere durch das Netz der Europe-Direct-Informationszentren . Mit den dem Programm zugewiesenen Mitteln werden auch Kommunikationsmaßnahmen der Kommission über die politischen Prioritäten der Union gefördert, insofern sie die in Artikel 2 genannten Ziele betreffen.

3.     Die EU informiert alle potenziellen Begünstigten möglichst umfassend über die Finanzierungsmöglichkeiten, damit die Beteiligung einer Vielzahl unterschiedlicher Organisationen aus den einzelnen Mitgliedstaaten und Partnerländern gewährleistet ist. Antragsteller müssen sich an eine Kontaktstelle wenden können, die ihnen Hilfestellung leistet, ihre Fragen zur Antragstellung beantwortet und vor der Absendung des Antrags überprüft, ob dieser vollständig ist.

Begründung

Es ist wichtig, alle lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sowie alle weiteren potenziell interessierten Akteure möglichst umfassend über die gebotenen Möglichkeiten zu informieren, um zu vermeiden, dass nur die privilegierten Partner der EU oder die am besten informierten Organisationen davon profitieren.

II.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN (AdR) —

1.

bekräftigt sein Bedauern über den vorgeschlagenen Umfang des nächsten MFR, der dazu führen könnte, dass die anvisierten Ziele in den einzelnen Politikbereichen der EU letztendlich nicht erreicht werden. Der AdR spricht sich entschieden gegen die vorgeschlagenen Mittelkürzungen für die Kohäsionspolitik und die Gemeinsame Agrarpolitik aus, die sich nachteilig auf die Entwicklung der Regionen und Städte in der EU auswirken würden. Daher bekräftigt der AdR seine nachdrückliche Forderung, dass der künftige MFR mindestens 1,3 % des BNE der EU-27 betragen sollte, um einen Haushalt zu sichern, der den Bedürfnissen, Erwartungen und Anliegen der EU-Bürger entspricht;

2.

ist äußerst besorgt über die langsamen Fortschritte der Beratungen über den MFR 2021-2027 im Rat und bezweifelt, dass der von den Staats- und Regierungschefs im Juni festgelegte Zeitplan — Abschluss der Verhandlungen über den MFR bis Ende 2019 — noch eingehalten werden kann; fordert die Kommission auf, dringend einen Notfallplan vorzulegen, mit dem eine mögliche Unterbrechung von Programmen im Falle einer verspäteten Annahme des MFR vermieden wird;

3.

unterstreicht, dass für einen starken MFR zuverlässige und stabile Eigenmittel erforderlich sind. Der AdR begrüßt die Vereinfachung der Einnahmenseite des EU-Haushalts sowie insbesondere den Vorschlag zur schrittweisen Abschaffung aller Rabatte für Mitgliedstaaten und zur Vereinfachung der auf der Mehrwertsteuer beruhenden Einnahmen. Der AdR erinnert daran, dass es unmöglich sein wird, eine Einigung über die Ausgabenseite des MFR zu erzielen, wenn nicht auch auf der Einnahmenseite entsprechende Fortschritte gemacht werden;

4.

begrüßt die Bemühungen der Kommission zur Einführung wirksamer Mechanismen, um die Rechtsstaatlichkeit zu wahren, wie z. B. das jüngst vorgelegte Konzept für das weitere Vorgehen, das auf drei Säulen beruht (1. Aufbau von Wissen und Schaffung einer gemeinsamen Kultur der Rechtsstaatlichkeit, 2. Vorbeugung: Zusammenarbeit und Unterstützung bei der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit auf nationaler Ebene, 3. Antwort der EU: Bei Versagen der nationalen Mechanismen Durchsetzung auf EU-Ebene); hebt vor diesem Hintergrund hervor, dass die Kommunal- und Regionalregierungen aufgrund ihres Wahlmandats eine Schlüsselrolle spielen können, wenn es um die Förderung der Rechtsstaatlichkeit und die Ermittlung der sie bedrohenden Risiken geht, indem sie die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der partizipativen Demokratie fördern, eine Kultur der Rechtsstaatlichkeit aufbauen und Organisationen unterstützen, die hierfür von entscheidender Bedeutung sind, wie freie und unabhängige Medien. Daher sollte die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Rahmen dieser Drei-Säulen-Struktur gestärkt werden. Der AdR begrüßt die Zusicherung und das Bestreben der Kommission, im Falle der Einleitung eines Verfahrens gegen einen Mitgliedstaat eine nahtlose Bereitstellung der Mittel für die Endbegünstigten der EU sicherzustellen, lehnt jedoch nach wie vor eine Auflagenbindung ab, durch die der Zugang der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften zu kohäsionspolitischen Fördermitteln aufgrund einer mangelhaften Achtung der Rechtsstaatlichkeit oder demokratischer Grundsätze auf nationaler Ebene begrenzt würde. Der AdR erwartet deshalb, dass die Kommission weitere Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Endbegünstigten ergreift, und bekräftigt seine frühere Forderung, eindeutige Kriterien zur Definition eines generellen Mangels in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip festzulegen;

5.

begrüßt die Vorschläge der Kommission, den MFR flexibler zu gestalten und neue und unvorhergesehene Herausforderungen rechtzeitig anzugehen, spricht sich jedoch gegen den Gedanken eines zusammengefassten Instruments für einen einzigen Spielraum (Single Margin Instrument – SMI) aus, wie ihn der Rat in der Verhandlungsbox vorgeschlagen hat; betont, dass zu einer Ausgewogenheit zwischen größerer Flexibilität und langfristiger Planungssicherheit bei Programmen — insbesondere im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung — gefunden werden muss;

6.

befürwortet die Forderung des Europäischen Parlaments nach einer umfassenden Halbzeitüberprüfung des MFR, in der eingehend untersucht wird, ob die wichtigsten Ziele erreicht wurden — insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel und die durchgängige Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsziele, die Nutzung aller Flexibilitätsinstrumente und ihre mögliche Neukonzipierung sowie schließlich eine sinnvolle Anpassung der MFR-Rubriken einschließlich der möglichen Schaffung neuer Rubriken oder Obergrenzen;

7.

begrüßt, dass die Verhandlungsbox nun Formulierungen enthält, denen zufolge alle im Rahmen des langfristigen Haushaltsplans der EU finanzierten Maßnahmen dem Gleichstellungsgrundsatz gerecht werden müssen. Darüber hinaus muss die Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts in der Haushaltsplanung vertieft, verbreitet und systematisiert werden und sollte so bald wie möglich eine neue langfristige Gleichstellungsstrategie angenommen werden;

8.

weist darauf hin, dass einige Regionen aufgrund ihrer geografischen und natürlichen Gegebenheiten und/oder des Umfangs ihrer Handelsbeziehungen stärker von den Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union betroffen sein werden als andere. Der AdR hält es daher für wichtig, praktische Lösungen zur Unterstützung dieser Regionen zu finden, damit diese die Herausforderungen, mit denen sie nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs konfrontiert sein werden, bewältigen können; fordert die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und den Rat auf sicherzustellen, dass Umstrukturierungsmaßnahmen, die durch einen ungeregelten Austritt des Vereinigten Königreiches bedingt sind, auch die Ad-hoc-Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF), des Solidaritätsfonds der Europäischen Union und des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) rechtfertigen würden, und bekräftigt seine Forderung an die Europäische Kommission zu prüfen, ob möglicherweise eine strukturiertere mittel- und langfristige Reaktion in Form eines Stabilisierungsfonds für diejenigen Regionen erforderlich ist, die vom Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU am meisten betroffen sind; dieser Fonds sollte auf zusätzlichen Mitteln beruhen und nicht auf Kosten der Kohäsionspolitik gehen;

9.

bekräftigt seine Besorgnis darüber, dass der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) aus der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen (Dachverordnung) herausgenommen wurde, was den integrierten Ansatz der Struktur- und Investitionsfonds in den ländlichen Gebieten untergraben könnte; fordert daher, den ELER wieder in die Dachverordnung aufzunehmen;

10.

erinnert daran, dass der ESF+ als wichtiges Instrument für die Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte auch weiterhin eine tragende Säule der Kohäsionspolitik bleiben muss; begrüßt in diesem Zusammenhang den vom Rat im derzeitigen Entwurf einer Verhandlungsbox geäußerten Vorschlag, eine gesonderte Teilrubrik für den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt zu schaffen;

11.

unterstreicht die Bedeutung der Grundsätze der Partnerschaft und der Multi-Level-Governance und spricht sich entschieden gegen jeden Versuch aus, die Bestimmungen von Artikel 6 der vorgeschlagenen Dachverordnung zu verwässern; fordert außerdem die uneingeschränkte Berücksichtigung des Verhaltenskodex bei der Ausarbeitung und Umsetzung der Partnerschaftsvereinbarungen und -pläne, um zu gewährleisten, dass die Beteiligung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften einer vollwertigen Partnerschaft entspricht;

12.

unterstreicht die Bedeutung der Partnerschaftsvereinbarungen für die strategische Koordinierung zwischen den Fonds und für die Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und anderer Partner in einer Frühphase des Prozesses fordert daher, dass die Partnerschaftsvereinbarungen unabhängig von der Höhe der aus den Fonds bereitgestellten Mittel und der Zahl der Programme verbindlich bleiben;

13.

bekräftigt seine entschiedene Ablehnung des negativen Gedankens einer makroökonomischen Konditionalität, mit dem als Ergebnis der Verbindung zwischen den ESIF und der wirtschaftspolitischen Steuerung regionale und kommunale Gebietskörperschaften für Versäumnisse der nationalen Regierung „bestraft“ würden. In diesem Zusammenhang unterstützt der AdR uneingeschränkt den Vorschlag des Europäischen Parlaments, Artikel 15 der Dachverordnung zu streichen;

14.

besteht darauf, dass im Hinblick auf Artikel 21 der Dachverordnung alle Übertragungen zwischen den Fonds oder von den Fonds auf andere Instrumente der Union unter direkter oder indirekter Verwaltung auf höchstens 5 % der Mittelzuweisungen des Programms beschränkt sein sollten. Sie müssen im Einvernehmen mit den zuständigen Verwaltungsbehörden erfolgen, für die kohäsionspolitischen Ziele relevant sein und den Grundsätzen der Subsidiarität und der Multi-Level-Governance voll und ganz entsprechen, wobei sie den gebietsbezogenen Ansatz der Fonds nicht schwächen dürfen;

15.

im Einklang mit dem Standpunkt des Europäischen Parlaments sollte die Finanzierung für Regionen, die für den Zeitraum 2021-2027 in eine niedrigere Kategorie eingestuft werden, zumindest auf dem Niveau der für 2014-2020 zugewiesenen Mittel beibehalten werden;

16.

lehnt den Vorschlag des Rates bezüglich Artikel 22 der Dachverordnung ab, wonach die Mitgliedstaaten selbst entscheiden können sollen, ob sie integrierte territoriale Instrumente nutzen oder nicht; ist vielmehr der Ansicht, dass zum Erreichen der Ziele der erneuerten territorialen Agenda der Europäischen Union und der Kohäsionsziele die territorialen Instrumente in den Mitgliedstaaten sehr viel stärker genutzt werden müssen und eine obligatorische Zweckbindung für alle Fonds erforderlich ist;

17.

betont, dass die besondere Situation und die besonderen Bedürfnisse der Gebiete mit natürlichen oder demografischen Nachteilen, darunter die Inselgebiete, im Einklang mit Artikel 174 AEUV in den Partnerschaftsvereinbarungen und -programmen berücksichtigt werden müssen;

18.

bekräftigt seinen Standpunkt zu den Bestimmungen der Dachverordnung, die vom Rat in die Verhandlungsbox aufgenommen wurden, insbesondere in Bezug auf die Förderfähigkeit der Regionen, das regionale Sicherheitsnetz, die Kofinanzierungssätze, die Höhe der Vorfinanzierung, die Vorschriften für die Aufhebung von Mittelbindungen und die Mittel für die traditionelle territoriale Zusammenarbeit;

19.

hält es für dringend notwendig, die administrativen und institutionellen Kapazitäten der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu stärken, was auch dadurch deutlich wird, dass 2019, 17 Mitgliedstaaten länderspezifische Empfehlungen zu den Verwaltungskapazitäten auf lokaler und regionaler Ebene erhalten haben; schlägt unter Berücksichtigung der Gefahr einer Verringerung der Mittel für Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau, die den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung direkt zugänglich sind, vor, Artikel 32 der vorgeschlagenen Dachverordnung oder Artikel 2 des Vorschlags für eine Verordnung über den EFRE/den Kohäsionsfonds zu überarbeiten, um ähnliche Maßnahmen zu ermöglichen, wie sie im derzeitigen MFR im Rahmen des kohäsionspolitischen TZ 11 in allen operationellen Programmen finanziert werden;

20.

besteht in Bezug auf die im Rahmen des EFRE durchgeführten Programme darauf, dass die Mittel in jedem Mitgliedstaat auf die Kategorien von Regionen konzentriert werden, die nach den von der Kommission vorgeschlagenen Parametern klassifiziert werden, und befürwortet die Ansicht des Parlaments, dass die Mitgliedstaaten in hinreichend begründeten Fällen, beispielsweise für Regionen in äußerster Randlage, in Absprache mit den betroffenen Regionen beantragen können, die thematische Konzentration auf Ebene der Regionenkategorien zu senken. Alle Regionenkategorien sollten sich zu mindestens 30 % auf das politische Ziel „Ein grüneres, CO2-armes Europa“ (TZ 2) konzentrieren, damit die EU ihren Verpflichtungen im Rahmen des Übereinkommens von Paris vollständig nachkommen kann;

21.

stimmt mit dem Europäischen Parlament darin überein, mindestens 5 % der auf nationaler Ebene verfügbaren EFRE-Mittel für die integrierte territoriale Entwicklung nichtstädtischer Gebiete bereitzustellen, die unter natürlichen, geografischen oder demografischen Nachteilen leiden oder mit Herausforderungen gemäß den im neuen Artikel 10a vorgeschlagenen Definitionen konfrontiert sind. Diese Strategien können auch von einem fondsübergreifenden Ansatz profitieren, insbesondere bei integrierten Projekten im Rahmen des „Pakts für intelligente Dörfer“;

22.

bekräftigt sein Bedauern über den Vorschlag der Kommission, den Anteil der europäischen territorialen Zusammenarbeit am Kohäsionshaushalt von 2,75 % auf 2,5 % zu senken, und spricht sich nachdrücklich dagegen aus, dass die maritime grenzübergreifende Zusammenarbeit vom Bestandteil 1 „Grenzübergreifende Zusammenarbeit“ in den Bestandteil 2 „Transnationale Zusammenarbeit“ verschoben wird; unterstützt daher nachdrücklich den Vorschlag im Europäischen Parlament, die in Artikel 104 Absatz 7 der Dachverordnung vorgesehenen Mittelbindungen zu ändern, um die Mittel für die herkömmliche territoriale Zusammenarbeit (Bestandteile 1 und 4) auf etwa 3 % der Kohäsionsmittel aufzustocken;

23.

unterstreicht die Bedeutung des INTERREG-Programms, das sich für viele regionale Gebietskörperschaften als unverzichtbar erwiesen hat, sowohl für den Austausch von Fachwissen und bewährten Verfahren in Bezug auf wesentliche Herausforderungen als auch für die Herstellung persönlicher Verbindungen und die Stärkung der europäischen Identität;

24.

befürwortet zusätzliche Mittel in Höhe von 970 Mio. EUR für interregionale Innovationsinvestitionen, durch die vornehmlich auf Exzellenz gesetzt wird, aber auch der territoriale Zusammenhalt eine Stärkung erfährt, indem auch die Teilnahme weniger innovativer Regionen an der interregionalen Innovationsdynamik in Europa erleichtert wird. Die ohnehin knappen Interreg-Mittel sollten keinesfalls weiter beschnitten werden;

25.

ist der Ansicht, dass aufgrund des Finanzierungsbedarfs der aufstrebenden blauen Wirtschaft, der Meeresüberwachung und des Schutzes der Meeresumwelt über den Fischereibereich hinaus die Gesamtmittelausstattung des EMFF auf die Mindestschwelle von 1 % des MFR 2021-2027 hätte angehoben werden sollen;

26.

bekräftigt den Standpunkt des AdR, dass der EMFF die integrierte Meerespolitik und das Wachstum der blauen Wirtschaft durch regionale Plattformen zur Finanzierung innovativer Projekte unterstützen sollte und dass nationale operationelle Programme im Rahmen des EMFF ein regionales operationelles Programm für subnationale Behörden mit Zuständigkeiten im Bereich der Fischerei und der maritimen Angelegenheiten umfassen sollten;

27.

schlägt die Aufstockung der gesamten finanziellen Unterstützung der EU für die Entwicklung des ländlichen Raums vor, die gegenüber dem vorangegangenen Programmplanungszeitraum erheblich verringert wurde, und lehnt daher die vorgeschlagene Kürzung der Mittel für die Entwicklung des ländlichen Raums im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) um 28 % sowie die Möglichkeit einer Übertragung von Mitteln von der zweiten auf die erste Säule der GAP ab;

28.

ist der Ansicht, dass nur bei einer erheblichen Aufstockung des EU-Haushalts eine Neubewertung der Mittelausstattung für Horizont Europa gerechtfertigt wäre und dass diese Mittel dann in erster Linie für den Pfeiler III und den Bereich „Stärkung des Europäischen Forschungsraums“ durch Unterstützung einer breiteren Beteiligung verwendet werden sollten;

29.

hält eine Ausweitung des Programms ERASMUS+ für erforderlich, um den Zusammenhalt in der EU zu stärken und die Akzeptanz der europäischen Integration ebenso zu verbessern wie Begegnungen mit den jungen europäischen Bürgern zu fördern;

30.

hält es für unbedingt notwendig, einen präzisen Rahmen für die Synergien zwischen den einzelnen Fonds und dem Rahmenprogramm vorzugeben; betont die zentrale Bedeutung, die einer wirksamen Mitgestaltung insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung des Exzellenzsiegels zukommt;

31.

spricht sich entschieden dagegen aus, dass die Mitgliedstaaten anstelle der zuständigen Verwaltungsbehörde über eine mögliche Übertragung eines Teils der kohäsionspolitischen Mittel auf das Programm Horizont Europa entscheiden sollten. Die Modalitäten für die Aufbringung dieser Mittel sollten im Einvernehmen zwischen der zuständigen Behörde und der Kommission festgelegt werden, wobei sichergestellt werden muss, dass diese Mittel wieder der betreffenden Region zugutekommen;

32.

verweist auf die wichtige Rolle einer guten Umsetzung der EGF-Maßnahmen bei der Abfederung der unerwarteten Folgen größerer Umstrukturierungen; unterstützt nachdrücklich den Standpunkt des EP, dass die geplante Bewertung der Finanzbeiträge des EGF eine anschließende Abschätzung der Folgen seiner Anwendung auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene umfassen sollte;

33.

begrüßt den Vorschlag, den Aufgaben- und Anwendungsbereich des EGF, mit dem alle Arten unerwarteter größerer Umstrukturierungen bewältigt werden sollen, zu erweitern, fordert das EP und den Rat jedoch auf, sich auf niedrigere Schwellenwerte für Entlassungen und auf längere Bezugszeiträume als im Vorschlag der Kommission vorgesehen zu einigen;

34.

begrüßt die von der Euro-Gruppe erarbeiteten Merkmale („Term Sheet“) des Haushaltsinstruments für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit (14. Juni 2019) sowie die Absicht der designierten Kommissionspräsidentin, dieses Instrument, „das die Mitgliedstaaten bei Reformen für mehr Wachstum und bei Investitionen unterstützen soll“, für das Euro-Währungsgebiet sowie für jene EU-Staaten einzusetzen, die dem Euro-Raum beitreten wollen; erwartet jedoch im Hinblick auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips einen vorherigen Vorschlag der Kommission für eine Definition des Begriffs „Strukturreformen“, die für eine finanzielle Unterstützung durch die EU in Frage kommen. Diese Reformen sollten einen europäischen Mehrwert erbringen, für die Zuständigkeiten der EU relevant sein, zur Umsetzung des in den Verträgen festgeschriebenen Kohäsionsziels beitragen und darauf abzielen, langfristige Investitionen zu fördern und die Qualität der öffentlichen Verwaltung zu verbessern. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sollten unmittelbaren Zugang zu diesem Instrument haben, um ihre Investition und Reformprojekte voranzubringen, und sie sollten als Partner an der Gestaltung und Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen dieses Instruments mitwirken;

35.

unterstützt die Absicht der designierten Kommissionspräsidentin, das Europäische Semester entsprechend den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung neu auszurichten. Auf der Grundlage ihres Reflexionspapiers sollte die Kommission in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit eine langfristige Wachstums- und Beschäftigungsstrategie vorlegen, die die Nachhaltigkeitsziele umfasst und in deren Konzipierung und Umsetzung die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften als Partner einbezogen werden sollten;

36.

bekräftigt seine Überzeugung, dass der Vorsatz, mit 25 % der Ausgaben des EU-Haushalts zum Erreichen der Klimaschutzziele beizutragen, nicht ausreicht, um die Ziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen. Im nächsten Finanzrahmen sollten Anstrengungen unternommen werden, um den Anteil der Ausgaben, die zur Dekarbonisierung des Energiesektors, der Industrie und des Verkehrs sowie zum Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft beitragen, auf über 30 % anzuheben. Gleichzeitig muss der CO2-Fußabdruck des EU-Haushalts verbessert werden, u. a. durch die Beendigung der Subventionierung fossiler Energieträger;

37.

begrüßt, dass es der designierten Kommissionspräsidentin ein besonderes Anliegen ist, den Übergang der EU zur Klimaneutralität bis 2050 mit geeigneten industriepolitischen Strategien zu bewerkstelligen und die Menschen und Regionen, die am stärksten von den sozialen, sozioökonomischen und umweltbezogenen Folgen des Strukturwandels in den europäischen Kohleregionen betroffen sind, durch einen neuen Fonds für einen fairen Übergang im Umfang von 4,8 Mrd. EUR zu fördern; spricht sich dafür aus, dass ein solcher Fonds eng mit kohäsionspolitischen Programmen verzahnt, aber aus zusätzlichen Mitteln und nicht auf Kosten der Kohäsionspolitik finanziert wird und dass er den Regionen genügend Handlungsspielraum im Hinblick auf die Wettbewerbsregeln bietet;

38.

nimmt zur Kenntnis, dass das Europäische Parlament im Haushaltsverfahren 2020 zwei vorbereitende Maßnahmen für Kohleregionen im Wandel vorschlägt; hält es vor diesem Hintergrund für dringend notwendig, die Grundlage für einen Fonds für einen fairen Übergang zu schaffen, um eine möglichst wirkungsvolle, dezentralisierte finanzielle und politische Unterstützung für die Zeit nach 2020 sicherzustellen;

39.

unterstreicht, dass für das nächste Programm Kreatives Europa ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Mittelzuweisung für umfassende Großprojekte auf der einen und der Finanzierung von Maßnahmen und Aktivitäten auf lokaler und regionaler Ebene (einschließlich KMU) auf der anderen Seite gefunden werden muss; betont, dass die Kultur und das Kulturerbe besser in die Prioritäten des nächsten MFR integriert werden müssen, sowohl durch eine durchgängige Berücksichtigung als auch durch Synergien mit anderen Programmen und Politikbereichen;

40.

hebt hervor, dass im derzeitigen Programmplanungszeitraum 14 Mrd. EUR aus den ESI-Fonds für die Schaffung von Breitbandinfrastruktur vorgesehen sind. Dies schließt eine Aufstockung der Finanzinstrumente (beispielsweise Darlehensfinanzierungen) in Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank und anderen Förderbanken nicht aus;

41.

betrachtet die von der Kommission vorgeschlagenen 9,2 Mrd. EUR für das Programm „Digitales Europa“ für den Zeitraum 2021-2027 als Mindestgrundlage, denn er sieht den digitalen Zusammenhalt als Teil des im EU-Vertrag verankerten territorialen Zusammenhalts; dringt darauf, dass Lücken in den digitalen Kompetenzen und digitalen Infrastrukturen in der EU geschlossen werden, und weist darauf hin, dass in erheblichem Umfang Finanzmittel für die Entwicklung der künstlichen Intelligenz bereitzustellen sind;

42.

fordert in Bezug auf das Programm „Rechte und Werte“, dass die EU-Organe in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten den Aufbau eines Netzes von „Europa-Beauftragten“ fördern, um die Mandatsträger vor Ort über aktuelle Europa-Fragen zu informieren und sie in die Lage zu versetzen, den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger möglichst gut gerecht zu werden. Dies wäre ebenfalls ein Schritt gegen das Desinteresse der Bevölkerung an europäischen Themen;

43.

bekräftigt im Einklang mit dem Standpunkt des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung des Asyl- und Migrationsfonds seine Forderung nach einem direkten Zugang der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und ihrer Vertretungen zu den vom Nachfolger des aktuellen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) bereitgestellten Mitteln und unterstreicht einmal mehr die Bedeutung der konsequenten Anwendung des Partnerschaftsprinzips; hält es für dringend geboten, die Gesamtmittelausstattung dieses Fonds aufzustocken, um eine angemessene Finanzierung zur Verwirklichung seiner Ziele und einen ausgewogenen Ansatz für alle migrations- und integrationsbezogenen Maßnahmen und Strategien zu gewährleisten;

44.

fordert im Einklang mit dem Standpunkt des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften an der thematischen Säule zu beteiligen und ihnen gleichrangig mit der Zivilgesellschaft eine bedeutsame Stellung mit einer zweckgebundenen Mittelausstattung von 500 Mio. EUR zuzuweisen;

45.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament, dem finnischen Ratsvorsitz und dem Präsidenten des Europäischen Rates zu übermitteln.

Brüssel, den 8. Oktober 2019.

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


ENTSCHLIESSUNGEN

5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/7


Entschließung des Europäischen Ausschusses der Regionen — Europäisches Semester 2019 und Blick auf den Jahreswachstumsbericht 2020

(2020/C 39/02)

Vorlage der Fraktionen EVP, SPE, Renew Europe, EA und EKR

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN (AdR) —

unter Hinweis auf die Mitteilung der Europäischen Kommission zum Jahreswachstumsbericht 2019 (1) und zum Europäischen Semester 2019;

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Oktober 2018 zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets und mit Blick auf den Jahreswachstumsbericht 2019 (2) und seine Stellungnahme vom 10. April 2019 zum Thema „Europäisches Semester und Kohäsionspolitik: Abstimmung der Strukturreformen mit langfristigen Investitionen“;

unter Hinweis auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. März 2019 zum Thema „Europäisches Semester für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik: Jahreswachstumsbericht 2019“ (3);

1.

begrüßt es, dass der Fokus im Jahreswachstumsbericht 2019 auf Investitionen und Reformen zur Förderung eines nachhaltigen und integrativen Wachstums liegt, durch das die Wettbewerbsfähigkeit verbessert und der Zusammenhalt unter den Mitgliedstaaten und Regionen sowie innerhalb derselben gestärkt werden sollen, und begrüßt die Bemühungen zur Koordinierung der EU-Investitionspolitik in allen Bereichen einschließlich der Kohäsionspolitik;

2.

bekräftigt seine Überzeugung, dass im Interesse der Akzeptanz und Wirksamkeit der im Zuge des Europäischen Semesters durchzuführenden Strukturreformen die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften nach den Grundsätzen der Partnerschaft und des Regierens in einem Mehrebenensystem formell darin eingebunden werden sollten (4), und zwar im Einklang mit dem Vorschlag des AdR für einen „Verhaltenskodex für die Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in das Europäische Semester“ (5);

3.

hält fest, dass sich das Wachstum abschwächt und dass handelspolitische Spannungen und die Gefahr eines ungeregelten Brexits Investoren verunsichern und abschrecken; ruft die EU angesichts dessen auf, zügigere Maßnahmen zum Anschieben der EU-Investitionsprogramme und zur Unterstützung der Gebiete zu erwägen, die von einem ungeregelten Brexit am härtesten betroffen sein könnten;

4.

betont, dass die öffentlichen Investitionen auf Länderebene stark geschrumpft sind und weiterhin zu gering ausfallen, insbesondere in den am stärksten von der Krise getroffenen Ländern; stellt fest, dass die laufenden Ausgaben in Zeiten erheblicher Haushaltszwänge bei weitem nicht so stark gekürzt wurden wie die Investitionen; unterstreicht, dass die nachgeordneten Regierungsebenen, die für mehr als die Hälfte der öffentlichen Investitionen in der EU verantwortlich sind, ihre Investitionen unverhältnismäßig stark zurückfahren mussten (6);

5.

ersucht die Kommission, vor der für 2020 vorgesehenen Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (SWP) eine Beurteilung der Inanspruchnahme der darin enthaltenen Flexibilitätsbestimmungen seit 2015 vorzulegen; vertritt die Auffassung, dass die SWP-Reform zu klareren Regeln führen sollte mit dem Ziel, eine prozyklische Finanzpolitik zu vermeiden, den schwächsten Volkswirtschaften in einem Kontext niedriger Inflation einen vernünftigen und nachhaltigen Schuldenabbau zu ermöglichen, die nationale Kofinanzierung kohäsionspolitischer Programme aus der Berechnung der SWP-Obergrenzen herauszunehmen und eine „goldene Regel“ für das öffentliche Rechnungswesen einzuführen, die den öffentlichen Behörden auf allen Ebenen den haushaltspolitischen Spielraum gibt, den sie für langfristige Investitionen, die eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen, brauchen;

6.

hebt hervor, dass Mitgliedstaaten, die über haushaltspolitischen Spielraum verfügen, die öffentlichen Investitionen in Angriff nehmen sollten, die für ein langfristiges Wachstum nötig sind, denn auf diese Weise könnten makroökonomische Ungleichgewichte in der EU und im Euro-Währungsgebiet verringert werden;

7.

unterstützt entschieden die Zusage der designierten Kommissionspräsidentin, das Europäische Semester entsprechend den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung neu auszurichten;

8.

begrüßt im Grundsatz die Absicht der designierten Kommissionspräsidentin, einen Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa vorzulegen, mit dem in den nächsten zehn Jahren in der gesamten EU Investitionen in Höhe von 1 Billion EUR unterstützt werden sollen, erwartet jedoch eine weitere Klarstellung in der Frage, wie dieser Plan sich insbesondere zu dem Programm „InvestEU“ verhält und welchen Einfluss er auf Investitionen in den Regionen und Städten der EU haben würde; begrüßt ebenfalls die Absicht der designierten Kommissionspräsidentin, eine Strategie für eine grüne Finanzierung vorzulegen;

9.

begrüßt, dass es der designierten Kommissionspräsidentin ein besonderes Anliegen ist, den Übergang der EU zur Klimaneutralität bis 2050 mit einer geeigneten industriepolitischen Strategie zu bewerkstelligen und die am stärksten in Mitleidenschaft gezogenen Menschen und Regionen durch einen neuen Fonds für einen fairen Übergang zu fördern; spricht sich dafür aus, dass ein solcher Fonds insbesondere dazu dienen sollte, die sozialen, sozioökonomischen und umweltbezogenen Folgen des Strukturwandels in den europäischen Kohleregionen abzufedern;

10.

betont, dass Handelsabkommen, die von der Europäischen Union ausgehandelt und geschlossen werden, zur Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele beitragen sollten;

11.

stellt fest, dass die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen nach wie zu langsam und uneinheitlich verläuft, und sieht einen der Gründe dafür in der mangelnden Eigenverantwortlichkeit und der ungenügenden Kapazität der Verwaltungen und Institutionen; hebt hervor, dass 2019 von den Einzelempfehlungen, die in den umfassenderen länderspezifischen Empfehlungen enthalten waren (Unterempfehlungen), 137 entweder direkt/indirekt an die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften gerichtet waren oder sich auf die Gebietskörperschaften auswirkten, und weist darauf hin, dass dies gegenüber den 120 Unterempfehlungen von 2018 einen Anstieg bedeutet, sodass sie gegenwärtig 62 % aller Unterempfehlungen für 2019 ausmachen (7). 112 dieser Unterempfehlungen betrafen Investitionshemmnisse, gegenüber 79 im Jahr 2018, was eine Folge der stärkeren Fokussierung des Europäischen Semesters 2019 auf Investitionen ist, während 26 auf die Verbesserung der administrativen Kapazität der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften abzielten und an 17 Mitgliedstaaten gerichtet waren; sieht in diesen Ergebnissen eine Bestätigung der Bedeutung, die die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften für die Erreichung der Ziele des Europäischen Semesters haben, was allerdings in dessen Steuerungsabläufen nicht ausreichend zur Geltung kommt;

12.

weist darauf hin, dass es in 55 Unterempfehlungen, die Teil der länderspezifischen Empfehlungen für 2019 sind, um die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte geht. Da soziale Ungleichheiten ihre Ursache oft in einem regionalen Gefälle haben, sollten sie in den Länderberichten und in den nationalen Reformprogrammen eingehend untersucht werden; verweist darauf, dass der AdR in Zusammenarbeit mit Eurostat an einer methodischen Studie über die Gestaltung eines europäischen regionalen sozialpolitischen Scoreboards mitgewirkt hat, das im Kontext des Europäischen Semesters dazu genutzt werden könnte, die Fortschritte bei der europäischen Säule sozialer Rechte zu überwachen, und ersucht die neue Kommission, diesen Prozess weiterhin zu unterstützen;

13.

nimmt die mehrjährige Bewertung der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen durch die Europäische Kommission zur Kenntnis, aus der hervorgeht, dass bei mehr als zwei Dritteln der bis 2018 abgegebenen länderspezifischen Empfehlungen bei der Umsetzung zumindest „einige Fortschritte“ erzielt wurden (8), bedauert allerdings erneut das anhaltende Transparenzdefizit bei den diesbezüglichen Bewertungskriterien;

14.

begrüßt die in den Länderberichten (Anhang D) enthaltenen Leitlinien für die Verwendung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) für den Zeitraum 2021-2027, hält jedoch die zugrunde gelegte Analyse regionaler Ungleichheiten immer noch für unzureichend, auch wegen der Nichteinbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in ihre Ausarbeitung, wie eine Studie zeigt, die gleich nach der Veröffentlichung der Länderberichte vom AdR durchgeführt wurde;

15.

unterstreicht, dass im Europäischen Semester der Stand der Umsetzung investitionspolitischer Maßnahmen jährlich beurteilt werden sollte; betont, dass lokale und regionale Gebietskörperschaften über ihre Vertretungsorganisationen ab der Veröffentlichung der Länderberichte in diese Bewertung einbezogen werden sollten, und zwar auch in den Dialog zwischen dem zuständigen Kommissionsvizepräsidenten und den Mitgliedstaaten;

16.

hebt hervor, dass die unzureichende strukturierte und kontinuierliche Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im gesamten Verlauf des Europäischen Semesters, insbesondere in die Gestaltung und Umsetzung der nationalen Reformprogramme, ein asymmetrisches Verhältnis schafft zwischen dem Semester, das zentralisiert ist und einem Top-Down-Ansatz folgt, und der Kohäsionspolitik, die in geteilter Mittelverwaltung und dezentral durchgeführt wird; schlägt vor, dieses Problem so schnell wie möglich anzugehen, indem der gegenwärtige Verhaltenskodex für Partnerschaften auf den Politikzyklus des Europäischen Semesters ausgedehnt wird;

17.

macht deutlich, dass das nationale Reformprogramm (NRP) auch das einzige Dokument ist, mit dem jeder EU-Mitgliedstaat der Europäischen Kommission jährlich die spezifischen Maßnahmen vorlegt, die er im Sinne gemeinsamer Ziele, der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und der Strukturreformen sowie zur Umsetzung der Wachstums- und Beschäftigungsziele unter Beachtung der Empfehlungen des Europäischen Semesters und der Zehnjahresziele der Strategie Europa 2020 zu ergreifen gedenkt. Daher sollten die Regionen nach dem Grundsatz des Regierens in einem Mehrebenensystem an der Aufstellung der NRP beteiligt werden, wie das in einigen Mitgliedstaaten bereits der Fall ist. Die NRP können so zu einem Instrument der integrierten Planung der Maßnahmen vor Ort werden, auch angesichts der in den Unionsverordnungen für den Programmplanungszeitraum 2021-2027 zur Anpassung an das Europäische Semester eingeführten Neuerungen; verweist vor diesem Hintergrund auf das vom AdR konzipierte europäische regionale sozialpolitische Scoreboard (9); begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission, das sozialpolitische Scoreboard im Rahmen des Europäischen Semesters um eine regionale Dimension zu ergänzen, und sieht erwartungsvoll der zügigen Umsetzung dieses Vorschlags entgegen;

18.

äußert erneut sein Bedauern darüber, dass die Europäische Kommission bislang noch keine Definition von „Strukturreformen“ im Kontext der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU und der möglichen Unterstützung durch EU-Programme wie dem vorgeschlagenen Reformhilfeprogramm vorgelegt hat. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip sollte der Umfang der Strukturreformen, die für eine Förderung mit EU-Mitteln in Frage kommen, nur die strategischen Politikbereiche umfassen, die für die Umsetzung der Ziele des Vertrags relevant sind und unmittelbar mit Zuständigkeiten der EU zusammenhängen;

19.

hofft, dass das Europäische Semester eine umfassende, koordinierte und integrierte Antwort der EU auf die disruptiven Effekte des demografischen Wandels ermöglicht, insbesondere durch die Steigerung der Effektivität der Kohäsionspolitik und die Förderung regionaler Strategien, vor allem solcher, mit denen die Digitalisierung und die Wettbewerbsfähigkeit ländlicher Gebiete unterstützt werden sollen;

20.

stellt fest, dass in den länderspezifischen Empfehlungen der Wohnungsmarkt als Faktor genannt wird, der die Finanzstabilität maßgeblich beeinflusst, und dass der Mangel an angemessenem und bezahlbarem Wohnraum in mehreren Mitgliedstaaten ein zunehmendes Problem darstellt. Daher sollte eine Europäische Agenda für Wohnen erwogen werden, die den Mitgliedstaaten einen weiten Ermessensspielraum in einem Bereich belässt, der in ihre Zuständigkeit fällt (10);

21.

hebt hervor, dass Multilateralismus und eine auf Regeln beruhende Weltordnung im Interesse der EU sind und verteidigt werden müssen; begrüßt daher Initiativen, die darauf abzielen, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und entschieden gegen Staaten vorzugehen, die durch Dumping, Deregulierung oder Subventionierung konkurrieren; weist jedoch warnend darauf hin, dass die internen Wettbewerbsvorschriften der EU viel strenger sind, als dies auf internationaler Ebene der Fall ist, was europäischen Unternehmen auf globaler Ebene zum Nachteil gereichen kann;

22.

ist der Ansicht, dass Verhandlungen über Freihandelsabkommen unter anderem auf regionalen Folgenabschätzungen basieren sollten, da diese die frühzeitige Erkennung und Quantifizierung möglicher asymmetrischer Folgen für die europäischen Regionen erlauben würden, damit rasch Maßnahmen vonseiten der Politik ergriffen werden können;

23.

unterstützt die Forderung des Europäischen Rates (11) nach einem politischen Gesamtkonzept zur Vertiefung und Stärkung des Binnenmarkts, Entwicklung einer zukunftsfähigen Industriepolitik, Bewältigung der digitalen Revolution und Gewährleistung einer fairen und wirksamen Besteuerung;

24.

begrüßt den Bericht der hochrangigen Gruppe der Europäischen Kommission zur Zukunft der europäischen Industrie (12), in dem eine langfristige Vision für eine europäische industriepolitische Strategie dargelegt und deren regionale Bezüge hervorgehoben werden;

25.

bekräftigt seine Forderung nach einer stärkeren Unterstützung der EU für die europaweite und interregionale Zusammenarbeit, die auf die Entwicklung von Synergien und die Erreichung einer kritischen Masse gemeinsamer Investitionen für Innovationen in industriellen Wertschöpfungsketten in ganz Europa sowie auf die Nutzung des Potenzials einer kreislauforientierten und kohlenstoffneutralen Wirtschaft ausgerichtet ist;

26.

hält fest, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und Industrie auf dem unternehmerischen und innovativen Potenzial von KMU beruht; ruft die Europäische Kommission und den Rat auf, bei der Konzipierung langfristiger wirtschaftspolitischer Strategien der EU den besonderen Bedürfnissen der KMU Rechnung zu tragen und dabei auch Maßnahmen zu bedenken, durch die bestehende Hindernisse für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr im EU-Binnenmarkt, die europäische KMU in besonderer Weise in ihrem Wachstum bremsen, abgebaut werden;

27.

hebt hervor, dass eine Verbesserung der lokalen und regionalen öffentlichen Auftragsvergabe erhebliche Vorteile für die Wettbewerbsfähigkeit und die Effizienz bringen würde. Analysen des AdR belegen, dass die Komplexität der geltenden Vergabevorschriften und die Tendenz zur Überregulierung in vielen Mitgliedstaaten die Fehlerwahrscheinlichkeit und das anschließende Rechtsstreit-Risiko erhöhen, was wiederum bei vielen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu risikoscheuen Beschaffungsstrategien führt;

28.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament, dem finnischen Ratsvorsitz und dem Präsidenten des Europäischen Rates zu übermitteln.

Brüssel, den 9. Oktober 2019.

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  Mitteilung der Kommission vom 21. November 2018„Jahreswachstumsbericht 2019: Für ein starkes Europa in Zeiten globaler Ungewissheit“ (COM(2018) 770 final).

(2)  https://webapi2016.cor.europa.eu/v1/documents/cor-2018-03900-00-00-res-tra-de.docx/content.

(3)  http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-8-2019-0201_DE.html.

(4)  „Das Europäische Semester und die Kohäsionspolitik: Abstimmung von Strukturreformen mit langfristigen Investitionen“, vom AdR einstimmig verabschiedet auf seiner Plenartagung am 10. April 2019 https://webapi2016.cor.europa.eu/v1/documents/cor-2018-05504-00-00-ac-tra-de.docx/content.

(5)  https://webapi2016.cor.europa.eu/v1/documents/cor-2016-05386-00-00-ac-tra-de.docx/content.

(6)  https://www.eib.org/attachments/efs/economic_investment_report_2018_key_findings_de.pdf.

(7)  AdR, 2019 European Semester. Territorial Analysis of the Country-Specific Recommendations

(https://portal.cor.europa.eu/europe2020/Pages/welcome.aspx#)

(8)  Mitteilung der Kommission zu den länderspezifischen Empfehlungen für 2019, S. 3.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1560257977630&uri=CELEX%3A52019DC0500.

(9)  https://cor.europa.eu/en/engage/studies/Documents/European%20Regional%20Social%20Scoreboard/European-Regional-Social-Scoreboard.pdf?_cldee=bWF0dGhpZXUuaG9ybnVuZ0Bjb3IuZXVyb3BhLmV1&recipientid=contact-09d0f0455cf2e4118a29005056a05119-28d790990cbf4dcc890968d369dec000&esid=8685471a-6dd4-e911-8116-005056a043ea.

(10)  Ziffer 20 der Entschließung des AdR mit Vorschlägen für die neue Legislaturperiode der Europäischen Union vom 27. Juni 2019 https://webapi2016.cor.europa.eu/v1/documents/cor-2019-02550-00-01-res-tra-de.docx/content.

(11)  Siehe dessen Schlussfolgerungen vom 20. Juni 2019 https://www.consilium.europa.eu/media/39922/20-21-euco-final-conclusions-de.pdf.

(12)  Veröffentlicht am 26. Juni 2019 https://ec.europa.eu/growth/industry/policy/industry-2030_de#vision2030.


STELLUNGNAHMEN

Ausschuss der Regionen

5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/11


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Empfehlungen zur Erarbeitung wirksamer regionaler Entwicklungsstrategien über 2020 hinaus

(2020/C 39/03)

Berichterstatter

:

Adam Struzik (PL/EVP), Marschall der Woiwodschaft Masowien

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Allgemeine Bemerkungen

1.

spricht Empfehlungen zur effizienten Konzipierung von Strategien für die regionale Entwicklung für die Zeit nach 2020 aus, wobei er sich auf Analysen der für die strategische Lage der Regionen ausschlaggebenden Faktoren stützt, den Herausforderungen Rechnung trägt, denen sich die Regionen gegenübersehen, und sich die bisherigen Erfahrungen mit der Kohäsionspolitik zunutze macht;

2.

hebt hervor, dass diese Empfehlungen nur die prioritären Investitionsbereiche sowie die Rahmenbedingungen für wirksame regionale Entwicklungsstrategien betreffen;

3.

weist darauf hin, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Hinblick auf den tatsächlichen Bedarf klar definierte mittel- bis langfristige Entwicklungsstrategien brauchen, die sich sowohl auf die Trendprognosen und Herausforderungen als auch auf die spezifischen Gegebenheiten in den einzelnen Gebieten stützen;

4.

erinnert daran, dass die Optimierung der Funktionsweise der Gebietskörperschaften (Regionen, Kreise und Gemeinden) und ihrer Entwicklung mittels einer ausgewogenen Nutzung der regionalen Faktoren und Ressourcen zur Herstellung von Waren und Dienstleistungen den wichtigsten Aspekt territorialer Strategieplanung bildet;

5.

weist darauf hin, dass Entwicklungsstrategien eines der wichtigsten Instrumente für die regionale und lokale Verwaltung sind, denn in enger Anlehnung an die Vision von der künftigen Entwicklung Europas wird darin die Richtung für Beschlüsse und Maßnahmen zur Festlegung von Zielen und Prioritäten vorgegeben;

6.

weist darauf hin, dass Regionalentwicklungsstrategien und Strategien für eine intelligente Spezialisierung somit wichtige Instrumente zur Erzielung von Synergien und Komplementaritäten zwischen den einzelnen sektorspezifischen Instrumenten sind und im Einklang mit dem jeweiligen Ansatz für die wirtschaftliche, soziale und territoriale Entwicklung der einzelnen Gebiete auch für eine angemessene Einbindung der Interessenträger sorgen;

7.

weist auf die Diskrepanz zwischen dem Europäischen Semester und den Zielen der Kohäsionspolitik hin. Die Kohäsionspolitik ist eine eigenständige Politik, und das Vertragsziel (wirtschaftlicher‚ sozialer und territorialer Zusammenhalt) muss stets gewahrt bleiben. Dazu muss die Aufmerksamkeit auf den Grad der Relevanz der länderspezifischen Empfehlungen und der Programme der Kohäsionspolitik sowie auf die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen nationalen, regionalen und lokalen Behörden sowohl bezüglich der nationalen Reformprogramme (NRP) als auch der Kohäsionsprogramme gelenkt werden;

Empfehlung 1: Die strategische Regionalplanung als Ausgangspunkt für eine erfolgreiche Entwicklung

8.

weist darauf hin, dass die Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts der Europäischen Union nach Maßgabe des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eines der Hauptziele der EU ist;

9.

betont, dass die Kohäsionspolitik die strategischen Ziele in Bezug auf die Bewältigung der Herausforderungen auf europäischer und globaler Ebene mit den langfristigen Entwicklungsstrategien für die regionale und lokale Ebene der Mitgliedstaaten und ihrer Umsetzung vor Ort verknüpfen sollte;

10.

betont ferner, dass die zahlreichen Herausforderungen, denen sich die Städte und Regionen gegenübersehen, eine starke territoriale Dimension aufweisen, da sie über die einzelnen Gebiete und deren Verwaltungsgrenzen hinaus wirksam sind; weist daher darauf hin, dass die Entwicklungsherausforderungen nicht von einzelnen Gebieten im Alleingang bewältigt werden können; vielmehr steht es im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip gemäß Art. 5 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) jedem einzelnen Gebiet zu, die politischen Leitlinien in Bezug auf die Entwicklung und Vision für ihre jeweilige Gemeinschaft eigenständig zu formulieren;

11.

hebt die Bedeutung territorialer Strategien für die integrierte und koordinierte Steuerung von Investitionen hervor, wobei „integriert“ bedeutet, dass alle Verwaltungsebenen — von der lokalen bis zur europäischen — gemeinsam auf die Verwirklichung der Ziele des jeweiligen Gebiets hinarbeiten, und „koordiniert“ so zu verstehen ist, dass die einzelnen Finanzierungsquellen einander ergänzen und zur Erreichung derselben vereinbarten territorialen Ziele beitragen;

12.

betont, dass es überaus wichtig ist, finanzielle und strategische Entscheidungen auf die aktuellen sozioökonomischen Entwicklungsindikatoren zu stützen. Die Vorschläge für die Finanzielle Vorausschau 2021-2027 stützen sich auf die Daten für den Zeitraum 2014-2016, woraus sich eine erheblich verzerrte Darstellung der gegenwärtigen sozioökonomischen Lage in den Regionen ergibt. Für die Analyse sollten nur Indikatoren herangezogen werden, die eine nicht länger als drei Jahre vor dem Finanzierungszeitraum liegende Zeitspanne betreffen, d. h. in diesem Fall Indikatoren für die Jahre 2017-2019;

13.

hebt hervor, dass bei der Gestaltung der künftigen Entwicklungspolitik sowie insbesondere im Zusammenhang mit dem mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU für die finanzielle Vorausschau für den Zeitraum 2021-2027 und darüber hinaus die derzeitigen statistischen Einteilungen zu berücksichtigen sind; fordert die Europäische Kommission deshalb auf, bei der Festlegung des MFR ihren Ansatz für den vorgenannten Bereich grundlegend zu überdenken;

14.

weist darauf hin, dass Eurostat in die Umgestaltung des Ansatzes und die Umsetzung der Empfehlungen eingebunden werden muss. Zudem sollte Eurostat sich intensiver um eine Optimierung des Systems zur Erhebung und Verarbeitung von Daten, die bei der Anpassung an die neuen Erfordernisse helfen und die Zusammenarbeit verbessern, sowie um eine wirksamere Datenbeschaffung bemühen;

15.

erinnert daran, dass das BIP eine Messgröße für die Produktion ist und nicht zur Messung der ökologischen Nachhaltigkeit, der effizienten Ressourcennutzung, der sozialen Integration und des sozialen Fortschritts im Allgemeinen taugt; weist in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit weiterer Indikatoren hin, die die Lebensqualität angemessener und klarer messen und das BIP ergänzen;

16.

dringt auf die Entwicklung eindeutiger und messbarer Indikatoren, mit denen dem Klimawandel, der Artenvielfalt, der Ressourceneffizienz und der sozialen Inklusion Rechnung getragen werden kann; plädiert des Weiteren dafür, Indikatoren zu entwickeln, die sich mehr auf die Lage der Privathaushalte konzentrieren und deren Einkommen, Verbrauch und Vermögen widerspiegeln;

Empfehlung 2: Die Ziele für nachhaltige Entwicklung als Grundlage für langfristige Strategien der Städte und Regionen

17.

weist darauf hin, dass sowohl die Strategie Europa 2020 als auch der Gemeinsame Strategische Rahmen einen Rahmen und Leitlinien für die Ausarbeitung von Partnerschaftsvereinbarungen und Programmen im Rahmen der Kohäsionspolitik 2014-2020 geboten und insbesondere für die Abstimmung zwischen den europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) und anderen Instrumenten gesorgt haben;

18.

weist auf die Notwendigkeit hin, in der Nachfolge der Strategie Europa 2020 einen Rahmen für die langfristige politische Ausrichtung der EU festzulegen, der die Ausarbeitung einzelstaatlicher und regionaler bzw. lokaler Strategien ermöglicht, die zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung beitragen, und bei dem auch die Vorteile grenzübergreifender Partnerschaften zur Lösung gemeinsamer Herausforderungen berücksichtigt werden;

19.

begrüßt, dass mit dem EU-Reflexionspapier „Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030“ eine Debatte angestoßen wurde, und fordert die Kommission und den Europäischen Rat auf, die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und ihrer 17 Ziele als politische Priorität und übergeordnetes Ziel der nächsten strategischen Agenda der Europäischen Union für den Zeitraum 2019–2024 und darüber hinaus anzuerkennen;

20.

ist der Auffassung, dass die Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung und die dazugehörigen politischen Strategien im Einklang mit dem Grundsatz der Mehrebenenregierung festgelegt werden sollten, in die sämtliche Verwaltungsebenen und Interessenträger entsprechend eingebunden sind und die die Ermittlung differenzierter Ziele auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene ermöglicht;

21.

weist darauf hin, dass die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung kein spezifisch regionales Ziel umfassen, das die im AEUV verankerten Ziele zur Gewährleistung einer ausgewogenen regionalen Entwicklung in der EU und zur Verringerung der Entwicklungsunterschiede zwischen den einzelnen Regionen aufgreift und sicherstellt, dass kein Gebiet zurückgelassen wird;

22.

empfiehlt den Städten und Regionen, die Ziele für nachhaltige Entwicklung als Leitgrundsätze bei der Erarbeitung ihrer regionalen bzw. lokalen Entwicklungsstrategien zugrunde zu legen, zumal die Agenda 2030 für ein nachhaltiges Europa noch nicht vorliegt. Hierzu ist es erforderlich, dass die Städte und Regionen als jene Beschlussfassungsebenen, die den Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und örtlichen Gruppen am nächsten stehen, die Ziele für nachhaltige Entwicklung an die Gegebenheiten vor Ort anpassen;

Empfehlung 3: Die Städte und Regionen sollten ihre Strategien für die regionale Entwicklung auf eine genaue Zukunftsanalyse stützen

23.

betont, dass bei der Erarbeitung wirksamer Strategien für die regionale Entwicklung künftigen Trends Rechnung getragen werden muss. Langfristige Planung, Prognosen und andere strategische Vorhersagemethoden sind somit wichtige Instrumente für die Gestaltung der künftigen Regionalpolitik;

24.

hebt hervor, dass die regionalen Entwicklungsstrategien nach 2020 mit der neuen territorialen Agenda verknüpft werden müssen, damit EU-weit Erfolge erzielt werden können;

25.

weist darauf hin, dass die wichtigsten Entwicklungsaufgaben der Zukunft, die es in den regionalen Strategien zu berücksichtigen gilt, im Zusammenhang mit Megatrends oder Umweltveränderungen stehen und daher bedeutende Auswirkungen für die Wirtschaft und die Bevölkerung in sämtlichen Regionen der EU haben werden;

26.

betont, dass der mit Automatisierung und maschinellem Lernen einhergehende technische Wandel erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte haben kann und daher auch die sozioökonomische Entwicklung beeinflussen wird. Abgesehen davon können viele der neuen Technologien den ländlichen Gebiete Vorteile bringen, da sie die Probleme verringern, die sich dort aus der geringen Bevölkerungsdichte und den großen Entfernungen ergeben;

27.

weist darauf hin, dass unbedingt die grundlegende technische Infrastruktur geschaffen werden muss, um die neuen Technologien nutzen zu können. Viele Vorteile der neuen Technologien ergeben sich nicht einfach von selbst, sondern erfordern sich ergänzende politische Maßnahmen, um z. B. sicherzustellen, dass die Menschen über die für die Nutzung dieser Technologien notwendigen Kompetenzen verfügen;

28.

betont, dass die europäische Säule sozialer Rechte vollständig umgesetzt werden muss. Auch wenn sich in der EU soziale Fortschritte erkennen lassen, müssen die Grundsätze der Säule auf sämtlichen Verwaltungsebenen besser umgesetzt werden. Der Sozialfonds erfüllt diesbezüglich die Rolle eines Bindeglieds zwischen den Zielen der sozialen Säule und dem regionalen Bedarf an Maßnahmen und Investitionen für die Entwicklung einer Region, z. B. bei der Bereitstellung der erforderlichen Qualifikationen;

29.

stellt fest, dass es im Zusammenhang mit der Digitalisierung zu Veränderungen auf den Arbeitsmärkten kommt; fordert daher, für neue Geschäftsmodelle zu sorgen, die die Arbeitnehmerrechte wahren, und bei neuen Beschäftigungsformen eine angemessene Bezahlung, soziale Absicherung und Schutz vor Diskriminierung sicherzustellen;

30.

weist auf die Notwendigkeit einer kohärenteren Raumplanung unter Berücksichtigung der Anpassung an den Klimawandel hin; weist zudem darauf hin, dass die Raumplanung eine Schlüsselrolle bei der Begrenzung der Risiken spielt, die sich aufgrund der Zunahme von extremen Wetterereignisse und Naturkatastrophen ergeben;

31.

betont die wichtige Rolle der grünen und der blauen Infrastruktur für die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an diesen Wandel sowie für die Verhinderung des Verlusts der Artenvielfalt; fordert die Mitgliedstaaten sowie die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften außerdem dazu auf, der Artenvielfalt in ihrer Beschlussfassung und ihren Strategiepapieren Rechnung zu tragen;

32.

bedauert, dass der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) aus der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen herausgenommen wurde. Zusammen mit den abweichenden Bestimmungen in den sektorspezifischen Verordnungen wird dies die Abstimmung bei den Mitteln für die Bereiche Klimawandel und Artenvielfalt sowie allgemeine fondsübergreifende Strategien und Kooperationsstrukturen auf der regionalen Ebene erschweren;

33.

hebt die Notwendigkeit hervor, die Umweltauswirkungen schon zu Beginn der strategischen Infrastrukturplanung zu berücksichtigen und auch die einschlägigen strategischen Umwelt- und Umweltverträglichkeitsprüfungen ordnungsgemäß durchzuführen, wodurch in weiterer Folge zudem weniger Probleme bei der Genehmigung und Umsetzung der Projekte auftreten;

34.

ist der Auffassung, dass der territoriale Ansatz die regionale bzw. lokale Identität widerspiegeln muss, und erinnert daran, dass den einzelnen Kommunen eine direkte Zuständigkeit und Verantwortung für die Festlegung politischer Maßnahmen im Einklang mit den jeweiligen territorialen, sozialen und kulturellen Besonderheiten zukommt; betont diesbezüglich, dass sich jede Region durch für sie spezifische Merkmale auszeichnet, die ein wichtiger Wachstumsfaktor sind und bei der Bewältigung von Krisen helfen;

35.

bewertet es kritisch, dass die Kultur in der Strategie Europa 2020 für die künftige Entwicklung der Europäischen Union nicht vorkommt; fordert daher, die Kultur mit ihren Institutionen und Orten als strategischen Bereich in die nächste Strategie und Politikplanung aufzunehmen; fordert in diesem Zusammenhang jene Regionen, die ihr kulturelles Erbe als eine ihrer Hauptstärken betrachten, dazu auf, dem in ihren Strategien für intelligente Spezialisierung Rechnung zu tragen;

Empfehlung 4: Investitionen in den Aufbau institutioneller und administrativer Kapazitäten als Voraussetzung für eine effiziente Verwendung öffentlicher Gelder

36.

betont, dass das Gelingen der integrierten Politikgestaltung in hohem Maße von der Qualität der nationalen und regionalen Verwaltungen abhängt und die institutionellen und administrativen Kapazitäten ein Schlüsselfaktor für die ordnungsgemäße Verwaltung der ESIF-Programme sind, aber auch eine wichtige Rolle zur Stärkung des wirtschaftlichen Wohlstands insgesamt spielen;

37.

hebt hervor, dass die Wirksamkeit öffentlicher Ausgaben zahlreichen Studien zufolge stärker mit einer guten Verwaltung und der Leistungsfähigkeit der Institutionen als mit den makroökonomischen Eckdaten zusammenhängt. Daher korreliert die Kapitalrendite direkt mit dem Investitionsniveau, aber auch mit der Qualität der Verwaltung;

38.

ist der Auffassung, dass eine gute Regierungsführung (und allgemein Verwaltung) ein Schlüsselelement für die erfolgreiche Umsetzung regionaler und lokaler Entwicklungsstrategien ist; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die EU ebenso wie die Städte und Regionen Führungspersönlichkeiten brauchen, die keine Angst davor haben, Zukunftsvisionen für ihre Gebiete zu entwerfen und diese in Entwicklungsstrategien zu gießen; Die Aktivität der Regionalregierungen ist eine unabdingbare Voraussetzung für die regionale Entwicklung;

39.

fordert, die Entwicklung digitaler Kompetenzen und Qualifikationen der Bürgerinnen und Bürger auf allen Bildungsebenen angemessen zu fördern; ist der Ansicht, dass die Entwicklung der digitalen Kompetenzen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU eine notwendige Voraussetzung dafür ist, den Wandel der Arbeitsmärkte zu bewältigen sowie Fachkräftemangel und Qualifikationslücken zu verhindern;

Empfehlung 5: Förderung von Synergien zwischen den Fonds und anderen Akteuren

40.

weist darauf hin, dass die Kohäsionspolitik — wie alle anderen Politikbereiche der EU auch — zur Umsetzung der grundlegenden, in den Verträgen verankerten Ziele beitragen muss. Gleichzeitig müssen die anderen EU-Politikbereiche aber auch zur Verwirklichung der vertraglich verankerten kohäsionspolitischen Ziele beitragen;

41.

weist zudem darauf hin, dass die einzelnen ESI-Fonds zwar im Vertrag festgeschriebene und nach wie vor aktuelle spezifische Aufgaben erfüllen, in ihrer Gesamtheit zudem aber einen Beitrag zur Umsetzung der kohäsionspolitischen Ziele leisten können, wobei jeder dieser Fonds auch zur Erfüllung der Aufgaben der anderen Fonds beiträgt;

42.

hebt hervor, dass es zur Erzielung von Synergien und zur Stärkung der Wirkung und Effizienz der einzelnen Instrumente entscheidend darauf ankommt, die Strategien und Arten der Maßnahmen sowie die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Akteuren gleich zu Beginn der Programmplanung anzupassen;

43.

weist darauf hin, wie wichtig Transparenz und der strategische Einsatz öffentlicher Aufträge auf allen Verwaltungsebenen insbesondere im Hinblick auf klare und eindeutige Grundsätze sind. Dabei gilt es, Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten, zwischen den einzelnen Regierungs- und Verwaltungsebenen bzw. zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission zu vermeiden und die Verwaltungslast möglichst gering zu halten;

44.

ist der Auffassung, dass die auf lokaler und regionaler Ebene umgesetzten Initiativen, Strategien, Aktionspläne und öffentlich-privaten Partnerschaften in den Fächern MINT+GK (Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften, Technik, Geisteswissenschaften und Kunst) einen wichtigen Beitrag zur Verringerung der Entwicklungsunterschiede in Europa leisten können; ist zudem der Auffassung, dass durch die Einstufung der MINT+GK-Bildung als Priorität der lokalen und regionalen Politik sowie durch die vorrangige Behandlung jener Initiativen für die Zusammenarbeit und Investitionen, die auf die Entwicklung dieser Fächer abzielen, erheblich zur Abfederung der negativen Auswirkungen der Abwanderung der besten Köpfe beigetragen werden kann;

Empfehlung 6: Territoriale Zusammenarbeit in funktionalen Gebieten

45.

weist darauf hin, dass die Verwaltungsgrenzen häufig nicht den wirtschaftlichen Verflechtungen entsprechen, die in dem gesamten Gebiet bestehen. So können beispielsweise wichtige Verbindungen zwischen Städten und den sie umgebenden Einzugsgebieten, zwischen ländlichen und städtischen Gebieten sowie zwischen benachbarten Regionen in verschiedenen Ländern bestehen;

46.

betont, dass die territorialen Auswirkungen in fast allen Entwicklungsfragen über die lokale Ebene und die Verwaltungsgrenzen hinausreichen, wobei die Beschlüsse auf den verschiedenen Ebenen gemeinsam gefasst werden müssen. Diesen Beschlüssen muss ein gemeinsamer Dialog von Anfang an vorausgehen, um Antworten auf die zu lösenden Fragen zu suchen;

47.

ist der Auffassung, dass der Situation von abgelegenen Regionen, von Regionen in (äußerster) Randlage, von dünn besiedelten Regionen, Grenzregionen sowie von Regionen mit etwaigem Entwicklungsrückstand und besonderen Problemen (insbesondere Berg- und Inselregionen) insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung ihrer Anbindung sowie ihrer Verbindungen untereinander besonderes Augenmerk geschenkt werden muss;

48.

empfiehlt die Ausarbeitung gemeinsamer Strategien für funktionale Gebiete und, soweit möglich, die Anpassung der einschlägigen Strategien und Programme;

Empfehlung 7: Gemeinsame Projekte zwischen nationalen bzw. regionalen ESIF-Programmen von Nachbarländern

49.

empfiehlt den Verwaltungsbehörden, die sich aus der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für die Kohäsionspolitik (Artikel 57 Absatz 4 des Kommissionsvorschlags) ergebenden Möglichkeiten voll auszuschöpfen, um mit Blick auf die grenzübergreifenden funktionalen Gebiete gemeinsame interregionale bzw. grenzübergreifende Projekte zwischen regionalen ESIF-Programmen zu planen. Bei der Entwicklung derartiger Projekte ist auch eine enge Abstimmung zwischen den einschlägigen Interreg-Programmen erforderlich, um sicherzustellen, dass sich diese wechselseitig ergänzen und Doppelgleisigkeiten vermieden werden;

50.

spricht sich weiterhin für den vorgeschlagenen EU-Mechanismus für grenzüberschreitende Zusammenarbeit aus, der enorme Bedeutung für die Beseitigung von Hindernissen und Engpässen bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hätte;

51.

betont, dass die EU unbedingt eine echte Strategie für Kulturdiplomatie auf den Weg bringen muss. Hierzu müssen die Kommunikation sowie der künstlerische und kulturelle Austausch zwischen den EU-Regionen — insbesondere jenen in äußerster Randlage — und Drittstaaten gestärkt werden, u. a. durch Mittel, die es Künstlerinnen und Künstlern ermöglichen, in Drittländer zu reisen und ihre Werke dort zu präsentieren und umgekehrt;

Empfehlung 8: Stärkung des territorialen Ansatzes durch Ausschöpfung des gesamten Potenzials integrierter Instrumente (z. B. von der örtlichen Bevölkerung betriebene lokale Entwicklung (CLLD) und integrierte territoriale Investitionen (ITI))

52.

hebt hervor, dass die Stärkung des Zusammenhalts auf regionaler und lokaler Ebene — auch über Grenzen hinweg — einen von der Basis ausgehenden, gebietsbezogenen Ansatz benötigt, um geeignete Lösungen vor Ort zu entwickeln;

53.

empfiehlt die Entwicklung territorialer Strategien für alle Programme; betont in diesem Zusammenhang den zusätzlichen Nutzen fondsübergreifender Programme und fordert eine umfassendere Nutzung territorialer Instrumente in funktionalen Gebieten;

54.

hebt die Rolle der von der örtlichen Bevölkerung betriebenen lokalen Entwicklung (CLLD) als spezifischem Instrument für die subregionale Ebene hervor, das andere Formen der Unterstützung auf der lokalen Ebene ergänzt;

55.

ist der Auffassung, dass die CLLD durch die Beteiligung, Konsultation und Zusammenarbeit der örtlichen Bevölkerung und sämtlicher öffentlicher und privater Akteure einen besonderen Mehrwert bietet und die Nutzung des vor Ort vorhandenen Fachwissens und die Berücksichtigung der spezifischen Erfordernisse der einzelnen Gebiete gewährleistet;

56.

weist auf die wichtige Rolle hin, die die intelligente Spezialisierung insbesondere dank der europäischen Forschungsförderung für die Stärkung regionaler Innovationssysteme, den Wissensaustausch zwischen den Regionen und die Verstärkung der Synergien spielt.

Brüssel, den 8. Oktober 2019.

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


STELLUNGNAHMEN

5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/16


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Bessere Kommunikation der Kohäsionspolitik

(2020/C 39/04)

Berichterstatter

:

Adrian Ovidiu TEBAN (RO/EVP), Bürgermeister von Cugir

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Allgemeine Erwägungen

1.

weist darauf hin, dass die Kohäsionspolitik mit 351 Mrd. EUR im Programmplanungszeitraum 2014-2020 etwa ein Drittel des EU-Haushalts ausmacht. Dies sorgt für einen langfristigen Investitionsrahmen für Regionen und Mitgliedstaaten und erlaubt eine verlässlichere Planung im Vergleich zu den Jahres- oder Zweijahreshaushalten der einzelnen Staaten;

2.

stellt fest, dass eine höhere Sichtbarkeit der ESI-Fonds dazu beitragen kann, dass die Wirkung der Kohäsionspolitik besser wahrgenommen und das Vertrauen der Bürger in das europäische Projekt gestärkt wird; ist jedoch der Ansicht, dass ein kohärenter Kommunikationskanal nicht nur von oben nach unten mit Blick auf die konkreten Ergebnisse der ESI-Fonds, sondern auch von unten nach oben wichtig ist, um Gebietskörperschaften und Interessenträger vor Ort auf die Finanzierungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen, was auch den Vorzug einer zunehmenden Beteiligung der Öffentlichkeit an der Umsetzung hätte;

3.

meint, dass die Kommunikation grundsätzlich ein fester Bestandteil der Politikgestaltung und -umsetzung sein sollte. Die Bekanntmachung örtlicher EU-finanzierter Projekte bei den Begünstigten und der Zivilgesellschaft ist ungeachtet unterschiedlicher Finanzierungsbeträge in bestimmten Regionen von entscheidender Bedeutung und kann nur das Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen aller beteiligten Regierungs- und Verwaltungsebenen sein. Das Modell des Regierens im Mehrebenensystem („Multi-Level Governance“) und das Partnerschaftsprinzip, die beide auf einer verstärkten Koordinierung zwischen ’Gebietskörperschaften, Wirtschafts- und Sozialpartnern und Zivilgesellschaft beruhen, können zu einer effizienteren Kommunikation über die Ziele und Ergebnisse der EU-Politik beitragen;

4.

betont, dass die Verwaltungsbehörden der aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) finanzierten operationellen Programme die Ziele, Finanzierungsmöglichkeiten und Ergebnisse kohäsionspolitischer Programme und Projekte bekannt machen müssen; dies ist daher eine zentrale Aufgabe für Verwaltungsbehörden und Begünstigte in den Mitgliedstaaten — sie müssen auf Fragen eingehen wie die, welche Investitionsmöglichkeiten bestehen oder welche Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit ein Begünstigter hat oder wer finanziert wird und zu welchem Zweck;

5.

nimmt zur Kenntnis, dass die Kohäsionspolitik der EU und die Interventionen mittels ihrer Fonds von Informations- und Öffentlichkeitsarbeit flankiert werden müssen, was bedeutet, dass die mit der Umsetzung betrauten nationalen und regionalen öffentlichen Stellen genau wie die Endbegünstigten rechtlich zur Durchführung von Kommunikationsmaßnahmen verpflichtet sind. Die entsprechenden Verpflichtungen haben sich über die letzten drei Jahrzehnte von einfachen Informationsmaßnahmen wie Erinnerungstafeln zu deutlich ausgefeilteren Kommunikationsstrategien weiterentwickelt, u. a. mehrjährige Strategien, Jahrespläne, Mindestanforderungen und Evaluierungen, die für jedes einzelne operationelle Programm durchzuführen sind;

6.

betont, dass die Information der potenziellen Begünstigten über Finanzierungsmöglichkeiten von entscheidender Bedeutung für die Programmverwaltung ist. Um sicherzustellen, dass kohäsionspolitische Mittel wirklich in die relevantesten und innovativsten Projekte fließen, muss ein möglichst großer Kreis potenzieller Begünstigter informiert werden. Dies kann nicht nur durch die Hervorhebung der Investitionsmöglichkeiten, sondern auch durch die Präsentation der erzielten Ergebnisse und bewährten Verfahren erreicht werden;

7.

weist darauf hin, dass sich die Kohäsionspolitik der EU positiv sowohl auf die Wirtschaft als auch auf das Leben der Bürger ausgewirkt hat, bedauert jedoch, dass die Ergebnisse nicht immer gut vermittelt wurden und dass ihre positiven Auswirkungen in den letzten zehn Jahren kaum zur Kenntnis genommen wurden, denn laut einer Flash-Eurobarometer-Umfrage von 2017 wissen nur 35 % der EU-Bürger von EU-kofinanzierten Projekten in der Gegend, in der sie leben. Diejenigen, denen solche Projekte bekannt waren, sehen jedoch eine positive Wirkung für die Entwicklung ihrer Region (78 %);

8.

stellt fest, dass laut demselben Eurobarometer die kohäsionspolitischen Maßnahmen der EU noch immer schlecht kommuniziert werden und die Informationsquellen in der Regel nicht sehr diversifiziert sind. Generell sollte im nächsten Programmplanungszeitraum nach 2020 wesentlich stärker auf digitale Medien gesetzt werden;

9.

unterstreicht die unterschiedlichen Fortschritte, die in den Mitgliedstaaten bei der Straffung der Verwaltungsverfahren im Hinblick auf eine stärkere Mobilisierung und Einbeziehung regionaler und lokaler Partner, einschließlich der Wirtschafts- und Sozialpartner sowie der Vertreter der Zivilgesellschaft, erzielt wurden, und hebt die Bedeutung der Beteiligung der Öffentlichkeit und des sozialen Dialogs hervor. Es ist bemerkenswert, dass Investitionen in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit die höchste Priorität beigemessen wird. Die regionalpolitischen Investitionen der EU sollten sich auf Bildung, Gesundheit und soziale Infrastruktur konzentrieren, die als wichtigste Bereiche für Investitionen angesehen werden. Darüber hinaus ist „die Kohäsionspolitik das wichtigste EU-Investitionsinstrument für Regionen und Städte zur Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung“; ein solcher Ansatz wäre eine Voraussetzung für eine breitere „Lokalisierung“ der Nachhaltigkeitsziele und die Förderung ihrer Umsetzung durch die Kohäsionspolitik (1)‚ sodass der Weg von einer linearen zu einer kreislauforientierten Wirtschaft geebnet wird (2);

10.

weist darauf hin, dass sowohl die Wahrnehmung der Kohäsionspolitik als auch die Unterstützung für die EU sich nach Bevölkerungsgruppe und Region unterscheiden können. Diesbezüglich sind jedoch weitere Belege erforderlich, um eindeutige Schlussfolgerungen ziehen zu können. Zu diesem Zweck werden für alle Regionen der EU Informationen über repräsentative Stichproben von Einzelpersonen benötigt; schlägt daher vor, dass in jede Eurobarometer-Umfrage, die für alle EU-Regionen (NUTS 2 oder gleichwertig) repräsentativ sein soll, Fragen darüber aufgenommen werden sollten, wie die Kohäsionspolitik wahrgenommen wird und inwieweit die Bürgerinnen und Bürger das Projekt Europa befürworten;

11.

betont, wie wichtig es ist, dass deutlicher herausgestrichen wird, dass die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger für das europäische Aufbauwerk von ihrer Wahrnehmung der Kohäsionspolitik der EU abhängt. Dies ist ein entscheidender Punkt für Vorabeinschätzungen der Wirksamkeit bestimmter Kommunikationsstrategien zur Verbesserung der Einstellung zur Kohäsionspolitik und zur EU insgesamt; schlägt daher vor, in dieselben Standard-Eurobarometer-Umfragen bestimmte Fragen zur Unterstützung für die EU und zur Wahrnehmung der EU-Kohäsionspolitik aufzunehmen;

12.

betont, dass nicht nur wirtschaftliche Faktoren eine Sensibilisierung bewirken können. In verschiedenen Analysen wurde festgestellt, dass das Wissen um die (Kohäsions-)Politik der EU bei bestimmten Gruppen von Bürgern offenbar in direktem Zusammenhang damit steht, wie sehr sie sich mit der Europäischen Union als politischer Struktur identifizieren. Des Weiteren scheint ein positiver Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Grad des Wissens über bestimmte Politikfelder (u. a. die Kohäsionspolitik) der EU und dem Maß der Beteiligung an der Europawahl zu bestehen. Umgekehrt scheint es auch der Fall zu sein, dass die Bekanntheit der (Kohäsions-)Politik der EU außerdem zunimmt, wenn die Bürger sich stark mit der Europäischen Union und mit der gemeinsamen europäischen Geschichte und Kultur identifizieren. Aus diesen Gründen ist es wichtig, die Kommunikation über die Ergebnisse der EU-Kohäsionspolitik zu verbessern und zu intensivieren, um bei den Bürgern das Gefühl der Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Projekt und die politische Legitimität der Europäischen Union zu stärken;

13.

betont ferner, dass die Kommunikation der Kohäsionspolitik nicht allein in der Verantwortung der Europäischen Kommission, sondern vielmehr in der Verantwortung aller Akteure liegt, denen die Kohäsionspolitik zugutekommt und zu denen auch die Mitgliedstaaten und die lokalen Gebietskörperschaften zählen;

14.

vertritt den Standpunkt, dass die Kohäsionspolitik anders vermittelt werden muss, was die Notwendigkeit einschließt, über die Stakeholder hinaus ein größeres Publikum anzusprechen. Die Allgemeinheit muss im Fokus einer gezielten Kommunikation stehen, und diese Kommunikation muss bei den Menschen Widerhall finden: Man muss Geschichten über die Folgen für normale Bürger erzählen und nicht einfach Zahlen oder Diagramme auflisten, in denen es um Arbeitsmärkte oder Infrastrukturfragen und Völker geht, die weit weg sind. Man sollte sich auf die Rolle konzentrieren, die die EU als Regierungsebene im Leben der Menschen spielt, nicht aber darauf, die Öffentlichkeit über die Vielzahl der verschiedenen Fonds und Projekte zu informieren. Entscheidend ist, dass das Vertrauen in den Boten mindestens genauso wichtig ist wie die Botschaft selbst. Dabei haben die Menschen mehr Vertrauen in die lokale und regionale Ebene als in die nationale Regierung oder die EU. Daher spielen Regional- und Kommunalpolitiker eine möglicherweise ausschlaggebende Rolle, und gerade den AdR-Mitgliedern als „Botschafter Europas in den Regionen, Städten und Gemeinden“ kommt eine Vorbildfunktion zu;

15.

unterstreicht die Notwendigkeit einer gezielten Kommunikation, deren Schwerpunkt auf dem direkten Umfeld — der „Nachbarschaft“ — liegen muss. Sie muss emotional sein, da Statistiken die Menschen nicht bewegen. Im Interesse einer besseren Kommunikation sollte ein Multi-Level-Governance-Ansatz verfolgt werden. In der letzten Eurobarometer-Umfrage gaben 55 % der Befragten an, dass Entscheidungen auf einer nachgeordneten Ebene getroffen werden sollten, wobei sich fast ein Drittel (30 %) für die regionale Ebene und ein Viertel (25 %) für die lokale Ebene aussprachen. Nicht ganz jeder Fünfte ist der Ansicht, dass diese Entscheidungen auf Ebene der EU getroffen werden sollten;

16.

unterstreicht die Notwendigkeit, einen dauerhafteren Dialog mit den Bürgern zu führen und sie häufiger in die Beschlussfassung einzubinden, was für Zurechenbarkeit und Legitimität bei der Umsetzung der Kohäsionspolitik sorgen kann. In diesem Sinn sollte sich das neue übergreifende Ziel 5 für den Zeitraum 2021-2027 — „Ein bürgernäheres Europa“ — möglichst weitgehend auf bestehende Erfahrungen mit der von der örtlichen Bevölkerung betriebenen lokalen Entwicklung und der partizipativen Haushaltsplanung auf lokaler Ebene sowie weitere Methoden stützen, die auf eine Erhöhung der Bürgerbeteiligung abzielen. Die Einbeziehung von AdR-Mitgliedern, Bürgermeistern und anderen kommunalen Mandatsträgern in Kommunikationskampagnen der Europäischen Kommission über die Kohäsionspolitik könnte ein Weg sein, den Nutzen der Europäischen Union für den Alltag der Bürger besser bekannt zu machen.

Eine bessere Sichtbarkeit

17.

stellt fest, dass eine höhere Sichtbarkeit der ESI-Fonds dazu beitragen kann, dass die EU besser wahrgenommen wird und die Bürger wieder Vertrauen in das europäische Projekt fassen;

18.

weist daher darauf hin, dass die Zunahme der Euroskepsis und der politischen Parteien, die sich einer weiteren EU-Integration entgegenstellen, auch mit der Wahrnehmung der wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Ungleichheiten zusammenhängt. Die Kohäsionspolitik ist ein kraftvoller Hebel zur Förderung der „territorialen Widerstandsfähigkeit“ und ist somit ein Teil der Lösung, was die politischen Antworten betrifft. Maßnahmen zur Vermittlung ihrer positiven Wirkung auf die Regionen und auf den Alltag der Menschen sind daher unentbehrlich;

19.

regt an, dass die operationellen Programme schwerpunktmäßig auf die Bedürfnisse der Menschen abheben und dass die Kommunikation sich nicht nur „an die Menschen“ richten, sondern vielmehr „mit den Menschen“ erfolgen sollte. In diesem Zusammenhang hebt der Ausschuss die Bedeutung der Partnerschaftsvereinbarungen hervor, die Mechanismen für den Dialog mit den Bürgern bei der Konzeption von durch die EU-Kohäsionspolitik kofinanzierten Maßnahmen in allen Phasen der Ausarbeitung, Umsetzung und Bewertung der operationellen Programme vorsehen. Dies schließt die Empfehlung ein, dass die Mitgliedstaaten die lokalen Gebietskörperschaften in allen Phasen einbeziehen;

20.

spricht sich für die Übernahme demokratischer Innovationen aus, wie z. B. partizipative Haushaltsaufstellung und partizipative Beratung (Jurys, Podiumsrunden und Befragungen), um den Menschen vor Ort Mitsprachemöglichkeiten zu geben und somit in der Art und Weise, wie die Bürger am Kommunikationsprozess teilhaben, völlig neue Wege zu gehen;

21.

sieht es als eine gemeinsame Aufgabe der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten an, die im Rahmen der Kohäsionspolitik getätigten Investitionen bekannt zu machen, und meint, dass die zuständigen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften an der Formulierung wirksamer Kommunikationsstrategien beteiligt werden sollten;

22.

fordert die Europäische Kommission auf, Lehren aus der erfolgreichen Kommunikation über EU-finanzierte kleine und People-to-People-Projekte in Grenzregionen zu ziehen; weist auf das hohe Engagement der an derartigen Projekten beteiligten Personen und deren Beitrag zu einer wirksamen Verbreitung der Projektergebnisse hin;

23.

begrüßt den Vorschlag im neuen Legislativpaket zur Kohäsionspolitik, wonach nationale Kommunikationsbeauftragte benannt werden sollen, die die Aktivitäten im Zusammenhang mit dem EFRE, dem Europäischen Sozialfonds und dem Kohäsionsfonds sowie dem Asyl- und Migrationsfonds, dem Fonds für integriertes Grenzmanagement und dem Fonds für innere Sicherheit auf integrierte Weise bekannt machen. Im gleichen Sinne sollten auch andere künftige EU-Programme mit lokaler Außenwirkung, wie Horizont Europa, InvestEU usw. sowie die Europe-Direct-Informationszentren bestmöglich genutzt werden;

24.

ist der Auffassung, dass REFIT-ähnliche Plattformen mit einfachen IKT-Lösungen, die für die Kommunikation mit den EU-Bürgern eingesetzt werden, eine wirksamere und den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechende Politikgestaltung ermöglichen. Die lokalen Gebietskörperschaften verfügen über ein hohes Maß an Erfahrung in diesem Bereich, nutzen sie doch bereits Anwendungen, die es ermöglichen, akute Probleme vor Ort zu lösen. Die Kommunikation in beide Richtungen sollte lediglich noch weiter ausgefeilt werden;

25.

fordert die Europäische Kommission auf, die bisherigen Bemühungen mit den Verwaltungsbehörden zur Erprobung neuer Kommunikationsmethoden auf politische Vertreter der Städte und Regionen auszuweiten. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sowie die Begünstigten sind die wirksamsten und unmittelbarsten Gesprächspartner der Bürgerinnen und Bürger;

26.

empfiehlt, dass sich die Kommunikation der Kohäsionspolitik nicht nur auf die Ergebnisse der von der EU finanzierten Projekte konzentriert, sondern vor allem auf die Vorteile, die diese Projekte für das tägliche Leben der Bürger bringen. In diesem Sinne scheint die lokale und regionale Ebene für eine solche Kommunikation am besten geeignet zu sein (Wie hat die EU meine Gemeinde, Stadt oder Region unterstützt?), und die aktive Rolle der Europe-Direct-Informationszentren sollte gefördert werden;

27.

fordert daher, dass im Einklang mit dem Ziel des territorialen Zusammenhalts die im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Kohäsionspolitik entwickelten nationalen Kommunikationsinitiativen koordiniert werden und insbesondere auf Gebiete (einschließlich ländlicher Gebiete) ausgerichtet sein sollten, die einen Entwicklungsrückstand aufweisen und in denen in den letzten Jahren das Gefühl der Vernachlässigung der Euroskepsis Nahrung geboten hat;

28.

fordert daher den Rat und das Europäische Parlament auf, einen spezifischen Finanzrahmen für die Kommunikation im Rahmen der technischen Unterstützung vorzusehen und gegebenenfalls die Zahl verbindlicher Veröffentlichungs- und Informationsanforderungen für kohäsionspolitische Projekte in der künftigen Dachverordnung über 2020 hinaus zu erhöhen;

29.

schlägt die Einführung einer „intelligenten Kommunikationsplanung“ vor, die die Entwicklung integrierter Kommunikationsstrategien umfasst, einschließlich Wirkungsindikatoren mit Bezugswerten, zweckgebundenen Mitteln und Kostenangaben;

30.

dringt auf eine umfassendere und intensivere Nutzung digitaler Medien mit weniger Fachjargon und zielgerichteteren Aktionen und empfiehlt, zu erfassen, wie viele Menschen mit Kommunikationsaktivitäten erreicht werden (z. B. Seitenaufrufe nach einer Veranstaltung);

31.

schlägt vor, dass die „effiziente Ergebnisnutzung in den Projekten“ ein Auswahlkriterium für die Finanzierung von Projekten im Rahmen der Kohäsionspolitik sein sollte (wie bei den EU-Programmen „Horizont 2020“ oder COSME). Das Maß an vorgeschriebener Publizität sollte jedoch in einem angemessenen Verhältnis zur Projektgröße stehen, insbesondere bei kleinen Projekten, bei denen dies für die Endbegünstigten einen hohen Verwaltungsaufwand bedeuten kann;

32.

ist der Ansicht, dass in den Projektauswahlkriterien für operationelle Programme zumindest Kommunikationsgrundsätze umrissen werden sollten, um Überprüfungen und Vergleiche auf EU-Ebene zu erleichtern;

33.

schlägt vor, dass die Kommission ein „Register zur Auswertung der Kommunikationsergebnisse“ erstellt, das Folgendes umfasst: Kommunikationspläne und-maßnahmen, verbesserte Methoden (Erhebungen, Fokusgruppen, Medienbeobachtung), EU-Bewertungsleitlinien, eine Lernplattform mit einem Archiv für Kommunikationsauswertungen und eine Datenbank mit bewährten Kommunikationsverfahren;

34.

begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission, ein einheitliches Finanzierungsportal auf EU-Ebene, das alle Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen und eine gemeinsame Liste von Vorhaben enthält, sowie einzelne nationale Websites einzurichten, über die Informationen über alle Programme und Fonds der EU zugänglich sind. Ortsbezogene Online-Portale der verschiedenen EU-Institutionen und Generaldirektionen der Kommission sollten unter der einheitlichen Marke „EU“ zusammengeführt werden;

Medienstrategie

35.

schlägt vor, dass bei der Gestaltung von (sozialen) Medienstrategien auf den lokalen Kontext Bezug genommen wird, etwa durch eine stärker positive Darstellung, den Aufbau längerfristiger Narrative, die mit individuellen Geschichten verbunden sind, und das aktive Eingehen auf eine Negativdarstellung, anstatt eine solche zu ignorieren;

36.

vertritt die Auffassung, dass ein zentrales Element einer effektiveren Kommunikation der Kohäsionspolitik darin bestehen muss, die Kommunikationsaktivitäten weiter aufzufächern und die Berichterstattung über alle EU-Aktivitäten in den Medien zu verstärken;

37.

weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Kommunikationsmaßnahmen im Hinblick auf eine stärkere Präsenz der EU in den Regionen und Städten der Sichtbarkeit der europäischen Struktur- und Investitionsfonds und der Programme wie Interreg, Urbact und ESPON angepasst sein sollten;

38.

spricht sich dafür aus, die sozialen Medien intensiver zu nutzen, um mehr Unterstützung für die Kohäsionspolitik zu erhalten. Ein gutes Beispiel ist hier die Kampagne für die Allianz für die Kohäsionspolitik (#Cohesionalliance), die politische Akteure mit einer starken politischen Botschaft über eine EU-Politik, die für alle Gebiete der EU von Nutzen ist, an einen Tisch zusammengebracht hat;

39.

verweist darauf, dass die Europäische Woche der Regionen und Städte die wichtigste politische Veranstaltung zur Umsetzung der Kohäsionspolitik ist, die es politischen Vertretern, Menschen aus der Praxis, Forschern und interessierten Einzelnen ermöglicht, Neues zu erfahren, Ideen auszutauschen, Einfluss auf die EU zu nehmen und ihre eigenen Ansichten zu regional- und städtepolitischen Maßnahmen zu äußern;

40.

schlägt vor, dass die Europäische Kommission einen Abschnitt zu diesem Thema in die neue Fassung der delegierten Verordnung der Kommission zum europäischen Verhaltenskodex für Partnerschaften im Rahmen der europäischen Struktur- und Investitionsfonds aufnimmt; dies wäre eine Möglichkeit, bei der Konzeption von Kommunikationsmaßnahmen die Achtung und Berücksichtigung der Grundsätze der Partnerschaft und der Mehrebenenpartnerschaft zu stärken;

Eine bessere Kommunikation der Kohäsionspolitik nach 2020

41.

schlägt vor, dass im Rahmen der künftigen Kohäsionspolitik für die Zeit nach 2020 Investitionen in Kommunikationsprojekte aus einer einzigen, genau definierten Kostenkategorie finanziert werden, da ein Vergleich der Kommunikationsstrategien zeigt, dass die Budgets für diese Tätigkeiten nur schwer zu aggregieren und zu vergleichen sind, da die Strategien auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichen Fonds definiert sind und Kostenkategorien und -methoden nicht immer klar definiert sind;

42.

dringt auf eine präzisere Definition von Leistungsindikatoren, denn derzeit besteht eine beträchtliche Vielfalt von Indikatoren, die für Kommunikationsaktivitäten nicht aussagekräftig sind;

43.

empfiehlt, bei der Ausarbeitung von Strategien für die Jahre 2021-2027 die Erkenntnisse aus der Forschung über die Wirksamkeit der Kommunikation über die Kohäsionspolitik durch von der EU finanzierte Projekte wie „Cohesify“ und „Perceive“ zu berücksichtigen und auch auf die „Geographie der Unzufriedenheit“ einzugehen, die sich im Zusammenhang mit populistischen Debatten über das europäische Projekt gebildet hat;

44.

unterstreicht die Notwendigkeit flexibler Branding- und Außenwirkungsstrategien: Eine EU-Fahne sollte auf allen obligatorischen und informellen Materialien überall zu finden sein;

45.

begrüßt die jüngste Mitteilung der Europäischen Kommission (3), in der die Notwendigkeit hervorgehoben wird, die speziellen Herausforderungen Europas im Bereich der Kommunikation in Zeiten der Fragmentierung und Desinformation anzugehen, und meint, dass die Kohäsionspolitik eine entscheidende Rolle dabei spielt, dass alle Regierungs- und Verwaltungsebenen ebenso wie die EU-Institutionen die Kommunikation über die EU als eine gemeinsame Aufgabe betrachten;

46.

befürwortet den Ansatz einer vereinfachten Kommunikation über EU-finanzierte Projekte: Einzelmarkenstrategie (ohne Verweis auf ESI-Fonds oder Programmebene); eine einzige nationale Website, auf der Informationen über alle Programme und Fonds der EU zugänglich sind; besondere Hervorhebung strategisch bedeutsamer Maßnahmen und solcher, die über 10 Mio. EUR hinausgehen; nationale Kommunikationskoordinatoren mit einem Überblick über alle EU-Fonds und eine wichtige Rolle für Programmkommunikationsbeauftragte; Aufnahme der Kommunikationsstrategie (in einer einfacheren Version) in den inhaltlichen Teil des Programms; Möglichkeit der Verwaltungsbehörden, finanzielle Korrekturen (von bis zu 5 %) bei Begünstigten vorzunehmen, die die Kommunikationsregeln missachten; Berechtigung zur Weiterverwendung von Kommunikationsmaterialien — den Verwaltungsbehörden wird es gestattet sein müssen, die produzierten und den EU-Institutionen bereitgestellten Kommunikationsmaterialien weiterzuverwenden (auf Anfrage).

Brüssel, den 8. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  https://cor.europa.eu/de/events/Pages/ECON-sc-follow-up-UN-SDGs.aspx.

(2)  Reflexionspapier „Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030“, Europäische Kommission COM(2019) 22 vom 30. Januar 2019, https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/rp_sustainable_europe_30-01_de_web.pdf.

(3)  Europäische Kommission (2019): Europa im Mai 2019. Schritte zu einer geeinteren, stärkeren und demokratischeren Union in einer von zunehmender Unsicherheit geprägten Welt, Brüssel, 30. April 2019.


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/21


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Der Beitrag des AdR zur erneuerten territorialen Agenda mit besonderer Betonung der von der örtlichen Bevölkerung betriebenen lokalen Entwicklung

(2020/C 39/05)

Berichterstatter

:

Radim SRŠEŇ (CZ/EVP), Abgeordneter des Bezirks Olmütz

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

ist der Ansicht, dass zum Erreichen der Ziele der erneuerten territorialen Agenda der Europäischen Union und der Kohäsionsziele die territorialen Instrumente (von der örtlichen Bevölkerung betriebene lokale Entwicklung (CLLD), integrierte territoriale Investitionen usw.) in den Mitgliedstaaten sehr viel stärker genutzt werden müssen und eine obligatorische Zweckbindung für alle Fonds erforderlich ist;

2.

verweist auf den Zusammenhang zwischen der Kohäsionspolitik und dem territorialen Zusammenhalt. Daher kann ohne eine angemessene Berücksichtigung des territorialen Zusammenhalts keine Rede von einer echten Kohäsionspolitik sein;

3.

weist darauf hin, dass der AdR als erste EU-Institution einen konkreten Vorschlag zur Umsetzung der CLLD gemacht hat (1). Der AdR ist nach wie vor der Auffassung, dass es angemessener ist, die integrierte, aus verschiedenen Fonds finanzierte lokale Entwicklung als ganzheitliches Konzept zu definieren, dessen Schwerpunkt auf den Herausforderungen und dem Potenzial aller Regionen liegt, unabhängig davon, ob diese Regionen städtischen, ländlichen, gemischt ländlich-städtischen oder funktionalen Charakter haben;

4.

fordert die Stärkung der territorialen Dimension in einem breiteren Spektrum von Politikbereichen in der territorialen Agenda für die Zeit nach 2020 sowie die aktive Förderung territorialer Visionen/Strategien, die stärker von der Basis ausgehen und in einen umfassenderen Rahmen eingebettet sein sollten;

5.

betont, dass territoriale Instrumente wie die von der örtlichen Bevölkerung lokale Entwicklung (CLLD) oder integrierte territoriale Investitionen (ITI) bewährte Maßnahmen für die Verwirklichung eines „bürgernäheren Europas“ sind. Die Erfolge von LEADER/CLLD haben gezeigt, dass lokale Aktionsgruppen (LAG) in der Lage sind, die europäischen Werte zu verteidigen, wenn sie als lokale Faktoren für Wandel und Entwicklung auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene anerkannt werden. Durch die aktive Beteiligung aller lokalen Akteure und Bürger kann man mit diesem Konzept den Bedürfnissen Europas durch den Einsatz lokaler Mittel gerecht werden und somit die Legitimität der EU erhöhen. Darüber hinaus ist LEADER/CLLD auch ein wirksames Instrument zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele (SDG) auf lokaler Ebene. Der AdR ruft daher zu mehr Ehrgeiz und zur Weiterentwicklung der territorialen Instrumente auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene in der Zeit nach 2020 auf;

6.

unterstreicht, dass beim Einsatz der integrierten territorialen Instrumente die besonderen Merkmale und Bedürfnisse der Regionen berücksichtigt werden müssen, wie sie in ihren integrierten Bottom-up-Strategien definiert sind, und nicht einfach die Maßnahmen und die thematische und territoriale Konzentration der operationellen Programme dupliziert werden sollten, über die diese Instrumente finanziert werden;

7.

ruft dazu auf, mit der territorialen Agenda nach 2020 sowohl die Verbindungen zwischen Stadt und Land als auch die verschiedenen Gebietstypen allgemein zu stärken, da die regionale und lokale Entwicklung nur ein Aspekt ist und einen umfassenden und integrierten Ansatz erfordert;

8.

hebt hervor, dass die territoriale Agenda 2020 tatsächlich Ergebnisse hervorgebracht hat, hauptsächlich dank der über die Kohäsionspolitik verfügbaren Maßnahmen und Mittel, durch die auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen der ortsbezogene Ansatz und die Beteiligung der lokalen Gemeinschaften an der Ausarbeitung und Umsetzung lokaler Nachhaltigkeitsstrategien eingeführt wurde. Allerdings sind auch hier noch Verbesserungen möglich: So müssen insbesondere die Sichtbarkeit der territorialen Agenda auf der subnationalen Ebene (die durch CLLD, ITI, EVTZ, ETZ usw. angegangen werden soll) verbessert, der Einwirkungsgrad des territorialen Ansatzes auf die gesamte Politikgestaltung der EU erhöht und die territoriale Agenda als solche besser mittels nationaler Maßnahmen umgesetzt werden;

9.

sieht in der erneuerten territorialen Agenda eine Gelegenheit für die Vorlage eines neuen und positiven Narrativs für die Zukunft der EU und die ausgewogene Entwicklung aller Gebiete. Die Bürgerinnen und Bürger und die breite Öffentlichkeit sollten ein umfassendes und verständlich formuliertes Dokument erhalten, in dem Visionen für ihre Zukunft dargelegt werden und auf ihre tatsächlichen Bedürfnisse und die Probleme eingegangen wird, die es anzugehen gilt. Ihnen sollte die Gewissheit gegeben werden, dass niemand zurückgelassen wird und dass alle Menschen unabhängig von ihrem Wohnort die gleichen Chancen auf ein Leben in Würde erhalten;

10.

fordert zu einer stärkeren Verknüpfung zwischen der Kohäsionspolitik und der territorialen Agenda in allen Phasen der Planung, Umsetzung und Überwachung der Programme auf und macht nachdrücklich darauf aufmerksam, dass die gegenwärtige Trennung der EU-Fonds nach geografischen Gebieten und Bereichen unbedingt überwunden werden muss. Allerdings sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die territoriale Dimension und die lokalen Besonderheiten im Rahmen des Europäischen Semesters berücksichtigt und die lokalen Akteure bei der Festlegung der nationalen Prioritäten angemessen konsultiert werden;

11.

unterstreicht, dass über CLLD lokale Gemeinschaften (einschließlich lokaler und regionaler Behörden, der Sozialpartner, zivilgesellschaftlicher Organisationen und der Privatwirtschaft) mobilisiert und eingebunden werden können. Mit dem partizipativen Ansatz der CLLD werden die lokalen Entwicklungsstrategien auf veränderte örtliche Rahmenbedingungen (sozialer Zusammenhalt, Migration, regionale Cluster, grüne Wirtschaft, Klimawandel, intelligente Lösungen, Technologie usw.) abgestimmt und entsprechend angepasst;

12.

hebt die Bedeutung der CLLD für die Stärkung der Glaubwürdigkeit der Kohäsionspolitik hervor, indem unter Beweis gestellt wird, dass es tatsächlich möglich ist, verschiedene EU-Fonds zusammen, integriert und wirkungsvoll einzusetzen;

13.

weist darauf hin, dass der AdR weiterhin die Ansicht vertritt, dass die territoriale Agenda nach 2020 nicht völlig neu konzipiert werden sollte, da die derzeitige territoriale Agenda 2020 auch nach 2020 in wesentlichen Punkten ihre Gültigkeit behält;

14.

hält die territoriale Agenda nach 2020 für unerlässlich, um die Ungleichheiten zu verringern, denen die Menschen je nach Wohnort ausgeliefert sind. Hierfür bedarf es maßgeschneiderter Maßnahmen, etwa durch eine integrierte territoriale Entwicklung;

15.

betont die Bedeutung einer besseren Koordinierung und Vernetzung zwischen allen Behörden und Interessenträgern, die die territoriale Agenda auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene umsetzen und finanzieren. Grundvoraussetzungen für einen spürbaren Effekt der territorialen Agenda sind eine bessere Koordinierung und ein robustes Partnerschaftsprinzip. Die Koordinierung der territorialen Agenda in der Tschechischen Republik, Schweden, Österreich und anderen Mitgliedstaaten ist ein Beispiel für bewährte Verfahren in diesem Bereich;

16.

weist darauf hin, dass die Aufmerksamkeit stärker auf die integrierten territorialen Entwicklungsstrategien gelenkt werden muss, damit die Investitionen in der Region besser auf ihre Prioritäten ausgerichtet werden. Die Konzeption integrierter territorialer Entwicklungsstrategien, in deren Rahmen eine große Bandbreite operationeller Programme in den Mitgliedstaaten umgesetzt wird, sollte sich an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientieren. Solche Strategien sollten den Bürgern nicht einfach aufgestülpt, sondern gemeinsam mit ihnen konzipiert werden;

17.

unterstreicht, dass eine flexible und einfache Umsetzung integrierter territorialer Instrumente genutzt werden muss, die an das jeweilige Gebiet angepasst werden kann und bei der eine auf einen basisnahen Ansatz ausgerichtete Methodik verfolgt wird, die sich auf Partnerschaft, Sensibilisierungsarbeit und die Rolle lokaler Strategien für die territoriale Entwicklung konzentriert. Mögliche Lösungen sind vereinfachte Kostenoptionen, ein einfaches Umsetzungsmodell für territoriale Instrumente (nur ein nationales operationelles Programm und eine Verwaltungsbehörde), zentrale Anlaufstellen, ein gemeinsames Paket einfacher, auf EU-Ebene festgelegter Vorschriften, um Überregulierung zu verhindern (u. a. „CLLD-Toolkit“, klare Leitlinien für Aspekte wie Aufbau der Strategien, Genehmigungsverfahren, Verwendung des federführenden Fonds und Bewertung) usw.;

18.

verweist auf das Potenzial von IT-Lösungen zur Vereinfachung und Automatisierung der Datenerhebung auf nationaler wie auch auf lokaler Ebene. IT-Systeme müssen unter wirklicher Einbeziehung aller Interessenträger entwickelt und darauf ausgerichtet werden, die übergeordnete Strategie der ESIF-Vereinfachung auf allen Ebenen zu unterstützen;

19.

spricht sich für einen reibungslosen Übergang der Umsetzungsstrukturen für die territoriale Agenda zwischen den Programmplanungszeiträumen der EU aus, um zu vermeiden, dass Wissen, Personal und Partnerschaften verloren gehen;

20.

unterstreicht die Eignung der integrierten territorialen Instrumente für die Lokalisierung, Umsetzung, Weiterverfolgung und Überprüfung der Nachhaltigkeitsziele (SDG);

21.

sieht in der CLLD ein potenziell höchst wirksames Instrument im Rahmen der EU-Beitritts-, Nachbarschafts- und Entwicklungspolitik. Diesbezüglich kann das ENP-Programm für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (ENPARD) in Georgien als Beispiel für bewährte Verfahren herangezogen werden;

Neue Territoriale Agenda

22.

stellt fest, dass die in der territorialen Agenda 2020 genannten Herausforderungen für die territoriale Entwicklung im Allgemeinen unverändert bleiben, wobei zwei Anmerkungen vorzubringen sind: 1) Änderungen beziehen sich eher auf eine Verschärfung der bestehenden und das Aufkommen neuer Herausforderungen, die mehr Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten erfordern; 2) die heutigen Migrationsbewegungen werden im Vergleich zu den potenziellen Auswirkungen des Klimawandels im Nachhinein höchstwahrscheinlich als kleinere Krise angesehen werden;

23.

regt an, einen Mechanismus für eine schnelle Aktualisierung der territorialen Agenda nach 2020 einzuführen, um rasch auf neue Herausforderungen reagieren zu können, die sich auf die territoriale Agenda nach 2020 auswirken könnten, ohne dass die ganze Agenda vollständig überarbeitet werden muss;

24.

regt ferner an, dass die künftigen Ratsvorsitze oder der Auftragnehmer, der die territoriale Agenda nach 2020 ausarbeitet, mehr Interessenträger — insbesondere die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und die Zivilgesellschaft — in die Durchführung von Forschungsarbeiten zu Prioritäten und Inhalten der erneuerten territorialen Agenda nach 2020 einbeziehen;

25.

bekräftigt die Forderung des AdR nach einer Nachfolgestrategie zur Strategie Europa 2020;

26.

verweist auf die primärrechtliche Vorgabe von Artikel 174 Absatz 3 AEUV, nach der insbesondere ländlichen Gebieten, den vom industriellen Wandel betroffenen Gebieten und den Gebieten mit schweren und dauerhaften natürlichen oder demografischen Nachteilen besondere Aufmerksamkeit zukommen muss. Dieser prioritären Zielsetzung sollten sowohl die territoriale Agenda nach 2020 als auch die ESIF mit dem Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Gebieten stärker als bisher Rechnung tragen;

27.

ist der Auffassung, dass die Rolle der regionalen Hauptstädte bei der Gewährleistung gleicher Entwicklungschancen in den jeweiligen funktionalen Gebieten dieser Städte auch in der territorialen Agenda 2020 gefördert werden und diese einen Beitrag zur Lösung der Probleme von Metropolregionen überall in der EU leisten sollte;

28.

betont, dass mit der territorialen Agenda nach 2020 die Rolle kleiner und mittelgroßer Städte bei der Verwirklichung einer ausgewogenen, polyzentrischen Entwicklung in der gesamten EU aufgewertet werden sollte;

29.

fordert in diesem Zusammenhang erneut die Schaffung einer Agenda für die ländlichen Räume, in deren Rahmen ländliche Gebiete als Lebens- und Wirtschaftsräume und nicht nur als landwirtschaftliche Flächen betrachtet werden;

30.

unterstreicht, dass mit der territorialen Agenda nicht nur das Nachhaltigkeitsziel nachhaltiger Städte und Gemeinden (Ziel 11) unterstützt, sondern für ein umfassenderes Konzept der territorialen Entwicklung einschließlich der Entwicklung des ländlichen Raums eingetreten werden sollte;

31.

schlägt vor, dass eine Liste mit 10 bis 12 Kernbotschaften in benutzerfreundlicher Sprache und in einem zuvor festgelegten Format erstellt wird, um der breiten Öffentlichkeit die wichtigsten Botschaften der territorialen Agenda nach 2020 zu vermitteln, und dass diese Botschaften von allen Mitgliedstaaten und den Organen der EU verbreitet werden;

32.

fordert die Europäische Kommission auf, einfache Muster und Leitlinien bereitzustellen und bewährte Verfahren dazu aufzustellen, wie integrierte territoriale Instrumente über einen fondsübergreifenden Ansatz in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden können;

33.

ist der Ansicht, dass die territoriale Agenda wirksam dazu beitragen kann, Urbanisierungstendenzen und die damit verbundenen Herausforderungen für die Großstädte in allen Mitgliedstaaten abzuschwächen;

34.

hebt die Erfolge der europäischen territorialen Zusammenarbeit hervor — die territoriale Zusammenarbeit in Grenzregionen oder auf transnationaler Ebene macht den Mehrwert der europäischen Integration auf beispielhafte Weise greifbar;

35.

unterstreicht, dass die Aufgaben eines eventuell einzurichtenden Sekretariats/Unterstützungsbüros für die territoriale Agenda klar festgelegt werden müssen. In einem Anhang zur territorialen Agenda nach 2020 sollten die Ziele, messbare Indikatoren zur Überwachung der Verwirklichung der Ziele, die Aufgaben und die notwendigen Haushaltsmittel einer solchen Stelle/Einrichtung festgelegt werden;

36.

verweist auf die Erklärung von Bukarest, die von den für Städtepolitik zuständigen Ministern am 14. Juni 2019 angenommen wurde und in der „die Notwendigkeit, eine funktionale Beziehung zwischen der neuen Leipzig Charta, der EU-Städteagenda und der territorialen Agenda 2020+ zu entwickeln“, anerkannt wurde;

37.

ist der Ansicht, dass sich die territoriale Agenda der Europäischen Union aufgrund ihres zwischenstaatlichen, nichtlegislativen Charakters hervorragend für die Zusammenarbeit mit aktuellen und künftigen Drittländern eignet, da sie zur Entwicklung eines gesamteuropäischen Ansatzes für die territoriale Entwicklung beitragen würde (eventuell durch eine Reihe von Programmen wie LEADER, Interreg oder ESPON unterstützt), bei dem die derzeit vorliegenden Vorschläge für 2021-2027 gerade die freiwillige Beteiligung und Kofinanzierung durch Drittländer möglich machen. Diese Programme haben sich auch als erfolgreiche Instrumente zur Stabilisierung und Aussöhnung erwiesen (beispielsweise spielt LEADER eine Rolle im Zusammenhang mit dem Karfreitagsabkommen sowie der Beteiligung der Zivilgesellschaft und dem Aufbau der lokalen Demokratie in der Türkei);

Von der örtlichen Bevölkerung betriebene lokale Entwicklung (CLLD)

38.

spricht sich dafür aus, die Möglichkeit der Nutzung der CLLD mithilfe mehrerer Fonds in allen Regionen der EU überall verpflichtend vorzusehen, wobei gewährleistet werden müsste, dass der CLLD-Ansatz für alle Gebietsarten verfolgt wird: ländliche Gebiete (einschl. Gebiete in Randlage, Berggebiete und Inselgebiete), städtische Gebiete und Küstengebiete. Alle Regionen der EU müssen sämtliche verfügbaren Fonds nutzen können, um ihren Bedürfnissen gerecht zu werden, die in ihren lokalen Entwicklungsstrategien festgelegt sind;

39.

plädiert für eine obligatorische Zweckbindung von 8 % der Mittel aller ESI-Fonds und des ELER für CLLD, um das Potenzial des Instruments und die Synergien verschiedener Fonds für die integrierte lokale Entwicklung voll auszuschöpfen;

40.

betont die Notwendigkeit der Rückkehr zu den Wurzeln der LEADER/CLLD-Methodik, indem insbesondere die Grundsätze eines basisnahen Ansatzes, Partnerschaft, die Sensibilisierungsarbeit und die Rolle integrierter Strategien für die lokale Entwicklung gestärkt werden;

41.

schlägt vor, dass die Verwaltung der CLLD in einem Mitgliedstaat an die einzelnen Gebiete angepasst wird und den lokalen Dynamiken, Strukturen und Maßnahmen entspricht;

42.

würdigt die Bemühungen des AdR (2) und des Europäischen Parlaments (3), mit denen sichergestellt werden soll, dass die CLLD unter Nutzung mehrerer Fonds im Zeitraum 2021–2027 auch weiterhin den ELER umfasst, und fordert mit Nachdruck, dass diese von beiden Institutionen befürworteten Bestimmungen in der endgültigen Einigung mit dem Rat beibehalten werden, da die Vorteile der CLLD nur dann vollständig genutzt werden können, wenn die Möglichkeit besteht, über die ESI-Fonds und über den ELER finanzierte Maßnahmen zu integrieren;

43.

fordert eine Regulierung der CLLD auf EU-Ebene durch eine solide Folgenabschätzung und die Festlegung einheitlicher Regeln für alle ESI-Fonds, um den enormen bürokratischen Aufwand und Überregulierung durch die Mitgliedstaaten zu verringern und gleichzeitig Machtmissbrauch durch die Verwaltungsbehörden oder Zahlstellen zu verhindern;

44.

bekräftigt die Forderung des AdR, den ELER im Rahmen der Dachverordnung zu belassen. Die uneingeschränkte Kompatibilität aller Fonds ist für die Finanzierung der territorialen Instrumente von entscheidender Bedeutung, insbesondere für CLLD/LEADER und ihre lokalen Entwicklungsstrategien;

45.

fordert einen besseren Dialog und eine bessere Koordinierung zwischen allen Akteuren im Rahmen der CLLD (lokale Aktionsgruppen, Verwaltungsbehörden, Generaldirektionen der Europäischen Kommission, Zahlstellen, LEADER-Netzwerke wie ELARD, nationale LEADER-Netzwerke und Netzwerke für den ländlichen Raum), um einen größeren Verwaltungsaufwand und erhebliche Verzögerungen zu Beginn des Programmplanungszeitraums und bei der Auszahlung von Mitteln an die Antragsteller zu verhindern. Der AdR schlägt daher vor, dass die Kommission eine CLLD-Unterstützungsstelle auf EU-Ebene einrichtet, um die Kommunikationstätigkeiten, den Aufbau von Kapazitäten, die Vernetzung und die transnationale Zusammenarbeit aller lokalen Aktionsgruppen in allen Fonds zu unterstützen;

46.

schlägt vor, dass die CLLD unter Nutzung mehrerer Fonds stärker unterstützt werden sollte, beispielsweise durch einen höheren Kofinanzierungssatz. Der AdR bedauert, dass Artikel 120 Absatz 5 der geltenden Dachverordnung über höhere Kofinanzierungssätze für Vorhaben, die durch integrierte territoriale Entwicklungsinstrumente unterstützt werden, nicht in den Vorschlag für eine neue Dachverordnung aufgenommen wurde;

47.

fordert, die vereinfachten Kostenoptionen gemäß den Artikeln 48 bis 51 der neuen Dachverordnung stärker zu nutzen, wodurch der Prüfaufwand für die Verwaltungsbehörden und Endbegünstigten verringert werden könnte. Ebenfalls im Hinblick auf die Vereinheitlichung der Verfahren bei fondsübergreifenden Maßnahmen sollte darüber hinaus der Anwendungsbereich der vereinfachten Kostenoptionen auf den ELER ausgedehnt werden;

48.

weist darauf hin, dass CLLD ein hervorragender Ausgangspunkt für ein weit verbreitetes Verfahren für die Umsetzung lokaler Projekte sein sollte: Die lokalen Aktionsgruppen sollten nicht vollständig von EU-Mitteln abhängig sein, sondern auch als Instrument zur Umsetzung nationaler, regionaler und lokaler Mittel eingesetzt werden, da die lokale Entwicklung weit über die europäischen Struktur- und Investitionsfonds hinausgeht;

49.

fordert den Rat und das Europäische Parlament auf, wieder auf den Vorschlag der Kommission zurückzugreifen, dass die Verwaltungsbehörden binnen zwölf Monaten ab dem Datum der Genehmigung des letzten relevanten Programms die erste Runde der Auswahl der Strategien abschließen und sicherstellen, dass die ausgewählten lokalen Aktionsgruppen ihre Aufgaben erfüllen können;

50.

fordert eine Klarstellung der Rolle der lokalen Aktionsgruppen bei der Projektauswahl, um Doppelungen ihrer Aufgaben durch die Verwaltungsbehörden zu vermeiden. Die lokalen Aktionsgruppen sollten bei der Projektauswahl nicht nur formal, sondern herausragend mitwirken, da dies zu den grundlegenden Prinzipien von LEADER/CLLD gehört;

51.

fordert deutliche und einfache Bewertungs- und Überwachungsmodelle für CLLD-Strategien für die lokale Entwicklung. Die Bewertung ist Teil eines Lernprozesses der jeweiligen Bevölkerung, weshalb es sehr wichtig ist, dass fortlaufend Informationen zusammengetragen werden und die Umsetzung der Strategien der lokalen Aktionsgruppen bewertet wird. Es sollten moderne IT-Lösungen für die Datenerhebung und -analyse in Verbindung mit partizipativen Verfahren und qualitativen Analysen eingeführt werden;

52.

betont, dass die Identifikation mit den Ergebnissen sehr wahrscheinlich einen positiven Beitrag zur Stabilität längerfristiger Entwicklungsstrategien und den langfristigen Auswirkungen leistet, da diejenigen, die die CLLD entwickeln und durchführen, auch von ihren Ergebnissen profitieren;

53.

weist darauf hin, dass erfolgreiche Beispiele bestehender lokaler Partnerschaften, die über den ELER und/oder den EMFF finanziert werden, als Grundlage für die weitere Finanzierung der CLLD über den EFRE und den ESF dienen sollten. Die Vernetzung und Zusammenarbeit über bestehende Netzwerke oder die Schaffung neuer Netzwerke auf regionaler, nationaler und transnationaler/interregionaler Ebene spielen ebenso wie Coaching und Mentoring eine entscheidende Rolle;

54.

betont, dass die CLLD und die mit diesem System geschaffenen Möglichkeiten besser und öffentlichkeitswirksamer vermittelt werden müssen. Während dieses Instrument bereits seit Längerem zur Entwicklung des ländlichen Raums genutzt wird, muss sein Einsatz insbesondere in Bezug auf die städtische Entwicklung erst noch in Schwung gebracht werden. Es muss eine detaillierte Bewertung und Analyse erstellt werden, aus der hervorgeht, welchen Ansatz ein bestimmter Mitgliedstaat in Bezug auf dieses Instrument gewählt hat und welche Empfehlungen für eine wirksame Umsetzung gegeben werden;

55.

weist darauf hin, dass CLLD/LEADER als Instrument von 3 000 Einrichtungen (lokalen Aktionsgruppen & lokalen Aktionsgruppen Fischerei) in der gesamten Europäischen Union genutzt wird. Dies sollte berücksichtigt werden, um die territoriale Zusammenarbeit weiter zu stärken und die europäische Vielfalt durch eine von der Basis ausgehende transnationale Zusammenarbeit zwischen den Bürgerinnen und Bürgern zu fördern. Um die territoriale Zusammenarbeit durch die CLLD weiter zu stärken, müssen Bedingungen geschaffen werden, die es den lokalen Aktionsgruppen ermöglichen, sich auf ihre Rolle zu konzentrieren, indem sie Sensibilisierungsarbeit vor Ort leisten und bei der Entwicklung der besten Ideen und deren anschließender Umsetzung helfen. Ein angemessener Anteil der Mittel muss für die laufenden Kosten und die Sensibilisierung sowie für die transnationale Zusammenarbeit bereitgestellt werden. Gleichzeitig empfiehlt der AdR nachdrücklich, gemeinsame Grundsätze und Regeln für Projekte der internationalen Zusammenarbeit im Rahmen der CLLD auf europäischer Ebene festzulegen, um deren wirksame und reibungslose Umsetzung zu gewährleisten;

56.

weist auf das Verhältnis der CLLD zu anderen integrierten Entwicklungsinstrumenten hin. Als optionales Instrument trägt sie zusammen mit integrierten territorialen Investitionen zur Umsetzung einer umfassenderen Entwicklungsstrategie bei, die eine an die Gegebenheiten vor Ort angepasste Umsetzung der Maßnahmen auf lokaler Ebene ermöglicht. In diesem Zusammenhang fordert der AdR bessere Synergien zwischen CLLD und ITI. Die CLLD kann während des Programmplanungszeitraums 2021-2027 als ergänzendes Instrument innerhalb einer städtischen oder territorialen Strategie eingesetzt werden, sodass sie Teil eines ITI-Ansatzes ist, bei dem der partizipative Ansatz der CLLD einen Vorteil bieten kann, um spezifische lokale Probleme anzugehen;

57.

hält die CLLD für ein unverzichtbares Instrument zur Umsetzung der Vorschläge des AdR (4), denen das Europäische Parlament anschließend beigepflichtet hat (5). Dementsprechend sollte in aus dem EFRE kofinanzierten Programmen, die Gebiete mit schweren und dauerhaften natürlichen oder demografischen Nachteilen gemäß Artikel 174 AEUV abdecken, der Bewältigung der besonderen Schwierigkeiten dieser Gebiete besonderes Augenmerk gewidmet werden;

58.

hält die lokalen Aktionsgruppen für die idealen Partner, wenn es darum geht, als Innovationsbroker für das Konzept der intelligenten Dörfer und als Katalysatoren des Potenzials ländlicher Gebiete zu fungieren, zumal sie dies in vielen Fällen bereits tun. Die lokalen Aktionsgruppen bieten ein starkes Instrument für die endogene Entwicklung ihrer Gebiete, sie verfügen über direkte Verbindungen zu örtlichen Unternehmen, Gemeinden und der Zivilgesellschaft und schaffen infolgedessen starke Kapazitäten in der Region, an denen lokale und regionale Ressourcen und die Fähigkeiten der Menschen beteiligt sind;

59.

unterstützt den Vorschlag des Europäischen Parlaments, dass aus dem EFRE finanzierten Vorhaben für Gebiete mit strukturellem Bevölkerungsrückgang potenziell 5 % der EFRE-Mittel der integrierten territorialen Entwicklung in nichtstädtischen Gebieten mit natürlichen, geografischen oder demografischen Beeinträchtigungen oder Nachteilen oder erschwertem Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen zugewiesen werden könnten. Von diesem Betrag würden ferner mindestens 17,5 % ländlichen Gebieten und Gemeinschaften zur Entwicklung von Projekten, beispielsweise von intelligenten Dörfern, zugewiesen. Der AdR ist der Auffassung, dass sich die CLLD an vielen Orten hervorragend für die Umsetzung eines solch ehrgeizigen Vorschlags eignet;

60.

sieht die Einbeziehung lokaler Akteure und den Ausbau ihrer Kapazitäten als einen der größten Vorteile der CLLD-Methode an. Eine integrierte lokale Entwicklung hat sich als äußerst wirksam erwiesen, um zwischen verschiedenen Interessenträgern und Fragen der lokalen Entwicklung Brücken zu schlagen und Synergien zu schaffen. Die lokalen Aktionsgruppen haben sich als ein sehr erfolgreiches Instrument für die strategische Planung, die Sensibilisierungsarbeit, die Vernetzung und die Koordinierung von Aktivitäten erwiesen, z. B. durch die Aufstellung lokaler Aktionspläne für Bildung und soziale Dienstleistungen in einigen Mitgliedstaaten.

Brüssel, den 8. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Von der örtlichen Bevölkerung betriebene Maßnahmen zur lokalen Entwicklung“, Brüssel, 29. November 2012, Berichterstatter Graham Garvie, CDR 1684/2012, COTER-V/031 (ABl. C 17 vom 19.1.2013, S. 18).

(2)  Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen“, Berichterstatter: Michael Schneider und Catiuscia Marini, Brüssel, 5. Dezember 2018, CDR 3593/2018 (ABl. C 86 vom 7.3.2019, S. 41).

(3)  Europäisches Parlament, Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit Haushaltsvorschriften für diese Fonds (Bericht Krehl/Novakov), Mittwoch, 27. März 2019 — Straßburg. P8_TA-PROV(2019)0310 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(4)  Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen „Europäischer Fonds für regionale Entwicklung und Kohäsionsfonds“, Berichterstatter: Michiel RIJSBERMAN, CDR 3594/2018 (ABl. C 86 vom 7.3.2019, S. 115).

(5)  Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. März 2019 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und den Kohäsionsfonds (COM(2018) 372 — C8-0227/2018-2018/0197(COD)) (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/27


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030: Follow-up zu den UN-Nachhaltigkeitszielen, zur Ökowende und zum Klimaschutzübereinkommen von Paris

(2020/C 39/06)

Berichterstatterin

:

Sirpa Hertell (FI/EVP), Mitglied des Stadtrats von Espoo

Referenzdokument

:

Reflexionspapier „Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030“ (COM(2019) 22 final)

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030 — Es gibt keinen Planeten B!

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

unterstreicht die Schlussfolgerungen des Rates (1) über die Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung und bekundet sein ausgeprägtes Interesse daran, dass die EU weiterhin eine führende Rolle bei der Umsetzung der Agenda 2030 spielt, die als übergreifende Priorität zum Nutzen und für das Wohlergehen der EU-Bürgerinnen und Bürger und als Voraussetzung für die Wiederherstellung und Stärkung der Glaubwürdigkeit der EU in Europa und weltweit beschleunigt werden muss;

2.

begrüßt die Wiederbelebung der Debatte über eine ehrgeizige Klimapolitik der EU, befürwortet einen Vorschlag über den von der gewählten Präsidentin der Kommission, Ursula von der Leyen, angekündigten europäischen Grünen Deal mit höher gesteckten EU-Zielen bis 2030 und fordert die neue Europäische Kommission auf, bei der Auflegung des Grünen Deals, der auf Klimaneutralität bis 2050 abhebt, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften als echte Partner für Nachhaltigkeit und Klimaschutz mit einzubeziehen;

3.

erachtet es als wichtig, die neue EU-Strategie „Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030“ als Grundlage für die langfristige europäische Zukunft zu definieren. Europa ist zwar bereits Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit, steht indes vor komplexen globalen Herausforderungen, die die Europäische Union bewältigen muss. Der AdR ist überzeugt, dass das Ziel einer nachhaltigen Europäischen Union und die Umstellung auf Klimaneutralität bis 2050 tiefgreifende Veränderungen notwendig machen, die über gemeinsame Anstrengungen aller Regierungsebenen und gesellschaftlichen Gruppen herbeigeführt werden müssen;

4.

hebt die maßgebenden politischen Grundlagen für eine nachhaltige und resiliente Zukunft hervor, u. a. eine entschiedene Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft einschließlich schadstofffreier Materialkreisläufe, ein entschlossenes Engagement für Klimaneutralität und die Bekämpfung des Klimawandels, den Schutz des Naturerbes, der biologischen Vielfalt und Ökosysteme, die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft und Lebensmittelsysteme, Kohärenz und Abstimmung zwischen der Landwirtschafts-, Umwelt- und Klimapolitik sowie sichere und nachhaltige kohlenstoffarme Energie-, Gebäude- und Mobilitätssektoren, wodurch bis 2030 weltweit schätzungsweise mehr als 200 Mio. neue Arbeitsplätze geschaffen und über 4 Billionen EUR an wirtschaftlicher Wertschöpfung erzielt werden können;

5.

unterstreicht die Bedeutung der Menschen, neuer Technologien, Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle wie auch von Unterstützung für Unternehmen und öffentlicher und privater Finanzierung — sowie sämtlicher von der Europäischen Kommission aufgelisteten „horizontalen“ Faktoren für die Verwirklichung eines nachhaltigen und resilienten Europas bis 2030;

6.

bekräftigt seine Empfehlungen zur langfristigen EU-Strategie für ein nachhaltiges Europa bis 2030 (2) sowie die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, zur Verbesserung der EU-Governance, zur Verbesserung der Politikkohärenz im Interesse nachhaltiger Entwicklung sowie zur Verknüpfung von besserer Rechtsetzung und Nachhaltigkeit;

7.

macht deutlich, dass sich die Agenda 2030 auf fünf Säulen stützt: Frieden, Planet, Menschen, Wohlstand und Partnerschaft. Diese Stellungnahme setzt bei der Säule „Planet“ an, und es wird darin die strategische Perspektive für nachhaltige europäische Städte und Regionen bis 2030 entworfen;

Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030: Der Kurs der Städte und Regionen

8.

begrüßt die Umstellung auf eine ressourceneffiziente, kohlenstoffarme, klimaneutrale und biologisch vielfältige Wirtschaft und betont die dringende Notwendigkeit, einschlägige Maßnahmen zu ergreifen und alle Regierungs- und Verwaltungsebenen sowie wirtschaftliche Akteure, Hochschulen, Forschungszentren, die Zivilgesellschaft und Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen;

9.

fordert alle Entscheidungsträger auf allen Governance-Ebenen auf, den aktiven und vielfach innovativen Beitrag anzuerkennen, den die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten zur Erreichung der Ziele leisten, denn sie stehen an vorderster Front und sind für 65 % der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in Europa zuständig;

10.

bestätigt die Erkenntnis, dass zur Umsetzung der SDG und ihrer Teilziele ein reiner Top-Down-Ansatz ungeeignet ist und vor allem Bottom-up-Maßnahmen ausschlaggebend sind — alle Regionen, Städte sowie Bürgerinnen und Bürger müssen als praktische Akteure des Wandels ins Boot geholt werden;

11.

erinnert daran, dass die europaweite Umsetzung der SDG einen umfassenden und systemischen Ansatz erfordert, um Politikkohärenz zwischen ihren verschiedenen Dimensionen zu gewährleisten. Alle SDG hängen zusammen und greifen ineinander, und auch die vier Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung — ihre wirtschaftliche, ökologische, soziale und kulturelle Dimension — sind eng miteinander verflochten und müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden;

12.

unterstreicht, dass sieben der 17 SDG (3) im Zusammenhang mit der Öko- und Klimaschutzwende stehen. Er stellt in diesem Zusammenhang fest, dass sich Ziel 11 (nachhaltige Städte und Gemeinden) unmittelbar an die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften richtet und eine Reihe wichtiger Teilziele beinhaltet, die politisches Handeln und Multi-Level-Governance erfordern;

13.

weist darauf hin, dass 70 % der weltweiten Treibhausgasemissionen auf das Konto der Städte gehen, wobei die lokalen Gebietskörperschaften mehr als 70 % der Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und bis zu 90 % der Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel durchführen;

14.

macht darauf aufmerksam, dass die Regionen und Städte im Klimaschutz eine führende Rolle übernommen haben. Er betont, dass eine ebenenübergreifende Zusammenarbeit und eine stärkere Dezentralisierung benötigt werden, und appelliert an die EU, den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften formell eine aktive Rolle bei der Ausarbeitung von Maßnahmen und Regelungen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Auswirkungen einzuräumen. Er fordert die Mitgliedstaaten daher erneut auf, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften umfassend in die Aufstellung der integrierten nationalen Energie- und Klimapläne einzubeziehen;

15.

betont, dass es für die Verwirklichung der Agenda 2030 von entscheidender Bedeutung ist, Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Rahmen der Klimaschutz-, Energie- und Umweltpolitik auf lokaler und regionaler Ebene zu verankern. Deshalb befürwortet er den weiteren Ausbau von europäischen Partnerschaften (4), Städte- und Regionennetzen (5) wie der „Under2Coalition“, grenzübergreifender Zusammenarbeit (6) und grenzübergreifenden Plattformen, um gemeinsame Strategien zu entwickeln, Maßnahmen zu koordinieren, effizientere Strategien durchzuführen und Ressourcen zu bündeln, insbesondere in den Bereichen Eindämmung des Klimawandels und Anpassung an seine Auswirkungen, Umweltschutz und Erhaltung der biologischen Vielfalt;

Ein nachhaltiges Europa bis 2030: eine kohlenstoffarme, klimaneutrale und biologisch vielfältige Kreislaufwirtschaft

16.

tritt für eine ganzheitliche EU-Klimaschutzstrategie ein, die auf einem systemischen Ansatz beruht. Er stellt fest, dass die bisherigen Maßnahmen häufig nach Sektoren, nach städtischen und ländlichen Anwendungsbereichen sowie nach Kategorien wie unter das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) fallende Sektoren, Nicht-EHS-Sektoren und Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) getrennt sind. Er ermutigt die Regionen und Städte, in der Zeit bis 2030 die schrittweise Umstellung auf ein neues systemisches Modell voranzutreiben und neue und umfassendere Lösungen zu erproben;

17.

stellt sich hinter die Forderung des Europäischen Parlaments, dass die Mitgliedstaaten geeignete Strategien und Finanzierungen für wirksame Emissionssenkungen schaffen sollten, wobei mit Finanzmitteln der Union aus den einschlägigen Fonds nötigenfalls zusätzliche Unterstützung geleistet werden könnte (7);

18.

fordert eine Kombination von geeigneten Marktmechanismen, Änderungen in der Besteuerung, Fördermaßnahmen, gesetzliche Vorgaben und Selbstverpflichtungen der öffentlichen Hand auf der Ebene der Mitgliedstaaten und regionalen und lokalen Gebietskörperschaften zur Mobilisierung von Klimaschutzinvestitionen in den Nicht-EHS-Sektoren im Hinblick auf kostenwirksame Emissionssenkungen. In diesem Zusammenhang begrüßt er den Vorschlag der gewählten Präsidentin der Kommission, Ursula von der Leyen, einen europäischen Grünen Deal aufzulegen und eine europäische Klimabank einzurichten;

19.

ist indes überzeugt, dass neben dem EHS wirksame Maßnahmen zur schrittweisen Abschaffung direkter und indirekter Subventionen für fossile Brennstoffe (wie beispielsweise die geltenden Steuerbefreiungen für Flugzeugtreibstoff) notwendig sind, um gleiche Bedingungen für erneuerbare Energien zu schaffen, Verhaltensänderungen anzustoßen und die erforderlichen Ressourcen für eine gerechte Wende zu mobilisieren. In diesem Zusammenhang begrüßt er die von der gewählten Präsidentin der Kommission, Ursula von der Leyen, angestoßene Debatte über die Bepreisung von CO2-Emissionen und die Einführung einer CO2-Grenzsteuer;

20.

schlägt vor, starke marktbasierte Anreize einzuführen, um die Entwicklung neuer CO2-Senken und die Ersetzung von Materialien mit hohem durch nachhaltige Alternativen mit niedrigem CO2-Fußabdruck zu fördern, sowie zusätzliche Anstrengungen zur Unterstützung von Forschung und Entwicklung zu unternehmen, um neue CO2-reduzierende Technologien und Messverfahren weiterzuentwickeln;

21.

fordert die Anhebung der EU-Klimaziele im Einklang mit dem Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) über 1,5 °C globale Erwärmung auf ein erreichbares Niveau und schlägt vor, ein CO2-Budget aufzustellen und Mechanismen zur Verringerung der verbleibenden Klimagasemissionen festzulegen sowie die für 2030 und 2040 vorgesehenen Ziele zu revidieren und an das Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 anzupassen. Er betont, dass soziale Gerechtigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten sowie die internationale Zusammenarbeit gewährleistet werden müssen;

22.

empfiehlt der Europäischen Kommission, in Zusammenarbeit mit dem AdR während des finnischen Ratsvorsitzes in einer Studie zu analysieren, wie ein stärker systemisch ausgerichteter Ansatz für die Zeit nach 2030 geplant und durchgeführt werden kann;

23.

ruft die Regionen und Städte auf, als treibende Kraft der schrittweisen Umstellung auf das neue systemische Modell vor 2030 neue Lösungen zu erproben;

24.

merkt an, dass die Wirksamkeit und Kosteneffizienz der Klimaschutzmaßnahmen bei der Entwicklung eines stärker systemisch ausgerichteten EU-Ansatzes als wesentliche Orientierungsmaßstäbe angelegt werden müssen, auch im Zusammenhang mit Maßnahmen wie der Ausweitung und Stärkung des Emissionshandelssystems bei gleichzeitiger Verbesserung seiner Beständigkeit und Berechenbarkeit;

25.

weist darauf hin, dass die Verwirklichung der SDG und Klimaschutzziele eine erhebliche Aufstockung der Investitionen in umweltgerechte Lösungen erfordert. Wenn bspw. der Klimagasausstoß bis 2050 um mehr als 90 % gesenkt werden müsste, dann müssten die jährlichen Investitionen in saubere Lösungen im Vergleich zum derzeitigen Umfang mehr als verdreifacht werden;

26.

schlägt vor, zur Eindämmung des Klimawandels das Emissionshandelssystem auszuweiten und zu stärken. Leitprinzip sollte dabei ein ausgewogenes und effizientes Kosten-Nutzen-Verhältnis sein;

27.

unterstreicht die Bedeutung und den Einfluss der europäischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und den wichtigen Beitrag der Bürgerinnen und Bürger, die auf globaler Ebene durch Initiativen wie den globalen Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie und die Städteinitiative „UN SDG 25 + 5 Cities Leadership Platform“ den Austausch bewährter Verfahren fördern, um die Umsetzung der SDG auf lokaler Ebene sicherzustellen;

28.

betont, dass die lokalen Akteure und Bürger am besten in der Lage sind, Klimabewusstsein zu fördern und den Klimawandel zu bekämpfen. Gleichzeitig hebt er hervor, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in der Verantwortung stehen, dafür zu sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger gemäß den SDG leben können, aber auch deren Engagement für die Umsetzung der Ziele zu unterstützen;

29.

engagiert sich dafür, der Stimme der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei anstehenden internationalen Foren wie der COP 25 der Klimarahmenkonvention und der COP 15 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt Gehör zu verschaffen, und plädiert in diesem Zusammenhang für einen ehrgeizigen, wissenschaftsgestützten globalen Biodiversitätsrahmen mit klaren Zeitvorgaben für die Zeit nach 2020, der umfassend auf die SDG abgestimmt ist. Er fordert die Vertragsstaaten auf, einen Multi-Level-Governance-Ansatz zu wählen und so die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften formell in die Planung, Durchführung sowie MRV (Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung) einzubeziehen. Er bekräftigt seine Forderung nach einer umfassenden Strategie für eine koordinierte Sensibilisierung und Mitwirkung auf allen Ebenen;

Im Detail: ein sozialverträglicher Wandel hin zu einer kohlenstoffarmen, klimaneutralen, biologisch vielfältigen Kreislaufwirtschaft

30.

plädiert für die internationale Entwicklung eines ehrgeizigen, wissenschaftsgestützten, globalen Kreislaufwirtschafts- und Biodiversitätsrahmens mit klaren Zeitvorgaben für die Zeit nach 2020, der auf die SDG abgestimmt ist und sie durchgängig berücksichtigt;

31.

begrüßt die jüngsten Fortschritte der EU bei der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft und der Verbesserung der Abfallbewirtschaftung, stellt jedoch fest, dass der Finanzrahmen und die Rechtsvorschriften auf europäischer Ebene noch wirksamer gestaltet werden müssen, um die Kreislaufwirtschaftsstrategie in die Praxis umzusetzen. Er fordert deshalb die Europäische Kommission auf, im Rahmen des von ihr angekündigten neuen Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft konkrete Vorschläge zu unterbreiten, um den notwendigen kohärenten Rahmen zu vervollständigen, wobei der wichtigen Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften gebührend Rechnung zu tragen ist und insbesondere ressourcenintensive Sektoren wie das Bauwesen sowie Änderungen im Produktdesign angegangen werden. Die sozialen Vorteile des Übergangs zur Kreislaufwirtschaft sollten deutlicher betont werden;

32.

begrüßt die nächste strategische Agenda der EU für 2019-2024 (8), die u. a. nachhaltige Produktions- und Verbrauchsmuster, die Bekämpfung des Klimawandels und eine Trendumkehr bei der Umweltzerstörung, den Übergang zu einer ressourceneffizienteren Kreislaufwirtschaft durch die Förderung von grünem Wachstum, Bioökonomie und nachhaltigen Innovationen sowie die Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit Energiesicherheit und Energiekosten für Haushalte und Unternehmen beinhaltet;

33.

spricht sich für einen ganzheitlichen ortsbezogenen Ansatz in der Umweltpolitik auf der Grundlage von Multi-Level-Governance aus, bei dem den Städten und Regionen eine größere Rolle eingeräumt wird und der Folgenabschätzungen und strategische Umweltbewertungen, Umweltberichterstattung, den Zugang zu Umweltinformationen und die Durchsetzung von Umweltrecht umfasst;

34.

stellt die grundlegende Rolle der Regionen und Städte bei der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft heraus. Kreislauforientierte Regionen benötigen einen integrierten und ganzheitlichen Ansatz, wie aus der AdR-Stellungnahme zu der Richtlinie zu Einwegkunststoffen (9) deutlich wird;

35.

erachtet es als dringend notwendig, den nationalen Energiemix der verschiedenen Mitgliedstaaten an die Anforderungen der langfristigen Dekarbonisierungsstrategie anzupassen. Das bedeutet, dass der Anteil der erneuerbaren Energieträger über das derzeit vereinbarte EU-Ziel von 32 % bis 2030 hinaus erhöht werden muss, insbesondere im Bereich der Grundlast-Versorgung, um den Klimagasausstoß drastisch zu verringern;

36.

fordert die öffentlichen Entscheidungsträger und die Verantwortlichen in der Industrie auf, die Umsetzung des Europäischen Strategieplans für Energietechnologie (SET-Plan) voranzutreiben, damit dank besser sensibilisierter und kompetenter Verbraucher und der Nutzung intelligenter Energienetze der Klimawandel bekämpft werden kann;

37.

gibt zu bedenken, dass die Klimaschutzwende umfangreiche grüne und blaue Investitionen und Innovationen, verstärkte Synergien zwischen Finanzierungsquellen und ein engeres Zusammenspiel zwischen öffentlicher und privater Umweltfinanzierung notwendig macht. Er verweist in diesem Zusammenhang auf seine Stellungnahme, in der er sich mit den spezifischen Anliegen der Regionen auseinandersetzt, die in hohem Maße von fossilen Brennstoffen abhängen (10);

38.

spricht sich dafür aus, dass sämtliche Bewertungen oder Eignungsprüfungen der geltenden EU-Rechtsvorschriften in den Bereichen Wasser, Bodenqualität, Lärm und Luftqualität auch die unabdingbare Notwendigkeit berücksichtigen, die Politikkohärenz im Sinn der SDG zu verbessern, indem die Kreislaufwirtschaft sowie nachhaltige Produktions- und Verbrauchsmuster gefördert und die Probleme im Zusammenhang mit neuen Schadstoffen wie Mikroplastik, Pharmazeutika und Körperpflegeprodukten, Pestiziden, Desinfektionsnebenprodukten und Industriechemikalien in Angriff genommen werden;

39.

ist tief besorgt angesichts der sich weltweit abzeichnenden ökologischen Katastrophe, die im jüngsten Globalen Bericht des Weltbiodiversitätsrats zum Zustand der Biodiversität und Ökosystemleistungen offengelegt wird. Er gibt zu bedenken, dass der Verlust von Biodiversität die Möglichkeiten vieler Länder untergräbt, die SDG umzusetzen, und fordert deshalb die Städte und Regionen nachdrücklich auf, umgehend und dringend Maßnahmen zu ergreifen, um die Belange der Biodiversität (11) in verschiedenen sektorspezifischen politischen Bereichen zu berücksichtigen, u. a. in der Landwirtschaft sowie in der städtischen und regionalen Entwicklung, und auch in (verbindlichen) Rechtsvorschriften klar darauf hinzuweisen, wie wichtig die Biodiversitätsschutzziele sind. Die Europäische Kommission sollte innovative natürliche Lösungen und grüne Infrastrukturen unterstützen, die auf nachgeordneter Ebene zur Bekämpfung der Biodiversitätsverluste und des Klimawandels entwickelt und umgesetzt werden;

40.

fordert erneut die Errichtung einer Europäischen Beobachtungsstelle für Klimaneutralität (12) und stellt die aktive Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Entwicklung von Klimawandel-Observatorien heraus;

41.

befürwortet die Annahme der Neufassung der Trinkwasserrichtlinie, um den Zugang zu Wasser für alle sicherzustellen (wozu ein guter ökologischer Zustand der Gewässer gewährleistet werden muss), das Gesundheitsrisiko auf unter ein Prozent zu senken, den Verbrauch an Flaschenwasser zu reduzieren, Geld zu sparen und das Kunststoffabfallaufkommen sowie CO2-Emissionen zu senken;

42.

fordert, dass bei der Neufassung der Wasserrahmenrichtlinie ebenso beherzt vorgegangen wird oder sogar noch höhere Ziele gesetzt werden, um so den Schutz und die Sanierung der Wasserkörper zu gewährleisten. Er fordert ferner, dass ein angemessener Zustand der Wasserökosysteme in der EU sichergestellt wird;

43.

spricht sich erneut dafür aus, im Interesse einer effizienteren Wasserwirtschaft in der EU den Geltungsbereich der Verordnung über Mindestanforderungen für die Wasserwiederverwendung von der landwirtschaftlichen Bewässerung auf die Bewässerung von kommunalen Grünanlagen wie Parks und öffentlichen Grünlandflächen auszuweiten (13);

44.

erachtet die vom AdR unterstützten territorialen Folgenabschätzungen als ein potenziell nutzbringendes Verfahren, um einen Überblick über die möglichen und unter Umständen sehr differenzierten Auswirkungen der Rechtsvorschriften auf die Klimaschutz-, Energie- und Ökowende in den verschiedenen Regionen in der EU zu erlangen. Der AdR könnte in diesem Zusammenhang seine Zusammenarbeit mit der Gemeinsamen Forschungsstelle im Bereich der Folgenabschätzung vertiefen, um seine einschlägigen Tätigkeiten zu untermauern;

45.

betrachtet das Anliegen eines gerechten Übergangs, dass niemand zurückgelassen wird, als ein Leitprinzip der Klimaschutz- und Ökowende aus sozialer, territorialer und politischer Sicht. Eine Priorität bei der Aufstellung energiepolitisch relevanter Strategien und Programme muss daher der Bekämpfung der Energiearmut gelten. In diesem Sinn sollten konkrete Ziele für die Verringerung der Energiearmut bis 2030 und ihre Beseitigung bis 2050 gesetzt werden (14);

46.

betont die maßgebliche Bedeutung des Engagements junger Menschen. Regionale und lokale Jugendräte und Jugendbewegungen sollten in die Gestaltung und Durchführung der Klimaschutz- und Nachhaltigkeitspolitik einbezogen werden;

47.

hebt hervor, dass die Ökowende tragfähige Unternehmen und gute Arbeitsplätze in der Kreislaufwirtschaft, im Bereich saubere Energie sowie im Agrar- und Lebensmittelsektor schafft, und appelliert an die EU, die Kohärenz der Klimaziele über die Kohäsionspolitik, den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) und InvestEU zu verbessern und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Umsetzung der SDG lokal und regional verankert ist;

Ziele, Teilziele, Indikatoren und Daten

48.

bekräftigt, dass im Rahmen einer übergreifenden EU-Nachhaltigkeitsstrategie sowie von Nachhaltigkeitsstrategien der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Agenda 2030 gemeinsam vereinbarte konkrete Zwischenziele, Indikatoren und die Echtzeit-Messung von Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsdaten für die Kommunen, Städte und Regionen unverzichtbar sind, um die wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Nachhaltigkeits-Teilziele zu erreichen;

49.

macht deutlich, dass eine Reihe von Leitindikatoren für die Agenda 2030 auf lokaler und regionaler Ebene sowie solide Klimadaten der nachgeordneten Ebene benötigt und neue Technologien wie künstliche Intelligenz eingesetzt werden müssen, um die Klimamaßnahmen der lokalen Ebene zu beleuchten. Er hebt in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit hervor, die Datenbank des Bürgermeisterkonvents umfassend zu nutzen und durch die Einführung lokal festgelegter Beiträge die lokalen und regionalen Daten mit den national festgelegten Beiträgen zu verknüpfen;

50.

verweist auf die früheren Erfahrungen der Städte und Regionen bei der Entwicklung spezifischer Indikatoren in den Bereichen Umwelt, Lebensqualität und Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger. Die Indikatoren müssen auf den spezifischen lokalen Bedarf zugeschnitten sein;

51.

betont, dass die EU Verfahren für Wissenstransfer und gemeinsame Generierung von Wissen sowie kollaborative, partnerschaftliche und Mentoring-Tätigkeiten ermitteln, fördern und angemessen finanzieren sollte;

Künftige Maßnahmen

52.

verpflichtet sich, seine eigenen Verfahren und Praktiken zu überarbeiten, um die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften besser bei der vor Ort verankerten Durchführung der SDG im Rahmen der EU-Nachhaltigkeitsstrategie zu unterstützen und auf diese Weise den Forderungen der Bürger nachzukommen, mehr gegen den Klimawandel zu tun und konkrete Ergebnisse vorzuweisen;

53.

setzt sich für die Förderung öffentlich-privater Partnerschaften, einer umweltorientierten Auftragsvergabe und die Durchführung von Pilotprojekten in Verbindung mit Ökowende und Klimaschutz ein;

54.

nimmt die Freihandelsabkommen der EU mit anderen Ländern besorgt zur Kenntnis und fordert, dass sie mit den Nachhaltigkeitszielen, dem Übereinkommen von Paris und den EU-Umweltstandards in Einklang stehen sollten;

55.

betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften mit ihrer Kaufkraft bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen und der Durchführung von Arbeiten wesentlich zu nachhaltigem Verbrauch und nachhaltiger Produktion, zu einer ressourceneffizienteren Wirtschaft und damit zur Verwirklichung der SDG beitragen können;

56.

befürwortet das Ziel der Agenda 2030, durch die Schonung der natürlichen Ressourcen und den Schutz der am stärksten gefährdeten Ökosysteme ökologische Nachhaltigkeit zu erreichen, und verweist auf die Bedeutung von Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen auf den nachgeordneten Ebenen und vor Ort im Einklang mit der Politikkohärenz im Interesse nachhaltiger Entwicklung. Dezentrale Zusammenarbeit, Multi-Stakeholder-Partnerschaften, gegenseitiges Lernen und Erfahrungsaustausch sind wichtig, um den ökologischen Fußabdruck der Städte und Regionen hinsichtlich Ressourcenverbrauch und CO2-Emissionen zu verringern oder gar rückgängig zu machen;

57.

begrüßt das Engagement des Europäischen Parlaments für die SDG, insbesondere das Wahlprogramm der interfraktionellen Arbeitsgruppe Klimawandel, Biodiversität und nachhaltige Entwicklung, und plädiert für eine konstruktive Zusammenarbeit mit den einschlägigen EP-Ausschüssen und der interfraktionellen Arbeitsgruppe während der Legislaturperiode 2019-2024;

58.

fordert die Berücksichtigung dieser Empfehlungen in den künftigen Arbeiten der EU-Institutionen in ihrer nächsten Mandatsperiode, in Zusammenarbeit mit dem AdR.

Brüssel, den 8. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  Schlussfolgerungen des Rates (Allgemeine Angelegenheiten) „Auf dem Weg zu einer immer nachhaltigeren Union bis 2030“ vom 9. April 2019.

(2)  COR-2019-00239, „Die Nachhaltigkeitsziele (SDG): Grundlage einer langfristigen EU-Strategie für ein nachhaltiges Europa bis 2030“, ECON-VI/044, Berichterstatter Arnoldas Abramavičius (LT/EVP) (ABl. C 404 vom 29.11.2019, S. 16).

(3)  Bis 2030 den Zugang zu sicherem und bezahlbaren Wohnraum für alle sicherstellen; sichere, bezahlbare, zugängliche und nachhaltige Verkehrssysteme; die Zahl der durch Katastrophen, Luft- und Wasserverschmutzung bedingten Todesfälle deutlich reduzieren; sowie die horizontalen Zielsetzungen, die politische Teilhabe der Bürger zu verbessern, Strategien für eine integrierte städtische und ländliche Raumplanung und soziale Integration zu entwickeln, das kulturelle Erbe zu schützen und den ökologischen Fußabdruck pro Kopf der Städte zu verringern.

(4)  Z. B. die EIT Climate-KIC, Europäische Innovationspartnerschaften, die Energieplattform, Partnerschaften der EU-Städteagenda und der Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie.

(5)  Z. B. ERRIN, Eurocities, das Klimabündnis und der Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie.

(6)  Z. B grenzüberschreitende Klimawandel-Observatorien der Pyrenäen und Alpen und insbesondere die Europäischen Verbünde für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ).

(7)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. März 2019 zum Klimawandel — eine europäische strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris (2019/2582(RSP) (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(8)  „Europa im Mai 2019: Schritte zu einer geeinteren, stärkeren und demokratischeren Union in einer von zunehmender Unsicherheit geprägten Welt“ (COM(2019) 218 final).

(9)  COR-2018-03652 (ABl. C 461 vom 21.12.2018, S. 210).

(10)  COR-2019-00617. Stellungnahme „Umsetzung des Übereinkommens von Paris durch eine innovative und nachhaltige Energiewende auf regionaler und lokaler Ebene“, ENVE-VI/040, Berichterstatter: Witold Stępień (PL/EVP) (siehe Seite 72 dieses Amtsblatts).

(11)  Umweltprogramm der Vereinten Nationen — Globaler Bericht des Weltbiodiversitätsrats (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, IPBES) zum Zustand der Biodiversität und Ökosystemleistungen.

(12)  Siehe auch die Stellungnahme COR-2018-05736 „Ein sauberer Planet für alle — Eine Europäische strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft“, ENVE-VI/037, Berichterstatter: Michele Emiliano (IT/SPE) (ABl. C 404 vom 29.11.2019, S. 58).

(13)  COR-2019-03645. Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestanforderungen für die Wasserwiederverwendung (ENVE-VI/034), Berichterstatter: Oldřich Vlasák (CZ/EKR) (ABl. C 86 vom 7.3.2019, S. 353).

(14)  Siehe auch die Stellungnahme COR-2018-05877 „Multi-Level-Governance und sektorübergreifende Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Energiearmut“, ENVE-VI/038, Berichterstatterin: Kata Tüttő (HU/SPE) (ABl. C 404 vom 29.11.2019, S. 53).


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/33


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Umsetzung des Pakets „Saubere Energie“: die nationalen Energie- und Klimapläne als Instrument für einen lokalen und regionalen Governance-Ansatz bei Klimaschutz sowie aktiver und passiver Energienutzung

(2020/C 39/07)

Berichterstatter

:

József Ribányi (HU/EVP), stellvertretender Vorsitzender des Komitatsrats von Tolna

Referenzdokument

:

Initiativstellungnahme

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

begrüßt die Initiativen der designierten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Rahmen eines künftigen europäischen Grünen Deals und ihren Wunsch, in Zusammenarbeit mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (LRG) Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen;

2.

begrüßt die Verordnung (EU) 2018/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates (1) vom 11. Dezember 2018 über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz, gemäß der die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bis zum 31. Dezember 2018 einen nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) erstellen, der die Grundlage für einen umfassenderen und stärker transversalen Ansatz in der Klima- und Energiepolitik bildet;

3.

betont, dass die NEKP der Mitgliedstaaten für den Zehnjahreszeitraum 2021-2030 gelten und zur Verwirklichung der neuen Energie- und Klimaziele der EU für 2030 auf nationaler Ebene beitragen, die Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung der langfristigen Strategie für Klimaneutralität bis 2050 zur Eindämmung der menschengemachten Erderwärmung schaffen und im Einklang mit den Zielen des Übereinkommens von Paris stehen sollen; fordert die Mitgliedstaaten daher auf, bis Ende 2019 in ihren endgültigen NEKP den ambitionierten Zielen der EU für 2030 gerecht zu werden, insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energien und Energieeffizienz. In ihren ersten Bewertungen der NEKP stellt die Kommission fest, dass gute Fortschritte zu verzeichnen sind, viele Planentwürfe indes den Anforderungen nicht gerecht werden und alle Mitgliedstaaten mit Blick auf die Verwirklichung der übergeordneten Ziele der EU ehrgeizigere Maßnahmen ergreifen und daher ihre Vorschläge ergänzen, präzisieren und nachbessern müssen. Alle Mitgliedstaten sollten unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Kommission nun ihre endgültigen NEKP aufstellen und gewährleisten, dass sie den oben genannten Zielen gerecht werden;

4.

begrüßt, dass in der Governance-Verordnung die Rolle der LRG ab dem Planungsstadium der NEKP anerkannt und gemäß dem Bottom-up-Ansatz eine wirksame Konsultation der Öffentlichkeit für nötig befunden sowie ein ebenenübergreifender Klima- und Energiedialog vorgeschlagen wird. Die Einbindung der LRG sollte sich über alle Etappen erstrecken, vom Planungsstadium über die Antwort auf die vorläufigen Bewertungen der Kommission bis hin zur Durchführung und Überprüfung. Der Ausschuss stellt jedoch fest, dass es vielen Mitgliedstaaten bislang noch nicht gelungen ist, die LRG umfassend in diesen Prozess einzubeziehen, und betont, dass die Einbeziehung der lokalen und regionalen Behörden in die Aufstellung — neben den Mitgliedstaaten — eine effizientere und inklusivere Verwirklichung der Ziele ermöglicht;

5.

weist darauf hin, dass viele Mitgliedstaaten die vorhandenen Strukturen als ausreichend ansehen, um die Ziele der öffentlichen Konsultation sowie des ebenenübergreifenden Klima- und Energiedialogs zu erreichen. Eines der größeren Probleme bestand in der Vergangenheit darin, dass die Mitgliedstaaten glaubten, es alleine schaffen zu können. Er empfiehlt den Mitgliedstaaten, diese Strukturen kritisch zu bewerten, insbesondere im Hinblick auf die Inhalte, die sie generieren können, die Abdeckung und Repräsentativität der lokalen Behörden, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Wirtschaft, Investoren, anderer einschlägiger Interessenträger und der Öffentlichkeit, und die Beiträge dieser Strukturen zugänglich zu machen, um sicherzustellen, dass die in der Governance-Verordnung festgelegten Ziele für die öffentliche Konsultation und den ebenenübergreifenden Klima- und Energiedialog vollständig erreicht werden, mit dem letztlichen Ziel, zu Gesundheit und Wohlergehen aller Bürgerinnen und Bürger und der künftigen Generationen beizutragen;

6.

betont, dass die Kompetenzen der LRG, ihre Zuständigkeit für die Umsetzung und ihre finanziellen Ressourcen bei der Verwirklichung der Energieunion genutzt werden sollten, und empfiehlt daher, dass LRG umfassend an der Umsetzung des Pakets „Saubere Energie“ beteiligt und ihre potenziellen Probleme in diesem Prozess bei möglichen künftigen Überarbeitungen berücksichtigt werden. Er weist darauf hin, dass der Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie und andere vergleichbare Initiativen eine entscheidende Rolle als Orientierungshilfe für die LRG bei der Umsetzung des neuen EU-Energierahmens spielen können;

7.

fordert die Mitgliedstaaten auf, bezüglich ihrer jeweiligen NEKP eng mit dem AdR und seinen Mitgliedern zusammenzuarbeiten. Dies könnte ein wichtiger Bestandteil ihrer jeweiligen öffentlichen Konsultationen sowie ebenenübergreifenden Klima- und Energiedialoge sein und wertvolle Rückmeldungen seitens der lokalen und regionalen Ebene liefern;

8.

erkennt die begrenzte Zeit und die damit verbundenen Schwierigkeiten der Mitgliedstaaten mit der Ausarbeitung des Entwurfs ihrer nationalen Energie- und Klimapläne an und fordert eine ambitioniertere und stärker vertikal ausgerichtete Integration der endgültigen, bis Ende 2019 fälligen NEKP, um einen soliden, klimaneutralen Weg — entsprechend dem Übereinkommen von Paris — für Europa zu gewährleisten, der dem ehrgeizigsten, in der langfristigen Strategie für den Zeithorizont 2050 entwickelten Szenario entspricht; regt in diesem Zusammenhang auch an, ein System lokal festgelegter Beiträge zu entwickeln, um die im Übereinkommen von Paris verankerten national festgelegten Beiträge zu ergänzen, wodurch die Rolle der LRG bei der Aufstellung umfassender NEKP zusätzliches Gewicht erhielte. Die Gebietskörperschaften können mit Informations- und Sensibilisierungskampagnen zu einer wirksameren Erreichung der Ziele beitragen und müssen hierfür über gut ausgebildete Fachkräfte verfügen. Daher wird vorgeschlagen, EU-Mittel für Informationskampagnen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in den Bereichen Energie und Klimaschutz bereitzustellen, mit dem letztlichen Ziel, Gesundheit und Wohlergehen aller Bürgerinnen und Bürger und der künftigen Generationen zu schützen;

Aktive und passive Energienutzung vor Ort im Dienste der NEKP

9.

unterstreicht, dass mit aktiver Energienutzung (in Anlehnung an die Baubranche) — üblich ist auch der weiter gefasste Begriff der „Nutzung erneuerbarer Energie“ — hier die Erzeugung, das Speichern und der Verbrauch von Energie durch örtliche Einheiten (öffentliche, kommunale und private Einrichtungen, Haushalte) vor Ort gemeint ist. Beispiele hierfür sind erneuerbare und saubere Energiequellen (Geothermie, Sonne, Wind, Wärme, Wasserkraft, Gezeitenenergie, Biomasse usw.). Diese Art Energiequellen spielen eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung der Ziele der NEKP für 2030;

10.

betont, dass hingegen „passive Energienutzung“ (in Anlehnung an die Baubranche) — üblich ist auch der weiter gefasste Begriff der „Energieeffizienz“ — für eingesparte Energie aufgrund der effizienten Nutzung sämtlicher erzeugter Energie steht, was die Verringerung des Energieverbrauchs und somit der Endenergiekosten sowie der Umweltverschmutzung bewirkt. Vor diesem Hintergrund sollten die LRG energieeffiziente öffentliche Dienstleistungen auf kommunaler und regionaler Ebene anbieten, bspw. im Wege einer nachhaltigen öffentlichen Auftragsvergabe;

11.

fügt hinzu, dass das Konzept der passiven Energienutzung in engem Zusammenhang mit Klimaaspekten steht, auch bei der Berechnung der allgemeinen CO2-Bilanz von Gebäuden eine Rolle spielt und ein wesentlicher Bestandteil der Kreislaufwirtschaft ist. Aus lokalen, umweltfreundlichen Rohstoffen hergestellte Baumaterialien (Verwendung von Schilf, Pellets, Stroh, Rinde, Hanf, Holz und Leimholz mit vorzugsweise ausgeglichener CO2-Bilanz anstelle von Beton und sonstigen herkömmlichen Baustoffen, die bei Herstellung, Einbau, Abriss und Recycling erhebliche CO2-Emissionen verursachen) sollten von den LRG bei der Erteilung von Baugenehmigungen begünstigt werden, wobei sie den spezifischen Gegebenheiten vor Ort und den Besonderheiten der Gebäude Rechnung tragen sollten. Zudem sollten auch andere Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden gefördert werden. Diese Ansätze sollten in die nationalen langfristigen Renovierungsstrategien übernommen werden, die die Mitgliedstaaten bis März 2020 vorlegen müssen;

12.

betont, dass die LRG sowohl im Bereich der aktiven als auch der passiven Energienutzung wichtige Akteure sind. Als Großinvestoren, Gebäudeinstandhalter, Betreiber öffentlicher Verkehrsdienste, für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit zuständige Stellen, Akteure bei der Bekämpfung der Energiearmut, Regulierungsbehörden im Bereich Stadt- und Raumplanung sowie Flächennutzung, Verwalter der dezentralen Energieerzeugung und öffentliche Auftraggeber im Bereich des umweltgerechten öffentlichen Beschaffungswesens sollten sie in die Umsetzung der NEKP auf nationaler Ebene einbezogen werden. Die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben erfordert eine gut geplante Erzeugung und Nutzung lokaler Ressourcen. In diesem Zusammenhang muss den verschiedenen Arten erneuerbarer Energien, der Energieleistung von Gebäuden sowie der Energieeffizienz und der Nutzung lokaler, natürlicher und umweltfreundlicher Baustoffe Aufmerksamkeit geschenkt werden;

13.

hebt die vielen positiven Auswirkungen hervor, die die Förderung einer verstärkten Erzeugung, Speicherung oder Nutzung aktiv erzeugter, vorrangig erneuerbarer Energie durch die Gebietskörperschaften hat. So ist es im Verkehr, insbesondere im öffentlichen Nah- und Regionalverkehr, besonders wichtig, verstärkt nachhaltige Biokraftstoffe als Zwischenlösung und mittelfristig batterieelektrische und Wasserstoff-Elektromobilität zu nutzen und Maßnahmen zur integrierten Eindämmung der CO2-Emissionen aus dem Verkehr‚ u. a. zur Förderung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Carsharing und anderen innovativen Lösungen, zu ergreifen, da mit einem weiteren Anstieg des Verkehrsvolumens zu rechnen ist und Verbrennungsmotoren mittelfristig weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden. Ein Beispiel für einen nachhaltigen Biokraftstoff als Zwischenlösung könnte Bioethanol als lokal aktiv erzeugte, genutzte und leicht vorhaltbare Energie sein, bei der verwertbare Nebenprodukte (wie Tierfutter) anfallen und mit der die Abhängigkeit von Einfuhren verringert würde und eine erhebliche Zahl von Arbeitsplätzen geschaffen werden könnte. Die Förderung von nachhaltiger Bioenergie darf im Zuge der Überprüfung der Vorschriften über staatliche Beihilfen und der Energiebesteuerungsrichtlinie keinesfalls verhindert werden;

Rolle der LRG bei der Erarbeitung der NEKP

14.

betont, dass die LRG in der Lage sein müssen, Vorschläge und Änderungen für ihre nationalen NEKP vorzulegen, und ihre Rolle von anderen Interessenträgern unterschieden werden muss, die nicht der öffentlichen Verwaltung angehören. Die LRG sollten ein Recht auf direkte Beteiligung an Maßnahmen in puncto Energieeffizienz, Energiewende, Klimawandel und Abkehr von fossilen Brennstoffen haben und darüber hinaus bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Energiearmut eine wichtige Rolle spielen und dabei alle repräsentativen Gemeindeverbände der EU (AdR, Konvent der Bürgermeister) nutzen;

15.

betont, dass die Mitgliedstaaten darüber aufgeklärt werden müssen, dass den LRG bei mehreren Schlüsselprioritäten der Verordnung über die Energieunion eine entscheidende Rolle zukommt. Sie haben einen Anspruch auf unmittelbare Einbindung in Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz, Klimaschutz und Abkehr von fossilen Brennstoffen mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der hierfür erforderlichen Energieinfrastruktur einschließlich Speichertechnologien und Sektorkopplung, und spielen auch bei der Bekämpfung der Energiearmut eine bedeutende Rolle;

16.

weist darauf hin, dass die Öffentlichkeit keine Kenntnis von der Ausarbeitung der NEKP hat und die Konsultationsverfahren zur Erstellung der NEKP aus zeitlichen Gründen bisher nicht so umfassend und intensiv waren, wie es wünschenswert wäre. Dies ist eine bedauerliche Entwicklung, da die NEKP auf lokaler Ebene, in den Gemeinden und Städten, umgesetzt werden; fordert deshalb die Mitgliedstaaten, die Kommission und die LRG auf, die Öffentlichkeit über die Aufstellung der NEKP zu informieren und Strukturen für die Einbeziehung aller Interessenträger in ihre Durchführung vorzusehen, wenn die NEKP in ihrer endgültigen Fassung vorliegen;

17.

hebt hervor, dass die mit den NEKP zusammenhängenden lokalen und regionalen Entwicklungserfordernisse (beispielsweise die Projektvorschläge im Bereich Energieeffizienz, Verringerung der CO2-Emissionen, Klimaschutz und Energiearmut) anhand einer ungefähren Schätzung bestimmt wurden. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, dass die NEKP keine ausreichende lokale und territoriale Dimension aufweisen. Im Übrigen kann die Datenbank des Bürgermeisterkonvents den Mitgliedstaaten mit vielen Unterzeichnern nützliche Daten und Informationen bieten;

Gute Governance: Umsetzung der NEKP in enger Zusammenarbeit mit den LRG

18.

betont, dass die Mitgliedstaaten NEKP mit Umsetzungsinitiativen aufstellen sollten, die für die Energieendverbraucher, die Prosumenten und die sonstigen Energielieferanten auf dem Energieeinzelhandelsmarkt nutzbringend sind. Solche Initiativen bringen zahlreiche Vorteile für das Energiesystem mit sich (geringerer Bedarf an Übertragungsinfrastruktur und Instandhaltung, größere Widerstandsfähigkeit und Flexibilität), einschließlich fairer Preise bzw. Schaffung einer innovativen Preislösung für überschüssige Energie aus solchen Systemen, die in das Netz eingespeist wird;

19.

weist darauf hin, dass die Erfahrung und Sachkenntnis der LRG als an der Durchführung beteiligte Akteure notwendig ist, um Unstimmigkeiten und potenzielle Synergien zwischen den NEKP und dem mehrjährigen Finanzrahmen, dem Europäischen Semester und der langfristigen Strategie der EU für Klimaneutralität bis 2050 zu ermitteln;

20.

betont, dass die laufenden Initiativen und bewährten Verfahren ebenso koordiniert werden müssen. Der AdR weist in Zusammenhang mit Letzterem auf die partizipativen Initiativen des Konvents der Bürgermeister für Klima und Energie hin;

21.

macht darauf aufmerksam, dass die Energieverbraucher dank Initiativen und Sensibilisierungsprogrammen der LRG zu Prosumenten werden können, indem die Nutzung von Energiequellen (Energieerzeugung, -speicherung und -verbrauch vor Ort) ausgebaut wird, vor allem im Wege von Energiegenossenschaften, deren Potenzial noch weiter erschlossen werden muss. Dann könnten die Prosumenten aktive Teilnehmer dezentraler, intelligenter Energienetze sein, die von den LRG eingerichtet werden;

22.

unterstützt einen ebenenübergreifenden Klima- und Energiedialog, zumal dadurch auch die Einbindung der LRG in die politische Debatte über die NEKP verstärkt werden dürfte. Dieser Dialog ist auch für die Gewährleistung von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit unverzichtbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Energie- und Klimaschutzmaßnahmen eng miteinander verknüpft sind und ineinandergreifen. Diesbezüglich müssen die LRG über die entsprechenden Fachkräfte (Energiemanager) verfügen. Daher wird erneut der Vorschlag betont, EU-Mittel für die Schaffung neuer Arbeitsplätze in den Bereichen Energie und Klimaschutz bereitzustellen, mit dem letztlichen Ziel, Gesundheit und Wohlergehen aller Bürgerinnen und Bürger und der künftigen Generationen zu schützen;

23.

nennt als Beispiel den nationalen Klimadialog in Irland, im Rahmen dessen mit Sensibilisierungs-, Mobilisierungs- und Anreizmaßnahmen lokale, regionale und nationale Klimaschutzinitiativen gefördert werden. Dank dieser bewährten Praxis wird ein Konsens über Lösungen zur Bewältigung der Herausforderungen geschaffen, und die notwendigen Schritte können unternommen werden. Dies ermöglicht es den Interessenträgern, ständige, der systematischen Abstimmung dienende Mechanismen und Plattformen zu wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und das öffentliche Interesse betreffenden Fragen einzurichten, die mit der Energiepolitik und dem Klimaschutz zusammenhängen. Somit spielt der nationale Dialog auch eine wichtige Rolle bei der Festlegung von Prioritäten für die Energiepolitik und den Klimaschutz. Derartige Verfahren müssen in allen Mitgliedstaaten stärker gefördert und verbreitet werden, indem gezielte Informations- und Sensibilisierungskampagnen unterstützt werden;

24.

empfiehlt, dass die LRG von den Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung neuer Energie- und Klimaszenarien als echte Partner anerkannt werden. Zunächst müssen auf lokaler Ebene auftretende Herausforderungen und Hindernisse erkannt und in Angriff genommen werden und geeignete Maßnahmen festgelegt und wirksame Umsetzungsstrategien ermittelt werden, um nationale und europäische Verpflichtungen glaubwürdig zu machen und um die Akzeptanz der notwendigen Veränderungen durch die Bürger zu erreichen. Die LRG sind nach wie vor die Verwaltungsebene, die den Verbrauchern am nächsten ist: Sie verwalten die dezentrale Energieerzeugung (z. B. Einführung intelligenter Messsysteme und Einrichtung intelligenter Netze), aber auch viele Aspekte der notwendigen Änderungen an den bestehenden Energieinfrastrukturen. Darüber hinaus leiten sie Sensibilisierungs- und Informationsprogramme im Energie- und Klimaschutzbereich ein, mit denen die Ausgaben und der CO2-Fußabdruck der Haushalte und Unternehmen verringert werden, und sie fördern geeignete Investitionsbedingungen;

25.

betont, dass Energiewende und Klimaschutz ein abgestimmtes Vorgehen der verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen (EU, national, regional und lokal) sowie des öffentlichen und des privaten Sektors, der Forschungs- und Innovationszentren und der Akteure aus dem Wissenschafts- und Hochschulbereich erfordern. In diesem Zusammenhang sind auch aktive und passive Energienutzung relevant, denn sie tragen durch die Verbesserung der Lebenszyklus-Energiebilanz und die damit verbundene Verringerung des CO2-Fußabdrucks zu Energiewende und Klimaschutz bei;

26.

macht darauf aufmerksam, dass die Energiearmut ein komplexes Problem ist und daher mit den NEKP unter Nutzung der Datenbanken/Veröffentlichungen der Europäischen Beobachtungsstelle für Energiearmut aus energie- und klimapolitischer Sicht angegangen werden muss. Ferner ist es wichtig, dass die Bewertung der nach Artikel 3 der Verordnung über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz von Energiearmut betroffenen Haushalte auf genauen und überprüfbaren Daten beruht;

27.

empfiehlt, dass die LRG die nationalen Regierungen bei der Durchführung der zukunftsweisenden Projekte im Rahmen der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) sowie der Initiativen Jaspers und ELENA unterstützen, die zur Verwirklichung der europäischen klima- und energiepolitischen Ziele beitragen. In diesem Sinne sollte die europäische Plattform für Investitionsberatung ein beschleunigtes Verfahren zur Unterstützung von Städten gewährleisten, die sich zur Entwicklung von Projekten mit geringen CO2-Emissionen verpflichtet haben;

28.

betont, dass bessere Synergien zwischen den ESI-Fonds und dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen von entscheidender Bedeutung für die Umsetzung grenzübergreifender nachhaltiger Energieprojekte sind;

29.

weist darauf hin, dass mit den NEKP Innovationen im Energiebereich gefördert werden sollten, um die Umstellung auf eine Niedrigemissionswirtschaft und Klimaneutralität bis 2050 im Sinne einer krisenfesten, zukunftsorientierten Energieunion mit einer Klimapolitik, die neue Impulse für Beschäftigung, Wachstum und Investitionen geben kann, voranzubringen. Die LRG sollten insbesondere in Initiativen für intelligente Städte in Verbindung mit einem umweltgerechten öffentlichen Beschaffungswesen im Bereich saubere Energie — etwa in Bereichen wie Energieeinsparungen im städtischen Verkehr, interregionale Verkehrsstrategien, Zusammenarbeit bei neuen Speichertechnologien und intelligente öffentliche Gebäude — einbezogen werden;

30.

empfiehlt, dass der AdR als Einrichtung, welche die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften vertritt‚ über sein Pilotprojekt regionaler Hubs (Kontaktstellen) moderierend an der Umsetzung der NEKP mitwirkt sowie am ebenenübergreifenden Klima- und Energiedialog teilnimmt und auf diese Weise eine weitere Möglichkeit schafft, eine von den nationalen Rahmenbedingungen unabhängige Verbindung zur lokalen und regionalen Ebene herzustellen;

31.

fordert die Europäische Kommission in diesem Sinn auf, ihre Beteiligung an der Organisation eines regelmäßig stattfindenden Forums zur Erörterung von Klimaschutz- und Energiefragen einschl. der NEKP zu erwägen. Dadurch würde die Zusammenarbeit zwischen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, der GD Klimapolitik, der GD Energie, der Fachkommission ENVE des AdR und den Mitgliedstaaten erleichtert. Dieses Forum könnte nach dem Vorbild der aktuellen Technischen Plattform für die Zusammenarbeit im Umweltbereich (GD Umwelt und Europäischer Ausschuss der Regionen) gestaltet werden, die im Einklang mit dem allgemeinen Umweltaktionsprogramm der Union für die Zeit bis 2020 „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“ (7. UAP) den Dialog über regionale und lokale Probleme und Lösungen bei der Umsetzung des EU-Umweltrechts fördert. Das neue Forum könnte umfassend den ebenenübergreifenden Klima- und Energiedialog in allen Mitgliedstaaten unterstützen, dadurch u. a. den Austausch von Informationen, eine Bestandsaufnahme der Fortschritte sowie den Austausch von bewährten Praktiken und Erfahrungen ermöglichen und so zur Verbesserung der Ergebnisse von Klimaschutz- und Energiemaßnahmen wie auch zur Stärkung der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen allen beteiligten Akteuren beitragen;

32.

macht darauf aufmerksam, dass eine erfolgreiche Umsetzung der NEKP die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union stärkt, zu ihrer wirtschaftlichen Stabilität beiträgt und klare Rahmenbedingungen für Investoren schafft;

33.

weist darauf hin, dass die NEKP durch örtliche, lokal erzeugte Ressourcen eine Verbindung zwischen städtischen und ländlichen Gebieten schaffen. Hierdurch wird den Landbewohnern eine Zukunft gewährleistet und der Energiebedarf städtischer Gebiete auf klimafreundliche Weise gedeckt;

34.

betont, dass es sich bei den NEKP nicht um abgeschlossene Einzelinitiativen handelt. Die Fertigstellung der NEKP Ende 2019 ist ein erster Meilenstein, doch müssen sie danach stetig weiter perfektioniert und fortentwickelt werden. Es ist daher wichtig, über Strukturen und Foren zu verfügen, die die künftige weitere Verbesserung der NEKP unterstützen können, und sicherzustellen, dass auch der ebenenübergreifende Klima- und Energiedialog umfassend hierzu beitragen kann.

Brüssel, den 8. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 1.


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/38


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Der Beitrag der Regionen und Städte zum neuen politischen EU-Rahmen für KMU

(2020/C 39/08)

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Einführung

1.

stellt fest, dass sich das Wachstum in einigen Mitgliedstaaten abschwächt. Diese Problematik ist am besten auf der regionalen Ebene sichtbar und äußert sich darin, dass Arbeitsproduktivität und Produktionseffizienz langsamer wachsen, der Handel an Dynamik verliert, öffentliche und private Investitionen in Verkehr, Energie und digitale Infrastrukturen anhaltend gering und die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten nach wie vor verhältnismäßig groß sind. In Verbindung mit den globalen Trends wie der nächsten industriellen Revolution, der demographischen Lage und dem sich wandelnden Charakter der Arbeit erfordert dies innovative Lösungen;

2.

hält fest, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften von dem unternehmerischen und innovativen Potenzial der KMU abhängt; begrüßt deshalb die Forderungen der Europäischen Kommission und des Rates nach einer Weiterentwicklung der umfassenden EU-Wirtschaftsstrategie unter Berücksichtigung der besonderen Rolle dieses Sektors;

3.

unterstreicht die Bedeutung des „Small Business Act“ für die Entwicklung von KMU zehn Jahre nach seinem Inkrafttreten, verweist jedoch gleichzeitig auf die Notwendigkeit eines horizontalen Ansatzes bei der Förderung der KMU sowie einer besseren Überwachung der Auswirkungen dieses Programms;

4.

weist auf die Notwendigkeit hin, in den Programmen der Kommission unter Berücksichtigung der Vielfalt des KMU-Sektors spezifische Instrumente für die KMU-Förderung schaffen, wobei gleichzeitig für einen flexibleren effizienzorientierten Ansatz gesorgt und den Unternehmen weitere Entwicklungsschritte ermöglicht werden müssen; erwartet von der Europäischen Kommission Maßnahmen im Einklang mit den Empfehlungen der AdR-Studie zum politischen EU-Rahmen für KMU: aktueller Stand und Herausforderungen (1). Neue Instrumente sollten gut ausgerichtet sein, in erster Linie auf kleine Unternehmen mit riskanten Projekten;

5.

betont die Rolle und die Verantwortung der Mitgliedstaaten und Regionen bei der Schaffung und Umsetzung von Instrumenten für die KMU-Politik der EU. Diese sollten insbesondere den Aufbau von Kompetenzen sowohl der KMU-Beschäftigten als auch der KMU selbst unterstützen, u. a. im Bereich der Digitalisierung, die der Entwicklung dieser Unternehmen auf lange Sicht zugutekommt;

6.

verweist darauf, dass es dringend notwendig ist, die Entwicklung von KMU auch außerhalb von Ballungsräumen zu fördern, insbesondere im Rahmen der operationellen Programme der EU-Mitgliedstaaten;

7.

weiß um die Bedeutung von Start-up-Unternehmen unter den KMU (2), da sie zahlreiche radikale Innovationen auf den Weg bringen; verweist jedoch darauf, dass auch bestehende Unternehmen in ihrer Scale-up-Entwicklung und bei inkrementeller Innovation vom Eintritt in den lokalen Markt bis hin zum Eintritt in den Weltmarkt unterstützt werden müssen. Die europäische Politik sollte im Hinblick auf die Unterstützung von Unternehmen einen breiter angelegten Ansatz verfolgen;

8.

ist der Auffassung, dass die EU-Politik in allen europäischen Regionen die Eingliederung der KMU in die internationalen Wertschöpfungsketten unterstützen sollte; stellt fest, dass eine Internationalisierung der Wirtschaftstätigkeit bestimmter KMU über das EU-Gebiet hinaus für die Verbreitung bewährter Verfahren sorgen kann, was den europäischen KMU zugutekommt, da dies ihre Produktivität steigern wird, in erster Linie durch den Transfer von Wissen und Know-how;

9.

anerkennt die Bedeutung des Netzes der nationalen KMU-Beauftragten, das bei der Ermittlung von Problemen und Chancen in Bezug auf die europäischen Unternehmer eine wichtige Rolle spielen sollte;

10.

unterstreicht die Notwendigkeit der Förderung und Umsetzung zeitsparender Verwaltungsverfahren sowie des Abbaus des Verwaltungsaufwands auf allen europäischen und nationalen Ebenen, was erhebliche Auswirkungen auf das Funktionieren der KMU hat, u. a. auf die finanziellen Aspekte ihrer Tätigkeit;

11.

verweist darauf, dass der Prozess der Erschließung neuer Finanzierungsquellen für KMU gefördert und der Zugang zu herkömmlichen Finanzierungsmethoden für möglichst viele KMU, die in verschiedenen EU-Regionen tätig sind, erleichtert werden muss;

12.

unterstützt die Forderung nach einer Überarbeitung der derzeit auf EU-Ebene geltenden KMU-Definition, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass mittelständische Betriebe (sog. Mid-Caps mit bis zu 500 Beschäftigten) in ihren Strukturen mit KMU (< 250 Beschäftigte und einem Jahresumsatz von ≤ 50 Mio. EUR oder einer Bilanzsumme von ≤ 43. Mio. EUR) durchaus vergleichbar sind, dennoch keinerlei Privilegierung gegenüber großen Unternehmen erfahren;

13.

betont, dass das Konzept einer einzigen Anlaufstelle für die Unterstützung der KMU wichtig ist, und dass zu diesem Zweck die Netze zur KMU-Unterstützung auf europäischer Ebene konsolidiert werden müssen; schlägt vor, auf das bestehende Enterprise Europe Network (EEN) zurückzugreifen. Durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Formen der Unterstützung von KMU im Rahmen eines Netzes sowie durch die Zusammenarbeit dieses Netzes mit dem Netz der KMU-Beauftragten ließen sich die von den KMU und der Europäischen Kommission angestrebten Synergien erreichen;

Weitere Entwicklung der KMU — Risiken und Herausforderungen

14.

stellt fest, dass die KMU in der Europäischen Union vor Herausforderungen stehen, die u. a. mit folgenden Aspekten zusammenhängen: wachsender weltweiter Wettbewerb, Entstehung neuer Geschäftsmodelle, Digitalisierung und Einsatz neuer Technologien sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungssektor, Ausbau der Kreislaufwirtschaft und der kollaborativen Wirtschaft sowie Sicherstellung der nachhaltigen Entwicklung;

15.

betont, dass es wichtig ist, die Zusammenarbeit von Gruppen spezialisierter KMU (Cluster) zu unterstützen; spricht sich für eine kontinuierliche Weiterentwicklung in diesem Bereich bestehender EU-Instrumente aus, so z. B. des EU-Cluster-Portals, der Europäischen Beobachtungsstelle für Cluster und der European Cluster Excellence Initiative;

16.

bekräftigt die wachsende Bedeutung der sozialen Verantwortung von Unternehmen für die Gesellschaft und die natürliche Umwelt;

17.

nimmt die zwischen den KMU und den größeren Unternehmen bestehenden Unterschiede in Bezug auf die Geschwindigkeit und die Intensität ihres Wachstums zur Kenntnis, die aufgrund der Besonderheiten der weniger entwickelten Regionen zu einer wirtschaftlichen Polarisierung der Regionen in der EU führen;

18.

betont, dass die zunehmende Zahl und Komplexität der Verwaltungsvorschriften das Wachstumspotenzial der KMU, und insbesondere der Kleinstunternehmen, beeinträchtigt, die nicht über ausreichende administrative und finanzielle Kapazitäten verfügen, um diese Hürden zu überwinden; spricht sich deshalb für eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands für Unternehmen in der EU aus, insbesondere für den grenzüberschreitenden Verkehr;

19.

stellt fest, dass die zunehmende Zahl innovativer Lösungen auf dem Markt sowie die Tatsache, dass diese für KMU aus finanziellen Gründen nur beschränkt zugänglich sind, dazu führt, dass ein neuer Ansatz erforderlich ist, der in der Förderung der Schaffung und Weiterentwicklung so genannter offener Innovationen besteht;

20.

betont, dass Horizont und COSME für KMU an Bedeutung zunehmen werden, und begrüßt, dass der EFRE im neuen Programmplanungszeitraum 2021-2027 weiterhin die wichtigste Finanzierungsquelle für lokale und regionale Maßnahmen zur Unterstützung von KMU bleiben wird, insbesondere in Bezug auf den Zugang zu Finanzmitteln, Förderung von FuE und Innovation, Kompetenzentwicklung sowie Zugang zu Märkten und Internationalisierung; bekräftigt jedoch seine Einwände gegen den Vorschlag, in den Mittelpunkt der thematischen Konzentration des EFRE die nationale Ebene zu stellen, da ein zentralisierter Zuweisungsmechanismus dem standortbezogenen Ansatz und dem Grundsatz der Multi-Level-Governance zuwiderlaufen würde, die für eine effiziente und wirksame Unterstützung der KMU von wesentlicher Bedeutung sind;

21.

verweist auf die Unterschiede zwischen den sektorspezifischen EU-Politikbereichen, darunter in Bezug auf: öffentliches Auftragswesen, Insolvenzrecht, Schutz der natürlichen Umwelt sowie Unterschiede bei der Unterstützung von Clustern und bei den Grundsätzen der Wettbewerbsfähigkeit. All dies hat erhebliche Auswirkungen auf die KMU und ihre Weiterentwicklung;

22.

hält fest, dass der Binnenmarkt zwar eine Errungenschaft der EU ist, aber weitere Maßnahmen im Hinblick auf seine Vollendung erfordert, z. B. die Beseitigung der bestehenden Hindernisse für den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen — eine der Schwierigkeiten, auf die KMU stoßen, wenn sie ihre Wirtschaftstätigkeit ausweiten und sich die Internationalisierung zunutze machen;

23.

verweist auf den wirtschaftlichen Wandel im Zuge der Digitalisierung, was für die KMU mit einem höheren finanziellen Aufwand für die Anschaffung und/oder den Ausbau von Technologie und Know-how einhergeht;

24.

ruft die Europäische Kommission auf, Instrumente zur Unterstützung der Digitalisierung von KMU in den Regionen der EU zu entwickeln und sich dabei an den Erfolgen der bestehenden Initiativen wie Digital Cities Challenge zu orientieren;

25.

ist überzeugt, dass die Digitalisierung den KMU die Chance bietet, ihre Produkte und Dienstleistungen auf einen umfangreicheren, gesamt- und außereuropäischen Markt zu bringen und den grenzüberschreitenden Handel voranzutreiben;

26.

betont, dass die Herausforderung für die EU darin besteht, das weitere Wachstum der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit (einschließlich der Kosteneffizienz) in den industriellen Wertschöpfungsketten zu gewährleisten und zugleich weiterhin ehrgeizige umweltpolitische Ziele zu verfolgen;

Erwartungen der KMU an die künftige Wachstums- und Entwicklungspolitik

27.

hebt die potenziellen Vorteile von EU-Investitionen in die Integration regionaler unternehmerischer Ökosysteme für die KMU und die Unternehmer hervor und ruft die Europäische Kommission gleichzeitig dazu auf, das Projekt voranzutreiben, das derzeit in Zusammenarbeit mit den europäischen Unternehmerregionen (EER) umgesetzt wird und die europäischen „Silicon Valleys“ miteinander verknüpft;

28.

weist darauf hin, dass viele KMU Schwierigkeiten haben, qualifizierte Arbeitskräfte anzuheuern und zu halten. KMU sind in Bezug auf qualifizierte Arbeitnehmer einer starken Konkurrenz durch große Unternehmen ausgesetzt, die über umfassendere Ressourcen verfügen und höhere Löhne bieten können. Dabei machen die KMU 99 % aller Unternehmen in der EU aus und sind somit das Rückgrat der europäischen Wirtschaft;

29.

verweist auf Folgendes: KMU-Vertreter, darunter auch KMU-unterstützende Akteure und Verbände, sollten aktiver an der Gestaltung und Koordinierung der Umsetzung der EU-politischen Maßnahmen teilnehmen können, die diese Art von Unternehmen unmittelbar betreffen;

30.

erwartet, dass die Vertreter der regionalen Ebene an der Steuerung der EU-Politik zur Förderung der KMU und einer engeren Zusammenarbeit mit den KMU-Beauftragten mitwirken;

31.

hält fest, dass die EU-Industriepolitik auf Innovationen im weitesten Sinne, Schlüsseltechnologien, wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI), Digitalisierung und KMU abstellen sollte;

32.

unterstützt den Plan der Europäischen Kommission, die Verwaltungsverfahren für die Beschaffung von Finanzmitteln und die Berichterstattung zu vereinfachen, die für Kleinst- und Kleinunternehmen mit begrenzten personellen Ressourcen besonders aufwendig sind. Vorschläge wie vereinfachte Kostenoptionen (Einheitsgebühren, Pauschalbeträge und Einheitskosten) erleichtern die Aufstellung und Abwicklung von Projektbudgets, was zu einem Anstieg des Anteils der KMU führen wird, die Unterstützung in Anspruch nehmen;

33.

bevorzugt einen Ansatz, der zunächst lokal und regional und erst dann national und international ausgerichtet ist. Wenn Ideen in kleinerem Maßstab erprobt und inkrementelle Innovationen gefördert werden, können technologisch neue Lösungen schneller entwickelt und in einem für die KMU möglichen finanziellen Rahmen umgesetzt werden;

34.

stellt fest, dass der vorgeschlagene Rahmen für gemeinsame Vorschriften für die europäischen Struktur- und Investitionsfonds flexibel sein muss, damit die operationellen Programme in Regionen, die dies beantragen, auf KMU und Kleinstunternehmen ausgerichtet werden können;

35.

ruft dazu auf, Programme zur Förderung des Potenzials von KMU zu schaffen, beispielsweise in Bezug auf die Nutzung innovativer Finanzinstrumente, die Sensibilisierung für die Bedeutung des Informationsaustauschs und der Zusammenarbeit oder die Möglichkeit und Notwendigkeit der Schaffung langfristiger Wachstumsstrategien und -planungen;

36.

verweist auf die zunehmende Bedeutung der Integration von Clustern, insbesondere von Plattformen für intelligente Spezialisierung, in deren Rahmen die lokalen Gebietskörperschaften eine zentrale Rolle bei der Schaffung integrierter Wertschöpfungsketten auf europäischer Ebene spielen und dadurch den KMU helfen, international zu expandieren;

37.

geht davon aus, dass die starke regionale und lokale Dimension der EEN-Stellen erhalten bleibt, die in Zukunft neue Aufgaben übernehmen könnten;

38.

verweist darauf, dass die von den EEN angebotenen Dienste erweitert werden müssen, u. a. in Bezug auf die Expansion der Tätigkeit von KMU, Informationen über nationale und europäische Vorschriften, Finanzierungsmöglichkeiten in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten, Aufbau von Partnerschaften mit anderen Akteuren der Branche bzw. Akteuren des Produktionsprozesses usw.;

39.

stellt fest, dass die regionalen KMU-Vertretungen gestärkt werden müssen, die z. B. im Rahmen von Plattformen ähnlich der REFIT-Plattform regelmäßig an den Debatten über die vorgeschlagenen Änderungen der Rechtsvorschriften sowie am Prozess der Überwachung, Kontrolle und Bewertung der Auswirkungen dieser Änderungen auf die KMU teilnehmen könnten;

40.

unterstreicht die Bedeutung der Diversifizierung von Finanzierungsquellen für KMU. Die Schließung bestehender Finanzierungslücken für bestimmte Branchen bzw. Arten von Unternehmen sollte eine der Prioritäten sein;

41.

begrüßt die erzielten Vereinbarungen zur Kapitalmarktunion in Bezug auf die Erleichterung des Zugangs von KMU zu öffentlichen Märkten, die Einführung von Maßnahmen zur Vereinfachung und Reduzierung der Kosten und des Regelungsaufwands;

42.

begrüßt die von einigen Mitgliedstaaten ins Leben gerufenen Initiativen zur Stärkung der Beteiligung von KMU an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge;

43.

verweist auf den Aspekt des Zugangs der KMU zu öffentlichen Aufträgen, und würdigt zugleich, dass diese Unternehmenskategorie in der Überarbeitung der Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe berücksichtigt wurde; spricht sich für weitere Maßnahmen zur KMU-Förderung aus;

44.

unterstreicht, dass verspätete Zahlungen, das fehlende Wissen der KMU in Bezug auf wichtige Aspekte der öffentlichen Auftragsvergabe sowie die hohen potenziellen Kosten für rechtliche Schritte nach wie vor zu den größten Hindernissen bei der Stärkung der KMU und der Nutzung der Chancen für ihre Expansion gehören;

Schlussbemerkungen

45.

stellt fest, dass die KMU aufgrund ihrer großen strukturellen Flexibilität und ihres Produktionsprofils in der Lage sind, schnell auf dynamische Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft zu reagieren. Ein Hindernis sind dabei jedoch die finanziellen Mittel, die für derartige Anpassungen unerlässlich sind. Deshalb sollten weitere Vorschläge für Unterstützungsmaßnahmen in diesem Bereich an die Bedürfnisse der KMU angepasst werden;

46.

unterstreicht, dass die KMU angesichts ihres Einflusses auf den Arbeitsmarkt, aber auch auf die Verbraucher, ein wichtiger Interessenträger sind, der für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft mitverantwortlich ist. Dies sollte sich in Steuervergünstigungen oder im Zugang zu europäischen Mitteln niederschlagen;

47.

ist der Auffassung, dass sich die Europäische Kommission die Erfahrungen mit dem Small Business Act und dem Aktionsplan Unternehmertum 2020 zunutze machen sollte. Ziel ist es, zu optimieren und zu vereinfachen, nicht aber, radikale Veränderungen vorzunehmen oder die bisherigen Errungenschaften auf der Suche nach gänzlich neuen Lösungen aufzugeben;

48.

verweist darauf, dass die Zahl der Initiativen zur Vertiefung der interregionalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nach wie vor unzureichend ist;

49.

wiederholt seine Forderung nach einer neuen horizontalen Strategie, die der radikalen wie auch der inkrementellen Innovation einen besonderen Stellenwert einräumen und die Schlüsseltechnologien und wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (auch in Bezug auf die Digitalisierung und KMU) fördern sollte;

50.

ruft die Europäische Kommission auf, nach Lösungen zu suchen, die die Teilnahme von KMU an öffentlichen Ausschreibungen erleichtern, beispielsweise durch einen Bonus für ihre lokale/regionale Herkunft, da die bisherigen Neuerungen unzureichend sind;

51.

verweist darauf, dass die KMU-Förderung trotz der zu begrüßenden umfassenden und vielfältigen Maßnahmen der Europäischen Kommission keine EU-weite Wirkung zeigen wird, wenn manche Mitgliedstaaten dazu tendieren, komplizierte nationale Vorschriften zu erlassen;

52.

betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Gestaltung eines unternehmensfreundlichen Umfelds eine wichtige Rolle spielen und über Instrumente verfügen sollen, die eine Anpassung der Maßnahmen an die sich wandelnden Bedürfnisse der KMU ermöglichen; ist der Auffassung, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften enger in den Prozess der Gestaltung der künftigen EU-Industriepolitik einschließlich der Unterstützung von KMU einbezogen werden sollten;

53.

teilt die Auffassung des Europäischen Parlaments, das eine Erhöhung der allgemeinen Mittelausstattung für das EU-Binnenmarktprogramm 2021-2027 fordert, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der KMU zu stärken, Märkte außerhalb der EU zu erschließen und Innovationen zu nutzen;

54.

ist überzeugt, dass die für den neuen mehrjährigen Finanzrahmen angekündigte Integration aller für die KMU verfügbaren Finanzinstrumente in das Programm InvestEU die erwartete Vereinfachung der Verfahren bringen wird;

55.

ruft die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen um eine Verbesserung der Funktionsweise des Binnenmarkts zu intensivieren, um dessen Potenzial voll auszuschöpfen;

56.

fordert die Europäische Kommission und das Europäische Parlament dazu auf, Instrumente und Mechanismen zu entwickeln, die für die europäischen KMU gleiche Bedingungen im europäischen wie im globalen Wettbewerb, auch in Bezug auf Technologien von strategischer Bedeutung für Europa gewährleisten;

Brüssel, den 8. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  https://cor.europa.eu/en/engage/studies/Documents/EU-SMEs/EU-policy-SMEs.pdf.

(2)  Europäischer Ausschuss der Regionen, Förderung von Start-up- und Scale-up-Unternehmen in Europa: die regionale und lokale Perspektive, ECON-VI/021, Berichterstatter: Tadeusz Truskolaski, COR-2017-00032-00-01, Juli 2017.


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/43


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Bericht zur Umsetzung der Vergaberichtlinien

(2020/C 39/09)

Berichterstatter

:

Thomas HABERMANN (DE/EVP), Landrat des Landkreises Rhön-Grabfeld

I.   ALLGEMEINE BEMERKUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

unterstreicht, dass diese Stellungnahme ein Follow-up der Zusage des AdR ist, im Zusammenhang mit der Taskforce für Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und „Weniger, aber effizienteres Handeln“ und der Agenda für bessere Rechtsetzung Feedback zur Umsetzung der EU-Gesetzgebung auf lokaler und regionaler Ebene zu geben. Der AdR hat daher gemeinsam mit dem Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) eine EU-weite Umfrage zur Bewertung der Umsetzung des Rechtsrahmens der öffentlichen Auftragsvergabe durch lokale und regionale Gebietskörperschaften durchgeführt und eine Studie in Auftrag gegeben. Er betont, dass die Ergebnisse der Umfrage aufgrund der sehr unterschiedlichen Beteiligung aus den Mitgliedstaaten keine EU-weit repräsentative Aussagekraft entfalten können, sondern lediglich Tendenzen erkennen lassen; verweist darüber hinaus auf den im Juli 2019 veröffentlichten Bericht zur ersten Konsultation des Regional Hub-Netzwerkes (RegHub) des AdR (1), der die Ergebnisse der Umfrage von RGRE und AdR im Wesentlichen bekräftigt;

2.

stellt fest, dass die umfassende Reform der Richtlinien zur öffentlichen Auftragsvergabe in 2014 von den Mitgliedstaaten teils in 2016, teils weitaus später in nationales Recht umgesetzt wurde; mit einem Zeitraum von höchstens drei Jahren seit Inkrafttreten des unmittelbar drittwirkenden nationalen Vergaberechts liegt somit ein nur eingeschränkter Einblick in die Rechtsanwendungspraxis der neuen Vorschriften vor;

3.

hebt hervor, dass sich sowohl die behördliche Praxis als auch die Wirtschaftsakteure gerade erst auf das novellierte vergaberechtliche Regime eingerichtet haben und dass zum Teil gegenwärtig noch Anpassungsprozesse laufen; betont ebenso, dass diese Anpassungsprozesse vielerorts mit nicht unerheblichem Schulungsaufwand und auch Beratungsaufwand, zum Teil mit externen Rechtsberatern, verbunden sind; ist vor diesem Hintergrund klar der Auffassung, dass es in den nächsten Jahren nicht angezeigt ist, neue legislative Vorschriften auf den Weg zu bringen;

4.

stellt klar, dass die vorliegende Stellungnahme daher nicht auf eine neue legislative Reform ausgerichtet ist, sondern aktuelle Schwierigkeiten öffentlicher Auftraggeber auf kommunaler und regionaler Ebene im Umgang mit dem Regelungswerk adressiert; geht daneben auf einzelne Aspekte ein, die die Kommission zuletzt in ihrer nicht-legislativen Mitteilung für eine effizientere, nachhaltigere und professioneller gestaltete Auftragsvergabe vom Oktober 2017 (2) vorgelegt hat;

5.

unterstützt das Ziel und die Eckpunkte der Richtlinien, insbesondere die elektronische Beschaffung und die Förderung der Teilnahme von KMU, die neuen Konzepte zur „Inhouse“-Vergabe und interkommunalen Zusammenarbeit, die Möglichkeit im Rahmen eigener politischer Entscheidungsprozesse der Behörden strategische Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu nutzen sowie die Förderung von Transparenz und Integrität;

6.

betont, dass — wie die Ergebnisse der Umfrage gezeigt haben (3) — die grenzüberschreitende Beschaffung für die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften keinen Mehrwert gebracht hat. Trotz regelmäßig EU-weit durchgeführter Ausschreibungsverfahren, die kosten- und zeitaufwendig sind, werden keine oder nur sehr wenige grenzüberschreitende Angebote abgegeben. Der Grund hierfür liegt vermutlich darin, dass die den Staaten zur Verfügung stehenden elektronischen Plattformen unterschiedlich sind und somit ein Hindernis für die Beteiligung von Unternehmen und Einrichtungen aus Nachbarländern darstellen: Plattformen, die in den Nationalstaaten entworfen und umgesetzt werden, sehen häufig nicht die Möglichkeit vor, andere Sprachen zu verwenden oder administrative Anforderungen anderer Staaten als derjenigen aufzunehmen, in denen sich der Auftraggeber befindet;

7.

macht auf die Tatsache aufmerksam (4), dass die rechtsfehlerfreie Anwendung des Rechtsrahmens für das öffentliche Auftragswesen mittlerweile zu einem Ziel als solches geworden ist, anstatt es als Instrument zur Bestellung von Arbeiten, Lieferungen oder Dienstleistungen zu behandeln;

8.

unterstreicht, dass klarer werden muss, unter welchen Umständen lokale und regionale Gebietskörperschaften auch das lokale Wirtschaftswachstum und örtliche Strukturen vor dem Hintergrund des Nachhaltigkeitsgedankens und einer positiven Umweltbilanz durch kurze Wege (z. B. „Holz von hier“) im Sinne des sogenannten Prinzips „buy local“ fördern dürfen;

9.

unterstreicht, dass die mit der Reform von 2014 ermöglichte Berücksichtigung grüner, sozialer oder innovativer Kriterien bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen im Einklang mit dem Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung komplett in das Ermessen der betreffenden Gebietskörperschaft gestellt bleiben muss; ist der Auffassung, dass eine etwaige künftige Verpflichtung zur Anwendung strategischer Vergabeziele bei jeglichem Beschaffungsvorgang klar abzulehnen ist, um eine unnötige Überfrachtung der Vergabeverfahren zu vermeiden; weist darauf hin, dass die Berücksichtigung strategischer Vergabeziele in vielen Beschaffungsvorgängen auch nicht zielführend sein kann, beispielsweise bei Standardbeschaffungen von Produkten;

10.

betont, dass zusätzliche Politikziele sowohl die Fehleranfälligkeit als auch das Konfliktrisiko zwischen diesen Zielen erhöht; hebt hervor, dass Zielsetzungen im öffentlichen Auftragswesen nur bis zu dem Grad und unter der Bedingung erreicht werden können, dass das primäre Ziel, die Bürger mit guten Produkten und Dienstleistungen zu einem vernünftigen Preis zu versorgen, nicht untergraben wird;

11.

hebt ebenso hervor, dass das Recht der Gebietskörperschaften, ihre Dienstleistungen selbst durch eigene Einrichtungen, Regiebetriebe oder öffentliche Unternehmen zu erbringen und zu organisieren in der Reform aus 2014 klar anerkannt wurde ebenso wie das „Inhouse“-Konzept und die interkommunale Zusammenarbeit. Die Auftragsvergabe an Dritte ist insofern nur eine von vielen Alternativen, öffentliche Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen (5). Der AdR betont schließlich das Recht öffentlicher Auftraggeber, an Dritte vergebene Aufträge wieder zu rekommunalisieren;

12.

sieht eine Anhebung der Schwellenwerte, ab denen öffentliche Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, als richtiges Ziel an, um das Verhältnis von Transparenz auf der einen Seite und Verwaltungsaufwand für Behörden und KMU auf der anderen Seite zu wahren; fordert die Kommission insofern auf, auf WTO-Ebene langfristig auf eine deutliche Erhöhung der Schwellenwerte im GPA-Beschaffungsabkommen hinzuwirken;

II.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

Strategische Beschaffung

13.

ist der Auffassung, dass mit der in den Vergaberichtlinien aus 2014 eingeführten Möglichkeit für öffentliche Auftraggeber, strategische Vergabeziele bei der Beschaffung berücksichtigen zu können, in Einzelfällen eine aus Auftraggeberperspektive „bessere Beschaffung“ erzielt werden kann;

14.

gibt zu bedenken, dass der daraus resultierende administrative Aufwand für Gebietskörperschaften allerdings proportional zum Nutzen sein muss, den das öffentliche Auftragswesen im Interesse der Bürger liefern kann. Das öffentliche Auftragswesen ist nicht primär dazu geeignet, politische Ziele, z. B. im Bereich der Umweltverträglichkeit, der sozialen Eingliederung und der Innovation zu erreichen oder bestimmte gesellschaftspolitische Entwicklungen voranzutreiben. Dennoch wird es zunehmend als Vehikel für die Steuerung und Erreichung anderer politischer Ziele genutzt. Ziel und Zweck des öffentlichen Auftragswesens darf aber nicht aus den Augen verloren werden: im Einklang mit den Prinzipien der sparsamen Haushaltsführung und der Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung soll das beste Preis-Leistungsverhältnis ermittelt werden;

15.

weist darauf hin, dass — wie die Ergebnisse der AdR/RGRE-Umfrage gezeigt haben — ein Bewusstsein unter den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften über die Möglichkeit vorhanden ist, grüne, soziale und innovative Vergabekriterien zu nutzen. Diese werden, wie berichtet wird, teilweise zurückhaltend eingesetzt, einerseits weil der Bedarf fehlt, andererseits weil durch die größere Fehleranfälligkeit die Wahrscheinlichkeit von Rechtsmittelverfahren erhöht wird. Vor allem beklagen die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften einen Mangel an Fachkräften, die für den Ausbau dieser Art der Auftragsvergabe erforderlich sind;

16.

hebt hervor, dass lokale und regionale Gebietskörperschaften trotz der Möglichkeit, Aufträge auf der Basis verschiedener qualitativer Kriterien zu vergeben, oftmals den günstigsten Preis vorziehen, weil dieser aus ihrer Sicht den angemessensten Einsatz öffentlicher Gelder rechtfertigt und zudem als Kriterium leichter anzuwenden ist;

17.

nimmt Bezug auf die Kritik der Kommission in ihrer Mitteilung (6), dass bei 55 % der Vergabeverfahren der Zuschlag allein auf Basis des niedrigsten Preises erteilt wird; klärt auf, dass in den betreffenden Vergabeverfahren strategische Zielsetzungen durchaus berücksichtigt worden sein können, da z. B. umwelt- bzw. energieeffiziente Kriterien regelmäßig ebenso effektiv bereits auf der Ebene der Leistungsbeschreibung angebracht werden können und die Zuschlagerteilung anschließend konsequenterweise auf der Basis des niedrigsten Preises erfolgt;

18.

hebt hervor, dass — ausweislich der Ergebnisse der Umfrage — der Bedarf für strategische Vergabekriterien sehr unterschiedlich ist. Ein Bedarf wird für die innovationsfördernde Beschaffung demnach weit überwiegend nicht gesehen, für die soziale Beschaffung ausgewogen beurteilt und für die umweltorientierte Vergabe mehrheitlich bejaht; stellt fest, dass bei der Anwendung aller Kriterien Schwierigkeiten aufgrund der Komplexität des Rechtsrahmens, bei der Festlegung der Bedingungen für die Ausführung des Auftrags und insbesondere der Bewertung der Gleichwertigkeit von nationalen Zertifikaten und Labels bestehen, die die Erfüllung der Kriterien rechtfertigen sollen (7);

19.

hebt hervor, dass die Benutzung innovativer Vergabe, einschließlich Innovationspartnerschaft oder vorkommerzielle Auftragsvergabe bisher auf wenige Gebietskörperschaften in einigen Mitgliedstaaten begrenzt war. Hauptgründe sind, dass die Förderung von Forschung und Entwicklung selten im Vordergrund steht, Standardprodukte beschafft werden oder budgetäre Beschränkungen bestehen. Ein Instrument zur Förderung der innovativen Vergabe könnte die „Big Buyers“-Initiative der Kommission darstellen. Der AdR betont, dass gebündelte Beschaffungsformen und Einkaufsgemeinschaften aber regelmäßig gerade auch kleinere Gebietskörperschaften erleichtern und zu Effizienzgewinnen verhelfen;

Zugang von KMU zu öffentlichen Beschaffungsmärkten

20.

erinnert daran, dass die Förderung von KMU einer von fünf Schwerpunkten in der Vergaberechtsreform 2014 darstellte; weist darauf hin, dass KMU und Start-ups noch immer Schwierigkeiten haben, wirtschaftliche oder fachliche Eignungskriterien zu erfüllen. Daneben bleiben verspätete Zahlungen, mangelnde Kenntnisse der Schlüsselaspekte im Auftragswesen seitens der KMU sowie hohe potentielle Kosten von Rechtsmittelverfahren wesentliche Hemmnisse;

21.

weist darauf hin, dass die bisherigen Maßnahmen zur Erhöhung der Teilnahme von KMU — wie auch die AdR/RGRE-Umfrage zeigt — nicht zu der erwarteten Verbesserung geführt haben;

22.

betont, dass strategische Vergabeziele gerade für KMU regelmäßig ein erhebliches Hindernis bei der Beteiligung an Ausschreibungsverfahren im Vergleich zu professionell aufgestellten Großunternehmen darstellen, da KMU vielfach nicht über die erforderlichen Ressourcen verfügen, um strategische Vergabekriterien zu erfüllen; betont, dass eine Stärkung der strategischen Vergabe dem richtigen und unterstützenswerten Ziel zuwider zu laufen droht, den Zugang für KMU zu öffentlichen Vergabeverfahren zu fördern und zu erleichtern;

23.

unterstreicht in diesem Zusammenhang das Bedürfnis für eine Überarbeitung der derzeit auf europäischer Ebene geltenden KMU-Definition (8); erläutert, dass in der aktuellen Definition mittelständische Betriebe (sog. Mid-Caps mit bis zu 500 Mitarbeitern) in ihren Strukturen mit KMU (< 250 Mitarbeitern pro Jahr und einem Umsatz ≤ 50 Mio. EUR oder einer Bilanzsumme ≤ 43 Mio. EUR) durchaus vergleichbar sind und dennoch keinerlei Privilegierung gegenüber Großunternehmen erfahren; unterstreicht vor dem Hintergrund einer wachsenden Protektionismustendenz wichtiger Märkte die Wichtigkeit, dass sich die EU konstruktiv und betont marktoffen mit den globalen Wettbewerbsverhältnissen zum Wohle der einheimischen europäischen Wirtschaft positioniert und dabei den Mittelstand als starken Wirtschaftsfaktor besonders im ländlichen Raum berücksichtigt;

24.

weist darauf hin, dass das neue Regime für soziale und andere besondere Dienstleistungen die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften vor Schwierigkeiten stellt, die unter anderem mit den Besonderheiten dieser Dienstleistungen und dem besonderen Kontext, in dem sie erbracht werden, zusammenhängen; kritisiert, dass nunmehr ab einem bestimmten Schwellenwert (750 000 EUR) Ausschreibungspflichten gelten, obwohl die Gründe für die fehlende Binnenmarktrelevanz im Bereich dieser Dienstleistungsart weiter fortbestehen; erläutert, dass diese Vorschriften zum Teil nicht zu den nationalen Systemen der Mitgliedstaaten passen. In Fällen, in denen die öffentliche Hand keine selektive Auswahlentscheidung trifft, wenn Dienstleister im Rahmen reiner Zulassungsverfahren oder sog. Open-House-Modelle tätig werden, ist die Vergaberichtlinie laut Urteil des Gerichtshofs nicht anwendbar (9). Die Bestimmungen der Vergaberichtlinie sind jedoch nicht immer gut auf die nationalen Systeme der Mitgliedstaaten abgestimmt und können zu einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand für die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften führen (10). Ferner ist der Anwendungsbereich des Regimes durch die Verweise auf die inhaltlich unbestimmten CPV-Codes im Anhang XIV nicht eindeutig;

25.

vertritt die Auffassung, dass die Ausschreibung in Losen besonders KMU und die mittelständische Wirtschaft fördert und daher einen guten Ansatz darstellt; weist darauf hin, dass nicht leistungsfähige Unternehmen oder zu kleinteilige Lose allerdings den Verwaltungs- und Koordinierungsaufwand bei Vergabestellen erhöhen können;

Grenzüberschreitender Einkauf von Waren und Dienstleistungen

26.

stellt fest, dass der gesamte Anteil der grenzüberschreitenden Vergaben von 5,95 % im Jahr 2013 auf einen Anteil von 3,4 % im Jahr 2017 (11) zurückging;

27.

betont, dass der Begriff des öffentlichen Auftrags funktional auszulegen ist, dass aber auch bei funktionaler Betrachtung unterschiedlich geartete Planungsleistungen bei der Auftragswertberechnung nicht zu addieren sind, sondern vielmehr als getrennte Aufträge behandelt werden können; erläutert, dass dies besonders für den Schutz und die erhöhte Teilnahme von KMU an öffentlichen Vergabeverfahren wesentlich ist;

28.

fordert die Kommission auf, umfassendere Leitlinien für elektronische Verfahren für die Vergabe öffentlicher Aufträge anzunehmen, um die Rechtssicherheit zu erhöhen und die Beteiligung von KMU an solchen Verfahren zu verbessern;

29.

weist darauf hin, dass sich in der Bereichsausnahme des Artikel 10 Buchstabe h der Vergaberichtlinie (Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (12)) die große Bedeutung gemeinnütziger Hilfsorganisationen niederschlägt, die insbesondere im Katastrophenschutzfall durch ehrenamtliche Kräfte aufwachsen können; ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten im nationalen Recht explizit bestimmen können, welche Organisationen als gemeinnützig gelten, wenn durch das nationale Recht gewährleistet ist, dass diese Organisationen den Gemeinnützigkeitskriterien des EuGH (13) entsprechen;

30.

unterstreicht, dass in der AdR/RGRE-Umfrage 70 % der Befragten angeben, dass der grenzüberschreitende Einkauf wegen ausbleibender Angebote aus anderen Mitgliedstaaten keinen zusätzlichen Mehrwert bringt und nur 24 % angeben, dass er den Wettbewerb fördert und zu besseren Alternativen führt; macht auf die Feststellungen des RegHub-Berichts aufmerksam, nach denen in einigen Sektoren, insbesondere in sozialen Bereichen, ihrer Natur nach keine grenzüberschreitende Dimension gegeben ist und somit die erforderliche Binnenmarktrelevanz fehlt;

31.

stimmt grundsätzlich mit dem Ziel der Kommission überein, dass die Zahl der grenzüberschreitenden Vergabeverfahren erhöht werden sollte; weist darauf hin, dass Hintergründe für die geringe grenzüberschreitende Vergabe u. a. die erforderliche Mehrsprachigkeit der Vergabedokumente, die zeit- und ressourcenaufwendig ist und zwangsläufig die Kosten erhöht, sowie die unterschiedliche Auslegung der Vergaberichtlinien durch die Mitgliedstaaten sind;

32.

erläutert, dass eine weitere Hauptursache in den unterschiedlichen Standards und Rechtsvorschriften liegen dürfte, die die Mitgliedstaaten etwa im Bereich des Arbeits- und Arbeitsschutzrechts oder des Bauwesens anwenden; diese halten potentielle ausländische Bieter und insbesondere KMU, denen vielfach die notwendigen tatsächlichen und rechtlichen Ressourcen fehlen, die Vorgaben anderer Mitgliedstaaten zu erfüllen, von der Abgabe von Angeboten ab;

33.

hebt hervor, dass es sehr häufig vorkommt, dass Unternehmen Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten gründen, um näher an den lokalen Märkten zu sein. Meistens werden bei lokalen und regionalen Ausschreibungen Angebote nicht vom Mutterunternehmen, sondern von den Tochtergesellschaften abgegeben. Diese Transaktionen werden in der Statistik über die grenzüberschreitende Beschaffung nicht erfasst;

34.

betont abschließend besonders die Schwierigkeiten für Bieter im Umgang mit den unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Vorgaben für Zertifikate und elektronische Unterschriften über die Grenzen hinweg. Deshalb müssen gemeinsame Leitlinien für die Konzipierung von gemeinsamen Rechtsnormen und IT Systemen sowie die Schaffung von elektronischen Plattformen vorgesehen werden, die die Beteiligung von Einrichtungen und Unternehmen mit Sitz in verschiedenen angrenzenden Staaten ermöglichen;

Maßnahmen zur Verbesserung der Umsetzung

35.

weist darauf hin, dass die von der Kommission avisierte sogenannte Professionalisierung, also die Ausbildung von Verwaltungsbediensteten ausschließlich in der Organisationshoheit der Mitgliedstaaten und insbesondere der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften liegt; befürchtet daneben, dass weitere Leitfäden und Handbücher der Kommission zur Professionalisierung der öffentlichen Auftraggeber (wie beispielsweise der aktuell geplante umfangreiche European Professionalisation Framework — EPF) für Vergabestellen mit den bereits ohnehin umfangreichen Regelungswerk eher zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeuten würde;

36.

begrüßt den endgültigen Aktionsplan der Partnerschaft für innovative und verantwortungsvolle öffentliche Auftragsvergabe im Rahmen der Städteagenda (14) vom 26. Oktober 2018 und unterstützt insbesondere folgende Empfehlungen an die EU-Ebene: Erwägung von EU-Mitteln für die gemeinsame grenzüberschreitende Auftragsvergabe, innovationsfördernde öffentliche Auftragsvergabe, strategische Auftragsvergabe — insbesondere die soziale Auftragsvergabe (d. h. unter Verwendung von sozialen Klauseln und Vergabekriterien bei Ausschreibungsverfahren und Verträgen) sowie die kreislauforientierte Auftragsvergabe; an die Ebene der Mitgliedstaaten: Investitionen in den Aufbau von Kapazitäten für die innovative und verantwortungsvolle öffentliche Auftragsvergabe; an die Ebenen der Mitgliedstaaten und der Kommunen: Schulungen für die kreislauforientierte Auftragsvergabe sowie für die innovative und verantwortungsvolle öffentliche Auftragsvergabe;

37.

ist der Ansicht, dass die EU die Kohärenz zwischen den unterschiedlichen europäischen Politikfeldern, die das öffentliche Auftragswesen, die Wettbewerbs- und Beihilfepolitik regeln, sicherstellen muss, um zu gewährleisten, dass die EU als Industriestandort insgesamt gestärkt wird und europäische Unternehmen in einer globalisierten Welt konkurrenzfähig sind;

38.

ruft die Kommission auf, zur Schaffung von Rechtssicherheit und Entlastung der Vergabestellen vor Ort einen Prozess für verlässliche und eindeutige EU-weit anerkannte Labels und Zertifikate insbesondere im Bereich der Umweltverträglichkeit anzustoßen;

39.

macht darauf aufmerksam, dass die Entwicklung eigener E-Vergabesysteme und nationaler Vergabeportale teilweise Kompatibilitätsprobleme sowohl zwischen als auch innerhalb der Mitgliedstaaten verursacht hat; die Entwicklung vollständig kompatibler Systeme könnte die Verfahren für die öffentliche Auftragsvergabe erheblich vereinfachen und beschleunigen;

40.

hebt abschließend hervor, dass die Richtlinien das Hauptanliegen einer umfassenden Vereinfachung für lokale und regionale Gebietskörperschaften nicht erfüllt haben; ist aufgrund von Kontinuität sowie den oben aufgeführten Gründen aber der Auffassung, dass von einer neuen legislativen Reform in den nächsten Jahren dringend abzuraten ist.

Brüssel, den 8. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  Ausschuss der Regionen, Lenkungsgruppe Subsidiarität, Netzwerk regionaler Hubs zur Bewertung der Durchführung der EU-Politik, Überprüfung und Bericht zur Umsetzung der EU-Politik, 1. Konsultation zum Vergaberecht, Juli 2019.

(2)  Mitteilung der Kommission „Eine funktionierende öffentliche Auftragsvergabe in und für Europa“ vom 3.10.2017 (COM(2017) 572 final).

(3)  Siehe die vom AdR gemeinsam mit dem Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) durchgeführte Umfrage zur Bewertung der Umsetzung der Vergaberichtlinien von 2014: Herausforderungen und Chancen auf regionaler und lokaler Ebene.

(4)  Siehe gemeinsame AdR/RGRE-Umfrage.

(5)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen zum Vergabe-Paket, Berichterstatter: Adrian Ovidiu TEBAN (RO/EVP), 5.7.2018.

(6)  Mitteilung der Kommission „Eine funktionierende öffentliche Auftragsvergabe in und für Europa“ vom 3.10.2017 (COM(2017) 572 final).

(7)  AdR/RGRE-Umfrage.

(8)  Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6.5.2003 (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36).

(9)  Rechtssachen C-410/14 Falk Pharma und C-9/17 Tirkkonen.

(10)  Stellungnahme der REFIT-Plattform zur Wirksamkeit und Effizienz der Auftragsvergabe (Jugendhilfe und soziale Unterstützung) auf Ersuchen des niederländischen Ministeriums für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport, 14.3.2019.

(11)  Europäisches Parlament, Fachabteilung Wirtschaft, Wissenschaft und Lebensqualität Contribution to Growth. European Public Procurement. Delivering Economic Benefits for Citizens and Businesses, Januar 2019.

(12)  ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65.

(13)  EuGH, Urteil in der Rechtssache C-465/17 vom 21.3.2019.

(14)  https://ec.europa.eu/futurium/en/system/files/ged/final_action_plan_public_procurement_2018.pdf


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/48


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Bessere Rechtsetzung: Wir ziehen Bilanz und erneuern unser Engagement

(2020/C 39/10)

Berichterstatter

:

Olgierd GEBLEWICZ (PL/EVP), Marschall der Woiwodschaft Zachodniopomorskie (Westpommern)

Referenzdokumente

:

COM(2019) 178 final

SWD(2019) 156

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Anmerkungen

1.

begrüßt die Bilanz der Europäischen Kommission zum Thema bessere Rechtsetzung und betont, dass eine bessere Rechtsetzung nicht das Feigenblatt für Deregulierungsabsichten sein darf, dass bessere Rechtsetzung und faktengestützte, transparente und inklusive Politikgestaltung angesichts der Angriffe auf die Demokratie und auf Entscheidungen auf der Grundlage von Kompromissen dringend erforderlich sind, aber auch dass Instrumente zur besseren Rechtsetzung niemals eine demokratische Entscheidungsfindung ersetzen dürfen; betont, dass Instrumente zur besseren Rechtsetzung als solche „Kosten“ verursachen (Zeit, personelle Ressourcen usw.) und deshalb auch effizient auszugestalten sind; vertritt die Auffassung, dass bessere Rechtsetzung auf gemeinsamen Anstrengungen aller Regierungs- und Verwaltungsebenen beruhen muss; begrüßt deshalb insbesondere die Feststellung, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und der Ausschuss der Regionen unmittelbarer in die politischen Verfahren der EU einbezogen werden müssen;

2.

hält fest, dass die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union Anspruch auf eine gute und klare Rechtsetzung von europäischem Mehrwert haben, deren Ziele den Adressaten deutlich vermittelt und deren Auswirkungen überwacht werden. Da die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften rund 70 % der EU-Vorschriften umsetzen und anwenden und gleichzeitig über die größte Bürgernähe verfügen, müssen sie auch unmittelbar in die Prozesse der Konzipierung solider EU-Vorschriften und der Bewertung ihrer Wirksamkeit eingebunden werden. Für die Umsetzung der Vorschriften und für die Wahrnehmung der EU ist es ausschlaggebend, dass die Bürger die Ziele der Vorschriften und die sich daraus für sie ergebenden Vorteile verstehen. Deshalb müssen die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften als glaubwürdige Instanzen für die Bürger in vollem Umfang an dem Kommunikationsprozess beteiligt werden — d. h. an der Verbreitung von Informationen, die auf der lokalen Ebene verständlich sind, sowie an der Erläuterung des Zwecks der Vorschriften. Die Rolle des Ausschusses der Regionen als institutionelle Brücke zwischen den EU-Institutionen und den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften ist von entscheidender Bedeutung;

3.

stellt fest, dass die Qualität der Rechtsetzung einer der Schüsselfaktoren für den Erfolg des europäischen Integrationsprozesses ist. Nur wenn im Rahmen der Governance eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen gewährleistet ist, um die Unionspolitik umzusetzen, die Vorschriften wirksam anzuwenden und von der Gesellschaft akzeptierte Lösungen für globale Herausforderungen zu finden, werden Europa stark, seine Institutionen rechtsstaatlich, die Politik wirksam und die Bürger engagiert sein und am Entscheidungsprozess mitwirken; unterstützt in diesem Sinne auch die Feststellung der Europäischen Kommission, dass quantitative Ansätze (zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands um einen bestimmten Prozentsatz) der Komplexität und Vielschichtigkeit der EU-Rechtsvorschriften und ihrer Auswirkungen auf die verschiedenen Ebenen nicht gerecht werden; befürwortet in diesem Zusammenhang auch die Empfehlung der Taskforce für Subsidiarität, dass die Frage der Gesetzesdichte im Verhältnis zu ihrem Nutzen ein wesentliches Element der REFIT-Initiative sein sollte; begrüßt vor diesem Hintergrund die Absichtserklärung der künftigen Kommissionspräsidentin, 2020 eine Konferenz zur Zukunft Europas anzuberaumen, und bekräftigt den Wunsch des AdR nach umfassender Einbindung in alle Debatten über die Verbesserung der EU-Governance sowie seinen Vorschlag für ein System eines ständigen strukturierten Bürgerdialogs zur Stärkung der demokratischen Arbeitsweise der EU;

4.

teilt die Auffassung, dass das Programm für eine bessere Rechtsetzung ein Instrument ist, das zur Verbesserung der Politik der EU beitragen und die Grundlage für vernünftige politische Entscheidungen zur richtigen Zeit bilden soll. Dabei soll gewährleistet werden, dass die Rechtsvorschriften der EU-Organe mehr Positives als Negatives bewirken — mit anderen Worten soll dafür Sorge getragen werden, dass die rechtlichen Maßnahmen faktengestützt und solide konzipiert sind und greifbare und dauerhafte Vorteile für die Bürger, die Unternehmen sowie die Gesellschaft insgesamt bringen. Dies gilt sowohl für neue Vorschriften als auch für das umfangreiche bereits geltende EU-Recht; ist sich der Tatsache bewusst, dass dieses Instrument de facto der Beginn eines Prozesses ist, der auf die Entwicklung der bestmöglichen Rechtsetzungsmechanismen abzielt;

5.

ist sich im Klaren darüber, dass die Schlüsselrolle bei der Politik der besseren Rechtsetzung aufgrund der in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und der zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen den Strukturen der Europäischen Kommission zukommt; erinnert jedoch daran, dass sich eine bessere Rechtsetzung durch Maßnahmen auf EU-Ebene alleine nicht erreichen lässt; verweist nachdrücklich auf das wichtige und immer noch nicht voll ausgeschöpfte Potenzial der Zusammenarbeit mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, bei der der AdR eine natürliche Brückenfunktion übernimmt;

6.

erinnert an die Verpflichtung der Union, gemäß Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit Rechtsvorschriften nur in Bereichen gemeinsamer Zuständigkeit zu erlassen, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können; schließt sich den Schlussfolgerungen der Taskforce für Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit an und begrüßt den Vorschlag für eine offenere Politik unter stärkerer Einbeziehung aller Verwaltungsebenen, wobei der Grundsatz der Subsidiarität künftig als „aktive Subsidiarität“ verstanden werden soll;

7.

betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften derzeit weder in die Verhandlungen zwischen dem EP und dem Rat im Rahmen der Legislativverfahren noch in den offiziellen Mechanismus der Subsidiaritätskontrolle direkt eingebunden sind; verweist jedoch darauf, dass der AdR das Recht hat, bei Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip Klage beim Europäischen Gerichtshof einzureichen, und dass er diese Möglichkeit nutzt, um seine politische Botschaft zu dieser Frage zu verstärken und insofern eine wichtige Rolle dabei spielt, der Stimme der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften Gehör zu verschaffen; fordert die Kommission auf, Möglichkeiten für eine engere Einbeziehung der Regionalparlamente in diesen Prozess auszuloten, wie z. B. deren formelle Einbindung in den Frühwarnmechanismus oder die Ausweitung des Systems der gelben und roten Karten auf die Regionalparlamente, sodass diese einen positiven Beitrag zur Entwicklung der aktiven Subsidiarität leisten können;

8.

weist darauf hin, dass für eine bessere Rechtssetzung vor allem deren Überwachung und Bewertung von entscheidender Bedeutung sind; verweist darauf, dass neue Vorschriften häufig umgesetzt werden, noch bevor die Auswirkungen der bis dato geltenden Vorschriften vollständig und korrekt bewertet wurden. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften setzen den Großteil der EU-Vorschriften um und verfügen deshalb auch über die umfassendsten Kenntnisse ihrer praktischen Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger;

9.

begrüßt die Forderung der Kommission nach einer Stärkung der REFIT-Maßnahmen durch eine umfassendere Mitwirkung des Ausschusses der Regionen;

10.

verweist darauf, dass er dank seiner Kontakte zu den bestehenden Netzen der Vertreter der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften über umfassende Möglichkeiten in Bezug auf die Kommunikation mit den lokalen Gemeinschaften und deren Konsultation in den Mitgliedstaaten verfügt;

Instrumente der besseren Rechtsetzung und Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der besseren Nutzung dieser Instrumente

11.

erinnert daran, dass die Konsultation von Interessenträgern einen wichtigen Beitrag zum Inhalt der Rechtsvorschriften leisten, die Legitimation und zugleich die Akzeptanz der Rechtsvorschriften fördern und so die Umsetzung erheblich effizienter gestalten kann; begrüßt deshalb die Initiative zur Schaffung des Portals „Ihre Meinung zählt“, das dem Austausch mit den Bürgern und deren Konsultation dient; stellt jedoch fest, dass die Antworten einzelner Bürgerinnen und Bürger bislang nur eine Minderheit der Beiträge darstellen, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass das Konsultationsportal und das entsprechende Verfahren noch nicht weithin bekannt sind, spricht sich deshalb dafür aus, die Maßnahmen zur Information über und zur Bekanntmachung der Konsultationen zu stärken, nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften; schlägt zusätzlich spezifische gezielte Konsultationen für die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der EU vor, insbesondere in Themenbereichen, die für sie von großer Bedeutung sind. In diesem Zusammenhang könnten durch die Mitwirkung des AdR, der auf seine Kontakte im Rahmen der Netze von Vertretern der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften zurückgreifen kann, größere Gruppen von Einzelpersonen und institutionellen Akteuren erreicht werden, was wiederum zu besseren Konsultationsergebnissen führen wird;

12.

stellt fest, dass die Bewertung der Auswirkungen der Rechtsvorschriften ein wichtiges Instrument ist, das die Rechtsetzung stärker legitimiert und transparenter macht; begrüßt deshalb die Absicht der Kommission, bei der Durchführung einer solchen Bewertung besondere Aufmerksamkeit auf die Subsidiarität und die Verhältnismäßigkeit zu legen; macht darauf aufmerksam, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in diesem Zusammenhang besonders wertvolle Informationen liefern können;

13.

verweist darauf, dass die Arbeiten an der Entwicklung von Indikatoren für die Bewertung der Wirkung fortgesetzt werden müssen, und zwar unter Berücksichtigung von Instrumenten, die sich auf die subnationale Ebene beziehen, insbesondere von Indikatoren für die Konzipierung politischer Maßnahmen etwa im Bereich der Ziele für nachhaltige Entwicklung oder des sozialpolitischen Scoreboards. Dadurch werden sich die europäischen, nationalen, regionalen und lokalen Entscheidungsträger über die Auswirkungen in den verschiedenen Regionen informieren können und erhalten die Möglichkeit, Aspekte aufzuzeigen, die im Bereich der Rechtsetzung und Politikgestaltung auf lokaler Ebene verbesserungsbedürftig sind;

14.

verweist auf die zwischen den europäischen Regionen bestehenden Unterschiede, die dazu führen können, dass ein und dieselbe Vorschrift unterschiedliche Auswirkungen auf Städte und Regionen hat. Im Rahmen von Folgenabschätzungen in der Anfangsphase sollte bestimmt werden, ob es territoriale Auswirkungen der Umsetzung politischer Maßnahmen gibt, die in einer frühen Phase des Rechtsetzungsprozesses zu berücksichtigen sind, weshalb es zur üblichen Praxis aller Direktionen und Dienststellen der Kommission werden sollte, diesen Aspekt bei der Vorbereitung der Rechtsvorschriften zu überprüfen; ist der Auffassung, dass diese so die für die Erreichung ihrer politischen Ziele optimalen Instrumente besser ermitteln und gründlichere Folgenabschätzungen zu den Rechtsvorschriften durchführen könnten, wo dies notwendig ist, und dass es auch dazu beitragen würde, alle Direktionen der Kommission für die möglichen territorialen und geografischen Auswirkungen ihrer politischen Entscheidungen zu sensibilisieren;

15.

erinnert an sein 2018 ins Leben gerufenes Pilotprojekt zur Errichtung eines Netzes regionaler Hubs für die Sammlung lokaler und regionaler Daten im Bereich der Umsetzung der EU-Politik anhand spezifischer Fragebögen (RegHub); begrüßt, dass dieses Projekt in der Kommissionsmitteilung zur besseren Rechtsetzung unterstützt wird; spricht sich für weitere Anstrengungen aus, um dieses Projekt weiter zu optimieren und nach der positiven Evaluierung der Pilotphase zu einem festen Bestandteil des Politikgestaltung- und Rechtsetzungssystems der EU zu machen;

16.

unterstützt nachdrücklich die Ziele der REFIT-Plattform; gehört seit der Gründung der Plattform 2015 zur Gruppe der Interessenträgern; spricht sich dafür aus, das Mandat der Plattform gemäß den Vorschlägen der Taskforce Subsidiarität auszuweiten, nachdem diese eine Reihe von Problemen aufgezeigt hat, die den AdR daran hindern, noch wirksamer zur Arbeit der Plattform beizutragen; unterstreicht, dass er als beratende Einrichtung am besten in der Lage ist, einen inhaltlichen Beitrag zu leisten, dass er aber aufgrund des überaus spezifischen und technischen Charakters sowie der kurzen Einreichungsfrist der Plattformbeiträge weder sein Potenzial vollends einbringen noch einen entsprechend bedeutenden Beitrag leisten kann; verweist außerdem auf den wichtigen Beitrag, den das Netzwerk RegHub über den AdR zu den Zielen der REFIT-Plattform leisten kann;

Empfehlungen des AdR

17.

würdigt die bisherigen Bemühungen der Europäischen Kommission um eine Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften, empfiehlt jedoch, sektorspezifische Pläne zur Überprüfung der Vorschriften zu erarbeiten, um eine kohärente und systematische Umsetzung der von der Kommission festgelegten Ziele zu gewährleisten; unterstreicht zugleich, dass sowohl für die Bewertung der bestehenden als auch für die Erarbeitung neuer Vorschriften eine stärkere, auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen unerlässlich ist; verweist darauf, dass eine solche Zusammenarbeit die aktive Beteiligung der Regionen und lokalen Gebietskörperschaften umfassen sollte, und zwar bereits ab der Festlegung des jährlichen Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission sowie an der jährlichen Planung der Maßnahmen zur Evaluierung und Überwachung der Rechtsvorschriften, besonders im Hinblick auf die territorialen Auswirkungen;

18.

weist darauf hin, dass die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit in der Beschlussfassung der EU im Rahmen einer umfassenderen Agenda für bessere Rechtsetzung gestärkt werden muss; ruft dazu auf, den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit die höchste Priorität einzuräumen und den Grundsatz der Subsidiarität als aktive Subsidiarität zu verstehen — als Mittel, um sicherzustellen, dass von der Basis ausgehende Vorschläge im Rahmen der bestehenden Zuständigkeiten auf EU-Ebene umfassend berücksichtigt werden. Diese Grundsätze müssen als grundlegende Elemente des EU-Entscheidungsprozesses verstanden werden, der nicht zuletzt in enger Zusammenarbeit mit dem Ausschuss der Regionen als institutionellem Vertreter der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften erfolgt, die für die unmittelbare Anwendung weiter Teile des europäischen Rechts zuständig sind;

19.

verweist darauf, dass die REFIT-Plattform in Bezug auf die Arbeitsmethoden darauf abzielt, die technische und politische Ebene in den gleichen Rahmen einzubeziehen; stellt gleichzeitig fest, dass er als Vertreter der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften als Interessengruppe behandelt wird, was nicht der Art seiner Zusammensetzung entspricht; spricht sich daher dafür aus, die Arbeitsmethode neu zu fassen, um die AdR-Vertreter direkter in den politischen Prozess zur Festlegung der politischen Ziele der Plattform und zur Auswahl der zu prüfenden Vorschriften einzubinden. Auf diese Weise könnten die an den Arbeiten der Plattform beteiligten AdR-Mitglieder in Bezug auf die Umsetzung des europäischen Rechts sowie seine Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger ihre Erfahrungen und ihr Fachwissen in vollem Umfang einbringen und zugleich eine Brücke zu den Netzen des AdR schlagen;

20.

unterstreicht, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften die Möglichkeit haben müssen, die EU-Rechtsvorschriften an die lokalen und regionalen Gegebenheiten anzupassen, um unnötige Bürokratie, Einschränkungen oder Finanzlasten zu vermeiden. Die Taskforce für Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit weist darauf hin, dass die Gesetzesdichte zugenommen hat, sodass der Auslegungsspielraum, der bei der Umsetzung von Richtlinien gegeben sein sollte, kleiner geworden ist. Diese Entwicklung erschwert die Realisierung der von der Kommission angestrebten besseren und effizienteren Rechtsetzung. Die Problematik sollte deshalb im Rahmen der künftigen Arbeit an einer besseren Rechtsetzung angegangen werden;

21.

empfiehlt auch, die REFIT-Plattform umzustrukturieren und Experten der lokalen bzw. regionalen Ebene in die Arbeiten der nationalen Expertengruppe und der Gruppe der Interessenträger einzubinden; betrachtet dies als zusätzliche Möglichkeit, die in der Kommissionsmitteilung enthaltenen Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Rechtssetzungsverfahren umzusetzen;

22.

erinnert daran, dass die Europäische Kommission erklärt hat, ihre Zusammenarbeit mit dem Ausschuss der Regionen sowie mit dem Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Vertretungsorganisationen ausbauen zu wollen. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Pilotphase können die regionalen Netze (RegHub) zu einem wichtigen Instrument für die Stärkung dieser Zusammenarbeit werden; stellt fest, dass dies jedoch voraussetzt, dass die Kommission, der AdR und alle anderen Akteure gemeinsam mit den Netzen den Zeitplan, die Inhalte der Politikbereiche und die Relevanz für die Regionen und Städte festlegen; fordert in diesem Zusammenhang die Europäische Kommission auf, sich schon in der Pilotphase des Projekts stärker zu engagieren;

23.

ruft die Europäische Kommission auf, die Möglichkeit einer Ausweitung der regionalen Netze (RegHub) nach Abschluss der Pilotphase in Erwägung zu ziehen. Der Mehrwert, den das Projekt mit dem Ausbau des Netzes unter Einbindung von rund 280 Regionen bringen könnte, steigt beträchtlich. Europaweite RegHubs könnten sich als ein wichtiges Instrument erweisen, das zur Bewältigung einiger der derzeitigen Herausforderungen beim Projekt für eine bessere Rechtsetzung beitragen könnte. Viele Regionen haben bereits großes Interesse an der Teilnahme an der Pilotphase des Projekts bekundet. Für die Entwicklung und Instandhaltung solcher Netze müssten allerdings finanzielle und personelle Mittel bereitgestellt werden ebenso wie eine Unterstützung für die Regionen, die sich selbst entsprechend organisieren wollen, um nach Abschluss der Pilotphase einen langfristigen Beitrag zur Tätigkeit des Netzes leisten zu können;

24.

begrüßt die 2016 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission unterzeichnete Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung sowie die Tatsache, dass diese Vereinbarung zu einer stärkeren Kontrolle der Verfahren für die Annahme delegierter Rechtsakte und von Durchführungsakten geführt hat; verweist jedoch darauf, dass die Vereinbarung von den unterzeichnenden Institutionen nicht vollständig umgesetzt wird und dass er selbst bei der Ausarbeitung der Vereinbarung leider übergangen wurde; betont, dass es angesichts der angesprochenen Punkte in der Tat im allgemeinen institutionellen Interesse der EU wäre, den Europäischen Ausschuss der Regionen in jede künftige Überarbeitung der Interinstitutionellen Vereinbarung einzubinden;

25.

fordert eine Erweiterung des Ausschusses für Regulierungskontrolle um ein vom Ausschuss der Regionen benanntes Mitglied. Der Ausschuss für Regulierungskontrolle muss nämlich dringend für die regionale und lokale Perspektive des EU-Rechts sensibilisiert werden; ist überzeugt, dass nur eine stärkere und formell geregelte Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und des AdR bei der Gestaltung der Politik und des Rechts der EU zur Gewährleistung wirksamerer Vorschriften und zur Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit und in der Folge zu einer stärkeren Legitimität beitragen kann;

26.

ruft das EP und den Rat auf, bei allen wichtigen Änderungen, die sie im Rahmen des Rechtsetzungsverfahrens vornehmen, Folgenabschätzung durchzuführen; spricht sich außerdem dafür aus, bei einer starken Abweichung der erzielten Einigung von der ursprünglichen Folgenabschätzung der Kommission vor der endgültigen Entscheidung gemeinsam mit den beteiligten Institutionen erneut die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen sowie den Regelungsaufwand zu prüfen; fordert, in solchen Fällen über den Fortgang der Verhandlungen zwischen dem EP und dem Rat sowie über die Auswirkungen auf den ursprünglichen Inhalt der Vorschrift regelmäßig informiert und bei wesentlichen Änderungen nach Möglichkeit erneut konsultiert zu werden;

27.

fordert die Kommission auf, bei künftigen Folgenabschätzungen neben einer Analyse der finanziellen Belastung, die durch eine neue Rechtsvorschrift für den öffentlichen Sektor entsteht, auch eine territoriale Analyse durchzuführen. Auf diese Weise könnten die Überlegungen darüber, ob EU-Rechtsvorschriften das geeignete wirksame Instrument sind, auf einer fundierteren Grundlage angestellt werden;

28.

unterstützt die Europäische Kommission in ihrer Forderung an die Mitgliedstaaten, die Gründe darzulegen, sollte auf nationaler Ebene beabsichtigt werden, bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht spezifische Anforderungen hinzuzufügen („Überregulierung“); meint, dass die Mitgliedstaaten in solchen Fällen und insbesondere wenn diese Anforderungen für die nachgeordneten Ebenen zusätzlichen Aufwand bei der Umsetzung von EU-Recht mit sich bringen, frühestmöglich die Europäische Kommission und den Ausschuss der Regionen unterrichten sollten, damit ein entsprechender Dialog darüber stattfinden kann;

29.

fordert, in die nächste Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung, die künftig zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Europäischen Kommission geschlossen wird, im Rahmen eines Sonderprotokolls insbesondere betreffend die Umsetzung bestimmter Evaluierungs- und Konsultationsmechanismen eingebunden zu werden;

30.

ruft die Europäische Kommission auf, in Zusammenarbeit mit dem AdR Informations- und Schulungsmaßnahmen für Regionen und lokale Gebietskörperschaften über Verfahren und Instrumente einer besseren Rechtsetzung durchzuführen und dabei die in den Mitgliedstaaten bereits laufenden Informations- und Schulungsinitiativen der Regionen bzw. ihrer repräsentativen Verbände zu berücksichtigen. Damit sollen Verbindungen, Synergien und der Austausch von Informationen und bewährten Verfahren zwischen den für diese Initiativen Verantwortlichen und der Europäischen Kommission über den AdR gefördert werden;

31.

empfiehlt, dass die Kommission im Rahmen des Konzeptes der besseren Rechtsetzung Kommunikationskonzepte entwickelt, die darauf abzielen, die Notwendigkeit und den Sinn von schwierigen oder umstrittenen zukünftigen Gesetzesvorhaben der Bevölkerung nachvollziehbar und sinnvoll frühzeitig zu vermitteln;

32.

fordert, den Regionen mit verfassungsmäßigen Gesetzgebungsbefugnissen Rechnung zu tragen und Möglichkeiten für ihre uneingeschränkte und unmittelbare Beteiligung an der Ausarbeitung von Rechtsakten zu schaffen, die mit ihren Zuständigkeitsbereichen in Verbindung stehen;

33.

stimmt mit der Europäischen Kommission darin überein, dass für eine bessere Rechtsetzung gemeinsame Anstrengungen notwendig sind, und unterstreicht zugleich die Mehrebenendimension der besseren Rechtsetzung, die eine Aufteilung der Zuständigkeiten auf alle Regierungs- und Verwaltungsebenen erfordert; empfiehlt der Europäischen Kommission zu diesem Zweck, die Leitlinien für bessere Rechtsetzung zu überarbeiten und die territoriale Dimension in die Verfahren und Instrumente der Agenda für den gesamten Politikzyklus aufzunehmen und sich dabei auch auf eine gezielte Konsultation der vom AdR koordinierten Netze der Regionen und lokalen Gebietskörperschaften zu stützen;

34.

betont, dass gute Rechtsetzung auch bedeutet, den Bürgern die Gründe, den Sinn und die Vorteile dieser Rechtsetzung verständlich zu vermitteln, was sich angesichts der Barrieren in Kommunikation, Sprache, Kultur und Entfernung weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene wirksam erreichen lässt; empfiehlt deshalb, dass die Europäische Kommission bei den Informationsmaßnahmen zum Legislativverfahren von Anfang an eng mit dem Ausschuss der Regionen zusammenarbeitet, der als Vertreter der lokalen Gemeinschaften fungiert und von Verbänden lokaler und regionaler Gebietskörperschaften der gesamten EU mitgetragen wird. Auf diese Weise wird die Kommunikation für die unmittelbaren Adressaten des europäischen Rechts verständlich, was sich positiv auf die Wahrnehmung der europäischen Institutionen und ihrer Rechtsetzung auswirken wird.

Brüssel, den 8. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/53


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Aktiv und gesund im Alter

(2020/C 39/11)

Berichterstatterin

:

Birgitta SACRÉDEUS (SE/EVP), Mitglied der Regionalversammlung, Provinziallandtag von Dalarna

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Politische Prioritäten

1.

fordert ein starkes Gesundheitsprogramm und die haushaltspolitisch vorrangige Behandlung von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention und für den Abbau von Ungleichheiten im Gesundheitswesen in EU-Forschungsprogrammen für die Zeit nach 2020, u. a. Horizont Europa;

2.

bringt seine Unterstützung für die Europäische Innovationspartnerschaft „Aktivität und Gesundheit im Alter“ zum Ausdruck und hofft, dass die Kommission diese Initiative auch weiterhin unterstützt. Innovationen bei Hilfs- und Assistenzmitteln sind ein wichtiger Anreiz, damit ältere Menschen ein aktives und gesundes Leben führen können. Daher unterstützt der Europäische Ausschuss der Regionen Forschung und Entwicklung in diesem Bereich;

3.

fordert alle lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, die durch den Einsatz elektronischer Gesundheitsdienste und die Digitalisierung entstehenden Chancen zu nutzen und mehr für die Modernisierung der Gesundheitsversorgung und der Pflege für alle Altersgruppen zu tun, indem digitale Innovationen genutzt werden, um Ungleichheiten im Gesundheitswesen abzubauen und den Zugang zu medizinischer Versorgung vor allem auch in dünn besiedelten Gebieten zu verbessern;

4.

schlägt vor, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Entwicklung eines altersfreundlichen Umfelds, einer unabhängigen Lebensführung, der Betreuung im örtlichen Umfeld und der Barrierefreiheit in der Raumplanung einbezogen werden;

5.

ist überzeugt, dass das Altern ungeahnte Möglichkeiten bietet, und unterstützt die Maßnahmen der europäischen Strategie für die Seniorenwirtschaft, da durch die gestiegene Lebenserwartung ein Markt für neue Produkte und Dienstleistungen zu erschwinglichen Preisen entsteht, die ein aktives und gesundes Altern fördern;

6.

weist darauf hin, dass es für eine erfolgreiche Entwicklung und Umsetzung neuer, innovativer und nachhaltiger Lösungen maßgeblich ist, dass die europäische Industrie als Partner eng mit lokalen und regionalen Vertretern zusammenarbeitet;

7.

ist der Ansicht, dass die mit dem demografischen Wandel verbundenen Herausforderungen Forschungsaktivitäten und eine aktive europäische Industrie erfordern, um neue innovative Lösungen z. B. für Alltagsprodukte, Infrastruktur, Technik und Software für eine alternde Bevölkerung zu erdenken, zu entwickeln und zu produzieren; sieht hierin eine Chance für die EU, sich als Marktführer in der Seniorenwirtschaft zu etablieren, Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen, Wohlstand zu generieren und kreative Innovationen ins Ausland zu exportieren;

8.

verweist auf seine institutionelle Zusammenarbeit mit dem Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa und fordert die Kommunal- und Regionalpolitiker auf, sich mit den Möglichkeiten vertraut zu machen, die sich aus der Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen dem AdR und der WHO und den der WHO angeschlossenen Netzen Healthy Cities und Regions for Health ergeben;

9.

betont, dass die Erhöhung der Zahl der gesunden Lebensjahre zu den wesentlichen Zielen der EU-Gesundheitspolitik zählt, da dies nicht nur die Lage jedes Einzelnen verbessern, sondern auch die öffentlichen Gesundheitsausgaben senken und die Wahrscheinlichkeit erhöhen würde, dass die Menschen im Alter länger erwerbstätig sein können;

10.

teilt die Auffassung der WHO (1)‚ dass aktives und gesundes Altern von folgenden Faktoren beeinflusst wird: 1) den Gesundheits- und Sozialsystemen, 2) verhaltensbezogenen Determinanten, 3) persönlichen Faktoren, 4) dem physischen Umfeld, 5) dem sozialen Umfeld und 6) wirtschaftlichen Faktoren; hebt hervor, dass einschlägige politische Maßnahmen einen wirksamen Beitrag zur Entwicklung des europäischen Marktes für Seniorenwirtschaft leisten können;

11.

hebt zudem die wichtige Rolle der Sozialpartner hervor, um den Menschen Aktivität und Gesundheit im Alter zu ermöglichen, und verweist diesbezüglich auf die Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner zum aktiven Altern und zum generationenübergreifenden Ansatz aus dem Jahr 2017. In der Rahmenvereinbarung ist die Durchführung von Maßnahmen vorgesehen, die es älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erleichtern sollen, bis zum Ruhestandsalter gesund und aktiv auf dem Arbeitsmarkt zu verbleiben, was zu einem gesunden und aktiven Altern beiträgt;

Statistischer Hintergrund

12.

stellt fest, dass am 1. Januar 2017 schätzungsweise 511,5 Mio. Menschen in der EU-28 lebten. Der Anteil der jungen Menschen (0-14 Jahre) in der EU-28 lag bei 15,6 %, während Menschen im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre) einen Anteil von 64,9 % an der Bevölkerung hatten. Der Anteil der älteren Menschen (ab 65 Jahren) lag bei 19,4 % (ein Anstieg um 2,4 Prozentpunkte im Vergleich zu 2007).

Die Europäische Innovationspartnerschaft „Aktivität und Gesundheit im Alter“ und die Mitteilung zum digitalen Wandel im Gesundheitswesen

13.

nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission ihre Strategie für den digitalen Binnenmarkt im Mai 2017 einer Halbzeitüberprüfung unterzogen und im April 2018 eine Mitteilung (2) zur digitalen Umgestaltung der Gesundheitsversorgung und Pflege im digitalen Binnenmarkt (3) vorgelegt hat. In der Mitteilung wurden drei Schwerpunktbereiche für die digitale Umgestaltung der Gesundheitsversorgung und Pflege hervorgehoben:

sicherer Zugang zu Gesundheitsdaten und sicherer grenzüberschreitender Austausch dieser Daten;

bessere Daten für die Förderung der Forschung, die Prävention von Krankheiten und eine personalisierte Gesundheitsversorgung und Pflege;

digitale Hilfsmittel für eine aufgeklärte Mitwirkung der Bürger und eine patientenorientierte Pflege;

14.

weist darauf hin, dass die Partnerschaft zur großmaßstäblichen Einführung grenzüberschreitender digitaler Gesundheits- und Pflegedienste beigetragen hat;

Lokale und regionale Relevanz/Bedeutung für den AdR

15.

stellt fest, dass in 20 der 28 Mitgliedstaaten regionale Gebietskörperschaften — zumindest teilweise — für die Gesundheitssysteme (und häufig auch für die Sozialsysteme) zuständig sind. Die Kosten für chronische Krankheiten und die steigenden Kosten der Langzeitpflege werden in ihren Haushalten berücksichtigt.

16.

Gleichzeitig definieren, erbringen und verwalten die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine ganze Reihe von Dienstleistungen, die positiv wirken und Einfluss auf die Umstände des Älterwerdens der Menschen in ihrem Umfeld haben. Durch intelligente Prävention im Gesundheits- und Pflegebereich, die Förderung eines gesunden Lebensstils, Sensibilisierungsmaßnahmen und gezielte Informationskampagnen können die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften alle Menschen erreichen und ihnen dabei helfen, weiterhin bzw. länger ein gesundes Leben zu führen. Darüber hinaus können diese Gebietskörperschaften eine innovative Zusammenarbeit über Zuständigkeitsgrenzen hinweg aufbauen, um die Entwicklung von Lösungen zu unterstützen, bei denen durch integrierte Formen der Gesundheitsversorgung die individuellen Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen;

17.

macht darauf aufmerksam, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine wesentliche Rolle für die Gestaltung und Förderung von Innovationen spielen, die älteren Menschen das Leben erleichtern. Durch Investitionen in die Seniorenwirtschaft, die Förderung innovativer Lösungen für die häusliche Pflege und die Förderung der Verbreitung der Selbstpflege und der digitalen Gesundheitsversorgung können die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in der Union den „demografischen Tsunami“ in eine echte Chance zur Verbesserung ihrer öffentlichen Dienstleistungen und gleichzeitig zur Förderung der Schaffung neuer Arbeitsplätze verwandeln;

Steuerliche Stabilität und alterungsbedingte Ausgaben

18.

verweist auf die Schlussfolgerungen des Rates „Wirtschaft und Finanzen“ (4), in denen die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die im Rahmen des Europäischen Semesters ergangenen länderspezifischen Empfehlungen in Bezug auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen umzusetzen und die dreigleisige Strategie zur Bewältigung der Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf die Volkswirtschaften und die Haushalte anzuwenden, indem die Staatsverschuldung abgebaut wird, die Beschäftigungsquoten und die Produktivität erhöht sowie Renten-, Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme reformiert werden;

Langzeitpflege und sozialmedizinische Fachkräfte

19.

verweist auf einen besorgniserregenden Bericht zur Langzeitpflege (5), der 2018 von der GD Beschäftigung, Soziales und Integration in Auftrag gegeben wurde, und auf seine Ergebnisse: 1) die häusliche Pflege und die Betreuung im lokalen Umfeld sind weiterhin unterentwickelt und schwer zugänglich, 2) die informelle Pflege nimmt zu, da bezahlbare Alternativen fehlen, mit negativen Folgen für Frauen und ihre Stellung auf dem Arbeitsmarkt, 3) in der Langzeitpflege fehlen Fachkräfte, 4) die Sozialdienste und die Gesundheitsversorgung sind zerstückelt, was sich auf ihre langfristige Tragfähigkeit auswirkt;

20.

ist sich bewusst, dass Mängel bei den Sozialdiensten und bei der Zusammenarbeit mit der medizinischen Grundversorgung zu einer unsachgemäßen Inanspruchnahme medizinischer Leistungen führen können, z. B. durch Krankentransporte und Aufsuchen der Notaufnahme von Krankenhäusern sowie durch unverhältnismäßig lange Krankenhausaufenthalte älterer Menschen. Diese Mängel sind möglicherweise auf eine mangelnde Koordinierung und Kohärenz zwischen Krankenhaus- und Pflegesektor zurückzuführen;

21.

fordert eine neue Debatte über die Integration von Sozialdiensten und Gesundheitsversorgung, um sicherzustellen, dass Patienten rechtzeitig entlassen werden, der Informationsfluss nicht durch Zuständigkeitsgrenzen behindert wird und koordinierte, integrierte Pflegelösungen ermöglicht werden; fordert diesbezüglich eine bessere Verzahnung zwischen dem Krankenhaus- und dem Pflegesektor, um sicherzustellen, dass Behandlung und Pflege aufeinander abgestimmt sind, wodurch gewährleistet wird, dass der Informationsfluss nicht durch Zuständigkeitsgrenzen behindert wird, was wiederum integrierte Pflegelösungen zum Wohle der Patienten ermöglicht;

22.

weist auf den Mangel an entsprechend qualifizierten Fachkräften bei den Sozialdiensten sowie im Gesundheits- und Pflegebereich aufgrund der in ganz Europa steigenden Zahl pflegebedürftiger älterer Menschen hin. Daher müssen in der Gesundheitsversorgung und Pflege zusätzliche Fachkräfte eingestellt werden, u. a. damit die Angehörigen mit den Betreuungs- und Pflegeaufgaben nicht allein dastehen; verweist ferner auf die unverhältnismäßig hohe Belastung durch die häufig von Frauen geleistete informelle Pflege, weswegen er mehr Unterstützung für informelle Pflegekräfte fordert;

Völlig neue Möglichkeiten für Gesundheit, Pflege und Sozialdienste durch die Digitalisierung

23.

verweist auf die Ergebnisse einer Konsultation der Europäischen Kommission (6)‚ die darauf schließen lassen, dass die meisten Europäerinnen und Europäer derzeit keinen Zugang zu einer digitalen Gesundheitsversorgung haben, und bekräftigt die Empfehlung der AdR-Stellungnahme zur Digitalisierung der Gesundheitsversorgung, dass die Kommission die Konvergenz zwischen den europäischen, nationalen und regionalen Digitalplänen und den entsprechenden Strategien und Finanzierungen fördern sollte, um die Einführung integrierter digitaler und personenorientierter Betreuungsdienste in großem Maßstab zu vollenden;

24.

hebt hervor, dass elektronische Gesundheitsdienste, die Digitalisierung und der elektronische Datenaustausch zwischen Patienten und ihren Pflegepersonen und Erbringern von Gesundheitsdienstleistungen die patientenorientierte Versorgung und den Übergang von institutionalisierten zu wohnortnahen Betreuungsdiensten erleichtern und dem Einzelnen gleichzeitig bessere Möglichkeiten bieten, eine informierte Entscheidung über die eigene Versorgung und Betreuung zu treffen;

25.

ist der Auffassung, dass die rasche Entwicklung im Bereich der Digitalisierung, einschließlich der künstlichen Intelligenz, aufmerksamer verfolgt werden muss, um künftige innovative Lösungen für besser informierte Personen und Patienten, für die Präventionsmöglichkeiten der Fachkräfte sowie für die Entwicklung und die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringer in der Gesundheitsversorgung möglich zu machen;

26.

verweist auf die Größe des europäischen Marktes für Haushaltsroboter und andere Hilfsmittel für ältere Menschen und bekräftigt die in dem Bericht über die Seniorenwirtschaft (7) aus dem Jahr 2018 enthaltenen Empfehlungen‚ dass der Markt für Robotik ausgebaut werden sollte, um die Pflegekräfte zu entlasten und ältere und gebrechlichere Menschen zu unterstützen;

Barrierefreiheit

27.

begrüßt, dass die beiden gesetzgebenden Organe den europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit (8) angenommen haben;

28.

nimmt die Verbesserungen zur Kenntnis, die der Rechtsakt in Bezug auf den Zugang zu IKT, Geldautomaten, E-Books und E-Reader, Websites und mobile Apps für den elektronischen Handel sowie Fahrausweisautomaten mit sich bringt;

Geriatrie

29.

ist besorgt über den Mangel an Ärzten und Krankenpflegepersonal in der Geriatrie in Europa und fordert die Mitgliedstaaten und ihre Regionen sowie die Ärzteschaft und Organisationen des Pflegepersonals auf, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Berufsrichtung attraktiver gemacht werden kann und durch welche Ausbildungs- und Umschulungsmodule und Vergütungsregelungen Fachkräfte gewonnen werden können. In diesem Zusammenhang sollte auch die Möglichkeit der Reaktivierung von Ruheständlern in Betracht gezogen werden;

30.

ist vom Wert des Lernens voneinander überzeugt und spricht sich für die Förderung der Mobilität von Angehörigen der Gesundheitsberufe, einschließlich Fachärzte für Geriatrie, im Sinne des Erasmus-Plus-Programms aus;

31.

teilt die von der European Geriatric Medicine Society geäußerten Bedenken hinsichtlich der Anforderungen an die Fachkenntnisse von Ärzten, die in Pflegeheimen tätig sind, und ist der Ansicht, dass fachspezifische Schulungen sowohl dem Pflegepersonal als auch den Bewohnern in Form der bestmöglichen Pflege zugutekommen würden. Selbstverständlich trifft jeder Mitgliedstaat diesbezüglich seine eigenen politischen Entscheidungen;

Verknüpfung von Informationen

32.

ist sich bewusst, dass politische Maßnahmen im Bereich des aktiven Alterns eine soziale Herausforderung darstellen, für die ein breites Spektrum an Fachkenntnissen und Verfahren erforderlich ist, die von Medizin und Psychologie, Soziologie und Sozialgerontologie bis hin zu Technik, Stadtplanung und Wirtschaft reichen;

33.

weist darauf hin, dass viele Städte und Regionen eine Politik für aktives Altern entwickeln, die gute Möglichkeiten für den Ideenaustausch bietet; fordert Gemeinden und Regionen, die noch nicht an der transnationalen Zusammenarbeit und lokalen Partnerschaften beteiligt sind, auf, sich die Vorteile des Lernens voneinander vor Augen zu führen und sich mit den Möglichkeiten zahlreicher EU-Initiativen vertraut zu machen, einschließlich der Europäischen Innovationspartnerschaft „Aktivität und Gesundheit im Alter“, Interreg, URBACT (9) usw.;

34.

teilt die Besorgnis der Öffentlichkeit in Bezug darauf, dass bestimmte Arzneimittel nicht lieferbar sind, und fordert die Kommission auf, die Gründe für die EU-weit zunehmenden Engpässe bei Impfstoffen und Arzneimitteln zu erforschen; weist darauf hin, dass ältere Patientinnen und Patienten meist mehr Arzneimittel benötigen und ihre Gesundheit schweren Schaden nehmen kann, wenn sie die ihnen verschriebenen Arzneimittel nicht rechtzeitig erhalten;

35.

weist darauf hin, dass der Zugang zu sicheren, wirksamen, hochwertigen und erschwinglichen unentbehrlichen Arzneimitteln für die Europäerinnen und Europäer Priorität hat und eine grundlegende Verpflichtung ist, die von der EU im Rahmen der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDG) und der europäischen Säule sozialer Rechte eingegangen wurde; ist nach wie vor davon überzeugt, dass die europäische Arzneimittelindustrie in der Lage ist, diese Arzneimittel zu liefern und ihre Vorreiterrolle bei Innovationen sowie ihre weltweite Führungsrolle in der Industrie weiter auszubauen;

36.

empfiehlt, den internationalen Leitfaden der WHO für altersfreundliche Städte (10) zu studieren‚ insbesondere in Bezug auf dessen Instrument für politische Entscheidungsträger und Planer auf lokaler Ebene, „Creating age-friendly environments in Europe. A tool for local policy-makers and planners“ (11); ist der festen Überzeugung, dass ein barrierefreies und sicheres physisches Umfeld der gesamten Bevölkerung zugutekommen kann, und fordert die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, den Bau barrierefreier Wohnungen für Menschen mit Behinderungen zu fördern, die bestehende Infrastruktur zu modernisieren und Hindernisse für die Mobilität und den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln oder Einrichtungen zu beseitigen;

37.

verweist auf die Empfehlungen aus seiner Stellungnahme zum Thema „Gesundheit in Städten“ und fordert die lokalen Gebietskörperschaften auf, „politische Maßnahmen zu konzipieren, die sowohl in Bezug auf das körperliche als auch das geistige und soziale/relationale Wohlergehen ein qualitativ hochwertiges gesundes aktives Altern (healthy and active ageing) gewährleisten und die Beteiligung an Freizeitaktivitäten in der Stadt sowie an generationenübergreifenden Programmen fördern, auch um der Einsamkeit und der Isolierung entgegenzuwirken“;

38.

verweist ferner auf seine Stellungnahme zu den Gesundheitssystemen und seine Empfehlung, dass „die EU-Mitgliedstaaten ihre Primärversorgung ausbauen müssen, um den Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung Rechnung zu tragen, bessere Pflegeketten zu schaffen und die stationäre Behandlung stärker zu rationalisieren“;

39.

ist überzeugt, dass die Grundlagen für aktives und gesundes Altern schon früh im Leben gelegt werden, und empfiehlt daher im Einklang mit seiner Stellungnahme zum Thema „Lokale und regionale Anreize zur Förderung einer gesunden und nachhaltigen Ernährung“, „gesunde Ernährungsgewohnheiten zu fördern und zugleich die junge Generation dazu zu motivieren, sich für eine nachhaltige Ernährung zu entscheiden“;

40.

spricht sich dafür aus, die Ergebnisse der im Rahmen unterschiedlicher EU-Programme finanzierten europäischen Projekte, die auf gesundes und aktives Altern sowie auf die Förderung integrierter Versorgung abstellen, zu nutzen und zu verbreiten;

41.

stellt fest, dass körperliche Aktivität nach wie vor als etwas für Kinder und Jugendliche, nicht jedoch für Erwachsene gilt (28 % der Erwachsenen treiben nie Sport (12)); weist darauf hin, dass körperliche Aktivität ein wichtiges Element für gesundes Altern ist, und fordert die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, mit lokalen Akteuren (Sporteinrichtungen, nichtstaatlichen Organisationen, Seniorenverbänden usw.) zusammenzuarbeiten, um Sportanlagen, Fitnesscenter und Möglichkeiten für körperliche Aktivität besser zugänglich zu machen und die Fuß- und Radwegenetze auszubauen;

42.

hält es für ermutigend, dass Forschungsergebnisse (13) bestätigen, dass in jedem Alter Krankheiten bzw. Risikofaktoren vorgebeugt werden muss, die zu Behinderungen führen können; fordert die Entscheidungsträger daher auf, den Anteil der in den Gesundheitshaushalten für die Prävention vorgesehenen Mittel (derzeit durchschnittlich 3 %) aufzustocken;

Die Zukunft der Europäischen Innovationspartnerschaft „Aktivität und Gesundheit im Alter“

43.

ist der Ansicht, dass die Partnerschaft nach 2020 fest in den politischen Prioritäten der Union verankert und eng mit dem digitalen Binnenmarkt, der europäischen Säule sozialer Rechte und den gesundheitsbezogenen Zielen für nachhaltige Entwicklung verknüpft werden muss; regt an, den Kontakt und eine Zusammenarbeit mit dem neuen Kommissionsmitglied anzustreben, das nach den Wahlen 2019 am umfassendsten für den Politikbereich „Aktiv und gesund im Alter“ zuständig sein wird, um eine neue innovative Partnerschaft aufzubauen;

44.

ist überzeugt, dass für die künftige Partnerschaft auch eine stärkere Verknüpfung mit der Richtlinie über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung und deren jüngster Politik und Praxis erforderlich ist, wie z. B. elektronische Rezepte und die Interoperabilität elektronischer Patientenakten;

45.

geht davon aus, dass sich die künftige Partnerschaft mit den Möglichkeiten für überregionale Ausschreibungen beschäftigen wird, Hindernisse ermitteln und eine schnellere Einführung und Verbreitung innovativer Lösungen für elektronische Gesundheitsdienste ermöglichen wird;

46.

weist darauf hin, dass eine der größten Herausforderungen in Europa beim Thema „Aktiv und gesund im Alter“ in der Umsetzung und im Scale-up grenzüberschreitender innovativer Lösungen besteht, weswegen er die Initiative „Innovation to Market (I2M)“ der Europäischen Innovationspartnerschaft für Aktivität und Gesundheit im Alter unterstützt. Diese Initiative zielt auf eine bessere Abstimmung zwischen Angebotsseite (Unternehmen, Start-ups und Forscher) und Nachfrageseite (Gesundheitsdienstleister, Entscheidungsträger und Versicherungsunternehmen) ab; ist überzeugt, dass der Dialog zwischen beiden Seiten den Einsatz digitaler Innovatoren steigern und Wirtschaft und Wissenschaft stärken kann, was wiederum den Endnutzern zugutekommt.

Brüssel, den 8. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/67215/WHO_NMH_NPH_02.8.pdf;jsessionid=F15F61D4E71955EDF2E37D4E8CFE8698?sequence=1

(2)  https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/communication-enabling-digital-transformation-health-and-care-digital-single-market-empowering

(3)  Der AdR reagierte auf diese Mitteilung mit einer Stellungnahme zur Digitalisierung im Gesundheitswesen.

(4)  https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2018/05/25/public-finances-conclusions-on-age-related-spending/

(5)  https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=738&langId=de&pubId=8128&furtherPubs=yes

(6)  https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/ehealth/docs/2018_consultation_dsm_en.pdf

(7)  https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/silver-economy-study-how-stimulate-economy-hundreds-millions-euros-year

(8)  http://www.europarl.europa.eu/legislative-train/theme-deeper-and-fairer-internal-market-with-a-strengthened-industrial-base-labour/file-jd-european-accessibility-act

(9)  https://urbact.eu/

(10)  https://www.who.int/ageing/publications/Global_age_friendly_cities_Guide_English.pdf

(11)  http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0018/333702/AFEE-tool.pdf?ua=1

(12)  https://www.euronews.com/2019/03/28/over-a-quarter-of-europeans-do-not-exercise-at-all-eurostat

(13)  https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1878764916300699


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/58


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Sozioökonomischer Strukturwandel der Kohleregionen in Europa

(2020/C 39/12)

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Unterstützung der klimapolitischen Ziele

1.

begrüßt die klimapolitischen Ziele der EU-Staaten. Auf der UN-Weltklimakonferenz im Dezember 2015 in Paris haben sich 197 Staaten auf ein globales Klimaschutzabkommen geeinigt, das auch von den EU-Staaten ratifiziert wurde. Darin verpflichten sich die Staaten, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, den Anstieg der Durchschnittstemperatur auf 1,5 °C zu begrenzen;

2.

weist darauf hin, dass die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung im Vorfeld des UN-Klimagipfels in Kattowitz dazu ausführt, dass die EU bis 2050 Klimaneutralität erreichen muss, wenn sie für die Welt wegweisend sein will. Um dieses Ziel zu erreichen, muss in der EU letztlich jedoch auf fossile Energieträger weitgehend verzichtet werden. Insbesondere muss die Verstromung von Kohle deutlich reduziert werden;

3.

betont, dass derzeit noch in 41 Regionen auf NUTS-2-Ebene in zwölf Mitgliedstaaten (einschließlich des Vereinigten Königreiches) Kohle gefördert wird. Diesen Regionen ist die große wirtschaftliche Bedeutung des Kohlesektors und der damit verbundenen Bereiche für die Wertschöpfung und die Beschäftigung gemeinsam. Abgesehen davon weisen diese Regionen aber große Unterschiede auf, z. B. was die geografische Lage, den wirtschaftlichen Entwicklungsstand und die demografischen Perspektiven betrifft;

4.

weist darauf hin, dass diese Regionen zur Erreichung der klimapolitischen Ziele bisherige — auf der Kohleförderung aufbauende — Wertschöpfungsketten aufgeben werden bzw. auf eine neue Basis stellen müssen. Zudem müssen sie kurz-, mittel- oder langfristig auch Kohleminen und -tagebaue schließen;

5.

dringt darauf, dass der sozioökonomische Strukturwandel der Kohleregionen in Europa vor dem Hintergrund der weltweit zunehmenden Bemühungen um den Ausstieg aus der Kohlekraft erfolgt; weist insbesondere auf eine neue Normalität in China hin, das die Hälfte der weltweiten Kohleproduktion verbraucht und einen ähnlich hohen Anteil an den weltweiten Importen hat und wo die inländische Kohlenachfrage derzeit einen Höchststand erreicht — und das trotz massiver Überkapazitäten in der Inlandsproduktion; verweist außerdem auf die Entscheidung eines Gerichts im australischen Bundesstaat New South Wales, dem weltweit größten Kohleexportland, mit der einem Unternehmen erstmals die Erschließung neuer Bergwerke untersagt wurde, weil diese Investition als unvereinbar mit dem Übereinkommen von Paris angesehen wurde; unterstützt daher die internationale Zusammenarbeit zur Flankierung des Kohleausstiegs, wie z. B. im Rahmen der Allianz der Kohleausstiegsländer (Powering Past Coal Alliance), der u. a. 30 Staaten und 22 nachgeordnete Gebietskörperschaften angehören;

Abmilderung der sozioökonomischen Folgen des Transformationsprozesses

6.

betont, dass die geplante weitere Reduzierung der Kohleförderung und -verstromung mit einer signifikanten Transformation der Wirtschaftsstruktur — verbunden mit massiven Beschäftigungs-, Wertschöpfungs- und Kaufkraftverlusten — in diesen Regionen einhergehen wird. Die meisten Kohleregionen sind traditionelle Industriegebiete, in denen die Industrialisierung mit der Nutzung der lokalen Bodenschätze verbunden war. Die Regionen sind daher vor allem mit der Eisen-, Stahl- und Metallindustrie, der Chemieindustrie und weiteren energieintensiven Industrien verbunden; Ziel muss es sein, den Strukturwandel in den betreffenden Kohleregionen auf dem Weg zu einer stärker diversifizierten und kohlenstoffarmen Wirtschaft ökonomisch erfolgreich, ökologisch nachhaltig und vor allem sozialverträglich zu gestalten;

7.

erinnert daran, dass derzeit in der Kohleförderung europaweit noch 185 000 Personen beschäftigt sind, weitere 52 000 in der Kohleverstromung. Darüber hinaus ist die Kohleindustrie mit verschiedenen Wirtschaftszweigen indirekt verbunden, wie z. B. Herstellern von Vorleistungen, Ausrüstungsgütern, Dienstleistungen und Konsumgütern. Nach Schätzungen einer Studie der EU-Kommission hängen von diesen Verflechtungen weitere 215 000 Beschäftigte ab. Nach dieser Studie könnten durch die derzeitigen Pläne zum Ausstieg aus dem Kohleabbau und der Kohleverstromung bis zum Jahr 2030 etwa 160 000 Stellen verlorengehen;

8.

weist darauf hin, dass die EU-Staaten übereingekommen sind, an der Spitze des weltweiten Übergangs zu einer kohlenstoffneutralen und kreislauforientierten Wirtschaft zu stehen. Aus dem damit verbundenen tiefgreifenden Wandel des gesamten Energiesystems ergeben sich neben den Belastungen auch Chancen. Die eingeleitete Energiewende hat bereits jetzt in Europa eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze geschaffen. Angesichts der zukünftigen Bedarfe dürfte sich dieser Prozess fortsetzen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass auch die Kohleregionen von dieser Entwicklung profitieren. Die europäische Strategie zur Verwirklichung der Klimaziele sollte den Konsequenzen für die Regionen Rechnung tragen;

9.

erinnert daran, dass die bisherigen Erfahrungen aus den Kohleregionen zeigen, dass diese Transformationsprozesse lange Zeiträume in Anspruch nehmen. Es sollte daher bereits jetzt damit begonnen werden, neue Perspektiven für die Kohleregionen zu entwickeln und Maßnahmen einzuleiten. Dazu bedarf es großer Anstrengungen auf allen Ebenen;

10.

betont, dass es zu einer erfolgreichen Transformation der Wirtschaftsstruktur auch gehört, den betroffenen Arbeitnehmern der Kohleindustrien eine neue Perspektive zu bieten. Dazu gehört es, sie für neue Tätigkeiten zu qualifizieren. Zudem sollte der Zugang zu neuen Arbeitsplätzen in der Region oder in angrenzenden Regionen erleichtert werden;

Förderung der sozioökonomischen Transformation in den Kohleregionen

11.

ist überzeugt, dass die angestrebte Energiewende und damit der Strukturwandel in den Kohleregionen eine europäische Aufgabe ist. Dafür muss ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, der insbesondere Maßnahmen zur Infrastrukturentwicklung, Innovation, Forschung und Wissenschaft, Unternehmensförderung und -entwicklung, Entwicklung von Fachkräften, Marketing, Kultur und Tourismus enthält;

12.

weist darauf hin, dass für einen nachhaltigen Strukturwandel in den Regionen die bestehenden Stärken genutzt werden sollten. Die vorhandenen industriellen und energiewirtschaftlichen Strukturen sollten die Basis für die künftige Entwicklung bilden und die Innovations- und Investitionszyklen der vorhandenen industriellen Akteure berücksichtigen. Daher muss an die regionalen Industriecluster und betrieblichen Kompetenzen, die Fähigkeiten der Fachkräfte und die vorhandenen Stärken im Bereich Forschung und Entwicklung angeknüpft werden;

13.

weist darauf hin, dass aufgrund dieser Ausgangslage das Risiko besteht, dass in den betroffenen Regionen sehr ähnliche Strategien für den Transformationsprozess entwickelt werden. Um Ineffizienzen z. B. durch Parallelentwicklungen zu vermeiden, sollte ein gegenseitiger Austausch auf europäischer Ebene erfolgen;

14.

begrüßt deshalb die „Plattform für die Kohlenregionen im Übergang“, die von der Europäischen Kommission ins Leben gerufen wurde und erstmals am 11. Dezember 2017 zusammengetreten ist. Ziel der Plattform ist es, die 41 Kohleregionen in zwölf Mitgliedstaaten der EU bei ihren Bemühungen um eine Modernisierung ihrer Wirtschaftsstruktur zu unterstützen und sie auf den strukturellen und technologischen Wandel vorzubereiten. Diese Arbeit sollte noch weiter intensiviert werden;

15.

ist der Ansicht, dass diese Plattform als interregionales Instrument genutzt werden kann, um technische Hilfe auf EU-Ebene durch Erfahrungsaustausch und koordinierten Zugang zu den Dienststellen der Kommission bereitzustellen, wo immer dies erforderlich ist;

16.

hebt hervor, dass die interregionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit, etwa im Rahmen bestehender Initiativen wie der Vanguard-Initiative oder im Zusammenhang mit einem ortsbasierten Ansatz bei den Struktur- und Investitionsfonds, bei dem Konzept für den Strukturwandel eine wichtige Rolle spielen sollten: Auch in diesem Bereich könnte die EU eine stärkere Rolle übernehmen, um solche Kooperationen zu initiieren und zu fördern;

17.

betont die Notwendigkeit sicherer Rahmenbedingungen für langfristige Investitionen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Dabei sollten, soweit möglich, in den Regionen bestehende Wertschöpfungsketten weiter ausgebaut werden. Der AdR unterstreicht, dass öffentliche und private Investitionen insbesondere im Hinblick auf das derzeitige Wirtschaftswachstum gefördert werden sollten, um Investitionen in die Modernisierung und Dekarbonisierung der europäischen Industrie-, Verkehrs- und Energiesysteme voranzutreiben;

18.

unterstreicht die Notwendigkeit, die Innovationsfähigkeit der Regionen zu stärken. Der AdR fordert die Kohleregionen nachdrücklich auf, eine Strategie zu entwickeln, um bestehende Unternehmen bei ihren Bemühungen um Innovation sowie die Neugründung von Unternehmen, insbesondere in zukunftsorientierten Bereichen wie z. B. Digitalisierung und künstliche Intelligenz, zu fördern. In diesem Zusammenhang ist es überaus wichtig, die Rahmenbedingungen für Existenzgründungen zu verbessern. Der AdR weist darauf hin, dass es in zahlreichen Kohleregionen eher kleinere industrielle, gewerbliche und handwerkliche Arbeitgeber gibt;

19.

ist der Ansicht, dass der Wissenschaftssektor eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen spielt. Die Kohleregionen sollten daher auch die Gründung von Universitäten mit Schwerpunkt auf Zukunftstechnologien vorantreiben, die als Cluster für die weitere Gründung von Unternehmen dienen können. Hier ist eine europaweite Koordinierung aber besonders sinnvoll, um ineffiziente Strukturen zu vermeiden. Zudem sollten hier überregionale Kooperationen in der Forschung gefördert werden;

20.

ist der Ansicht, dass eine moderne und leistungsfähige Verkehrs- und Energieinfrastruktur sowie eine digitale Infrastruktur eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Strukturwandel sind, um die Attraktivität der Reviere als Wirtschaftsstandorte für Unternehmensansiedlungen zu stärken. Hier sind eine europaweite Koordinierung und stärkere Vernetzung ebenfalls sinnvoll;

Finanzielle Unterstützung der Kohleregionen

21.

unterstreicht, dass die Entwicklung neuer Wirtschaftszweige in den Regionen ein langwieriger Prozess ist, für den erhebliche finanzielle Ressourcen notwendig sind. Der AdR stellt fest, dass lokale und regionale Gebietskörperschaften der Kohleregionen hierfür Unterstützung brauchen, zumal sie durch den Ausstieg aus der Kohleförderung und -verstromung zunächst Einnahmen verlieren. Ein Großteil der Investitionen für die wirtschaftliche Entwicklung muss aus öffentlichen Mitteln der betroffenen Mitgliedstaaten oder durch die Gewinnung neuer privater Investitionen bereitgestellt werden. Der AdR fordert in diesem Zusammenhang zunächst die betroffenen Mitgliedstaaten dazu auf, dafür ausreichende finanzielle und sonstige Mittel zur Verfügung zu stellen;

22.

ist der Ansicht, dass das kulturelle und industrielle Erbe aus der von Wohlstand geprägten Vergangenheit sowie Sportinfrastrukturen und -traditionen eine positive Rolle bei diesem Wandel spielen und nicht nur als eine Altlast aus der guten alten Zeit betrachtet werden sollten;

23.

fordert, dass der Strukturwandel auch auf europäischer Ebene unterstützt wird. Vor allem der Europäische Fonds für regionale Entwicklung stellt bereits jetzt ein wichtiges Instrument zur Förderung der Regionen dar. Auch der Europäische Sozialfonds, Horizont 2020 und die Mittel der Europäischen Investitionsbank leisten einen wichtigen Beitrag zur Regionalentwicklung. Allerdings weist er darauf hin, dass die dort vorgesehenen Mittel nicht direkt an die Kohleregionen gerichtet und angesichts der Herausforderungen, vor denen Kohleregionen stehen und die auch anderen Regionen nützen, zu geringfügig sind. Der AdR fordert daher die Bereitstellung zusätzlicher Mittel, die maßgeschneidert für die Bedürfnisse der Kohleregionen sind;

24.

unterstreicht, dass eine finanzielle Unterstützung durch die EU besonders dort sinnvoll ist, wo Projekte über nationale Grenzen hinweg realisiert werden sollen. Da sich derzeit alle Kohleregionen im Strukturwandel befinden, ist eine Kooperation der Regionen bei der Entwicklung zukunftsweisender Projekte besonders erfolgversprechend. Dabei kann es auch sinnvoll sein, angrenzende Regionen in die Strategien einzubeziehen, um funktionsfähige Einheiten zu schaffen;

25.

schließt sich in diesem Zusammenhang der Forderung des Europäischen Parlaments in den laufenden Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) an, zusätzliche Mittel zur Abmilderung der gesellschaftlichen, sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen des Strukturwandels in den europäischen Kohleregionen mithilfe eines neuen „Fonds für eine faire Energiewende“ bereitzustellen, der mit 4,8 Mrd. EUR ausgestattet wird; betont jedoch, dass dieser Fonds aus zusätzlichen Mitteln gespeist werden müsste und nicht aus dem für die europäischen Struktur- und Investitionsfonds vorgesehenen Haushaltsrahmen; begrüßt es, dass sich die gewählte Kommissionspräsidentin in ihren im Juli 2019 vorgelegten politischen Leitlinien im Grundsatz ebenfalls für einen neuen Fonds für einen fairen Übergang ausgesprochen hat;

26.

ist jedoch der Ansicht, dass diese Mittel eng mit der Kohäsionspolitik verzahnt werden sollten. Der AdR fordert dabei sicherzustellen, dass diese Mittel nicht innerhalb der vorgeschlagenen Obergrenzen für die Begrenzung von Anhang XXII berechnet, sondern zusätzlich bereitgestellt werden. Diese zusätzlichen Mittel könnten dann dazu verwendet werden, die EFRE- und ESF-Programme für diese NUTS-2-Regionen in den nächsten sieben Jahren zu verstärken. Diese Verflechtung würde auch eine maßgeschneiderte Unterstützung aller Kohleregionen erlauben. Diese Mittel sollen den europäischen Mehrwert aktiv fördern und allen vom Strukturwandel betroffenen Kohleregionen offenstehen. Kriterien für die Zuweisung könnten die Gesamtbeschäftigung im Kohlebergbau und die Höhe der Kohleproduktion im Bezugsjahr 2019 sein; Regionen, die bereits mit der Schließung von Kohlegruben begonnen und solche Übergänge teilweise durchlaufen haben, sollten nicht ausgeschlossen werden, vorausgesetzt, dass der Kohleabbau überhaupt noch stattfindet;

27.

fordert, dass diese Mittel genau wie die EFRE-Mittel direkt den Regionen zugewiesen werden, in denen diese Kohlenreviere liegen. Die Unterstützung für die betroffenen Regionen wäre an eine spezifische, auf der Grundlage überprüfbarer Zielvorgaben bewertete Strategie zum Ausstieg aus der Kohle gebunden;

28.

regt an, dass diese Zuweisung aus Mitteln, die im Rahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens für das Reformumsetzungsinstrument vorgesehen waren, finanziert werden könnte;

29.

fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, diesen Vorschlag für eine besondere Übergangszuweisung in die laufenden Verhandlungen über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen einzubeziehen;

Beihilfenrecht überarbeiten

30.

weist darauf hin, dass dabei das europäische Beihilfenrecht zu beachten ist, wobei der gegenwärtige Beihilfenrahmen 2020 ausläuft, soweit die Anwendbarkeit der beihilferechtlichen Bestimmungen nicht um zwei Jahre (bis Ende 2022) verlängert wird. Der AdR fordert die Kommission auf, bei der Ausarbeitung der neuen Leitlinien auch die Probleme des Strukturwandels der Kohleregionen zu berücksichtigen und damit sicherzustellen, dass die Kohleregionen dabei eine ausreichende Flexibilität erhalten, um den Ausstieg aus der Kohle sozial und wirtschaftlich abfedern zu können;

31.

hebt hervor, dass schon jetzt aus beihilferechtlicher Sicht Projekte gefördert werden können, bei denen grenzüberschreitende Kooperationen stattfinden, insbesondere wenn es sich um Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse handelt. Die zuständigen EU-Institutionen sollten die Regionen bei der Planung und Durchführung derartiger Projekte intensiver beraten;

32.

fordert, dass in diesem Zusammenhang für Kohleregionen Sonderfördergebiete nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstaben a und c des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ausgewiesen und das EU-Beihilfenrecht für diese Sonderförderregionen angepasst werden, um Maßnahmen zur Bewältigung des Strukturwandels zu ermöglichen, die den Verzicht auf vorhandene Wertschöpfung aus politisch übergeordneten Zielen kompensieren sollen. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob wegen der herausgehobenen und exemplarischen Bedeutung des klimagerechten Umbaus der Kohleregionen für die Energie- und Klimapolitik der Europäischen Union solche Unterstützungsmaßnahmen auf Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV gestützt werden könnten. Um diese Fragen zeitnah zu klären, wird vorgeschlagen, umgehend eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Vertretern betroffener Kohleregionen und Mitgliedstaaten, der Generaldirektionen Wettbewerb und Regionalpolitik und des AdR einzusetzen.

Brüssel, den 9. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/62


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Die Afrikanische Schweinepest und der Schweinefleischmarkt in der EU

(2020/C 39/13)

Berichterstatter

:

Sławomir SOSNOWSKI (PL/EVP), Mitglied der Regionalversammlung der Woiwodschaft Lubelskie (Lublin)

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Politischer Hintergrund

1.

weist darauf hin, dass die Afrikanische Schweinepest (ASP) eine Bedrohung und Herausforderung auf der lokalen, regionalen, nationalen und europäischen Ebene darstellt und daher eine Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR) als institutionellem Vertreter der Kommunen und Regionen in der Europäischen Union sowie seine Beteiligung an der Mobilisierung aller Interessenträger zur Bekämpfung dieses überaus gefährlichen Virus erfordert;

2.

betont, dass die ASF-Ausbrüche hauptsächlich in Mittel- und Osteuropa eine Gefahr für die Umwelt und die Wirtschaft und vor allen Dingen für die Bewohnerinnen und Bewohner des ländlichen Raums und die in der Schweineerzeugung Tätigen sind;

3.

ist der Auffassung, dass im Kampf gegen die ASP neben den politischen Zielen der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Umweltpolitik auch Ziele anderer Politikbereiche sowie die Ziele von Finanzierungsprogrammen zum Tragen kommen, die u. a. gesellschaftliche Herausforderungen und die Regionalentwicklung betreffen, wodurch ein kohärenter Ansatz in den einzelnen Bereichen gewährleistet ist; befürwortet im Rahmen der im Haushaltsplan 2020 für Maßnahmen zur Unterstützung der Landwirtschaft im Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest vorgesehenen Mittel den Vorschlag, 50 Mio. EUR für Sofortmaßnahmen und 28 Mio. EUR für die Entwicklung von Impfstoffen/Arzneimitteln gegen die ASP bereitzustellen;

4.

ist der Auffassung, dass die ASP eine internationale Herausforderung darstellt. Die europäischen Regionen sollten sich angesichts der Bedrohung, die von der ASP für die ländlichen Gebiete, die Landwirtschaft und die landwirtschaftliche Verarbeitungsindustrie ausgeht, solidarisch zeigen. Breitet sich das Virus in gleichbleibendem Tempo aus, so kann dies zu einem Zusammenbruch des europäischen Marktes für Schweinefleisch führen und Hunderttausenden Landwirten ihre Existenzgrundlage entziehen. Es handelt sich hierbei um ein Problem, das nicht mehr nur lokalen bzw. regionalen Charakter hat, sondern zu einer gesamteuropäischen Bedrohung geworden ist. Derzeit sind Krankheitsfälle im mehreren europäischen Ländern bekannt:

Polen (1 492 Fälle und ein Seuchenherd),

Litauen (728 Fälle bei Wildschweinen),

Lettland (286 Fälle),

Estland (150 Fälle),

Ukraine (26 Fälle, 22 Seuchenherde in der Schweinezucht),

Tschechische Republik (25 Fälle),

Italien (24 Fälle, 2 Seuchenherde),

Rumänien (3 Seuchenherde)

* Daten für den Zeitraum 1.1.-15.4.2018.

5.

ist der Auffassung, dass die in Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 652/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (1) genannte Unterstützung mit Unionsmitteln bei bestätigten ASP-Ausbrüchen stets 100 % betragen sollte, da das Virus eine Bedrohung darstellt, die erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und einschneidende Folgen für die Wirtschaft hat;

6.

weist insbesondere auf die Notwendigkeit einer grenzübergreifenden Zusammenarbeit hin, die genauso intensiv sein muss wie jene, die bei Naturkatastrophen vorgesehen ist; ist sich bewusst, dass das Problem Gebiete an den EU-Außengrenzen betrifft, ist jedoch der Auffassung, dass eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit unabdingbar und notwendig ist; weist darauf hin, dass es eines weiterreichenden und ständigen gemeinsamen Handelns über die Grenzen hinweg bedarf, um die Situation in den EU-Nachbarstaaten (Russische Föderation, Ukraine, Belarus und Republik Moldau) zu stabilisieren;

7.

sieht eine Reihe sozioökonomischer Bedrohungen, die sich aufgrund der vom ASP-Ausbruch ausgelösten Krise ergeben können. Neben der Sorge um die öffentliche Gesundheit und den Folgen für den EU-Markt für Schweinefleisch und damit verbundenen gravierenden Strukturveränderungen der Schweinefleischerzeugung könnten auch weitere Branchen wie Fremdenverkehr, Forstwirtschaft, Fleischverarbeitung und Handel in Mitleidenschaft gezogen werden. Darüber hinaus wirkt sich der ASP-Ausbruch auf das Image der einzelnen Staaten, aber auch auf das der EU insgesamt aus;

Vorgeschlagene Maßnahmen

8.

befürwortet die im Rahmen der jetzigen finanziellen Vorausschau vom Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der ASP, ist jedoch der Auffassung, dass im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen zusätzliche Mittel vorgesehen werden müssen, u. a. erhebliche Förderungen für wissenschaftliche Forschung zur Entwicklung einer wirksamen Impfung gegen die ASP;

9.

fordert die Bereitstellung einer eigens für diesen Zweck gedachten grenzüberschreitenden Finanzhilfe zur Bekämpfung der ASP im Rahmen von Projekten, die von mindestens zwei Ländern gemeinsam umgesetzt werden;

10.

ist der Auffassung, dass auf der Ebene der EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission intensive Gespräche über eine gemeinsame, kohärente ASP-Bekämpfung mit den vorgenannten Drittstaaten aufgenommen werden sollten. Zudem sollte die Möglichkeit geprüft werden, diese Maßnahmen über grenzüberschreitende Programme aus dem Bereich der Lebensmittelsicherheit zu fördern. Die CORLEAP könnte ein geeignetes Forum zur Erörterung derartiger grenzüberschreitender Maßnahmen sein;

11.

ermuntert und fordert sämtliche Interessenträger —

a)

die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften,

b)

die Jäger und Landwirte,

c)

die Veterinärämter,

d)

die Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten und

e)

die Medien —

dazu auf, sich unter der Federführung der Europäischen Kommission und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aktiv an der Bekämpfung der ASP zu beteiligen;

12.

fordert eine Aufstockung der Finanzmittel für Bildungs- und Informationsmaßnahmen für Interessenträger, um das gesellschaftliche Bewusstsein für die ASP sowie ihre Vorbeugung und Bekämpfung zu schärfen, da diese Krankheit eine enorme Bedrohung für die Entwicklung der ländlichen Gebiete, der lokalen und regionalen Wirtschaft, die Umwelt, die Tierzucht und in weiterer Konsequenz für die Menschen und die öffentliche Gesundheit darstellt;

13.

ruft die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, zur Verhinderung der Ausbreitung der ASP umfassender über die Einhaltung der erforderlichen Sorgfaltspflichten zu informieren, laufend zusammenzuarbeiten, um insbesondere in kleinen landwirtschaftlichen Betrieben für die durchgehende Anwendung von Biosicherheitsmaßnahmen zu sorgen sowie im Falle von Krankheitsausbrüchen in Grenzgebieten noch enger zu kooperieren. Diese Informationen sollten an alle Schweinehalter sowie an alle anderen Personen gehen, die Kontakt zu Wildschweinen haben;

14.

fordert die Jägerschaft zu einer stärkeren epidemiologischen Aufsicht über die Wildtierbestände in den verseuchten Gebieten sowie zu mehr Abschüssen dort auf, wo es zu viele Wildschweine gibt; weist darauf hin, dass sich Menschen und insbesondere Jäger zwar nicht mit der Krankheit anstecken, jedoch zu ihrer Verbreitung beitragen können durch

etwaige Kontakte mit lebenden bzw. toten Tieren (Kadavern),

Kontakt mit ASP-verseuchten Gegenständen (wie Kleidung, Fahrzeuge, sonstige Ausrüstung),

Verfütterung von Fleisch bzw. Fleischerzeugnissen (wie Wurst oder rohes Fleisch) von infizierten Tieren oder von Abfällen, die verseuchtes Fleisch enthalten (z. B. Küchenabfälle, Spültrank und Schlachtnebenerzeugnisse);

15.

ist der Auffassung, dass die Größe der Wildschweinpopulation der wichtigste Faktor für eine wirksame Bekämpfung der ASP ist. Daher sind Maßnahmen zur Eindämmung der Wildschweinpopulation in den betroffenen Gebieten auf eine für das jeweilige Gebiet angemessene Größe zu ergreifen. Zudem sollten auf die konkrete Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten zugeschnittene Programme für die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt (Jagdmanagement, Verbot von Zusatzfütterung sofern sie nicht zur Bejagung notwendig ist (Kirrung), landwirtschaftliche Praktiken) gefördert werden;

16.

erkennt die bisherigen Bemühungen der Europäischen Kommission zur Bekämpfung der ASP an, schlägt jedoch gleichzeitig vor, dass die Kommission auch im neuen Programm „Horizont Europa“ weitere Mittel für Maßnahmen in diesem Bereich einplant, da alle Ausschreibungen zur ASP im Rahmen von „Horizont 2020“ bereits abgeschlossen sind;

17.

ist der Auffassung, dass ASP-geschädigte Betriebe von der EU besondere Unterstützung in folgender Form erhalten sollten:

a)

Erstattung des Gegenwerts der gekeulten Tiere ohne zusätzliche Auflagen,

b)

Anwendung des historischen Beihilfemechanismus für fünf Jahre ab Einstellung der Produktion aufgrund der Keulung des Tierbestands,

c)

finanzielle Hilfe zur Umstellung des landwirtschaftlichen Betriebs auf andere Erzeugnisse,

d)

Unterstützung bei der Umsetzung sämtlicher Biosicherheitsmaßnahmen für jene Betriebe, die weiter Schweinezucht und Schweinemast betreiben, sowie bei finanziellen Belastungen im Krisenfall aufgrund der angeordneten Maßnahmen (Untersuchungen, Transportvorgaben u. a.),

e)

Unterstützung bei Einkommensverlusten, die den Schweinezüchtern und Schweinehaltern aufgrund des destabilisierten Schweinefleischmarkts entstehen,

f)

Unterstützung für Betriebe, die die Schweinezucht unter Anwendung der Biosicherheitsmaßnahmen ausbauen wollen;

g)

Unterstützung der Betriebe, die durch Restriktionsmaßnahmen bei der Pflanzenproduktion aufgrund der ASP betroffen sind

h)

Unterstützung für Betriebe, die Hofschlachtungen durchgeführt und in kleinem Maßstab produziert haben,

i)

Entsorgung aller Wildschweinkadaver auf Staatskosten;

18.

ist über die weitere Ausbreitung der ASP besorgt und fordert die Europäische Kommission dazu auf, ihre Anstrengungen fortzusetzen, sowie auf Ebene der EU — unter Einbindung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften — Maßnahmen zur Bekämpfung der ASP zu überwachen und zu bewerten.

Brüssel, 9. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  ABl. L 189 vom 27.6.2014, S. 1.


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/65


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Pastoralismus

(2020/C 39/14)

Berichterstatter

:

Jacques Blanc (FR/EVP), Bürgermeister von La Canourgue

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

hält die Bewahrung der Naturweidewirtschaft (Pastoralismus) für eine notwendige Voraussetzung für die Beibehaltung der Landwirtschaft in allen Regionen und die Erhaltung eines lebendigen ländlichen Gefüges, um das im Vertrag von Lissabon verankerte Ziel des territorialen Zusammenhalts zu verwirklichen, aber auch um unsere Ziele im Hinblick auf den Schutz der Umwelt, des Klimas und der biologischen Vielfalt zu erreichen;

2.

erinnert daran, dass der Fortbestand des Pastoralismus aufgrund verschiedener Probleme bedroht ist. Es wäre müßig, eine Rangfolge der Schwierigkeiten zu ermitteln, die in den jeweiligen Regionen auch unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Allerdings können bestimmte Probleme für sich allein schon das Überleben des Pastoralismus infrage stellen, etwa die mangelhafte Berücksichtigung seiner Besonderheit im Rahmen der Zuweisungen der GAP-Beihilfen (Busch- und Waldweiden, Mobilität, Allmenden usw.), das ungünstige wirtschaftliche Umfeld, Konkurrenz um Land, Schwierigkeiten bei der Weitergabe von Fachkenntnissen, umweltschutztechnische Beschränkungen beim Weiden, Konkurrenz um die Nutzung der Weideflächen mit den anderen Nutzern (etwa zur Freizeitgestaltung), und schließlich die Bedrohung der Herden durch Großraubtiere;

3.

fordert, den Pastoralismus und die extensive und nachhaltige Viehzucht bei der Neuausrichtung der GAP-Beihilfen stärker zu berücksichtigen, da diesen Formen der Viehzucht im Hinblick auf die ausgewogene Entwicklung der Gebiete und die Verwirklichung unserer Umwelt- und Klimaziele eine vorzügliche Rolle zukommt. Dies entspricht auch den Empfehlungen, die der Ausschuss in seiner Stellungnahme zur Reform der GAP formuliert hat;

4.

begrüßt den Vorschlag des AGRI-Ausschusses des Europäischen Parlaments zu der Verordnung über die Unterstützung der von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu erstellenden Strategiepläne‚ mit dem Artikel 4 der Verordnung über die GAP-Strategiepläne geändert werden soll, um die Anerkennung von Weideflächen mit Büschen und Bäumen als über Basisprämien förderfähige landwirtschaftlich genutzte Flächen zu ermöglichen. Allerdings muss die endgültige Fassung dieses Artikels dahin gehend überarbeitet werden, dass der Begriff „Weidefläche“aufgenommen wird, auf der (z. B. unter den Bäumen) ggf. grasartige Futtermittel wachsen. Damit der Status der Weideflächen und ihre Beihilfefähigkeit deutlich wird, müssen die Weideflächen als von Dauergrünland zu unterscheidende landwirtschaftliche Fläche anerkannt werden. Die Weidefläche sollte definitorisch vom Dauergrünland abgegrenzt und in ihrer Definition jeglicher Verweis auf das notwendige Vorhandensein grasartiger Futtermittel weggelassen werden. Alle Arten von Dauergrünland und Weideflächen ließen sich dann unter dem Begriff „Dauerweideland“zusammenfassen;

5.

empfiehlt die uneingeschränkte Anerkennung der genutzten Weideflächen als landwirtschaftliche Nutzflächen in einem stabilen und sicheren Rechtsrahmen, der auch eine effektive Deckelung der GAP-Beihilfen wie für die anderen Branchen vorsieht;

6.

erinnert daran, dass die pastorale Viehhaltung, die für die Fütterung des Viehs mit von selbst wachsenden Futtermitteln die natürliche Umwelt nutzt, sich gewisser Flexibilitäts- und Sicherheitsmargen bedient, um den klimatischen Unwägbarkeiten zu trotzen. So benötigen die Viehzüchter Flächen, die als „Pufferzonen“bezeichnet werden, da sie nicht jedes Jahr genutzt werden können bzw. hochgradig unterschiedlich intensiv beweidet werden, die jedoch im Falle saisonbedingter Dürren benötigt werden. Hierbei handelt es sich im Allgemeinen um Heideland, Auengebiete und Wald. Der derzeit stattfindende Klimawandel vergrößert den Bedarf an solchen Flächen. In den Regelungen zur Anerkennung der Weideflächen in der ersten Säule sollte die Rechtssicherheit bezüglich der Nutzung dieser Flächen — die nicht jährlich stattfindet und die zum Zeitpunkt der Einreichung der GAP-Dossiers nicht absehbar ist — anerkannt und gewährleistet werden. Daneben werden im Pastoralismus agrarökologische Praktiken zum Austausch von Ökosystemleistungen entwickelt, indem ergänzend auch anderweitige landwirtschaftliche Flächen (insbesondere Reb- und Obstanlagen) genutzt werden, was dazu beiträgt, den Aufwand und den Einsatz mechanisierter Verfahren zu verringern. Rechtlich sichere Lösungen sollten von der europäischen Politik anerkannt, gefördert und gefunden werden, um die Entwicklung solcher Praktiken zu ermöglichen, bei denen der Viehzüchter die von einem anderen Landwirt gemeldeten Flächen nutzt. Außerdem werden im Pastoralismus Praktiken im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft entwickelt, die unter den Begriff „Silvopastoralismus“(Waldweidewirtschaft) fallen und die sowohl für den Forst- als auch für den Landwirt von Nutzen sind. Die gemischte Nutzung dieser Flächen und diese Praktiken, die unter bestimmten Bedingungen in besonderem Maße zum Schutz des Waldes gegen Brände sowie zur Anpassung der Viehzucht an den Klimawandel beitragen und die der notwendigen Regenerierung und Produktivität der Wälder Rechnung tragen, müssen von der europäischen Politik anerkannt und fördert werden;

7.

unterstützt den Vorschlag des ENVI-Ausschusses des Europäischen Parlaments zur Verordnung über die Unterstützung der von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu erstellenden Strategiepläne‚ mit dem Grenzwerte für die Besatzdichte in landwirtschaftlichen Betrieben festgelegt und die Subventionen für Betriebe, die diese Grenzwerte überschreiten, begrenzt werden sollen;

8.

begrüßt den Vorschlag des AGRI-Ausschusses des Europäischen Parlaments‚ Artikel 68 dieser Verordnung dahin gehend zu ändern, dass der ELER weiterhin die Anschaffung von Hunden zum Schutz von Nutztieren vor gemäß Habitat-Richtlinie geschützten Großraubtieren fördern kann;

9.

verlangt, dass die Mitgliedstaaten mit Berggebieten eine integrierte Bergpolitik umsetzen müssen, in deren Rahmen ein erheblicher Teil der verfügbaren Instrumente (Zahlungen für naturbedingte Benachteiligungen, Beihilfen für benachteiligte Gebiete im Rahmen der zweiten Säule, spezifisches Unterprogramm für Berggebiete) gezielt eingesetzt wird und hierfür Mittel bereitgestellt werden, die der Größe dieser Gebiete entsprechen;

10.

fordert die EU auf, die durch Viehzüchter und Waldbesitzer in Berggebieten und im Mittelmeerraum als lokale Wissensträger im Sinne des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) erbrachten Ökosystemleistungen anzuerkennen und einen fairen Ausgleich für diese im Sinne des Wohlergehens der gesamten Bevölkerung erbrachten Ökosystemleistungen zu gewähren;

11.

wünscht, dass jeder Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, bestimmte Maßnahmen der ersten Säule (Öko-Regelungen) und der zweiten Säule auf die gesamte Weidefläche und nicht nur auf die beihilfefähige Fläche anzuwenden. So müssen einige Maßnahmen, z. B. bestimmte lokale Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen wie der Schutz des Waldes gegen Brände, für die gesamte Fläche gezahlt werden können;

12.

schlägt zur Aufrechterhaltung der Landwirtschaft in weniger begünstigten Gebieten und Gebieten mit bestimmten Nachteilen vor, die Zulage zum Ausgleich der ständigen natürlichen Nachteile in den Mitgliedstaaten, auf die dies zutrifft, obligatorisch zu machen;

13.

fordert die Mitgliedstaaten und die Gebietskörperschaften auf, Investitionen in Weidegebieten zu tätigen‚ die oft für Maschinen unzugänglich sind. Der Aufbau von Infrastruktur (Unterkünfte für Hirten, Weidekoppeln, Umzäunungen, Einrichtung von Wasserstellen usw.), die Durchführung von Instandhaltungsarbeiten oder die Beseitigung von Gestrüpp sind für eine nachhaltige Bewirtschaftung dieser Gebiete unabdingbar;

14.

ist der Ansicht, dass die Bewirtschaftung land- und naturweidewirtschaftlicher Flächen auf lokaler Ebene unterstützt werden muss. In den Fällen, in denen Grund und Boden unter vielen Eigentümern aufgeteilt ist, ist die Einrichtung einer geeigneten Organisation für Grundeigentümer ein unerlässlicher Bestandteil eines dynamischen Pastoralismus;

15.

fordert die Mitgliedstaaten und die Gebietskörperschaften auf, den Zugang zu Grund und Boden für Weideviehzüchter zu erleichtern‚ insbesondere durch spezifische mehrjährige Vereinbarungen, mit denen den Viehzüchtern oder den Nutzerkollektiven das Recht auf eine ausschließlich pastorale Nutzung gewährt wird;

16.

fordert die Mitgliedstaaten und die Gebietskörperschaften des Weiteren auf, Fördersysteme zu schaffen, die auf die kollektive Verwaltung zugeschnitten sind. Um die für die Nutzung der Naturweideflächen erforderliche Infrastruktur zu schaffen und für entsprechende Humanressourcen zu sorgen, mussten die Weideviehzüchter sehr früh neue Formen der kollektiven Organisation entwickeln, die Nutzungsarten ohne Beeinträchtigung des Eigentums betreffen. Diese erlauben den Zusammenschluss für die pastorale Nutzung von Privat- und Gemeindegrundstücken innerhalb eines bestimmten Gebiets und einer einzigen Verwaltungseinheit. Zudem sichern sie die Beziehungen zur Verwaltung und zu den verschiedenen Partnern bzw. Nutzern;

17.

verlangt von der EU eine Förderung der Weiterentwicklung landwirtschaftlicher Erzeugnisse mit Qualitätslabeln und der Schaffung eines Mehrwerts durch den Schutz hochwertiger Lebensmittel aus der Naturweidewirtschaft. So müssen die Mitgliedstaaten insbesondere dazu angehalten werden, die fakultative Qualitätsangabe „Erzeugnis aus Berggebieten“zu benutzen, die es in den meisten Ländern noch nicht gibt, obwohl sie 2014 eingeführt wurde;

18.

fordert, dass die Angabe „Milch, Käse und Fleisch aus Weidehaltung“auf Erzeugnisse beschränkt wird, die garantieren, dass sich die Tiere in der Weidesaison zu über 80 % auf Weideflächen ernähren;

19.

stellt fest, dass die Viehzüchter unter einem unlauteren Wettbewerb aufgrund von Billigeinfuhren leiden, die das Überleben des Pastoralismus in Europa gefährden. Dies führt dazu, dass die EU diesen Wettbewerb für die pastorale Viehzucht wie für andere Branchen durch Beihilfen ausgleicht. Die EU muss all ihren Einfluss als weltweit größter Importeur und Exporteur von Lebensmitteln geltend machen, um die Regeln des internationalen Agrarhandels (WTO, 1994) im Sinne gerechterer und solidarischerer Handelsbeziehungen entsprechend der Stellungnahme des Ausschusses zur GAP nach 2020 zu ändern;

20.

begrüßt das vom Europäischen Parlament auf den Weg gebrachte und unterstützte Pilotprojekt, mit dem regionale Diskussionsplattformen zum Thema Wolf, Bär, Luchs und Vielfraß eingerichtet werden, um Konfliktsituationen zu bewältigen. Die Auswirkungen des Räubertums und des Schutzes der Herden müssen dort in vollem Umfang anerkannt und im Rahmen angemessener Bewirtschaftungspläne angegangen werden. Alle rechtlichen Regelungen müssen diskutiert werden, einschließlich derjenigen, die einen Abschuss erlauben, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Im Übrigen haben einige Regionen eigenständig Diskussionsplattformen ins Leben gerufen;

21.

fordert eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit für Pastoralismus, um Ungereimtheiten infolge widersprüchlicher und für den europäischen Raum als Ganzes ungeeigneter Maßnahmen zu vermeiden;

22.

verlangt, dass sich die Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt auf einen neuen spezifischen Artenschutzfonds stützt. Dieser Fonds sollte der Entschädigung für die durch Großraubtiere verursachten Schäden dienen, deren Kosten erheblich anschwellen, aber auch dem Schutz der Herden, für den ein immer größerer Anteil des ELER in Anspruch genommen werden kann, während diese Mittel jedoch stark gekürzt werden. In Ermangelung eines solchen neuen Fonds müssen die bestehenden Finanzinstrumente genutzt werden, und zwar ggf. auf regionaler sowie auf nationaler und EU-Ebene (etwa der ELER);

23.

ruft die Kommission auf, die Notwendigkeit einer Überarbeitung der Habitat-Richtlinie auf der Grundlage des nächsten Berichts über den Zustand der Natur im Jahr 2020 zu prüfen und sich hierbei auf die Ergebnisse des Aktionsplans für Menschen, Natur und Wirtschaft sowie den Erhaltungszustand der verschiedenen Arten und Habitate zu stützen. Im Zuge einer eventuellen Überarbeitung der Habitat-Richtlinie sollte eine künftige Änderung der Anhänge im Wege des Komitologieverfahrens ausgelotet werden, um sich rascher an die Entwicklung bestimmter Populationen anzupassen und den Schutzstatus nach Land oder Gebietseinheit zu lockern oder zu verschärfen, wenn dies aufgrund einer positiven bzw. negativen Entwicklung der Populationen der geschützten Arten und der Bedrohung der pastoralen Aktivitäten gerechtfertigt ist;

24.

fordert die Kommission auf, die Agrar- und Tierzuchtwissenschaften stärker in die wissenschaftlichen Studien zu integrieren, um politische Entscheidungen zu unterstützen. Diese müssen sich auf die besten verfügbaren Kenntnisse im Bereich der Natur-, Agrar- und Sozialwissenschaften sowie auf einen ausreichend breit angelegten und langfristigen Erfahrungsschatz stützen, um der Politik als Richtschnur dienen zu können. So sollten vor allem die besonderen Umstände der untersuchten Fälle in Bezug auf Pastoralismus und Großraubtiere präzisiert werden, um die örtlichen Gegebenheiten zu verstehen und zu prüfen, inwieweit die Beispiele für den Schutz der Herden und die Steuerung der Großraubtierpopulation funktionieren und möglicherweise die gemeinsame Reflexion und die Leitlinien in anderen Regionen bereichern können, und um Lehren aus den Schwierigkeiten und Misserfolgen mit dem Ziel zu ziehen, die Möglichkeiten einer Anpassung der europäischen Rechtsvorschriften und der notwendigen Maßnahmen an die Gegebenheiten vor Ort zu erweitern, damit die Raubtierpopulationen — insbesondere die des Wolfes — besser gesteuert werden können;

25.

fordert die Kommission auf, die Erforschung der organoleptischen Eigenschaften von Erzeugnissen der Weidewirtschaft und der Weidetiere zu fördern;

26.

plädiert dafür, dass die EU eine ambitionierte Strategie für den Schutz des Waldes gegen Brände durch die Förderung der Präsenz der Herden in den Wäldern und Heideflächen entwickelt, wofür deren Anerkennung als Produktionsstandort im Sinne der vorstehend genannten Anmerkungen erforderlich ist;

27.

begrüßt das Unesco-Projekt zum Thema Kulturerbe und die EU, mit dem die Hebelwirkung des Weltkulturerbes genutzt werden soll, um die wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit der ländlichen Gebiete in Europa zu stärken, und legt den europäischen Institutionen nahe, diese Initiative zu unterstützen. Die pastoralen Landschaften wurden bereits zum Welterbe erklärt, nicht nur als Kulturlandschaften, sondern auch als Reliktlandschaften oder repräsentative Sehenswürdigkeiten in Felslandschaften, wodurch die Anziehungskraft der entsprechenden Regionen auf Touristen erhöht wird;

28.

fordert die EU zur Förderung der Berufe auf, die im Zusammenhang mit der Naturweidewirtschaft stehen. Die Staaten sollten die Arbeit des Weideviehzüchters und auch des Schäfers im Angestelltenverhältnis aufwerten und die Sichtbarkeit dieses Berufes innerhalb und außerhalb der Landwirtschaft erhöhen. Durch eine bessere Ausbildung — insbesondere bezüglich des Führens von Weidetieren und der Überwachung ihrer Gesundheit‚ aber auch des Schutzes der Bestände und des Umgangs mit Schutzhunden sowie die Einführung von Mentoring mit erfahrenen Fachleuten — würde die Weitergabe von Fachwissen verbessert werden. Für die Schäfer sollten folgende Anreize ausgeweitet werden: Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen auf den Almen wie auch entlang der Triftwege (etwa im Mittelmeerraum), Investitionen in die Infrastruktur zur Schaffung angemessener Lebens- und Arbeitsbedingungen, die Aufstellung von Tarifverträgen und die Schaffung von Jobbörsen zur Erleichterung der Suche nach Saisonarbeitskräften. In seiner Stellungnahme zum Thema „Innovation und Modernisierung der ländlichen Wirtschaft“empfahl der Ausschuss der Regionen unter anderem, das Berufsbildungsangebot in ländlichen Gebieten zu modernisieren und an die globalen Wettbewerbsbedingungen und die Bedürfnisse der lokalen Unternehmen anzupassen, sowie die Mittel des ESF für die berufliche Bildung in ländlichen Gebieten, die derzeit sehr schwach ist, aufzustocken.

Brüssel, den 9. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/68


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Forschungsinfrastrukturen: die Zukunft des Europäischen Forschungsraums (EFR) aus regionaler und grenzüberschreitender Sicht

(2020/C 39/15)

Berichterstatter

:

Eamon DOODLEY (IE/Renew Europe), Mitglied des Grafschaftsrates von Offaly

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Einleitung

1.

begrüßt den generellen Ansatz der Europäischen Kommission zur Klärung der wichtigen Rolle, die der Forschungsinfrastruktur bei der Förderung von Wissen und Technologie zukommen kann und in der Praxis auch zukommt. Forschungsinfrastrukturen und ihre Nutzung sind grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung des Europäischen Forschungsraums (EFR). Er befürwortet in diesem Zusammenhang die Arbeit des Europäischen Strategieforums für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI), das einen wichtigen Beitrag zur Politikgestaltung im Bereich Forschungsinfrastrukturen auf EU-Ebene leistet und die Schaffung eines europäischen Binnenmarkts für Wissenschaft unterstützt;

2.

hebt hervor, dass Forschungsinfrastrukturen lokal und regional verankert sind. Die wissenschaftlichen Ergebnisse, der Einfluss auf das Bildungs-Ökosystem sowie der allgemeine Markt- und gesellschaftliche Nutzen tragen maßgebend zur regionalen Entwicklung bei;

3.

stellt fest, dass Forschungsinfrastrukturen von europaweitem Interesse der strategischen Roadmap des ESFRI zufolge dazu beitragen, die langfristigen Bedürfnisse europäischer Forschungsgemeinschaften in vielen wissenschaftlichen Bereichen zu erfüllen, und begrüßt darüber hinaus, dass in dieser Roadmap Investitionen in Forschungsinfrastrukturen als eine Möglichkeit zur Verbesserung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit und damit des Zusammenhalts zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten und Regionen betrachtet werden;

4.

betont, dass Forschungsinfrastrukturen eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung der globalen Herausforderungen im Bereich der Umwelt-und Klimaveränderungen zukommt, die sich unserer Gesellschaft auf allen Ebenen — lokal, regional, national, europäisch und global — stellen;

5.

bekräftigt ferner die Schlussfolgerung aus seinen einschlägigen Stellungnahmen, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften durch die strategische Ermittlung regionaler Forschungsprioritäten im Wege der Entwicklung von Strategien für intelligente Spezialisierung (S3) maßgeblich zur Schaffung wirksamer Innovationsökosysteme beitragen (1);

6.

stellt fest, dass Europa einen erfolgreichen mittel- bis langfristigen Zukunftsentwurf für die Entwicklung eines kohärenten Ökosystems für Forschungsinfrastrukturen entwickelt hat, in dem die Zusammenarbeit zwischen bestehenden Infrastrukturen gefördert und gleichzeitig der Auf- und Ausbau der nächsten Generation von Forschungsinfrastrukturen nach den Vorgaben des ESFRI geplant wird;

7.

stimmt den Schlussfolgerungen des Rates zu, dass die Verwirklichung eines gut funktionierenden EFR einen entscheidenden Beitrag dazu leisten wird, die Wirksamkeit und insgesamt die Leistungsfähigkeit des europäischen Forschungs- und Innovationsökosystems zu verbessern, und bekräftigt die Bedeutung einer engen Partnerschaft zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission bei der gemeinsamen Arbeit an der Stärkung des EFR, insbesondere durch Horizont Europa als wichtigstes Finanzierungsinstrument (2). Er bedauert indes, dass der Rat die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in diesem Prozess nicht gebührend anerkennt;

8.

stellt beunruhigt fest, dass der EFR-Rahmen verschiedene Defizite in Bezug auf Forschungsinfrastrukturen aufweist, was zu Umsetzungslücken und dadurch zur Beeinträchtigung der potenziellen Vorteile und Leistungsfähigkeit führt;

9.

begrüßt den von der Kommission vorgeschlagenen Haushalt in Höhe von 100 Mrd. EUR für den Programmplanungszeitraum 2021-2027 zur Finanzierung von Wissenschaft, Forschung und Innovation und zur Behebung dieser Mängel. Gleichzeitig aber ist er besorgt über die Gefahr einer Zunahme der Ungleichheiten zwischen den Städten und Regionen, die vom Rahmenprogramm für Forschung und Innovation profitieren und über mehr Mittel verfügen werden, und den übrigen, die die Auswirkungen der Kürzung der Haushaltsmittel für die Kohäsionspolitik zu spüren bekommen werden (3);

10.

gibt ferner zu bedenken, dass es ausgesprochen wichtig ist, bei jeder politischen Maßnahme der EU den Mehrwert des EU-Handelns unter Beweis zu stellen, zumal diese Maßnahmen zunehmend hinterfragt werden. Aus jüngeren Analysen geht hervor, dass die Umsetzung des EFR zwar voranschreitet, aber langsamer als zuvor, und dass bei Leistungsstärke und Wachstumsrate nach wie vor große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten herrschen (4). Er betont deshalb, dass die Wirkung der europäischen FuI durch belastbarere und klarere Statistiken besser und öffentlichkeitswirksamer vermittelt werden muss;

Herausforderungen für den EFR aus der regionalen und grenzüberschreitenden Perspektive

11.

bedauert, dass der Anteil der staatlichen Forschungsfinanzierung in der EU zwischen 2014 und 2016 bei ca. 2,03 % stagniert ist (5). Daraus wird deutlich, dass der für FuE aufgewendete Anteil des Nationaleinkommens immer noch deutlich unter dem 2002 in Barcelona festgelegten Ziel von 3 % des BIP liegt und dass weniger als 1 % der nationalen FuE-Aufwendungen in die länderübergreifende Forschung fließen (6);

12.

stellt außerdem mit Sorge fest, dass sich die Unausgewogenheit der Bruttoinlandsaufwendungen für FuE auch auf regionaler Ebene bemerkbar macht, sodass die FuE-Investitionen im Jahr 2015 nur in 31 von 281 NUTS-2-Regionen über dem 3 %-EU-Ziel lagen, wobei sich in bestimmten EU-Regionen deutliche forschungsintensive Cluster abzeichneten. Diese Regionen liegen überwiegend in Deutschland, Österreich, dem Vereinigten Königreich, Schweden, Belgien, Dänemark, Frankreich und Finnland (7);

13.

weist darauf hin, dass es bei der Umsetzung des EFR auch Unterschiede bei der Zuweisung von Mitteln im Rahmen von Horizont 2020 sowie bei FuI-Investitionen im Rahmen der ESI-Fonds gibt. Die Mittel aus den ESI-Fonds fließen vor allem in die EU-13-Mitgliedstaaten. Hingegen hat das Exzellenzkriterium des Programms Horizont 2020 dazu geführt, dass die Mittel vor allem in die EU-15-Mitgliedstaaten vergeben werden und sich dort auch die FuI-Kapazitäten konzentrieren, sodass sich die Innovationskluft zwischen der EU-15 und der EU-13 ausgeweitet hat (8);

14.

gibt zu bedenken, dass auch langfristige Tragfähigkeit eine maßgebliche Herausforderung im Zusammenhang mit Forschungsinfrastrukturen ist, insbesondere bei europaweiten Infrastrukturen, deren Bau, Wartung und Betrieb — die Baukosten können ohne Weiteres 1 Mrd. EUR übersteigen, während sich die jährlichen Betriebskosten auf ca. 10 % der Baukosten belaufen — außerordentlich kostspielig sind. Die nationalen Forschungsbudgets werden durch diese Kosten teilweise über Gebühr belastet, sodass die langfristige Tragfähigkeit problematisch bleibt (9);

15.

ist sich im Klaren darüber, dass die Kosten des Zugangs zu Forschungsinfrastrukturen insbesondere in grenzüberschreitenden Situationen ein Hemmnis für Forscher darstellen können und so den wissenschaftlichen Fortschritt gefährden;

16.

warnt im Hinblick auf die Bewältigung der globalen Herausforderungen wie Klimawandel, dass Forschungsinfrastrukturen in der Lage sein müssen, sich untereinander zu vernetzen, um Wissensaustausch und interdisziplinäre Forschung auszuweiten. Digitale Forschungsinfrastrukturen sind hierfür eine entscheidende Voraussetzung, und der AdR befürwortet in diesem Sinn einen verstärkten offenen Zugang zu Daten über die Europäische Cloud für offene Wissenschaft;

17.

weist darauf hin, dass Humanressourcen ein wichtiger Aspekt der Forschungsinfrastrukturen sind. Von der Personalpolitik und -verwaltung hängen die Qualität und Quantität des Personalbestands ab, weshalb sie ein wichtiger Faktor für die Einrichtung, den Betrieb und die Leistung der Forschungsinfrastrukturen ist (10). Deshalb ist es unerlässlich, den Aufbau von Kompetenzen und die Mobilität von Führungskräften sowie den Ausbau der Fähigkeiten von Forschern zu fördern;

18.

sieht mit Sorge, dass das Potenzial der FuI-Infrastrukturen für Industrie und Gesellschaft noch nicht umfassend erschlossen ist. Er räumt indes ein, dass die Europäische Kommission Anstrengungen unternimmt, dass wissenschaftliche Know-how Europas in marktfähige Produkte und Dienste umzusetzen;

19.

ist sich bewusst, dass Forschungsinfrastrukturen dem Bedarf der Industrie gerecht werden müssen, um gesamtgesellschaftliche Vorteile zu bewirken. Deshalb sollten in einem stabilen Ökosystem vernetzte Forschungsinfrastrukturen in der Lage sein, interdisziplinäre Lösungen für komplexe Probleme zu erarbeiten;

20.

ist darauf aufmerksam gemacht worden, dass den Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen der allgemeinen Informationen über den Mehrwert des EU-Handelns auch der Nutzen bestehender und künftiger Forschungsinfrastrukturen und der dort durchgeführten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben besser vermittelt werden muss;

Forschungsinfrastruktur: politische Empfehlungen

21.

appelliert an die neue Europäische Kommission, weiterhin zu überwachen, ob die Mitgliedstaaten und Regionen ihrer Verpflichtung nachkommen, bis zum Ende dieses Jahrzehnts 3 % des BIP für Forschung und Entwicklung aufzuwenden;

22.

fordert die Europäische Kommission auf, schleunig die Nachfolgestrategie zur Strategie Europa 2020 vorzuschlagen, die auch im FuE-Bereich quantifizierte Ziele umfassen sollte;

23.

erachtet es als notwendig, die gemeinsamen Anstrengungen auf allen Ebenen weiter zu verstärken und die nationalen und regionalen Forschungs- und Innovationssysteme weiter zu verbessern, um einen gut funktionierenden Europäischen Forschungsraum zu ermöglichen und über die Entwicklung von Synergien die Verbreitung von Exzellenz zu fördern. Er stimmt daher generell den Vorschlägen der Europäischen Kommission zu, im Programmplanungszeitraum 2021-2027 neue Initiativen zur Förderung der Wirksamkeit der Forschungsinfrastrukturen aufzulegen, wie u. a. die Nutzung von Regionalfördermitteln, ein europäisches Reformumsetzungsinstrument und Horizont Europa mit seinem spezifischen Bereich zur Stärkung des Europäischen Forschungsraums (11);

24.

ist überzeugt, dass Forschungsinfrastrukturen regionale Möglichkeiten für den Wettbewerb um EU-Mittel für Investitionen in Forschungsinfrastrukturen schaffen, die zur Entwicklung von Innovationszentren im Rahmen verteilter Forschungsinfrastrukturen führen können. Zur Gewährleistung der langfristigen Tragfähigkeit von Forschungsinfrastrukturen hält er zusätzliche spezifische Finanzierungsmodelle für notwendig, um über den gesamten Lebenszyklus der Forschungsinfrastrukturen hinweg Finanzierungslücken aufgrund fehlender europäischer, nationaler oder anderer Mittel zu überbrücken. Im Einzelnen sind folgende eigene Haushaltslinien erforderlich:

Finanzierung der Bauplanungs- und Testbetriebsphase;

Finanzierung des laufenden Betriebs der Forschungsinfrastrukturen; und

Finanzierung der Humanressourcen, d. h., Gehälter, Einstellung, Bindung und Fortbildung der Mitarbeiter.

Denkbar wäre dies über eine kreativere Nutzung der Mittel aus den ESI-Fonds, der Gemeinschaftsinitiative Interreg, des Rahmenprogramms und von Darlehen der Europäischen Investitionsbank wie auch über eine Einbeziehung der Programme Erasmus+, „Digitales Europa“, COSME und LIFE sowie der Fazilität Connecting Europe usw., möglicherweise im Rahmen eines Kofinanzierungsmodells unter Einbeziehung nationaler Forschungsmittel. Darin liegt eine entscheidende Voraussetzung für die langfristige Tragfähigkeit der Forschungsinfrastrukturen;

25.

befürwortet den Ansatz der „Verbreitung von Exzellenz und Ausweitung der Beteiligung“ (12), der in Verbindung mit einer forschungs- und investitionsfreundlicheren staatlichen Beihilfepolitik zu einer ausgeglicheneren Förderung sowie einer umfassenden Nutzung des Forschungspotenzials aller EU-Regionen, auch außerhalb der forschungsintensiven Cluster, beitragen kann;

26.

unterstützt umfassend die Initiative, in deren Rahmen das Programm Horizont 2020, der Europäische Fonds für strategische Investitionen und das Programm für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und für kleine und mittlere Unternehmen miteinander kombiniert werden, um das Programm VentureEU ins Leben zu rufen und darüber Risikokapitalinvestitionen in Europa und die Mobilisierung privater Mittel für Forschungstätigkeiten zu fördern (13);

27.

schlägt vor, im Rahmen von Horizont Europa spezifische Maßnahmen zur Förderung des Zugangs zu Forschungsinfrastrukturen vorzusehen und u. a. Zugangskosten als förderfähig einzustufen, zumal dadurch die Entwicklung von Dienstleistungen der Forschungsinfrastrukturen sowie die langfristige Tragfähigkeit ermöglicht werden können;

28.

spricht sich für eine Ausweitung des offenen Zugangs zu Forschungsinfrastrukturen aus und empfiehlt dazu diverse Maßnahmen:

Die Kosten in Verbindung mit dem Zugang zu Forschungsinfrastrukturen sollten im nächsten Rahmenprogramm als förderfähig eingestuft werden;

freier Zugang (exzellenzbasiert oder offen) zu Diensten, die im Rahmen genehmigter Projekte entwickelt oder getestet werden;

Bereitstellung von Mitteln für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation mit der potenziellen Nutzerschaft der Forschungsinfrastrukturen.

29.

befürwortet eine weitreichendere Harmonisierung und Standardisierung der Zugangsregeln und Verfahren und insbesondere die Entwicklung einer Charta für den Zugang zu Forschungsinfrastrukturen zur Sicherstellung von Fairness und Beständigkeit (14);

30.

spricht sich insbesondere für eine engere Verknüpfung der FuI-Politik mit der Entwicklung und Durchführung intelligenter Spezialisierungsstrategien (S3) aus, bei denen es sich um innovative Ansätze zur Förderung des Wirtschafts- und Beschäftigungswachstums im Einklang mit den ermittelten regionalen Erfordernissen handelt, um die Regionen in FuI-Tätigkeiten einzubeziehen. Im Rahmen der Durchführung regionaler Forschungs- und Innovationsstrategien für intelligente Spezialisierung (RIS3) können die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Wege einer interregionalen und kollaborativen (Peer-to-Peer-)Zusammenarbeit Ziele weiter präzisieren sowie Synergien und eine bessere Abstimmung fördern;

31.

plädiert für eine stärkere Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Gestaltung und Durchführung von FuI-Initiativen, denn kleine und mittlere Forschungsinfrastrukturen sind wichtig für die lokale und regionale Entwicklung und viele dieser Initiativen werden auf lokaler und regionaler Ebene umgesetzt;

32.

bekräftigt seine Unterstützung für die Schaffung eines europäischen Netzes regionaler Ökosysteme und Innovationszentren durch die Nutzung von Synergien zwischen bestehenden europäischen, nationalen und regionalen Strategien und die Vernetzung der regionalen Ökosysteme und Innovationszentren mit maßgebenden industriellen Wertschöpfungsketten zur Förderung eines wettbewerbsfähigen Ökosystems für Forschung, Entwicklung und Innovation. Dadurch würde der gesellschaftliche Nutzen des nächsten Rahmenprogramms gesteigert (15);

33.

fordert eine stärkere regionen- und grenzübergreifende Vernetzung der Forschungsinfrastrukturen an Hochschulen, um engere Verbindungen mit Akteuren in regionalen Ökosystemen, d. h. lokalen Forschungsinfrastrukturen, Inkubatoren, Technologieparks und Universitäten, aufzubauen. In diesem Sinn unterstützt er nachdrücklich strategische Initiativen wie ASTRONET oder APPEC;

34.

macht darauf aufmerksam, dass den Hochschulen eine wichtige Rolle dabei zukommt, die für erfolgreiche Innovationen entscheidenden zukunftsorientierten Qualifikationen und Kompetenzen zu vermitteln. Er spricht sich deshalb für die Entwicklung einer strukturierteren Zusammenarbeit zwischen Forschungsinfrastrukturen und Hochschulen aus, um verstärkt Mobilität und Austauschprogramme zwischen diesen Bereichen zu fördern;

35.

befürwortet die neue Ausrichtung des ESFRI auf verstärkt interdisziplinär ausgerichtete Schnittstellen und eine engere Abstimmung zwischen dem ESFRI und nationalen Strategien und Fahrplänen im Interesse einer besseren Koordinierung und Effizienz im Forschungsinfrastruktur-Ökosystem, da in einem stabilen Ökosystem vernetzte Forschungsinfrastrukturen in der Lage sein sollten, interdisziplinäre Lösungen für komplexe Probleme zu erarbeiten;

36.

unterstützt die konkrete Verbreitung von Informationen über mit öffentlichen Mitteln geförderte Innovationen, Innovatoren und ihr Marktpotenzial durch die Nutzung des Innovationsradars (16);

37.

befürwortet die Anwendung gemeinsamer Bewertungskriterien auf der Grundlage vorhandener Qualitätssicherungsverfahren zur Sicherstellung der Vergleichbarkeit über Grenzen hinweg und schließt sich der Anregung des Rates der EU an, der die Mitgliedstaaten im Mai 2018 ersuchte, einen gemeinsamen Ansatz für die Überwachung der Leistung der Forschungsinfrastrukturen zu entwickeln (17);

38.

fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eng mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zusammenzuarbeiten, um Informationen über Forschungsinfrastrukturen und einschlägige Tätigkeiten zusammenzutragen sowie ihre Tätigkeiten und Leistungen zu kartieren, um die Bürger dafür zu sensibilisieren, inwieweit ihnen selbst, aber auch der regionalen, nationalen und europäischen Wirtschaft daraus Vorteile entstehen.

Brüssel, den 9. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  AdR-Stellungnahme „Forschungs- und Innovationsstrategien für intelligente Spezialisierung (RIS3): Auswirkungen auf die Regionen und interregionale Zusammenarbeit“ (2017).

(2)  Rat der Europäischen Union: Governance des Europäischen Forschungsraums — Schlussfolgerungen des Rates, Brüssel, November 2018.

(3)  AdR-Stellungnahme „Horizont Europa: 9. Rahmenprogramm für Forschung und Innovation“ (COR-2018-03891) (ABl. C 461 vom 21.12.2018, S. 79).

(4)  Bericht der Kommission — Der Europäische Forschungsraum: Forschung und Innovation in Europa gemeinsam voranbringen (COM(2019) 83 final).

(5)  Eurostat, Europe 2020 indicators — R&D and innovation.

(6)  EPRS — European Added Value Unit: PE 603.239, Dezember 2017.

(7)  Eurostat, Europe 2020 indicators — R&D and innovation.

(8)  Bericht für das Europäische Parlament: European Research Area Regional and Cross-Border Perspective, PE 637.939, April 2019.

(9)  SWD(2017) 323 final: Sustainable European Research Infrastructures — A Call for Action.

(10)  ENEA; Reflection Paper on Research Infrastructure — the Future of the ERA from a regional and cross-border perspective, Mai 2019.

(11)  Bericht der Europäischen Kommission — Der Europäische Forschungsraum: Forschung und Innovation in Europa gemeinsam voranbringen (COM(2019) 83 final, S. 2).

(12)  https://ec.europa.eu/programmes/horizon2020/en/h2020-section/spreading-excellence-and-widening-participation.

(13)  Mitteilung der Europäischen Kommission: Eine erneuerte Europäische Agenda für Forschung und Innovation — Europas Chance, seine Zukunft zu gestalten, Mai 2018, COM(2018) 306 final.

(14)  ENEA: Reflection Paper on Research Infrastructures — the Future of the ERA from a Regional and Cross-Border Perspective. Mai 2019.

(15)  AdR-Stellungnahmeentwurf „Eine erneuerte Europäische Agenda für Forschung und Innovation — Europas Chance, seine Zukunft zu gestalten“ (2019).

(16)  Innovationsradar: Ermittlung von Innovationen und Innovatoren mit großem Potenzial beim RP7, beim Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zur Unterstützung der IKT-Politik und bei Projekten von Horizont 2020.

(17)  Rat der EU: Schlussfolgerungen des Rates — Beschleunigung des Wissensaustauschs in der EU, Mai 2018, 9507/18.


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/72


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Umsetzung des Übereinkommens von Paris durch eine innovative und nachhaltige Energiewende auf regionaler und lokaler Ebene

(2020/C 39/16)

Berichterstatter

:

Witold STĘPIEŃ (PL/EVP), Mitglied der Regionalversammlung der Woiwodschaft Łódzkie (Łódź)

Referenzdokument

:

Initiativstellungnahme

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Umsetzung des Übereinkommens von Paris durch eine rasche, wirksame und ebenenübergreifende Energiewende

1.

weist darauf hin, dass eine innovative und nachhaltige Energiewende einen tiefgreifenden Wandel im gesamten Energiesystem — von der Erzeugung über die Übertragung bis hin zum Verbrauch — erfordert, der sich unmittelbar auf die Infrastrukturen, den Markt und die Gesellschaft auswirkt. Darin liegt eine Chance, einen sichereren, faireren und transparenteren Energiemarkt aufzubauen, grenzüberschreitende Verbundnetze zu schaffen, den Zugang zu erneuerbarer Energie und ihre Verteilung zu verbessern, Energiearmut zu beseitigen und die Rechte der Verbraucher und Prosumer im Energiesystem zu schützen;

2.

nimmt die Schlussfolgerungen des Sonderberichts des Weltklimarats (IPCC) zur Kenntnis und bekräftigt, dass die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C oberhalb des vorindustriellen Niveaus umgehende Maßnahmen und einen umfassenden sektorübergreifenden Übergang zu einem nachhaltigen, emissionsarmen Energiesystem erfordert (1). Das Ausmaß dieses Wandels macht integrierte Lösungen und eine enge, alle Regierungs- und Verwaltungsebenen und alle Bereiche der Zivilgesellschaft übergreifende Zusammenarbeit unerlässlich, um die Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) und die Ziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen;

3.

begrüßt, dass das Europäische Parlament (2) die Notwendigkeit eines antizipativen Ansatzes anerkannt hat, um einen fairen Übergang für die Unionsbürger zu bewerkstelligen und die Regionen zu unterstützen, die am stärksten von der Dekarbonisierung betroffen sind, da der Übergang zu einem klimaneutralen Europa die Wirtschaft wettbewerbsfähiger macht, den Planeten schützt und Gesundheit und Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger verbessert;

4.

begrüßt den Vorschlag der designierten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, einen europäischen Grünen Deal mitsamt dem ersten europäischen Klimagesetz, in dem die Klimaneutralität der EU bis 2050 gesetzlich verankert wird, aufzulegen, und insbesondere den geplanten neuen Fonds für einen fairen Übergang, der die Kohleregionen bei der Umstellung auf saubere Energie unterstützen und gleichzeitig die europäische Wettbewerbsfähigkeit fördern wird;

5.

appelliert an die Kommission und die Mitgliedstaaten, im Einklang mit den Zielen der Energieunion ein starkes mittelfristiges Zwischenziel als Meilenstein auf dem Null-Emissions-Pfad bis 2050 (3) festzusetzen und die Verpflichtungen im Rahmen der national festgelegten Beiträge in der EU (4) für die gesamte Wirtschaft auf eine mindestens 50%ige Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 anzuheben. Dabei sollte insbesondere auf die nicht unter das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) fallenden Sektoren abgehoben werden, da ihre Emissionen nicht bereits durch das EU-EHS eingeschränkt werden. Er bekräftigt seine Forderung nach ehrgeizigeren und gleichzeitig realistischen Zielsetzungen für Energieeffizienz und erneuerbare Energieträger auf EU-Ebene, die auf 40 % bis 2030 erhöht werden sollten, sowie nach umfangreicher Unterstützung für die Entwicklung innovativer Technologien, die weitere Fortschritte ermöglichen;

6.

spricht sich dafür aus, dass alle Regierungs- und Verwaltungsebenen angemessen in die Entwicklung, Durchführung und Überwachung wirksamer und zielorientierter Klimaschutz- und Energiemaßnahmen eingebunden und mit den notwendigen Handlungskompetenzen ausgestattet werden. Dabei kommt den Mitgliedstaaten und der EU große Verantwortung zu, denn sie legen die Rahmenbedingungen fest. Seines Erachtens sind die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (LRG) am besten in der Lage, lokale Gemeinschaften einzubinden, private Investoren anzuziehen sowie rasch ehrgeizige Maßnahmen einzuleiten, da sie nicht nur Verwaltungsfunktionen ausüben, sondern auch Energiedienstleistungen erbringen und umfangreiche Aufträge für Energiedienstleistungen (Stromnetze, Wärmeversorgung, öffentlicher Verkehr, Beleuchtung) vergeben. Zudem können die LRG eine Vorbildfunktion ausüben und ihre Gemeinschaften inspirieren;

Wissenstransfer und Förderung des Zusammenhalts im Hinblick auf eine europäische Energiewende im Gleichtakt: Unterstützung von Kohleregionen sowie von Regionen mit hoher CO2-Intensität und Inseln

7.

stellt fest, dass der Klimawandel eine globale Herausforderung ist, was bedeutet, dass Fortschritten der EU hin zu einer klimaneutralen Wirtschaftsweise bis 2050 ein vergleichbares Engagement seitens Drittstaaten gegenüberstehen muss. Drittstaaten, die keine entsprechend ehrgeizigen Klimaziele verfolgen, können die globale Wettbewerbsfähigkeit der EU gefährden. Er fordert deshalb die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Klimaschutz weiterhin als strategische Priorität auf der diplomatischen Agenda zu verfolgen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen auf globaler Ebene sicherzustellen;

8.

erachtet es als wichtig, dass bei der Gestaltung der Energiewende auf den Ebenen angesetzt wird, die den Bürgern am nächsten sind, und dass die lokalen und regionalen Besonderheiten sowie die finanziellen, historischen, geographischen und geopolitischen Sachzwänge und Erfordernisse berücksichtigt werden. Die Mitgliedstaaten sollten sich mit Unterstützung der EU-Institutionen in mehr Solidarität üben und gleichzeitig mit der Förderung wirtschaftlicher Entwicklung und sozialen Zusammenhalts in Europa eine nachhaltige Energiewende im Gleichtakt einleiten. Besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung sollte hierbei Kohleregionen, CO2-intensiven Regionen und Inseln zukommen, die unter Bevölkerungsabwanderung leiden und in erheblichem Maße vom Verlust von Arbeitsplätzen im Zuge dieses Wandels betroffen sein werden;

9.

begrüßt die Initiativen der Kommission, u. a. die Initiative für Kohleregionen und CO2-intensive Regionen im Wandel sowie die Initiative „Saubere Energie für EU-Inseln“, über die wirtschaftlich und sozial schwächere Regionen, für die dieser Wandel aufgrund ihrer Ausgangslage besonders schwierig und eine ordnungsgemäße Planung des Wandels besonders dringend ist, Unterstützung und technische Hilfestellung erhalten;

10.

gibt zu bedenken, dass derzeit in 41 Regionen auf NUTS-2-Ebene in 12 EU-Mitgliedstaaten (einschließlich dem Vereinigten Königreich) aktiv Kohle gefördert wird und die Kohleindustrie ca. 240 000 direkte Arbeitsplätze im Kohlebergbau und in Kohlekraftwerken sowie ca. 215 000 indirekte Arbeitsplätze stellt. Darüber hinaus gibt es Regionen, die in hohem Maße von CO2-intensiven Tätigkeiten, u. a. Eisen, Stahl oder Torf, abhängen. Er fordert daher die EU und die Mitgliedstaaten auf, finanzielle und technische Unterstützung bereitzustellen, um die Versorgungssicherheit in den Regionen, die von systemischen Veränderungen betroffen sind, zu gewährleisten und die negativen sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Wandels abzufedern;

11.

stellt fest, dass die mehr als 2 200 besiedelten europäischen Inseln, die 12 Mio. Bewohner zählen, infolge ihrer hohen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen in Verbindung mit hohen Energiepreisen besonders von der Energiewende betroffen sind. Inseln eignen sich indes als wichtige Testfelder für skalierbare nachhaltige Energielösungen im Hinblick auf die Umstellung auf ein System ohne fossile Brennstoffe und den Abbau der anhaltenden Subventionierung fossiler Brennstoffe;

12.

unterstützt die Entwicklung regionaler Innovationszentren, die Forschung, Wissenschaft und Industrie zusammenbringen. Diese Zentren sollten als Resonanzboden fungieren, die Bürger und lokale Gemeinschaften informieren und sensibilisieren und einen Raum für eine interaktive Gestaltung und Durchführung der regionalen Innovationsstrategien schaffen;

13.

spricht sich angesichts der Tatsache, dass im Zuge der Energiewende EU-weit bereits zwei Millionen Arbeitsplätze entstanden sind, dafür aus, im Rahmen der Energiewende regionale Berufsbildungszentren einzurichten, um Kapazitäten aufzubauen (u. a. digitale Kompetenzen zu vermitteln) und Arbeitskräfte für die Beschäftigung in nachhaltigeren Industriezweigen umzuschulen;

14.

plädiert ferner dafür, der Energiewende im Erasmus- und Erasmus+-Programm mehr Gewicht einzuräumen, um Sensibilisierungsarbeit zu leisten und den von der Energiewende Betroffenen zusätzliche Möglichkeiten einzuräumen, ihre Chancen durch Ideen- und Wissensaustausch zu verbessern. Er bekräftigt seine Unterstützung für die dezentral verwalteten „strategischen Partnerschaften“ (5), die im Wege grenzüberschreitender und transnationaler Projekte den Austausch bewährter Verfahren im Bereich von Energieinnovationen zwischen den LRG ermöglichen;

15.

unterstreicht, dass die Kohleregionen und die CO2-intensiven Regionen mit Blick auf ihre Geschichte und unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Entwicklung und der Bedeutung von Energie für die Entwicklung der Zivilisation Anerkennung verdienen. Viele von ihnen haben ein sachliches und kulturelles Wissen um die Bedeutung sich wandelnder Energieerzeugungsmuster und Innovationsbereitschaft für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Energiebereich aufgebaut. Diese Traditionen (Ressourcen) und Möglichkeiten sollten zur Entwicklung von Regionalstrategien genutzt werden, die u. a. auf Wissenstransfer, Umschulung und die Umorientierung von Fachwissen und Arbeitskräften hin zu kohlenstoffarmen Technologien und Innovationen abheben;

Investitionen in eine zukunftsfähige Energiewende für Europa

16.

ist sich darüber im Klaren, dass die Energiewende eine große Chance bietet, in zukunftsfähige Infrastrukturen zu investieren und einen Wandel anzutreiben, der der Lebensqualität aller Europäer zugutekommt. Deshalb appelliert er an die Kommission und die Mitgliedstaaten, den LRG angemessene Ressourcen, Befugnisse und Unterstützung an die Hand zu geben, um die Energiewende in ganz Europa zu beschleunigen;

17.

begrüßt in diesem Zusammenhang den von der designierten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigten neuen Fonds für einen fairen Übergang und fordert, die Fördermittel eng mit der Kohäsionspolitik im Zeitraum 2021-2027 zu verknüpfen, um es den betroffenen NUTS-2-Kohleregionen zu ermöglichen, ihre operationellen Programme zu verstärken, da sie mit der Umstellung auf eine grüne Wirtschaftsweise und der Gewährleistung einer gerechten Energiewende für ihre Bürger vor enorme Herausforderungen gestellt werden. Diese Mittel sollten nicht innerhalb der vorgeschlagenen Obergrenzen für die Begrenzung von Anhang XXII berechnet, sondern zusätzlich bereitgestellt werden. Sie könnten dann dazu verwendet werden, die EFRE- und ESF-Programme für diese NUTS-2-Regionen in den nächsten sieben Jahren zu verstärken und so konkret den zusätzlichen europäischen Nutzen zu veranschaulichen;

18.

fordert neben einer verstärkten Berücksichtigung des Klimaschutzes im Haushalt auch wirksame Maßnahmen zur schrittweisen Abschaffung direkter und indirekter Subventionen für fossile Brennstoffe (wie beispielsweise die geltenden Steuerbefreiungen für Flugzeugtreibstoff), um gleiche Bedingungen für erneuerbare Energien zu schaffen, Verhaltensänderungen anzustoßen und die erforderlichen Ressourcen für eine gerechte Wende zu mobilisieren. In diesem Zusammenhang begrüßt er die von der designierten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angestoßene Debatte über die Bepreisung von CO2-Emissionen und die Einführung einer CO2-Grenzsteuer;

19.

betont, dass die Kofinanzierungssätze eine wichtige Rolle für den Zugang von kleinen Gemeinschaften und Inseln zu den EU-Fonds spielen. Durch die Entwicklung innovativer Lösungen und koordinierter politischer Maßnahmen im Bereich von Rahmenkonzepten, Regelungsmaßnahmen, Finanzierung, Zusammenarbeit und Einbeziehung der Interessenträger sollten ihre Kapazitäten als mögliche Energiewendelabore ausgebaut werden;

20.

befürwortet den Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 und seinen Schwerpunkt auf nachhaltiger Entwicklung und spricht sich erneut dafür aus, mehr als 30 % des Haushalts für die durchgängige Berücksichtigung klimapolitischer Maßnahmen bereitzustellen. Die Strategien für intelligente Spezialisierung sollten verstärkt gefördert werden, um innovative Produkte und Verfahren zu skalieren und auf den europäischen Markt zu bringen (6). Der Forschungsschwerpunkt „klimaneutrale und intelligente Städte“ im Rahmen von Horizont Europa ist im Hinblick auf die europaweite Förderung von Forschung und Innovation zu begrüßen;

21.

empfiehlt, den vorgeschlagenen Fördersatz unter dem spezifischen LIFE-Teilprogramm zur Unterstützung des Übergangs zu sauberer Energie von 60 % für gewinnorientierte Organisationen auf 70 % und für Behörden und nicht gewinnorientierte Organisationen auf 100 % anzuheben, um so weiterhin LRG und kleinere Organisationen wie lokale Energieagenturen zu mobilisieren. Die Errichtung des Fonds „InvestEU“ ist zu begrüßen, und er sollte genutzt werden, um insbesondere in den schwächeren Regionen die Energiewende voranzubringen. Er schlägt vor, dass in Übergangsregionen entwickelte Projekte im Rahmen dieser Programme mit einer zusätzlichen Wertung besonders gewürdigt werden sollten;

22.

spricht sich mit Blick auf das Beihilferecht nach 2020 für eine Aufstockung der zulässigen staatlichen Beihilfen sowie ausreichende Flexibilität für Projekte in Verbindung mit der Energiewende in Kohleregionen, Regionen mit hoher CO2-Intensität, auf Inseln sowie in lokalen Gemeinschaften aus, um Investitionen der Unternehmen zu fördern;

23.

fordert die Schaffung von Mechanismen zur umfassenderen Unterstützung und Finanzierung von Energiewendeprojekten in Regionen, die als Kohleregionen bzw. als CO2-intensive Regionen eingestuft werden, und zwar aus mehreren Gründen: 1) Es darf nicht gewartet werden, bis die Auswirkungen des Wandels irreversible Folgen für diese Regionen haben; 2) es sollte ermöglicht werden, die Höchstbeträge für die Unterstützung aller Unternehmen aufzustocken, insbesondere für große Unternehmen aufgrund ihrer Möglichkeiten zur Investition vor Ort und ihrer Rolle als Impulsgeber; 3) weitere Maßnahmen zur Abfederung der Folgen des Übergangs sollten ermöglicht werden, wie z. B. die Aufstockung der Hilfen aus dem EFRE; 4) Kohleregionen sollten als Sonderfördergebiete nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstaben a und c des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ausgewiesen und das EU-Beihilferecht für diese Regionen entsprechend angepasst werden;

24.

mahnt erneut, den Verwaltungsaufwand und die Verfahren in Verbindung mit der Entwicklung von Projekten und dem Aufbau von Kapazitäten in den LRG zu vereinfachen. Außerdem sollten die Städte und Regionen weiterhin bedarfsgerecht technisch unterstützt werden, damit sie über den Zugang zu den EIB-Instrumenten Jaspers und ELENA und die Entwicklung bankfähiger Projekte, auch im kleineren Maßstab, Investitionen für ehrgeizige Projekte sichern können. Er begrüßt in diesem Zusammenhang den Vorschlag der designierten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, eine europäische Klimabank einzurichten;

25.

plädiert im Interesse einer wirksameren Energiewende für verstärkte Synergien zwischen den verschiedenen Fördertöpfen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene sowie zwischen öffentlicher und privater Finanzierung;

26.

befürwortet die Entwicklung einer Finanzierungsfazilität für die Kohleregionen und CO2-intensiven Regionen, um bereits in einem frühen Entwicklungsstadium eines Projekts finanzielle und technische Hilfe bereitzustellen. Er empfiehlt, die neu entwickelten Regionalstrategien mit umfassenden Plänen für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und nicht nachhaltigen Praktiken zu verknüpfen, wodurch Möglichkeiten für neue gute Arbeitsplätze geschaffen werden;

Strategische Innovationsförderung und Technologienutzung

27.

weist darauf hin, dass die LRG mit der Bereitstellung organisatorischer und institutioneller Plattformen, über die die Interessenträger sich einbringen und gemeinsam Strategien für eine gerechte, nachhaltige und innovative Energiewende gestalten können, bereits soziale, staatliche und technologische Innovationen erleichtern und katalysieren;

28.

macht darauf aufmerksam, dass es auf dem Markt schon eine breite Palette technischer Lösungen für ein kostenwirksames klimaneutrales Europa gibt und die CO2-Emissionen mit den aktuell verfügbaren Technologien in einem Energieverbundsystem um bis zu 86 % gesenkt werden können (7);

29.

weist darauf hin, dass Anreize für die Entwicklung neuartiger Energiespeicherlösungen, die nicht von knappen oder stark auf bestimmte geografische Regionen konzentrierten Rohstoffen abhängen, geschaffen werden müssen; macht ferner darauf aufmerksam, dass Technologien und kommerzielle Verfahren zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 für industrielle Prozesse vorangetrieben werden müssen, die nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht vollständig dekarbonisiert werden können (z. B. integrierte Stahlwerke);

30.

unterstreicht, dass die wesentlichen Hemmnisse für eine rasche Einführung emissionsarmer Technologien vom Mangel an finanziellen und personellen Ressourcen, von den bestehenden strategischen Ansätzen, Regelwerken und Organisationsstrukturen, die nach wie vor auf fossil basierten Wertschöpfungsketten gründen, sowie von soziokulturellen Einflüssen wie mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz herrühren, zumal es in Bergbaugebieten in der Folge zum Verlust von Arbeitsplätzen und zur Abwanderung von Teilen der Bevölkerung kommen kann. Deshalb stimmt er zu, dass Innovationen im spezifischen lokalen Umfeld verankert und unmittelbar auf das Gesamtsystem und die Gemeinschaft vor Ort ausgerichtet sein sowie Prozessen entgegenwirken müssen, die zu mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz führen;

31.

fordert eine weitere verwaltungstechnische Vereinfachung und den Abbau regulatorischer Hindernisse für die Entwicklung und Einführung neuer und innovativer Technologien und Geschäftsmodelle;

32.

hält es für notwendig, die Zuverlässigkeit und die Funktionsweise des EU-Emissionshandelssystems zu verbessern und gleichzeitig die schwächeren Regionen und Gruppen durch die Bereitstellung einer zuverlässigen und erschwinglichen Versorgung mit nachhaltiger Energie zu unterstützen;

Komplexe Herausforderungen erfordern gemeinsame Lösungen: Beiträge zur Umsetzung des Übereinkommens von Paris auf allen Ebenen ermöglichen

33.

hebt die Notwendigkeit hervor, alle Akteure — Bürgerinnen und Bürger, Industrie, Privatwirtschaft — ins Boot zu holen, insbesondere die widerstrebenden Teilnehmer, und dazu alle mit der Energiewende einhergehenden Vorteile ins Rampenlicht zu rücken: bessere Luftqualität, Gesundheit, Umwelt, Grünflächen, biologische Vielfalt, billigere Energie usw.;

34.

begrüßt die Verabschiedung des Pakets „Saubere Energie für alle“ (8) und unterstreicht die Relevanz einer wirksamen Einbeziehung der Öffentlichkeit und regionalen Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Durchführung der nationalen Energie- und Klimapläne (9). Die Mitgliedstaaten sollten einen ständigen ebenenübergreifenden Klima- und Energiedialog mit den LRG und anderen Interessenträgern der Energiewende einrichten (10) und eine systematische horizontale und vertikale Koordinierung der politischen und technischen Entscheidungsfindung stärken, denn dieser Dialog mit den LRG und den Energieagenturen ist sehr wichtig und die Voraussetzung für eine genaue Kenntnis der lokalen Gegebenheiten;

35.

erachtet es als dringlich, das Potenzial sich gegenseitig ergänzender national und lokal/regional festgelegter Beiträge umfassend zum Tragen zu bringen und in diesem Sinn freiwillige lokale und regionale integrierte Pläne (11)zu fördern, Berichtspflichten anzugleichen und die Wirkung über Sektoren (12) und Verwaltungsebenen hinweg zu optimieren;

36.

hebt hervor, dass sich mehr als 9 000 LRG in ganz Europa zu ehrgeizigen Zielen und Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen und zur Bekämpfung des Klimawandels durch die Beteiligung an Initiativen wie dem Konvent der Bürgermeister verpflichtet haben; sie haben dazu Strategien und Aktionspläne entwickelt, in denen sie direkt auf die Bedürfnisse ihrer Gemeinschaften und deren Vorstellungen von einer nachhaltigeren Zukunft eingehen;

Gestaltung einer Energiewende, in deren Mittelpunkt die Menschen stehen

37.

räumt ein, dass Bürgerinnen, Bürger und Energiegemeinschaften nun beispiellose Möglichkeiten haben, Prosumer (aktive Marktteilnehmer) zu werden, und begrüßt die formelle Anerkennung lokaler Energiegemeinschaften im Paket „Saubere Energie für alle“, und fordert die Aufstellung klarer Rechte und Pflichten sowie die Schaffung der Voraussetzungen für einzelstaatliche Förderung, um das Potenzial derartiger Strukturen ausschöpfen zu können;

38.

bekräftigt seine Forderung, zur Stärkung von Handlungskompetenz und Eigenverantwortung der Verbraucher intelligente Netze und Zähler (unter Wahrung des wirtschaftlichen Interesses der Endverbraucher) zu installieren, die erschwinglich, wirtschaftlich, leistungsfähig, betrugsverringernd, benutzerfreundlich und sicher sind und den Erwartungen und Bedürfnissen der Verbraucher bezüglich Information, Laststeuerung und Energiekostensenkung gerecht werden;

39.

ermutigt die Kommission und die Mitgliedstaaten, das Potenzial der dezentralen Energieerzeugung durch Prosumer voll auszuschöpfen, indem der Ausbau der Energienetze gefördert wird, und in diesem Sinn Rechtssicherheit für kleinere und größere Energieinvestitionen zu gewährleisten sowie den Zugang zu digitalisierten Übertragungs- und Verteilungssystemen, Dienstleistungen und Plattformen für Verbraucher auszuweiten;

40.

betont die Notwendigkeit klarer Marktregeln, stabiler politischer Ansätze, vereinfachter und flexibler Verwaltungsverfahren und gezielter finanzieller Fördersysteme für eine Beschleunigung der Energiewende;

Stärkung von Synergien im Interesse eines sektorübergreifenden systemischen Wandels

41.

ist sich bewusst, dass der Wärmesektor ein wesentlicher Faktor für eine Sektorkopplung und die kostenwirksamste Lösung ist, die die Einbindung intermittierender erneuerbarer Energien bis zu einem Anteil von 87 % und darüber hinaus mit bereits bestehenden Technologien ermöglicht und gleichzeitig Flexibilität bietet und die Stabilität eines umfassend integrierten nachhaltigen Energiesystems gewährleistet (13). Er hält fest, dass es derzeit extreme Energieverluste in der Stromerzeugung gibt, beispielsweise in Form überschüssiger Wärme, mit der theoretisch der gesamte Gebäudebestand der EU (14) versorgt werden könnte, der für 36 % der CO2-Emissionen verantwortlich und zu 75 % energieineffizient ist (15);

42.

macht geltend, dass eine nachhaltige Energiewende das Energiesystem als Ganzes berücksichtigen muss, wobei Erzeugung, Angebot, Verteilung und Verbrauch eng miteinander verzahnt sind. Er befürwortet nachdrücklich das Primat der Effizienz, die Verpflichtung, das aktuelle Ziel eines 32%igen Anteils erneuerbarer Energieträger bis 2030 auf 40 % zu erhöhen, um die menschengemachte Erderwärmung einzudämmen und bis 2050 klimaneutral zu sein, sowie einen integrierten sektorübergreifenden Energiemarkt, in dem Energieverluste durch geeignete Maßnahmen gering gehalten werden und eine effiziente Versorgung mit erneuerbarer Energie möglich ist;

43.

verweist auf die Herausforderungen, vor denen die Gebiete in äußerster Randlage bei der Verwirklichung einer nachhaltigen Energiewende stehen, und fordert die Europäische Kommission diesbezüglich auf, die inhärenten Zwänge dieser Gebiete anzuerkennen und Rechtsvorschriften anzunehmen, um sie mit den anderen Regionen Europas zumindest gleichzustellen;

44.

stellt klar, dass die Energiewende eine Chance bietet, durch die Erhöhung der Energieeffizienz und die Senkung des Verbrauchs, den Ausbau der erneuerbaren Energieträger und den Aufbau europaweiter Infrastrukturen und Verbundsysteme zur raschen Bewältigung von Versorgungsunterbrechungen ein sichereres und zukunftsfähiges Energiesystem zu gestalten. Er unterstützt daher die Entwicklung von Synergien zwischen städtischen und ländlichen Gebieten im Hinblick auf die Bündelung ihrer Potenziale im Bereich der Erzeugung erneuerbarer Energie und des Energieausgleichs bzw. der Vermeidung verlorener Energie im Rahmen verbesserter, verlustarmer und widerstandsfähigerer Energieinfrastrukturen;

45.

betont, dass die Kreislaufwirtschaft und die Anwendung von Lebenszyklusansätzen bei der Nachfrage nach und dem Angebot von Infrastrukturen, Produkten und Dienstleistungen Bestandteil einer nachhaltigen Energiewende sein müssen. Das öffentliche Beschaffungswesen bietet große Möglichkeiten für den Klimaschutz. Dies muss durch Ökodesignvorgaben, Normen und Informationssysteme für Lebenszyklusdaten sowohl seitens der EU als auch der Mitgliedstaaten unterstützt werden. Innovation durch Beschaffung ist ein strategisches Instrument zur Förderung dieses integrierten Ansatzes, wodurch die LRG maßgebend zur sektorübergreifenden Anwendung und Weiterentwicklung von Innovationen beitragen können;

46.

unterstreicht, dass die LRG Energiemanager mit der effizienten Koordinierung der Klimaschutz- und Energiemaßnahmen auf verschiedenen Ebenen beauftragen könnten, um einen ebenenübergreifenden Wandel in den Regionen und Kommunen zu bewirken;

47.

bestärkt seine Mitglieder, eine übergreifende Arbeitsgruppe einzusetzen, in der Vertreter von Kohleregionen und CO2-intensiven Regionen gemeinsam mit Sachverständigen und einschlägigen Interessenträgern konkrete Vorschläge für eine innovative und nachhaltige Energiewende erarbeiten und bewährte Verfahren aus der ganzen EU austauschen könnten.

Brüssel, den 9. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  Ein globales Szenario im Einklang mit den Zielen des Übereinkommens von Paris würde erfordern, dass bis zum Jahr 2050 70-85 % des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden. Laut den Statistiken der Europäischen Umweltagentur (EUA) für das Jahr 2017 ist der Energieversorgungssektor der größte Verursacher (28 %) direkter Treibhausgasemissionen in der EU.

(2)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. März 2019 zum Klimawandel — eine europäische strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris (2019/2582(RSP)).

(3)  COM(2018) 773 final.

(4)  In den national festgelegten Beiträgen haben sich die EU und ihre Mitgliedstaaten darauf verpflichtet, die einheimischen Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 % gegenüber 1990 zu senken.

(5)  CDR 3950/2018 (ABl. C 168 vom 16.5.2019, S. 49).

(6)  COM(2018) 374 final.

(7)  HRE 2050 scenario compared to 1990, Quantifying the Impact of Low-carbon Heating and Cooling Roadmaps.

(8)  Im Paket „Saubere Energie für alle“ werden Ziele für 2030 vorgegeben: ein verbindliches Ziel für erneuerbare Energien von mindestens 32 % und ein Energieeffizienzziel von mindestens 32,5 % — mit einer möglichen Aufwärtskorrektur im Jahr 2023.

(9)  Verordnung (EU) 2018/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 1).

(10)  CDR 830/2017 (ABl. C 342 vom 12.10.2017, S. 111).

(11)  Nach dem Vorbild der Aktionspläne für nachhaltige Energie und Klimaschutz (SECAP) im Rahmen des Bürgermeisterkonvents.

(12)  U. a. Elektrizität, Heizung und Kühlung, Verkehr, Abfall, Landwirtschaft und ihre Teilbereiche.

(13)  HRE 2050 scenario compared to 1990, Quantifying the Impact of Low-carbon Heating and Cooling Roadmaps.

(14)  Guidelines for the Energy System Transition. The Energy Union Perspective.

(15)  EASME, High energy performing buildings — Support for innovation and market uptake under Horizon 2020 energy efficiency.


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/78


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — „Intelligente Städte: neue Herausforderungen für einen gerechten Übergang zur Klimaneutralität — Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele in der Praxis“

(2020/C 39/17)

Hauptberichterstatter

:

Andries GRYFFROY (BE/EA), Mitglied des flämischen Parlaments

Referenzdokument

:

Befassungsschreiben des finnischen Ratsvorsitzes

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

versteht unter einer intelligenten Stadt eine Stadt, in der herkömmliche Netze und Dienste mithilfe von Digital- und Telekommunikationstechnik zum Wohl ihrer Einwohner und der ansässigen Unternehmen effizienter gestaltet werden. Eine intelligente Stadt steht nicht nur für die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im Interesse von Ressourcenschonung und Emissionssenkungen, sondern hat auch eine interaktivere und reaktivere Kommunalverwaltung, die ihren Einwohnern über intelligentere Nahverkehrsnetze, bessere Wasserversorgung und Abfallbewirtschaftung sowie effizientere Gebäudebeleuchtung und -beheizung hochwertigere Dienste bietet und niemanden zurücklässt. Eine intelligente Stadt muss auch ein Ort sein, an dem der Schwerpunkt auf die Schaffung inklusiver und zugänglicher Strukturen für die allgemeine und berufliche Bildung gelegt wird, um die Fähigkeiten und Talente der Bevölkerung zu entfalten und zu gewährleisten, dass die Menschen in der Lage sind, sich an der Entwicklung ihrer Gemeinschaft zu beteiligen. Der Ausschuss begrüßt, dass die Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) stärker in den Mittelpunkt gerückt werden, gerade weil sie darauf aufmerksam machen, dass Nachhaltigkeit einen ganzheitlichen Blick auf alle davon erfassten Aspekte erfordert;

2.

verweist auch auf die bereits in seiner Stellungnahme zum Thema „Multi-Level-Governance und sektorübergreifende Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Energiearmut“ (Berichterstatterin: Kata Tüttő (HU/SPE)) (1) erhobene Forderung, bei der Konzipierung von Maßnahmen die Energiearmut zu berücksichtigen, und sieht in der ausdrücklichen Anerkennung der Notwendigkeit, bei der derzeitigen und künftigen Gestaltung der Energie- und Klimapolitik auch den sozialen Auswirkungen Rechnung zu tragen, eine der wichtigsten politischen Entwicklungen der letzten Jahre;

3.

bekräftigt in Anlehnung an die Stellungnahme „Intelligente Städte und Gemeinschaften — eine europäische Innovationspartnerschaft“ (Berichterstatter: Ilmar Reepalu (SE/SPE)), dass der großen Vielfalt städtischer Siedlungen, ob sie nun als Städte eingestuft werden oder nicht, und der Bedeutung ihrer Beziehung und Komplementarität mit dem umliegenden ländlichen Raum Rechnung zu tragen ist. Wie bereits in der Stellungnahme „Neue Perspektiven für ländliche Räume durch digitale Dörfer“ (Berichterstatter: Enda Stenson (IE/EA)) betont er auch hier, „dass genau wie beim Konzept der digitalen Stadt bei einer Initiative für digitale ländliche Räume ein umfassender Entwicklungs- und Innovationsansatz mit sechs Elementen verfolgt werden muss:

digitale, innovative, unternehmerische und produktive Wirtschaft;

verbesserte Mobilität durch zugängliche, moderne und nachhaltige Verkehrsnetze;

umweltfreundliche und nachhaltige Energieversorgung;

qualifizierte und engagierte Bürger;

Lebensqualität durch Kultur, Gesundheit, Sicherheit und Bildung;

effiziente, transparente und dynamische Verwaltung;“;

betont jedoch, dass ein wesentliches zusätzliches Element der Förderung von „Intelligenz“ darin bestehen muss, die Bürger einzubeziehen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sie durch Bildung sowie durch Unterstützung für Forschung, Innovation und sozialen Zusammenhalt ihr Potenzial voll entfalten können. Dies erfordert auch eine wirksame, transparente und zuverlässige Regulierung des Datenschutzes und der Datennutzung;

4.

unterstreicht die unterschiedlichen Ausgangspositionen der einzelnen Regionen, Großstädte, Kleinstädte und kleineren Gemeinden hinsichtlich der personellen und finanziellen Ressourcen, der Kompetenzen und der Digitalisierung. Strategien für intelligente Entwicklung müssen an die Größe der jeweiligen Gemeinde angepasst und auf ihre spezifischen Gegebenheiten zugeschnitten werden, indem die Infrastruktur und die Unterstützung bereitgestellt werden, die für einen angemessenen Zugang aller Gruppen zu Informationsdiensten und digitalen Diensten notwendig sind;

5.

betont, dass die Europäische Kommission in den Empfehlungen, die sie nach der Bewertung der Vorschläge der Mitgliedstaaten für integrierte nationale Energie- und Klimapläne für den Zeitraum 2021-2030 abgegeben hat, größeren Ehrgeiz fordert, um dafür zu sorgen, dass dank einer verstärkten Nutzung erneuerbarer Energieträger und einer größeren Energieeffizienz sowie der Modernisierung der Wirtschaft die im Übereinkommen von Paris festgelegten Klimaziele bis 2030 verwirklicht werden und bis 2050 der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft bewerkstelligt wird;

6.

ist sich darüber im Klaren, dass angesichts der Größenordnung der Herausforderung und der übergreifenden Dimension des Klimawandels integrierte problemorientierte Lösungen erforderlich sind, die komplexen ineinandergreifenden und miteinander kollidierenden Dynamiken und Zielen gerecht werden;

7.

weist darauf hin, wie wichtig es ist, die Nachhaltigkeitsziele eng mit den politischen Zielen der Kohäsionspolitik 2021-2027 zu verknüpfen, insbesondere mit dem politischen Ziel 2 (ein grüneres, CO2-armes Europa, das saubere Energien und eine faire Energiewende, grüne und blaue Investitionen, die Kreislaufwirtschaft, die Anpassung an den Klimawandel und die Risikoprävention fördert), das dank der in den Verordnungsvorschlägen vorgesehenen spezifischen Ziele zur Verwirklichung der SDG beitragen könnte;

8.

stellt fest, dass der Übergang zu einer klimaneutralen Zukunft sich neben der notwendigen Anpassung an die Folgen des Klimawandels nicht auf die Dekarbonisierung der Energie-, Gebäude- und Mobilitätssektoren beschränkt, sondern auch die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft, die Nachhaltigkeitswende im Landwirtschafts- und Lebensmittelsystem sowie den Schutz der Ökosysteme und der Biodiversität erfordert, und befürwortet mit diesen Zielen vor Augen die mögliche Errichtung einer Europäischen Beobachtungsstelle für Klimaneutralität;

9.

würdigt die Anstrengungen des Bürgermeisterkonvents und der Initiative „Saubere Energie für EU-Inseln“ zur Mobilisierung der lokalen Behörden, Unternehmen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen sowie lokaler Gemeinschaftsorganisationen für die Entwicklung von Emissionssenkungsstrategien und fordert die europäischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, sich den vom Bürgermeisterkonvent und der Initiative „Saubere Energie für EU-Inseln“ geförderten Maßnahmen anzuschließen sowie diese umzusetzen und zu überwachen;

10.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die Entwicklung intelligenter Kommunen aufgrund des damit verbundenen großen Kosteneffizienz-, Energieeffizienz- und Emissionssenkungspotenzials in ihre nationalen Energie- und Klimapläne aufzunehmen;

Eine intelligente Governance intelligenter Kommunen

11.

weist darauf hin, dass sich intelligente Städte und Gemeinden bestens für die Anwendung intelligenter Governanceverfahren eignen, wodurch die Beschlussfassungskompetenz der Lokalbehörden in einem zunehmend komplexen Umfeld verbessert wird;

12.

betont, dass der Übergang zu einem Modell der intelligenten Governance auf lokaler und regionaler Ebene beschleunigt werden muss, indem elektronische Dienste entwickelt und eingesetzt werden, die es den Bürgern ermöglichen, von einem einzigen Konto aus Zugang zu einem breiteren Spektrum elektronischer Behördendienste zu erhalten;

13.

fordert, das Europäische Semester als Instrument zur Koordinierung der EU-Wirtschaftspolitik und als Rahmen für die Förderung der Nachhaltigkeitsziele und die Planung, Überwachung und Bewertung ihrer Umsetzung in der EU anzusehen;

14.

bekräftigt die Multi-Level-Governance als eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die lokalen Gebietskörperschaften wirksamen Klimaschutz betreiben und die Nachhaltigkeitsziele umsetzen können, und erachtet intelligente Städte in diesem Zusammenhang als besonders geeigneten Ansatzpunkt;

15.

erkennt die Verwendung von Steuern und öffentlichen Aufträgen als Instrument für die beschleunigte Markteinführung innovativer und nachhaltiger Technologien an, wobei zu gewährleisten ist, dass ihr Einsatz der Nachfrage entspricht und die Umsetzung dezentraler lokaler Lösungen für die Herausforderungen ermöglicht;

16.

betrachtet offene Daten in Standardformaten als wesentliches Instrument zur Förderung der Schaffung und Entwicklung intelligenter Städte und betont, dass daneben die Bereitstellung offener Komponenten (d. h. offener Programmierschnittstellen) maßgeblich zur Schaffung und Vervielfältigung schnellerer und flexiblerer Smart-City-Lösungen beitragen wird;

17.

weiß um das Potenzial von Daten, die durch reale Benutzerschnittstellen wie beispielsweise mobile Geräte der Bürger oder intelligente Zähler generiert werden, und fordert die Entwicklung umfassender Rahmenbedingungen, durch die die von den Nutzern generierten Daten integriert und zum Zwecke der intelligenten Governance genutzt werden, wobei gleichzeitig der erforderliche Schutz der Dateneigener gewährleistet werden muss;

18.

hebt erneut die Notwendigkeit hervor, technisch und wissenschaftlich fundierte lokale Übergangspfade zur Umsetzung von sowohl direkt vorgegebenen als auch aus übergeordneten Klimazielen abgeleiteten Klimaschutzvorgaben auf regionaler oder städtischer Ebene zu unterstützen;

19.

unterstreicht, dass eine intelligente, nachhaltige städtische Governance eine Abkehr von kurzfristig ausgerichteten, selektiven Maßnahmen zugunsten langfristiger, systemischer und lernbasierter Ansätze erfordert. Ein solches Umdenken verlangt ein strategisches und fortwährendes Veränderungsmanagement in den Bereichen des städtischen Governance-Gefüges, in denen kurzfristig ausgerichtete und nicht auf andere Bereiche abgestimmte Entscheidungen getroffen werden könnten;

20.

betont, dass nicht nur Ziele vorgegeben, sondern auch die erforderlichen konkreten Maßnahmen ausgearbeitet und deren Umsetzung im Hinblick auf eventuell notwendige Anpassungen überwacht werden müssen. Die Vernetzung der Lernenden untereinander und mit Wissenszentren in Lernnetzwerken wird diesen Lernprozess bezüglich der Relation von Zielen und Maßnahmen fördern;

Intelligente Groß- und Kleinstädte sowie Dörfer und die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele

21.

erinnert daran, dass er sich in den vergangenen Jahren ausführlich mit den Nachhaltigkeitszielen auseinandergesetzt hat. Seine einschlägigen Standpunkte werden in seinen jüngst verabschiedeten Stellungnahmen „Die Nachhaltigkeitsziele (SDG): Grundlage einer langfristigen EU-Strategie für ein nachhaltiges Europa bis 2030“ (Berichterstatter: Arnoldas Abramavičius (LT/EVP)) (2) und „Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030: Follow-up zu den UN-Nachhaltigkeitszielen, zur Ökowende und zum Klimaschutzübereinkommen von Paris“ (Berichterstatterin: Sirpa Hertell (FI/EVP)) (3) dargelegt;

22.

bekräftigt noch einmal, „dass gemeinsam vereinbarte konkrete Zwischenziele, Indikatoren und die Echtzeit-Messung von Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsdaten für die Kommunen, Städte und Regionen unverzichtbar sind, um die wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Nachhaltigkeits-Teilziele zu erreichen“, wie er dies bereits in seiner Stellungnahme „Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030: Follow-up zu den UN-Nachhaltigkeitszielen, zur Ökowende und zum Klimaschutzübereinkommen von Paris“ (Berichterstatterin: Sirpa Hertell (FI/EVP)) (4) getan hat. Er weist darauf hin, dass intelligente Städte und Gemeinden aufgrund ihrer Nutzung von intelligenten Technologien und Datenerhebungsverfahren eine Vorreiterfunktion übernehmen können;

23.

bestätigt, „dass solide Klimadaten der nachgeordneten Ebene benötigt und neue Technologien wie künstliche Intelligenz eingesetzt werden müssen, um die Klimamaßnahmen der lokalen Ebene zu beleuchten. Er hebt in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit hervor, die Datenbank des Bürgermeisterkonvents umfassend zu nutzen und durch die Einführung lokal festgelegter Beiträge die lokalen Daten mit den national festgelegten Beiträgen zu verknüpfen“ (5). Auch macht er diesbezüglich erneut darauf aufmerksam, dass es für intelligente Städte und Gemeinden von entscheidender Bedeutung ist, über Instrumente zu verfügen, die es ihnen ermöglichen, durch eine bessere Datenerhebung und -auswertung ihre Beschlussfassungsprozesse zu verbessern;

24.

erachtet einen intelligenten Ansatz als wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der Unterziele von SDG 11 „Nachhaltige Städte und Siedlungen“ sowie auch von SDG 13 „Bekämpfung des Klimawandels“;

25.

räumt ein, dass intelligente Städte ihre Bürger einbeziehen müssen, sodass sie aktiv an der Gestaltung ihres Umfelds mitwirken. Initiativen der Menschen können mit Unterstützung und Ergänzung durch IKT und lokale, auf die Bürgerinnen und Bürger zugeschnittene Dienstleistungen zur Ermittlung und Durchführung intelligenter Lösungen und kollektiver Ansätze beitragen, die die Verbesserung von Städten und ihrer Nachhaltigkeit fördern und dadurch Sozialkapital aufbauen, widerstandsfähige Gemeinschaften schaffen und Energiearmut bekämpfen. Diesbezüglich ist es wichtig, die digitale Kluft zu schließen und den Bürgern die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln, um sicherzustellen, dass in intelligenten Gemeinschaften nicht die schwächsten Bürger zurückgelassen werden, und um jegliche Art sozialer Ausgrenzung zu verhindern; hält es für wichtig, die Energieeffizienz und innovative Technologien auch im öffentlichen sozialen Wohnungsbau zu fördern, um die Energiearmut zu bekämpfen;

Intelligente Groß- und Kleinstädte sowie Dörfer und der Übergang zu einem ressourceneffizienten, klimaneutralen und die biologische Vielfalt respektierenden Europa

26.

erachtet es zur Ermöglichung eines intelligenten Übergangs für strategisch wichtig, spezifische Programme zu entwickeln, um unter Berücksichtigung der verschiedenen Altersgruppen und unterschiedlichen beruflichen Verhältnisse und unter Nutzung der Erfahrungen und bewährten Verfahren im Zusammenhang mit Projekten für intelligente Städte die digitalen Kompetenzen der Bürger zu verbessern;

27.

begrüßt die Vorreitererfahrungen verschiedener intelligenter Gemeinden, die in den Bereichen Gebäude, Mobilität, Produkte, Abfallwirtschaft sowie Raumplanung und -ordnung bereits auf Kreislaufwirtschaftslösungen umstellen, und fordert die Europäische Kommission auf, diesen Aspekt in allen intelligenten Gemeinden verstärkt zu fördern. Diese Beiträge werden eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der SDG spielen;

28.

stellt fest, dass intelligente Technologien für die Umsetzung des Pakets „Saubere Energie“ und eine erfolgreiche Energiewende entscheidend sind. In diesem Sinn stellen intelligente Städte und Gemeinden ein leistungsfähiges Instrument dar, mit dessen Hilfe eine kohärente und harmonisierte Anwendung dieser intelligenten Technologien und die umfassende Nutzung sämtlicher möglichen Synergien gewährleistet werden kann;

29.

betrachtet lokale Energiegemeinschaften als wirksames Mittel für die Sicherstellung einer gerechten Energiewende und befürwortet die Mitwirkung der Bürger in intelligenten Städten und Gemeinden; erinnert in diesem Zusammenhang an die Vorschläge, die er in seiner Stellungnahme zu diesem Thema (6) gemacht hat;

30.

erinnert daran, dass der natürlichen Umwelt im Rahmen der SDG betreffend die Bekämpfung von Armut und Hunger sowie die Förderung von Gesundheit, Wohlergehen und nachhaltigen Städten große Bedeutung zukommt. Seiner Meinung nach sollten intelligente Städte und Gemeinden natürliche Lösungen und grüne Infrastrukturen als wesentliche ergänzende Konzepte miteinbeziehen, um Ökosystemleistungen und die Biodiversität zu erhalten, ihre nachhaltige Nutzung zu fördern und die Verringerung des Flächenverbrauchs zu beschränken;

31.

verweist darauf, dass in der europäischen Langzeitstrategie zur Erreichung von Klimaneutralität bis 2050 dem maßgebenden einschlägigen Beitrag der intelligenten Technologien und Städte Rechnung getragen wird;

32.

fordert erneut neben einer verstärkten Berücksichtigung des Klimaschutzes im Haushalt auch wirksame Maßnahmen zur schrittweisen Abschaffung der Subventionen für fossile Brennstoffe, um gleiche Bedingungen für erneuerbare Energien zu schaffen, Verhaltensänderungen anzustoßen und die erforderlichen Ressourcen für eine gerechte Wende zu mobilisieren;

33.

merkt an, dass der Übergang zu Klimaneutralität gute Arbeitsplätze in der Kreislaufwirtschaft, im Bereich saubere Energie sowie im Agrar- und Lebensmittelsektor schafft, und appelliert an die EU, die Kohärenz der Klimaziele über die Kohäsionspolitik, den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) und InvestEU zu verbessern;

34.

gibt zu bedenken, dass intelligente Wassertechnik ein zunehmend wichtiger Aspekt eines umfassenden, auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgerichteten Konzepts für intelligente Städte ist;

35.

bekräftigt die Notwendigkeit der Schaffung intelligenter Infrastrukturen und betrachtet intelligente Städte und Gemeinden in dieser Hinsicht als praktische Wegweiser;

36.

betont, dass die Energieeffizienz von Gebäuden von maßgebender Bedeutung für eine erfolgreiche Klimawende ist und dass intelligente Lösungen hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten sollen. Deren Wirksamkeit kommt aber vermutlich nur dann zum Tragen, wenn sie in den Rahmen intelligenter Städte und Gemeinden eingebettet sind und nicht als Insellösung durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang ist die wichtige Rolle der Initiative „Intelligente Finanzierung für intelligente Gebäude“ für die Bereitstellung einschlägiger Finanzierungsmöglichkeiten hervorzuheben;

37.

weist darauf hin, dass den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Umsetzung einer nachhaltigen Wohnungspolitik eine zentrale Rolle zukommt und dass sie wesentlich dazu beitragen, dass die politischen Ziele der EU in der Praxis umgesetzt werden können;

38.

spricht sich für Anreize aus, um eine maximale Energieeffizienz in neuen und sanierten Gebäuden über Standards wie den Passivhausstandard zu erzielen, gegebenenfalls in Verbindung mit dem Einsatz intelligenter Gebäudetechnik;

39.

bekräftigt seine Unterstützung für Pläne für nachhaltige städtische Mobilität auf der Grundlage von Multimodalität und der koordinierten Nutzung emissionsarmer oder -freier Lösungen in den Bereichen Stadt- und Regionalverkehr und -logistik und hebt den wichtigen Beitrag des Schienen- und Wasserverkehrs zur Emissionssenkung hervor;

40.

erinnert daran, dass der städtische Verkehrssektor derzeit Veränderungen unterworfen ist und einen Paradigmenwechsel erlebt, der einhergeht mit Änderungen auf dem Gebiet der Energienutzung (Elektrifizierung, alternative Kraftstoffe), der Technologien (IVS) und der Verhaltensmuster (Sharing Economy, Schwerpunkt auf aktiven Fortbewegungsformen). Diese Änderungen betreffen sowohl den Personen- als auch den Güterverkehr, sowohl Geschäfts- als auch Urlaubsreisen. Dieser Paradigmenwechsel kann auf die Verwirklichung der Zielvorgaben für die intelligente Stadt ausgerichtet werden, beispielsweise auf die Stimulierung des lokalen Innovationsmarktes, die Berücksichtigung der besten verfügbaren Technologien und die wissensbasierte Entscheidungsfindung;

41.

ist ferner der Auffassung, dass Technologien für intelligente Mobilität dazu beitragen können, zum einen Lösungen für nachhaltige Mobilität in dünn besiedelten, ländlichen und abgelegenen Gebieten zu entwickeln und zum anderen aktive, der Gesundheit zuträgliche Mobilitätsmuster zu fördern;

Mehr Möglichkeiten für intelligente Gemeinden zur Finanzierung und beschleunigten Einführung innovativer Lösungen

42.

weist darauf hin, dass die Gebiete in äußerster Randlage und andere Inselregionen ideal für die Erprobung von alternativen Technologien, Energien und Verfahren geeignet sind, sogar als „Living Labs“. Bei der Entwicklung von Lösungen für die Umsetzung der SDG sind die Abgelegenheit und Distanz zum Zentrum Europas, die große biologische Vielfalt, die Nähe und der Zugang zum Meer, extreme (atmosphärische und geologische) Umweltereignisse und die Verfügbarkeit geothermischer Energie weniger als Hemmnisse denn vielmehr als geografische Chancen für die Erprobung von Prototypen unter kontrollierten, gleichzeitig aber auch denkbar schwierigsten Bedingungen zu begreifen;

43.

unterstreicht das Potenzial lokaler Zonen, in denen flexible und innovative Regulierungsinstrumente oder Regulierungsalternativen unter realen Bedingungen in einem städtischen Umfeld erprobt werden können, um die Erforschung und eventuelle anschließende Nutzung nachhaltiger Innovationen (bspw. im Wohngebäudebereich) zu ermöglichen. Die Stadt als „Lernmaschine“ fördert gesellschaftliche Lernprozesse und eine Zusammenarbeit, die soziale Risiken verringern kann;

44.

erachtet eine steuerliche Dezentralisierung als wichtig, um eine bessere Anpassung regionaler und (großstädtischer) kommunaler steuerlicher Maßnahmen zur Förderung des Klimaschutzes an die lokalen Gegebenheiten zu erleichtern;

45.

hält es für wichtig, Kommunen durch Instrumente und den Aufbau von Kapazitäten in ihrer Entwicklung hin zu intelligenten Gemeinden zu unterstützen, die digitale Kluft zu schließen und sicherzustellen, dass weder Menschen noch Gebiete zurückgelassen werden;

46.

unterstreicht die wichtige Rolle öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) beim Ausbau intelligenter Städte und Gemeinden und fordert die Europäische Kommission auf, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um in großen und kleinen lokalen Gebietskörperschaften die geeigneten Voraussetzungen für öffentlich-private Partnerschaften zu schaffen;

47.

bekräftigt die Rolle intelligenter Gemeinschaften als Impulsgeber für eine intelligente und inklusive Energiewende und appelliert an die Europäische Kommission, intelligente Städte und Gemeinden durch zweckgebundene und zugängliche Finanzierungsinstrumente verstärkt in ihrem Handeln zu unterstützen;

48.

begrüßt die Entscheidung der Europäischen Kommission, im Rahmen des neuen Programms Horizont Europa ein Missionsgebiet „Klimaneutrale und intelligente Städte“ vorzusehen;

49.

plädiert für eine holistische, systemische und integrierte EU-Klimapolitik, denn bislang sind die Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene häufig zersplittert und auf unterschiedliche Sektoren und Kategorien, auf Stadt oder Land ausgerichtet.

Brüssel, den 9. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  COR-2018-05877-00-01-AC-TRA (EN) (ABl. C 404 vom 29.11.2019, S. 53).

(2)  COR-2019-00239-00-00-AC-TRA (EN) (ABl. C 404 vom 29.11.2019, S. 16).

(3)  COR-2019-00965-00-01-PAC-TRA (EN) (siehe Seite 27 dieses Amtsblatts).

(4)  COR-2019-00965-00-01-PAC-TRA (EN).

(5)  COR-2019-00965-00-01-PAC-TRA (EN).

(6)  ABl. C 86 vom 7.3.2019, S. 36.


5.2.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 39/83


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Digitales Europa für alle: Intelligente und inklusive Lösungen vor Ort

(2020/C 39/18)

Berichterstatterin

:

Anne KARJALAINEN (FI/SPE), Mitglied des Stadtrates von Kerava

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Einführung

1.

legt auf Ersuchen Finnlands, das den Vorsitz im Rat der Europäischen Union führt, fundierte Vorschläge zu der Frage vor, wie die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften intelligente und integrative digitale Lösungen entwickeln und umsetzen können, von denen alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrem Wohnort in der EU profitieren können;

2.

nimmt die Vorschläge zur Kenntnis, die der Präsident und der Erste Vizepräsident des Europäischen Ausschusses der Regionen in dem Strategiepapier „Ein digitales Europa für alle“ (1) zum strategischen Programm der neuen Europäischen Kommission zur Entwicklung des digitalen Binnenmarkts unterbreitet haben;

3.

empfiehlt die Aufnahme dieser Vorschläge in die strategische Ausrichtung des Programms der Europäischen Kommission „Digitales Europa“ zur inhaltlichen Konkretisierung der einzelnen Programme und Förderanträge für den Zeitraum 2021-2022; unterstützt die Investitionsschwerpunkte des Programms „Digitales Europa“: Hochleistungsrechentechnik, künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, fortgeschrittene digitale Kompetenzen und Förderung einer möglichst breiten Nutzung digitaler Technologien in der ganzen Gesellschaft;

Gesellschaftliche Herausforderungen mit digitalen Lösungen in Angriff nehmen

4.

beanstandet, dass in den Prioritäten der politischen Agenda der neuen Kommission zwar die Notwendigkeit einer Förderung von Spitzentechnologien wie künstliche Intelligenz und Plattformwirtschaft unterstrichen wird, aber nicht genug Nachdruck auf einen inklusiven digitalen Binnenmarkt gelegt wird;

5.

betont, dass der digitale Binnenmarkt nur dann zu einem dauerhaften Erfolg werden kann, wenn alle Bürger überall in der Europäischen Union davon profitieren;

6.

unterstützt den Vorschlag der Europäischen Kommission für ein starkes Programm „Digitales Europa“, das allerdings die gesamte EU flächendeckend erreichen muss, damit alle angemessen von dem Informationsaustausch, dem Peer-Learning und der Entwicklung interregionaler Partnerschaften profitieren können. Erreichen lässt sich dies über ein Netz regionaler digitaler Innovationszentren, die aus dem Programm finanziert werden;

7.

vertritt die Auffassung, dass der Zugang zu und die aktive Beteiligung an der digitalen Wirtschaft entscheidend für die künftige erfolgreiche lokale und regionale Entwicklung sind;

8.

ist der Ansicht, dass der Begriff „digitaler Zusammenhalt“ eine wichtige zusätzliche Dimension zu den im EU-Vertrag verankerten Zielen des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts ist. Der AdR schlägt daher eine offene Debatte über die künftige Rolle der Digitalisierung bei der Förderung des „Zusammenhalts“ in der Europäischen Union vor. Das Ziel ist, auf gesellschaftliche Herausforderungen — demografische Entwicklungen, Klimawandel und den Wandel der Arbeitswelt — zu reagieren, ohne Menschen oder Regionen zurückzulassen, und dabei das Unternehmertum zu fördern;

9.

begrüßt den praxisorientierten Ansatz der Kommission, Forschung und Innovation so zu lenken, dass sie zur Bewältigung der globalen Herausforderungen beitragen. Die digitalen Technologien spielen eine Schlüsselrolle bei den Bemühungen der EU-Mitgliedstaaten, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften überall in der EU stehen, zu bewältigen, darunter Klimawandel, Demografie und Wandel auf dem Arbeitsmarkt;

10.

hebt insbesondere das Potenzial bereits existierender und neuer Technologien im öffentlichen Sektor hervor, um Verwaltungsaufwand und Verschwendung zu verringern, schneller Effizienzgewinne herbeizuführen und neue Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu finden;

11.

unterstützt die Vision einer EU, in der mit digitalen Technologien, Innovation und künstlicher Intelligenz allen Bürgerinnen und Bürgern wettbewerbsfähige Arbeitsplätze, Verbesserungen im Gesundheitsbereich, in der Lebensqualität und bei den öffentlichen Dienstleistungen sowie Zugang zu internationalen Wissensströmen geboten werden können;

12.

fordert eine enge europäische Zusammenarbeit aller Regierungsebenen in der EU, damit die Städte und Gemeinden stärker von einer verbesserten und breiter aufgestellten bürgerorientierten Digitalisierung profitieren können;

13.

stellt fest, dass Investitionen in die Schaffung innovativer Ökosysteme und die Förderung von Innovationen in Schlüsseltechnologien wie künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und 5G auf lokaler und regionaler Ebene überall in der EU von wesentlicher Bedeutung für die EU-Politik sind, und sieht große Möglichkeiten bei regionalen Strategien für intelligente Spezialisierung nach Maßgabe der jeweiligen EU-Fonds;

14.

hält es für wichtig, dass die Regionen anhand der Kriterien und künftigen Aufgaben für digitale Innovationszentren den Zustand ihrer bestehenden Innovationszentren bewerten können. Damit KMU und Städte das Fachwissen dieser Zentren auch wirklich nutzen können, müssen die Zentren und ihre Netze effizient operieren und sich dabei auf hochwertige Kenntnisse und Dienstleistungen stützen. Dafür müssen sie geografisch und thematisch entsprechend breit aufgestellt sein und mit lokalen Bildungseinrichtungen, Hochschulen und regionalen Ökosystemen zusammenarbeiten;

15.

betont, dass das Netz digitaler Innovationszentren EU-weit entwickelt werden muss, damit es in jeder NUTS-2-Region ein solches aus dem Programm „Digitales Europa“ gefördertes Zentrum gibt;

16.

stellt fest, dass ein Stärke Europas darin liegen sollte, das Potenzial der KI zu erkennen und mit Fragen der Ethik in Übereinstimmung zu bringen. Europa hat dank seiner Grundwerte gute Voraussetzungen, um Demokratie, Menschenrechte und künstliche Intelligenz miteinander in Einklang zu bringen. Wir brauchen ethische Leitlinien und rechtliche Rahmenbedingungen für die KI;

17.

betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften umfassend zusammenarbeiten müssen, um die Interoperabilität der Behörden und die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen zu verbessern. Die Entwicklung von grenzüberschreitenden Infrastrukturen, Interoperabilität und gemeinsame Standards sind Elemente des Programms „Digitales Europa“, die einen echten europäischen Mehrwert bieten können. Die Vernetzung großer europäischer, nationaler und regionaler Infrastrukturen sollte fortgesetzt werden; fordert zu diesem Zweck die Fortführung des Programms ISA2 (Interoperabilitätslösungen für europäische öffentliche Verwaltungen) über das Jahr 2020 hinaus;

Stärkung der Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften

18.

weist darauf hin, dass die Städte und Regionen aller Größenordnungen EU-weit Teil des digitalen Wandels in Europa sein müssen. Die Regionen und Gemeinden müssen Entscheidungen über Neubewertungen in der Verwaltung, technische Infrastrukturen, Dienstleistungen und Datenpolitik treffen. Das Programm „Digitales Europa“ sollte branchenspezifische Schulungsprogramme vorsehen, in denen Mitarbeitern der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften fortgeschrittene digitale Kompetenzen vermittelt werden;

19.

begrüßt die bevorstehende Erklärung „Collaborate, Empower, Sustain“ des Verbands Eurocities, in der dazu aufgerufen wird, den digitalen Wandel in den europäischen Städten und Gemeinden mit vereinten Kräften voranzutreiben. Dadurch soll eine enge europäische Zusammenarbeit zwischen allen Regierungsebenen in der EU erreicht werden, damit die Städte und Gemeinden stärker von einer verbesserten und breiter aufgestellten bürgerorientierten Digitalisierung profitieren können;

20.

teilt die Ansicht von Eurocities, dass die Städte und Gemeinden der am besten geeignete Prüfstand für digitale Lösungen sind, um eine koordinierte Einbeziehung der Interessenträger und die aktive Beteiligung der Bürger zu gewährleisten;

21.

fordert die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, den Dialog zwischen allen Regierungs- und Verwaltungsebenen, der Wirtschaft, den Arbeitgebern und den Gewerkschaften über Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerrechte in einem zunehmend digitalisierten Umfeld zu fördern. Außerdem sollte die Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten daraufhin geprüft werden, ob sie den neuesten technologiebedingten Herausforderungen gewachsen ist;

22.

weist darauf hin, dass die Sicherstellung der Versorgung mit natürlichen Ressourcen und die Verringerung des CO2-Fußabdrucks grundlegende Aspekte der nachhaltigen Entwicklung sind. Die nachhaltige Entwicklung kann mithilfe der Digitalisierung und durch intelligente Lösungen bei unternehmerischen Tätigkeiten, im Alltag und in den öffentlichen Diensten, insbesondere in den Bereichen Verkehr und Energieeffizienz, beschleunigt werden;

23.

fordert die regionalen und lokalen Akteure auf, so weit wie möglich Open-Source-Lizenzen zu nutzen. Software und Softwarekomponenten, die von kommunalen Stellen zur Eigenverwendung in Auftrag gegeben werden, sollten grundsätzlich unter einer Software-Lizenz geliefert werden, die dem Auftraggeber die Anpassung, Weiterentwicklung und Verbreitung des Produkts — durch ihn selbst oder durch Dritte — seinem Wunsch und Bedarf entsprechend gestattet. Dies ermöglicht das Entstehen von Ökosystemen und einen offenen wissensbasierten Wettbewerb. Außerdem profitieren bei Open-Source-Projekten zum großen Teil lokale und regionale Akteure und nicht Akteure außerhalb der EU. Wiederverwendbare Lösungen schaffen Vertrauen und Transparenz, was ihre Akzeptanz bei den Bürgern erhöht;

24.

ist der Ansicht, dass digitale Informationen, die von öffentlichen Verwaltungen verarbeitet werden, im Sinne interoperabler öffentlicher Dienste im Einklang mit offenen Spezifikationen und Standards erstellt und als offene Daten zur Verwendung und Weiterverwendung verfügbar sein sollten, insoweit sie nicht Beschränkungen etwa in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten, Vertraulichkeit oder auch Rechte geistigen Eigentums unterliegen (2); stimmt darin überein, dass dafür folgendes notwendig ist: „Sorge für gleiche Wettbewerbsbedingungen für quelloffene Software und Nachweis einer aktiven und fairen Erwägung einer Nutzung quelloffener Software unter Berücksichtigung der Gesamtbetriebskosten der Lösung“ (3), wobei offene Spezifikationen bevorzugt werden sollten;

25.

unterstützt den von der GD CNECT auf der Digitalen Versammlung 2019 vorgebrachten Vorschlag, den jedes Jahr auf nationaler Ebene erstellten Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) um einen „lokalen DESI-Index“ zu ergänzen; empfiehlt die enge Zusammenarbeit zwischen der GD CNECT, dem Europäischen Ausschuss der Regionen, dem Europäischen Beobachtungsnetz für Raumordnung (ESPON) und anderen Initiativen und Einrichtungen, um gemeinsam ein Konzept für einen solchen Index zu erarbeiten, der dann jährlich neben dem nationalen DESI-Index von der GD CNECT erstellt würde;

26.

ist der Ansicht, dass der lokale DESI-Index von großer Bedeutung ist, um die territorialen Auswirkungen und die Steuerung der künftigen EU-Strategien zur Förderung einer stärkeren digitalen Inklusion zu bewerten und die spezifischen Herausforderungen zu erkennen, die durch die digitale Ungleichheit entstehen. Der AdR betont, dass der lokale DESI-Index auch für die Städte und Regionen in Europa von Nutzen wäre, um gemeinsame Herausforderungen und erfolgreiche Verfahren zu ermitteln und das Lernen voneinander und die Zusammenarbeit zwischen Städten und Regionen zu fördern;

27.

regt auf der Grundlage der positiven Erfahrungen mit der Initiative WiFi4EU an, ähnliche einfach anzuwendende Initiativen zu entwickeln, die für die Begünstigten unbürokratisch sind. Eine ähnliche Gutscheinregelung für digitale Audits könnte auf lokaler Ebene eingeführt werden. Die teilnehmenden lokalen Behörden würden einen Gutschein für eine erste Bewertung der Verfügbarkeit und Qualität digitaler Dienstleistungen in der Gemeinde erhalten, deren Ergebnisse für eine fundierte Debatte im Gemeinderat und mit den Bürgern genutzt werden könnten. Diese Auditberichte sollten auch Ratschläge über Verbindungen zu ähnlichen Initiativen in anderen Gemeinden in der EU und über den Zugang zu eventuell benötigter zusätzlicher Unterstützung seitens der EU enthalten;

28.

betont, dass die Grundlage des digitalen Wandels eine nachhaltige, wettbewerbsfähige und am Menschen orientierte Datenwirtschaft in der EU sein muss, die ihrerseits auf Datenqualität beruhen und die Rechte und die Privatsphäre des Einzelnen achten muss. Europa sollte einen globalen Ansatz entwickeln und einen Rahmen für das Datenqualitätsmanagement schaffen — wobei Daten als öffentliche Güter und Ressourcen für die Demokratie und die lokale Entwicklung anzusehen sind — und Grundsätze für die Datenverwaltung festlegen, um Inkohärenz und Fragmentierung zu beseitigen;

29.

fordert einen stärkeren Schutz personenbezogener Daten und insbesondere die Klärung der Anwendung der DSGVO auf Bereiche von allgemeinem Interesse; betont die Notwendigkeit einer europäischen Definition des Begriffs Daten von allgemeinem Interesse auf territorialer Ebene;

30.

fordert, die entscheidende Frage der Daten als solche und im Hinblick auf künstliche Intelligenz sowie den Umgang der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften damit anzugehen. Der Ausschuss könnte diesbezüglich einen Beitrag leisten, indem er den Austausch bewährter Vorgehensweisen erleichtert und vertiefte Überlegungen über die Verwaltung personenbezogener und öffentlicher Daten durch die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften anstellt. Der AdR unterstreicht, dass offene Daten für die Verbreitung digitaler Innovationen auf der Gebietsebene, als demokratisches Gegenstück und als Quelle der Neubelebung des Bürgerengagements bedeutungsvoll sind. Er fordert außerdem ein ernsthaftes Nachdenken über die Grundsätze für die Weiterleitung von Daten. Es muss geklärt werden, wie der Datenschutz und die Datensouveränität in Bezug auf Daten von allgemeinem Interesse gegenüber den digitalen Großkonzernen gesichert werden können;

Der Bürger im Mittelpunkt

31.

fordert alle Regierungsebenen auf, sich für die Teilhabe der Bürger und die Zunahme ihrer Einflussmöglichkeiten im Rahmen der Digitalisierung einzusetzen. Sie sollen sich an der gemeinsamen Gestaltung neuer digitaler Lösungen beteiligen können, damit den unterschiedlichen Bedürfnissen der Bürger Rechnung getragen werden kann, insbesondere im Zusammenhang mit Projekten im Bereich intelligentere Städte und Gemeinden. Statt einer technikgetriebenen Produktentwicklung sollte die Entwicklung menschenzentrierter Verfahren, Dienstleistungen und Produkte in den Vordergrund gestellt werden. Dazu zählen u. a. die verbraucherorientierte Gestaltung, die gemeinsame Entwicklungsarbeit verschiedener Akteure und die schnelle Prototypenerstellung;

32.

betont, dass es bei der Digitalisierung um Vertrauen geht. Ohne Vertrauen ist es unmöglich, öffentliche elektronische Dienste zu entwickeln oder den Verbrauchern den notwendigen Schutz zu bieten;

33.

betont, dass die öffentlichen Kapazitäten vor Ort ausgebaut werden müssen, um die digitalen Herausforderungen zu bewältigen und die Autonomie der lokalen Behörden gegenüber den digitalen Großkonzernen zu vergrößern. Die Schaffung lokaler öffentlicher und zivilgesellschaftlicher Plattformen, um u. a. digitale Schulungen anzubieten, ist ein Schritt in die richtige Richtung;

34.

weist darauf hin, dass die digitalen Technologien den Bürgern zwar neue Möglichkeiten eröffnen, Kontakte zu pflegen und Informationen zu verbreiten, dass aber dadurch auch neue Risiken entstanden sind. Dazu zählen Cyberangriffe, Betrug, Datendiebstahl, Angriffe auf die bürgerlichen Freiheiten und das öffentliche Handeln auf lokaler Ebene und Versuche, unsere Demokratien zu untergraben. Es ist von entscheidender Bedeutung, in die Cybersicherheit zu investieren, denn Vertrauen und Bewusstsein bilden die Grundlage für den Aufbau eines digitalen Europas für alle;

35.

betont, dass ein Verständnis der künstlichen Intelligenz wichtig ist, damit sich die Bürger an der gesellschaftlichen Debatte über künstliche Intelligenz beteiligen und die vorgebrachten Argumente kritisch beurteilen können;

36.

weist darauf hin, wie wichtig der Verbraucherschutz in Bezug auf digitale Dienste ist. Die Durchsetzung der bestehenden Vorschriften und deren Kenntnis können den Zugang der Bürger zur Justiz verbessern und ihr Vertrauen in den elektronischen Handel stärken. Hier soll beispielsweise durch das geplante Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act) Abhilfe geschaffen werden;

37.

erinnert daran, dass 2017 43 % der EU-Bevölkerung nicht über ausreichende digitale Kompetenzen verfügten (4) und dass nur jedes fünfte Unternehmen angab, IKT-Schulungen für ihre Beschäftigten angeboten zu haben (5). Der Ausschuss der Regionen betont, dass die Akteure auf lokaler und regionaler Ebene sicherstellen sollten, dass die digitalen Kompetenzen auf allen Bildungsstufen — von der frühkindlichen Erziehung bis hin zur Berufs- oder Hochschulbildung und als wesentlicher Bestandteil des lebenslangen Lernens — systematisch entwickelt werden, und zwar unter Rückgriff auf den Europäischen Referenzrahmen für digitale Kompetenzen (DigComp) und andere einschlägige Referenzrahmen für digitale Kompetenzen. Der Ausschuss betont, dass es in der digitalen Bildung auch darauf ankommt, das kritische Denken zu schulen, damit die Nutzer digitaler Technologien die Inhalte weniger passiv konsumieren und zur rationalen sozialen Nutzung digitaler Technologien befähigt werden;

38.

fordert den Austausch bewährter Verfahren für die Entwicklung digitaler Kompetenzen über die formale Bildung hinaus, insbesondere in Bezug auf benachteiligte Zielgruppen. Dabei geht es unter anderem um eine bessere Nutzung von Initiativen zur Förderung der digitalen Kompetenz wie beispielsweise die Europäische Codewoche, die Initiative „Tag des sicheren Internets“, die Initiative „Nationale Koalition für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze“ und Europass, den europäischen Lebenslauf;

39.

weist darauf hin, dass sich durch den digitalen Wandel die Arbeitsmethoden, Arbeitsinhalte und Berufe verändern und dadurch einige Arbeitsplätze unausweichlich überflüssig werden, sodass der öffentliche Sektor und die Unternehmen wandlungsfähig und in der Lage sein müssen, Arbeitskräfte umzuschulen. Es bedarf einer Vielzahl von Maßnahmen und Mechanismen, um die Kompetenzen der Menschen in der Arbeitswelt kontinuierlich zu verbessern;

40.

betont, dass die aufzubauenden öffentlichen Online-Dienste und mobilen Anwendungen so konzipiert sein müssen, dass Nutzer aller Art und in allen Lebenslagen ungeachtet etwaiger Behinderungen oder Einschränkungen darauf zugreifen können. Die Richtlinie über den barrierefreien Zugang muss unverzüglich umgesetzt werden;

41.

weist darauf hin, dass die Digitalisierung die Zugänglichkeit öffentlicher Dienstleistungen für diejenigen Menschen verbessert, die in der Lage und willens sind, das Internet zu nutzen. Gleichzeitig kann sie aber auch zu einem Problem für gerade diejenigen Personenkreise werden, die die digitalen Dienste möglicherweise am meisten benötigen, und sie könnte das Risiko der digitalen Ungleichheit demnach sogar vergrößern. Die lokalen Behörden sollten daher die Entwicklung der digitalen Ungleichheit im Auge behalten und versuchen, die digitale Ausgrenzung zu verhindern;

42.

fordert, dass in allen digitalen Maßnahmen eine geschlechtsspezifische Perspektive berücksichtigt wird, und begrüßt Initiativen wie die Erklärung „Digital4Her“ zur stärkeren Einbindung von Frauen in Technologiebranchen;

Infrastruktur

43.

betont, dass jeder Unionsbürger das Recht auf Netzanbindung hat, das es ihm ermöglicht, sich an der digitalen Gesellschaft zu beteiligen, und ihm Zugang zu den digitalen Diensten bietet. Eine integrierte und flächendeckende digitale Infrastruktur ermöglicht es allen Bürgern, standortunabhängig vom digitalen Zeitalter zu profitieren. Die Politik der EU sollte in Zukunft darauf abzielen, die Kosten für die Einführung und Nutzung von Breitbandnetzen auf lokaler Ebene zu senken, und zwar unabhängig von der Größe der lokalen Gemeinschaften und der Bevölkerungsdichte;

44.

verweist auf die Schwierigkeiten beim Aufbau der digitalen Infrastruktur in den Gebieten in äußerster Randlage aufgrund ihrer Zwänge und ihrer Abgelegenheit vom europäischen Festland. Es muss daher sichergestellt werden, dass diese Regionen ebenso wie alle anderen europäischen Regionen volles Recht auf Netzanbindung haben;

45.

betont, dass digitale Dienste und elektronische Behördendienste eine schnelle und störungsfreie Breitbandanbindung benötigen, die auch in Gebieten zur Verfügung stehen sollte, in denen die derzeitigen wirtschaftlichen Voraussetzungen eine Netzanbindung nicht unterstützen. Der Aufbau von Glasfasernetzen muss auf dem Open-Access-Modell beruhen: Der Netzeigentümer, beispielsweise eine örtliche Genossenschaft, muss allen interessierten Betreibern erlauben, den Endnutzern ihre Dienste anzubieten. Die bestehenden Glasfaserkabelnetze sollten für den Wettbewerb geöffnet werden;

46.

begrüßt Investitionen im Rahmen des Programms „Digitales Europa“ in moderne, leistungsstarke digitale Infrastruktur wie 5G-Netze, die notwendig sind, um den europaweiten Ausbau der digitalen Dienste und Technologien zu ermöglichen. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass Breitband in diesem Zusammenhang eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung innovativer und wettbewerbsfähiger digitaler Dienste ist, sofern die Interoperabilität der Telekommunikationsnetze durch eine rasche 5G-Normung gewährleistet werden kann;

47.

betont, dass in Europa zuverlässige Hochgeschwindigkeitsdatenverbindungen nicht nur zur Unterstützung der digitalen Dienste und der Datenwirtschaft, sondern auch zur vollständigen Ausschöpfung des Potenzials fortgeschrittener Technologien in Bereichen wie Automatisierung und intelligente Landwirtschaft erforderlich sind. Kommunikationstechnologien für intelligente und interoperable Systeme und Dienste sollten grundsätzlich technologieneutral sein;

Finanzierung und Synergien mit anderen Politikbereichen der EU

48.

setzt voraus, dass im Rahmen des neuen Programms „Digitales Europa“ ausreichende Mittel für Kompetenzen, Hochleistungsrechnen, Innovationszentren und die beschleunigte Einführung von KI-Technologien zur Verfügung gestellt werden;

49.

schlägt vor, das Programm „Digitales Europa“ über umfassende regionale Netze digitaler Innovationszentren umzusetzen, die aus dem Programm finanziert werden. Sie sollten an den regionalen Digitalisierungsstrategien mitwirken, die gesamtgesellschaftlich auszurichten sind (und im Rahmen der ESIF-Programme finanziert werden);

50.

hält es für wichtig, dass das Programm „Digitales Europa“ und andere europäische Programme, die Digitalisierungsmaßnahmen enthalten, wie z. B. Horizont Europa, die Fazilität „Connecting Europe“ und der ESF+, möglichst klar und einander ergänzend miteinander verknüpft werden sollten, wobei gleichzeitig Überschneidungen vermieden und Synergien geschaffen werden sollten.

Brüssel, den 9. Oktober 2019

Der Präsident

des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  COR-2019-03082-00-00-TCD-TRA.

(2)  Neuer europäischer Interoperabilitätsrahmen — Förderung nahtloser Dienste und Datenflüsse für die europäischen öffentlichen Verwaltungen (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52017DC0134&from=EN).

(3)  Ebenda.

(4)  Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) 2019.

(5)  Unternehmen, die ihre Beschäftigten Schulungen anbieten, um deren IKT-Kenntnisse zu verbessern, 2017.