ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 301

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

62. Jahrgang
5. September 2019


Inhalt

Seite

 

I   Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

 

EMPFEHLUNGEN

 

Rat

2019/C 301/01

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Belgiens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Belgiens 2019

1

 

EMPFEHLUNGEN

2019/C 301/02

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Bulgariens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Bulgariens 2019

8

2019/C 301/03

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Tschechiens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Tschechiens 2019

15

2019/C 301/04

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Dänemarks 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Dänemarks 2019

20

2019/C 301/05

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Deutschlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Deutschlands 2019

24

2019/C 301/06

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Estlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Estlands 2019

30

2019/C 301/07

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Irlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Irlands 2019

35

2019/C 301/08

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Griechenlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Griechenlands 2019

42

2019/C 301/09

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Spaniens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Spaniens 2019

48

2019/C 301/10

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Frankreichs 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Frankreichs 2019

55

2019/C 301/11

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Kroatiens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Kroatiens 2019

64

2019/C 301/12

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Italiens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Italiens 2019

69

2019/C 301/13

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Zyperns 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Zyperns 2019

80

2019/C 301/14

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Lettlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Lettlands 2019

86

2019/C 301/15

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Litauens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Litauens 2019

91

2019/C 301/16

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Luxemburgs 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Luxemburgs 2019

97

2019/C 301/17

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Ungarns 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Ungarns 2019

101

2019/C 301/18

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Maltas 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Maltas 2019

107

2019/C 301/19

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm der Niederlande 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm der Niederlande 2019

112

2019/C 301/20

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Österreichs 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Österreichs 2019

117

2019/C 301/21

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Polens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Polens 2019

123

2019/C 301/22

Empfehlung des rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Portugals 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Portugals 2019

129

2019/C 301/23

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Rumäniens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Rumäniens 2019

135

2019/C 301/24

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Sloweniens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Sloweniens 2019

143

2019/C 301/25

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm der Slowakei 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm der Slowakei 2019

148

2019/C 301/26

Empfehlung des rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Finnlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Finnlands 2019

154

2019/C 301/27

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Schwedens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Schwedens 2019

159

2019/C 301/28

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm des Vereinigten Königreichs 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm des Vereinigten Königreichs 2018-2019

163


DE

 


I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

EMPFEHLUNGEN

Rat

5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/1


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Belgiens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Belgiens 2019

(2019/C 301/01)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert worden war, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Belgien nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission zudem eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Belgien die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den nachstehenden Empfehlungen 1 bis 4 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Dienstleistungen werden zur Umsetzung der ersten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (widerstandsfähige Dienstleistungsmärkte) beitragen, während Maßnahmen zur Verbesserung der langfristigen Tragfähigkeit, der Effizienz und der Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen sowie die Nutzung unerwarteter Mehreinnahmen helfen werden, die zweite Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (Förderung von Investitionen, Verbesserung der Haushaltslage und Bildung von Puffern) anzugehen, und Maßnahmen zur Stärkung der Wirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik zur Umsetzung der dritten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (Ermöglichung erfolgreicher Arbeitsmarktübergänge) beitragen werden.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Belgien wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Belgiens bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet.

(4)

Am 26. April 2019 übermittelte Belgien sein nationales Reformprogramm 2019 und sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme sowie zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der europäischen Struktur- und Investitionsfonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Belgien befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt der Schuldenregel. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 veranschlagt die Regierung eine allmähliche Verbesserung des Gesamtsaldos von einem Defizit von 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 auf ein Defizit von 0,0 % des BIP im Jahr 2022. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos (6) dürfte das mittelfristige Haushaltsziel — eine strukturell ausgeglichene Haushaltsposition — während des vom Stabilitätsprogramm 2019 erfassten Zeitraums nicht erreicht werden. Nach einem Höchststand von fast 107 % des BIP im Jahr 2014 und einem Rückgang auf 102 % des BIP im Jahr 2018 wird die gesamtstaatliche Schuldenquote dem Stabilitätsprogramm 2019 zufolge bis 2022 voraussichtlich auf 94 % des BIP zurückgehen. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Allerdings wurden die Maßnahmen, die zur Erreichung der ab 2020 anvisierten Defizitziele erforderlich sind, noch nicht spezifiziert; unter anderem deshalb geht die Kommission in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass sich der strukturelle Saldo bei unveränderter Politik im Jahr 2020 verschlechtern wird.

(7)

Da Belgien die Schuldenregel im Jahr 2018 nicht eingehalten hat, veröffentlichte die Kommission am 5. Juni 2019 einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags. In dem Bericht kam sie nach Bewertung aller einschlägigen Faktoren zu dem Schluss, dass die derzeitige Analyse nicht vollständig klärt, ob das Schuldenstandkriterium im Sinne des Vertrags und der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 erfüllt wurde.

(8)

In seinem Stabilitätsprogramm 2019 bekräftigte Belgien den in seiner Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 gestellten Antrag auf Inanspruchnahme der Flexibilität im Rahmen der präventiven Komponente gemäß dem vom Rat am 12. Februar 2016 gebilligten „Gemeinsam vereinbarten Standpunkt zur Flexibilität im Stabilitäts- und Wachstumspakt“. Angesichts der Umsetzung größerer Strukturreformen, die sich positiv auf die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen auswirken werden, hat Belgien eine vorübergehende Abweichung in Höhe von 0,5 % des BIP vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel beantragt. Bei den Strukturreformen handelt es sich um eine Reform des Altersvorsorgesystems, eine „Steuerverlagerung“, eine Reform der Körperschaftsteuer, eine Arbeitsmarktreform und eine Reform der öffentlichen Verwaltung. Die Frühjahrsprognose 2019 der Kommission bestätigt, dass Belgien den Mindestrichtwert 2019 einhalten wird, sodass im Hinblick auf den Defizit-Schwellenwert von 3 % des BIP eine Sicherheitsmarge besteht. Alle Maßnahmen sind bereits verabschiedet. Eine Ausnahme bleibt die Reform der öffentlichen Verwaltung. Aufgrund des Charakters dieser Maßnahmen, insbesondere der Steuerverlagerung und der Körperschaftsteuerreform, sind ihre kurzfristigen Auswirkungen immer noch ungewiss, vor allem angesichts ihres nicht-haushaltsneutralen Charakters, der die Haushaltslage negativ beeinflusst hat. Nichtsdestoweniger haben die Maßnahmen das Wachstumspotenzial der Wirtschaft gestärkt, die Arbeitslosenquote gesenkt und die Risiken makroökonomischer Ungleichgewichte verringert, woraus sich mittel- bis langfristig positive Auswirkungen auf die Tragfähigkeit der Verschuldung ergeben. Auf dieser Grundlage kommt Belgien der aktuellen Bewertung zufolge für die beantragte vorübergehende Abweichung von 0,5 % des BIP im Jahr 2019 infrage, sofern es die vereinbarten Reformen hinreichend umsetzt, was im Rahmen des Europäischen Semesters zu beobachten sein wird.

(9)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat Belgien sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben (7) im Jahr 2019 1,8 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht. Da Belgien für die beantragte vorübergehende Abweichung von 0,5 % des BIP nach der Strukturreformklausel infrage kommt, kann die erforderliche strukturelle Anpassung für 2019 auf 0,1 % des BIP gesenkt werden, was einer nominalen Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben von höchstens 2,8 % für 2019 entspricht. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass für die Jahre 2018 und 2019 zusammengenommen die Gefahr einer erheblichen Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel besteht.

(10)

Angesichts des gesamtstaatlichen Schuldenstands Belgiens von über 60 % des BIP und der prognostizierten Produktionslücke von 0,1 % dürfte die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 1,6 % nicht überschreiten; dies steht im Einklang mit der strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP nach der im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts vereinbarten gemeinsamen Anpassungsmatrix. Auf der Grundlage der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission besteht unter Annahme einer unveränderten Politik 2020 die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser Vorgabe. Belgien wird die Schuldenregel 2019 und 2020 voraussichtlich nicht einhalten. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass die erforderlichen Maßnahmen ab 2019 ergriffen werden sollten, um die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten. Es wäre wichtig, unerwartete Mehreinnahmen zum weiteren Abbau der gesamtstaatlichen Schuldenquote einzusetzen. Das Risiko für die mittel- und langfristige Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen Belgiens ist angesichts einer Kombination aus einer hohen Schuldenquote und dem projizierten Anstieg der mit der Alterung der Bevölkerung verbundenen Kosten, insbesondere im Zusammenhang mit Renten und Langzeitpflege, weiterhin hoch. 2015 wurde eine Reihe von Rentenreformen verabschiedet, mit denen das gesetzliche Renteneintrittsalter von 65 auf 66 Jahre ab 2025 und auf 67 Jahre ab 2030 angehoben wurde. Darüber hinaus wurden Alters- und Dienstaltersanforderungen für den vorzeitigen Ruhestand verschärft. Die öffentlichen Ausgaben für die Altersversorgung dürften zwischen 2016 und 2070 indes weiterhin um 2,9 BIP-Prozentpunkte steigen, vor allem in den beiden nächsten Jahrzehnten. Darüber hinaus werden die Bedingungen für den Vorruhestand für mehrere Beamtengruppen auch künftig günstiger sein als die üblichen Bedingungen. Die öffentlichen Ausgaben für die Langzeitpflege dürften sich zwischen 2016 und 2070 um 1,7 BIP-Prozentpunkte erhöhen, was eine überdurchschnittliche Steigerung von einem der bereits höchsten Niveaus in der Union bedeutet. Die organisatorische Zersplitterung der Langzeitpflege, bei der die Zuständigkeiten derzeit auf Behörden verschiedener Verwaltungsebenen aufgeteilt sind, behindert die Ausgabeneffizienz in Bezug auf zahlreiche Aspekte. Folglich ist die reale Auswirkung der jüngsten Übertragung von Zuständigkeiten noch nicht klar. Durch eine bessere Steuerung könnten die angestrebten Effizienzgewinne erreicht werden. Die Kombination verschiedener Pflegeformen könnte noch optimiert werden, um die Kosteneffizienz des Langzeitpflegesystems zu steigern.

(11)

Die Zusammensetzung und Effizienz der öffentlichen Ausgaben können verbessert werden, um die öffentlichen Investitionen stärker anzukurbeln. Trotz eines jüngsten Rückgangs zählen die Gesamtausgaben anteilig am BIP in Belgien immer noch zu den höchsten im Euro-Währungsgebiet. Das hohe Niveau der öffentlichen Ausgaben lässt darauf schließen, dass für eine stärker ausgabengestützte Haushaltskorrektur Spielraum besteht. Angesichts des hohen Ausgabenniveaus werfen die Ergebnisse bestimmter Strategien und die Qualität bestimmter öffentlicher Dienstleistungen Fragen in Bezug auf die Kosteneffizienz auf. Ausgabenüberprüfungen und Bewertungen der Politikstrategien können Belgien helfen, die öffentlichen Ausgaben besser zu priorisieren und effizienter zu gestalten. Auch könnten Ausgabenüberprüfungen dazu genutzt werden, die Effizienz der indirekten öffentlichen Unterstützung für Unternehmensinvestitionen in Forschung und Entwicklung zu bewerten, die anteilig am BIP eine der höchsten in der Union ist und im letzten Jahr weiterhin stieg. Die föderalen und regionalen Behörden haben sich unlängst für die Aufnahme der Ausgabenüberprüfung in ihren Haushaltsmechanismus ausgesprochen.

(12)

Die Haushaltskoordinierung zwischen den einzelnen Instanzen ist derzeit nicht flexibel genug, um öffentliche Investitionen in groß angelegte Projekte zu erleichtern. Eine wirksame Haushaltskoordinierung ist in einem Föderalstaat wie Belgien, in dem ein Großteil der Ausgabenbefugnisse auf die subnationale Ebene übertragen wurde, von wesentlicher Bedeutung. Trotz der 2013 unterzeichneten Kooperationsvereinbarung besteht auf allen Regierungsebenen keine offizielle Einigung auf die jährlichen Ziele, wodurch die Haushaltskoordinierung erschwert wird. Im Gegensatz zur Praxis bei den früheren Stabilitätsprogrammen, bei denen der Konzertierungsausschuss den haushaltspolitischen Kurs „zur Kenntnis nahm“, billigten alle Regierungsebenen den allgemeinen haushaltspolitischen Kurs des Stabilitätsprogramms 2018 und unterstützten die Erreichung der haushaltspolitischen Ziele bis 2020. Auch wenn diese Zustimmung dem allgemeinen Kurs mehr Glaubwürdigkeit verlieh, einigte man sich offiziell nicht auf allen Regierungsebenen auf die jährlichen Haushaltsziele. Eine fehlende Einigung auf die Ziele auf allen Regierungsebenen kann die Tragfähigkeit des allgemeinen Kurses in Richtung auf das mittelfristige Ziel unterminieren. Zudem wird die Abteilung „Finanzierungsbedarf des öffentlichen Sektors“ des Hohen Rates für Finanzen dadurch an der effizienten Überwachung der Einhaltung dieser Ziele gehindert. Das Stabilitätsprogramm 2019 enthält lediglich indikative allgemeine und intermediäre Haushaltsziele, da am 26. Mai 2019 Wahlen auf föderaler, regionaler und gemeinschaftlicher Ebene stattfanden.

(13)

Durch das jüngste Wirtschaftswachstum wurden mehr Arbeitsplätze geschaffen. Die Beschäftigung liegt auf ihrem höchsten Niveau in den letzten zehn Jahren. Dennoch bleiben die Übergänge von der Nichterwerbstätigkeit oder Arbeitslosigkeit in die Erwerbstätigkeit schwach, und Belgien wird sein Europa-2020-Beschäftigungsziel von 73,2 % wohl nicht erreichen. Hinsichtlich des Arbeitsmarkts bleiben die großen regionalen Unterschiede bestehen. Trotz ihres kontinuierlichen Rückgangs während der letzten fünf Jahre liegt die Jugendarbeitslosigkeit in Brüssel klar über dem Unionsdurchschnitt. Die Erwerbsbeteiligung von Geringqualifizierten, Personen mit Migrationshintergrund, älteren Arbeitnehmern und Menschen mit Behinderungen ist niedrig, was darauf schließen lässt, dass die Integration in den Arbeitsmarkt sowohl durch strukturelle als auch durch gruppenspezifische Faktoren behindert wird. Bestehende Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahmen wirken sich nicht für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen aus. Die Beschäftigungsquote älterer Arbeitskräfte (55-64 Jahre) liegt weiterhin unter dem Unionsdurchschnitt, und bei den Über-60-Jährigen besteht nach wie vor eine große Lücke im Vergleich zum Unionsdurchschnitt. Personen mit Migrationshintergrund, vor allem Frauen, sind weiterhin in höherem Maße von Arbeitslosigkeit, niedrigen Erwerbsquoten, Erwerbstätigenarmut und Überqualifizierung betroffen. Zwar wurden einige Maßnahmen zur Integration von Neuankömmlingen und zur Bekämpfung von Diskriminierung getroffen, aber es fehlt nach wie vor an einer geeigneten Koordinierung, wenn es darum geht, Personen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Um die geringe Erwerbsbeteiligung anzugehen, wurden Maßnahmen im Rahmen der Reform des sogenannten „Jobs Deal“ ergriffen, deren Auswirkungen aber noch zu bewerten sind.

(14)

Es bestehen nach wie vor erhebliche negative finanzielle Arbeitsanreize. Obwohl die Steuerverlagerung die Steuer- und Abgabenbelastung verringert hat, bleibt sie durchschnittlich für alle abhängig Beschäftigten hoch (50 % des Durchschnittslohns). Eine Ausnahme sind die Extremgeringverdiener. Belgien ist der einzige Mitgliedstaat, in dem Leistungen bei Arbeitslosigkeit zeitlich nicht begrenzt sind, auch wenn sie stufenweise verringert werden. Für Empfänger von Kranken- und Berufsunfähigkeitsversicherungsleistungen und für Zweitverdiener bestehen für die Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung finanzielle Negativanreize. Vor allem für Alleinerziehende (und in geringerem Maße Paare mit Kindern) bestehen aufgrund einer Kombination aus zusätzlichen Kosten und wegfallenden Leistungen begrenzte finanzielle Anreize zur Aufnahme einer (Vollzeit-)Beschäftigung. Da die Zuständigkeiten für die Sozialversicherung zudem zwischen der föderalen Ebene und den regionalen und den kommunalen Ebenen aufgeteilt sind, können Koordinierungsprobleme entstehen. Das Sozialversicherungssystem deckt formell Leistungen für Selbstständige bei Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten nicht ab.

(15)

Die nachlassenden schulischen Leistungen in Pflichtschulen und die bedeutenden Unterschiede im Bildungssystem sind nach wie vor problematisch. Der Prozentsatz junger Menschen, die die Grundkompetenzen nicht beherrschen, sollte insbesondere in der französischsprachigen Gemeinschaft verringert werden, in der dieser Anteil über dem OECD-Durchschnitt liegt. Das Gefälle bei den Bildungsergebnissen aufgrund des sozioökonomischen und migrationsbedingten Hintergrunds ist groß. Lehrer müssen beim Umgang mit Diversität stärker unterstützt werden. Auch muss ihre Fortbildung besser angepasst werden. Reformen zur Verbesserung der Bildungsergebnisse und zur Beseitigung von Ungleichheiten müssen intensiviert werden, um ein wissensgestütztes, nachhaltiges und inklusives Wachstum sowie die soziale Inklusion voranzutreiben. Die Umsetzung des „Pact d’Excellence“ („Pakt für Exzellenz“), der wichtigen Schulreform der französischsprachigen Gemeinschaft zur Verbesserung der Grundkompetenzen, der Effizienz, der Steuerung und des Umgangs mit Ungleichheiten, macht Fortschritte. So wurden Dekrete betreffend die Organisation der Arbeit von Lehrern, den gemeinsamen Lehrplan, die Stellung von Schuldirektoren und die Förderung des Spracherwerbs (Französisch) der neu ankommenden Schüler angenommen und sind ab September 2020 anwendbar. Die flämischsprachige Gemeinschaft setzt ab 2019/2020 einige Reformen im Sekundarbereich um. Die frühe Differenzierung von Schülern ist aber nach wie vor problematisch. Die Auswirkungen dieser Reformen und Maßnahmen werden zudem von ihrer wirksamen Umsetzung und Überwachung abhängen. Auch hat das belgische Parlament das Pflichtschulalter von sechs auf fünf Jahre herabgesetzt. Angesichts des bereits hohen Ausgabenniveaus in der Bildung muss die Umsetzung der Reformen verstärkt auf eine höhere Effizienz und Wirksamkeit des Systems und auf zukunftsgewandte und arbeitsmarktorientierte Kompetenzen ausgerichtet sein.

(16)

Das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage und eine geringe Arbeitsplatzmobilität behindern Beschäftigungs- und Produktivitätswachstum. Trotz mehrerer regionaler und föderaler Maßnahmen zur Beseitigung des Arbeitskräftemangels und zur Steigerung der Erwerbstätigkeit — auch im Rahmen der Reform des „Jobs Deal“ — ist in mehreren Sektoren ein Arbeitskräftemangel zu beobachten. Dazu gehören die Informations- und Kommunikationstechnologien sowie das Bau- und das Gesundheitswesen. Das Wachstum im Bausektor wird durch mangelnde Fach- und Arbeitskräfte gebremst. In einigen Sektoren besteht ein großer Nachholbedarf im Bereich der Umschulung und Weiterbildung. Die Teilnahme Erwachsener an Aus- und Weiterbildung sowie die Arbeitsplatzmobilität sind ebenfalls niedrig. Geringe Sprachkenntnisse sind vor allem in Brüssel ein Problem, wo rund 50 % der Arbeitsplatzangebote dem nationalen Reformprogramm 2019 zufolge sowohl französische als auch niederländische Sprachkenntnisse voraussetzen. Die Quote bei den tertiären Bildungsabschlüssen liegt hoch, auch wenn es zu wenige Absolventen in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik (MINT-Fächer) gibt. 2016 lag Belgien hinsichtlich der Tertiärabschlüsse in den MINT-Fächern auf dem 26. Platz in der Union. Die Zahl der Neueinschreibungen in den entsprechenden Studiengängen war vor allem bei Frauen niedrig. Bei der allgemeinen Umsetzung des „MINT-Aktionsplans 2012-2020“ in Flandern werden zwar Fortschritte erzielt. Allerdings stagniert die Zahl der MINT-Sekundarabsolventen in der technischen und beruflichen Bildung seit 2010. Die französischsprachige Gemeinschaft hat keine MINT-Strategie und muss ihre jüngst verabschiedete „Strategie für digitale Bildung“ für Schulen noch umsetzen. Der Mangel an unternehmerischen Kenntnissen sowie an Kenntnissen in Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik verhindern die Entwicklung von Start-ups. Das allgemeine Niveau digitaler Kompetenzen ist gut, aber verbessert sich nicht. Im nationalen Reformprogramm 2019 wird die Einigung zwischen Flandern und Wallonien und die geplante Einigung zwischen Flandern und der Region Brüssel-Hauptstadt im Hinblick auf die Verbesserung der interregionalen Mobilität von Arbeitskräften hervorgehoben.

(17)

Forschung und Entwicklung konzentrieren sich auf einige wenige Branchen, und Innovationen kommen der übrigen Wirtschaft nur ungenügend zugute, was sich letztlich auf das Produktivitätswachstum auswirkt. Die öffentlich finanzierte Forschungstätigkeit scheint unter dem Unionsdurchschnitt zu liegen. Bei Forschung, Entwicklung und Innovationen gibt es zudem regionale und subregionale Unterschiede. Im „Nationalen Pakt für Strategische Investitionen“ wird eine stärkere Digitalisierung als ein vielversprechender Weg zur Förderung der Produktivität und Innovationsfähigkeit Belgiens angesehen. Dafür bedarf es allerdings Investitionen in die digitale Infrastruktur, einschließlich wirksamer Schritte für die erfolgreiche Errichtung des 5G-Netzes, Humankapital und Unternehmergeist sowie einer beschleunigten Einführung digitaler Technologien, insbesondere in jenen Unternehmen, die diesbezüglich im Rückstand sind.

(18)

Nach Jahren geringer öffentlicher Investitionen verschlechtert sich die Qualität der Straßeninfrastruktur. Die Wartung des großen und dichten Straßennetzes scheint für die Regionen und Kommunen aber nicht kosteneffizient zu sein. Die belgischen Straßen zählen zu den am meisten überlasteten der Union. Die Eisenbahninfrastruktur ist dicht und von guter Qualität. Ihre Vervollständigung und Verbesserung bleibt aber eine Herausforderung. Insbesondere der Großraum Brüssel und die Zugänge zu den Häfen von Antwerpen und Zeebrugge sind häufig überlastet. In die Vorortverbindungen der Eisenbahninfrastruktur und entsprechende Signalanlagen sollen erhebliche Investitionen fließen, was aber vor allem aufgrund der Mittelzuweisungsvorschriften zwischen den Regionen behindert wird. Auch bestehen wettbewerbsverzerrende Anreize und Wettbewerbs- und Investitionshemmnisse bei der inländischen Personenbeförderung im Schienenverkehr und Intercity-Fernbusverkehr, die das Angebot und die Nachfrage nach alternativen öffentlichen und CO2-armen Verkehrsträgern beschränken. Die zunehmende Verkehrsüberlastung ist zum Teil auf die wachsende Zahl der Pkw zurückzuführen, die durch mautfreie Straßen, Abschläge für Firmenwagen und die geringe Umweltbesteuerung angeheizt wird. Hohe Transaktionssteuern für Immobilien und das Firmenwagensystem beeinträchtigen die Mobilität. Die Qualität der Eisenbahndienstleistungen ist zurückgegangen. Auch sollte das Angebot im innerstädtischen öffentlichen Verkehr und im Verkehr zwischen Stadt und Land vor allem in Wallonien verbessert werden, wo der Zugang zu Beschäftigung für Arbeitsuchende ein besonderes Problem darstellt. Dem nationalen Reformprogramm 2019 zufolge werden auf regionaler Ebene bereits bedeutende Investitionen und Reformen durchgeführt. Auf föderaler Ebene und in Zusammenarbeit mit den Regionen wird weiterhin an der Fertigstellung des Nahverkehrs-Streckennetzes rund um Brüssel gearbeitet. Belgien verabschiedete das Gesetz zur Liberalisierung inländischer Eisenbahnverkehrsdienstleistungen. Allerdings liegt der Anteil der nach den öffentlichen Dienstleistungsauflagen mittels direkt vergebener Aufträge erbrachten Verkehrsdienstleistungen in Belgien nach wie vor sehr hoch. Private Busunternehmen dürfen keine Verkehrsdienstleistungen zwischen den Städten anbieten. Die Vorschriften für Taxis variieren je nach Kommune. Auch wenn die Regionen ihre eigenen Mobilitätspläne ausgearbeitet haben, behindert eine komplexe Koordinierung die Entwicklung eines stimmigen Mobilitätskonzepts innerhalb Belgiens und möglicherweise auch mit den grenznahen Städten und Regionen. Die Regulierungsbehörde der Bahn könnte ihre Regulierungstätigkeiten weiter ausbauen.

(19)

Für die Energiewende bedarf es hoher Investitionen. Eine Renovierung des alten Gebäudebestands, der aus der Zeit vor der Einführung der Energienormen stammt, kann zur Einhaltung der Emissionsminderungsziele für 2020 und 2030 beitragen. Die Einführung alternativer Brennstoffe erfolgt eher langsam. In die Stromerzeugung muss massiv investiert werden. Das Gleiche gilt für Stromverbindungsleitungen, die Speicherung über intelligente Netze und die Energieeffizienz.

(20)

Trotz staatlicher Bemühungen bleibt die regulatorische und administrative Belastung von Unternehmen hoch und beeinträchtigt das Unternehmertum. Die Besteuerung von Start-ups und kleine Unternehmen wurde gesenkt, bleibt für Finanzanlagen aber erheblich. Belgien hat sein Gesellschaftsrecht reformiert. Dadurch wurden die Zahl der Gesellschaftsformen für Unternehmen verringert, die elektronische Kommunikation mit Behörden erleichtert, Mindestkapitalanforderungen gesenkt und dem nationalen Reformprogramm zufolge das Insolvenzrecht insbesondere im Hinblick auf die freien Berufe reformiert. Trotz dieser Anstrengungen bestehen nach wie vor lange Fristen für Baugenehmigungen, kostspielige Immobilienregistrierungen und langwierige Gerichtsverfahren. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit sieht sich aufgrund mangelnder Ressourcen und langwieriger Verfahren mit Problemen konfrontiert, die zu erheblichen Verzögerungen insbesondere bei Baugenehmigungen, aber auch bei öffentlichen Vergabeverfahren führen. Zudem ist die Koordinierung in klima-, energie-, digital- und verkehrspolitischen Angelegenheiten komplex und verbesserungsfähig. Die Zusammenarbeit zwischen den Zoll- und den Marktaufsichtsbehörden ist suboptimal. Dadurch erhöht sich das Risiko, dass nichtkonforme Waren über die belgischen Grenzen in die Union gelangen. Folgenabschätzungen könnten besser in den politischen Entscheidungsprozess integriert werden. Die Qualität digitaler öffentlicher Dienstleistungen für Unternehmen ist niedrig. Die mangelnde Digitalisierung des Justizsystems bleibt eine ernsthafte Herausforderung, vor allem bei der Datenerhebung. Die vollständige Digitalisierung der Justiz ist eine wichtige Voraussetzung für weitere qualitative Verbesserungen des Justizsystems, ebenso wie die Aktualisierung von Arbeitsabläufen und eine bessere Verwaltung der Human- und Finanzressourcen bei den Gerichten.

(21)

Wettbewerbs- und Investitionshindernisse bei verschiedenen Unternehmensdienstleistungen behindern Wachstum und Produktivität. Die Markteintrittsquoten für neue Dienstleister liegen erheblich unter dem Unionsdurchschnitt, die Gewinnquoten allerdings über dem Unionsdurchschnitt. Dem Indikator der Kommission für Beschränkungen zufolge ist der belgische Regulierungsrahmen für Buchhalter, Steuerberater, Architekten und Immobilienmakler wesentlich restriktiver als im Unionsdurchschnitt. Mit einem jüngst verabschiedeten Gesetz wurden strengere Anforderungen für Patentanwälte eingeführt. Schätzungen des Föderalen Planungsbüros zufolge dürfte eine ehrgeizige Verringerung des Regelungsaufwands bei Rechts-, Rechnungsführungs- und Architekturdienstleistungen die Arbeitsproduktivität steigern. Die regulierten Notargebühren für Immobilientransaktionen sind erheblich und kommen zu den hohen Registrierungssteuern hinzu. Die Regionen haben die Handwerks- und Gewerbeberufe ungleich reformiert. Der Einzelhandelssektor unterliegt immer noch Beschränkungen, die seine Produktivität hemmen und Investitionen behindern. Der Wettbewerb im Supermarkt-Sektor ist suboptimal, was vor allem eine Folge der hohen Konzentration und der geringen Markteintritts- und -austrittsdynamik ist. Dem Indikator für Beschränkungen im Einzelhandel zufolge liegt Belgien hinsichtlich der Beschränkungen im Betriebsumfeld des Einzelhandels auf dem sechstuntersten Platz. Im nationalen Reformprogramm 2019 wird auf die jüngsten Reformen in der Region Brüssel-Hauptstadt zur Erleichterung der Niederlassung des Einzelhandels hingewiesen. Der Telekom-Markt ist durch ein hohes Konzentrationsniveau (das durch die jüngsten Übernahmen verstärkt wurde) und einen schwachen Wettbewerb gekennzeichnet. Diese Situation spiegelt sich auch in den relativ hohen Preisen für Festnetz-Dienstleistungen im Vergleich zu ähnlichen Ländern wider. Im Festnetzsektor wird das Angebot durch geografisch abgegrenzte Duopole der etablierten Betreiber und Kabelnetzbetreiber bestimmt. Dadurch können einige Betreiber daran gehindert werden, kombinierte Festnetz-Mobilfunk-Kommunikationsdienstleistungen anzubieten. Im nationalen Reformprogramm 2019 wird darauf verwiesen, dass das Wirtschaftsrecht vor Kurzem reformiert wurde, um die Einhaltung des Wettbewerbsrechts und die Funktionsweise der belgischen Wettbewerbsbehörde zu verbessern. Dies soll effizientere Verfahren gewährleisten und das Risiko weiterer Rechtsstreitigkeiten vor dem „Cour des Marchés/Marktenhof“ verringern. Im Vergleich zu den Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten verfügt die belgische Wettbewerbsbehörde über begrenzte Ressourcen.

(22)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, zu schließen. Dies würde es Belgien ermöglichen‚ diese Fonds unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen.

(23)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Belgiens umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Belgien gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Belgien berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(24)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (8) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider —

EMPFIEHLT, dass Belgien 2019 und 2020

1.   

sicherstellt, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 1,6 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht; unerwartete Mehreinnahmen nutzt, um den Abbau der gesamtstaatlichen Schuldenquote zu beschleunigen; die Reformen im Hinblick auf die Gewährleistung der finanziellen Tragfähigkeit des Langzeitpflege- sowie des Altersvorsorgesystems fortsetzt, und zu diesem Zweck unter anderem auch die Möglichkeiten für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben begrenzt; die Zusammensetzung und die Effizienz der öffentlichen Ausgaben, insbesondere durch Ausgabenüberprüfungen sowie die Koordinierung der Haushaltspolitik auf allen Regierungsebenen verbessert, um höhere öffentliche Investitionen zu ermöglichen;

2.   

negative Arbeitsanreize beseitigt und die Wirksamkeit der aktivierenden Arbeitsmarktmaßnahmen erhöht, insbesondere in Bezug auf Geringqualifizierte, ältere Arbeitskräfte sowie Personen mit Migrationshintergrund; Leistungen und Inklusion im Bildungs- und Weiterbildungssystem verbessert sowie das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage angeht;

3.   

den Schwerpunkt seiner investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede auf nachhaltigen Verkehr, einschließlich des Ausbaus der schienenseitigen Infrastruktur, auf einen geringen CO2-Ausstoß und eine Energiewende sowie auf Forschung und Innovation und insbesondere Digitalisierung legt; die wachsenden Herausforderungen im Bereich der Mobilität angeht, indem Anreize verstärkt und Hindernisse abgebaut werden, um Angebot und Nachfrage im öffentlichen und emissionsarmen Verkehr zu erhöhen;

4.   

den Regelungs- und Verwaltungsaufwand verringert, um die Unternehmertätigkeit zu fördern und Wettbewerbshindernisse im Dienstleistungssektor, insbesondere im Telekommunikationssektor, im Einzelhandel und bei den freiberuflichen Dienstleistungen, zu beseitigen.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 1.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(8)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


EMPFEHLUNGEN

5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/8


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Bulgariens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Bulgariens 2019

(2019/C 301/02)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Bulgarien als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei.

(2)

Der Länderbericht 2019 für Bulgarien wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Bulgariens bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (3), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Die Kommission gelangte aufgrund ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Bulgarien makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Schwachstellen im Finanzsektor gehen insbesondere mit einer hohen Verschuldung und notleidenden Krediten im Unternehmenssektor einher. Auch wenn es bei der Beseitigung der Ursachen der Ungleichgewichte Fortschritte gibt, kommt es ganz entscheidend darauf an, dass die jüngsten Reformen der Aufsicht und Steuerung im Banken- und Nichtbankenfinanzsektor vollständig umgesetzt und überwacht werden.

(3)

Am 24. April 2019 übermittelte Bulgarien sein nationales Reformprogramm 2019 und sein Konvergenzprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(4)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies für die Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(5)

Bulgarien befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Konvergenzprogramm 2019 veranschlagt die Regierung für 2018 einen Überschusssaldo von 2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), für 2019 ein Defizit von 0,3 % des BIP sowie für 2020, 2021 und 2022 Überschüsse von 0,4 %, 0,2 % bzw. 0,1 % des BIP. Ausgehend vom neu berechneten strukturellen Saldo (5) wird das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 1 % des BIP — im gesamten Programmzeitraum auch weiterhin übertroffen. Nach dem Konvergenzprogramm 2019 wird die gesamtstaatliche Schuldenquote von 22,6 % des BIP im Jahr 2018 voraussichtlich schrittweise auf 16,7 % im Jahr 2022 zurückgehen. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Nach der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission wird voraussichtlich 2019 ein struktureller Überschuss von 0,7 % des BIP und 2020 ein struktureller Überschuss von 0,6 % des BIP erzielt — damit würde das mittelfristige Haushaltsziel übertroffen. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass Bulgarien die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 einhalten dürfte.

(6)

Hinsichtlich Steuereinnahmen und Steuerehrlichkeit sind Verbesserungen zu verzeichnen, und es wurden einige Initiativen ergriffen. Die Steuererhebung scheint sich jedoch nicht überall im selben Tempo zu verbessern. Dies gilt insbesondere für beschäftigungsbezogene Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sowie für bestimmte Kategorien von Verbrauchsteuern. Es gibt zudem Belege dafür, dass die nicht angemeldete Erwerbstätigkeit und der illegale Handel mit Kraftstoffen nach wie vor eine Herausforderung darstellen. Um die noch immer umfangreiche Schattenwirtschaft weiter einzudämmen, ist es unbedingt erforderlich, dass die Bemühungen um eine Verbesserung der Steuererhebung fortgesetzt und dass zusätzliche gezielte Maßnahmen zur Bewältigung der Herausforderungen in bestimmten Bereichen des Steuersystems ergriffen werden.

(7)

Die Regierung hat Schritte unternommen, um die Wirksamkeit der öffentlichen Ausgaben zu verbessern. Die Weltbank hat eine Ausgabenüberprüfung vorgenommen, die eine Reihe öffentlicher Einrichtungen (Ministerien und Gemeinden) erfasste, zwei Pilotstudien — eine bezüglich Polizei und Brandbekämpfung und eine bezüglich Abfallbewirtschaftung — durchgeführt sowie ein Handbuch für künftige Überprüfungen durch die Regierung bereitgestellt. Im Rahmen der mittelfristigen Haushaltsstrategie 2018 führte die Regierung eine Reihe von Leistungsindikatoren ein, um die Auswirkungen der Ausgaben in den verschiedenen Politikbereichen im Laufe der Zeit zu bewerten sowie die Bewertung und Planung des Haushalts zu erleichtern. Durch Folgemaßnahmen zu diesen Initiativen sollen Qualität, Effizienz und Transparenz der öffentlichen Ausgaben und somit die Quantität und Qualität der öffentlichen Güter gesteigert werden.

(8)

Staatseigene Unternehmen leiden unter einer schwachen Corporate Governance, was sich auch in hohem Maße in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widerspiegelt. Zurzeit wird in Zusammenarbeit mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und mit Unterstützung des Dienstes der Kommission zur Unterstützung von Strukturreformen eine Reform des Rechtsrahmens für die Corporate Governance staatseigener Unternehmen durchgeführt. Mit der Reform sollen die derzeitigen Schwächen behoben werden, indem die nationalen Rechtsvorschriften an die OECD-Leitsätze zu Corporate Governance in staatseigenen Unternehmen angeglichen werden. Die Annahme und wirksame Umsetzung des Rahmens wird die Kontinuität gewährleisten und für den Erfolg der Reform entscheidend sein.

(9)

In einem günstigen wirtschaftlichen Umfeld haben sich die Eigenkapital- und Liquiditätsquoten der Banken im Durchschnitt verbessert. Parallel dazu ging der Anteil notleidender Kredite nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften zurück, bleibt aber nach wie vor hoch. Der Sekundärmarkt für notleidende Kredite ist dynamischer geworden. Am 30. Mai 2019 fasste die BNB einen Beschluss zur Umsetzung der EBA-Leitlinien über das Management notleidender und gestundeter Risikopositionen. Die im Zuge der Überprüfungen des Finanzsektors ergriffenen Folgemaßnahmen haben den Bankensektor gestärkt, doch gibt es nach wie vor einige Schwachstellen. Neue Regulierungsinitiativen im Jahr 2018 umfassten die Vorschriften für Großkredite und die Ermittlung verbundener Kunden, eine Erhöhung der Quote des antizyklischen Kapitalpuffers und die Einführung makroprudenzieller Instrumente für kreditnehmerbasierte Maßnahmen. Die Weiterverfolgung von Gesetzesinitiativen in Bezug auf Risikopositionen nahestehender Unternehmen, eine nachhaltige Aufsicht zur Begrenzung von Krediten an verbundene Parteien und die Ahndung von Verstößen gegen die Bestimmungen über Sicherheiten sind für die Förderung seriöser Geschäftspraktiken von entscheidender Bedeutung. Eine weitere laufende Maßnahme besteht in der Stärkung des Rahmens für die Bankenabwicklung, was zur Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors beitragen wird.

(10)

Der Abschluss der Reform des Insolvenzrechts könnte dazu beitragen, die hohe Verschuldung des privaten Sektors und den nach wie vor hohen Anteil notleidender Kredite zu verringern. Einige fehlende Elemente schränken die Effizienz und Wirksamkeit des Insolvenzrahmens ein, was zu langsamen und kostspieligen Insolvenzverfahren geführt hat. Gleichzeitig verhindert das Fehlen geeigneter Überwachungsinstrumente eine ordnungsgemäße Analyse der derzeitigen und neuen Vorinsolvenz- und Insolvenzverfahren sowie die Ermittlung konkreter Engpässe oder Schwachstellen. Im Oktober 2018 ersuchte Bulgarien den Dienst der Kommission zur Unterstützung von Strukturreformen um Unterstützung bei der Reform des Insolvenzrahmens. Im Rahmen dieses Projekts werden Lücken im Insolvenzrahmen ermittelt und ein Fahrplan für deren Schließung erstellt. Es ist wichtig, die Reformdynamik aufrechtzuerhalten und den künftigen Fahrplan umzusetzen.

(11)

Bulgarien hat im Jahr 2018 und auch noch im Mai 2019 Gesetzesänderungen verabschiedet und arbeitet auf eine vollständige Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates (6) (vierte Richtlinie zur Bekämpfung der Geldwäsche) hin. Es ist auf eine wirksame Umsetzung dieser Maßnahmen zu achten. Die Behörden haben die nationale Risikobewertung, die für die Festlegung angemessener nationaler Strategien zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung von zentraler Bedeutung ist, noch nicht abgeschlossen und gemeldet. Des Weiteren deuten die jüngsten Entwicklungen im Bankensektor darauf hin, dass die nationale Aufsicht über internationale Finanztransaktionen verbessert und die wirksame Durchsetzung des Rahmens zur Bekämpfung der Geldwäsche (anti-money-laundering = AML) sichergestellt werden müssen. Das Risiko von Korruption muss stärker angegangen werden, da es sich hierbei um eine Vortat zur Geldwäsche handelt. Die bulgarischen Behörden müssen konkrete Ergebnisse vorweisen und eine Erfolgsbilanz aufbauen, die durch endgültige Entscheidungen in Fällen von Korruption auf hoher Ebene belegt wird. Finanzermittlungen und die Erstellung von Finanzprofilen finden nur in begrenztem Umfang statt.

(12)

Die Aufsicht über den Nichtbankenfinanzsektor wird derzeit reformiert. Die Kommission für Finanzaufsicht hat im September 2017 in Zusammenarbeit mit der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung einen Aktionsplan zur Reform der Finanzaufsicht über den Nichtbankenfinanzsektor angenommen. Die vollständige und fristgerechte Umsetzung und Durchsetzung des noch laufenden Aktionsplans wird zu einer angemessenen Aufsicht über den Nichtbankenfinanzsektor beitragen. Es gab Änderungen des Sekundärrechts, mit denen die Bewertungsvorschriften und deren Anwendung verbessert werden sollen. Ihre wirksame Umsetzung und Durchsetzung würde die verbleibenden Bewertungsfragen beantworten, die sich in der Vergangenheit gestellt haben. Schließlich stellt die Gruppenaufsicht nach wie vor eine Herausforderung dar, was die Gewährleistung einer angemessenen risikobasierten Versicherungsaufsicht anbelangt.

(13)

Der Kfz-Versicherungssektor weist einige Schwachstellen auf. Klar umrissene Regeln für die Erstattung würden einen stärker harmonisierten Ansatz der Richter bei der Entscheidung über Einzelfälle erleichtern. Längerfristig würde eine solche Methodik dazu beitragen, die Kosten, die Volatilität und das versicherungstechnische Risiko bei der Kfz-Haftpflichtversicherung zu senken. Die Nachhaltigkeit des Sektors würde auch von einer besseren Preisgestaltung profitieren, die der Fahrhistorie der Kunden Rechnung trägt. Die Kommission für Finanzaufsicht hat ein Bonus-Malus-System vorgeschlagen, das derzeit Gegenstand einer breiten öffentlichen Debatte ist. Schließlich hat die Liquidität des „Grüne-Karte-Büros“ erhebliche Bedenken hervorgerufen, vor allem wegen der Nichtbezahlung von Forderungen durch einen bulgarischen Versicherer. Die strikte Einhaltung der Pflichten seitens aller Mitglieder ist von entscheidender Bedeutung für die Glaubwürdigkeit und Effizienz des Systems.

(14)

Die Infrastruktur leidet unter großen Investitionslücken. Umfang und Qualität der Verkehrsinfrastruktur haben sich zwar verbessert, doch sie bleiben weiter unter dem Unionsdurchschnitt. Das transeuropäische Verkehrsnetz in Bulgarien ist nach wie vor unvollständig. Ferner haben die Treibhausgasemissionen durch den Straßenverkehr in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen. Die Schienen- und Straßenabschnitte sowie die jeweiligen europäischen Eisenbahnverkehrsleitsysteme und intelligenten Verkehrssysteme müssen weiter ausgebaut werden. Bulgarien hat niedrige Anschluss- und Behandlungsraten für kommunales Abwasser, hohe Luftverschmutzungswerte und Deponiequoten für Siedlungsabfälle sowie eine Recyclingquote, die deutlich unter dem Unionsdurchschnitt liegt. Investitionen zur Förderung einer nachhaltigen Wasserbewirtschaftung, einer effizienten Ressourcennutzung und des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft sind erforderlich. Darüber hinaus besteht erheblicher Investitionsbedarf in den Bereichen Energie sowie Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Die hohe Energieintensität der Wirtschaft und die langsamen Fortschritte hinsichtlich der Erreichung der Energieeffizienzziele, insbesondere im Gebäudesektor, bremsen die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Land. Daher müssen die Anstrengungen verstärkt werden, um zu gewährleisten, dass durch gezielte Investitionen in den Bereichen Industrie, Verkehr und Gebäude erhebliche Energieeinsparungen erzielt werden. Verstärkte Investitionen in die Infrastruktur für saubere Energie (z. B. saubere, kohlenstoffarme Stromerzeugung, Verbundnetze und intelligente Netze) im Einklang mit den von Bulgarien in seinem Entwurf des nationalen Klima- und Energieplans festgelegten Prioritäten würden weiter dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft insgesamt und die Lebensqualität der Menschen zu verbessern.

(15)

Trotz einer Aufstockung des öffentlichen Forschungshaushalts im Jahr 2018 sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor nach wie vor sehr niedrig. Private FuE-Investitionen werden überwiegend von großen multinationalen Unternehmen getätigt und konzentrieren sich auf die Hauptstadtregion. Die schleppende Umsetzung von Reformen und die starke Zersplitterung des Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationssystems verhindern, dass FuE-Investitionen mehr zu Produktivität und Wachstum beitragen. Ein Großteil der Hochschulen und Forschungseinrichtungen schneidet nach wie vor schlecht ab, wenn es um wissenschaftliche Forschung auf hohem Niveau geht. Die Verbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sind weiterhin sehr schwach, und die Verfügbarkeit von Humankapital im FuE-System gibt Anlass zu großer Sorge. Cluster und ihr Potenzial in Bulgarien sind unterentwickelt, da sie oft nicht über eine kritische Masse verfügen. Weitere Reformen, in Verbindung mit einer effizienten Governance und wirksameren öffentlichen Investitionen, können die Auswirkungen auf die Produktivität maximieren und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft verbessern. Außerdem ist es für die Produktivität des Landes unbedingt notwendig, dass die Unternehmen stärker digitalisiert und dass neue Geschäftsmodelle eingeführt werden.

(16)

Die Reform der öffentlichen Verwaltung und der elektronischen Behördendienste verläuft nach wie vor schleppend und führt zu unzureichenden Verbesserungen, während die Rahmenbedingungen für Unternehmen weiterhin schlecht sind. Zwar wurden mehrere Reformmaßnahmen verabschiedet, doch ihre praktische Umsetzung hat sich verzögert. Institutionelle Mängel, Rechtsunsicherheit, Korruption und ein unzureichendes Arbeitskräfteangebot zählen nach wie vor zu den größten Investitionshindernissen. Im öffentlichen Sektor wären im Hinblick auf die Governance mehr Transparenz, klarere Regeln und eine langfristige Perspektive förderlich. Auch im Bereich Produktprüfung und -sicherheit gibt es Mängel aufgrund begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen. Wenngleich die überwiegende Mehrzahl der in der nationalen Strategie für das Auftragswesen vorgesehenen Maßnahmen angenommen wurde, erfordert ihre Umsetzung doch eine kontinuierliche Überwachung, Kontrolle und Bewertung. Die häufige Anwendung der Direktvergabe und die hohe Zahl an Ausschreibungen, für die nur ein einziges Angebot eingeht, bedrohen die Transparenz und Wirksamkeit des Systems. Die Verwaltungskapazität des öffentlichen Auftragswesens stellt eine ständige Herausforderung dar, ebenso wie die Professionalisierung der öffentlichen Auftraggeber und Sammelbeschaffungen. Die erhebliche Verzögerung bei der Einführung des elektronischen Vergabeverfahrens verhindert eine weitere Verbesserung der Transparenz und Effizienz der öffentlichen Auftragsvergabe.

(17)

Die Arbeitsmarktlage hat sich verbessert, es gibt jedoch nach wie vor Schwachstellen. Die Beschäftigungsquote hat den höchsten Stand seit dem Beitritt Bulgariens zur Union erreicht, und die Arbeitslosenquote liegt unter dem Unionsdurchschnitt. Trotz dieser positiven Entwicklungen haben einige Gruppen wie Geringqualifizierte, junge Menschen, Roma und Menschen mit Behinderungen nach wie vor Schwierigkeiten bei der Arbeitsuche. Es werden spezifische Maßnahmen zur Unterstützung der Langzeitarbeitslosen durchgeführt, die 2018 3 % der Erwerbsbevölkerung ausmachten. Eine Kombination aus wirksamen und nachhaltigen Outreach-Maßnahmen, aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und integrierten Arbeitsvermittlungs- und Sozialdiensten könnte die Beschäftigungsfähigkeit und Beschäftigungschancen benachteiligter Gruppen verbessern.

(18)

Der zunehmende Fachkräftemangel in Bulgarien rechtfertigt erhebliche Investitionen. Die Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen könnte gesteigert werden, wenn die Qualität und die Wirksamkeit von Praktika und Ausbildungen verbessert würden. Des Weiteren ist die Teilnahme Erwachsener an Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sehr gering. Trotz der Maßnahmen, die zur Förderung digitaler Kompetenzen ergriffen wurden, zählt das Niveau der grundlegenden digitalen Kompetenzen in Bulgarien (29 % der Personen verfügen über grundlegende digitale Kompetenzen gegenüber einem Unionsdurchschnitt von 57 %) immer noch zu den niedrigsten in der Union.

(19)

Trotz der Ratifizierung des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation über die Festsetzung von Mindestlöhnen und mehrerer Verhandlungsrunden im Jahr 2018 vertreten Arbeitgeber und Gewerkschaften nach wie vor unterschiedliche Auffassungen zu den Kriterien, die bei der Festsetzung des Mindestlohns anzuwenden sind. Ein stärkerer Konsens könnte über ein objektives und transparentes Verfahren zur Festlegung von Löhnen und Gehältern erzielt werden. Auch wenn die Beteiligung der Sozialpartner an der Gestaltung und Umsetzung politischer Maßnahmen und Reformen offenbar zugenommen hat, bedarf es weiterhin der kontinuierlichen Unterstützung eines verstärkten sozialen Dialogs.

(20)

Die Bildungsergebnisse sind nach wie vor schwach und sehr vom sozioökonomischen Status der Eltern abhängig. Dies zeigt die Herausforderungen, die sich im Hinblick auf die Qualität und Inklusivität des Systems der allgemeinen und beruflichen Bildung stellen. Bulgarien investiert nur unzureichend in die Bildung, vor allem in die Vorschul- und Grundschulbildung, also zwei Bereiche, die von entscheidender Bedeutung sind, wenn es darum geht, für Chancengleichheit vom frühen Kindesalter an zu sorgen. Die Teilnahme an einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung ist gering, insbesondere bei Roma und Kindern aus anderen benachteiligten Gruppen. Die Quote der frühzeitigen Schulabgänge ist immer noch hoch, was sich negativ auf die künftige Beschäftigungsfähigkeit und die Arbeitsmarktergebnisse auswirkt. Die Arbeitsmarktrelevanz der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie die Verfügbarkeit eines dualen Systems der Berufsbildung sind nach wie vor unzureichend. Obwohl einige Maßnahmen eingeleitet wurden, bedarf es weiterer Anstrengungen, um sicherzustellen, dass durch das Qualifikationsprofil von Hochschulabsolventen kurz- und mittelfristige Qualifikationsengpässe konsequent beseitigt werden können. Einige Maßnahmen zur Umschulung von Lehrkräften und zur Steigerung der Attraktivität des Berufs wurden eingeführt. Die Aus- und Weiterbildungsprogramme für Lehrkräfte müssen jedoch ausgebaut werden, und es bedarf weiterer Anstrengungen, um die Arbeitsbedingungen des Bildungspersonals zu verbessern.

(21)

In Bulgarien besteht nach wie vor eine große Einkommensungleichheit und ein hohes Risiko der Armut oder sozialen Ausgrenzung. Die Quote der Armut oder sozialen Ausgrenzung ging 2018 zwar zurück, lag aber mit 32,8 % immer noch deutlich über dem Unionsdurchschnitt. Das System der sozialen Sicherheit erfasst nicht alle Erwerbstätigen, und das unzureichende Sozialschutzsystem kann die erheblichen sozialen Probleme nicht bewältigen. Dies zeigt sich an dem niedrigen Niveau der Sozialausgaben, der ungleichen Verfügbarkeit sozialer Dienste im gesamten Hoheitsgebiet und den begrenzten Umverteilungseffekten des Steuersystems. 2018 überstieg das Einkommen der reichsten 20 % der Bevölkerung das Einkommen der ärmsten 20 % um das 7,7-Fache; dies ist immer noch einer der höchsten Werte in der Union. Trotz einiger Maßnahmen bleiben die Angemessenheit und der Deckungsgrad des Mindesteinkommens begrenzt, und es mangelt nach wie vor an einem objektiven Mechanismus für die regelmäßige Aktualisierung. Soziale Dienste werden durch schlechte Qualität und das Fehlen eines integrierten Ansatzes zur aktiven Inklusion behindert. Die Unterschiede beim Zugang zu sozialen Diensten, Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege bestehen fort. Dies beeinträchtigt die Fähigkeit dieser Dienste, die schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen wie Roma, Kinder, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Menschen, die in ländlichen Gebieten leben, umfassend zu unterstützen. Ein Teil der Bevölkerung hat Schwierigkeiten beim Zugang zu bezahlbarem Wohnraum. Daher sind weitere Anstrengungen erforderlich, um die aktive Inklusion zu fördern, die sozioökonomische Integration schutzbedürftiger Gruppen, einschließlich der Roma, voranzubringen, den Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen zu verbessern und die materielle Deprivation zu bekämpfen.

(22)

Das Gesundheitswesen ist nach wie vor durch geringe öffentliche Ausgaben gekennzeichnet. Aufgrund einer ungleichen Verteilung der begrenzten Ressourcen und eines geringen Krankenversicherungsschutzes haben die Menschen in Bulgarien nur begrenzten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die Eigenleistungen sind beträchtlich, da sie das niedrige Niveau der öffentlichen Ausgaben ausgleichen müssen. Die geringe Verfügbarkeit von Allgemeinärzten beeinträchtigt die Primärversorgung. Es besteht ein erheblicher Mangel an Krankenpflegekräften; die einschlägige Pro-Kopf-Zahl zählt zu den niedrigsten in der Union. Eine raschere und wirksamere Umsetzung der nationalen Gesundheitsstrategie würde dazu beitragen, diese Schwächen zu beheben.

(23)

Im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens verfolgt die Kommission weiterhin die Justizreform sowie die Bekämpfung der Korruption und des organisierten Verbrechens in Bulgarien. Daher sind diese Bereiche nicht Gegenstand der länderspezifischen Empfehlungen für Bulgarien, obwohl sie für die Entwicklung eines positiven Unternehmensumfelds in dem Land maßgeblich sind. Im Bericht vom November 2018 über das Kooperations- und Kontrollverfahren wurde festgestellt, dass Bulgarien seine Reformbemühungen im Justizbereich und seine Anstrengungen zur Behebung von Mängeln bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität fortgesetzt hat, jedoch in einer Reihe von Bereichen weitere Anstrengungen erforderlich sind. Die Kommission wird die Fortschritte voraussichtlich im Frühherbst 2019 erneut bewerten.

(24)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, zu schließen. Dies würde es Bulgarien ermöglichen, diese Fonds unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen. Der Ausbau der Verwaltungskapazität des Landes für die Verwaltung dieser Fonds ist wichtig für den Erfolg dieser Investitionen.

(25)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Bulgariens umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Konvergenzprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Bulgarien gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Bulgarien berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(26)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Konvergenzprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt (7), dass Bulgarien den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird.

(27)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Konvergenzprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in der nachstehenden Empfehlung 2 wider —

EMPFIEHLT, dass Bulgarien 2019 und 2020

1.   

die Steuererhebung durch gezielte Maßnahmen in Bereichen wie der Besteuerung von Kraftstoffen und von Arbeit verbessert; die Corporate Governance staatseigener Unternehmen durch den Erlass und die Inkraftsetzung der künftigen Rechtsvorschriften verbessert;

2.   

die Stabilität des Bankensektors durch eine verstärkte Aufsicht gewährleistet, eine angemessene Bewertung von Vermögenswerten, einschließlich Banksicherheiten, fördert und die Schaffung eines funktionierenden Sekundärmarkts für notleidende Kredite unterstützt; eine wirksame Überwachung und die Durchsetzung des AML-Rahmens sicherstellt; den Nichtbankenfinanzsektor durch die wirksame Durchsetzung der risikobasierten Aufsicht, die vor kurzem angenommenen Bewertungsleitlinien und die Gruppenaufsicht stärkt; den künftigen Fahrplan zur Schließung der im Insolvenzrahmen ermittelten Lücken umsetzt; die Stabilität des Kfz-Versicherungssektors durch die Bewältigung der Herausforderungen des Marktes und die Beseitigung verbleibender struktureller Schwächen fördert;

3.   

den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf Forschung und Innovation, Verkehr — insbesondere dessen Nachhaltigkeit —, die Wasser-, Abfallbewirtschaftungs- und Energieinfrastruktur sowie Energieeffizienz legt und dabei regionalen Unterschieden Rechnung trägt und das Unternehmensumfeld verbessert;

4.   

die Beschäftigungsfähigkeit durch den Aufbau von Kompetenzen, einschließlich digitaler Kompetenzen, steigert; die Qualität, Arbeitsmarktrelevanz und Inklusivität der allgemeinen und beruflichen Bildung verbessert, insbesondere für Roma und andere benachteiligte Gruppen; die soziale Inklusion durch einen besseren Zugang zu integrierten Beschäftigungs- und Sozialdiensten sowie eine wirksamere Mindesteinkommensunterstützung fördert; den Zugang zu Gesundheitsdiensten verbessert, indem es unter anderem die Eigenleistungen verringert und den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen angeht.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 7.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(5)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(6)  Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (ABl. L 141 vom 5.6.2015, S. 73).

(7)  Gemäß Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/15


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Tschechiens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Tschechiens 2019

(2019/C 301/03)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Tschechien nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei.

(2)

Der Länderbericht 2019 für Tschechien wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Tschechiens bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (3), bei der Umsetzung der Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen von Europa 2020 bewertet.

(3)

Am 30. April 2019 übermittelte Tschechien sein nationales Reformprogramm 2019 und sein Konvergenzprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(4)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies für die Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Verknüpfung der Wirksamkeit der europäischen Struktur- und Investitionsfonds mit der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(5)

Tschechien befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Konvergenzprogramm 2019 geht die tschechische Regierung davon aus, dass man sich von einem Haushaltsüberschuss von 0,3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2019 zu einem Defizit von 0,2 % im Jahr 2020 bewegen und dann voraussichtlich schrittweise auf ein Defizit von 0,5 % bis 2022 zurückfallen wird. Ausgehend vom neu berechneten strukturellen Saldo (5) wird das mittelfristige Haushaltsziel, das von einem strukturellen Defizit von 1 % im Jahr 2019 zu einem strukturellen Defizit von 0,75 % des BIP ab dem Jahr 2020 geändert wurde, im gesamten Programmzeitraum weiterhin übertroffen werden. Nach dem Konvergenzprogramm 2019 wird die gesamtstaatliche Schuldenquote voraussichtlich bis 2022 schrittweise auf 29,7 % des BIP zurückgehen. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Die Risiken für die Erreichung der Haushaltsziele scheinen sich im Großen und Ganzen die Waage zu halten: Es wird mit einem weiteren Anstieg der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst und der sozialen Transferleistungen bei einem leichten Rückgang der Gesamteinnahmen im Verhältnis zum BIP gerechnet. Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission dürfte der strukturelle Saldo auf etwa - 0,1 % des BIP im Jahr 2019 und auf - 0,4 % des BIP im Jahr 2020 zurückgehen, womit das mittelfristige Haushaltsziel erneut übertroffen würde. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass Tschechien die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 einhalten dürfte.

(6)

Was die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen anbelangt, besteht in Tschechien ein mittleres Risiko, hauptsächlich aufgrund der mit der Alterung der Bevölkerung zusammenhängenden Kosten. Die Rentenausgaben, die bis 2070 um etwa 2 BIP-Prozentpunkte steigen sollen, sind der Hauptfaktor, der sich negativ auf die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen auswirkt. Die Risiken im Hinblick auf die langfristige Tragfähigkeit sind auf eine ungünstige demografische Entwicklung sowie auf die Deckelung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 65 Jahre zurückzuführen. Folglich wird sich der Altersabhängigkeitsquotient — Maßzahl für das Verhältnis älterer Menschen zur Erwerbsbevölkerung — nahezu verdoppeln und im Jahr 2070 etwa 50 % betragen. Durch jüngste Maßnahmen wurde die Angemessenheit der Renten verbessert. Neben einer großzügigeren Indexierung der Rentenleistungen hat die Regierung den Grundrentenbetrag erhöht und die Renten älterer Ruhegeldempfänger aufgestockt. Indes werden diese Schritte nicht von politischen Maßnahmen begleitet, die die Tragfähigkeit verbessern würden. So erfolgt etwa die Koppelung des gesetzlichen Renteneintrittsalters an die gestiegene Lebenserwartung nicht automatisch. Derzeit muss jede Änderung des Rentenalters (gesetzliches Renteneintrittsalter und Vorruhestand) von der Regierung vorgeschlagen und vom Parlament gebilligt werden. Solche Maßnahmen können auch durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen flankiert werden, die eine längere Berufstätigkeit und die Erwerbsbeteiligung unterrepräsentierter Gruppen fördern. Der projizierte Anstieg alterungsbedingter öffentlicher Gesundheitsausgaben beläuft sich bis 2070 auf 1,1 BIP-Prozentpunkte, was ebenfalls die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beeinträchtigt. In diesem Zusammenhang könnten eine weitere Konsolidierung des Krankenhaussektors und Investitionen in die primäre und integrierte Gesundheits- und Sozialfürsorge die Kosteneffizienz des Gesundheitssystems verbessern.

(7)

Die Tschechische Nationalbank kann zwar makroprudenzielle Obergrenzen für Hypothekendarlehen mit Empfehlungscharakter festlegen, verfügt jedoch nach den geltenden Rechtsvorschriften nur über begrenzte Sanktionsbefugnisse, da sie formal nicht berechtigt ist, diese Obergrenzen durchzusetzen. Generell halten sich die tschechischen Banken an die Empfehlungen; allerdings würden rechtsverbindliche Obergrenzen wahrscheinlich bewirken, dass sich die tschechischen Banken und sonstigen Hypothekenkreditanbieter stärker daran halten, was die finanzielle Stabilität gewährleisten und die Risiken für die Kreditnehmer verringern würde. Ein Gesetzesvorschlag zur Änderung des tschechischen Zentralbankgesetzes wird derzeit erörtert.

(8)

Trotz leichter Verbesserungen bereitet die Korruption den Unternehmen nach wie vor Sorge und kann die Wirtschaftstätigkeit behindern. Positiv zu vermerken ist, dass die im Jahr 2017 eingeleiteten Reformen, die unter anderem die Vergabe öffentlicher Aufträge betreffen, derzeit umgesetzt werden und einige noch ausstehende Maßnahmen mittlerweile von der Regierung angenommen und dem Parlament zur weiteren Erörterung übermittelt wurden. Dazu gehören Vorschläge, die die Ausweitung der Zuständigkeit des Obersten Rechnungshofs auf die Regionen und Gemeinden vorsehen bzw. Ernennungen in staatlichen Unternehmen betreffen — ein Bereich, in dem es zu Interessenkonflikten kommen kann und in dem mithin eine Regulierung von wesentlicher Bedeutung ist. Die Vorschläge zum Schutz von Hinweisgebern und zur Lobbyarbeit wurden jedoch noch nicht angenommen.

(9)

Der tschechische Arbeitsmarkt entwickelt sich sehr gut. Die Beschäftigung hat in den vergangenen sieben Jahren stetig zu- und die Arbeitslosigkeit stark abgenommen. Dennoch wird das Arbeitsmarktpotenzial von Frauen mit kleinen Kindern, Geringqualifizierten und Menschen mit Behinderungen nach wie vor zu wenig genutzt. Angesichts des Arbeitskräftemangels könnten diese Gruppen eindeutig noch stärker am Arbeitsmarkt beteiligt werden. Trotz der jüngsten Maßnahmen, mit denen ein flexiblerer Elternurlaub eingeführt wurde und mehr Kinderbetreuungseinrichtungen geschaffen wurden, sind das Beschäftigungsgefälle und das geschlechtsspezifische Lohngefälle weiterhin hoch. Die Beschäftigungsquote von Frauen liegt immer noch deutlich unter der von Männern. Die geringe Verfügbarkeit erschwinglicher Kinderbetreuungseinrichtungen, der Anspruch auf langen Elternurlaub, die geringe Inanspruchnahme flexibler Arbeitsregelungen und das Fehlen von Langzeitpflegeeinrichtungen haben nach wie vor erhebliche Auswirkungen auf die Beteiligung am Arbeitsmarkt. 2017 besuchten nur 6,5 % der Kinder unter drei Jahren formale Kinderbetreuungseinrichtungen (gegenüber einem Unionsdurchschnitt von 34,2 %). Geringqualifizierte stellen zwar nur einen kleinen Teil der Bevölkerung dar, aber ihre Beschäftigungsquote liegt deutlich unter der Quote der Arbeitskräfte mit mittlerem bis hohem Qualifikationsniveau. Auch die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen ist weiterhin niedrig. Aufgrund begrenzter Kapazitäten erhalten Arbeitsuchende von den öffentlichen Arbeitsvermittlungsstellen derzeit nicht die nötige individuelle, fortlaufende Unterstützung. Ein Ausbau der Kapazitäten der öffentlichen Arbeitsvermittlungen in den Bereichen Outreach und Aktivierung würde in Verbindung mit einer wirksamen und zielgerichteten aktiven Arbeitsmarktpolitik dazu beitragen, die Erwerbsbeteiligung benachteiligter Gruppen zu erhöhen.

(10)

Arbeitskräftemangel, demografische Zwänge und eine produktionslastige Wirtschaft erfordern mehr Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung — auch für erwerbstätige Erwachsene —, damit das Land mit den strukturellen Veränderungen in der Wirtschaft, etwa mit künftigen technologischen Veränderungen, zurechtkommen kann. Insbesondere im digitalen Sektor könnte sich auch aufgrund künftiger Automatisierung und Robotisierung ein qualitatives Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage ergeben. Für die neuen Arbeitsstellen wird es neuer Kompetenzen und erheblicher Investitionen bedürfen, insbesondere in höhere berufliche und fachliche Qualifikationen sowie digitale Fertigkeiten, für die voraussichtlich im Zuge der Automatisierung mechanischer Arbeiten ein Bedarf entstehen wird. Auch wenn es in jüngster Vergangenheit mehrere Initiativen zur Einführung einer umfassenden Kompetenzstrategie gegeben hat, konnten diese bislang nicht in ein echtes umfassendes System zusammengeführt werden.

(11)

Der Bildungserfolg hängt immer noch stark vom sozioökonomischen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler ab. Eine Reform zur Schaffung eines inklusiveren Bildungswesens wurde 2016 mit Unterstützung des Europäischen Sozialfonds auf den Weg gebracht. Ihr Erfolg hängt letztlich von der Verfügbarkeit einer ausreichenden und nachhaltigen nationalen Finanzierung, weiteren Ausbildungsprogrammen für Lehrkräfte und Förderlehrkräfte und einer verstärkten Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Vorteile der inklusiven Bildung ab. Obgleich die Auswirkungen der Reform zur Schaffung eines inklusiveren Bildungswesens insgesamt als positiv zu betrachten sind, ist ihr Beitrag zur Teilnahme von Roma-Kindern an der allgemeinen Bildung nach wie vor begrenzt. Ursachen des stagnierenden Bildungsniveaus sind geringe Investitionen, die geringe Attraktivität des Lehrerberufs und sozioökonomische Unterschiede. Aufgrund des geringen Ansehens des Lehrerberufs, der im Vergleich zu anderen Berufen niedrigen Gehälter (trotz jüngster Erhöhungen) und der begrenzten Entwicklungsmöglichkeiten mangelt es an Lehrkräften. Für talentierte junge Menschen bleibt der Lehrerberuf vergleichsweise unattraktiv. Der Mangel an qualifizierten Lehrkräften — gepaart mit ungünstigen demografischen Prognosen — deutet darauf hin, dass es schwieriger werden könnte, Lehrkräfte einzustellen und zu halten.

(12)

Obwohl Tschechien ein Transitland ist, ist der vollständige Ausbau der europäischen Verkehrsnetze, einschließlich der TEN-V-Korridore, noch lange nicht abgeschlossen. Auch die Nahverkehrsinfrastruktur ist weiterhin unzureichend, weshalb weniger bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht und die Menschen weniger leicht zur Arbeit pendeln können. Unzureichende Verkehrsverbindungen wirken sich auch negativ auf die Wirtschaftstätigkeit aus, insbesondere in abgelegenen Regionen. In den Metropolregionen ist ein Prozess der Suburbanisierung im Gange, jedoch kann die Nahverkehrsinfrastruktur — insbesondere die Eisenbahninfrastruktur — mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten. Das Land zeigt schwache Leistungen bei der Dekarbonisierung, insbesondere im Hinblick auf den Anteil erneuerbarer Energie im Verkehrssektor und den Einsatz von Elektrofahrzeugen. Ferner könnte sich herausstellen, dass der vorgesehene Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge nicht ausreicht, um den künftigen Bedarf zu decken. Mehr Investitionen in eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur könnten auch zu einer Verringerung der Luftverschmutzung und Lärmbelastung beitragen und die entsprechenden Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit, insbesondere in städtischen Gebieten, mildern. Bei der digitalen Infrastruktur gibt es Verbesserungen, wenngleich die Kluft zwischen städtischen und ländlichen Gebieten fortbesteht, da nur 59 % der Haushalte in ländlichen Gebieten über schnelle Breitbandnetze verfügen. Die Modernisierung der älteren Kupferkabelinfrastruktur und Lösungen mit drahtlosem Festnetzzugang werden nicht ausreichen, um die Konnektivitätsziele bis 2025 zu erreichen. Um den künftigen Konnektivitätsbedarf zu decken, sind Investitionen in Netze mit sehr hoher Kapazität (d. h. Glasfasernetze) und geeignete nachfrageseitige Maßnahmen erforderlich.

(13)

Die Energieintensität der tschechischen Wirtschaft ist immer noch eine der höchsten in der Union, da sich die Energieeffizienz nur langsam verbessert, insbesondere in der Bauwirtschaft. Im Industrie- und Wohnungssektor ist die Energieintensität am höchsten. Die Verbesserung der Energieeffizienz ist auch eine Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit Tschechiens zu steigern, und zwar durch Senkung der Energiekosten für Haushalte und Unternehmen, Entwicklung weniger verschmutzender Industrien und Aufstieg in der Wertschöpfungskette. Kohle, der größte Verursacher von CO2-Emissionen, dominiert den Stromsektor und stellt eine erhebliche Bedrohung für die lokale Luftqualität dar. Die Treibhausgasemissionen des Straßenverkehrs sind in den letzten fünf Jahren stark gestiegen. Was die Anpassung an den Klimawandel und die Risikoprävention anbelangt, fehlt es an geeigneten Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Vorsorge und Katastrophenresilienz.

(14)

Administrative und regulatorische Hürden können die Investitionstätigkeit hemmen. Viele tschechische Unternehmen sehen den Verwaltungs- und Regelungsaufwand als ein großes Investitionshindernis an. Sich rasch ändernde Rechtsvorschriften und komplexe Verwaltungsverfahren behindern nach wie vor die Geschäftstätigkeit. Die Kosten für die Durchsetzung von Verträgen, häufige Änderungen der steuer- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen und Schwierigkeiten beim Erhalt von Baugenehmigungen wirken sich im Land möglicherweise investitionshemmend aus. Zudem variiert der Verwaltungsaufwand erheblich zwischen den Regionen. Jüngste Vorschläge zielen darauf ab, die Komplexität der Planungsverfahren zu verringern, insbesondere bei großen Infrastrukturprojekten. Darüber hinaus beabsichtigt die Regierung, bis 2021 unter Einbeziehung der Sozialpartner einen Entwurf für ein neues Baugesetz auszuarbeiten. Die Verantwortung für die Marktüberwachung von Produkten ist auf verschiedene Organisationen verteilt, was zu Überschneidungen führt und Probleme im Hinblick auf eine effiziente Koordinierung und wirksame Zusammenarbeit mit sich bringt.

(15)

Auch wenn im öffentlichen Auftragswesen Fortschritte in Bezug auf Transparenz und Schulungsangebot erzielt wurden, gibt es bei den einschlägigen Vergabeverfahren weiterhin Nachholbedarf in puncto Wettbewerbsfähigkeit (bei einem hohen Prozentsatz der Verfahren gibt es nur einen Bieter), Anwendung qualitativer Kriterien und Vertrauen in öffentliche Einrichtungen. Die überwiegende Mehrheit der Vergabeentscheidungen beruht weiterhin auf dem niedrigsten Preis, da die Annahme eines strategischen Ansatzes noch aussteht. Es wurde bereits mehr Gewicht auf die zentrale Auftragsvergabe und auf die Nutzung gemeinsamen Fachwissens gelegt, die praktische Umsetzung erfolgt indes relativ langsam, trotz des nachgewiesenen Potenzials dieses Ansatzes.

(16)

Tschechien verfügt noch nicht über ein uneingeschränkt funktionierendes Innovationsökosystem, das auf inländischer Forschung und Entwicklung beruht. Die Innovationsfähigkeit des Landes ist im Unionsvergleich — trotz eines Anstiegs der Forschungs- und Entwicklungsintensität — nach wie vor mäßig. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass es bei öffentlichen Investitionen an einer kohärenten Strategie zur Verbesserung der bescheidenen Forschungsleistungen und zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen dem privaten Sektor und der Wissenschaft fehlt. Produktivitätsgewinne werden vor allem von großen ausländischen Unternehmen generiert, während inländische Unternehmen bei der Wertschöpfung zurückbleiben. Darüber hinaus hat sich die totale Faktorproduktivität — ein Indikator dafür, wie effizient Kapital und Arbeit in der Produktion eingesetzt werden — relativ langsam entwickelt. Eine verstärkte Konzentration auf inländische Innovationen könnte die Produktivität in der Wirtschaft insgesamt, auch in kleinen und mittleren Unternehmen, steigern.

(17)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, zu schließen. Dies würde es Tschechien ermöglichen, diese Fonds für die ermittelten Sektoren optimal zu nutzen und dabei den regionalen Unterschieden Rechnung zu tragen. Der Ausbau der Kapazitäten des Landes für die Verwaltung dieser Fonds ist wichtig für den Erfolg dieser Investitionen.

(18)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Tschechiens umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Konvergenzprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Tschechien gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Tschechien berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(19)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Konvergenzprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt (6), dass Tschechien den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird —

EMPFIEHLT, dass Tschechien 2019 und 2020

1.   

die langfristige finanzielle Tragfähigkeit des Renten- und Gesundheitssystems verbessert; ausstehende Anti-Korruptionsmaßnahmen annimmt;

2.   

die Beschäftigung von Frauen mit kleinen Kindern, unter anderem durch Verbesserung des Zugangs zu erschwinglicher Kinderbetreuung, und von benachteiligten Gruppen fördert; Qualität und Inklusivität der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung verbessert, auch durch die Förderung technischer und digitaler Kompetenzen und die Förderung des Ansehens des Lehrerberufs;

3.   

den Verkehr und vor allem dessen Nachhaltigkeit, die digitale Infrastruktur, den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und die Energiewende, einschließlich Energieeffizienz, unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede in den Mittelpunkt ihrer investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik stellt; den Verwaltungsaufwand für Investitionen verringert und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einen stärker auf Qualität ausgerichteten Wettbewerb fördert; die Hindernisse beseitigt, die der Entwicklung eines uneingeschränkt funktionierenden Innovationsökosystems im Wege stehen.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 12.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(5)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(6)  Gemäß Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/20


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Dänemarks 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Dänemarks 2019

(2019/C 301/04)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Dänemark nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei.

(2)

Der Länderbericht 2019 für Dänemark wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Dänemarks bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (3), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet.

(3)

Am 15. März 2019 übermittelte Dänemark sein nationales Reformprogramm 2019 und am 10. April 2019 sein Konvergenzprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(4)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies für die Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(5)

Dänemark befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Konvergenzprogramm 2019 geht die Regierung für die Jahre 2019 und 2020 von einem Gesamtdefizit von 0,1 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Ausgehend vom neu berechneten strukturellen Saldo (5) wird das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 0,5 % des BIP — im gesamten Programmzeitraum und bis 2025 auch weiterhin übertroffen. Nach dem Konvergenzprogramm 2019 wird die gesamtstaatliche Schuldenquote im Jahr 2019 auf 33,4 % sinken und 2020 konstant bleiben, bevor sie bis 2025 wieder auf 37,8 % des BIP steigt. Das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegende makroökonomische Szenario ist für den Programmzeitraum plausibel. Nach der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission wird voraussichtlich 2019 ein struktureller Überschuss von 0,9 % des BIP und 2020 ein struktureller Überschuss von 1,0 % des BIP erzielt — damit würde das mittelfristige Haushaltsziel übertroffen. Risiken bestehen in Bezug auf unerwartete Mindereinnahmen aus volatilen Posten wie der Besteuerung der Altersvorsorge. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass Dänemark die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 erfüllen dürfte.

(6)

Das dänische Forschungs- und Innovationssystem ist durch umfangreiche Investitionen, solide Humanressourcen und wissenschaftliche Exzellenz gekennzeichnet. Die Forschungs- und Innovationslandschaft in Dänemark beschränkt sich jedoch auf eine relativ kleine Zahl von Akteuren wie Großunternehmen und Stiftungen, die zu einem Großteil im Pharma- und Biotechnologiesektor tätig sind, was das Forschungs- und Innovationssystem für externe Schocks anfällig macht. Daher besteht Spielraum für Verbesserungen, die insbesondere durch Investitionen in die Expansion hochinnovativer Unternehmen erzielt werden könnten.

(7)

In Anbetracht des demografischen und technologischen Wandels ist eine der Voraussetzungen für nachhaltiges und inklusives Wachstum in Dänemark, dass das Arbeitskräfteangebot gewährleistet ist und dem Arbeitskräftemangel — insbesondere betreffend Fachkräfte und IKT-Spezialisten — entgegengewirkt wird. Reformen und Investitionen, die die Attraktivität der berufsbildenden Programme steigern und dadurch die Teilnahmequoten erhöhen, dürften sich positiv auf das Fachkräfteangebot auswirken. Kontinuierliche Investitionen in Erwachsenenbildung und lebenslanges Lernen sowie digitale Kompetenzen könnten ebenfalls zur Bewältigung dieses Problems beitragen. Zudem wäre es ratsam, für eine bessere Integration marginalisierter und benachteiligter Gruppen in den Arbeitsmarkt zu sorgen. Zu diesen Gruppen zählen insbesondere junge Menschen mit niedrigem Bildungsniveau, Menschen mit Migrationshintergrund sowie Menschen mit eingeschränkter Arbeitsfähigkeit bzw. Behinderungen. Auch die Bildungserfolge von Kindern mit Migrationshintergrund bleiben eine Herausforderung.

(8)

Trotz der guten Qualität der Straßen nimmt die Überlastung im Straßenverkehr, insbesondere im Einzugsgebiet der Großstädte, zu. Darüber hinaus müssen die Kohlendioxid-Emissionen im Verkehrssektor gesenkt werden. Zu diesem Zweck und um die Überlastung des Straßennetzes zu verringern, sind Investitionen in eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur und insbesondere der Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe angezeigt. Die scheidende Regierung hat einen Plan zur Verringerung der Verkehrsüberlastung im Einzugsgebiet der Großstädte vorgelegt. Die Annahme dieses Plans, mit dem von 2020 bis 2030 112 Mrd. DKK (fast 6 % des BIP) bereitgestellt werden sollen, steht noch aus.

(9)

Die dänische Wirtschaft gehört weiterhin zu den Volkswirtschaften in der Union mit der höchsten Produktivität, doch ist der Produktivitätszuwachs seit Jahrzehnten rückläufig. Exportunternehmen weisen ein höheres Produktivitätswachstum auf als Unternehmen, die dem Wettbewerb seitens ausländischer Unternehmen weniger ausgesetzt sind. Obwohl Dänemark Maßnahmen zur Förderung des Produktivitätswachstums von auf den Inlandsmarkt ausgerichteten Dienstleistungsunternehmen ergriffen hat, sind der Produktivitätszuwachs und der Wettbewerb in diesen Branchen immer noch nicht auf dem gewünschten Niveau. Dänemark hat Maßnahmen zur Belebung des Wettbewerbs im Finanzsektor durchgeführt und seine Strategie im Bereich der Versorgungsunternehmen weiter umgesetzt.

(10)

Nachdem die Preise für Wohnraum mehrere Jahre lang stark gestiegen sind, scheinen sie nunmehr überbewertet, insbesondere in den großen städtischen Gebieten. 2018 war der Preisanstieg schließlich geringer. Obwohl die Verschuldung der privaten Haushalte bezogen auf das verfügbare Einkommen stetig zurückgeht, zählt sie nach wie vor zu den höchsten in der Union. Der Anteil der Hypothekendarlehen mit variablen Zinssätzen und Tilgungsaufschub nimmt allmählich ab, ist aber nach wie vor hoch. Neue makroprudenzielle Maßnahmen scheinen die steigende Tendenz bei der Aufnahme von Hypothekendarlehen mit sehr hohen Schuldendienstquoten und Beleihungssätzen nun zu bremsen. Außerdem haben die dänischen Behörden in den letzten Jahren den antizyklischen Kapitalpuffer aktiviert, Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Banken ergriffen und eine (ab 2021 wirksame) Vermögensteuerreform verabschiedet, die dem derzeitigen prozyklischen Vermögensteuersystem ein Ende setzen soll. Die Kombination aus sehr hohen Schuldendienstquoten, hoher Verschuldung mit hoher Zinsempfindlichkeit sowie überbewerteten Wohnimmobilienpreisen birgt allerdings Risiken für die wirtschaftliche und finanzielle Tragfähigkeit, sodass eine fortlaufende Überwachung geboten ist.

(11)

Vor dem Hintergrund eines Geldwäscheskandals, an dem das größte Finanzinstitut Dänemarks beteiligt war, ist die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung für Dänemark zu einer Priorität geworden. Das dänische Parlament konnte politische Einigungen über eine Verstärkung der Aufsicht und über ein neues Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Geldwäsche erzielen, das eine Strategie zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung beinhaltet. Die Strategie umfasst acht Komponenten, darunter die engere Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden, der Zentralstelle für Geldwäsche-Verdachtsanzeigen und der anderen relevanten Akteure. Allerdings besteht nach wie vor Handlungsbedarf in diesen Bereichen, und die Finanzaufsicht muss zusätzliche Maßnahmen und Leitlinien für eine stärkere Überwachung beschließen. Nachdem diese Maßnahmen angenommen wurden, ist auf eine wirksame Umsetzung zu achten.

(12)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, zu schließen. Dies würde es Dänemark ermöglichen, diese Fonds unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen.

(13)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Dänemarks umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Konvergenzprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Dänemark gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Dänemark berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(14)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Konvergenzprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt (6), dass Dänemark den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird —

EMPFIEHLT, dass Dänemark 2019 und 2020

1.   

den Schwerpunkt seiner investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf Bildung und Qualifikationen sowie Forschung und Innovation legt, um eine breitere Innovationsgrundlage mit mehr Unternehmen zu schaffen, sowie auf nachhaltigen Verkehr, um die Überlastung des Straßennetzes einzudämmen;

2.   

die effektive Überwachung und Durchsetzung des Rahmens zur Geldwäschebekämpfung gewährleistet.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 16.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(5)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(6)  Gemäß Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/24


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Deutschlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Deutschlands 2019

(2019/C 301/05)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Deutschland als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Deutschland die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 1 und 2 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere Investitionsmaßnahmen und Förderung des Lohnwachstums werden zur Umsetzung der ersten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung (Abbau von Ungleichgewichten) beitragen, während die steuerliche Entlastung der Arbeit bei der Umsetzung der dritten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung (Funktionieren des Arbeitsmarkts) helfen wird.

(3)

Der Länderbericht Deutschland 2019 wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Deutschlands bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Die Kommission gelangte in ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Deutschland makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Insbesondere ist der nur langsam abnehmende Leistungsbilanzüberschuss nach wie vor auf hohem Stand und hat grenzübergreifende Auswirkungen. Bedingt durch die anziehende Binnennachfrage ging er 2018 leicht zurück und wird in den kommenden Jahren voraussichtlich auch weiterhin allmählich abnehmen, aber immer noch über der im Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten gesetzten Schwelle bleiben. Er spiegelt unter anderem die — gemessen an den Ersparnissen verhaltene — Investitionstätigkeit im privaten wie im öffentlichen Sektor wider. Dank Maßnahmen zur Förderung der privaten und öffentlichen Investitionen haben diese erheblich zugelegt. Das hat dazu beigetragen, dass das Wachstum nun in stärkerem Maße von der Binnennachfrage getragen wird Die günstigen Finanzierungsbedingungen, der Rückstand bei den öffentlichen Investitionen, insbesondere auf kommunaler Ebene, und der finanzpolitische Spielraum hätten allerdings ein kräftigeres Wachstum von Konsum und Investitionen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) erwarten lassen. Das Lohnwachstum zog aufgrund des angespannten Arbeitsmarkts geringfügig an, doch ist der Anstieg real nach wie vor bescheiden.

(4)

Am 16. April 2019 übermittelte Deutschland sein nationales Reformprogramm 2019 und am 17. April 2019 sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Bei der Programmplanung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme sowie zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Deutschland befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 plant die Bundesregierung für den Zeitraum 2019-2023 einen Haushaltsüberschuss zwischen ½ und ¾ % des BIP. Dem neuberechneten strukturellen Saldo (6) zufolge wird das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 0,5 % des BIP — im gesamten Programmzeitraum auch weiterhin übertroffen. Nach dem Stabilitätsprogramm 2019 wird erwartet, dass die gesamtstaatliche Schuldenquote 2019 unter den im Vertrag festgelegten Referenzwert von 60 % des BIP absinkt und bis 2023 allmählich auf 51¼ % des BIP zurückgeht. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist günstig. Nach der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission wird voraussichtlich 2019 ein struktureller Überschuss von 1,1 % des BIP und 2020 ein struktureller Überschuss von 0,8 % des BIP erzielt — damit würde das mittelfristige Haushaltsziel übertroffen. Der gesamtstaatliche Schuldenstand wird voraussichtlich auch weiterhin auf festem Abwärtskurs bleiben. Alles in allem ist der Rat der Auffassung, dass Deutschland die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 voraussichtlich einhält. Gleichzeitig wäre es wichtig, die Haushalts- und Strukturpolitik unter Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels dazu zu nutzen, bei den privaten und öffentlichen Investitionen vor allem auf regionaler und auf kommunaler Ebene einen anhaltenden Aufwärtstrend herbeizuführen.

(7)

Wenngleich die öffentlichen und privaten Investitionen 2018 ein robustes Wachstum verzeichneten, liegt die Investitionsquote nach wie vor unter dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets. So legten die öffentlichen Investitionen 2018 um nominal 7,7 % und real 3,8 % zu, doch sind weitere Anstrengungen erforderlich, um den hohen Investitionsrückstand aufzuholen, was insbesondere für die Investitionen in Infrastruktur und Bildung gilt. Nach einer Phase des Negativwachstums haben die öffentlichen Investitionen in den vergangenen drei Jahren real wieder zugenommen. Nominal haben die Investitionen auf kommunaler Ebene allein im Jahr 2018 um fast ein Fünftel zugenommen. Grund hierfür sind u. a. die Anstrengungen der Regierung zur Ankurbelung der Investitionen. Allerdings liegen die Investitionen auf kommunaler Ebene nach wie vor unter den Abschreibungen. Laut KfW-Kommunalpanel 2019 lag der bis 2018 aufgelaufene wahrgenommene Investitionsrückstand bei 4 % des BIP. Zusammen mit der günstigen Haushaltslage weist das darauf hin, dass auf allen Ebenen des Staates, insbesondere auf regionaler und kommunaler Ebene, Spielraum für eine Ausweitung der Investitionen vorhanden ist. Investitionen in die öffentliche Infrastruktur werden nach wie vor durch Kapazitäts- und Planungsengpässe auf kommunaler Ebene gebremst. Zu deren Überwindung sind Maßnahmen eingeleitet worden, die aber noch nicht zu dauerhaften, greifbaren Ergebnissen geführt haben. Auch bei den digitalen öffentlichen Diensten und dem öffentlichen Auftragswesen besteht Raum für Verbesserungen. Die privaten Investitionen haben sich merklich erhöht, wenngleich nicht in allen Bereichen. Bei den Ausrüstungsinvestitionen ist wegen der Kapazitätsauslastung in Rekordhöhe eine robuste Zunahme zu verzeichnen. Bei den Wohnbauinvestitionen setzt sich der Boom fort. Das Baugewerbe vermeldet inzwischen allerdings Kapazitätsengpässe und Preissteigerungen. Der Nichtwohnbau hat real nur schleppend zugelegt, was darauf hindeutet, dass wichtige Teile der Infrastruktur möglicherweise nicht mit den Anforderungen der Wirtschaft Schritt gehalten haben.

(8)

Die öffentlichen Bildungsausgaben betrugen 2017 4,1 % des BIP und blieben damit auch weiterhin hinter dem Unionsdurchschnitt (4,6 %) zurück. Von den Gesamtausgaben des Staates flossen 9,3 % in das Bildungswesen; auch dieser Wert liegt unter dem Unionsdurchschnitt von 10,2 %. Die Ausgaben für Bildung und Forschung blieben 2017 bei 9 % des BIP und lagen damit unter dem nationalen Zielwert von 10 %. Auch wenn die Bildungsausgaben real gestiegen sind, hat der hohe Investitionsrückstand aufgrund demographischer Entwicklungen weiter zugenommen. Änderungen der Rechtslage, die es der Bundesregierung ermöglichen, zusätzlich zu den von den Ländern bereitgestellten Mitteln direkt in die digitale Bildung zu investieren (Digitalpakt), sind vielversprechend, haben aber noch keine Ergebnisse gezeigt. Herausforderungen wie die wachsenden Studierendenzahlen, der Lehrkräftemangel, die Digitalisierung und der weitere Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung werden eine angemessene öffentliche Finanzierung erfordern. Zusätzliche Ausgaben für Bildung, Forschung und Innovation sind zur Steigerung des deutschen Potenzialwachstums und zur Anpassung an den technologischen Wandel von entscheidender Bedeutung.

(9)

Deutschland hat in den vergangenen Jahren Fortschritte bei der Steigerung seiner Forschungs- und Entwicklungs (FuE)-Intensität erzielt, die in erster Linie auf die Erhöhung der FuE-Ausgaben großer Unternehmen, insbesondere im Medium-High-Tech-Segment des verarbeitenden Gewerbes und hier vor allem der Automobilindustrie zurückzuführen sind. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen liegt die FuE-Intensität deutlich unter dem Unionsdurchschnitt und fällt weiter zurück. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) profitieren tendenziell seltener von der Zusammenarbeit mit öffentlichen Forschungseinrichtungen als Großunternehmen. Diese beiden Faktoren bremsen die Innovationsraten der Unternehmen, die einen langfristigen Abwärtstrend verzeichnen. Zusätzliche Investitionen in Forschung und Entwicklung sind nicht nur zur wirtschaftsweiten Erhöhung der Innovationskapazität und zur Steigerung der Produktivität von zentraler Bedeutung, sondern auch zur Erleichterung des Übergangs zu einer emissionsarmen Kreislaufwirtschaft insbesondere in den Bereichen nachhaltiger Verkehr, umweltfreundliche Energietechnologien, Öko-Innovationen und Recycling, sowie zur weiteren Steigerung der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Forschungssektors und des Beitrags, den dieser zu den genannten Zielsetzungen leistet.

(10)

Die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft kommt nur schleppend voran, und kleine und mittlere Unternehmen stellen nach wie vor nur langsam auf digitale Technologien um. Beim flächendeckenden Ausbau von Breitbandnetzen mit sehr hoher Kapazität (Gigabit-Geschwindigkeiten) kommt Deutschland insbesondere in ländlichen Gebieten, wo mehr Investitionen das Produktivitätswachstum steigern könnten, nicht wie geplant voran. Mitte 2018 verfügten nur 9 % der deutschen Haushalte über einen hochleistungsfähigen Glasfaseranschluss, während der Unionsdurchschnitt 30 % betrug. Stattdessen setzte der etablierte Anbieter als bevorzugte technische Lösung weiterhin auf den Ausbau der vorhandenen Kupferkabelnetze („Vectoring“). Auch wenn viele Dienstleistungen auf Hochgeschwindigkeitsverbindungen angewiesen sind, waren 2017 23 700 Gewerbegebiete nicht an ein Glasfasernetz und 28 % aller Unternehmen nicht an ein Netz mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von mindestens 50 Megabit/s angeschlossen. Das Fehlen schneller Verbindungen bremst die Investitionen, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen, die häufig in ländlichen und halbländlichen Gebieten angesiedelt sind. In ländlichen Gebieten hängt der Ausbau ultraschneller Breitbandinfrastrukturen (≥ 100 Mbps) nach wie vor entscheidend von Interventionen der öffentlichen Hand ab; hier könnten verschiedene, über Subventionen hinausgehende Optionen geprüft werden. Bei den digitalen öffentlichen Diensten und bei elektronischen Gesundheitsdiensten liegt Deutschland weit unter dem Unionsdurchschnitt. Nur 43 % der deutschen Internetnutzer machten 2018 von elektronischen Behördendiensten Gebrauch (gegenüber einem Unionsdurchschnitt von 64 %). Bei den elektronischen Gesundheitsdiensten haben 7 % der Deutschen auf online angebotene Behandlungs- und Versorgungsangebote zurückgegriffen (gegenüber einem Unionsdurchschnitt von 18 %). Elektronische Rezepte werden von 19 % der Allgemeinmediziner ausgestellt (gegenüber einem Unionsdurchschnitt von 50 %).

(11)

Um die Probleme bei Mobilität und Luftqualität in Angriff zu nehmen und den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel zu fördern, muss Deutschland mehr in die Verkehrsinfrastruktur und in saubere Mobilitätslösungen investieren. Die durch den Straßenverkehr verursachten Treibhausgasemissionen sind in den letzten fünf Jahren gestiegen. Die Luftqualität in Deutschland, insbesondere in städtischen Gebieten, in denen rund 60 % der schädlichen Stickoxidemissionen durch den Straßenverkehr verursacht werden, gibt Anlass zu ernsthafter Sorge. Stärker entwickelte intermodale Lösungen könnten dem Güterverkehr nutzen. Im täglichen Pendlerverkehr ist der PKW nach wie vor das mit Abstand am häufigsten genutzte Verkehrsmittel, und die Menschen verbringen im Durchschnitt rund 30 Stunden pro Jahr im Stau. Schätzungen zufolge verursachen Staus und die Suche nach Parkplätzen Kosten in Höhe von 110 Mrd. EUR jährlich, was etwa 4 % des BIP Deutschlands entspricht. Obwohl Fahrzeuge mit Alternativantrieb den höchsten Anstieg bei den Neuzulassungen verzeichnen, sind die Zahlen insgesamt noch immer niedrig. Car-Sharing und Fahrgemeinschaften werden nach wie vor viel zu wenig genutzt. Auch für neue Lieferketten für Batterien und kritische Rohstoffe wird es erheblicher öffentlicher und privater Investitionen bedürfen.

(12)

Die deutschen Stromnetze passen sich nur langsam an die Produktion aus erneuerbaren Quellen an und nach wie vor sind signifikante Investitionen in Übertragungs- und Verteilungsnetze erforderlich. Die erheblichen Verzögerungen bei der Durchführung vieler Projekte haben deutschen und europäischen Elektrizitätsnetzen und -märkten beträchtliche Kosten verursacht. So waren bis zum zweiten Quartal 2018 nur etwa 800 Kilometer der im Energieleitungsausbaugesetz von 2009 vorgesehenen 1 800 Kilometer Netzprojekte realisiert, was zu einem Teil auf Widerstände in der Öffentlichkeit zurückzuführen war. Verzögerungen beim Netzausbau werden sowohl in Deutschland als auch über die deutschen Grenzen hinweg die durch Netzüberlastung verursachten Kosten erhöhen und die Märkte zunehmend verzerren. Mit Blick auf die Erreichung der Energie- und Klimaziele sind Investitionen in Energienetze, die die Sektorkopplung, die Diversifizierung und eine angemessene Netzinfrastruktur fördern, für die Flexibilität des Energiesystems und für eine bessere Verzahnung der verschiedenen Wirtschaftsbereiche von zentraler Bedeutung.

(13)

Bezahlbarer Wohnraum hat sich in Deutschland verknappt. Seit 2015 steigen sowohl die Mieten als auch die Haus- und Wohnungspreise schneller als ihr langfristiger Durchschnitt, was insbesondere für Großstädte gilt. In der Altersgruppe der über 65-Jährigen sahen sich 2017 20 % mit übermäßig hohen Wohnkosten konfrontiert (d. h. die Wohnkosten machten insgesamt mehr als 40 % des verfügbaren Einkommens aus), gegenüber 10 % dieser Altersgruppe im restlichen Europa. In der Bevölkerungsgruppe mit dem niedrigsten Einkommen lag die Überbelastung durch Wohnkosten zehn Prozentpunkte über dem Unionsdurchschnitt von 35,3 %. Reagiert hat die Bundesregierung hierauf mit Maßnahmen wie der Mietpreisbremse, dem Baukindergeld sowie einer Grundgesetzänderung, die Bundesfinanzhilfen im sozialen Wohnungsbau ermöglicht. Dennoch bleibt die Zahl der Wohnungsneubauten erheblich hinter der Nachfrage und deutlich hinter dem von der Bundesregierung gesetzten Ziel von 375 000 Neubauten jährlich zurück. Weitere Maßnahmen wie die Beschleunigung des Baus von Sozialwohnungen, die Verbesserung der Transportmöglichkeiten sowie die Reformierung von Flächennutzung und Bauvorschriften könnten sich deshalb als notwendig erweisen.

(14)

Deutschland hat von der Integration in den Binnenmarkt besonders profitiert und spielt für dessen Weiterentwicklung eine wichtige Rolle. Bei den Unternehmensdienstleistungen sind die Wettbewerbsschranken in Deutschland allerdings im Vergleich mit anderen Mitgliedstaaten nach wie vor hoch. Das betrifft mehrere Bereiche, die auch die reglementierten Berufe einschließen, wie Architektur, Ingenieurwesen und juristische Dienstleistungen, in denen rechtliche Beschränkungen wie Exklusivitätsrechte und Preis- und Gebührenordnungen den Wettbewerb behindern. Doch auch bei den nicht reglementierten Unternehmensdienstleistungen bestehen bei den allgemeinen Rahmenbedingungen für die Ausübung der Tätigkeit zahlreichere Beschränkungen als in anderen Mitgliedstaaten. Auf erhöhten Wettbewerb gerichtete Änderungen bei der Regulierung der Unternehmensdienstleistungen würden die Effizienz und Wirksamkeit von Investitionen und Wirtschaftstätigkeit steigern.

(15)

Nach einigen Verbesserungen in den vergangenen Jahren hat es im zurückliegenden Jahr nur wenige Fortschritte dabei gegeben, durch Steuerreformen die inländischen Privatinvestitionen und das Wachstum anzukurbeln. Das Steuersystem ist nach wie vor komplex, verzerrt den Entscheidungsprozess (beispielsweise bei Erwerbsbeteiligung, Investitionen und Finanzierung) und könnte wirkungsvollere Investitions- und Konsumanreize bieten. Die meisten Fortschritte sind bei der Besteuerung von Arbeit zu verzeichnen, was sich allerdings noch nicht in den Daten niedergeschlagen hat. Es gibt nach wie vor Spielraum, um die verzerrende Besteuerung der Arbeit durch eine Verlagerung der Besteuerung auf andere, einem inklusiven und nachhaltigen Wachstum förderlichere Einnahmequellen zu verringern. Die Besteuerung der Erwerbseinkommen (d. h. die Steuer- und Abgabenbelastung) von Durchschnitts- und Geringverdienern war 2018 auch weiter eine der höchsten in der Union. Die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer sind im Vergleich zu anderen Ländern besonders hoch und machen etwa zwei Drittel der Steuer- und Abgabenbelastung aus, während die Einkommensteuer ein Drittel ausmacht. Demgegenüber gehört das Umweltsteueraufkommen in Relation zum BIP zu den niedrigsten in der Union. Die Kapitalkosten und der durchschnittliche effektive Körperschaftsteuersatz, die regional unterschiedlich sind, gehören zu den höchsten in der Union. Während der durchschnittliche effektive Steuersatz 28,8 % (nationaler Gesamtwert) betrug, belief er sich im Unionsdurchschnitt auf 20 %. Durch das Zusammenspiel von Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag ist die Unternehmensbesteuerung komplex, verursacht hohe Kosten für die Steuerverwaltung und wirkt sich verzerrend auf Höhe und Standort von Investitionen aus. Außerdem verzerrt die Körperschaftsteuer Finanzierungsentscheidungen, da sie tendenziell die Fremdfinanzierung begünstigt, die den Daten von 2017 zufolge schätzungsweise die dritthöchste in der Union ist. Würden die Kosten für die Aufnahme von Eigenkapital gesenkt, könnte das die privaten Investitionen steigern und den vergleichsweise unterentwickelten Risikokapitalmarkt stärken.

(16)

Der Arbeitsmarkt bleibt robust, während das Arbeitskräftepotenzial bestimmter Gruppen nicht voll ausgeschöpft wird. In der Altersgruppe der 20-64- Jährigen erreichte die Beschäftigungsquote im vierten Quartal 2018 79,9 % und ist damit eine der höchsten in der Union. Die Arbeitslosigkeit ging Anfang 2019 auf ein Rekordtief von 3,2 % zurück. Immer mehr Stellen bleiben unbesetzt, sodass der Arbeitskräftemangel, der die Produktion in einigen Regionen und Branchen signifikant drosselt, zunehmend sichtbar wird. Dennoch wird das Arbeitsmarktpotenzial bestimmter Gruppen wie von Frauen und von Menschen mit Migrationshintergrund nicht voll ausgeschöpft. Mit 46,7 % ist der Anteil teilzeitbeschäftigter Frauen in Deutschland sehr hoch. Erwerbseinkommen — auch von Geringverdienern — werden in Deutschland nach wie vor relativ hoch besteuert. Die besonderen Vorschriften des Ehegattensplittings mindern für Zweitverdiener insbesondere den Anreiz, die Zahl ihrer Arbeitsstunden aufzustocken. Bei Menschen mit Migrationshintergrund ist die Beschäftigungsquote deutlich niedriger als bei Einheimischen, wobei der Unterschied bei Frauen besonders groß ausfällt. Es wurden Maßnahmen zur Eingliederung für Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt getroffen, doch bleiben Herausforderungen bestehen, darunter unzureichende Deutschkenntnisse, fehlende oder nicht übertragbare Qualifikationen, Fürsorgepflichten gegenüber Kindern und Verwandten und fehlende Erfahrung mit ungeschriebenen Regeln am deutschen Arbeitsmarkt.

(17)

Das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben trifft Deutschland stärker als andere Mitgliedstaaten. Langfristig wird diese demografische Entwicklung die öffentlichen Finanzen Deutschlands belasten, könnte die Angemessenheit der Renten infrage stellen und könnte den derzeit begrenzten Anteil der älteren Bevölkerung (Menschen ab 65) erhöhen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht ist. Bis zum Jahr 2040 dürften die Ausgaben Deutschlands für die gesetzlichen Renten im Verhältnis zum BIP unionsweit mit am steilsten ansteigen (um 1,9 BIP-Prozentpunkte), während das Rentenniveau bei der gesetzlichen Rentenversicherung dem Bericht über die Bevölkerungsalterung 2018 zufolge (Europäische Kommission, 2018d) um 4,4 Prozentpunkte auf 37,6 % sinken wird. Die jüngsten Rentenreformen sind für bestimmte Gruppen mit einer Rentenerhöhung einhergegangen, doch ist nicht klar, ob der damit erzielte soziale Nutzen in einem angemessenen Verhältnis zur beachtlichen Belastung der Staatskasse steht. Auch hat die Bundesregierung eine doppelte Haltelinie gezogen: Deckelung des Rentenversicherungsbeitragssatzes auf 20 % und Mindestsicherungsniveau von 48 % bis 2025. Die Einhaltung dieser Grenzwerte dürfte erhebliche Finanztransfers erfordern, was die jüngeren Generationen noch weiter belasten wird. Die Angemessenheit der Rentenbezüge von Geringverdienern bleibt ebenfalls ein Problem.

(18)

Trotz zunehmenden Arbeitskräftemangels ist das Reallohnwachstum nach wie vor bescheiden, während die Nominallöhne 2018 um 3,1 % gestiegen sind. Das allgemeine Lohnwachstum 2018, das auch leicht über dem Produktivitätswachstum lag, ist u. a. auch darauf zurückzuführen, dass vor allem bei den besser bezahlten Vollzeitstellen die Beschäftigung zunahm und der Anteil der geringfügigen Beschäftigung an der Gesamtbeschäftigung zurückgegangen ist. So hat sich die Tarifbindung weiter verringert (von 2016 bis 2017 um 2 Prozentpunkte) und liegt nun im Westen bei 49 % und im Osten bei 34 %. Es bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren, wobei die Tarifbindung im öffentlichen Sektor und in der Industrie erheblich höher ist als im Dienstleistungssektor. Die Beschäftigten im Niedriglohnsektor haben allgemein von dem 2015 eingeführten Mindestlohn profitiert. Am unteren Ende der Lohnskala, insbesondere bei den zwei untersten Lohndezilen, sind die Stundenlöhne erheblich gestiegen. Dennoch liegt der Anteil der Geringverdiener mit 22,5 % im Jahr 2017 nach wie vor erheblich über dem Unionsdurchschnitt. Die Zahl der reinen Minijobber ging im Zeitraum 2010-2018 um 6,8 % zurück, während die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zugleich um rund 18,1 % zunahm. Würden die Voraussetzungen für die Förderung des Lohnwachstums gestärkt, würde das die Binnennachfrage stützen und zum Abbau der Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet beitragen.

(19)

Soziale Mobilität nach oben ist im deutschen Bildungssystem selten. Auch nationalen Quellen zufolge sind nur wenige Fortschritte dabei erzielt worden, den Einfluss des sozioökonomischen Hintergrunds auf die Bildungsergebnisse zu verringern. Bei der Eingliederung der unlängst aufgenommenen Migranten und Flüchtlinge in die schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung schneidet Deutschland gut ab. Menschen mit Migrationshintergrund sehen sich in der Regel allerdings vor größere Herausforderungen gestellt als einheimische Lernende (was beispielsweise der Prozentsatz der frühen Schulabgänger und die Schwierigkeit, eine Lehrstelle zu finden, zeigen). Da ohnehin schon beträchtlicher Lehrermangel herrscht, müssen angesichts der zunehmend heterogenen Klassenverbände große Anstrengungen zur Verstärkung des Lehrkörpers unternommen werden. Die Beteiligung von Arbeitnehmern an der Erwachsenenbildung ist ein Problem für deren künftigen Erfolg am Arbeitsmarkt, was ganz besonders für die 6,2 Mio. Menschen ohne grundlegende Lese- und Schreibkompetenzen gilt.

(20)

Wenngleich die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen seit ihrem Höchststand von 2014 zurückgegangen ist, stellt die mangelnde Chancengleichheit nach wie vor eine Herausforderung dar. So lag das Armuts- oder Ausgrenzungsrisiko bei Kindern geringqualifizierter Eltern 2017 67 Prozentpunkte über dem entsprechenden Risiko bei Kindern hochqualifizierter Eltern. Dieser Abstand liegt deutlich über dem Unionsdurchschnitt (53,9 Prozentpunkte).

(21)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 auch im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. Das würde es Deutschland ermöglichen, diese Mittel unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen.

(22)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Deutschlands umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019 und das Nationale Reformprogramm 2019 sowie die Maßnahmen zur Umsetzung der an Deutschland gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Deutschland berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet.

(23)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung (7) gelangt, dass Deutschland den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird.

(24)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 und 2 wider. Diese Empfehlungen tragen auch zur Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, insbesondere der ersten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung bei. Die nachstehend in der Empfehlung Nr. 1 genannte Haushaltspolitik trägt unter anderem zur Verringerung der Ungleichgewichte im Zusammenhang mit dem Leistungsbilanzüberschuss bei —

EMPFIEHLT, dass Deutschland 2019 und 2020 Maßnahmen ergreift, um

1.   

unter Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels die Haushalts- und Strukturpolitik zu nutzen, um bei den privaten und öffentlichen Investitionen vor allem auf regionaler und kommunaler Ebene einen anhaltenden Aufwärtstrend herbeizuführen; den Schwerpunkt seiner investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede auf Bildung, Forschung und Innovation, Digitalisierung und Breitbandnetze mit sehr hoher Kapazität, nachhaltigen Verkehr sowie auf Energienetze und bezahlbaren Wohnraum zu legen; die Besteuerung von der Arbeit auf Quellen zu verlagern, die einem inklusiven und nachhaltigen Wachstum weniger abträglich sind; bei Unternehmensdienstleistungen und reglementierten Berufen den Wettbewerb zu verstärken;

2.   

die Fehlanreize, die einer Aufstockung der Arbeitszeit entgegenwirken, darunter auch die hohe Steuer- und Abgabenbelastung, insbesondere für Gering- und Zweitverdiener zu reduzieren; Maßnahmen einzuleiten, um die langfristige Tragfähigkeit des Rentensystems zu sichern, und dabei gleichzeitig ein angemessenes Rentenniveau aufrecht zu erhalten; die Voraussetzungen für die Förderung eines höheren Lohnwachstums zu stärken und dabei gleichzeitig die Rolle der Sozialpartner zu achten; die Bildungsergebnisse und das Kompetenzniveau benachteiligter Gruppen zu verbessern.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 19.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/30


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Estlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Estlands 2019

(2019/C 301/06)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Estland nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Estland die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 2 und 3 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere werden Maßnahmen zur Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die spezifizierten Bereiche dazu beitragen, der zweiten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung in Bezug auf die Investitionsförderung nachzukommen.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Estland wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Estlands bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen von Europa 2020 bewertet.

(4)

Am 30. Mai 2019 übermittelte Estland sein nationales Reformprogramm 2019 und am 30. April 2019 sein Stabilitätsprogramm 2019.

(5)

Bei der Programmplanung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Estland befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Das Stabilitätsprogramm 2019 wurde unter Annahme einer unveränderten Politik vorgelegt. In dem Programm ist in Bezug auf den gesamtstaatlichen Haushaltssaldo vorgesehen, dass nach dem Defizit von 0,6 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 in den Jahren 2019 und 2020 ein Defizit von 0,2 % bzw. 0,3 % des BIP erzielt und 2022 ein Defizit von 0,7 % verzeichnet wird. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos (6) dürfte das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 0,5 % des BIP — während des vom Stabilitätsprogramm 2019 erfassten Zeitraums nicht erreicht werden. Danach soll die gesamtstaatliche Schuldenquote bis 2022 auf 5,3 % des BIP zurückgehen. Das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegende makroökonomische Szenario ist günstig. Die zur Erreichung der anvisierten Defizitziele erforderlichen Maßnahmen wurden nicht spezifiziert, was mit einem Risiko hinsichtlich der veranschlagten Einnahmen verbunden ist.

(7)

Angesichts der Herbstprognose 2018 der Kommission, in der für 2019 ein Wert näher am mittelfristigen Haushaltsziel projiziert wurde, sollte die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Einklang mit den Vorschriften für die Aufhebung des Einfrierens der erforderlichen Anpassung 4,9 % nicht überschreiten, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,3 % im Jahr 2019 entspricht. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2019 die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser Anforderung besteht.

(8)

Angesichts der für Estland prognostizierten Produktionslücke von 2,7 % des BIP und eines BIP-Wachstums, das den Prognosen zufolge unter der geschätzten Potenzialwachstumsrate liegen wird, sollte die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 4,1 % nicht überschreiten; dies steht im Einklang mit der strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP nach der gemeinsam vereinbarten Anpassungsmatrix hinsichtlich der Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2020 bei einer unveränderten Politik die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser Anforderung besteht. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass die erforderlichen Maßnahmen ab 2019 ergriffen werden sollten, um die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten.

(9)

Vor dem Hintergrund großer Geldwäscheskandale ist die Verhinderung von Geldwäsche für Estland zu einer Priorität geworden. Estland hat die Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche verschärft, und die Einlagen Gebietsfremder sind im estnischen Bankensektor anteilsmäßig erheblich zurückgegangen. Allerdings bestehen nach wie vor Herausforderungen. Die estnische Regierung führte zwar zusätzliche Maßnahmen und Leitlinien für eine stärkere Prävention in diesem Bereich ein, eine Gesetzesinitiative zum Ausbau der Kapazitäten zur Beaufsichtigung der Geldwäschebekämpfung wurde vom estnischen Parlament jedoch noch nicht verabschiedet. Nach Annahme dieser Maßnahmen sollte auf eine wirksame Umsetzung geachtet werden.

(10)

Qualifikationsdefizite und ein Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage zählen zu den Haupthindernissen für Unternehmensinvestitionen und schränken höhere Produktivitätsgewinne ein. In den vergangenen Jahren hat Estland zwar umfassende Reformen durchgeführt, die Arbeitsmarkttrends und der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter stellen aber langfristige Herausforderungen für das System der allgemeinen und beruflichen Bildung dar. Dazu zählen eine nach wie vor hohe Quote vorzeitiger Schul- und Ausbildungsabgänge, die nicht abgeschlossene Reorganisation des Schulnetzes, die für den Arbeitsmarkt zu wenig relevante Hochschulbildung bzw. berufliche Aus- und Weiterbildung sowie die Herausforderungen, die mit der Alterung der Lehrerschaft und der geringen Attraktivität des Berufs zusammenhängen. Trotz steigender Teilnahme an Maßnahmen der Erwachsenenbildung erfolgen Weiterqualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen zu langsam, um mit den Arbeitsmarkttrends Schritt zu halten. Die zu geringe Innovationsfähigkeit ist das zentrale Element des ermittelten Qualifikationsbedarfs. Das Schulungsangebot der Unternehmen im Bereich der digitalen Kompetenzen ist trotz des hohen Anteils an Spezialisten für Informations- und Kommunikationstechnologien beschränkt. Ein — auch durch Investitionen in die Berufsberatung — für den Arbeitsmarkt relevanter gestaltetes Schul- und Berufsbildungssystem, Maßnahmen zur Senkung der Zahl der vorzeitigen Schul- und Ausbildungsabgänge und eine bessere Antizipation des Qualifikationsbedarfs würden dazu beitragen, dass die Menschen über die richtigen Kompetenzen verfügen. Wenn darüber hinaus die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte, die Unterrichtsqualität und die angesichts demografischer und wirtschaftlicher Trends ergriffenen bildungspolitischen Maßnahmen optimiert würden, so wäre dies der Kapazität des Schul- und Berufsbildungssystems förderlich.

(11)

Armut, soziale Ausgrenzung und Einkommensungleichheit sind — insbesondere bei älteren Menschen — trotz gewisser Verbesserungen nach wie vor weitverbreitet. Rund 42 % der über 65-Jährigen waren 2017 von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht, im Unionsdurchschnitt waren es im Vergleich dazu 15 %. Die Armut wird durch Sozialleistungen nach wie vor nicht wirksam eingedämmt, und das Netz der sozialen Sicherheit ist schwach ausgeprägt. Der Bereitstellung bezahlbarer und qualitativ guter sozialer Dienstleistungen wird dadurch beeinträchtigt, dass die Koordinierung zwischen dem Gesundheits- und dem Sozialwesen zu wünschen übrig lässt, und dass die Kommunen in sehr unterschiedlichem Ausmaß in der Lage sind, den Bedarf an sozialen Dienstleistungen zu ermitteln und zu decken. Der Einzelne muss auch einen großen Teil der Kosten der von den Behörden erbrachten Dienstleistungen übernehmen. Die von Estland für die Langzeitpflege getätigten öffentlichen Ausgaben betrugen weniger als die Hälfte des Unionsdurchschnitts (0,6 % des BIP gegenüber 1,6 % des BIP im Jahr 2016). Es gibt weder Präventivmaßnahmen noch ein Unterstützungssystem zur Entlastung informeller Pflegepersonen. Der Anteil an Menschen mit medizinischen Versorgungslücken gehört nach wie vor mit zu den höchsten in der Union (11,7 %), was darauf hindeutet, dass es Probleme hinsichtlich der Zugänglichkeit und Wirksamkeit des Gesundheitswesens gibt. Wie diese Herausforderungen zeigen, ist es notwendig, bezahlbare und qualitativ gute Leistungen der Sozial- und Gesundheitsdienste auf integrierte Weise anzubieten und einen umfassenden Rahmen für die Langzeitpflege zu entwickeln. Durch Investitionen zur Förderung der sozialen Inklusion, die auch in die soziale Infrastruktur fließen, würde das inklusive Wachstum angekurbelt.

(12)

Das 2017 bei 25,6 % und damit leicht über dem Vorjahreswert liegende geschlechtsspezifische Lohngefälle gehört weiterhin zu den höchsten in der Union. Außerdem wirkt sich die Elternschaft deutlich stärker auf die Beschäftigung von Frauen aus als im Unionsdurchschnitt (25,2 bzw. 9,0 %). Lange Elternurlaube führen häufig dazu, dass Frauen im Berufsleben langsamer aufsteigen als Männer. Frauen sind — auch mit höheren Bildungsabschlüssen als Männer — tendenziell in schlechter bezahlten Branchen und Berufen tätig. Durch in jüngster Zeit ergriffene Maßnahmen wurde das Elternurlaubs- und Sozialleistungssystem flexibler, sodass Eltern leichter auf den Arbeitsmarkt zurückkehren können. Kinderbetreuungsangebote wurden stärker in Anspruch genommen. Da aber das geschlechtsspezifische Lohngefälle nur teilweise auf Faktoren wie Wirtschaftszweig, Beruf, Alter, Berufserfahrung oder Arbeitszeit zurückgeführt werden kann, bleibt eine Lücke von 20 % (gegenüber 11,5 % im Unionsdurchschnitt), die sich nicht erklären lässt. Durch eine transparente Entlohnung könnten die Gründe für dieses hohe geschlechtsspezifische Lohngefälle leichter nachvollziehbar werden. Weitere Investitionen in die Kinderbetreuung und in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik wären der Frauenbeschäftigung förderlich. Darüber hinaus ist es in einem breiteren Kontext nach wie vor von Bedeutung, die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern zu suchen und deren Kapazitäten auszubauen.

(13)

Aufgrund der Randlage und der geringen Bevölkerungsdichte ist ein gut funktionierendes und vernetztes Verkehrssystem für die Wirtschafts- und Exporttätigkeit Estlands von zentraler Bedeutung. Die Verkehrsinfrastruktur Estlands lässt in Bezug auf Vernetzung und Nachhaltigkeit einiges zu wünschen übrig. Der Schienenverkehr und der intermodale Verkehr sind nach wie vor unterentwickelt. Überdies haben die Treibhausgasemissionen durch den Straßenverkehr in den letzten fünf Jahren zugenommen. Durch weitere innovative und nachhaltige Lösungen könnten sich Probleme lösen lassen, die mit Verkehrsüberlastung und öffentlichem Verkehr zusammenhängen. Die Synchronisierung des estnischen Stromnetzes mit dem kontinentaleuropäischen Netz ist für die Sicherheit der Stromversorgung im gesamten Ostseeraum von zentraler Bedeutung. Investitionen in die Infrastruktur würden die estnischen Unternehmen wettbewerbsfähiger machen.

(14)

Da in Estland — insbesondere vom Privatsektor — wenig in Forschung und Entwicklung investiert wird, liegt das Land in Sachen Produktivität zurück. Während 2017 die öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben leicht unter dem Unionsdurchschnitt lagen, beliefen sich die diesbezüglichen Unternehmensinvestitionen nur auf 0,61 % des BIP, was etwa der Hälfte des Unionsdurchschnitts entspricht. Der Anteil von Unternehmen, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die Forschungs- und Innovationstätigkeiten melden, ist gering. Die nicht für Forschung und Entwicklung vorgesehenen Innovationsausgaben sind rückläufig, und Wissenschaft und Unternehmen kooperieren nur in geringem Umfang. Einiger dieser Faktoren wirken sich negativ auf die Innovationsleistung und die Produktivität des Landes aus. Durch gezieltere Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation, auch in die Digitalisierung und Automatisierung von Unternehmen, würden die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit Estlands gesteigert werden. Dies könnte auch durch eine bessere Prioritätensetzung bei wirtschaftlich relevanten Forschungsthemen erreicht werden. Die estnischen Behörden haben einige Maßnahmen gegen die Unzulänglichkeiten im Forschungs- und Innovationssystem konzipiert und umgesetzt, die sich bislang jedoch nur als begrenzt wirksam erwiesen.

(15)

Die Herausforderungen in den Bereichen Ressourcen- und Energieeffizienz wurden noch nicht bewältigt. Die Ökoinnovationsleistung Estlands spiegelt das Potenzial des Landes nicht in vollem Umfang wider, und der kombinierte Ökoinnovationswert von 60 liegt 40 % unter dem Unionsdurchschnitt. Trotz einiger in den letzten Jahren erzielter Verbesserungen schneidet Estland bei der Ressourcenproduktivität etwa dreimal schlechter ab als der Unionsdurchschnitt und vergrößert seinen Abstand zur übrigen Union. Nur ein geringer Teil der KMU Estlands ergreift Maßnahmen für mehr Ressourceneffizienz und Umweltbewusstsein. Außerdem ist die Wirtschaft mit einem deutlich über dem Unionsdurchschnitt liegenden Energieverbrauch sehr energieintensiv. Alle Regionen Estlands sind bei der Verbesserung der Ressourcen- und Energieeffizienz im Rückstand. Mit 0,4 % im Jahr 2017 lag Estland weit unter dem auf nationaler Ebene im Verkehrssektor angestrebten Anteil an erneuerbaren Energien von 10 %. Die Wirtschaft würde durch die Förderung der Ressourcen- und Energieeffizienz, insbesondere in der Bauwirtschaft, und die Unterstützung der Kreislaufwirtschaft, unter anderem durch mehr Investitionen, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger werden.

(16)

Die Dauer von Insolvenzverfahren beträgt in Estland etwa drei Jahre, und die Erlösquote liegt knapp über 40 %. Dadurch bleiben Arbeitskräfte und Finanzmittel in weniger produktiven Unternehmen gebunden. Dies ist wiederum Investitions- und Finanzierungsanreizen abträglich. Die Rahmenbedingungen für Insolvenzen sollten unbedingt reformiert werden, um die Insolvenzverfahren zu verkürzen und die Erlösquote für Gläubiger zu steigern. Diesbezüglich könnte insbesondere ins Auge gefasst werden, Restrukturierungsverfahren vor und nach Insolvenzen zu erleichtern und die stückweise Liquidation von Unternehmen zu vermeiden.

(17)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 auch im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. Dies würde es Estland ermöglichen, diese Fonds unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen.

(18)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Estlands umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Estland gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Estland berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(19)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (7) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider —

EMPFIEHLT, dass Estland 2019 und 2020

1.   

sicherstellt, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 4,1 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht; die effektive Überwachung und Durchsetzung des Rahmens zur Geldwäschebekämpfung gewährleistet;

2.   

Maßnahmen gegen Qualifikationsdefizite ergreift und Innovationen durch ein leistungsfähigeres und für den Arbeitsmarkt relevanter gestaltetes System der allgemeinen und beruflichen Bildung fördert; das System der sozialen Sicherheit und den Zugang zu bezahlbaren und integrierten Sozialdiensten verbessert; Maßnahmen zur Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles — auch durch mehr Lohntransparenz — trifft;

3.   

die investitionsbezogene Wirtschaftspolitik schwerpunktmäßig auf eine nachhaltige Verkehrs- und Energieinfrastruktur einschließlich Verbundnetze, auf die Forschungs- und Innovationsförderung sowie auf die Ressourcen- und Energieeffizienz ausrichtet, ohne dabei regionale Unterschiede außer Acht zu lassen.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 24.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/35


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Irlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Irlands 2019

(2019/C 301/07)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester der wirtschaftspolitischen Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Irland als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Irland die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 1 und 3 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere werden eine gezielte Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die genannten Bereiche und die Einführung von steuerlichen Maßnahmen dazu beitragen, der zweiten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet in Bezug auf Investitionsförderung, Verbesserungen bei den öffentlichen Finanzen und Bekämpfung aggressiver Steuerplanung nachzukommen.

(3)

Der Länderbericht Irland 2019 wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Irlands bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Die Kommission gelangte aufgrund ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Irland makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Irland ist insbesondere durch seine hohe öffentliche und private Verschuldung und umfangreiche Nettoauslandsverbindlichkeiten anfällig für negative Schocks, allerdings haben sich die Stromgrößen weiter verbessert. Die Verschuldung der privaten Haushalte bleibt hoch, das Wirtschaftswachstum begünstigt jedoch den weiteren Abbau dieser Schulden. Die Tätigkeiten multinationaler Unternehmen wirken sich weiterhin auf die Unternehmensschulden aus. Die Verschuldung privater Haushalte steht offenbar weitgehend mit den Fundamentaldaten im Einklang, ist aber gemessen am verfügbaren Einkommen hoch. Der gesamtstaatliche Schuldenstand wird voraussichtlich rückläufig bleiben, während sich das Haushaltsdefizit einer ausgeglichenen Position annähert. Der über mehrere Jahre starke Anstieg der Wohnimmobilienpreise hat sich in jüngster Zeit abgeschwächt. Diese Preise werden vor allem durch ein geringes Angebot bestimmt, es gibt keine eindeutigen Anzeichen für eine Überbewertung. Der Bestand an notleidenden Krediten — obwohl immer noch hoch — ist weiter zurückgegangen, auch wenn die langfristigen Zahlungsrückstände nur langsam abgebaut werden.

(4)

Am 17. April 2019 übermittelte Irland sein nationales Reformprogramm 2019 und am 29. April 2019 sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Irland befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt der Schuldenregel. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 geht die Regierung davon aus, dass sich der Gesamtsaldo 2019 auf 0,2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und anschließend weiter schrittweise bis auf 1,3 % des BIP im Jahr 2023 verbessern wird. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos (6) soll das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 0,5 % des BIP — bis zum Jahr 2020 erreicht werden. Dem Stabilitätsprogramm zufolge wird die gesamtstaatliche Schuldenquote im Jahr 2019 auf 61,1 % des BIP sinken und bis 2023 weiter auf 51,6 % des BIP zurückgehen. Das diesen Projektionen zugrunde liegende makroökonomische Szenario ist plausibel. Allerdings wurden die Maßnahmen, die zum Erreichen der ab 2020 anvisierten Defizitziele erforderlich sind, nicht ausreichend spezifiziert.

(7)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat Irland, das mittelfristige Haushaltsziel im Jahr 2019 zu erreichen. Dies entspricht einer nominalen Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben (7) von höchstens 7,0 % im Jahr 2019, was eine Verschlechterung des strukturellen Saldos um 0,3 % des BIP zulässt. Nach der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission dürfte Irland 2019 die empfohlene Haushaltsanpassung einhalten.

(8)

Im Jahr 2020 dürfte Irland sein mittelfristiges Haushaltsziel erreichen. Auf der Grundlage der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission entspricht dies einer nominalen Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben von höchstens 3,7 % (8), was einer jährlichen strukturellen Anpassung in Höhe von 0,7 % des BIP entspricht. Irland dürfte sein mittelfristiges Haushaltsziel erreichen. Der gesamtstaatliche Schuldenstand dürfte über die Anforderungen der Schuldenregel hinaus weiter auf festem Abwärtskurs bleiben. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass Irland die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 voraussichtlich einhält. Angesichts der unterschiedlichen Messung von BIP und Inlandsproduktion in Irland und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Schuldenquote, der gegenwärtigen Konjunkturbedingungen im Land und der erhöhten externen Risiken wäre die Verwendung unerwarteter Mehreinnahmen zum weiteren Abbau der gesamtstaatlichen Schuldenquote wichtig.

(9)

Die öffentlichen Finanzen haben sich dank des robusten Produktionswachstums weiter verbessert, jedoch bleiben Risiken schwankender Einnahmen bestehen; es gibt noch Spielraum, um die Empfindlichkeit der Einnahmen gegenüber wirtschaftlichen Schwankungen und negativen Schocks zu verringern. Eine Begrenzung der Steuervergünstigungen in Umfang und Zahl sowie eine Erweiterung der Steuerbemessungsgrundlage würden bei wirtschaftlichen Schwankungen die Einnahmenstabilität verbessern. Zwar hat Irland den niedrigeren Mehrwertsteuersatz auf touristische Aktivitäten angehoben, andere steuerliche Maßnahmen der jüngsten Zeit waren jedoch auf Steuersenkungen und -erleichterungen ausgerichtet. Zudem besteht in Irland noch weiteres Potenzial, Umweltziele durch ein verbessertes Steuersystem zu fördern. Diese Anstrengungen könnten unter anderem darin bestehen, die Subventionen für fossile Brennstoffe zu senken und Investoren stärkere Preissignale zu geben, indem für das nächste Jahrzehnt verbindliche Zusagen für die Erhöhung der CO2-Steuer erfolgen.

(10)

Die Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung ist eine wesentliche Voraussetzung für effizientere und gerechtere Steuersysteme, wie in der Euro-Währungsgebiet-Empfehlung 2019 eingeräumt wird. Da aggressive Steuerplanungsstrategien der Steuerzahler sich auch auf andere Mitgliedstaaten auswirken können, ist ergänzend zu den Rechtsvorschriften der Union auch ein koordiniertes Vorgehen auf nationaler Ebene erforderlich. Irland hat Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung ergriffen; allerdings lässt der hohe Anteil von Lizenzgebühren und Dividenden am BIP darauf schließen, dass die Steuervorschriften des Landes von Unternehmen genutzt werden, die aggressive Steuerplanung betreiben. Die begrenzte Erhebung von Quellensteuern auf ins Ausland fließende (also von Unionsansässigen an in Drittstaaten Ansässige geleistete) Lizenzgebühr- und Dividendenzahlungen von in Irland ansässigen Unternehmen kann dazu führen, dass Zahlungen, die auch im Empfängerland nicht besteuert werden, vollständig durch das Steuerraster fallen.

(11)

Langfristige Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in Zusammenhang mit den Alterungskosten bleiben bestehen. Die Gesundheitsausgaben werden voraussichtlich von 4,1 % des BIP im Jahr 2016 auf 5,1 % des BIP im Jahr 2070 steigen und im Jahr 2063 einen Spitzenwert von 5,2 % erreichen. Obwohl das irische Gesundheitssystem in einigen Bereichen gut funktioniert oder verbessert wurde, ist es insgesamt ineffizient, das Angebot hinkt hinter der Nachfrage her, und es wird keine koordinierte, integrierte Versorgung gewährleistet. Um der sprunghaft gestiegenen Nachfrage nachzukommen, hat die irische Regierung die Strategie zur Umsetzung von Sláintecare gebilligt und zur umfassenden Reformierung und Modernisierung des irischen Gesundheits- und Sozialwesens in den kommenden zehn Jahren das Amt zur Umsetzung des Programms geschaffen. Die Reformpläne sind ein glaubwürdiger Ansatz, um das Gesundheitssystem allgemein zugänglich und zukunftsfähig zu gestalten, die Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung zu erfüllen und die Pflege in den vertrauten Lebensbereich zu verlagern, wobei Prävention eine größere Rolle spielen sollte. Dies dürfte einen verringerten Bedarf an Akutversorgung mit sich bringen und somit zu einem kostengünstigeren Gesundheitswesen beitragen. Die Umsetzung ist jedoch durch die Schwierigkeiten des Gesundheitssystems gefährdet, die Überschneidungen am Krankenversicherungsmarkt anzugehen und kurzfristig den eigenen Haushalt, die Leistungen und die Beschäftigten erfolgreich zu verwalten. Auch müssen kurzfristige Kosten unter Kontrolle gehalten werden, damit die Sláintecare-Vision auf lange Sicht Wirklichkeit werden kann.

(12)

Ungeachtet der bisherigen Bemühungen der Regierung, die Ausgaben bei den gesetzlichen Renten zu dämpfen, dürfte das Gesamtdefizit des Rentensystems langfristig erheblich steigen; Grund hierfür ist der Anstieg der Rentenausgaben von 5 % des BIP im Jahr 2016 auf 6,6 % im Jahr 2070 (mit einem Spitzenwert von 7,5 % im Jahr 2053). Eine vollständige und zeitnahe Umsetzung des vorgelegten Fahrplans zur Rentenreform ist eine wesentliche Voraussetzung, um das irische Rentensystem finanziell tragfähiger zu gestalten.

(13)

Höhere Investitionen in Qualifikationen und die allgemeine und berufliche Bildung sowie in die soziale Inklusion sind für mehr Produktivität und ein langfristig stärkeres inklusives Wachstum im Land von entscheidender Bedeutung. Die angespannte Lage am Arbeitsmarkt sowie sich abzeichnende Qualifikationsdefizite und ein Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage in bestimmten Branchen erfordern Anstrengungen, um bislang inaktive Gruppen potenzieller Erwerbstätiger zu erreichen und in noch nicht genutzte Humanressourcen zu investieren. Es besteht durchaus Spielraum für eine Förderung des Qualifikationsausbaus und eine bessere Abstimmung von Lehrplänen und beruflicher Bildung auf die Bedürfnisse am Arbeitsmarkt. Der geringe Prozentsatz der Beschäftigten mit grundlegenden digitalen Kompetenzen verlangt nach weiteren Investitionen in die Ausbildung am Arbeitsplatz und einem Ausbau der Qualifikationen erwachsener Arbeitskräfte. Investitionen in den Zugang zu hochwertiger und bezahlbarer Kinderbetreuung und die Einführung des nationalen Kinderbetreuungsprogramms (National Childcare Scheme) werden dazu beitragen, die eher niedrige Beschäftigungsquote von Frauen zu erhöhen. Die Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Behinderung gehört in Irland zu den niedrigsten in Europa. Nach wie vor ist die Zahl der Menschen, die in Haushalten mit geringer Erwerbsintensität leben, in Irland eine der höchsten in der Union, was das weite Feld für integrierte und gezielte Aktivierungsstrategien zur Unterstützung dieser speziellen Gruppe aufzeigt.

(14)

Die jahrelang schwache Investitionstätigkeit im Gefolge der Wirtschaftskrise fordert ihren Tribut, was die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum und Sozialwohnungen angeht; zudem mangelt es an einer angemessenen Infrastruktur in den Bereichen umweltfreundlicher Verkehr und saubere Energien, Wasser und ultraschnelles Breitband — dies wiederum bremst die Unternehmensinvestitionen. Darüber hinaus sind die vom Straßenverkehr verursachten Treibhausgasemissionen in fünf Jahren stark gestiegen. Eine bessere Infrastruktur könnte in Verbindung mit entsprechender Raumplanung entscheidend für ein besseres Wohnraumangebot und für mehr private Investitionen sein, das Produktivitätswachstum anschieben und für eine regional ausgewogene Wirtschaftsentwicklung sorgen. Eine zukunftstaugliche Anschlussfähigkeit und ausreichende digitale Kompetenzen bleiben Grundvoraussetzung dafür, dass einheimische Unternehmen sich digitale Technologien erfolgreich zunutze machen und die einheimische Informations- und Kommunikationstechnologiebranche floriert. Der Zugang zum ultraschnellen Breitband stellt, insbesondere auf dem Land, weiterhin eine beträchtliche Herausforderung dar. Dem Übergang Irlands hin zu einer CO2-armen und ökologisch widerstandsfähigen Wirtschaft wären höhere Infrastrukturausgaben für saubere Energien, eine umweltfreundliche öffentliche Verkehrs- und Wasserversorgungsinfrastruktur sowie größere Anstrengungen in den Bereichen Dekarbonisierung, Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft zuträglich.

(15)

Während die Einführung des nationalen Entwicklungsplans (National Development Plan) zur Schaffung zusätzlicher grundlegender Infrastrukturen führen könnte, könnte sich die Leistungsschwäche des Baugewerbes als Hemmschuh für eine zeitnahe Verwirklichung erweisen. Darüber hinaus könnte eine Diversifizierung des Seeverkehrs und der Energieleitungen mit Blick auf Kontinentaleuropa die Wirtschaft widerstandsfähiger gegenüber externen Schocks machen. Bisher ist es Irland nicht gelungen, sein Wirtschaftswachstum von den Emissionen von Treibhausgasen und Luftschadstoffen zu entkoppeln. Der Treibhausgasausstoß ist beständig gestiegen — vor allem im Verkehr, der Landwirtschaft, dem Energiesektor und der bebauten Umwelt. Mangelnde Fortschritte in diesem Bereich werden es Irland erschweren, seinen Unionsverpflichtungen nachzukommen, und gleichzeitig die Kosten künftigen Handelns erhöhen.

(16)

Der Immobilienpreisanstieg wird weiterhin durch das anhaltend knappe Angebot und die steigende Nachfrage befeuert. Obwohl die Preise im Jahr 2017 nicht überbewertet zu sein schienen, wachsen die Bedenken hinsichtlich der Bezahlbarkeit. Wohnungsknappheit ist infolge der schwachen Investitionen und der unzureichenden Bautätigkeit im vergangenen Jahrzehnt auch im Sozialwohnungswesen ein Problem. Während die Nachfrage nach Sozialwohnungen auf etwa 72 000 Einheiten geschätzt wird, sind nur 10 000 für die Fertigstellung im Jahr 2019 vorgesehen. 17 000 Haushalte im Land sollen durch eine Form der sozialen Wohnförderung (Housing Assistance Payment) oder ein Mietprogramm (Rental Accomodation Scheme) unterstützt werden, was jedoch das Risiko birgt, dass sich die Mietsteigerungen am privaten Mietmarkt mit seinem ohnehin begrenzten Angebot verschärfen. Vor allem im Großraum Dublin ist eine große Zahl von Sozialwohnungen unterbelegt, was teils auf veraltete Nachfolgeregelungen zurückzuführen ist. Der schlecht angepasste Mix der Arten der zur Verfügung gestellten Sozialwohnungen verschlechtert zusammen mit dem sehr begrenzten Angebot an erschwinglichen und kosteneffizienten Unterkünften die Lage weiter. Dies ist ein Hauptgrund für den starken Anstieg der Zahl der in Notunterkünften lebenden Einzelpersonen und Familien und hat die Obdachlosenzahlen im Februar 2019 neue Spitzenwerte erreichen lassen.

(17)

Um ein robusteres und widerstandsfähigeres Produktivitätswachstum zu fördern, ist es entscheidend, die innovationsgestützte Produktivität einheimischer Firmen besser in Schwung zu bringen. Die Ausgaben der Unternehmen für Forschung und Entwicklung (FuE) nehmen zwar weiter zu, bleiben aber unter dem Unionsdurchschnitt und werden schwerpunktmäßig von Unternehmen in ausländischer Hand getätigt. Die Innovationsstrategien könnten noch besser auf die Förderung irischer kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) ausgerichtet werden. Indirekte Unterstützung (d. h. Steuergutschriften) ist nach wie vor das zentrale Instrument der öffentlichen Förderung von FuE in Irland (80 % der gesamten öffentlichen Unterstützung). Engere Verbindungen zwischen multinationalen und einheimischen Unternehmen könnten dazu beitragen, den Durchsatz von Innovationen in der gesamten Wirtschaft zu verbessern. Darüber hinaus würde auch eine engere Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und öffentlichen Forschungszentren das Innovationspotenzial erhöhen.

(18)

Obwohl der geringe Grad öffentlicher FuE (1,05 % des BIP gegenüber einem Unionsdurchschnitt von 2 %) weiter Anlass zur Sorge gibt, bietet das kürzlich angenommene Programm Future Jobs Ireland 2019 einen vielversprechenden Rahmen, um Innovation und technologischen Wandel zu stimulieren und die Produktivität von KMU zu verbessern. Allerdings wird dessen vollständige Umsetzung von einer erheblichen Steigerung der öffentlichen Ausgaben für Forschung und Innovation ebenso abhängen wie von der Umsetzung des jüngst verabschiedeten Programms durch konkrete politische Maßnahmen. Nach jetzigem Stand mangelt es dem ehrgeizigen Maßnahmenpaket weiter an wichtigen Einzelheiten und einem genauen Zeitplan für die Umsetzung. Was beispielsweise die für 2019 vorgesehenen Schritte betrifft, so wurden keine Maßnahmen genannt, die darauf abzielen würden, die Verfügbarkeit langfristiger Kapitalbeteiligungen zu erhöhen und so einheimische Unternehmen beim Ausbau ihrer Geschäftstätigkeit zu unterstützen; der Strategiemix, mit dem KMU zu Investitionen in neue Technologien bewegt werden sollen, kombiniert Steuergutschriften und nichtsteuerliche Anreize, um KMU zu Investitionen in Innovationen zu motivieren — die relative Größenordnung dieser Maßnahmen ist aber nicht bekannt. In der Strategie Future Jobs Ireland 2019 sind keine konkreten Maßnahmen und Zielvorgaben enthalten, um die Lücke zwischen Irland und anderen Mitgliedstaaten mit Blick auf die Einführung zukunftsfähiger Breitbandnetze gemäß den Entwicklungszielen der Union für eine Gigabit-Gesellschaft bis zum Jahr 2025 zu schließen. Der nationale Breitbandplan dürfte dazu beitragen, diese Lücke zu schließen.

(19)

Das regionale Gefälle in Irland ist erheblich und hat sich im vergangenen Jahrzehnt weiter vergrößert. In Irland sind die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Regionen gemessen am BIP pro Kopf im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten vergleichsweise hoch. Zwischen 2000 und 2016 stieg das Pro-Kopf-BIP im Südosten (Region „Southern and Eastern“) um 74 %, das sind 63 Prozentpunkte mehr als in der Region „Border, Midland and Western“, nach 2012 beschleunigte sich der Anstieg. Im Südosten war das Pro-Kopf-BIP im Jahr 2016 um das 2,6-Fache höher als in der Region „Border, Midland and Western“. Der Großraum Dublin, in dem 40 % der irischen Bevölkerung leben, hat zwischen 2000 und 2016 mit 62 Prozentpunkten zum BIP-Wachstum beigetragen.

(20)

Regulierungsbedingte Hürden für Unternehmer (insbesondere bestimmte Regelungen im Zusammenhang mit kommerziellem Eigentum und juristischen Dienstleistungen) beeinträchtigen den Marktzutritt und -ausstieg von Unternehmen und damit auch die Produktivität einheimischer Firmen in Irland. Hemmnisse für den Zugang zu den Einzelhandelsmärkten stellen eine Herausforderung dar. Irland ist eines der fünf Länder mit der größten Zahl von Vorschriften für die Niederlassung von Einzelhandelsunternehmen. Einzelhändler müssen Verfahren durchlaufen, die die Eröffnung neuer Geschäfte verzögern und verteuern und sich negativ auf die Marktstruktur und -dynamik auswirken können.

(21)

Das neue Gesetz für juristische Dienstleistungen muss noch umgesetzt werden, da sich die Einführung der einschlägigen Vorschriften weiterhin erheblich verzögert, wenngleich die vorbereitenden Konsultationen laufen. Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob in Streitfragen ein direkter Zugang zu Anwälten (barristers) gewährt werden kann oder ob juristische Personen in allen Arten von Kanzleien Partner werden können. Übermäßig komplizierte Betriebs- und Verwaltungsvorschriften für multidisziplinäre Kanzleien müssen jedoch vermieden werden. Eine ehrgeizige Umsetzung unbefristeter Reformen hat höchste Priorität. Die Aktion „Ambition 2.3“ im Programm Future Jobs Ireland 2019 soll Probleme mit den Kosten juristischer Dienstleistungen lösen, das einzige für 2019 angestrebte Ergebnis ist jedoch nur vorläufig; darüber hinaus ist der Zeitplan unklar. Verzögerungen bei der Umsetzung dieser Reform tragen zu den hohen Kosten für juristische Dienstleistungen in Irland bei, was von Nachteil für Unternehmen — vor allem KMU — und Bürger ist. Da Rechtsdienstleistungen wichtig für andere unternehmensorientierte Dienstleistungen sind, tragen Beschränkungen in diesem Sektor zu den hohen Kosten anderer Dienstleistungen (etwa für Versicherungen) bei.

(22)

Die Quote notleidender Kredite ist weiter zurückgegangen, im Jahr bis zum vierten Quartal 2018 um 4,4 Prozentpunkte auf 5,5 %. Die Banken sind auf gutem Wege, ihre Ziele zu erreichen, was durch Portfolioverkäufe, Umstrukturierungen und steigende Immobilienpreise unterstützt wird. Zahlungsrückstände bei langfristigen Hypothekendarlehen (mehr als zwei Jahre überfällig) sind nach wie vor relativ hoch; dies führt mit dazu, dass der Anteil notleidender Kredite über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets liegt. Es wurde eine Reihe von Initiativen und Gesetzesentwürfen wie die Gesetzesvorlage „Kein Einverständnis, kein Verkauf“(„no consent, no sale“ bill) vorgeschlagen, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Abwicklung notleidender Kredite, auch für gefährdete Haushalte, zu bewältigen. Das Kreditregister ist seit 2018 für Verbraucherkredite voll funktionsfähig und spielt eine wichtige Rolle für die Bewertung, ob Kreditnehmer zum Bedienen ihrer Schulden in der Lage sind. Insolvenzverfahren und die Nutzung gerichtlicher und außergerichtlicher Möglichkeiten zum Abbau von Zahlungsrückständen sind nach wie vor begrenzt. Zahlungsrückstände bei langfristigen Hypothekendarlehen weiter abzubauen und zugleich auf Initiativen für besonders benachteiligte Haushalte setzen, dabei aber keine unnötigen Hindernisse für den Abbau notleidender Kredite zu schaffen, bleibt eine Herausforderung und bedarf einer fortgesetzten Überwachung.

(23)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. Dies würde Irland dabei helfen, im Zusammenhang mit den ermittelten Sektoren die Fonds unter Berücksichtigung regionaler Disparitäten optimal zu nutzen.

(24)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Irlands umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Irland gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Irland berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(25)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt (9), dass Irland den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird.

(26)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 und 3 wider. Diese Empfehlungen tragen auch zur Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, insbesondere der zweiten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung bei. Die nachstehend in der Empfehlung 1 genannte Haushaltspolitik trägt unter anderem dazu bei, die mit dem hohen gesamtstaatlichen Schuldenstand verbundenen Ungleichgewichte anzugehen —

EMPFIEHLT, dass Irland 2019 und 2020 Maßnahmen ergreift, um

1.   

sein mittelfristiges Haushaltsziel im Jahr 2020 zu erreichen; unerwartete Mehreinnahmen zu nutzen, um den Abbau der gesamtstaatlichen Schuldenquote zu beschleunigen; den Umfang und die Zahl der Steuervergünstigungen zu begrenzen und die Steuerbemessungsgrundlage zu erweitern; sich weiterhin mit Merkmalen des Steuersystems zu befassen, die einer aggressiven Steuerplanung Vorschub leisten könnten, und sich dabei insbesondere auf Zahlungen ins Ausland zu konzentrieren; auf den erwarteten Anstieg der alterungsbedingten Ausgaben zu reagieren, indem es die Wirtschaftlichkeit des Gesundheitssystems erhöht und die geplanten Rentenreformen vollständig umsetzt;

2.   

personalisierte Unterstützung für eine aktive Integration bereitzustellen und den Ausbau von Qualifikationen zu unterstützen, insbesondere für gefährdete Gruppen und Menschen, die in Haushalten mit niedriger Erwerbsintensität leben; den Zugang zu bezahlbarer und hochwertiger Kinderbetreuung zu verbessern;

3.   

die investitionsbezogene Wirtschaftspolitik auf einen geringen CO2-Ausstoß und eine Energiewende, die Senkung des Treibhausgasausstoßes, eine Infrastruktur für nachhaltigen Verkehr, Wasser und Digitales sowie auf bezahlbaren Wohnraum und Sozialwohnungen auszurichten und dabei dem regionalen Gefälle Rechnung zu tragen; Maßnahmen — auch im Rahmen der Future-Jobs-Strategie — umzusetzen, um die Wirtschaft zu diversifizieren und die Produktivität irischer Unternehmen und hier insbesondere der KMU zu steigern, und zwar durch die Nutzung von Instrumenten, die eine direktere Finanzierung ermöglichen, für die Förderung von Forschung und Innovation sowie durch den Abbau regulatorischer Hindernisse für Unternehmer.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 27.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert. Der Ausgabenrichtwert für Irland spiegelt eine Anpassung mit dem Ziel wider, die Verzerrung der 10-Jahres-Referenzrate des Potenzialwachstums zu korrigieren, die durch das außergewöhnlich starke Wachstum des realen BIP im Jahr 2015 bedingt war. Im Einklang mit dem Ansatz der irischen Behörden bei ihren Berechnungen des Haushaltsplans 2017 hat die Kommission den Durchschnittswert der potenziellen Wachstumsraten in den Jahren 2014 und 2016 zugrunde gelegt.

(8)  2019 spiegelt der Ausgabenrichtwert eine Anpassung wider, mit der die Verzerrung der 10-Jahres-Referenzrate des Potenzialwachstums korrigiert wird, die durch das außergewöhnlich starke Wachstum des realen BIP im Jahr 2015 verursacht wurde.

(9)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/42


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Griechenlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Griechenlands 2019

(2019/C 301/08)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Griechenland als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchgeführt werden sollte. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Griechenland die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 1 und 2 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere werden Reformen zur Umsetzung der für die Zeit nach dem Abschluss des Programms eingegangenen Verpflichtungen und die gezielte Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik in den genannten Bereichen dazu beitragen, der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet nachzukommen.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Griechenland wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Griechenlands bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Die Kommission gelangte bei ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Griechenland übermäßige makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Diese Ungleichgewichte wurden insbesondere in Bezug auf den hohen öffentlichen Schuldenstand, den negativen Nettoauslandsvermögensstatus, die zahlreichen notleidenden Kredite in den Bankbilanzen und die nach wie vor hohe Arbeitslosenquote festgestellt. Darüber hinaus werden bei den in den letzten Jahren eingeleiteten tiefgreifenden institutionellen und strukturellen Reformen, die auf die Modernisierung der Wirtschaft und des Staates abzielen, mehrere Jahre der konsequenten Umsetzung erforderlich sein, bis sie ihre volle Wirkung entfalten werden.

(4)

Am 26. April 2019 übermittelte Griechenland sein nationales Reformprogramm 2019 und am 30. April 2019 sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies für die Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der europäischen Struktur- und Investitionsfonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung (5) hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Griechenland befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt der Übergangsregelung für den Schuldenabbau. Es sollte auch weiterhin für eine solide Haushaltslage sorgen, die die Einhaltung des im Durchführungsbeschluss (EU) 2017/1226 des Rates (6) für 2018 und die Folgejahre festgelegten Primärüberschussziels von 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sicherstellt. Im Frühjahr 2018 hat der Rat im Rahmen des Europäischen Semesters keine länderspezifische Empfehlung an Griechenland gerichtet, da das Land zu diesem Zeitpunkt einem makroökonomischen Anpassungsprogramm unterlag und deshalb gemäß Artikel 12 der Verordnung (EU) Nr. 472/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (7) von der Überwachung und Bewertung im Rahmen des Europäischen Semesters befreit war. Die Vorschriften sehen für die Zeit nach Abschluss des Programms vor, dass Griechenland einer verstärkten Überwachung unterliegt und gleichzeitig in den Rahmen des Europäischen Semesters der wirtschafts- und sozialpolitischen Koordinierung integriert wird, wobei Synergien zwischen den Verfahren der verstärkten Überwachung und des Europäischen Semesters so umfassend wie möglich genutzt werden sollten.

(7)

In seinem Stabilitätsprogramm 2019 plant Griechenland für den Zeitraum 2019-2022 einen Gesamtüberschuss zwischen 1,1 % und 1,7 % des BIP. Das mittelfristige Haushaltsziel — ein struktureller Haushaltsüberschuss von 0,25 % des BIP — soll ab dem Jahr 2020 erfüllt werden. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos (8) dürfte dieses mittelfristige Haushaltsziel im gesamten Programmzeitraum übertroffen werden, und die gesamtstaatliche Schuldenquote dürfte bis 2022 schrittweise auf 153,3 % des BIP zurückgehen. Das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegende makroökonomische Szenario, das von einer unabhängigen Einrichtung befürwortet wurde, ist günstig. Nach der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission wird voraussichtlich 2019 ein struktureller Überschuss von 1,9 % des BIP und 2020 ein struktureller Überschuss von 0,8 % des BIP erzielt — damit würde das mittelfristige Haushaltsziel übertroffen. Den Prognosen zufolge wird der gesamtstaatliche Schuldenstand auf einem Abwärtskurs bleiben und die Übergangsregelung für den Schuldenabbau im Jahr 2019 sowie die Schuldenregel im Jahr 2020 eingehalten. Insgesamt lässt die Frühjahrsprognose 2019 der Kommission — in der die nach dem Stichtag ergriffenen neuen Maßnahmen allerdings nicht berücksichtigt werden — darauf schließen, dass Griechenland die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 einhalten dürfte. Ebenso deutet die Frühjahrsprognose darauf hin, dass Griechenland das im Rahmen der verstärkten Überwachung angestrebte Primärüberschussziel von 3,5 % des BIP erreichen dürfte.

(8)

Im Stabilitätsprogramm und in der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission werden neue dauerhafte Maßnahmen, die kurz nach den einschlägigen Einreichungs- und Stichtagen angekündigt bzw. angenommen wurden, nicht berücksichtigt. Die Kommission schätzt die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf den Haushalt im Jahr 2019 und in den Folgejahren auf mehr als 1,0 % des BIP. Ferner wird festgestellt, dass die Annahme dieser neuen Maßnahmen ein Risiko für das im Rahmen der verstärkten Überwachung angestrebte Primärüberschussziel darstellt, das im Durchführungsbeschluss (EU) 2017/1226 festgelegt ist. Darüber hinaus dürften die neuen Maßnahmen den strukturellen Saldo verringern, was Bedenken hinsichtlich der Erreichung des mittelfristigen Haushaltsziels im Jahr 2020 aufwirft. Allerdings wird im Herbst 2019 eine Neubewertung vorgenommen, in deren Rahmen der anwendbare Richtwert für die Wachstumsrate der Nettoausgaben im Jahr 2020 überprüft wird. Während der gesamtstaatliche Schuldenstand den Prognosen zufolge auf einem Abwärtskurs bleiben dürfte, könnten einige Risiken hinsichtlich der Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau bestehen. Dies wird im Herbst infolge der neu angenommenen Maßnahmen neu bewertet werden müssen.

(9)

Nach dem erfolgreichen Abschluss des Finanzhilfeprogramms des Europäischen Stabilitätsmechanismus unterliegt Griechenland im Rahmen des Europäischen Semesters einer Überwachung nach Abschluss des Programms und gemäß der Verordnung (EU) Nr. 472/2013 der verstärkten Überwachung. Durch die Aktivierung der verstärkten Überwachung für Griechenland im Einklang mit den Durchführungsbeschlüssen (EU) 2018/1192 (9) und (EU) 2019/338 (10) der Kommission wird die Tatsache anerkannt, dass das Land auf mittlere Sicht weitere Maßnahmen ergreifen muss, um die Ursachen oder potenziellen Ursachen makroökonomischer Ungleichgewichte anzugehen, und dass es Strukturreformen umsetzen muss, die eine robuste und nachhaltige wirtschaftliche Erholung unterstützen. Griechenland hat sich am 22. Juni 2018 in der Euro-Gruppe verpflichtet, alle im Rahmen des Programms verabschiedeten wichtigen Reformen fortzuführen und vollständig abzuschließen. Griechenland hat sich ferner verpflichtet, in den Bereichen haushaltspolitische und strukturelle finanzpolitische Maßnahmen, Sozialfürsorge, Finanzstabilität, Arbeits- und Produktmärkte, Privatisierung und öffentliche Verwaltung spezifische Maßnahmen durchzuführen. Griechenland unterliegt der vierteljährlichen Berichterstattung über die Fortschritte bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen im Rahmen der verstärkten Überwachung. Dabei kann ein positiver Bericht auf Sechsmonatsbasis die Freigabe von Schuldenerleichterungsmaßnahmen im Umfang von 0,7 % des BIP pro Jahr bewirken. Die Freigabe der ersten Tranche politikabhängiger Schuldenerleichterungsmaßnahmen im Umfang von 970 Mio. EUR wurde im April 2019 von der Euro-Gruppe beschlossen. Der dritte Bericht im Rahmen der verstärkten Überwachung, in dem die Fortschritte Griechenlands bei der Umsetzung seiner Verpflichtungen bewertet werden, wurde am 5. Juni 2019 veröffentlicht.

(10)

Reformen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und der Qualität der Institutionen, insbesondere der Effizienz des Justizsystems, würden die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit Griechenlands erhöhen, die Zahlungsdisziplin verbessern und erhebliche Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen und Unternehmensansiedlungen haben. Trotz der jüngsten Verbesserungen bestehen im griechischen Justizsystem nach wie vor Herausforderungen und Ineffizienzen, da die Beschlussfassung häufig zu lange dauert und der Verfahrensrückstau die Produktivität der Gerichte beeinträchtigt. Daher sind weitere gezielte Maßnahmen in diesem Bereich entscheidend, auch um das reibungslose Funktionieren des Finanzsystems zu unterstützen und die Erschließung des Investitionspotenzials zu erleichtern.

(11)

Aufgrund der über mehrere Jahre unzureichenden Investitionen hat sich in Griechenland ein beträchtlicher Investitionsrückstand gebildet. Verstärkte wachstumsfördernde Investitionen sind nun unbedingt erforderlich, um das längerfristige Wachstum zu stützen und die regionalen Unterschiede zu verringern. Reformen im Finanzsektor, die die Ausweitung des Kreditangebots begünstigen, werden eine Schlüsselrolle bei der Förderung von Investitionen spielen. Im Länderbericht 2019 wurden die prioritären Bereiche für Investitionen des öffentlichen und des privaten Sektors genannt.

(12)

Umfangreichere Investitionen in allgemeine und berufliche Bildung sind von entscheidender Bedeutung, um die Produktivität und das langfristige inklusive Wachstum in Griechenland zu verbessern und die Wachstumshindernisse in den innovativen Sektoren zu beseitigen. Im griechischen Bildungssystem gibt es vielfältige Herausforderungen zu bewältigen, wie unzureichende Ressourcen, geringe Autonomie, schwache Leistungen in grundlegenden (auch digitalen) Fertigkeiten und ein anhaltendes Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage. Auf allen Ebenen fehlt es weitgehend an Rechenschaftspflichten und Überwachungsmechanismen, die für eine qualitative Verbesserung des Bildungssystems notwendig sind. Die Förderung einer hochwertigen und inklusiven allgemeinen und beruflichen Bildung, die Schaffung enger Verbindungen zwischen Bildung und Arbeitsmarkterfordernissen, die Verbesserung der Attraktivität der Berufsbildung und eine verstärkte Teilnahme am lebenslangen Lernen sind wichtig, um ein nachhaltiges Wachstum zu unterstützen.

(13)

Trotz der jüngsten Verbesserungen ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen, der im Jahr 2018 bei 70 % der Arbeitslosen in Griechenland lag, sehr hoch, und auch die hohe Jugendarbeitslosigkeitsquote und die schwache Erwerbsbeteiligung der Frauen sind problematisch. Maßnahmen sollten insbesondere auf die Verbesserung der Beschäftigungschancen, die Förderung der Erwerbsbeteiligung und günstigere Bedingungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen abzielen. Ein wirksamer sozialer Dialog und eine verantwortungsvolle Sozialpartnerschaft können in Griechenland ein Umfeld begünstigen, das die Umsetzung nachhaltiger Reformen ermöglicht und ihre Akzeptanz unterstützt und schließlich für einen besser funktionierenden Arbeitsmarkt sorgt.

(14)

Es wurden zwar Reformen eingeleitet, doch die Einkommensschere geht in Griechenland weit auseinander, und seine Sozialtransfers verringern das Armutsrisiko sehr viel weniger als in fast allen anderen Ländern der Union (um 15,83 % im Jahr 2017 gegenüber einem Unionsdurchschnitt von 33,98 %). Der Schwerpunkt der Investitionen sollte auf der Verbesserung des Zugangs zu inklusiven, erschwinglichen und hochwertigen sozialen Dienstleistungen sowie auf der Entwicklung von Kindertagesstätten liegen. Durch die Unterstützung der am stärksten von Armut betroffenen Personen und die Förderung der sozialen Integration der von Armut bedrohten Kinder, von Menschen mit Behinderungen, von Migranten und von Flüchtlingen ließe sich die soziale Inklusion in Griechenland verbessern, wobei immer auch den geografischen Unterschieden Rechnung zu tragen wäre.

(15)

Griechenland hat 2017 eine weitreichende Reform des medizinischen Grundversorgungssystems eingeleitet, die den Zugang zu Versorgungsleistungen entscheidend verbessern wird, aber noch weitere Investitionen erfordert, da lokale Gesundheitseinrichtungen („TOMYs“) eingerichtet werden müssen.

(16)

Das griechische Verkehrssystem steht vor großen Herausforderungen. Es ist weitgehend straßengebunden und stark mineralölabhängig. Die Hauptverbindungen sind entlang der Achse Athen–Thessaloniki ausgerichtet. Die Transportkosten bleiben hoch. Dahingegen sind die Servicequalität, die Sicherheitsnormen und die Marktdurchdringung intelligenter Beförderungssysteme nach wie vor niedrig. Neue Investitionen sind erforderlich, um den kombinierten Verkehr auszubauen und die regionale Integration und Stadtentwicklung zu fördern.

(17)

Mit Blick auf die Angleichung der Umweltschutzstandards des Landes an den Rest der Union ist die Behandlung von festen Abfällen und von kommunalem und industriellem Abwasser der wichtigste Bereich, in dem zusätzliche Investitionen erforderlich sind. Die Bewirtschaftung fester Abfälle stellt nach wie vor eine große strukturelle Herausforderung dar, da Griechenland nach wie vor stark auf Deponierung und mechanisch-biologische Abfallbehandlung zurückgreift, anstatt auf modernere Techniken zu setzen. Zudem erreicht der Anteil der recycelten Siedlungsabfälle nur etwa ein Drittel des Unionsdurchschnitts. Investitionen sind auch erforderlich, um die Wasserbehandlung zu verbessern, die Grundwasserversalzung zu bekämpfen und die Maßnahmen zur Hochwasservermeidung sowie zur Renaturierung der Wasserläufe zu verstärken.

(18)

Die unzureichend entwickelten Infrastrukturen erhöhen die Energiekosten für Unternehmen und Haushalte und behindern die Erschließung erneuerbarer Energiequellen. Hinsichtlich der elektrischen Versorgung der Inseln und der Anbindung an die Nachbarländer hat Griechenland besondere Probleme zu bewältigen. Ein weiterer Ausbau der gewerblichen Gasversorgung würde das Wachstum des Marktes unterstützen. Bei der Reform sowohl des Gas- als auch des Strommarktes sollte auf neue Infrastrukturmöglichkeiten gesetzt werden.

(19)

Der digitale Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft gestaltet sich nach wie vor schwierig, da der Zugang zu Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetzen und die digitalen Kompetenzen weit unter dem Unionsdurchschnitt liegen. Griechenland muss insbesondere in Informations- und Kommunikationstechnologien investieren, nicht zuletzt, um den Rückstand aufzuholen, der durch die krisenbedingte Investitionsflaute entstanden ist. Die unzureichende Hochgeschwindigkeitsbreitbandversorgung stellt für dynamische exportorientierte Unternehmen ein großes Hindernis dar. Die Investitionen in Innovation und die Kompetenzen der Menschen reichen nicht aus, um das Produktivitätswachstum zu stützen. Die mangelnden digitalen Kompetenzen in weiten Kreisen der Bevölkerung führen nicht nur dazu, dass die Betroffenen keine Arbeit finden, sondern sie behindern auch die Entwicklung innovativer Unternehmen.

(20)

Es sind neue Strategien für eine „intelligente Spezialisierung“ auf nationaler und regionaler Ebene sowie zusätzliche Maßnahmen zur Behebung der akutesten Schwächen des Forschungs- und Innovationssystems erforderlich, um marktorientierte Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) zu verstärken, da diese weiterhin zu gering sind und das Wachstumspotenzial Griechenlands beeinträchtigen. Fortschritte im Bereich der wissenschaftlichen Fachkompetenz werden durch die geringe Intensität der öffentlichen FuE, das Fehlen eines leistungsbasierten Finanzierungssystems und die schwachen Verbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gebremst. Umfangreichere Investitionen sind auch erforderlich, um die schwache technologische Entwicklung anzukurbeln, die sich daran ablesen lässt, dass im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten sehr viel weniger Patente angemeldet werden, und um das Potenzial von neugegründeten sowie expandierenden Jungunternehmen umfassend auszuschöpfen.

(21)

Ein übergreifender Investitionsbedarf besteht bei der Sanierung benachteiligter Stadtgebiete, Inseln und Berggebiete, da die von der Wirtschaftskrise verursachten Schäden und Qualitätseinbußen bei Sachanlagen und Humankapital angegangen werden müssen. Die nachhaltige Sanierung benachteiligter und/oder deindustrialisierter Gebiete in den Ballungsräumen Athen-Piräus und Thessaloniki und einigen wichtigen Städten in anderen Landesteilen ist eine besondere kurz- bis mittelfristige Priorität. Zu den längerfristigen Prioritäten gehören die Entwicklung einer nachhaltigen Produktionstätigkeit, die Verbesserung der Verkehrs- und Sicherheitssysteme, Energieeffizienz und erneuerbare Energien, Umweltschutz und die Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Naturkatastrophen und sozioökonomischen Krisen. In den benachteiligten Gebieten sollten die Maßnahmen auch auf soziale Inklusion, die Integration von Migranten und den Erwerb von Kompetenzen abzielen, um die Arbeitslosigkeit zu verringern, und auf kulturelle Aktivitäten, die dazu beitragen können, die Attraktivität dieser Gebiete zu erhöhen. Diese Herausforderungen im Rahmen integrierter Stadtsanierungsstrategien anzugehen, ist das sicherste Mittel, um optimale wirtschaftliche, soziale und ökologische Ergebnisse zu erzielen.

(22)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 auch im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. Dies würde es Griechenland ermöglichen, diese Fonds unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen. Der Ausbau der Kapazitäten des Landes zur Verwaltung dieser Fondsmittel ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg dieser Investitionen.

(23)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Griechenlands umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019 und das nationale Reformprogramm 2019 bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Griechenland berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet.

(24)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt (11), dass Griechenland den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird.

(25)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 und 2 wider. Diese Empfehlungen tragen auch zur Umsetzung der ersten vier Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet bei —

EMPFIEHLT, dass Griechenland 2019 und 2020

1.   

im Einklang mit den am 22. Juni 2018 in der Euro-Gruppe für die Zeit nach dem Abschluss des Programms eingegangenen Verpflichtungen seine Reformen weiterführt und vollständig umsetzt, um eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung zu erreichen und die übermäßigen makroökonomischen Ungleichgewichte zu beseitigen;

2.   

den Schwerpunkt seiner investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede und der erforderlichen sozialen Inklusion auf Verkehr und Logistik, Umweltschutz, Energieeffizienz, erneuerbare Energie und Vernetzungsvorhaben, digitale Technologien, FuE, Bildung, Kompetenzen, Beschäftigungsfähigkeit‚ Gesundheit sowie Stadtsanierung legt.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(5)  COM(2014) 494 final.

(6)  Durchführungsbeschluss (EU) 2017/1226 des Rates vom 30. Juni 2017 zur Änderung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2016/544 zur Genehmigung des makroökonomischen Anpassungsprogramms für Griechenland (2015/1411) (ABl. L 174 vom 7.7.2017, S. 22).

(7)  Verordnung (EU) Nr. 472/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über den Ausbau der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung von Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet, die von gravierenden Schwierigkeiten in Bezug auf ihre finanzielle Stabilität betroffen oder bedroht sind (ABl. L 140 vom 27.5.2013, S. 1).

(8)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(9)  Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1192 der Kommission vom 11. Juli 2018 über die Aktivierung einer verstärkten Überwachung für Griechenland (ABl. L 211 vom 22.8.2018, S. 1).

(10)  Durchführungsbeschluss (EU) 2019/338 der Kommission vom 20. Februar 2019 über die Aktivierung einer verstärkten Überwachung für Griechenland (ABl. L 60 vom 28.2.2019, S. 17).

(11)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/48


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Spaniens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Spaniens 2019

(2019/C 301/09)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, womit das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Spanien als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Spanien die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den Empfehlungen 1 bis 4 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität werden zur Umsetzung der ersten Euro-Währungsgebiet-empfehlung (Produktivitätssteigerungen zum Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet) beitragen; die Verwendung unerwarteter Mehreinnahmen zur Verringerung der öffentlichen Verschuldung und die Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die ermittelten Bereiche wird dazu beitragen, der zweiten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung, wieder Puffer aufzubauen und Investitionen zu fördern, nachzukommen; Maßnahmen zur Verbesserung der Qualifikationen und der Beschäftigungsfähigkeit werden die Umsetzung der dritten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung (Funktionieren des Arbeitsmarkts) voranbringen.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Spanien wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Spaniens bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Die Kommission gelangte aufgrund ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Spanien makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die hohe öffentliche und private Inlands- und Auslandsverschuldung und die hohe Arbeitslosigkeit bei schwachem Produktivitätswachstum sind nach wie vor Schwachpunkte, die grenzübergreifende Auswirkungen haben. Der Schuldenabbau im privaten Sektor kommt voran, doch es bedarf weiterer deutlicher Fortschritte. Trotz des weiterhin robusten Wachstums des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist die gesamtstaatliche Schuldenquote weiterhin hoch. Die Arbeitslosenquote geht weiter rapide zurück, verbleibt aber dennoch auf einem sehr hohen Niveau, und die starke Segmentierung des Arbeitsmarkts nach befristeten und unbefristeten Arbeitsverträgen steht einer rascheren Steigerung der Arbeitsproduktivität im Weg. Nach der starken Reformdynamik der Jahre 2012 bis 2015 haben die politischen Entwicklungen des vergangenen Jahres dazu beigetragen, dass wieder ein Jahr lang nur begrenzte Fortschritte bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der vorangegangenen Jahre erzielt wurden. Die günstige aktuelle Wirtschaftslage bietet Gelegenheit, den noch ausstehenden Reformbedarf anzugehen, um die spanische Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen und das Produktivitätswachstum zu erhöhen.

(4)

Am 30. April 2019 übermittelte Spanien sein Nationales Reformprogramm 2019 und sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Im Stabilitätsprogramm 2019 wird über Maßnahmen berichtet, die zur Umsetzung der im spanischen Stabilitätsgesetz vorgesehenen präventiven und korrektiven Instrumente ergriffen wurden. Es enthält jedoch keine Pläne für eine automatische Durchsetzung dieser Instrumente und sieht auch keine Überprüfung der Ausgabenregel des Stabilitätsgesetzes vor, um ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung, insbesondere in wirtschaftlichen Aufschwungphasen, zu verstärken. Im Bereich des öffentlichen Auftragswesens wird die ehrgeizige Umsetzung des 2017 verabschiedeten Gesetzes über Verträge im öffentlichen Sektor von entscheidender Bedeutung sein, um die Effizienz der öffentlichen Ausgaben zu steigern und Unregelmäßigkeiten zu vermeiden. Insbesondere ist es wichtig, dass die neue Lenkungsstruktur, insbesondere die unabhängige Regulierungs- und Aufsichtsbehörde OIReScon, die ihr zugewiesenen Aufgaben wirksam wahrnehmen kann und dass die umfassende nationale Strategie für die öffentliche Auftragsvergabe unter aktiver Beteiligung der öffentlichen Auftraggeber und Vergabestellen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zügig angenommen wird. Ferner steht 2019 eine Reihe von Ausgabenüberprüfungen an. Die Umsetzung der daraus abgeleiteten Empfehlungen dürfte dazu beitragen, die Effizienz der öffentlichen Ausgaben zu steigern.

(6)

Bei der Programmplanung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(7)

Infolge der fristgerechten und dauerhaften Korrektur des übermäßigen Defizits und des Beschlusses (EU) 2019/1001 des Rates (6), das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit einzustellen, befindet sich Spanien in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt der Übergangsregelung für den Schuldenabbau. Demnach wird eine Erhöhung des gesamtstaatlichen Haushaltssaldos von – 2,5 % des BIP im Jahr 2018 auf – 2,0 % des BIP im Jahr 2019 projiziert; im Jahr 2022 soll ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden. Angesichts des neuberechneten strukturellen Saldos (7) wird nicht davon ausgegangen, dass das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturell ausgeglichener Haushalt — während des vom Stabilitätsprogramm 2019 erfassten Zeitraums erreicht wird. Dem Stabilitätsprogramm 2019 zufolge soll die gesamtstaatliche Schuldenquote von 97,1 % im Jahr 2018 auf 95,8 % im Jahr 2019 und dann auf 88,7 % im Jahr 2022 zurückgehen. Das diesen Projektionen zugrunde liegende makroökonomische Szenario ist plausibel. Risiken für die Erreichung der im Stabilitätsprogramm 2019 festgelegten Haushaltsziele bestehen vor allem auf der Einnahmenseite, da große Ungewissheit hinsichtlich des Ertrags vieler einnahmenseitiger Maßnahmen bzw. der Wahrscheinlichkeit, dass diese Maßnahmen verabschiedet werden, besteht.

(8)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat Spanien, sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben (8) im Jahr 2019 0,6 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,65 % des BIP entspricht. Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission besteht im Jahr 2019 die Gefahr einer erheblichen Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel.

(9)

Angesichts der für Spanien geschätzten gesamtstaatlichen Schuldenquote, die über dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von 60 % des BIP liegt, und der prognostizierten positiven Produktionslücke von 2,0 % des BIP sollten im Jahr 2020 die nominalen gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben nicht steigen; dies steht im Einklang mit der strukturellen Anpassung von 1,0 % des BIP nach der gemeinsam vereinbarten Anpassungsmatrix hinsichtlich der Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Gleichzeitig gibt es Anzeichen dafür, dass die ruhenden Kapazitäten der Wirtschaft unterschätzt werden; den Prognosen zufolge wird 2019 und 2020 die Inflation unter 2 % bleiben und die Stagnation des Arbeitsmarkts anhalten (hohe Arbeitslosenquote und sehr hoher Anteil unfreiwilliger Teilzeitarbeit, befristeter Arbeitsverhältnisse und Erwerbstätigenarmut). Zudem weist das Plausibilitätsinstrument auch darauf hin, dass große Unsicherheit hinsichtlich der auf der gemeinsamen Methodik beruhenden Schätzungen der Produktionslücke besteht. Infolgedessen erscheint eine jährliche strukturelle Anpassung von 0,65 % des BIP angemessen, was einer Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben von höchstens 0,9 % entspricht. Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission besteht 2020 unter Annahme einer unveränderten Politik die Gefahr einer erheblichen Abweichung von der erforderlichen Haushaltsanpassung. Außerdem wird Spanien die Übergangsregelung für den Schuldenabbau 2019 und 2020 voraussichtlich nicht einhalten. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass die erforderlichen Maßnahmen ab 2019 ergriffen werden sollten, um die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten. Es wäre wichtig, unerwartete Mehreinnahmen zum weiteren Abbau der gesamtstaatlichen Schuldenquote einzusetzen.

(10)

Das Beschäftigungswachstum in Spanien ist nach wie vor robust. Die Arbeitslosigkeit ist weiter rückläufig, liegt aber — vor allem bei jungen Menschen und Geringqualifizierten — immer noch deutlich über dem Unionsdurchschnitt. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Beschäftigung und Dauer der beruflichen Laufbahn sind nach wie vor groß. Hier liegt ein ungenutztes Potenzial, nicht zuletzt angesichts der rasch alternden Bevölkerung.

(11)

Befristete Arbeitsverträge werden, auch in Wirtschaftszweigen, in denen weniger saisonale oder konjunkturabhängige Tätigkeiten anfallen, zwar allmählich weniger verwendet, sind aber immer noch weit verbreitet, sodass Spanien einer der Mitgliedstaaten mit dem höchsten Anteil an Zeitverträgen ist; dies kann das Wachstumspotenzial Spaniens und den sozialen Zusammenhalt beeinträchtigen. Junge Menschen, Geringqualifizierte und Drittstaatsangehörige sind am stärksten betroffen; sie haben oft geringere Ansprüche auf Sozialleistungen und sind stärker von Armut bedroht. Befristete Arbeitsverträge werden oftmals nur für kurze Zeiträume abgeschlossen und bieten sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern nur schwache Anreize, in Aus- und Weiterbildung zu investieren, was wiederum das Produktivitätswachstum bremst. Der Übergang von einem befristeten zu einem unbefristeten Vertrag ist nach wie vor schwierig, und Hindernisse für die Arbeitsmarktmobilität schränken die Möglichkeiten für Arbeitsuchende ein und behindern eine effiziente landesweite Arbeitskräfteverteilung.

(12)

Spanien hat die Unterstützung von Langzeitarbeitslosen verstärkt, die 2018 immer noch 6,4 % der Erwerbsbevölkerung ausmachten. Die jüngsten Initiativen zielen darauf ab, die Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen durch Beratung und berufliche Orientierung zu verbessern, doch wird nach wie vor nur ein geringer Teil der freien Stellen über die öffentliche Arbeitsvermittlung besetzt, sodass weitere Anstrengungen erforderlich sind, um deren Bedeutung für die Arbeitssuche und Stellenbesetzung zu verbessern. In einigen Regionen ist die Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern gering, und Profiling-Instrumente für einen besseren Abgleich des Profils von Arbeitsuchenden mit dem Bedarf der Arbeitgeber befinden sich noch in der Anfangsphase. Die Partnerschaften zwischen den öffentlichen Arbeitsverwaltungen und den sozialen Diensten machen Fortschritte, aber die Zusammenarbeit ist in einigen Regionen nach wie vor begrenzt. Verstärkte Investitionen in moderne öffentliche Arbeitsverwaltungen und die Förderung der Mobilität der Arbeitnehmer könnten dazu beitragen, die Beschäftigungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer zu verbessern und Arbeitsmarktübergänge zu erleichtern, wodurch die Produktivität und das langfristige integrative Wachstum in Spanien verbessert würden.

(13)

Die Bemühungen, die Arbeitsaufsichtsbehörden zu stärken, um den Missbrauch von befristeten Arbeitsverträgen zu bekämpfen, tragen Früchte, und der Anteil unbefristeter Verträge am Netto-Beschäftigungswachstum steigt. Die Arbeitgeber nutzen jedoch weiterhin häufig kurzfristige Verträge. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die zahlreichen Anreize zur Schaffung von Arbeitsplätzen nur in geringem Maße zu hochwertiger Beschäftigung führen. Spanien hat eine neue Bewertung eingeleitet, um das System zu vereinfachen; die Ergebnisse liegen jedoch noch nicht vor. Die Stellenausschreibungen zur Senkung des Anteils befristeter Arbeitsverhältnisse auf allen Ebenen des öffentlichen Sektors müssen beschleunigt werden, um das 8-Prozent-Ziel bis zum Ende der Auswahlverfahren des Jahres 2020 zu erreichen. Die Einrichtung trilateraler Rundtischgespräche ist zwar ein wichtiger Schritt zur stärkeren Einbindung der Sozialpartner in die Politikgestaltung, aber es gibt noch Raum für tiefer gehende und frühzeitigere Konsultationen.

(14)

Der Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen liegt ebenso wie die Einkommensungleichheit weiterhin über dem EU-Durchschnitt. Die Erwerbstätigenarmut von Arbeitnehmern, die befristet eingestellt, gering qualifiziert oder nicht in der EU geboren sind, ist hoch. Die Kinderarmutsquote ist rückläufig, aber immer noch sehr hoch. Der Beitrag der Sozialleistungen (ohne Renten) zur Verringerung der Armut, insbesondere bei Kindern, ist nach wie vor einer der niedrigsten in der Union. Die spanischen Sozialausgaben für Haushalte mit Kindern gehören zu den niedrigsten in der EU (gemessen am BIP) und sind nur wenig zielgerichtet, ungeachtet eines geringen Anstiegs bei der bedürftigkeitsabhängigen Leistung für Kinder. Trotz eines positiven Trends bestehen immer noch erhebliche Abdeckungslücken, sodass viele Menschen, die stark oder in gewissem Umfang auf Leistungen angewiesen sind, nicht erreicht werden. Die nationale Arbeitslosenhilfe ist nach wie vor fragmentiert, denn es gibt zahlreiche unterschiedliche Regelungen für verschiedene Gruppen von Arbeitssuchenden. Neuere Maßnahmen zur Verbesserung der Abdeckung und des Schutzes durch Einkommensstützung für ältere Langzeitarbeitslose (ab 52 Jahren) können in dieser speziellen Gruppe auch die Arbeitsanreize schwächen. Die regionalen Mindesteinkommensregelungen weisen große Unterschiede hinsichtlich der Anspruchsregelungen, der Abdeckung und der Angemessenheit auf, und ihre begrenzte Übertragbarkeit zwischen Regionen verringert die Anreize für die Mobilität der Arbeitskräfte. Infolgedessen erhalten zahlreiche bedürftige Personen keine Unterstützung. Die Einführung einer universellen Sozialkarte wird die Transparenz der Sozialleistungen erhöhen und somit eine bessere Zielorientierung ermöglichen. Auch wenn die Armut dank der wirtschaftlichen Erholung weiterhin zurückgeht, sind Investitionen in Maßnahmen zur sozialen Eingliederung und in die soziale Infrastruktur (z. B. den sozialen Wohnungsbau) erforderlich, um ein inklusives Wachstum zu erreichen. Außerdem steht Spanien z. B. aufgrund der akuten Abwanderung und der Alterung der Bevölkerung in bestimmten ländlichen Gebieten vor besonderen Herausforderungen bei der Gewährleistung des territorialen Zusammenhalts. Maßnahmen zur Förderung der unternehmerischen Initiative, der Digitalisierung und der Sozialwirtschaft können im Rahmen integrierter territorialer Entwicklungsstrategien dazu beitragen, diesen Herausforderungen zu begegnen.

(15)

Während der Krise spielte das spanische Rentensystem eine wichtige Rolle für die Aufrechterhaltung des Lebensstandards älterer Menschen, die weniger von Armut bedroht sind. Die Prognosen des Berichts über die Bevölkerungsalterung 2018 und des Berichts zur Angemessenheit der Renten- und Pensionshöhe 2018 deuten darauf hin, dass die Reformen von 2011 und 2013 dazu beigetragen haben, die Tragfähigkeit und relative Angemessenheit der Renten langfristig zu sichern. Eine Fortsetzung der (2018 und 2019 beschlossenen) erneuten Anpassung der Rentenerhöhungen an die Inflation und die spätere Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors würden jedoch Ausgleichsmaßnahmen erforderlich machen, um die Tragfähigkeit des Rentensystems mittel- bis langfristig zu gewährleisten. Zudem müssten angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der weit verbreiteten befristeten Arbeitsverträge und Teilzeitbeschäftigung Maßnahmen mit Blick auf das Hauptproblem, die Angemessenheit der Einkommen künftiger Rentner, und auf die Dauer und Vollständigkeit der beruflichen Laufbahnen getroffen werden.

(16)

Die Innovationsleistung und das Produktivitätswachstum in Spanien werden durch die gedämpften Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie durch das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage behindert. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im spanischen Unternehmenssektor erreichen insbesondere bei großen Unternehmen, jedoch mit erheblichen regionalen Unterschieden, nur die Hälfte des Unionsdurchschnitts. Diese Divergenz wird durch die geringe und rückläufige Ausführungsrate der öffentlichen Mittel für Forschung und Entwicklung verstärkt, insbesondere in Bezug auf Darlehen. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen stellen auch der Fachkräftemangel und Qualifikationsungleichgewichte große Hindernisse für die Entwicklung und den Einsatz fortgeschrittener Technologien dar. Die Beschäftigung in Hochtechnologiesektoren und Branchen, die wissensintensive Dienstleistungen erbringen, liegt in vielen spanischen Regionen weit unter dem Unionsdurchschnitt. Nun werden regionale Innovationsstrategien für intelligente Spezialisierung entwickelt und die Steuerung der nationalen Forschungs- und Innovationspolitik wird gestrafft, aber die Koordinierung zwischen der nationalen und der regionalen Ebene bei der Planung, Durchführung und Bewertung der Maßnahmen ist nach wie vor nur schwach ausgeprägt. Die Verbesserung der Innovationsleistung Spaniens erfordert erhebliche Investitionen, um Unternehmertum und Start-ups sowie deren Wachstum, die Wettbewerbsfähigkeit aller Unternehmen und deren Anpassung — auch über Digitalisierung — zu fördern, damit sie Tätigkeiten mit höherem Mehrwert ausüben und ihre Präsenz auf den internationalen Märkten ausbauen können. Ferner sind mehr öffentlich-private Partnerschaften, eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen und mehr Technologietransfer, insbesondere zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen, eine bessere Steuerung der Forschungs- und Innovationspolitik auf allen Regierungsebenen sowie eine stärkere Anpassung der Forschungs- und Entwicklungsinfrastrukturen und -projekte an regionale und nationale Innovationsstrategien erforderlich.

(17)

Die Schulabbrecherquote in Spanien ist zwar rückläufig, aber nach wie vor sehr hoch, wobei erhebliche regionale Unterschiede festzustellen sind. Bei den Bildungsergebnissen, die in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich ausfallen, gibt es Raum für Verbesserungen. Beide Faktoren wirken sich negativ auf das langfristige Produktivitätswachstumspotenzial aus. Die Bemühungen um eine Reform des Bildungswesens sind ins Stocken gekommen. Unternehmen berichten über Schwierigkeiten bei der Suche nach Mitarbeitern mit den für Innovation benötigten Kompetenzen, insbesondere bei der Suche nach Spezialisten für Informations- und Kommunikationstechnologien. Spanien hat Maßnahmen zur Verbesserung des dualen Berufsbildungssystems verabschiedet, das eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung der für die Verbreitung von Innovationen benötigten Fähigkeiten und Qualifikationen spielen könnte, aber nach wie vor nur in geringem Umfang genutzt wird. Die spanische Hochschulabschlussquote liegt über dem Unionsdurchschnitt; Hochschulabsolventen haben jedoch Schwierigkeiten, einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden. Die Entwicklung des Humankapitals auf allen Ebenen der allgemeinen und beruflichen Bildung, einschließlich der Hochschul- und Berufsbildung, und eine engere Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen zur Verringerung von Qualifikationsungleichgewichten könnten den Zugang junger Hochschulabsolventen zum Arbeitsmarkt verbessern. So könnten Unternehmen Mitarbeiter mit den für die Verbesserung der Innovationskapazität benötigten Fachkenntnissen und Qualifikationen finden und das durch die Digitalisierung entstehende Wachstumspotenzial voll nutzen. Der Ausbau der digitalen Kompetenzen von Arbeitnehmern würde es den spanischen Unternehmen ermöglichen, in einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben. All diese Maßnahmen würden zur Verringerung der regionalen Ungleichheiten beitragen.

(18)

Die restriktive und fragmentierte Regulierung in Spanien hindert Unternehmen daran, Größenvorteile zu nutzen, und bremst die Produktivität. Das Gesetz über die Einheit des Marktes ist nach wie vor ein wichtiges Instrument, um diese Probleme anzugehen. Eine entschiedenere Umsetzung dieses Gesetzes und die Beseitigung der festgestellten Beschränkungen für Dienstleistungen, insbesondere für bestimmte freiberufliche Dienstleistungen (z. B. von Bauingenieuren, Architekten und Rechtsdienstleistern), würden die Wachstumschancen und den Wettbewerb verbessern. Wie in anderen Bereichen, in denen die Regionen für die erfolgreiche Umsetzung der Reformen entscheidend sind, könnte eine stärkere und nachhaltige Koordinierung zwischen den nationalen und regionalen Behörden die Wirksamkeit der Maßnahmen in diesem Bereich erhöhen.

(19)

Ein unvollständiges Streckennetz für den Güterverkehr auf der Schiene und eine begrenzte Integration in die Strom- und Gasmärkte der Union verhindern, dass Spanien vom Unionsbinnenmarkt voll profitieren kann. Aus diesem Grund muss Spanien in Stromverbindungsleitungen zur Anbindung an die übrige Union investieren, damit das Stromverbundziel von mindestens 10 % seiner installierten Stromerzeugungskapazität bis 2020 erreicht wird. Um eine stärkere Nutzung der Schiene für den Güterverkehr zu ermöglichen, muss es beispielsweise in grenzüberschreitende Verbindungen zu Frankreich und Portugal und in die Anbindung an Häfen und logistische Knotenpunkte investieren.

(20)

Auch bei den Maßnahmen, die auf eine nachhaltigere Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen abzielen, bestehen weiterhin erhebliche Investitionslücken. Eine Senkung des Energieverbrauchs in Gebäuden und die Entwicklung intelligenter Netze und von Möglichkeiten zur Speicherung von erneuerbarem Strom würde zu einer besseren Nachfragesteuerung beitragen. Zur Förderung des nachhaltigen Verkehrs und der Kreislaufwirtschaft sollten zusätzliche Anstrengungen unternommen werden. Bestimmte Gebiete Spaniens zählen zu den in Europa am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen; dabei macht der Druck auf die vorhandenen Wasserressourcen weitere Infrastrukturinvestitionen erforderlich, um die Wasserbewirtschaftung zu verbessern, etwa im Hinblick auf die Abwasserbehandlung, die Beseitigung von Leckagen in den Leitungen und die Verbesserung der Wasserversorgung. Trotz kontinuierlicher Fortschritte in den letzten Jahren muss Spanien bestimmten Anforderungen des Wasserrechts der Union noch nachkommen. Fortschritte bei der Verwirklichung dieser Ziele würden Spanien ökologische, wirtschaftliche und soziale Vorteile bringen.

(21)

Bei allen festgestellten Investitionslücken sollten spezifische regionale Unterschiede beim Investitionsbedarf berücksichtigt werden. Die territorialen Unterschiede beim Pro-Kopf-BIP sind moderat, aber weiterhin größer als vor der Krise, was vor allem auf die asymmetrischen Auswirkungen des Abbaus von Arbeitsplätzen in den Regionen zurückzuführen ist. Die größten regionalen Unterschiede sind derzeit bei den Indikatoren für Arbeit und Soziales festzustellen, bei denen die meisten spanischen Regionen unter dem Unionsdurchschnitt liegen. Andere sozioökonomische Indikatoren zeigen große territoriale Unterschiede in Bezug auf Innovation, unternehmerische Initiative und Wettbewerbsfähigkeit auf. Die investitionsbezogene Wirtschaftspolitik sollte den regionalen Unterschieden beim Investitionsbedarf gebührend Rechnung tragen.

(22)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. So könnte Spanien diese Mittel für die ermittelten Sektoren optimal nutzen und dabei die regionalen Unterschiede sowie die besondere Lage der Kanarischen Inseln als Region in äußerster Randlage berücksichtigen. Die Stärkung der administrativen Kapazitäten des Landes für die Verwaltung dieser Mittel ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieser Investitionen.

(23)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Spaniens umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Spanien gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Spanien berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet.

(24)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (9) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider.

(25)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 bis 4 wider. Diese Empfehlungen tragen auch zur Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, insbesondere der ersten, zweiten und dritten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung bei. Die nachstehend in der Empfehlung 1 genannte Haushaltspolitik trägt unter anderem dazu bei, die mit dem hohen gesamtstaatlichen Schuldenstand verbundenen Ungleichgewichte anzugehen —

EMPFIEHLT, dass Spanien 2019 und 2020 Maßnahmen ergreift, um

1.   

sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 0,9 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,65 % des BIP entspricht; Maßnahmen zur Stärkung des haushaltspolitischen Rahmens und des Rahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf allen staatlichen Ebenen zu ergreifen; die Tragfähigkeit des Rentensystems sicherzustellen; unerwartete Mehreinnahmen zu nutzen, um den Abbau der gesamtstaatlichen Schuldenquote zu beschleunigen;

2.   

sicherzustellen, dass die Arbeitsvermittlungsstellen und sozialen Dienste in der Lage sind, wirksame Unterstützung zu leisten; den Übergang zu unbefristeten Verträgen, unter anderem durch Vereinfachung des Systems für Einstellungsanreize, zu fördern; die Unterstützung von Familien zu verbessern und die Fragmentierung der nationalen Arbeitslosenhilfe zu verringern und Abdeckungslücken der regionalen Mindesteinkommensregelungen zu schließen; unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede die Schulabbrecherquote zu senken und die Bildungsergebnisse zu verbessern; die Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen auszuweiten, um die Vermittlung von arbeitsmarktrelevanten Fachkenntnissen und Qualifikationen, insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, zu verbessern;

3.   

den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik — unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede — auf die Förderung von Innovation, Ressourcen- und Energieeffizienz, die Modernisierung der Infrastruktur für den Güterverkehr und den Ausbau der Stromverbundnetze mit der übrigen Union zu legen; die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Förderung von Forschung und Innovation zu steigern;

4.   

die Umsetzung des Gesetzes über die Einheit des Marktes voranzubringen, indem gewährleistet wird, dass die Regeln für den Zugang zu Wirtschaftstätigkeiten und deren Ausübung, besonders im Dienstleistungsbereich, auf allen staatlichen Ebenen mit den Grundsätzen des Gesetzes im Einklang stehen, und indem die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen verbessert wird.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 33.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Beschluss (EU) 2019/1001 des Rates vom 14. Juni 2019 zur Aufhebung der Entscheidung 2009/417/EG zum Bestehen eines übermäßigen Defizits in Spanien (ABl. L 163 vom 20.6.2015, S. 59).

(7)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(8)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(9)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/55


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Frankreichs 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Frankreichs 2019

(2019/C 301/10)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Frankreich als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Frankreich die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 1 bis 4 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere werden Maßnahmen zur Nutzung unerwarteter Mehreinnahmen zur Verringerung der öffentlichen Verschuldung sowie Maßnahmen zur Rationalisierung der öffentlichen Ausgaben und zur Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die ermittelten Bereiche dazu beitragen, die zweite Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet in Bezug auf den erneuten Aufbau von Haushaltspuffern, die Verbesserung der Haushaltslage und die Förderung von Investitionen umzusetzen. Maßnahmen zur Vereinfachung des Steuersystems und zum Abbau regulatorischer Beschränkungen werden die Umsetzung der ersten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet in Bezug auf die Rahmenbedingungen für Unternehmen begünstigen. Darüber hinaus werden Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit dazu beitragen, der dritten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet in Bezug auf das Funktionieren des Arbeitsmarktes nachzukommen.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Frankreich wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Frankreichs bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Die Kommission gelangte aufgrund ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Frankreich makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die festgestellten Ungleichgewichte stehen insbesondere mit dem hohen öffentlichen Schuldenstand und einer schwachen Wettbewerbsdynamik vor dem Hintergrund eines langsamen Produktivitätswachstums im Zusammenhang.

(4)

Am 26. April 2019 übermittelte Frankreich sein nationales Reformprogramm 2019 und sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies für die Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Frankreich befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt der Übergangsregelung für den Schuldenabbau. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 geht die Regierung davon aus, dass das Gesamtdefizit von 2,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 auf 3,1 % im Jahr 2019 steigen und anschließend schrittweise auf 1,2 % im Jahr 2022 zurückgehen wird. Die geplante Erhöhung des Gesamtdefizits im Jahr 2019, die in der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission bestätigt wurde, ist in erster Linie auf die einmaligen defiziterhöhenden Auswirkungen der Ablösung der Steuergutschriften für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung durch eine dauerhafte Senkung der Sozialbeiträge der Arbeitgeber zurückzuführen. Dem neu berechneten strukturellen Saldo (6) zufolge dürfte das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 0,4 % des BIP — in dem vom Stabilitätsprogramm 2019 erfassten Zeitraum nicht erreicht werden. Nach dem Stabilitätsprogramm 2019 wird erwartet, dass die gesamtstaatliche Schuldenquote voraussichtlich von 98,4 % des BIP im Jahr 2018 auf 98,9 % des BIP im Jahr 2019 ansteigen und bis 2022 auf 96,8 % des BIP zurückgehen. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Allerdings wurden die Maßnahmen, die zum Erreichen der ab 2020 anvisierten Defizitziele erforderlich sind, nicht spezifiziert.

(7)

Am 5. Juni 2019 veröffentlichte die Kommission einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags, da im Stabilitätsprogramm 2019 vorgesehen war, dass das Gesamtdefizit im Jahr 2019 den im Vertrag festgelegten Referenzwert von 3 % des BIP überschreiten würde, und die Übergangsregelung für den Schuldenabbau den übermittelten Daten zufolge im Jahr 2018 allem Anschein nach nicht eingehalten wurde. In dem Bericht kam die Kommission nach Bewertung aller einschlägigen Faktoren zu dem Schluss, dass das Defizit- und das Schuldenstandskriterium im Sinne des Vertrags und der Verordnung (EG) Nr. 1467/1997 derzeit als erfüllt betrachtet werden sollten.

(8)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat Frankreich sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben (7) im Jahr 2019 1,4 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht. Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission besteht im Jahr 2019 das Risiko einer erheblichen Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel.

(9)

Angesichts des gesamtstaatlichen Schuldenstands Frankreichs von über 60 % des BIP und der prognostizierten Produktionslücke von 0,7 % dürfte die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 1,2 % nicht überschreiten; dies steht im Einklang mit der strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP nach der gemeinsam vereinbarten Anpassungsmatrix hinsichtlich der Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2020 bei einer unveränderten Politik das Risiko einer erheblichen Abweichung von dieser Anforderung besteht. Allem Anschein nach wird Frankreich die Übergangsregelung für den Schuldenabbau in den Jahren 2019 und 2020 nicht einhalten. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass ab 2019 die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten. Es wäre wichtig, unerwartete Mehreinnahmen zum weiteren Abbau der gesamtstaatlichen Schuldenquote einzusetzen.

(10)

Die Bemühungen um eine Konsolidierung der öffentlichen Finanzen haben nur zu einer leichten Verringerung der öffentlichen Ausgabenquote geführt, die 2018 mit 56 % unionsweit nach wie vor am höchsten war. Ein stetiger Rückgang des öffentlichen Schuldenstands ist nur dann möglich, wenn die Regierung in der Lage ist, ihre Ausgaben einzudämmen. Seit 2017 verfolgt die Regierung für die fünfjährige Amtszeit des Präsidenten eine erneuerte Haushaltskonsolidierungsstrategie. Der Erfolg der Strategie wird davon abhängen, ob die für die zentrale und die lokale Regierungsebene sowie die für das Gesundheitssystem festgelegten Ausgabenziele erreicht werden.

(11)

Die Gesundheitsausgaben sind im Laufe der Zeit stetig gestiegen. Die Gesamtausgaben wurden 2017 auf 11,5 % des BIP geschätzt; das ist der höchste Stand unter den der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angehörenden Mitgliedstaaten. Im Herbst 2018 wurde eine neue Reform des Gesundheitssystems angekündigt und am 13. Februar 2019 ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt. Der Erfolg dieser Reform ist von der Schaffung eines klaren rechtlichen und organisatorischen Rahmens abhängig, der die richtigen Anreize bietet und die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren fördert. Die angekündigte Reform des Gesundheitssystems sieht keine Anpassung des nationalen Ausgabenziels für die Krankenversicherung (Objectif National de Dépenses d’Assurance Maladie‚ ONDAM) vor. Dieses Ausgabenziel macht ein Drittel der Sozialausgaben aus. Obwohl dieses Ziel seit 2010 eingehalten wird, ist es seit 2017 bereits dreimal angehoben worden. So wurde die ursprünglich geplante Steigerungsrate von 2,1 % für den Zeitraum 2018-2020 mit dem Haushaltsgesetz für 2018 auf 2,3 % und mit dem Sozialversicherungsfinanzierungsgesetz für 2019 weiter auf 2,5 % angehoben. Dies wird in gewissem Maße die zusätzlichen Ausgaben im Zusammenhang mit der Strategie „Ma santé 2022“ auffangen.

(12)

Auf lokaler Ebene lag das Wachstum der öffentlichen Ausgaben im Jahr 2017 über der entsprechenden Zielvorgabe. Seit 2014 werden für die öffentlichen Ausgaben der lokalen Regierungsebene in Frankreich jährliche unverbindliche Wachstumsziele sowohl für die Verwaltungsausgaben als auch für den Finanzierungsbedarf auf lokaler Ebene vorgegeben (Objectif d’évolution de la Dépense Locale). Im Jahr 2018 wurde diese Vorgabe für die Ausgaben durch rechtsverbindliche Verträge zwischen dem Staat und 71 % der 322 größten lokalen Gebietskörperschaften für den Zeitraum 2018-2020 ergänzt. Die nur begrenzte Verringerung der Anzahl der Gemeinden könnte jedoch die Einhaltung dieser Vorgabe behindern. Im Rahmen der Gebietsreform 2014-2016 wurde die Zahl der Regionen um die Hälfte reduziert; die Zahl der Gemeinden verringerte sich jedoch nur geringfügig und blieb bei über 34 000, was unionsweit mit Abstand die höchste Zahl ist.

(13)

Die Umsetzung der von der Regierung für die fünfjährige Amtszeit des Präsidenten beschlossenen erneuerten Haushaltskonsolidierungsstrategie erfordert auch die Durchführung des noch nicht vollständig definierten Programms „Action Publique 2022“. Mit diesem Programm sollen erhebliche Effizienzgewinne bei den Staatsausgaben erzielt und gleichzeitig die Funktionsweise der nationalen öffentlichen Verwaltung verbessert werden. Die Regierung hat methodischen und prozessbezogenen Aspekten klare Priorität eingeräumt, sich jedoch nicht auf eine allgemeine Ex-ante-Quantifizierung der potenziellen Einsparungen konzentriert. Es ist möglich, dass dieser Ansatz aus dem komplexen Reformprozess und der Notwendigkeit, die öffentliche Debatte über sensible Themen zu entschärfen, herrührt; gleichzeitig erschwert er aber eine quantitative Bewertung der Gesamtstrategie und ihres Beitrags zur Haushaltskonsolidierung. Insbesondere ist nicht klar, wie genau und in welchem Zeitrahmen das Reformprogramm — einschließlich der Transformationspläne der Ministerien, die eine ganze Reihe vielfältiger Maßnahmen umfassen — mit konkreten Maßnahmen zu dem sehr spezifischen Ziel beitragen würde, die Ausgabenquote bis 2022 zu senken. Insgesamt zeigen die verfügbaren Informationen, dass die 2016 auf Ebene der Euro-Gruppe vereinbarten Leitlinien für Ausgabenüberprüfungen teilweise eingehalten wurden.

(14)

Die Tragfähigkeitsrisiken für den gesamtstaatlichen Schuldenstand bleiben mittelfristig hoch. Der hohe gesamtstaatliche Schuldenstand und das strukturelle gesamtstaatliche Defizit stellen, vor allem mittelfristig, Herausforderungen in Bezug auf die Tragfähigkeit dar. Konsolidierungsanstrengungen, die zu einer deutlichen Verbesserung des strukturellen Primärsaldos Frankreichs führen würden, wären für die Abwendung derartiger Risiken von entscheidender Bedeutung. Eine Verringerung des gesamtstaatlichen Schuldenstands würde auch zur Verbesserung der Wachstumsaussichten und der Widerstandsfähigkeit der französischen Wirtschaft beitragen.

(15)

Die geplante Rentenreform könnte dazu beitragen, den gesamtstaatlichen Schuldenstand auf mittlere Sicht zu senken und damit die Schuldentragfähigkeitsrisiken zu verringern. Das Haushaltsgleichgewicht des Rentensystems hängt in hohem Maße von den makroökonomischen Annahmen ab. Laut dem jüngsten Jahresbericht des französischen Beratungsgremiums für Renten (Conseil d’orientation des retraites) beliefen sich die Rentenausgaben im Jahr 2018 auf 13,8 % des BIP und dürften im Jahr 2022 13,8 % ausmachen; bis 2070 dürften sie sich in Abhängigkeit von der Entwicklung des BIP- und des Beschäftigungswachstums in einer Bandbreite zwischen 11,8 % und 13,8 % einpendeln. In Frankreich gibt es mehr als 40 verschiedene Rentensysteme. Sie sind für unterschiedliche Gruppen von Arbeitnehmern bestimmt und unterliegen unterschiedlichen Regeln. Mit einem für Ende des Jahres geplanten Gesetzentwurf sollen die Regeln dieser Systeme schrittweise vereinheitlicht werden, um die Funktionsweise des Rentensystems zu vereinfachen und insbesondere dessen Transparenz, Fairness und Effizienz zu verbessern.

(16)

Die Beschäftigungsquote ist weiter angestiegen und erreichte 2018 einen Stand von 71,3 %. Die Arbeitslosenquote ging weiter zurück und lag 2018 bei 9,1 %; damit liegt sie aber weiterhin deutlich über dem Unionsdurchschnitt (6,8 %) und dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets (8,2 %). Darüber hinaus ist der französische Arbeitsmarkt nach wie vor stark segmentiert. Fast 85 % der neu eingestellten Arbeitnehmer erhalten nur befristete Verträge, und der Anteil der befristeten Arbeitsverträge, die in unbefristete Verträge umgewandelt werden, zählt zu den niedrigsten in der Union. Auch die unfreiwillige Teilzeitarbeit war mit einem Anteil von 42,3 % an den gesamten Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen im Jahr 2018 sehr hoch. Die geplante Reform des Systems der Arbeitslosenunterstützung (Unédic) zielt darauf ab, die Segmentierung des Arbeitsmarktes durch die Verringerung der Anreize für sehr kurze Verträge und anschließende Wiedereinstellungen zu bekämpfen und die Verschuldung des Systems zu verringern. Im Herbst 2018 wurden Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern über das System der Arbeitslosenunterstützung aufgenommen. Ziel war es, i) die Verschuldung des Systems zu verringern, ii) die Anreize für Arbeitslose zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu überprüfen sowie iii) einen Anreizmechanismus zu finden, um die Anreize für Einstellungen über sehr kurze Verträge zu verringern. Die Sozialpartner haben sich jedoch nicht auf neue Vorschriften einigen können. Die Reform liegt nun in den Händen der Regierung, die bis Sommer 2019 beabsichtigt bekannt zu geben, welche Maßnahmen beibehalten werden.

(17)

Die Arbeitsmarktbedingungen sind für benachteiligte Bevölkerungsgruppen vergleichsweise schwieriger als für andere Gruppen. Die Beschäftigungsquote von nicht in der EU geborenen Personen gehörte im Jahr 2018 mit 57,5 % (gegenüber 73,1 % bei in Frankreich geborenen Personen) zu den niedrigsten in der Union. Es ist erwiesen, dass Menschen mit Migrationshintergrund während des Einstellungsverfahrens oftmals benachteiligt werden. Ihre geografische Konzentration in ärmeren Wohnvierteln gibt ebenfalls Anlass zur Sorge. Die Einwohner der am stärksten benachteiligten Gegenden (wie der „Quartiers prioritaires de la politique de la ville“), darunter auch Menschen mit Migrationshintergrund, haben weiterhin Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt; die Arbeitslosenquote lag bei dieser Bevölkerungsgruppe im Jahr 2017 bei 24,7 %. Trotz gewisser politischer Maßnahmen in diesem Bereich sind die Auswirkungen des sozioökonomischen Hintergrunds und des Migrationshintergrunds auf den Bildungserfolg nach wie vor hoch und behindern die Eingliederung in den Arbeitsmarkt.

(18)

Gering qualifizierte und junge Menschen werden auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls nach wie vor benachteiligt. Die Arbeitslosenquote bei den gering qualifizierten Personen ging 2017 zum ersten Mal seit 2008 zurück, blieb jedoch mit 16,2 % im Jahr 2018 weit über dem Vorkrisenniveau. Die Jugendarbeitslosigkeit (15-24 Jahre) ging 2018 um 1,6 Prozentpunkte auf 20,7 % zurück, liegt aber noch immer weit über dem Unionsdurchschnitt von 15,2 %. Die Arbeitslosenquote bei den gering qualifizierten jungen Menschen war mit 35,6 % im Jahr 2018 noch immer sehr hoch. Eine wirksame aktive Unterstützung bei der Arbeitssuche, einschließlich intensiver Berufsberatung und Unterstützung bei der Einstellung, Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen, innovative Maßnahmen für die am meisten gefährdeten jungen Menschen, die sich weder in Ausbildung noch in Beschäftigung befinden, sowie ein entschiedeneres Vorgehen gegen diskriminierende Praktiken sind wesentliche Voraussetzungen, um die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu fördern. Die Gebiete in äußerster Randlage stehen dabei vor zusätzlichen Herausforderungen und verdienen besondere Aufmerksamkeit.

(19)

Während sich die Arbeitsmarktlage verbessert, weisen mehrere Indikatoren auf ein Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage hin. Die Arbeitslosigkeit und die Unterbeschäftigung sind nach wie vor hoch, aber gleichzeitig mangelt es, vor allem in bestimmten Sektoren, immer stärker an Fachkräften. Unzureichende Qualifikationen und mangelnde Kompetenzen sind die Hauptursachen für unbesetzte Stellen. Daten des französischen Pôle Emploi zufolge wurden im Jahr 2017 aufgrund eines Mangels an Bewerbern 150 000 von 3,2 Mio. registrierten Stellenangeboten zurückgezogen. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass eine Zunahme des Missverhältnisses zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage während der Krise und der anschließenden wirtschaftlichen Erholung zu einem langsameren Rückgang der Arbeitslosigkeit und zu einer höheren Langzeitarbeitslosigkeit beigetragen hat. Die Arbeitsmarktergebnisse im Zusammenhang mit der beruflichen Erstausbildung verbessern sich. Die Regierung hat 2018 eine umfassende Reihe von Maßnahmen in die Wege geleitet, um den Zugang zur beruflichen Erstausbildung und zur Weiterbildung zu verbessern und die Verwaltung und die Finanzierung des Berufsbildungssystems zu überprüfen. Ergänzend zu diesen Reformen zielt der Investitionsplan zur Kompetenzförderung (Plan d’investissement dans les compétences) darauf ab, im Zeitraum 2018-2022 für eine Million junge Menschen, die sich weder in Ausbildung noch in Beschäftigung befinden, sowie für eine Million gering qualifizierte Arbeitsuchende Fortbildungsmaßnahmen und eine intensive Beratung bereitzustellen.

(20)

Insgesamt trägt das französische Sozialschutzsystem wirksam zur Verringerung von Ungleichheit und Armut bei. Der Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen erreichte mit 17,1 % im Jahr 2017 einen historischen Tiefststand, während der Unionsdurchschnitt bei 22,4 % lag. Die Einkommensungleichheit liegt jedoch nach wie vor weit über dem Vorkrisenniveau. Darüber hinaus ist die Wahrscheinlichkeit eines Übergangs in höhere Einkommensquantile gesunken; dies gilt insbesondere für das unterste Quintil. Einige Gruppen, darunter Alleinerziehende und außerhalb der Union geborene Personen, sind einem erhöhten Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung ausgesetzt. Die Beratung von Mindestlohnempfängern ist nicht immer ausreichend und regional sehr unterschiedlich. Zusätzliche und besser koordinierte Investitionen in die soziale Inklusion, wie sie in der im September 2018 vorgestellten nationalen Strategie zur Armutsbekämpfung vorgesehen sind, könnten zur Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen. Während die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems insgesamt gut ist, könnten regionale Unterschiede beim Zugang zu Dienstleistungen durch zusätzliche Investitionen ausgeglichen werden; dies gilt insbesondere für die Gebiete in äußerster Randlage.

(21)

Dem Europäischen Innovationsanzeiger zufolge kann Frankreich trotz der jüngsten Initiativen nach wie vor nicht mit den Innovationsführern der Union schritthalten. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung sind stabil geblieben, und neue Unternehmen haben Wachstumsschwierigkeiten. Insgesamt läuft Frankreich Gefahr, seine für 2020 festgesetzte Zielvorgabe von 3 % für die Forschungs- und Entwicklungsintensität nicht zu erreichen; auch liegen die Investitionen der Unternehmen in Forschung und Entwicklung nach wie vor weit unter der Zielvorgabe von 2 %. Die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung liegen hingegen über dem Unionsdurchschnitt und umfassen ein breites Spektrum an direkten und indirekten Förderregelungen für die Forschungs- und Innovationstätigkeiten von Unternehmen wie die Steuergutschrift für Forschung und Entwicklung (Crédit d’Impôt Recherche), die zu den großzügigsten Regelungen in den OECD-Ländern zählt. Das Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsökosystem ist jedoch gemessen an der Höhe der öffentlichen Unterstützung insgesamt noch nicht leistungsfähig genug. Während die bestehenden Instrumente, darunter auch der Crédit d’Impôt Recherche‚ vor Kurzem bereits bewertet wurden, würde eine umfassende Bewertung des gesamten Policy-Mix einen Beitrag zur Umsetzung künftiger politischer Maßnahmen leisten. Der im Juli 2018 gegründete Innovationsrat (Conseil de l’innovation) hat die Aufgabe, die der Vereinfachung dienenden Maßnahmen zu überwachen; zu diesen Maßnahmen gehört unter anderem eine verbesserte Koordinierung zwischen regionaler, nationaler und europäischer Innovationsförderung. Eine engere Verknüpfung zwischen Wissenschaft und Unternehmen, insbesondere durch Wissenstransferprogramme, könnte ebenfalls zur Innovationsförderung beitragen, zumal Frankreich bei den von Unternehmen finanzierten öffentlichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten weiterhin unter dem Unionsdurchschnitt liegt. Die Unterstützungsmaßnahmen für Wettbewerbscluster (Pôles de compétitivité) sind für eine vierte Phase (2019-2022) verlängert worden; dabei wird den Clusterorganisationen Priorität eingeräumt, die eng mit anderen Strukturen auf lokaler Ebene vernetzt und auf nationale industrielle Prioritäten ausgerichtet sind und eine Erfolgsbilanz in Bezug auf Unionsprojekte aufweisen. Der durch Privatisierungen finanzierte Fonds für Innovation und Industrie (Fonds pour l’innovation et l’industrie) wird darüber hinaus zur Bereitstellung von Finanzmitteln für künstliche Intelligenz beitragen. Die zeitnahe Entwicklung der entsprechenden Technologien wie des Internets der Dinge, der 5G-Netze, der Hochleistungsrechentechnik und ganz allgemein der Datenwirtschaft wird einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg dieser Initiativen darstellen. Große Unterschiede zwischen den Regionen bestehen auch bei den regionalen Investitionen in Forschung und Entwicklung und der Innovationsleistung. Mehrere ländliche und mehrere sich im industriellen Wandel befindliche Regionen liegen unter dem Unionsdurchschnitt. Die Gebiete in äußerster Randlage befinden sich am unteren Ende der Skala.

(22)

Frankreich schneidet derzeit bei der Energie- und Klimaschutzpolitik gut ab und ist auf dem richtigen Weg, sein für 2020 gestecktes Ziel für die Verringerung der Treibhausgasemissionen zu erreichen. Dennoch muss Frankreich seine Investitionsanstrengungen deutlich verstärken, um seine Zielvorgaben für 2020 in Bezug auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz sowie seine ehrgeizigeren Klima- und Energieziele für 2030 zu erreichen; dies gilt insbesondere für die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energieträger und die Sanierung des Gebäudebestands zur Steigerung seiner Energieeffizienz. Da zurzeit über die Hälfte der Mittel für derartige Investitionen von der öffentlichen Hand bereitgestellt wird, müssen die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass sie die Finanzierung von Projekten für den privaten Sektor rentabler machen, damit die beträchtlichen Investitionsmöglichkeiten ausgeschöpft werden können. Bei der Verwendung erneuerbarer Energien im Wärme- und Kältesektor besteht ein besonders großes ungenutztes Potenzial. Auch im Bereich der Energieeffizienz von Gebäuden besteht ein großer Investitionsbedarf. Dies gilt insbesondere für die Renovierung von Wohngebäuden, auf die ein Großteil des gesamten klimabezogenen Investitionsrückstands entfällt, da der überwiegende Teil des Gebäudebestands alt ist und 7 bis 8 Mio. unzureichend isolierte Gebäude umfasst (was etwa 20 % aller Wohngebäude entspricht). Der Anteil des Bürogebäudebestands, der hohen Energieeffizienzstandards genügt, war 2017 in Frankreich niedriger (25 %) als in der Union insgesamt (39 %). Im Energiesektor gibt es erhebliche regionale Unterschiede. Die Energieintensität nimmt in fast allen Regionen, wenn auch in unterschiedlichem Tempo, ab; bei der Verwendung erneuerbarer Energien bestehen beträchtliche Unterschiede. Zusätzliche Investitionen in Verbindungsleitungen könnten zu einer stärkeren Integration des Energiebinnenmarkts der Union beitragen; gleichzeitig können sie den Wettbewerb stärken und die Verwendung erneuerbarer Energien, insbesondere auf der Iberischen Halbinsel, begünstigen.

(23)

Der nationale Fahrplan 2018 für die Kreislaufwirtschaft (Feuille de Route pour l’Économie Circulaire) ist ein ehrgeiziger politischer Rahmen für Ressourceneffizienz, dessen Umsetzung davon abhängen wird, ob die erforderlichen Investitionen mobilisiert werden können. Obwohl der Anteil recycelter Materialien an der Gesamtmaterialnachfrage (Nutzungsrate wiederverwendbarer Stoffe) deutlich über dem Unionsdurchschnitt liegt (im Jahr 2016 19,5 % gegenüber 11,7 %), liegt die Recyclingquote für Siedlungsabfälle nach wie vor leicht unter dem Unionsdurchschnitt (im Jahr 2016 41,8 % gegenüber 46,4 %). In dieser Hinsicht und auch im Hinblick auf eine umfassendere Nutzung von Sekundärrohstoffen, insbesondere von Kunststoffen, wird die Annahme eines Gesetzes über die Kreislaufwirtschaft ein Schritt in die richtige Richtung sein. Neue ressourceneffiziente Geschäftsmodelle und Produktionsprozesse wie die Industriesymbiose müssen insbesondere unter kleinen und mittleren Unternehmen weiter gefördert werden. Dies kann durch die Entwicklung innovativer Finanzinstrumente und die Bereitstellung von Finanzmitteln für Öko-Innovationen erleichtert werden.

(24)

Investitionen zur Verbesserung der Konnektivität, insbesondere benachteiligter Gebiete, könnten dazu beitragen, Ungleichheiten in Frankreich zu verringern. Frankreich liegt beim Zugang zum schnellen Breitbandnetz unter dem Unionsdurchschnitt, und die Nutzung schneller Breitbandanschlüsse ist relativ gering (20 % der Haushalte gegenüber 41 % in der Union insgesamt im Jahr 2018). Auch die Nutzung mobiler Breitbanddienste liegt weiterhin unter dem Unionsdurchschnitt. Die Breitbandabdeckung gestaltet sich in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich; in einigen ländlichen Gebieten und Gebieten in äußerster Randlage ist sie nach wie vor begrenzt. Der französische Plan für ultraschnelle Breitbanddienste (Plan France Très Haut Débit) und die damit verbundenen Maßnahmen dürften erheblich dazu beitragen, dass Frankreich seine Konnektivitätsziele erreicht. Angesichts des überwiegend dezentralen Ansatzes sowie möglicher Engpässe, falls nicht genug Fachkräfte für den Netzausbau zur Verfügung stehen, sollte die Umsetzung dieser Maßnahmen genau verfolgt werden.

(25)

Trotz der anhaltenden Bemühungen um mehr Rechtssicherheit für die Steuerzahler (Loi pour un État au service d’une société de confiance — ESSOC) und um eine Vereinfachung des französischen Steuersystems bleibt dieses sehr komplex, was die Rahmenbedingungen für Unternehmen beeinträchtigt. Die Abgabenordnung umfasst eine Vielzahl verschiedener Steuerregelungen und Steuervergünstigungen (Steuergutschriften, Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen). Diese Komplexität zielt in vielen Fällen darauf ab, spezifische politische Ziele zu erreichen, wie die Verringerung der Steuerlast für die am stärksten benachteiligten Haushalte und die Begünstigung oder die Korrektur bestimmter Verhaltensweisen. Sie birgt jedoch die Gefahr, dass das System an Verständlichkeit verliert, wodurch die Befolgungskosten und die Rechtsunsicherheit zunehmen; dies ist der Attraktivität Frankreichs abträglich und führt gleichzeitig zu Schlupflöchern.

(26)

Die Straffung der Steuervergünstigungen und die Verringerung der Anzahl kleiner Steuern könnten zu einer weiteren Vereinfachung des Steuersystems beitragen. Für 2019 wurde der Gesamtumfang der entgangenen Steuereinnahmen auf 4 % des BIP geschätzt. Anders als der vorherige mehrjährige Haushaltsrahmen sieht der derzeitige Haushaltsrahmen (2018-2022) keine Obergrenze für Steuermindereinnahmen vor. Stattdessen ist darin ein unverbindliches Ziel von 28 % für den Quotienten aus Steuermindereinnahmen und der Summe aus Nettosteuereinnahmen und -mindereinnahmen festgelegt. Während im Haushaltsgesetz für 2018 ein Quotient unterhalb der im mehrjährigen Haushaltsrahmen 2018-2022 festgelegten Zielvorgabe (28 %) vorgesehen war, dürfte dieser sich in Zukunft erhöhen (auf 25,5 % Ende 2018 und auf 26 % im Jahr 2019).

(27)

Im Haushaltsplan 2019 ist ein Rückgang des Gesamtvolumens der durch Steuervergünstigungen verursachten Mindereinnahmen auf unter 100 Mrd. EUR vorgesehen, wodurch eine fünfjährige Phase eines stetigen Anstiegs beendet wird. Zwischen 2018 und 2019 ist die Anzahl an unterschiedlichen Arten von Steuervergünstigungen jedoch von 457 auf 474 gestiegen. Im Jahr 2018 empfahl der Rechnungshof, die bestehenden Steuervergünstigungen zu straffen, und wies auf einen Mangel an Kontrolle und Bewertung hin. Darüber hinaus sollten die Anstrengungen zur Abschaffung von Steuern, die nur begrenzte Einnahmen bringen oder ineffizient sind, fortgesetzt werden. Im Haushaltsgesetz für 2019 ist die Abschaffung von 26 Steuern, die nur geringe Einnahmen generieren, vorgesehen: 20 mit einem Gesamtvolumen von 132 Mio. EUR wurden im Jahr 2019 abgeschafft, und 6, die einem Gesamtvolumen von 208 Mio. EUR entsprechen, sollen 2020 abgeschafft werden. Die Abschaffung kleiner Steuern dürfte sich 2020 mit gleichem Tempo fortsetzen.

(28)

Darüber hinaus werden die Unternehmen weiterhin durch produktionsbezogene Steuern belastet. Die produktionsbezogenen Steuern beliefen sich 2016 auf 3,1 % des BIP und waren somit höher als in Italien (1,4 %), Spanien (1,0 %) und Deutschland (0,4 %). Solche Steuern stützen sich auf unterschiedliche Bemessungsgrundlagen (Umsatz, Mehrwert, Gehälter, Grundstücke und Gebäude) und können die Gesamtproduktionskosten erhöhen. Dies könnte negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere des Verarbeitenden Gewerbes, haben. Mit dem Haushaltsgesetz 2019 wird nur eine produktionsbezogene Steuer (forfait social), die auf nationaler Ebene erhoben und (sobald sie 2020 vollständig zum Tragen kommt) 660 Mio. EUR pro Jahr einbringen wird, teilweise abgeschafft.

(29)

Trotz der erzielten Fortschritte und der Annahme ehrgeiziger Reformen bestehen nach wie vor Marktzutrittsschranken, und der Wettbewerb bei den unternehmensorientierten Dienstleistungen und den reglementierten Berufen bleibt schwach. Der neue OECD-Index für Hemmnisse für den Handel mit Dienstleistungen im EWR zeigt, dass die Regulierungsintensität in Frankreich in Bereichen wie Buchhaltung, Rechts- und Vertriebsdienstleistungen über dem Durchschnitt des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) liegt. Zu den größten Hindernissen gehören restriktive Zulassungsbestimmungen, Tätigkeitsvorbehalte sowie Anforderungen in Bezug auf Stimmrechte und Beteiligungsverhältnisse. Im Einzelhandel hat Frankreich eine Reihe von Reformen zur Verringerung des Regelungsaufwands durchgeführt. Allerdings beeinträchtigt eine Reihe von Betriebsbeschränkungen noch immer die Effizienz der Einzelhandelsgeschäfte und benachteiligt diese im Vergleich zum elektronischen Handel. Im nationalen Reformprogramm 2019 sind neue Maßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs in bestimmten Dienstleistungssektoren (Betreiben von Fahrschulen bzw. Immobilienverwaltungsgesellschaften und Verkauf von Kfz-Ersatzteilen) dargelegt. Am 4. April 2019 legte die Wettbewerbsbehörde ihre Stellungnahme vor, in der sie sich dafür aussprach, die Vertriebsbeschränkungen im Arzneimittelsektor zu lockern und gleichzeitig ein hohes Maß an Gesundheitsschutz zu gewährleisten.

(30)

Die Hürden im Dienstleistungssektor haben zu geringem Wettbewerb sowie zu hohen Gewinnspannen und Preisen geführt, was die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wirtschaft beeinträchtigt. Bei den maßgeblichen Unternehmensdienstleistungen in Frankreich sind die Fluktuationsraten niedriger als in den anderen Ländern der Union. Der mangelnde Wettbewerb im Dienstleistungssektor hat in Verbindung mit den hohen Arbeitskosten dazu beigetragen, die Preise vor allem bei Immobiliengeschäften, auf dem Wohnungsmarkt, in der Gastronomie und bei Rechtsberatungs- und Buchhaltungsdienstleitungen hoch zu halten. Da die Kosten dieser Dienstleistungen auch von anderen Unternehmen getragen werden, die diese Dienstleistungen als Inputs verwenden, sind sie ein zusätzlicher Faktor, der die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs, auch der Industrie, belastet.

(31)

Das PACTE-Gesetz (Loi relative à la croissance et la transformation des entreprises) zielt auf die Förderung des Wachstums und des Wandels von Unternehmen ab. Mit dem Gesetz wird die Anzahl der Schwellenwerte, die für die Unternehmen in Bezug auf ihr Wachstum gelten, verringert; die verbleibenden Schwellenwerte sind nun jedoch breiter gefasst und bei ihrer Überschreitung kostspieliger. Außerdem wird mit dem Gesetz die Bestimmung eingeführt, dass ein Schwellenwert erst nach einem Übergangszeitraum von fünf Jahren als überschritten angesehen wird; ferner werden kleine und mittlere Unternehmen ermutigt, an die Leistung des Unternehmens gekoppelte Anreize und Beteiligungsprogramme für ihre Beschäftigten zu verwenden. Ferner sieht das Gesetz vereinfachte Verfahren für die Gründung und Eintragung von Unternehmen vor und führt neue Vorschriften ein, die es Unternehmern erleichtern, eine zweite Chance zu erhalten. Darüber hinaus werden die Dauer und die Kosten von Insolvenzverfahren, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, verringert und vorhersehbarer gemacht. Nach eigenen Schätzungen der französischen Behörden dürfte das BIP infolge des PACTE-Gesetzes bis 2025 um 0,32 % und längerfristig um 1 % zunehmen. Die vollständige und zeitnahe Umsetzung des Gesetzes ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung, damit die Vorteile dieser Reform zum Tragen kommen.

(32)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, zu schließen. So könnte Frankreich diese Fonds für die ermittelten Sektoren optimal nutzen und dabei regionalen und territorialen Unterschieden und der besonderen Situation der Gebiete in äußerster Randlage Rechnung tragen.

(33)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Frankreichs umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 sowie die Maßnahmen zur Umsetzung der an Frankreich gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Frankreich berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(34)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (8) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider.

(35)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 bis 4 wider — Diese Empfehlungen tragen auch zur Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, insbesondere der ersten und zweiten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet bei. Die in Empfehlung 1 genannten haushaltspolitischen Maßnahmen tragen unter anderem dazu bei, die mit dem hohen gesamtstaatlichen Schuldenstand verbundenen Ungleichgewichte anzugehen —

EMPFIEHLT, dass Frankreich 2019 und 2020

1.   

sicherstellt, dass die nominale Wachstumsrate der Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 1,2 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht; unerwartete Mehreinnahmen nutzt, um den Abbau der gesamtstaatlichen Schuldenquote zu beschleunigen; auf allen Regierungsebenen Einsparungen bei den Ausgaben und Effizienzgewinne erzielt, unter anderem durch genaue Festlegung der im Rahmen des Programms „Action Publique 2022“ erforderlichen konkreten Maßnahmen und durch Überwachung von deren Umsetzung; das Altersversorgungssystem reformiert, um die Regeln der verschiedenen Rentensysteme schrittweise zu vereinheitlichten, damit sie gerechter und tragfähiger werden;

2.   

die Eingliederung aller Arbeitssuchenden in den Arbeitsmarkt fördert, Chancengleichheit, insbesondere benachteiligter Gruppen, einschließlich Menschen mit Migrationshintergrund, gewährleistet und gegen Qualifikationsdefizite und das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage vorgeht;

3.   

den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik unter Berücksichtigung territorialer Unterschiede auf folgende Bereiche legt: Forschung und Innovation (bei gleichzeitiger Verbesserung der Effizienz öffentlicher Förderregelungen, einschließlich Wissenstransferprogramme), erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Verbindungsleitungen zum Rest der Union sowie digitale Infrastruktur;

4.   

das Steuersystem insbesondere durch Einschränkung der Steuervergünstigungen, die weitere Abschaffung ineffizienter Steuern und die Senkung produktionsbezogener Steuern weiter vereinfacht; gegen regulatorische Beschränkungen, insbesondere im Dienstleistungssektor, vorgeht und die Maßnahmen zur Förderung des Wachstums von Unternehmen vollständig umsetzt.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 39.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(8)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/64


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Kroatiens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Kroatiens 2019

(2019/C 301/11)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, womit das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Kroatien als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei.

(2)

Der Länderbericht 2019 für Kroatien wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Kroatiens bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (3), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Aus der Analyse der Kommission geht hervor, dass in Kroatien makroökonomische Ungleichgewichte bestehen, die von einem hohen Niveau an öffentlicher, privater und Auslandsverschuldung herrühren, das mit einem geringen Potenzialwachstum einhergeht. Aufgrund eines soliden nominalen Wachstums und einer vorsichtigen Haushaltspolitik haben sich die Ungleichgewichte in den letzten Jahren jedoch verringert. Die negative Nettoauslandsposition hat sich angesichts kontinuierlicher Leistungsbilanzüberschüsse verbessert. Seit dem Höchststand von 2015 ist der öffentliche Schuldenstand deutlich rückläufig. Der Abbau der Verschuldung des privaten Sektors schreitet weiter voran, auch wenn sich sein Rhythmus aufgrund anziehender Kreditvergabe und Investitionen verlangsamt. Der Finanzsektor ist gut kapitalisiert und profitabel. Allerdings ist der Anteil notleidender Kredite — wenn auch rückläufig — nach wie vor hoch. Auch wenn verstärkt politische Maßnahmen ergriffen wurden, bleibt eine konsequente Umsetzung struktureller Maßnahmen für die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft von ausschlaggebender Bedeutung. Trotz einiger Fortschritte gibt es nach wie vor Probleme mit der Vollständigkeit, der Genauigkeit und den Fristen wirtschaftlicher und staatlicher Finanzstatistiken.

(3)

Am 18. April 2019 übermittelte Kroatien sein nationales Reformprogramm 2019 und sein Konvergenzprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(4)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden zu einem gewissen Teil bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der europäischen Struktur- und Investitionsfonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(5)

Kroatien befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt der Schuldenregel. Nach einem gesamtstaatlichen Überschuss von 0,2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 soll sich der Gesamtsaldo dem Konvergenzprogramm 2019 zufolge im Jahr 2019 auf -0,3 % des BIP verschlechtern und sich anschließend wieder schrittweise verbessern, um 2022 einen Überschuss von 0,8 % des BIP zu erreichen. Dem neuberechneten strukturellen Saldo (5) zufolge soll das mittelfristige Haushaltsziel — das von einem strukturellen Defizit von 1,75 % des BIP 2019 auf 1 % des BIP 2020 angehoben wurde — im gesamten Programmzeitraum weiterhin übertroffen werden. Die gesamtstaatliche Schuldenquote wird dem Konvergenzprogramm 2019 zufolge voraussichtlich von 71,6 % des BIP im Jahr 2019 auf 68,5 % des BIP im Jahr 2020 zurückgehen und bis 2022 weiter auf 62 % des BIP schrumpfen. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Die geplanten Haushaltsziele scheinen jedoch vorsichtig. In ihrer Frühjahrsprognose 2019 rechnet die Kommission mit einem gesamtstaatlichen Saldo von 0,1 % des BIP im Jahr 2019 und 0,5 % des BIP im Jahr 2020. Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission dürfte der strukturelle Saldo bei -0,8 % des BIP im Jahr 2019 und bei -0,5 % des BIP im Jahr 2020 liegen, womit das mittelfristige Haushaltsziel erneut übertroffen würde. Kroatien wird die Schuldenregel in den Jahren 2019 und 2020 voraussichtlich einhalten. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass Kroatien die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 einhalten dürfte.

(6)

Im Dezember 2018 nahm das kroatische Parlament das Gesetz über eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik an. Damit sollen die Zusammensetzung und das Mandat des Ausschusses für Haushaltspolitik gestärkt und numerische Haushaltsregeln, einschließlich einer Regel für den strukturellen Haushaltssaldo, festgelegt werden. Im März 2019 wurde das Mandat des Staatlichen Rechnungshofes durch die Einführung von Sanktionsmechanismen für Fälle der Nichteinhaltung der Empfehlungen des Rechnungshofes ausgebaut und der Anwendungsbereich seiner Prüfungen erweitert. Mit der Annahme des geänderten Haushaltsgesetzes wird der haushaltspolitische Rahmen weiter gestärkt. Dadurch sollen die Haushaltsplanung, die Erhebung von Haushaltsdaten sowie die Kriterien für die Vergabe staatlicher Garantien verbessert werden.

(7)

Die territoriale Zersplitterung der öffentlichen Verwaltung Kroatiens beeinträchtigt ihre Effizienz und verstärkt regionale Unterschiede. Vielen kleinen Kommunalbehörden mangelt es oft an finanziellen und administrativen Ressourcen, um die ihnen übertragenen Aufgaben ausführen zu können. Dadurch entstehen erhebliche Unterschiede bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen zwischen finanziell und administrativ starken und schwachen Kommunalbehörden in ganz Kroatien. Auf zentraler Regierungsebene haben die Behörden Maßnahmen im Hinblick auf die Vereinfachung des schwerfälligen Systems staatlicher Agenturen ergriffen. Der rechtliche Rahmen für die Verbesserung der Homogenität des Systems ist jedoch noch nicht gegeben. Vorgesehen ist eine Verlagerung der Zuständigkeiten von auf lokaler Ebene arbeitenden Außenstellen der Zentralverwaltung auf die entsprechenden Landkreisverwaltungen.

(8)

Im Gesundheitssystem sind 2018 weitere Schulden aufgelaufen, was die öffentlichen Finanzen gefährdet. Das System wird über Beiträge der Erwerbsbevölkerung und staatliche Mittelübertragungen finanziert, doch letztere haben die Kosten kontinuierlich nicht voll abgedeckt. Mit der Anhebung der Krankenversicherungsprämie 2019 und der Verbrauchsabgaben auf Tabak im Dezember 2018 dürfte sich die Finanzlage des Gesundheitssystems entspannen. Die laufende funktionelle Integration der Krankenhäuser und die Maßnahmen zur Verbesserung der medizinischen Grundversorgung könnten die Ausgabeneffizienz steigern; allerdings kommt die Umsetzung nur langsam voran.

(9)

Das Lohnbildungssystem ist in der öffentlichen Verwaltung und im öffentlichen Dienst nicht kohärent, was die Gleichbehandlung beeinträchtigt und eine zentrale Kontrolle der Lohnkosten im öffentlichen Sektor behindert. Neue Rechtsvorschriften für die Lohnbildung im öffentlichen Dienst wurden mehrmals verschoben. Ziel des Gesetzes ist es, die öffentliche Verwaltung durch die Einführung gemeinsamer Besoldungstabellen und Koeffizienten für die Komplexität der ausgeübten Funktion stärker zu harmonisieren. Dafür sind kohärentere Arbeitsplatzbeschreibungen und Kompetenzrahmen erforderlich. Kroatien verfügt zwar über einen Rahmen für den sozialen Dialog, die Arbeitsmethoden und -verfahren müssen für einen echten sozialen Dialog aber verbessert werden. Die Zerklüftung der Gewerkschaftslandschaft schränkt ebenfalls die Wirksamkeit des sozialen Dialogs ein.

(10)

2018 war die Arbeitslosenquote weiterhin stark rückläufig. Die Jugendarbeitslosigkeit nahm ebenfalls stark ab, bleibt aber hoch. Die Erwerbstätigkeits- und Beschäftigungsquoten sind in Kroatien jedoch noch immer niedrig. Frühpensionierung und Betreuungspflichten spielen bei der Nichterwerbstätigkeit eine große Rolle. Der Zugang zu Beschäftigung muss verbessert werden, indem z. B. angemessene Qualifikationen ermittelt und entsprechende Bildungsangebote bereitgestellt werden. Viele Faktoren für die Nichterwerbstätigkeit bestehen nach wie vor, und die derzeitigen Maßnahmen zur Erleichterung des Eintritts in den Arbeitsmarkt scheinen nicht ausreichend zu sein. Die Kapazität der Arbeitsmarkteinrichtungen bleibt beschränkt. Auch ist die Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsvermittlungsstellen, den sozialen Diensten und anderen einschlägigen Interessenträgern schwach. 2019 trat ein wichtiges Reformpaket für das Altersvorsorgesystem in Kraft. Die Reform umfasst drei Hauptziele: i) Beseitigung konzeptueller Inkonsistenzen, die zu einer Ungleichbehandlung bestimmter Gruppen von Altersrentenempfängern geführt haben; ii) Verbesserung der Angemessenheit des Altersvorsorgesystems durch ein längeres Erwerbsleben und iii) Ausbau des institutionellen Rahmens der zweiten Säule des Altersvorsorgesystems und ihrer Funktionsweise.

(11)

Sozioökonomische Unterschiede beeinflussen das Bildungsniveau in Kroatien stark. Bei der Bildung, insbesondere der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung, den Grundkompetenzen, den tertiären Bildungsabschlüssen, der Beteiligung von Erwachsenen an Bildungsmaßnahmen und der Relevanz der beruflichen Aus- und Weiterbildung für den Arbeitsmarkt liegt Kroatien unter dem Unionsdurchschnitt. Kroatien setzt die Reform der Ausbildungspläne als ein Pilotprojekt um. Allerdings wird die Reform ihr volles Potenzial erst dann entfalten, wenn sie vollumfänglich und zusammen mit anderen Ausbildungsmaßnahmen für Lehrer realisiert wird.

(12)

Trotz einer weiterhin relativ hohen Arbeitslosigkeit herrscht in einigen Wirtschaftszweigen Arbeitskräftemangel, was vor allem durch die Kompetenzlücken bedingt ist. Die Verbesserung der digitalen Kompetenzen könnte die Produktivität steigern und einige Kompetenzlücken schließen. Die beschränkte Arbeitsmarktrelevanz der beruflichen Bildung und Weiterbildung trägt zur niedrigen Beschäftigungsquote von Absolventen bei. Programme, die arbeitsbasiertes Lernen umfassen, haben kaum Teilnehmer. Die Einrichtung regionaler Kompetenzzentren und das Versuchsprogramm zur dualen Ausbildung dürften die Qualität der Berufsbildung verbessern und die Erfassung des Qualifikationsbedarfs erleichtern. Die Teilnahme an Erwachsenenbildungsprogrammen, die als Teil der Arbeits- oder Ausbildungsbeschaffungsmaßnahmen angeboten werden, liegt niedrig. Dies gilt insbesondere für den Bevölkerungsteil, der den höchsten Bildungsbedarf hat, wie Geringqualifizierte und Arbeitslose.

(13)

Der Anteil der Bevölkerung, der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht ist, sinkt, liegt aber nach wie vor über dem Unionsdurchschnitt. Dieses Risiko ist vor allem bei älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen groß. Der Beitrag der Sozialleistungen zur Verringerung von Armut bleibt im Vergleich zum Unionsdurchschnitt schwach. Die Behörden haben Maßnahmen ergriffen, um die Registrierung von auf lokaler Ebene bezogenen Sozialleistungen zu verbessern, indem ihre Einstufung harmonisiert wird. Dies dürfte den Überblick über die landesweit gezahlten Leistungen verbessern, sodass das System der sozialen Sicherheit wirksamer darauf ausgerichtet werden kann, die Bedürftigsten zu erreichen. Das Verkehrsnetz ist unausgewogen.

(14)

Die Eisenbahninfrastruktur ist nur unzureichend ausgebaut, was zu einer geringen Dienstleistungsqualität und Hindernissen bei der Mobilität der Arbeitnehmer führt. In kleineren Städten verfügen öffentliche Verkehrsmittel über keine angemessene Infrastruktur. Treibhausgasemissionen des Straßenverkehrs sind in den letzten fünf Jahren erheblich gestiegen. Der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor liegt weit unter dem für 2020 angestrebten Ziel von 10 %. Weitere Anstrengungen und Investitionen sind vonnöten, um den hohen Anteil von Fahrzeugen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, zu reduzieren, die Intermodalität zu fördern und allgemein den Anstieg der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor aufzuhalten.

(15)

Die hohe Energieintensität Kroatiens könnte durch Investitionen in Energieeffizienz und intelligente Energiesysteme reduziert werden. Ein besonderes Augenmerk könnte auf die Reduzierung des Energieverbrauchs von Gebäuden und eine verbesserte Energieeffizienz von Fernwärmenetzen gelegt werden. Investitionen in die Wind- und Solarenergie könnten ebenfalls erheblich ausgebaut werden, so wie der Rückgriff auf erneuerbare Energien für Heizungs- und Kühlsysteme. Gemäß der Initiative „Saubere Energie für EU-Inseln“ würde der Einsatz erneuerbarer Energien den kroatischen Inseln zudem zu mehr Autonomie in Energiefragen verhelfen. Auch ist Kroatien Klimarisiken wie vor allem Überschwemmungen und Waldbränden besonders ausgesetzt.

(16)

Investitionen könnten zudem den Übergang zur Kreislaufwirtschaft fördern. So müssen die getrennte Sammlung von Abfällen und das Recycling als Alternativen zu Deponien unterstützt, Alternativen zu Rohstoffen entwickelt und die Nachfrage nach recycelten Stoffen erhöht werden, und die Öffentlichkeit muss stärker für nachhaltige Verbrauchspraktiken und entsprechendes Verhalten sensibilisiert werden. Darüber hinaus muss erheblich investiert werden, um die Sammlung und Behandlung von Abwasser in Ballungsräumen mit einem Einwohnergleichwert von über 2 000 zu gewährleisten. Investitionen in Wassernetze könnten Leckagen beim Trinkwasser mindern und dazu beitragen, dass bislang unerfüllte Qualitätsanforderungen erfüllt werden.

(17)

Forschungs- und Innovationskapazitäten sowie die Nutzung von Spitzentechnologien müssen durch Investitionen gefördert werden, um das Abschneiden bei Innovationen und das Produktivitätswachstum zu verbessern, das durch fragmentierte und ineffiziente Forschungs- und Innovationsstrategien gehemmt wird. Die „Strategie für eine intelligente Spezialisierung“ 2016-2020 Kroatiens (RIS3) zielt auf die Förderung von Innovationen, die Eliminierung der Fragmentierung des Systems und die Gewährleistung einer Organisation von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten um die wichtigsten wirtschaftlichen Prioritäten ab. Allerdings dürfte ihre Umsetzung künftig noch beschleunigt werden. Investiert werden könnte in eine bessere Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Unternehmen, um einen besseren Technologietransfer und die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen zu ermöglichen, und in eine bessere Steuerung.

(18)

Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmensführung und -kontrolle in staatseigenen Unternehmen wurden nur langsam umgesetzt. Auf dem Gebiet der Unternehmensführung und -kontrolle wurde ein neuer Kodex verabschiedet. Auch wurden eine mittelfristige Planung und Leistungsberichterstattung in Auftrag gegeben. Die Kombination aus staatseigenen Unternehmen, die in vielen Sektoren stark vertreten sind, und ihrer niedrigen Rentabilität und schwachen Produktivität belastet die Wirtschaft weiterhin. 2018 wurde die Liste der Unternehmen von besonderem Interesse weiter verkleinert und viele Unternehmen sind nun offiziell zum Verkauf freigegeben. Allerdings gibt es keine klare Privatisierungsstrategie. Die Behörden scheinen sich darauf zu konzentrieren, den großen verbleibenden Anteil an Minderheitsbeteiligungen zu veräußern und unproduktive Vermögenswerte zu aktivieren. Korruption gilt als weit verbreitet und ist noch auf dem Vormarsch. Insbesondere auf lokaler Ebene mangelt es an wirksamen Instrumenten zur Verhinderung und Sanktionierung von Korruption. In Bezug auf Personen, die für Funktionen in lokalen öffentlichen Unternehmen ernannt werden, sollten die Kontroll- und Sanktionsmechanismen verstärkt werden.

(19)

Unternehmen, vor allem kleinere Unternehmen, leiden unter übertriebenen administrativen und legislativen Anforderungen sowie steuerähnlichen Abgaben (keine Steuern). Die administrativen Auflagen wurden umfassend aufgelistet. Dadurch konnten die Behörden die erforderlichen Entlastungsmaßnahmen umsetzen. Minderungen bei den steuerähnlichen Abgaben wurden unzureichend durchgeführt. Die hohe Zahl übermäßig regulierter freiberuflicher Dienstleistungen behindert den Wettbewerb. In bestimmten Sektoren, vor allem bei den Taxidienstleistungen, wurden Fortschritte erzielt. Viele für die Wirtschaft wichtige Berufszweige unterliegen aber nach wie vor übermäßigen Beschränkungen.

(20)

Trotz Fortschritten mindern erhebliche Rückstände und langwierige Verfahren vor den Zivil- und den Handelsgerichten die Rechtssicherheit. Ineffizienzen in der Strafjustiz behindern darüber hinaus die Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzstraftaten. Die Wahrnehmung in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz hat sich weiter verschlechtert. Änderungen des Gesetzes in Bezug auf den Staatlichen Justizrat wurden 2018 angenommen. Mit Ausnahme des Hohen Handelsgerichts war der kontinuierliche Abbau der Rückstände vor allem auf die gesunkene Zahl neuer Fälle zurückzuführen. In einigen Gerichten wird elektronische Kommunikation getestet; dies muss allerdings noch landesweit eingeführt werden.

(21)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, zu schließen. Dies würde es Kroatien ermöglichen, diese Fonds unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen. Der Ausbau der Kapazitäten des Landes für die Verwaltung dieser Fondsmittel ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieser Investitionen. Der institutionelle Rahmen des öffentlichen Auftragswesens muss ausgebaut werden, um die Einhaltung der Vorschriften zu verbessern und eine strategische Auftragsvergabe zu ermöglichen, die den politischen Zielen gerecht wird und effiziente öffentliche Ausgaben gewährleistet.

(22)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Kroatiens umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Konvergenzprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Kroatien gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Kroatien berücksichtigt, sondern auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet. Dies spiegelt die Notwendigkeit wider, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken.

(23)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Konvergenzprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt (6), dass Kroatien den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird.

(24)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Konvergenzprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 bis 4 wider. Die in Empfehlung 1 genannten haushaltspolitischen Maßnahmen tragen unter anderem dazu bei, die mit dem hohen gesamtstaatlichen Schuldenstand verbundenen Ungleichgewichte anzugehen —

EMPFIEHLT, dass Kroatien 2019 und 2020

1.   

den Haushaltsrahmen verstärkt und Eventualverbindlichkeiten auf zentraler und lokaler Ebene überwacht; die territoriale Zersplitterung der öffentlichen Verwaltung abbaut und die Aufgabenverteilung strafft;

2.   

die Reform des Systems der allgemeinen und beruflichen Bildung auf allen Ebenen voranbringt und sowohl den Zugang zu den Bildungsmaßnahmen als auch deren Qualität und Arbeitsmarktrelevanz verbessert; die Sozialleistungen konsolidiert und ihre armutsverringernde Wirkung verbessert; Arbeitsmarktmaßnahmen und Institutionen sowie deren Koordinierung mit sozialen Diensten ausbaut; in Abstimmung mit den Sozialpartnern einheitliche Lohnbildungssysteme in der öffentlichen Verwaltung und den öffentlichen Diensten einführt;

3.   

den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik — unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede — auf Forschung und Innovation, nachhaltige Stadt- und Eisenbahnverkehrsinfrastruktur, Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Umweltinfrastruktur legt; die Kapazitäten der Verwaltung zur Ausarbeitung und Umsetzung öffentlicher Projekte und Maßnahmen stärkt;

4.   

die Unternehmensführung und -kontrolle in staatseigenen Unternehmen verbessert und die Veräußerung staatseigener Unternehmen und nicht-produktiver Vermögenswerte intensiviert; Korruption insbesondere auf lokaler Ebene verstärkt verhindert und sanktioniert; die Dauer von Gerichtsverfahren verkürzt und die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel in Gerichten verbessert; den Großteil der steuerähnlichen Abgaben sowie die übermäßige Produkt- und Dienstleistungsmarktregulierung mindert.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 44.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(5)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(6)  Gemäß Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/69


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Italiens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Italiens 2019

(2019/C 301/12)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Italien als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Italien die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 1 bis 5 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere Maßnahmen in den Bereichen öffentliche Verwaltung, Justiz und Wettbewerb werden zur Umsetzung der ersten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (widerstandsfähige Produktmärkte und Qualität der Institutionen) beitragen, während die Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die genannten Bereiche und die Nutzung unerwarteter Mehreinnahmen helfen werden, die zweite Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (Förderung von Investitionen und Bildung von Puffern) anzugehen, Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit und zur steuerlichen Entlastung von Produktionsfaktoren zur Umsetzung der dritten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (Funktionieren des Arbeitsmarktes) beitragen werden und Maßnahmen zur Verbesserung der Bankbilanzen helfen werden, die vierte Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (Abbau notleidender Kredite) anzugehen.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Italien wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Italiens bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Die Kommission gelangte bei ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Italien übermäßige makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Insbesondere die hohe Staatsverschuldung und die anhaltend schwache Produktivitätsentwicklung bergen Risiken, die auch für andere Länder von Belang sind. Um das Risiko nachteiliger Auswirkungen auf die italienische Wirtschaft und — angesichts deren Größe und grenzübergreifender Bedeutung — auch auf die Wirtschafts- und Währungsunion zu senken, besteht ganz erheblicher Handlungsbedarf.

(4)

Am 19. April 2019 übermittelte Italien sein nationales Reformprogramm 2019 und sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet. In Italiens nationalem Reformprogramm 2019 wird nur teilweise auf die in den länderspezifischen Empfehlungen 2018 angesprochenen strukturellen Probleme eingegangen, und es fehlen häufig Einzelheiten zu den wenigen darin enthaltenen neuen Reformzusagen sowie zum Zeitplan für deren Durchführung. Doch stützt sich Italiens Reformstrategie auf größere, bereits in Vorbereitung befindliche Reformen in verschiedenen Bereichen, was im Vergleich zu früheren nationalen Reformprogrammen von größerer Kontinuität zeugt.

(5)

Bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme sowie zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Italien unterliegt derzeit der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und der Schuldenregel. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 prognostiziert die Regierung, dass das Gesamtdefizit von 2,1 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 auf 2,4 % im Jahr 2019 steigt und anschließend schrittweise auf 2,1 % im Jahr 2020 und auf 1,5 % im Jahr 2022 zurückgeht. Diese Prognosen beruhen auf der Annahme einer Mehrwertsteuererhöhung (1,3 % des BIP im Jahr 2020 und 1,5 % im Jahr 2021), die als „Sicherheitsmaßnahme“ verabschiedet wurde, um die Haushaltsziele ab 2020 zu erreichen. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos (6) wird nicht davon ausgegangen, dass das mittelfristige Haushaltsziel — das von einem strukturell ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2019 in einen strukturellen Überschuss von 0,5 % des BIP ab 2020 abgeändert wurde — innerhalb des Programmzeitraums erreicht wird. Dem Stabilitätsprogramm 2019 zufolge wird die gesamtstaatliche Schuldenquote, nachdem sie 2018 bereits (von 131,4 % des BIP im Jahr 2017 auf 132,2 %) gestiegen war, im Jahr 2019 um 0,4 Prozentpunkte auf 132,6 % des BIP ansteigen und anschließend bis 2022 auf 128,9 % sinken. Diese Prognosen beruhen auf der Annahme von Privatisierungserlösen von 1 % des BIP im Jahr 2019 bzw. 0,3 % im Jahr 2020. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. In den letzten Jahren wurden die als „Sicherheitsmaßnahme“ verabschiedeten Mehrwertsteuererhöhungen jedoch systematisch aufgehoben, ohne dass angemessene alternative Finanzierungsmaßnahmen ergriffen worden wären; auch die Privatisierungsziele wurden nicht vollständig erreicht. Die Frühjahrsprognose 2019 der Kommission geht unter Annahme einer unveränderten Politik für 2020 von einem geringeren nominalen BIP-Wachstum und einem höheren gesamtstaatlichen Defizit aus, als im Stabilitätsprogramm 2019 prognostiziert. In der Prognose der Kommission für 2020 ist die als „Sicherheitsmaßnahme“ verabschiedete Mehrwertsteuererhöhung nicht berücksichtigt.

(7)

Da Italien die Schuldenregel im Jahr 2018 nicht eingehalten hat, veröffentlichte die Kommission am 5. Juni 2019 einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags. Darin kam sie nach Bewertung aller einschlägigen Faktoren zu dem Schluss, dass das im Vertrag und in der Verordnung (EG) Nr. 1467/1997 festgelegte Schuldenstandskriterium nicht als erfüllt angesehen werden kann und somit ein schuldenstandsbegründetes Defizitverfahren gerechtfertigt ist.

(8)

Auf die in der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung für 2019 enthaltene Aufforderung hin werden im Stabilitätsprogramm 2019 die erheblichen Haushaltsauswirkungen des Einsturzes der Morandi-Brücke bei Genua und der außergewöhnlich ungünstigen Witterungsverhältnisse im Jahr 2018 bekräftigt, und es werden ausreichend Belege für Umfang und Art der zusätzlichen Haushaltsbelastung geliefert. Dem Stabilitätsprogramm 2019 zufolge umfasst der Haushaltsplan 2019 außergewöhnliche Ausgaben im Umfang von rund 0,2 % des BIP für ein außerordentliches Instandhaltungsprogramm für das Straßennetz und einen Vorsorgeplan zur Begrenzung der hydrogeologischen Risiken. Aufgrund des unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Einsturz der Morandi-Brücke bei Genua und den ungünstigen Witterungsverhältnissen im Jahr 2018 kamen die Ausgaben für die außerordentliche Straßeninstandhaltung und die Eindämmung hydrogeologischer Risiken für eine Sonderbehandlung im Rahmen der Klausel für außergewöhnliche Ereignisse in Frage. Der Kommission zufolge belaufen sich die berücksichtigungsfähigen zusätzlichen Ausgaben für diese Maßnahmen im Jahr 2019 auf 0,18 % des BIP. Die Bestimmungen nach Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 ermöglichen eine Berücksichtigung dieser zusätzlichen Ausgaben, da der Einsturz der Morandi-Brücke bei Genau und die außergewöhnlich ungünstigen Witterungsverhältnisse als außergewöhnliche Ereignisse betrachtet werden, die erhebliche Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen Italiens haben, deren Tragfähigkeit aber durch die Gewährung einer vorübergehenden Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel nicht gefährdet würde. Im Frühjahr 2020 wird auf der Grundlage der von den italienischen Behörden übermittelten erhobenen Daten für 2019 eine endgültige Bewertung vorgenommen, die auch die berücksichtigungsfähigen Beträge umfasst.

(9)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat Italien sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben (7) im Jahr 2019 0,1 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass im Jahr 2019 die Gefahr einer erheblichen Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel besteht. An dieser Schlussfolgerung würde sich auch dann nichts ändern, wenn die Auswirkungen des außerordentlichen Instandhaltungsprogramms für das Straßennetz nach dem Einsturz der Morandi-Brücke in Genua und eines Vorsorgeplans zur Begrenzung der hydrogeologischen Risiken aufgrund außergewöhnlich ungünstiger Witterungsverhältnisse auf den Haushalt im Jahr 2019 bei der Betrachtung der Vorgaben der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts unberücksichtigt blieben.

(10)

Angesichts einer gesamtstaatlichen Schuldenquote von über 60 % des BIP und der prognostizierten Produktionslücke von - 0,1 % des BIP sollten die gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben 2020 nominal um 0,1 % zurückgehen; dies steht im Einklang mit der strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP nach der im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts vereinbarten gemeinsamen Anforderungsmatrix. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2020 bei einer unveränderten Politik die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser Anforderung besteht. Italien wird die Schuldenregel in den Jahren 2019 und 2020 voraussichtlich nicht einhalten. Bei einem Stand von rund 132 % des BIP macht es die hohe öffentliche Schuldenquote Italiens erforderlich, umfangreiche Mittel zur Deckung des Schuldendienstes einzusetzen, die daher in stärker wachstumsfördernden Bereichen wie Bildung, Innovation und Infrastruktur fehlen. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass ab 2019 die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten. Es wäre wichtig, unerwartete Mehreinnahmen zum weiteren Abbau der gesamtstaatlichen Schuldenquote einzusetzen.

(11)

Das italienische Steuersystem belastet die Produktionsfaktoren weiterhin stark, was sich nachteilig auf das Wirtschaftswachstum auswirkt. Die hohe Steuer- und Abgabenbelastung der Faktoren Arbeit und Kapital hemmt Beschäftigung und Investitionen. Der Haushaltsplan 2019 sieht eine steuerliche Entlastung von Selbstständigen und kleinen Unternehmen vor. Die steuerliche Gesamtbelastung der Unternehmen und insbesondere der Finanzinstitute hat sich jedoch vorübergehend erhöht. Weniger wachstumsschädliche Steuerquellen wie z. B. Immobilien und Konsum werden nur unzureichend genutzt, sodass im Hinblick auf eine Verlagerung der steuerlichen Belastung von den Faktoren Arbeit und Kapital auf haushaltsneutrale Besteuerungsquellen weiterhin Spielraum besteht. Die periodische Immobiliensteuer auf den Erstwohnsitz wurde im Jahr 2015 auch für reichere Haushalte abgeschafft. Darüber hinaus sind die als Grundlage für die Berechnung der Immobiliensteuer herangezogenen Grundstücks- und Immobilienwerte (auch „Katasterwerte“) größtenteils veraltet, und eine Reform zur Anpassung an die aktuellen Marktwerte steht noch aus. Zahl und Umfang der Steuervergünstigungen sind — insbesondere bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen — hoch, und ihre Straffung wurde in den letzten Jahren systematisch aufgeschoben. Ferner kann die Belastung für Unternehmen und Haushalte, die ihren steuerlichen Verpflichtungen nachkommen, weiter verringert werden, indem die Steuergesetzgebung vereinfacht und insgesamt für größere Steuerehrlichkeit gesorgt wird. Insbesondere die Mehrwertsteuerlücke (die Differenz zwischen den theoretischen und den tatsächlich erhobenen Mehrwertsteuereinnahmen) Italiens zählt zu den höchsten in der Union. Dies liegt unter anderem in Italiens hohem Maß an Steuerhinterziehung begründet, insbesondere im Zusammenhang mit unterlassenen Rechnungsstellungen. Die obligatorische elektronische Rechnungsstellung für alle geschäftlichen Transaktionen mit Endverbrauchern stellt eine begrüßenswerte Maßnahme zur Schließung dieser Lücke dar. Allerdings sind die Obergrenzen für Barzahlungen in den letzten Jahren angehoben worden, sodass elektronische Zahlungsmittel in der Praxis unter Umständen weniger genutzt werden. Durch die Förderung elektronischer Zahlungsmittel hingegen könnte in höherem Maße zur Rechnungsstellung angeregt und somit für größere Steuerehrlichkeit gesorgt werden.

(12)

Die Ausgaben Italiens für Renten gehören mit etwa 15 % des BIP im Jahr 2017 zu den höchsten in der Union und dürften aufgrund des sich verschlechternden Altersabhängigkeitsquotienten mittelfristig weiter steigen. Der Haushaltsplan 2019 und das Gesetzesdekret vom Januar 2019 zur Umsetzung der neuen Frühpensionierungsregelung bewirken Rückschritte gegenüber Elementen früherer Rentenreformen, was die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen mittelfristig verschlechtern wird. Diese neuen Bestimmungen werden mittelfristig zu einem weiteren Anstieg der Rentenausgaben führen. Die neue Frühpensionierungsregelung („quota 100“) wird es ermöglichen, zwischen 2019 und 2021 im Alter von 62 Jahren in Rente zu gehen, sofern 38 Beitragsjahre vorgewiesen werden können. Darüber hinaus wurde der Anwendungsbereich der bestehenden Bestimmungen zur Frühpensionierung ausgeweitet, indem unter anderem die im Zuge vergangener Rentenreformen eingeführte Indexierung des erforderlichen Mindestbeitrags auf der Grundlage der Lebenserwartung bis 2026 ausgesetzt wurde. Im Hinblick auf diese Bestimmungen wurden im Haushaltsplan 2019 Mittel in Höhe von 0,2 % des BIP für 2019 und 0,5 % des BIP für 2020 und 2021 veranschlagt; allerdings werden auch für die darauffolgenden Jahre zusätzliche Kosten erwartet. Die hohen öffentlichen Ausgaben für Renten schränken andere soziale und wachstumsfördernde Ausgaben in Bereichen wie Bildung und Investitionen ein und verringern die Möglichkeiten zur Reduzierung der insgesamt hohen steuerlichen Belastung sowie des hohen öffentlichen Schuldenstands. Die erweiterten Möglichkeiten einer Frühpensionierung könnten sich zudem negativ auf das Angebot an Arbeitskräften auswirken, zumal Italien beim Anteil der Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitskräfte (55–64-Jährige) ohnehin bereits unter dem Unionsdurchschnitt liegt, und folglich das Potenzialwachstum hemmen und die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung verringern. Um den Anstieg der Rentenausgaben zu begrenzen, sollten bereits verabschiedete Rentenreformen zur Eindämmung der sich aus der Bevölkerungsalterung ergebenden Verbindlichkeiten vollständig umgesetzt werden. Einsparungen könnten — unter Achtung der Grundsätze der Gerechtigkeit und der Verhältnismäßigkeit — ferner durch Eingriffe bei den hohen Rentenansprüchen, die nicht durch entsprechende Beiträge gedeckt sind, erzielt werden.

(13)

Trotz des Konjunkturrückgangs nahm die Beschäftigung im Jahr 2018 weiter zu, wenn auch etwas langsamer als im Vorjahr. Die Zahl der erwerbstätigen Personen stieg zum Jahresende auf 23,2 Mio. und übertraf somit das Vorkrisenniveau. In der Altersgruppe der 20-64-Jährigen stieg die Beschäftigungsquote im letzten Jahr auf 63 %, liegt jedoch nach wie vor weit unter dem Unionsdurchschnitt (73,2 %). Außerdem bestehen erhebliche regionale Unterschiede, und der Arbeitsmarkt ist weiterhin segmentiert, wobei der Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisse 2018 weiter zugenommen hat. Die Arbeitslosenquote ging auf 10,6 % zurück. Die Langzeit- und die Jugendarbeitslosigkeit sind nach wie vor hoch, was sich belastend auf das Potenzialwachstum und den sozialen Zusammenhalt auswirkt. Nichterwerbstätigkeit ist vor allem bei Frauen, Geringqualifizierten und jungen Menschen verbreitet. Darüber hinaus war der Anteil junger Menschen (15–24-Jährige), die sich weder in Beschäftigung noch in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung befanden, im Jahr 2018 mit 19,2 % der höchste in der Union. Auch unfreiwillige Teilzeitbeschäftigung ist weitverbreitet, was auf eine anhaltende Unterauslastung des Arbeitsmarktes hindeutet.

(14)

Die Einkommensungleichheit und das Armutsrisiko sind hoch und weisen große regionale und territoriale Unterschiede auf. Im Jahr 2017 waren 28,9 % der Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht; dieser Wert liegt über dem Vorkrisenniveau und deutlich über dem Unionsdurchschnitt im Jahr 2017 (22,4 %). Besonders betroffen sind Kinder, vor allem Kinder mit Migrationshintergrund. Die Erwerbsarmut ist hoch und nimmt weiter zu, insbesondere bei Arbeitnehmern mit befristetem Beschäftigungsverhältnis und Menschen mit Migrationshintergrund. Selbstständige, die 20,8 % der Erwerbsbevölkerung ausmachen (gegenüber einem Unionsdurchschnitt von 13,7 %), sind insgesamt weniger gegen soziale Risiken abgesichert als Arbeitnehmer. Eine weitere Herausforderung stellt der Zugang zu bezahlbarem und angemessenem Wohnraum dar. Außerdem erfolgt die Erbringung sozialer Dienstleistungen nach wie vor lückenhaft, und es besteht weiterhin Entwicklungsbedarf. Die sozialen Transferleistungen zur Verringerung von Armut und Ungleichheit gehören zu den unwirksamsten in der Union. Die 2018 eingeführte Armutsbekämpfungsregelung wurde durch eine neue umfassende Regelung (Grundeinkommen) ersetzt, mit der weiterhin eine Strategie der aktiven Eingliederung verfolgt wird, die allerdings gewissen Bedingungen unterliegt. Der erhebliche Verwaltungsaufwand für Arbeitsvermittlungs- und Sozialdienste stellt eine Herausforderung für die Umsetzung dieser Reform dar. Ihre konkreten Auswirkungen werden von der Wirksamkeit von Maßnahmen zur Eingliederung von Menschen in Beschäftigungsverhältnisse oder Fortbildungsangebote, dem Umfang der Bereitstellung personalisierter Sozialdienstleistungen sowie von Kontrollen abhängen. Insbesondere die tatsächliche Eignung der Reform, die bedürftigsten Menschen zu erreichen, wird ihre Auswirkungen im Hinblick auf die Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung beeinflussen. Die Ergebnisse bei der Gesundheitsversorgung sind insgesamt positiv, wenngleich die Ausgaben unter dem Unionsdurchschnitt liegen. Bei der Erbringung von Gesundheitsversorgungsleistungen gibt es allerdings große regionale Unterschiede, was sich in ihrer Verfügbarkeit, Ausgewogenheit und Effizienz niederschlägt; sie könnte durch eine bessere Verwaltung und die Überwachung der Erbringung grundlegender Dienstleistungen verbessert werden. Die Stärkung der häuslichen Betreuung, der Betreuung in der lokalen Gemeinschaft sowie der Langzeitpflege spielt bei der Unterstützung von Menschen mit Behinderung und anderen benachteiligten Gruppen eine entscheidende Rolle.

(15)

Nicht angemeldete Erwerbstätigkeit ist in Italien, insbesondere in den südlichen Regionen, weitverbreitet. Schätzungen des italienischen Statistikamts zufolge belief sich der Umfang der nicht erfassten Wirtschaftstätigkeiten 2016 auf etwa 210 Mrd. EUR (12,4 % des BIP). Davon entfielen etwa 37,2 % auf nicht angemeldete Erwerbstätigkeiten. Besonders schutzbedürftige Gruppen wie Migranten, Frauen und Minderjährige sind davon betroffen. Das neu eingerichtete Nationale Arbeitsinspektorat, das seine Arbeit im Jahr 2017 aufgenommen hat, hat sich eingehend mit dem Phänomen des sogenannten „Caporalato“-Systems im Landwirtschaftssektor befasst, das von einer hohen Unregelmäßigkeit und einer Gefahr der Arbeitsausbeutung, insbesondere für irreguläre Migranten, geprägt ist. Zur Bekämpfung und Prävention von nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit und von Arbeitsausbeutung sowie zur Gewährleistung gerechter und sicherer Arbeitsbedingungen sind eine aufmerksame Überwachung der kürzlich verabschiedeten Maßnahmen sowie weitere Schritte erforderlich. Darüber hinaus ist es wichtig sicherzustellen, dass mit der praktischen Umsetzung des Grundeinkommens möglichst große Anreize für reguläre Arbeit und die Umwandlung von nicht angemeldeten Erwerbstätigkeiten in reguläre Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden, und zwar durch eine enge Überwachung und positive Anreize.

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Für die Umsetzung der neuen Grundeinkommensregelung ist es von entscheidender Bedeutung, die öffentlichen Arbeitsvermittlungsstellen zu stärken, indem mehr Ressourcen bereitgestellt werden und die Qualität der Dienstleistungen erhöht wird. Im Zusammenhang mit dieser neuen Regelung, die ein Grundeinkommen für Geringverdiener und Arbeitslose vorsieht, sind wirksame aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ein wichtiges Instrument, um Friktionen am Arbeitsmarkt zu verringern und Anreize für die Erwerbsbeteiligung zu schaffen. In dieser Hinsicht ist es unbedingt erforderlich, dass Arbeitsvermittlungsstellen mit ausreichendem und qualifiziertem Personal ausgestattet werden. Eine wirksame Unterstützung bei der Arbeitssuche, die auf die Stärkung von Aus-und Weiterbildungsmaßnahmen ausgerichtet ist, ist von grundlegender Bedeutung, wenn es darum geht, die Arbeitskräftemobilität zu verbessern und Erwerbstätige mit den notwendigen Kompetenzen für künftige Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt und ein zunehmend schwieriges und wettbewerbsgeprägtes Arbeitsumfeld auszustatten. Kürzlich wurden einige Schritte unternommen, um aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wirksamer zu gestalten; dazu gehören die Festlegung von Monitoring-Indikatoren und Mindestnormen, die Verabschiedung einer Strategie für Langzeitarbeitslose und die Entwicklung eines Instruments zur qualitativen Profilerstellung („Profiling“). Dennoch sind die allgemeine Effizienz öffentlicher Arbeitsvermittlungsstellen und ihr Erfolg bei der Eingliederung von Menschen ins Arbeitsleben nach wie vor gering; die entsprechende Bilanz zeigt große regionale Unterschiede auf, während die Integration sozial- und bildungspolitischer Maßnahmen begrenzt ist. Auch die Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern ist unzureichend.

(17)

Das Beschäftigungsgefälle zwischen Frauen und Männern in Italien gehört weiterhin zu den größten in der Union; die Beschäftigungsquote von Frauen ist zwar geringfügig gestiegen, liegt aber weit unter dem Unionsdurchschnitt (53,1 % gegenüber 67,4 % im Jahr 2018). Die Investitionen in Betreuungseinrichtungen und die Erwerbsbeteiligung von Frauen sind weiterhin unzureichend; gleiches gilt für Maßnahmen zur Förderung von Chancengleichheit sowie geeignete Strategien für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Auch eine umfassende Strategie zur Förderung der Erwerbsbeteiligung von Frauen ist bislang nicht vorhanden. Zwar wurde die obligatorische Elternzeit für Väter geringfügig erhöht (von vier auf fünf Tage), doch ist die Elternurlaubsregelung nach wie vor unangemessen. Genau wie die nur unzureichend entwickelten Kinderbetreuungs- und Langzeitpflegedienste hindert dies Frauen mit Kindern oder anderen pflegebedürftigen Familienangehörigen häufig daran, einer Beschäftigung nachzugehen. Im Jahr 2017 nahmen nur 28,6 % der Kinder unter drei Jahren formelle frühkindliche Erziehungsdienste wahr; dieser Wert liegt deutlich unter dem Unionsdurchschnitt. Investitionen in Kinderbetreuungs-, Gesundheitsversorgungs- und Langzeitpflegeangebote sollten dem starken geografischen Gefälle bei der Verfügbarkeit solcher Dienstleistungen Rechnung tragen. Zudem verringert die hohe Steuer- und Abgabenbelastung für Zweitverdiener den finanziellen Anreiz für Frauen, eine Beschäftigung aufzunehmen. Durch eine höhere Erwerbsbeteiligungsquote bei Frauen sowie eine allgemein höhere Erwerbsquote könnten das Wirtschaftswachstum durch die damit verbundene Erhöhung des Arbeitskräfteangebots angekurbelt, die Armut gelindert und die sich aus der Bevölkerungsalterung ergebenden sozialen und finanziellen Risiken gemindert werden.

(18)

Die ursprünglich angestrebte Reform des Rahmens für Tarifverhandlungen zielte darauf ab, Löhne und Gehälter stärker an die wirtschaftlichen Bedingungen auf regionaler und auf Unternehmensebene anzupassen. Im März 2018 unterzeichnete Confindustria einen Rahmentarifvertrag mit den drei großen italienischen Gewerkschaften (Cgil, Cisl und Uil), um Lohnverhandlungen auf Betriebsebene auszuweiten. Darüber hinaus sorgt der Vertrag aufgrund klarerer Vorschriften für die Vertretung der Sozialpartner bei Verhandlungen für mehr Rechtssicherheit und führt einen verbesserten Algorithmus zur Bestimmung von Mindestlöhnen ein. Die erste Durchführungsvereinbarung betreffend Vertretung, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz wurde Ende 2018 vom Arbeitgeberverband und den drei wichtigsten Gewerkschaften unterzeichnet.

(19)

Investitionen in die allgemeine und die berufliche Bildung sind von grundlegender Bedeutung, um ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zu fördern. Italiens schleppende Produktivitätsentwicklung wird durch Mängel im Schul- und Berufsbildungssystem sowie die schwache Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften beeinträchtigt. Die Verbesserung der Qualität des Schul- und Berufsbildungssystems stellt eine große Herausforderung dar. Die die Quote der frühzeitigen Schulabgänger liegt nach wie vor deutlich über dem Unionsdurchschnitt (14,5 % gegenüber 10,6 % im Jahr 2018), und es gibt große regionale und territoriale Unterschiede bei den Bildungsergebnissen. Wenngleich der Anteil der für die Grund- und Sekundarschulbildung bereitgestellten Finanzmittel weitestgehend dem Unionsdurchschnitt entspricht, könnten weitere Anstrengungen zur Anwerbung, ordnungsgemäßen Einstellung und Motivation von Lehrkräften zu einer Verbesserung der Lernergebnisse führen. Das Einstellungssystem basiert zu sehr auf Wissen anstatt auf Kompetenzen, und die pädagogische Komponente ist unzureichend. Darüber hinaus sind die Lehrergehälter in Italien im internationalen Vergleich sowie im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern mit Hochschulabschluss weiterhin niedrig. Im Vergleich zu ausländischen Kollegen werden höhere Gehaltsstufen nur langsamer erreicht, und die Karriereaussichten sind aufgrund der einzigen Laufbahn begrenzter. Außerdem beruhen Beförderungen ausschließlich auf dem Dienstalter und nicht auf der Leistung. Dies mindert die Attraktivität des Lehrerberufs für hochqualifizierte Personen ganz erheblich und entmutigt das Lehrpersonal; dies wirkt sich wiederum nachteilig auf die Lernergebnisse von Schülern aus. Das Lehrlingsausbildungssystem hatte in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen, wurde jedoch durch verabschiedete Maßnahmen wieder ausgebremst. Im Hinblick auf Schlüsselkompetenzen und Grundfertigkeiten schneiden Schüler bzw. Studierende und Erwachsene in Italien auf Unionsebene mit am schlechtesten ab. Die Beteiligung von Erwachsenen an Bildungsmaßnahmen ist sehr gering und nimmt weiter ab, und das Beschäftigungsgefälle zwischen Gering- und Hochqualifizierten gehört zu den höchsten in der Union. Besonders notwendig sind Weiterbildungsmaßnahmen zur Förderung digitaler Kompetenzen. Bei der Entwicklung der digitalen Kompetenzen und Infrastrukturen wurden bislang begrenzte Fortschritte erzielt. Investitionen in Humankapital sind eine Voraussetzung für die Ankurbelung öffentlicher und privater Investitionen, und bei den derzeitigen Maßnahmen zur Förderung digitaler Kompetenzen und von Erwachsenenbildung fehlt ein umfassender Ansatz. Auch bei grundlegenden und fortgeschrittenen digitalen Kompetenzen liegt Italien unter dem Unionsdurchschnitt: So verfügen in der Altersgruppe der 16-bis74-Jährigen nur 44 % über grundlegende digitale Kompetenzen (gegenüber 57 % in der Union).

(20)

Die schwachen Investitionen in Kompetenzen verlangsamen Italiens Übergang zu einer wissensbasierten Wirtschaft, hemmen das Produktivitätswachstum und schränken das Potenzial zur Verbesserung der nichtpreislichen Wettbewerbsfähigkeit und des BIP-Wachstums ein. Durch die Lücken im Bildungssystem lässt sich auch die im Vergleich zu anderen Ländern geringe Produktivität von Klein- und Kleinstunternehmen in Italien erklären. Die Hochschulen sind unterfinanziert und personell unterbesetzt, und das Angebot an berufsorientierter Hochschulbildung ist trotz eines hohen Grades an Beschäftigungsfähigkeit begrenzt. Der Anteil der Hochschulabsolventen ist nach wie vor niedrig (27,9 % der Bevölkerung im Alter von 30 bis 34 Jahren im Jahr 2018) und geht mit einer relativ geringen Verfügbarkeit von Hochschulabsolventen, insbesondere im wissenschaftlichen und technischen Bereich, einher; gezielte Investitionen in Kompetenzen sind eine Voraussetzung für die Förderung öffentlicher und privater Investitionen, vor allem in immaterielle Vermögenswerte. Hochschulstudien in Bereichen mit Relevanz für wissensintensive Sektoren müssen gefördert und spezifische Kompetenzen wie digitale und finanzielle Fertigkeiten gestärkt werden.

(21)

Strategien zur Produktionssteigerung, beispielsweise durch Innovation bei Produkten, Verfahren oder Organisation, werden von kleineren Unternehmen nach wie vor nur begrenzt übernommen, was insbesondere für Süditalien gilt. Die Investitionen in immaterielle Vermögenswerte liegen seit Beginn der 2000er-Jahre deutlich unter dem Unionsdurchschnitt. Die Ausgaben der Unternehmen für Forschung und Entwicklung sind nur etwa halb so hoch wie der Durchschnitt im Euro-Währungsgebiet. Die öffentliche Förderung von Unternehmensausgaben für Forschung und Entwicklung ist weiterhin gering, nimmt jedoch aufgrund größerer Steueranreize zu. Auch die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung liegen unter dem Durchschnitt im Euro-Währungsgebiet. Die geringe Innovationsleistung könnte zudem den Übergang zu einer umweltverträglicheren Wirtschaft verlangsamen. Um die Innovationsleistung Italiens zu verbessern, sind weitere Investitionen in immaterielle Vermögenswerte sowie eine stärkere Ausrichtung auf den Technologietransfer erforderlich, wobei auch regionale Schwächen sowie die Größe der Unternehmen berücksichtigt werden sollten. Vor kurzem wurden im Haushaltsplan einige Maßnahmen angekündigt, um innovative Technologien zu fördern. Die öffentliche Förderung von Unternehmensausgaben für Forschung und Entwicklung kann verbessert werden, indem ein ausgewogener Mix direkter und indirekter Maßnahmen angenommen und eine eingehende Prüfung der derzeitig bestehenden vorläufigen Steueranreize — mit dem Ziel einer dauerhaften Einführung der effizientesten Anreize — durchgeführt wird. Durch Maßnahmen zur Förderung von Wissen (wie z. B. die Schaffung von Technologieclustern) und der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen werden kleinere Unternehmen insbesondere dabei unterstützt, diese Schwierigkeiten anzugehen und ihre geringe Produktivität zu steigern.

(22)

Investitionen sind notwendig, um die Qualität und langfristige Belastbarkeit der Infrastrukturen in Italien zu erhöhen. Was den Verkehrssektor betrifft, so hat Italien seine Investitionsstrategie für die Infrastruktur („Connettere l’Italia“) bislang nicht umgesetzt. Bei der Durchführung der geplanten Investitionen in den Bereichen Schienenverkehr, Straßenverkehr und nachhaltige städtische Mobilität wurden sehr geringe Fortschritte erzielt. Dies ist auf verwaltungstechnische Verzögerungen, Ineffizienz bei den Ausgaben, eine unvollständige Umsetzung der neuen Vergabe- und Konzessionsvorschriften sowie auf Rechtsstreitigkeiten zurückzuführen. Der Verkehrsanzeiger der Union verdeutlicht, dass die Qualität der Infrastruktureinrichtungen in Italien unter dem Unionsdurchschnitt liegt. Im Hinblick auf den allgemeinen Reparaturstand besteht Anlass zur Besorgnis, wie am Beispiel der eingestürzten Morandi-Brücke bei Genua deutlich wurde. Die Regierung hat Instandhaltung und Sicherheit Vorrang eingeräumt, indem sie einen Plan zur Überwachung des Instandhaltungsstatus sämtlicher Infrastruktureinrichtungen erarbeitet und eine neue Behörde für die Sicherheit der Schienen- und Straßeninfrastruktur ins Leben gerufen hat. In diesem Zusammenhang wurde Italien für den Haushalt 2019 nach den Haushaltsvorschriften der Union für einen Investitionsplan zur Sicherung von Straßeninfrastruktureinrichtungen wie etwa der Morandi-Brücke eine Abweichung von 1 Mrd. EUR gewährt. Auch Investitionen in nachhaltige Verkehrs- und Infrastrukturlösungen stellen eine Möglichkeit dar, Umweltherausforderungen anzugehen. Um die hochgesteckten Energie- und Klimaziele der Union für 2030 zu erreichen, sind nachhaltige umweltfreundliche Investitionen erforderlich. Der integrierte nationale Energie- und Klimaplan stellt eine wichtige Orientierungshilfe dar, wenn es um die Bestimmung des Investitionsbedarfs in den Bereichen Verringerung der CO2-Emissionen und Energie geht. Investitionen sind notwendig, um die Energieinfrastruktur zu verbessern; dies würde zu einem widerstandsfähigeren, saubereren, sichereren und flexibleren Energiesystem beitragen und gleichzeitig die Marktintegration fördern und die Preisunterschiede verringern. Das italienische Elektrizitätsnetz ist für den zunehmenden grenzüberschreitenden Stromhandel und die für 2030 prognostizierte Vielzahl variabler erneuerbarer Energiequellen noch nicht hinreichend gerüstet. Investitionen in die Prävention hydrogeologischer und seismischer Risiken sind erforderlich, um Soforthilfeausgaben zu senken, unter anderem für Infrastruktureinrichtungen. Für den Haushalt 2019 wurde Italien nach den Haushaltsvorschriften der Union eine Abweichung von 2,1 Mrd. EUR gewährt, um die Prävention größerer hydrogeologischer Risiken sicherzustellen. Schließlich sind trotz der nach wie vor bestehenden Risiken im Zusammenhang mit Wasserknappheit und Dürren wirksame Investitionen in die Abfallbewirtschaftung und die Wasserinfrastruktur in Süditalien unzureichend. Die Fragmentierung des Sektors stellt wie auch das schwache Kreditprofil kleinerer Marktteilnehmer ein Hindernis für Investitionen dar. Investitionen wie unter anderem zur Bekämpfung des Klimawandels, zur Förderung von ökologischer Nachhaltigkeit und Risikovorsorge sowie zur Anbindung ländlicher Gebiete würden zudem dazu beitragen, regionale Ungleichheiten zu verringern. In den ländlichen Gebieten ist zudem das Breitbandnetz weniger ausgebaut. Im Hinblick auf die Abdeckung durch ultraschnelle Breitbandnetze (mindestens 100 Mbit/s) ist Italien weiterhin rückständig (24 % gegenüber dem Unionsdurchschnitt von 60 %) und liegt — bei einer nach wie vor sehr schwachen Wachstumsrate — nur an 27. Stelle. Sowohl bei der Breitbandversorgung als auch bei der Breitbandnutzung liegen die Werte Italiens weit unter dem Unionsdurchschnitt.

(23)

Die insbesondere auf lokaler Ebene unzureichenden Kapazitäten des öffentlichen Sektors bei der Verwaltung von Finanzmitteln stellen aufgrund komplizierter Verfahren, der Überschneidung von Zuständigkeiten und einer schlechten Verwaltung des öffentlichen Dienstes sektorübergreifend ein Hindernis für Investitionen dar. Aufgrund unzureichender Kompetenzen im öffentlichen Sektor sind die Kapazitäten bei der Bewertung, Auswahl und Verwaltung von Investitionsvorhaben begrenzt. Dies beeinträchtigt auch den Einsatz von Fördergeldern der Union; in dieser Hinsicht liegt Italien nach wie vor unter dem Unionsdurchschnitt. Die niedrigere Verwaltungsqualität in Süditalien schränkt die dortigen Ausgaben- und Politikgestaltungskapazitäten erheblich ein. Die Verbesserung der Verwaltungskapazitäten ist eine Voraussetzung für die wirksame Durchführung öffentlicher Investitionen sowie die Verwendung von Fördergeldern der Union und wirkt sich positiv auf private Investitionen und das BIP-Wachstum aus. Solche Verbesserungen könnten die Wirkung von Investitionen in den Bereichen Breitband, Verkehr, Wasserbewirtschaftung sowie Kreislaufwirtschaft erhöhen, und zwar insbesondere in Süditalien, das vor allem im Hinblick auf immaterielle Investitionen hinterherhinkt. Würden die Verwaltungskapazitäten zentraler und lokaler Behörden erhöht, würde dies die Planung, Bewertung und Überwachung von Investitionsvorhaben sowie die Ermittlung und Bewältigung möglicher Engpässe erleichtern.

(24)

Die Erhöhung der Effizienz der öffentlichen Verwaltung in Italien hätte positive Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen für Unternehmen, die Investitionstätigkeit und die Fähigkeit von Unternehmen, Innovationschancen zu nutzen. Im Jahr 2015 wurde ein umfassendes Gesetz zur Reformierung der öffentlichen Verwaltung angenommen. Im Zuge dieser Reform wurden die meisten Ursachen mangelnder Effizienz wie unter anderem die Dauer und Komplexität der Verfahren, der Mangel an Transparenz, die ineffiziente Verwaltung des öffentlichen Dienstes sowie staatlicher Unternehmen und eine unzureichende Digitalisierung angegangen. Die Reform ist seit Ende 2017 größtenteils umgesetzt und findet derzeit Anwendung; dazu soll auch das neue Gesetz für eine konkretere öffentliche Verwaltung („Disegno di Legge ’Concretezza‘“) beitragen. Uneinheitliche Planung, begrenzte finanzielle Ressourcen und eine unzureichende Koordinierung verzögern jedoch die Einführung digitaler öffentlicher Dienste in zentralen Bereichen wie Online-Zahlungssystemen, die zu einer Verringerung der Komplexität und einer Erhöhung der Transparenz beitragen würden. Das hohe Durchschnittsalter und die durchschnittlich geringen digitalen Kompetenzen von öffentlich Bediensteten verlangsamen diesen Prozess zusätzlich. Dennoch führen klare Zielsetzungen und eine wirksame Umsetzung zu sichtbaren Ergebnissen, wie dies in den Fällen der zügigen Einrichtung des elektronischen Marktes für die Vergabe öffentlicher Aufträge („Mercato elettronico della pubblica amministrazione“) und der elektronischen Rechnungsstellung deutlich wurde. Die Reform der öffentlichen Verwaltung von 2015 sah auch einen neuen Rahmen zur Reformierung der Verwaltung lokaler öffentlicher Dienstleistungen vor. Im November 2016 erklärte das italienische Verfassungsgericht das zum Erlass einiger Gesetzesdekrete — darunter auch das Dekret für lokale öffentliche Dienstleistungen — angewandte Verfahren jedoch für verfassungswidrig. Folglich ist eine neue Gesetzesinitiative erforderlich, um die Effizienz und Qualität lokaler öffentlicher Dienstleistungen zu fördern, unter anderem indem wettbewerbsfähigen Angeboten Vorrang gegenüber internen Lösungen eingeräumt wird, oder aber durch direkte Finanzhilfen.

(25)

Im aktualisierten Wirtschafts- und Finanzdokument 2018 („NADEF 2018“) wurden die Projektvorbereitung und die Verbesserung der Qualität des Projektzyklus als grundlegende Faktoren für die Wiederankurbelung wirksamer Investitionsausgaben in Italien ermittelt. Zudem wurde in diesem Dokument die Einrichtung eines spezifischen Fonds für die Vorbereitung und Prüfung wichtiger Infrastrukturprojekte gemeldet. Ein weiterer Fonds wurde für die Vorbereitung kleinerer, von lokalen Behörden durchgeführter Projekte vorgesehen. Jedoch wurde bislang für keinen der beiden Fonds ein Durchführungsdekret erlassen, und die für die Fonds vorgesehene Mittelausstattung könnte geringer ausfallen, als im DEF 2018 ursprünglich veranschlagt. Im Haushaltsgesetz für 2019 wird die Einrichtung einer Zentrale für die Planung öffentlicher Projekte („Centrale per la progettazione“) erwähnt, jedoch ist diese noch nicht einsatzbereit, und ihre Einrichtung scheint längerfristiger Bemühungen zu bedürfen. Was den Gesichtspunkt der Funktionalität anbelangt, so ist nicht klar, wie die Zentrale mit Gemeinden und anderen lokalen Behörden interagieren wird.

(26)

Bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen würden das Unternehmertum fördern, und bessere wettbewerbsrechtliche Rahmenbedingungen würden dazu führen, dass Ressourcen effizienter zugewiesen und Produktivitätsgewinne erzielt werden. Das im August 2017 angenommene jährliche Wettbewerbsgesetz 2015 muss ordnungsgemäß umgesetzt werden. Darüber hinaus bestehen in bestimmten Bereichen, so etwa bei unternehmensorientierten Dienstleistungen und im Einzelhandel, weiterhin erhebliche Hindernisse für den Wettbewerb. Eine bessere Qualität des Rechtsrahmens würde gleiche Wettbewerbsbedingungen für innovative Plattformen und traditionelle Marktteilnehmer sicherstellen und sektorübergreifend das volle Potenzial der kollaborativen Wirtschaft sowie eines faireren Wettbewerbs freisetzen. Durch mehr wettbewerbliche Verfahren für die Vergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen und Konzessionen für den Zugang zu öffentlichen Gütern würde die Qualität der Dienstleistungen steigen. Die mangelnde regulatorische Stabilität im öffentlichen Auftragswesen könnte einige der zentralen Vorteile vorheriger Reformen zunichtemachen und zur Zurückstellung von Investitionen beitragen. Die Marktüberwachung für Produkte ist auf verschiedene Organisationen verteilt und weist zahlreiche Überschneidungen auf; zudem mangelt es an effizienten Koordinierungssystemen. Dies führt zu einer geringeren Wirksamkeit der Kontrollen zur Verhinderung eines unlauteren Wettbewerbs aufgrund nicht konformer Unternehmen.

(27)

Die geringe Effizienz der italienischen Zivilgerichtsbarkeit bietet nach wie vor Anlass zur Besorgnis. Im Jahr 2017 lag Italien im Hinblick auf die Zeitspanne bis zur Entscheidung in zivil- und handelsrechtlichen Verfahren in allen Instanzen unionsweit nach wie vor an letzter Stelle. Wenngleich bei der Dauer erstinstanzlicher Verfahren gegenüber 2016 eine Zunahme verzeichnet wurde, beginnen frühere Reformen, sich positiv auf die Dauer von Verfahren in höheren Instanzen auszuwirken; dennoch besteht im Hinblick auf die Eindämmung missbräuchlicher Prozessführung und die Gewährleistung einer effizienteren Funktionsweise der Gerichte weiterhin Raum für Verbesserungen. Im Falle des Kassationsgerichtshofs wirkt sich die Koinzidenz einer hohen Anzahl neuer Rechtssachen und einer niedrigen Verfahrensabschlussquote in der Steuerkammer negativ auf die Effizienz des Gerichtshofs aus und wirft Bedenken hinsichtlich der Steuergerichtsbarkeit in erster und zweiter Instanz auf. Insgesamt könnte eine angemessene Anwendung einfacherer Verfahrensregeln dazu beitragen, zivilrechtliche Gerichtsverfahren maßgeblich zu beschleunigen. In diesem Zusammenhang wurde eine Reform zur Straffung des Zivilprozessrechts angekündigt; diese wurde jedoch nicht dem Parlament vorgelegt. Weitere Herausforderungen sind die nach wie vor begrenzte und uneinheitliche Anwendung der Unzulässigkeitsprüfung für Berufungen in zweiter Instanz, die zahlreichen unbesetzten Stellen in der Verwaltung und die fortwährenden Unterschiede zwischen Gerichten bei der Wirksamkeit der Bearbeitung von Rechtssachen.

(28)

Italien hat zuletzt einige Fortschritte bei der Verbesserung seines Rahmens für die Korruptionsbekämpfung erzielt, unter anderem durch einen besseren Schutz von Hinweisgebern, eine stärkere Rolle der nationalen Antikorruptionsbehörde bei dessen Umsetzung und ein neues Antikorruptionsgesetz vom Januar 2019. Letzteres ist darauf ausgerichtet, durch härtere Strafen die Aufdeckung und Verhinderung von Korruption zu begünstigen sowie bessere Ermittlungsmethoden und eine Kronzeugenregelung für Personen, die Korruptionsfälle melden, zu fördern. Das Gesetz sieht zudem eine Aussetzung der Verjährungsfristen nach einer erstinstanzlichen Verurteilung vor, allerdings erst ab 2020. Dabei handelt es sich um einen lange erwarteten positiven Schritt im Einklang mit internationalen Normen. Die Korruptionsbekämpfung ist in Italien jedoch weiterhin ineffizient, was in erster Linie auf die — in Ermangelung einer dringend erforderlichen Reform der Strafprozessordnung, einschließlich des Systems für die Einlegung von Rechtsbehelfen zur Verhinderung missbräuchlicher Klagen — nach wie vor übermäßige Dauer von Strafverfahren zurückzuführen ist. Darüber hinaus weist der Rahmen der strafrechtlichen Verfolgung spezifischer Straftatbestände, wie etwa der Veruntreuung öffentlicher Gelder, nach wie vor Mängel auf.

(29)

Die italienischen Banken haben trotz des fortwährenden Marktdrucks weiterhin große Fortschritte bei der Sanierung ihrer Bilanzen gemacht. Aufgrund ihres hohen Engagements in Staatsanleihen wurde ihre Eigenkapitaldecke jedoch durch die Volatilität der Märkte in Mitleidenschaft gezogen, was Druck auf die Finanzierungskosten ausübte und ihnen den Zugang zu unbesicherten großvolumigen Finanzierungen erschwerte. Um die Finanzstabilität zu wahren und die Kreditvergabe an die Wirtschaft zu fördern, ist insbesondere für kleine und mittlere Banken ein fortwährender Abbau des Bestands an notleidenden Krediten und Krediten, deren Begleichung als unwahrscheinlich gilt, geboten. Durch Fortschritte der Banken, insbesondere der kleineren, bei der Einhaltung aufsichtsrechtlicher Finanzierungsanforderungen würde zudem die Widerstandsfähigkeit des Systems gegenüber externen Schocks erhöht. Es ist zudem wichtig, durch eine Steigerung der Effizienz und eine Optimierung des Geschäftsmodells die strukturell geringe Rentabilität der Banken anzugehen. Eine zeitgerechte Umsetzung der Dekrete zur Reform des Insolvenzrechts würde dazu beitragen, die nach wie vor langsamen Verfahren zur Zwangsvollstreckung und zur Realisierung von Sicherheiten zu beschleunigen und die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors weiter zu stärken. Etwaige Ausgleichsleistungen des Staates an Anteilseigner und private Inhaber nachrangiger Verbindlichkeiten von Banken, die in der Vergangenheit Gegenstand verwaltungstechnischer Liquidationsverfahren waren, sollten strikt darauf ausgerichtet sein, die sozialen Auswirkungen vergangener Fehlverkäufe abzufedern. Die Governance des Bankensystems sollte weiter verbessert werden, indem — nach Schaffung von Rechtsklarheit — die Reform der großen Genossenschaftsbanken von 2015 zügig vollendet wird.

(30)

Bankkredite stellen nach wie vor die wichtigste Finanzierungsquelle für Unternehmen dar. Kleinere und innovative Unternehmen haben jedoch weiterhin Schwierigkeiten, einen Kredit zu erhalten, insbesondere in Süditalien. Der Kapitalmarkt ist im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten unterentwickelt, was unter anderem auf nachfragesenkende Faktoren wie eine unzureichende Finanzbildung, die Angst, die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren, und aufwendige Verwaltungsvorschriften zurückzuführen ist. In den letzten Jahren wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um den Zugang zu Finanzmitteln zu verbessern; zwar waren diese in erster Linie auf Bankenkredite ausgerichtet, doch haben auch marktbasierte Maßnahmen wie Mini-Anleihen, alternative Anlageinstrumente, Risikokapital und direkte öffentliche Unterstützung dazu beigetragen, kleineren und innovativen Unternehmen den Zugang zu Finanzmitteln zu ermöglichen. Durch die im Haushaltsplan 2019 vorgesehene Abschaffung des Eigenkapitalzinsabzugs könnten die Anreize für Unternehmen zur Eigenkapitalfinanzierung sinken. Um den Zugang zu Finanzmitteln von Nichtbanken wirksam zu fördern, ist es notwendig, die Bedürfnisse kleinerer und innovativer Unternehmen sowie die Fähigkeit von Anlegern, Investitionsvorhaben zu bewerten, zu berücksichtigen. Durch eine Diversifizierung der Finanzierungsquellen würden die Investitionen von Unternehmen besser vor Schocks im Bankensektor geschützt und gleichzeitig Innovation und Wachstum gefördert.

(31)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 auch im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. Dies würde es Italien ermöglichen, diese Fonds unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen. Ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieser Investitionen ist der Ausbau der administrativen Kapazitäten zur Verwaltung dieser Fonds.

(32)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Italiens umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Italien gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Italien berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet.

(33)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (8) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider.

(34)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 bis 5 wider. Diese Empfehlungen tragen auch zur Umsetzung der ersten vier Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet bei. Die in Empfehlung 1 genannten haushaltspolitischen Maßnahmen tragen unter anderem dazu bei, die mit dem hohen gesamtstaatlichen Schuldenstand verbundenen Ungleichgewichte anzugehen —

EMPFIEHLT, dass Italien 2019 und 2020 Maßnahmen ergreift, um

1.   

für 2020 eine nominale Senkung der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben um 0,1 % sicherzustellen, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht; unerwartete Mehreinnahmen zur beschleunigten Rückführung der gesamtstaatlichen Schuldenquote zu nutzen; den Faktor Arbeit steuerlich zu entlasten und zu diesem Zweck unter anderem Steuervergünstigungen abzubauen und die veralteten Katasterwerte anzupassen; Steuerhinterziehung, insbesondere in Form unterlassener Rechnungsstellung, zu bekämpfen und zu diesem Zweck unter anderem die obligatorische Nutzung des elektronischen Zahlungsverkehrs beispielsweise durch Absenkung der gesetzlichen Barzahlungsobergrenzen auszuweiten; frühere Rentenreformen vollständig umzusetzen, um den Anteil der Rentenausgaben an den öffentlichen Ausgaben zu verringern und Raum für andere soziale und wachstumsfördernde Ausgaben zu schaffen;

2.   

energischer gegen nicht angemeldete Erwerbstätigkeit vorzugehen; sicherzustellen, dass Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik wirksam aufeinander abgestimmt werden und insbesondere auf junge Menschen und benachteiligte Gruppen abzielen; die Erwerbsbeteiligung von Frauen mithilfe einer umfassenden Strategie zu stärken und zu diesem Zweck unter anderem den Zugang zu hochwertiger Kinderbetreuung und Langzeitpflege zu verbessern; die Bildungsergebnisse unter anderem durch angemessene und gezielte Investitionen zu verbessern und die Weiterqualifizierung unter anderem durch Stärkung digitaler Kompetenzen zu fördern;

3.   

die investitionsbezogene Wirtschaftspolitik unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede auf Forschung und Innovation sowie auf die Qualität der Infrastruktur auszurichten; die Wirksamkeit der öffentlichen Verwaltung zu verbessern und zu diesem Zweck unter anderem in die Kompetenzen der öffentlichen Bediensteten zu investieren, die Digitalisierung voranzutreiben und die Effizienz und Qualität lokaler öffentlicher Dienstleistungen zu steigern; Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere im Einzelhandel und bei Unternehmensdienstleistungen unter anderem durch ein neues jährliches Wettbewerbsgesetz in Angriff zu nehmen;

4.   

zivilrechtliche Gerichtsverfahren durch Durchsetzung und Straffung von Verfahrensvorschriften — einschließlich solcher, die derzeit vom Gesetzgeber geprüft werden und insbesondere auf Insolvenzregelungen abzielen — in allen Instanzen zu verkürzen; durch eine Reform der Verfahrensregeln zur Verkürzung strafrechtlicher Gerichtsverfahren Korruption wirkungsvoller zu bekämpfen;

5.   

darauf hinzuarbeiten, dass insbesondere kleine und mittlere Banken ihre Bilanzen durch Erhöhung von Effizienz und Aktiva-Qualität, durch weiteren Abbau notleidender Kredite und durch Diversifizierung der Finanzierungsquellen umstrukturieren; für kleinere und innovative Unternehmen den Zugang zu bankenunabhängiger Finanzierung zu verbessern.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 48.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(8)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/80


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Zyperns 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Zyperns 2019

(2019/C 301/13)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Zypern als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Zypern die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 1 bis 5 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Maßnahmen zur Verringerung des Verwaltungsaufwands werden insbesondere dazu beitragen, der ersten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet nachzukommen, was bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen und Produktivitätssteigerungen zum Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet angeht; die Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die spezifizierten Bereiche wird dazu beitragen, der zweiten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung in Bezug auf die Investitionsförderung nachzukommen; steuerliche Maßnahmen sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Qualifikationen werden dazu beitragen, der dritten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet nachzukommen, die sich auf die Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung und die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarkts bezieht und Maßnahmen zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Vermögensverwaltungsgesellschaft werden dazu beitragen, der vierten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet nachzukommen, die sich auf den Abbau notleidender Kredite bezieht.

(3)

Der Länderbericht Zypern 2019 wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Zyperns bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Die Kommission gelangte aufgrund ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Zypern übermäßige makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Besonders wichtig ist es, dass der Mitgliedstaat das Problem der hohen öffentlichen, privaten und ausländischen Schulden sowie der notleidenden Kredite angeht.

(4)

Am 15. April 2019 übermittelte Zypern sein nationales Reformprogramm 2019 und am 30. April 2019 sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Verknüpfung der Wirksamkeit der ESI-Fonds mit der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Zypern befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Laut seinem Stabilitätsprogramm für 2019 wird der gesamtstaatliche Saldo, der im Jahr 2018 ein Defizit von 4,8 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufwies und somit den im Vertrag festgelegten Referenzwert von 3 % des BIP überschritt, im Jahr 2019 voraussichtlich einen Überschuss von nominal 3,0 % des BIP und von über 2,0 % des BIP für den Programmzeitraum aufweisen. Ausgehend vom neu berechneten strukturellen Saldo (6) soll das mittelfristige Haushaltsziel, d. h. ein strukturell ausgeglichener Haushalt, im Zeitraum 2019-2022 erreicht werden. Nachdem sie im Jahr 2018 auf rund 102,5 % des BIP gestiegen war, wird die gesamtstaatliche Schuldenquote dem Stabilitätsprogramm für 2019 zufolge im Jahr 2019 voraussichtlich auf 95,7 % und danach bis 2022 kontinuierlich auf 77,5 % sinken. Das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegende makroökonomische Szenario ist plausibel. Die im Stabilitätsprogramm dargestellten makroökonomischen und finanzpolitischen Annahmen sind mit Abwärtsrisiken, die hauptsächlich mit externen Entwicklungen sowie mit etwaigen fiskalischen Auswirkungen von Gerichtsentscheidungen über in der Vergangenheit umgesetzte Steuerreformen und dem Finanzbedarf der öffentlichen Krankenhäuser in den ersten Jahren des nationalen Gesundheitssystems zusammenhängen. Auf der Grundlage der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission dürfte der gesamtstaatliche Haushaltssaldo im Jahr 2019 bei einem Überschuss von 3,0 % des BIP und im Jahr 2020 bei einem Überschuss von 2,8 % des BIP liegen. Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission dürfte der strukturelle Saldo bei 1,1 % des BIP im Jahr 2019 und bei 0,7 % des BIP im Jahr 2020 liegen, womit das mittelfristige Haushaltsziel erneut übertroffen würde. Zypern wird die Schuldenregel in den Jahren 2019 und 2020 voraussichtlich einhalten. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass Zypern die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 einhalten dürfte.

(7)

Am 5. Juni 2019 veröffentlichte die Kommission einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags, da nach den übermittelten Daten das Gesamtdefizit im Jahr 2018 oberhalb des im Vertrag festgelegten Referenzwerts von 3 % des BIP lag. In ihrem Bericht kam die Kommission zu dem Schluss, dass keine weiteren Schritte im Hinblick auf einen Beschluss über das Bestehen eines übermäßigen Defizits unternommen werden sollten. Trotz gewisser Fortschritte bei der Bereitstellung elektronischer Behördendienste ist die öffentliche und kommunale Verwaltung nach wie vor nicht ausreichend effizient. Dies wirkt sich negativ auf das Geschäftsumfeld aus. Wichtige Legislativvorschläge, mit denen dieses Problem behoben werden soll, sind noch nicht verabschiedet. Sie umfassen Gesetzesentwürfe für eine Reform der zentralstaatlichen und kommunalen Verwaltungen. Die Mängel des Steuerungsrahmens für staatseigene Einrichtungen könnten dazu führen, dass dem Staat Eventualverbindlichkeiten entstehen, die seine Investitionskapazität bei wichtigen Versorgungsleistungen wie Telekommunikationsdienstleistungen und Energieversorgung einschränken. Da sich die restriktive Gehälterpolitik im öffentlichen Sektor als ein wesentliches Element der Haushaltskonsolidierung in Zypern erwiesen hat, ist ihre Fortsetzung gerechtfertigt.

(8)

Die Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung ist eine wesentliche Voraussetzung für effizientere und gerechtere Steuersysteme, wie in der Euro-Währungsgebiet-Empfehlung 2019 eingeräumt wird. Da aggressive Steuerplanungsstrategien der Steuerzahler sich auch auf andere Mitgliedstaaten auswirken können, ist ergänzend zu den Rechtsvorschriften der Union auch ein koordiniertes Vorgehen auf nationaler Ebene erforderlich. Zypern hat Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung ergriffen, doch der große Umfang der über Zypern geleisteten Dividenden- und Zinszahlungen (als Anteil des BIP) zeigt, dass die Steuervorschriften des Landes von Unternehmen genutzt werden können, die eine aggressive Steuerplanung betreiben. Da auf ins Ausland fließende (also von in der Union Ansässigen an in Drittstaaten Ansässige geleistete) Dividenden-, Zins- und in vielen Fällen auch Lizenzgebührzahlungen von in Zypern ansässigen Unternehmen keine Quellensteuern erhoben werden, fallen diese Zahlungen möglicherweise vollständig durch das Steuerraster, sofern sie auch im Empfängerland nicht besteuert werden. In Verbindung mit den Vorschriften zum Unternehmenssitz in Bezug auf die Körperschaftsteuer leistet das Fehlen dieser Steuern einer aggressiven Steuerplanung möglicherweise Vorschub. Das System des Steuerabzugs fiktiver Zinsen muss genau beobachtet werden, damit es nicht zum Zweck der aggressiven Steuerplanung missbraucht werden kann. Zudem ermöglichen das System der ausnahmsweisen Einbürgerung von Investoren in Zypern sowie das System der Gewährung eines Wohnsitzes für Investoren, dass auf Erträge aus ausländischen Vermögen nur sehr geringe Einkommensteuern erhoben werden; ferner sind die betreffenden Personen nicht verpflichtet, sich über einen längeren Zeitraum im Hoheitsgebiet des Landes aufzuhalten, das dieses System anbietet. Von der OECD werden diese Systeme in der Liste derjenigen geführt, bei denen die Gefahr des Missbrauchs zwecks Umgehung des automatischen Informationsaustauschs über Finanzkonten besonders hoch ist.

(9)

Im Rahmen einer umfassenden Strategie im Bereich der notleidenden Kredite wurden bedeutende Maßnahmen umgesetzt. Dies führte zu einer deutlichen Verringerung der notleidenden Kredite im Banksektor, was hauptsächlich durch den Verkauf und die Abwicklung der Cyprus Cooperative Bank und die Übertragung ihrer notleidenden Kredite auf eine staatliche Vermögensverwaltungsgesellschaft erreicht wurde. Darüber hinaus wurde das Gesetz über den Verkauf von Krediten verbessert und das Gesetz über die Verbriefung von Kreditforderungen erlassen. Wenn die staatliche Vermögensverwaltungsgesellschaft möglichst hohe Einnahmen aus dem Verkauf von Vermögenswerten erzielen und letztlich zur Verringerung privater Schulden beitragen soll, so muss sie über eine effektive Governancestruktur, ein hochspezialisiertes Management, operative Unabhängigkeit vom Staat und gut definierte Ziele verfügen, die den Verpflichtungen entsprechen, welche die Regierung im Rahmen des Beihilfebeschlusses der Europäischen Kommission zur Genehmigung des Verkaufs der Cyprus Cooperative Bank eingegangen ist. Ferner ist es wichtig, einen angemessenen Überwachungsrahmen für Unternehmen vorzusehen, die Kredite aufkaufen, da deren Zahl — darunter auch die staatliche Vermögensverwaltungsgesellschaft — zugenommen hat und in Zukunft weitere Verkäufe von Beständen notleidender Kredite geplant sind. Die Supervisoren von Versicherungs- und Pensionsfondsaufseher verfügen nach wie vor nur über geringe Governance- und Verwaltungskapazitäten. Die Integration dieser Supervisoren sollte zügig zum Abschluss gebracht werden. Ganz allgemein muss der Überwachungsrahmen für die Kapitalmärkte ausgebaut werden, da die grenzüberschreitenden Tätigkeiten derjenigen Finanzdienstleistungsunternehmen, die keine Banken sind, relativ umfangreich sind und die Zahl der konzessionierten Unternehmen in den letzten Jahren exponentiell gestiegen ist.

(10)

Die Zahl der Beschäftigten steigt, die Zahl der Arbeitslosen sinkt und die kurzfristige Kapazität der öffentlichen Arbeitsverwaltung zur Beschäftigungsförderung wurde verbessert. Es stellt sich jedoch nach wie vor das Problem der langfristigen Tragfähigkeit der Kapazität der öffentlichen Arbeitsverwaltung, da zusätzliches Personal nur für zwei Jahre eingestellt wurde. Im Jahr 2018 gehörte der Anteil junger Menschen, die sich weder in Ausbildung noch in Beschäftigung befinden, zu den höchsten in der Union. Die geringe Effizienz der öffentlichen Arbeitsverwaltung sowie deren geringes Angebot und geringe Einbindung in Aktivierungsmaßnahmen, die Arbeitsuchenden helfen könnten, stellen nach wie vor eine Herausforderung dar. Deshalb könnten Outreach-Maßnahmen und Aktivierungshilfen für den Zugang zur Beschäftigung, insbesondere für junge Menschen und Langzeitarbeitslose, noch ausgebaut werden. Dazu zählen auch die Förderung der Selbstständigkeit und der Sozialwirtschaft sowie die Modernisierung der Arbeitsmarkteinrichtungen und -dienste, die den Menschen beim Erwerb derjenigen Qualifikationen helfen, die sie brauchen, um sich besser an den Erfordernissen des Arbeitsmarktes auszurichten.

(11)

Zu den Hauptgründen, die Unternehmensinvestitionen entgegenstehen, gehören der Fachkräftemangel und das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage; diese machen deutlich, dass es notwendig ist, mehr in die Ausbildung ungenutzter oder nicht ausreichend genutzter Arbeitskräfte zu investieren, die Bildungsgänge besser am Bedarf des Arbeitsmarkts auszurichten und in die entsprechende Berufsbildungsinfrastruktur zu investieren. In Bezug auf die Umsetzung wichtiger Reformen im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung (z. B. Verbesserung der Einstellung und Evaluierung von Lehrern) ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Die Bildungsabschlüsse bleiben ebenso auf niedrigem Niveau wie die Teilnahme an frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung; die Haushalte können die entsprechenden Kosten immer schwerer aufbringen, da die Haushaltseinkommen während der Krise schneller gesunken sind als die Kinderbetreuungskosten. Fortgesetzte Anstrengungen zur Modernisierung der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung auf allen Ebenen werden zur Verbesserung der Bildungsergebnisse beitragen und das Potenzial für ein nachhaltiges Wachstum in Zypern erhöhen. Die Überarbeitung der Ausbildungspläne stellt einen vielversprechenden Schritt dar, der zum Abbau des Missverhältnisses zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage beitragen dürfte. Ein erhebliches Missverhältnis bei Hochschulabsolventen und eine geringe Beteiligung — insbesondere von Niedrigqualifizierten — an der Erwachsenenbildung deuten darauf hin, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Weiterbildung und Umschulung ergriffen werden müssen.

(12)

Durch den Erlass von Rechtsvorschriften zur Einführung des neuen nationalen Gesundheitssystems hat Zypern in der Gesundheitsversorgung Fortschritte erzielt. Das neue System zielt ab auf einen verbesserten Zugang, die Einführung einer allgemeinen Grundversorgung, die Senkung der hohen von den Patienten verlangten Eigenleistungen und die Steigerung der Effizienz der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Es soll im Jahr 2020 voll funktionsfähig sein. Zuvor gilt es aber größere Herausforderungen in Bezug auf die Umsetzung und den Investitionsbedarf zu meistern. Der Erhaltung der langfristigen Tragfähigkeit des Systems, auch durch Sicherung der finanziellen und operationellen Autonomie der öffentlichen Krankenhäuser, kommt entscheidende Bedeutung zu. Maßnahmen zur Modernisierung und Verbesserung der Effizienz der Gesundheitsdienstleister, einschließlich der medizinischen Grundversorgung, die Einführung elektronischer Gesundheitsdienste und die Einrichtung einer nationalen Arzneimittelagentur würden das Gesundheitssystem weiter stärken. Die Langzeitpflegeleistungen sind schwach und müssen angesichts der alternden Bevölkerung ausgebaut werden.

(13)

Zyperns schwache Leistungen im Umweltbereich stellen ein großes Problem dar; das Land bleibt durch den Klimawandel gefährdet. Zypern muss sein Abfallbewirtschaftungssystem und die Kreislaufwirtschaft erheblich verbessern. Das Abfallaufkommen liegt erheblich über dem Unionsdurchschnitt und ist seit 2014 gestiegen. In den existierenden Abfallentsorgungsanlagen wird nicht viel recycelt; da wirtschaftliche Instrumente wie Deponiegebühren fehlen, bleibt das Recycling zudem wirtschaftlich unattraktiv. Die Wasserwirtschaft ist besonders in städtischen Gegenden durch Ineffizienz gekennzeichnet. Das Hauptproblem Zyperns ist der Wassermangel in Kombination mit der übermäßigen Entnahme von Grundwasser. In den Städten werden nach wie vor große Abwassermengen weder gesammelt noch behandelt — nur die Hälfte des gesamten Abwassers wird einer Sekundärbehandlung unterzogen. Dürren und Wassermangel stellen große Probleme dar und die unzureichende politische Reaktion könnte die Agrarwirtschaft und den Tourismus Zyperns in Mitleidenschaft ziehen. Deshalb sind eine nachhaltige Bewirtschaftung und eine effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen sowie eine strengere Durchsetzung des Umwelt- und Klimarechts für Zypern unerlässlich, damit die negativen Auswirkungen des Klimawandels abgefedert, die natürliche Umwelt erhalten bzw. wiederhergestellt und langfristig für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum gesorgt werden kann.

(14)

Zypern könnte seine erneuerbaren Energiequellen — insbesondere die Sonnenenergie — viel besser nutzen und damit die derzeitigen Energieineffizienzen verringern. Der Anteil der erneuerbaren Energien in Zypern belief sich im Jahr 2017 auf 9,72 %; für 2020 wird ein Anteil von 13 % angestrebt. Wohn- und Gewerbegebäude sind insbesondere in den Städten überhaupt nicht oder kaum gedämmt, was erheblich zur Energieineffizienz beiträgt. Die Rahmenbedingungen für Investitionen in den Sektor der erneuerbaren Energien haben sich verbessert und mehrere Maßnahmen wurden ergriffen, darunter die Installation von Photovoltaik-Anlagen sowie Förderregelungen für kleine und mittlere Unternehmen und Haushalte. Dennoch hat Zypern sein großes Potenzial für die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen, insbesondere aus Sonnenenergie, bislang nicht voll ausgeschöpft. Dass der Binnenverkehr hauptsächlich auf der Straße erfolgt, stellt für mehrere Politikbereiche eine Herausforderung dar, vor allem für die Bekämpfung der Luftverschmutzung und der Treibhausgasemissionen; eine weitere Folge ist die Verkehrsüberlastung in den Städten während der Stoßzeiten und auf den Zufahrtsstraßen zu den Häfen. Mit einem Anteil von 2,7 % im Jahr 2016 liegt Zypern auch bei der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen im Verkehr zurück und könnte Schwierigkeiten haben, das verbindliche 10 %-Ziel bis 2020 zu erreichen.

(15)

Für eine Steigerung der Produktivität sind Investitionen in die Digitalwirtschaft sowie in die Verbesserung der digitalen Kompetenzen der Arbeitskräfte von grundlegender Bedeutung. Im Index 2019 für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) der Europäischen Kommission rangiert Zypern ganz unten. Nur 50 % der Zyprer im Alter zwischen 16 und 74 Jahren verfügen über grundlegende digitale Kompetenzen und der Anteil der IKT-Fachkräfte an der Erwerbsbevölkerung liegt unter dem Unionsdurchschnitt (2,3 % gegenüber 3,7 %), was die Ausschöpfung des Potenzials der Digitalwirtschaft behindert. Der Grad der Online-Interaktion zwischen Behörden und Bürgerinnen und Bürgern ist mit nur 50 % der Zyprer niedrig. Der elektronische Handel entwickelt sich, hat jedoch noch nicht den Unionsdurchschnitt erreicht.

(16)

Zypern ist mäßig innovativ, wobei die Innovationsleistung seit 2010 zurückgegangen ist. Das Niveau der öffentlichen und privaten Ausgaben für Forschung und Entwicklung gehört zu den niedrigsten in der Union und schränkt so die Innovationsfähigkeit der Forschungszentren und der Wirtschaft ein. Es kommt nur sehr selten zu einer Interaktion zwischen Hochschulen und Unternehmen. Für eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Zyperns und insbesondere der Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen auf Zypern kommt es entscheidend darauf an, die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft zu steigern und den Zugang zu Finanzmitteln und Investitionen zu verbessern, die gezielt in ganz bestimmte Bereiche der intelligenten Spezialisierung fließen.

(17)

Der Verwaltungsaufwand ist insbesondere dann hoch, wenn strategische Investitionen auf den Weg gebracht werden sollen. Die Verfahren zur Genehmigung strategischer Investitionen könnten erheblich vereinfacht werden, doch die entsprechenden Rechtsvorschriften sind noch nicht verabschiedet.

(18)

Die Umsetzung des Aktionsplans für Wachstum hat dazu geführt, dass in den Bereichen unternehmerische Initiative und Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zu Finanzmitteln einige Fortschritte erzielt wurden. Dennoch basieren die Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen nach wie vor hauptsächlich auf Zuschüssen und Bankfinanzierungen mit Förderungen aus Unionsfonds und/oder nationalen Fonds. Andere Finanzierungsquellen wie Risikokapital, Beteiligungskapital und Crowdfunding spielen für zyprische Unternehmen eine untergeordnete Rolle. Eine bessere Koordinierung der Wirtschaftsförderung könnte die Inanspruchnahme verbessern. Privatisierungsvorhaben, durch die produktivitätssteigernde ausländische Investitionen ins Land geholt werden sollen, wurden in vielen Fällen eingestellt, und nur wenige Projekte machen gewisse Fortschritte.

(19)

Fortbestehende Ineffizienzen im Justizsystem behindern nach wie vor die Vertragsdurchsetzung und die rasche Bearbeitung von zivil- und handelsrechtlichen Verfahren sowie die Ermittlungen bei schweren Straftaten. Das komplizierte und veraltete Zivilverfahrensrecht und die unzureichende Vollstreckung von Gerichtsurteilen schmälern die Anreize für Banken, die Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsvorschriften zur Verringerung ihres Bestands an notleidenden Krediten zu nutzen. Die wichtigsten Probleme im Justizsystem, insbesondere das veraltete Zivilprozessrecht, die geringe Spezialisierung und Digitalisierung der Gerichte, die hohe Zahl unbearbeiteter Fälle und der Mangel an ständiger Fortbildung für Richter wurden bereits mit einer Reihe von Reformen angegangen, jedoch kommen diese nur langsam voran. Die Reform sollte mit den Verpflichtungen vereinbar sein, welche die Regierung im Rahmen des Beihilfebeschlusses der Europäischen Kommission zur Genehmigung des Verkaufs der Cyprus Cooperative Bank eingegangen ist. Im Jahr 2018 wurde der Rechtsrahmen für Insolvenz und Zwangsvollstreckung verbessert. Eine entschlossene Anwendung des neuen Rechts sollte zusammen mit der Gewährleistung einer effizienten Justiz und einer strengeren Vollstreckung von Urteilen zu einer Verbesserung der Disziplin bei der Rückzahlung von Schulden beitragen. Seit Dezember 2017 gibt es eine nationale Strategie zur Korruptionsbekämpfung, die im Mai 2019 durch den vom Ministerrat verabschiedeten nationalen horizontalen Aktionsplan gegen Korruption verstärkt wurde. Gesetzesvorhaben für die Einrichtung einer neuen unabhängigen Agentur zur Korruptionsbekämpfung und zum Schutz von Whistleblowern wurden im Parlament eingebracht, sind jedoch noch nicht verabschiedet. Mit diesen Gesetzen könnte der nationale Rechtsrahmen für die Korruptionsbekämpfung verstärkt werden. Diese Reformen sollten durch die zügige Umsetzung des Aktionsplans gegen Korruption beschleunigt werden. Die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft muss gewahrt bleiben und die Kapazität der Strafverfolgungsbehörden sollte gestärkt werden.

(20)

Trotz einiger Anstrengungen zum Abbau des Rückstaus bei der Ausstellung von Eigentumsurkunden ist dieser Rückstau nach wie vor hoch. Eine strukturelle Lösung für die Unzulänglichkeiten des Systems der Eigentumsübertragung (Ausstellung von Eigentumsurkunden und Übertragung von Eigentumsrechten) fehlt noch immer. Eine solche Lösung ist für eine Beschleunigung der Zwangsvollstreckungsverfahren und für die Liquidierung von Sicherheiten unabdingbar.

(21)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 auch im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. So könnte Zypern diese EU-Fonds in den genannten Sektoren unter Berücksichtigung territorialer Unterschiede bestmöglich nutzen. Die Stärkung der administrativen Kapazitäten des Landes für die Verwaltung dieser Mittel ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieser Investitionen.

(22)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Zyperns umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019 und das Nationale Reformprogramm 2019 sowie die Maßnahmen zur Umsetzung der an Zypern gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Zypern berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet.

(23)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt (7), dass Zypern den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird —

(24)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 bis 5 wider. Diese Empfehlungen tragen auch zur Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, insbesondere der ersten, dritten und vierten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung bei —

EMPFIEHLT, dass Zypern 2019 und 2020

1.   

wichtige legislative Reformen zur Verbesserung der Effizienz des öffentlichen Sektors verabschiedet, insbesondere mit Blick auf das Funktionieren der öffentlichen Verwaltung, die Leitung staatseigener Einrichtungen sowie die kommunalen Behörden; Merkmale des Steuersystems beseitigt, die geeignet sind, Einzelpersonen und multinationalen Konzernen aggressive Steuerplanung insbesondere durch Zahlungen ins Ausland seitens multinationaler Konzerne zu erleichtern;

2.   

den Abbau notleidender Kredite fördert, und zwar auch durch Schaffung einer effektiven Governancestruktur der staatlichen Vermögensverwaltungsgesellschaft, indem Schritte zur Verbesserung der Zahlungsdisziplin und zur stärkeren Beaufsichtigung der Unternehmen, die Kredite aufkaufen, gesetzt werden; die Aufsichtskapazitäten des Nichtbankenfinanzsektors stärkt, auch durch umfassende Einbeziehung der Supervisoren von Versicherungen und Pensionsfonds;

3.   

die Reformen zum Ausbau der Wirksamkeit der öffentlichen Arbeitsvermittlung zum Abschluss bringt und die Sensibilisierungs- und Aktivierungsmaßnahmen für junge Menschen intensiviert; die Reform der allgemeinen und beruflichen Bildung unter Einschluss der Evaluierung von Lehrern voranbringt und für ein stärkeres Engagement der Arbeitgeber und der Lernenden in der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie für bezahlbare Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern sorgt; Maßnahmen ergreift, damit sichergestellt ist, dass das nationale Gesundheitssystem unter Wahrung seiner langfristigen Tragfähigkeit wie geplant im Jahr 2020 funktioniert;

4.   

die investitionsbezogene Wirtschaftspolitik unter Berücksichtigung der territorialen Disparitäten innerhalb Zyperns auf die Bereiche nachhaltiger Verkehr, Umwelt — insbesondere Abfall- und Wasserwirtschaft, Energieeffizienz und erneuerbare Energie —, Digitalisierung unter Einschluss der digitalen Kompetenzen sowie Forschung und Innovation konzentriert; Rechtsvorschriften erlässt, die dafür sorgen, dass strategische Investoren leichter die erforderlichen Erlaubnisse und Lizenzen erhalten können; den Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zu Finanzmitteln verbessert und die Umsetzung von Privatisierungsprojekten wieder aufnimmt;

5.   

die Bemühungen zur Steigerung der Effizienz des Justizsystems intensiviert, auch durch Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Verwaltungsgerichte und durch Überprüfung des Zivilverfahrensrechts, durch stärkere Spezialisierung der Gerichte und durch Einrichtung eines funktionsfähigen e-Justizsystems; Maßnahmen ergreift, um die Rechtsdurchsetzung von Ansprüchen zu verbessern und für zuverlässige und zügige Verfahren der Ausstellung von Eigentumsurkunden und der Übertragung von Eigentumsrechten an Immobilien zu sorgen; die Reformen zur Korruptionsbekämpfung schneller umsetzt, die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft wahrt sowie die Kapazität der Strafverfolgungsbehörden stärkt.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 55.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/86


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Lettlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Lettlands 2019

(2019/C 301/14)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Lettland nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen (im Folgenden „Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen“) enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Lettland die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 1 bis 4 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere werden eine gezielte Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die spezifizierten Bereiche und Maßnahmen zur Anhebung des Qualifikationsniveaus dazu beitragen, die erste Euro-Währungsgebiet-Empfehlung (Produktivitätssteigerungen zum Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet) umzusetzen, und die steuerlichen Maßnahmen werden bei der Umsetzung der dritten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung (Funktionieren des Arbeitsmarktes) helfen.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Lettland wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Lettlands bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet.

(4)

Am 15. April2019 übermittelte Lettland sein nationales Reformprogramm 2019 und am 17. April 2019 sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Bei der Programmplanung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme sowie zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Lettland befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 plant die lettische Regierung eine Verbesserung des Gesamtsaldos von einem Defizit von 1,0 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 auf 0,5 % des BIP im Jahr 2019 und anschließend eine Verbesserung auf 0,4 % des BIP im Jahr 2020 und 0,2 % des BIP im Jahr 2021. Auf der Grundlage des neu berechneten strukturellen Saldos (6) wird davon ausgegangen, dass das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 1 % des BIP — im Jahr 2019 unter Berücksichtigung der für die Umsetzung der Strukturreformen zugestandenen vorübergehenden Abweichung erreicht wird. Dem Stabilitätsprogramm 2019 zufolge soll sich die gesamtstaatliche Schuldenquote bis zum Jahr 2022 auf 33,1 % des BIP verringern. Die BIP-Wachstumsprojektionen des Stabilitätsprogramms 2019 erscheinen plausibel. Die Risiken für die Haushaltslage sind ausgewogen.

(7)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat, dass Lettland das mittelfristige Haushaltsziel im Jahr 2019 unter Berücksichtigung der für die Umsetzung der Strukturreformen zugestandenen vorübergehenden Abweichung erreichen sollte. Dies steht im Einklang mit einer nominalen Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben (7) von höchstens 4,8 % im Jahr 2019, was einer Verbesserung des strukturellen Saldos in Höhe von 0,2 % des BIP entspricht. Nach der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission bewegt sich Lettland — unter Berücksichtigung der für die Umsetzung der Strukturreformen zugestandenen vorübergehenden Abweichung — nah am mittelfristigen Haushaltsziel. Die aktuelle Bewertung weist somit auf das Risiko einer gewissen Abweichung im Jahr 2019 hin. Gleichzeitig scheint die projizierte nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben derzeit auf das Risiko einer erheblichen Abweichung von der Anforderung im Jahr 2019 hindeuten. Sollte der strukturelle Saldo in der Projektion nicht mehr in der Nähe des mittelfristigen Haushaltsziels liegen — unter Berücksichtigung der für die Umsetzung der Strukturreformen zugestandenen vorübergehenden Abweichung —, müsste bei künftigen Bewertungen im Zuge einer Gesamtbewertung eine mögliche Abweichung von der Anforderung berücksichtigt werden.

(8)

Angesichts der für Lettland prognostizierten Produktionslücke von 1,3 % sollte die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 3,5 % nicht überschreiten; dies steht im Einklang mit der strukturellen Anpassung von 0,5 % des BIP nach der gemeinsam vereinbarten Anpassungsmatrix hinsichtlich der Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass Lettland bei einer unveränderten Politik seinem mittelfristigen Haushaltsziel nahe kommen wird. Die aktuelle Bewertung weist somit auf das Risiko einer gewissen Abweichung im Jahr 2020 hin. Gleichzeitig scheint die projizierte nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben derzeit auf das Risiko einer erheblichen Abweichung von der Anforderung im Jahr 2020 hindeuten. Sollte der strukturelle Saldo in der Projektion nicht mehr in der Nähe des mittelfristigen Haushaltsziels liegen, müsste bei künftigen Bewertungen im Zuge einer Gesamtbewertung eine mögliche Abweichung von der Anforderung berücksichtigt werden. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass Lettland bereit sein muss, ab 2019 weitere Maßnahmen zu ergreifen, um den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu entsprechen.

(9)

Lettlands Anteil der Steuereinnahmen am BIP ist im Vergleich zum Unionsdurchschnitt niedrig und schränkt in gewissem Maße die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen, insbesondere im Bereich der Gesundheitsversorgung, und die soziale Inklusion ein. Kapitalerträge und Immobilien sind vergleichsweise unterbesteuert, und das Einfrieren der für die Berechnung von Grund- und Immobiliensteuern herangezogenen Werte wird zu einer weiteren Verringerung der entsprechenden Einnahmen führen. Gleichzeitig ist die Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeit für Geringverdienende im Vergleich zum Unionsdurchschnitt nach wie vor hoch, auch wenn sie zurückgegangen ist. Der Anteil der Schattenwirtschaft scheint diversen Schätzungen zufolge in den vergangenen Jahren geschrumpft zu sein. Dennoch ist der Anteil der nicht gemeldeten Wirtschaftstätigkeit in Lettland höher als in anderen baltischen Staaten. So machen insbesondere nicht gemeldete Löhne („Schwarzgeldumschläge“), allen voran im Bausektor, einen Großteil der Schattenwirtschaft aus.

(10)

Nach der Abwicklung seiner drittgrößten Bank aufgrund mutmaßlicher Geldwäsche-Tätigkeiten hat Lettland die Bestimmungen für gebietsfremde Kunden verschärft. Infolgedessen sind von Gebietsfremden getätigte Einlagen, die in Lettland das Hauptrisiko für Geldwäsche darstellen, seit Mai 2018 erheblich zurückgegangen; jedoch gibt es weiterhin Herausforderungen im Zusammenhang mit der Geldwäschebekämpfung. Des Weiteren hat Lettland einen detaillierten Aktionsplan zur Verbesserung seiner Strategie zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorgelegt. Zu den wichtigsten Prioritäten des Aktionsplans gehören die Verbesserung der risikobasierten Aufsicht, die Gewährleistung der erforderlichen Humanressourcen für die Aufsichtsbehörden und die Gewährleistung eines wirksamen Informationsaustauschs und der Zusammenarbeit zwischen den Ermittlungsbehörden untereinander sowie mit dem Privatsektor. Nach Annahme dieser Maßnahmen ist auf eine wirksame Umsetzung zu achten. Schließlich müssen auch die Kapazitäten der Strafverfolgungs- und Justizbehörden erhöht werden.

(11)

Bei der Umsetzung mehrerer Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte in Bezug auf Sozialschutz und soziale Inklusion steht Lettland vor Herausforderungen. Die Einkommensungleichheit in Lettland ist aufgrund der geringen Umverteilung durch das Steuer- und Sozialleistungssystem hoch. Die Angemessenheit der Sozialleistungen ist nach wie vor gering und die armuts- und ungleichheitsverringernde Wirkung sozialer Transferleistungen begrenzt. Das Armutsrisiko für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen ist vergleichsweise hoch und steigt weiter an, weil die Leistungen nicht mit dem Lohnwachstum Schritt halten. Der Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten älteren Menschen lag 2018 bei 49,0 % (Unionsdurchschnitt: 18,2 % im Jahr 2017); bei Menschen mit Behinderungen betrug der Anteil im Jahr 2017 40,7 % (Unionsdurchschnitt: 29,3 % im Jahr 2017). Die staatlichen Sozialleistungen für Menschen mit Behinderungen wurden ebenso wie die Mindestrente seit 2006 nicht mehr angepasst. Die im Jahr 2014 angekündigte Reform des Mindesteinkommens wurde nicht umgesetzt, was die ärmsten Haushalte belastet. Auch der Zugang zur Langzeitpflege ist nach wie vor schwach ausgeprägt. Zur Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung sind daher Investitionen erforderlich, unter anderem Nahrungsmittelhilfe und materielle Hilfe für die am stärksten von Armut betroffenen Personen. Darüber hinaus sind Investitionen, unter anderem in die Infrastruktur, notwendig, um den Zugang zu Kinderbetreuung, Langzeitpflege, Arbeitsverwaltung und anderen sozialen Dienstleistungen zu verbessern und die Integration von Gesundheits- und Sozialdiensten, einschließlich des Übergangs von institutioneller Betreuung zu Betreuung in der lokalen Gemeinschaft, zu ermöglichen. Der Anteil der Menschen, die mit schlechter Wohnraumversorgung leben müssen, ist einer der höchsten in Europa (15,2 % gegenüber einem Unionsdurchschnitt von 4,0 % im Jahr 2017), und das Angebot an sozialem Wohnraum ist knapp. Es braucht Investitionen, um die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum zu verbessern.

(12)

Während die Gesamtbeschäftigungsquoten hoch sind und weiter steigen, wirken sich die nachteiligen demografischen Entwicklungen und die Abwanderung negativ auf die Beschäftigtenzahl aus. Darüber hinaus variiert die Beschäftigung je nach Region und Qualifikationsniveau. So haben ältere Menschen mit überholten Qualifikationen größere Schwierigkeiten. Die schwach ausgeprägten digitalen Kompetenzen in der Erwerbsbevölkerung hemmen den Einsatz digitaler Technologien durch Unternehmen und das Innovationspotenzial. Die Teilnahme an Lernangeboten der Erwachsenenbildung und die Beteiligung von Arbeitslosen an aktiven Arbeitsmarktmaßnahmen liegen unter dem Unionsdurchschnitt.

(13)

Das Bildungssystem steht vor der Herausforderung, dass einerseits Ressourcen eingespart und gleichzeitig die Qualität und Effizienz des Systems verbessert werden sollen. Das lettische Bildungssystem kann zwar gute Lernergebnisse vorweisen, der Zugang zu hochwertiger Bildung hängt jedoch nach wie vor vom Wohnort und von der Art der Schule ab. Bei der Lehrplanreform in der Berufsbildung zur Anpassung an neue Qualifikationsanforderungen gab es Fortschritte, und auch das Umfeld der Berufsschulen hat sich deutlich verbessert. Die Attraktivität der Berufsbildung ist jedoch nach wie vor gering: So liegen die Einschreibungsquoten und die Beschäftigungsquote von jungen Berufsschulabsolventen unter dem Unionsdurchschnitt.

(14)

Die Sicherstellung des Qualifikationsangebots ist einer der Hauptbereiche, in denen die Investitionsnachfrage nach wie vor erheblich ist. Entsprechende Investitionen — auch in die Infrastruktur — sind notwendig, um die Qualität, Wirksamkeit und Relevanz der allgemeinen und beruflichen Bildung für den Arbeitsmarkt zu verbessern und lebenslanges Lernen, insbesondere flexible Weiterbildungs- und Umschulungsangebote, zu fördern. Zudem braucht es Investitionen, die den Zugang zu Beschäftigung verbessern, auch, um die Reichweite und den Umfang aktiver Arbeitsmarktmaßnahmen zu verbessern, die Arbeitsfähigkeit der Erwerbsbevölkerung zu erhöhen und die sektorale und regionale Arbeitskräftemobilität zu steigern. In einer allgemeineren Perspektive ist es wichtig, die Kapazitäten der Sozialpartner zu stärken, um faire Arbeitsbedingungen zu fördern und die europäische Säule sozialer Rechte umzusetzen.

(15)

Die schlechten Gesundheitsergebnisse der Bevölkerung lassen sich in erster Linie auf die niedrigen öffentlichen Ausgaben für die Gesundheitsversorgung und eine ungesunde Lebensweise zurückführen. Die jüngste Aufstockung der Mittel für die Gesundheitsversorgung schafft hinsichtlich der langen Wartezeiten und einiger durch die Jahresleistungsbegrenzung bedingter Zugangsengpässe Abhilfe. Dennoch liegt die öffentliche Finanzierung der Gesundheitsversorgung nach wie vor weit unter dem Unionsdurchschnitt. Es gibt nur in begrenztem Maße einen zeitnahen und gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Dies führt zu einem hohen, nach eigenen Angaben ungedeckten Versorgungsbedarf aufgrund hoher Eigenleistungen, insbesondere bei benachteiligten Gruppen, sowie zu Chancenungleichheit. Die Reformen zur Förderung von Effizienz und Qualität im Gesundheitswesen schreiten voran, befinden sich aber noch in einer frühen Phase und sollten beschleunigt werden; hierzu gehören wirksame Vorbeugemaßnahmen, die Rationalisierung des Krankenhaussektors, der Ausbau der medizinischen Grundversorgung und ein gezieltes Qualitätsmanagement. Darüber hinaus mangelt es Lettland an Arbeitskräften im Gesundheitswesen, insbesondere beim Krankenpflegepersonal, was die Erbringung öffentlicher Gesundheitsleistungen behindert und den Erfolg der Gesundheitsreformen gefährdet. Wenn die Zweiteilung der Gesundheitsleistungen (in Voll- und Mindestversorgung) in Kraft tritt, besteht die Gefahr, dass der gleichberechtigte Zugang zur Gesundheitsversorgung weiter eingeschränkt wird und es zu negativen Ergebnissen im Gesundheitsbereich kommt. Um Zugänglichkeit, Bezahlbarkeit und Qualität der Gesundheitsversorgung zu erhöhen und dadurch den Gesundheitszustand der Bevölkerung zu verbessern und ein gesünderes und längeres Erwerbsleben zu gewährleisten, sind entsprechende Investitionen in das Gesundheitswesen, unter anderem in die Infrastruktur, erforderlich.

(16)

Lettland investiert nur wenig in Forschung und Entwicklung und weist eine große Lücke bei den Investitionen in Innovation auf. Im Jahr 2017 gehörte der Ausgabenanteil Lettlands für Forschung und Entwicklung zu den niedrigsten in der Union und er hat sich in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert. Die Forschungsförderung stützt sich zudem fast ausschließlich auf Fonds der Union. Lettland ist demnach ein mäßiger Innovator, der einige Stärken vorweisen kann, etwa die Informations-, Kommunikations- und Technologieinfrastruktur, aber in den Bereichen Humanressourcen, Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor und Investitionen in geistiges Eigentum hinterherhinkt.

(17)

Auch bei der Überwindung regionaler Disparitäten bestehen noch große Investitionslücken. Zwischen Riga und den übrigen Regionen Lettlands gibt es nach wie vor erhebliche wirtschaftliche Unterschiede. Während sich Lettland insgesamt dem Niveau in der Union annähert, ist die Kluft bei der Wirtschaftsleistung zwischen der Hauptstadtregion und den übrigen Regionen seit dem Beitritt Lettlands zur Union nicht kleiner geworden. Die Wettbewerbsfähigkeit und die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen variieren stark zwischen den einzelnen Regionen Lettlands und beeinflussen deren Attraktivität. Der Investitionsbedarf sollte daher auf die erheblichen regionalen Unterschiede in Sachen Mobilität und digitale Infrastruktur, insbesondere im Bereich der „letzten Meile“, ausgerichtet sein. Die Lücken in der Anbindung an das transeuropäische Verkehrsnetz und an Rand- und Grenzregionen sind nach wie vor äußerst ausgeprägt, was sich negativ auf die Wirtschaftstätigkeit und die Exporte Lettlands auswirkt. Investitionslücken verhindern die Fertigstellung des Projekts „Rail Baltica“ und der wichtigsten Strominfrastrukturprojekte, die Teil des Verbundplans für den baltischen Energiemarkt sind. Darüber hinaus sind Investitionen in die Ressourceneffizienz notwendig, um die Energiewende Lettlands zu beschleunigen. Auch braucht es weitere Anstrengungen, um die allgemeine Energieeffizienz, allen voran im Wohn- und Verkehrssektor, zu verbessern.

(18)

Das kürzlich verabschiedete Gesetz über den Schutz von Hinweisgebern ist ein positiver Schritt, und auch die Antikorruptionsbehörde des Landes hat dank der Aufdeckung einiger aufsehenerregender Korruptionsfälle in jüngster Zeit an Profil gewonnen. Dennoch herrscht immer noch die Wahrnehmung vor, dass der Entscheidungsfindungsprozess der Regierung durch Vetternwirtschaft beeinflusst wird und die öffentliche Auftragsvergabe aufgrund mangelnder Transparenz, insbesondere in Gemeinden und staatseigenen bzw. kommunalen Unternehmen, korruptionsanfällig ist. Die Änderungen des Wettbewerbsgesetzes, die am 1. Januar 2020 in Kraft treten, werden dafür sorgen, dass staatseigene und kommunale Unternehmen den Wettbewerb mit ihren Tätigkeiten nur noch in beschränktem Maße beeinträchtigen können. Die gesetzlichen Änderungen am System für den Umgang mit Interessenkonflikten könnten zu Missbrauch führen. Der kürzlich verabschiedete Ethikkodex gilt nicht für Personen in politischen Ämtern.

(19)

Die öffentlichen Dienstleistungen wurden nicht an die schrumpfende und alternde Bevölkerung angepasst. Die schrumpfende Bevölkerung und die Verstädterung führen dazu, dass Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen im ländlichen Raum ungenutzt bleiben. Es braucht Strategien in der öffentlichen Verwaltung, der Bildung und bei den Gesundheitsdienstleistungen, um den Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen in dünn besiedelten und von Abwanderung betroffenen Gebieten aufrechtzuerhalten und gleichzeitig eine größere Effizienz zu gewährleisten. Vor Kurzem wurde eine allgemeine Reform der administrativen Gebietseinheiten angekündigt, die bis Dezember 2021 durchgeführt werden soll. Eine zeitnahe Umsetzung dieser Reform könnte dazu beitragen, die Rechenschaftspflicht und Effizienz des öffentlichen Sektors zu verbessern, umso mehr angesichts des operationellen Programms für Unionsmittel, das bis zum Jahr 2020 genehmigt werden soll.

(20)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, zu schließen. Das würde es Lettland ermöglichen, diese Mittel unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen. Der Ausbau der für die Verwaltung dieser Fonds erforderlichen Kapazitäten des Landes ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieser Investitionen.

(21)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Lettlands umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Lettland gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Lettland berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet.

(22)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (8) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider —

EMPFIEHLT, dass Lettland 2019 und 2020 Maßnahmen ergreift, um

1.   

sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 3,5 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,5 % des BIP entspricht; die Steuerbelastung für Geringverdiener zu reduzieren, indem es die Steuer auf andere Quellen, insbesondere auf Kapitalertragsteuern und Immobiliensteuern, verlagert und die Steuerdisziplin verbessert; die effektive Überwachung und Durchsetzung des Rahmens zur Geldwäschebekämpfung zu gewährleisten;

2.   

gegen soziale Ausgrenzung vorzugehen, indem es insbesondere die Angemessenheit der Mindesteinkommensleistungen, Mindestrenten und Einkommensbeihilfen für Menschen mit Behinderungen verbessert; die Qualität und Effizienz der allgemeinen und beruflichen Bildung, insbesondere von Geringqualifizierten und Arbeitssuchenden, zu verbessern, unter anderem durch eine stärkere Beteiligung an der beruflichen Bildung und der Erwachsenenbildung; die Zugänglichkeit, Qualität und Kosteneffizienz des Gesundheitswesens zu steigern;

3.   

den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf Innovation, die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum, Verkehr, insbesondere dessen Nachhaltigkeit, auf Ressourceneffizienz und Energieeffizienz, Energieverbundnetze und digitale Infrastruktur zu legen und dabei regionalen Unterschieden Rechnung zu tragen;

4.   

die Rechenschaftspflicht und Effizienz im öffentlichen Sektor insbesondere im Hinblick auf die kommunale Ebene und die staatseigenen und kommunalen Unternehmen zu steigern und das System für den Umgang mit Interessenkonflikten zu stärken.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 60.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(8)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/91


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Litauens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Litauens 2019

(2019/C 301/15)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Litauen nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Litauen die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 2 und 3 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere werden Investitionsmaßnahmen zur Umsetzung der zweiten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung (Investitionsförderung) beitragen, und Bildungsmaßnahmen werden bei der Umsetzung der dritten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung (Funktionieren des Arbeitsmarkts) helfen.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Litauen wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Litauens bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet.

(4)

Am 10. Mai 2019 übermittelte Litauen sein nationales Reformprogramm 2019 und am 30. April 2019 sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Bei der Programmplanung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme sowie zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Litauen befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 plant die litauische Regierung, dass der Gesamtüberschuss in den Jahren 2019 und 2020 0,4 % bzw. 0,2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen und im Jahr 2021 weiter auf 0,1 % des BIP zurückgehen wird. Dem neuberechneten strukturellen Saldo (6) zufolge wird das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 1 % des BIP — im gesamten Programmzeitraum auch weiterhin übertroffen. Im Jahr 2017 wurde Litauen ferner eine vorübergehende Abweichung für die Umsetzung der Strukturreformen gewährt. Dieses Zugeständnis gilt für einen Zeitraum von drei Jahren. Dem Stabilitätsprogramm 2019 zufolge wird die gesamtstaatliche Schuldenquote voraussichtlich von 34,2 % des BIP im Jahr 2018 auf 32,9 % im Jahr 2022 zurückgehen. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Gleichzeitig wurden die Maßnahmen, die zur Erreichung der ab 2020 anvisierten Überschussziele erforderlich sind, nicht ausreichend spezifiziert. Nach der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission wird voraussichtlich 2019 ein strukturelles Defizit von 1 % des BIP und 2020 ein strukturelles Defizit von 0,9 % des BIP erzielt werden, was mit dem mittelfristigen Haushaltsziel im Einklang steht. Gleichzeitig sollten die Ausgabenentwicklungen kurz- und mittelfristig sehr aufmerksam beobachtet werden, insbesondere in Anbetracht möglicher künftiger Risiken für die Solidität der Einnahmen. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass Litauen die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 erfüllen dürfte.

(7)

Im Juni 2018 verabschiedete die litauische Regierung ein Gesetzespaket zur Umsetzung umfassender Strukturreformen in folgenden sechs Schlüsselbereichen: Bildung, Gesundheitswesen, Besteuerung, informelle Wirtschaft, Renten und Innovation.

(8)

Litauen hat weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft und zur Verbesserung der Steuerdisziplin getroffen. Wenngleich diese Maßnahmen ermutigende Ergebnisse hervorgebracht haben, ist die Steuerdisziplin insgesamt nach wie vor gering. Litauen hat nach wie vor eine der höchsten Mehrwertsteuer-Erhebungslücken in der Union. Eine weiter erhöhte Steuerehrlichkeit würde Mehreinnahmen erbringen und die Fairness des Steuersystems erhöhen. Es wurden keine Maßnahmen getroffen, um die Steuerbemessungsgrundlage auf weniger wachstumsschädliche Quellen auszudehnen. Umweltsteuern und die Grundsteuer liegen weiterhin unter dem Unionsdurchschnitt, und es sind keine Änderungen in Bezug auf die Kfz-Steuer oder die Straßenbenutzungsgebühren für private Nutzer vorgesehen.

(9)

Seit 2018 werden die gesetzlichen Renten automatisch an das Lohnwachstum angepasst. Dadurch sollen die Rentenausgaben des Staates von 6,9 % des BIP im Jahr 2016 auf 5,2 % des BIP im Jahr 2070 zurückgehen. Gleichzeitig dürfte die Angemessenheit der Renten jedoch abnehmen, da die Rentenleistungen aufgrund des Beschäftigungsrückgangs nicht mit dem Lohnwachstum Schritt halten können. Das Standardrentenniveau — also das Verhältnis der Durchschnittsrente zum Durchschnittseinkommen — wird voraussichtlich stetig sinken, wobei dieser Wert bereits heute zu den niedrigsten in der Union zählt. Den geltenden Rechtsvorschriften zufolge muss die Regierung bei einem Rückgang des Standardrentenniveaus Korrekturmaßnahmen vorschlagen. Da der Zeitpunkt und die genaue Ausgestaltung solcher künftigen Maßnahmen gegenwärtig noch nicht vorhergesehen werden können, sind sie in den Projektionen des Berichts über die Bevölkerungsalterung nicht berücksichtigt. Sie stellen jedoch ein Risiko für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen dar. Wenn Litauen das Standardrentenniveau bis 2070 unverändert beibehielte, würden die Rentenausgaben auf 7 % des BIP steigen, statt wie projiziert auf 5,2 % zu sinken. Folglich besteht Unsicherheit darüber, wie die Rentenvorschriften in der Praxis angewandt werden und welche Folgen sich daraus für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und die Angemessenheit der Renten im Laufe der Zeit ergeben würden.

(10)

Der hohe Anteil an von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen und die große Einkommensungleichheit bleiben wesentliche Schwachstellen Litauens, die seine Aussichten auf ein inklusives Wachstum beeinträchtigen. Trotz des anhaltenden Wirtschaftswachstums sind viele Teile der litauischen Gesellschaft (z. B. ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Kinder, Alleinerziehende und Arbeitslose) besonders stark von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Wenngleich das Netz der sozialen Sicherheit in den vergangenen Jahren verbessert wurde, zählen die gesamten Korrekturmöglichkeiten des litauischen Steuer- und Sozialleistungssystems und die Sozialschutzausgaben gemessen an ihrem Anteil am BIP weiterhin zu den niedrigsten in der Union. Mit Maßnahmen wie der Einführung eines „Betrags für den Mindestkonsumbedarf“, der Erhöhung des allgemeinen Kindergelds und der Indexierung der Altersrenten wurden erste Schritte unternommen, um der hohen Armutsquote und Einkommensungleichheit zu begegnen. Angesichts der anhaltend hohen Armut und Ungleichheit ist jedoch ersichtlich, dass das Land noch einen weiten Weg vor sich hat, um das Durchschnittsniveau der Union im Bereich der sozialen Sicherheit zu erreichen, und dass Investitionen zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung getätigt werden müssen. Strategien zur aktiven Inklusion benachteiligter Gruppen sind dann besonders wirksam, wenn sie eine bessere Angemessenheit von Mindesteinkommen und Rentensystemen, Arbeitsmarktaktivierung und verbesserte Erbringung von sozialen Dienstleistungen, einschließlich Kinderbetreuung und Sozialwohnungen, umfassen.

(11)

Vor dem Hintergrund des Beschäftigungswachstums sowie infolge ungünstiger demografischer Entwicklungen, einschließlich der Auswanderung, ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt mittlerweile angespannt. Um die Auswirkungen der schrumpfenden Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter abzumildern, müssen Investitionen in Humankapital getätigt und der Zugang zum Arbeitsmarkt für alle verbessert werden. In Anbetracht der anhaltenden Qualifikationsdefizite und Missverhältnisse zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage sollte Litauen die Reformen zur Steigerung der Qualität und Effizienz auf allen Ebenen des Bildungssystems beschleunigen und einen gerechten Zugang zu hochwertiger und inklusiver allgemeiner und beruflicher Bildung gewährleisten. Aufgrund des Bevölkerungsrückgangs ist das Schulnetz unter Druck geraten. In Anbetracht dieser demografischen Verschiebung bedarf es Strategien, um den Zugang zu hochwertiger Bildung für alle aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Effizienz des Schulnetzes zu gewährleisten sowie die von den Konsolidierungsmaßnahmen betroffenen Lehrkräfte zu unterstützen. Zur Konsolidierung des Hochschulnetzes, das mehr als 40 staatliche und private Universitäten und sonstige Hochschulen umfasst, bedarf es noch erheblicher Anstrengungen. Die Berufsbildungsanbieter müssen die Lehrpläne modernisieren und ihr Angebot besser auf den Bedarf des lokalen und regionalen Arbeitsmarktes zuschneiden. Durch leicht zugängliche und wirksame Erwachsenenbildung sowie Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen in Verbindung mit der Bereitstellung sozialer Dienstleistungen könnten mehr Menschen in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die Quote der Teilnahme an Maßnahmen zur Erwachsenenbildung lag im Jahr 2018 mit 6,6 % weit unter dem Unionsdurchschnitt von 11,1 %. Investitionen in die Verbesserung der Qualifikationen wie etwa der digitalen Kompetenzen sowie Innovationen und eine bessere Integration von benachteiligten Personen in den Arbeitsmarkt (z. B. Menschen mit Behinderungen und ältere, arbeitslose oder nicht erwerbstätige Erwachsene) dürften sich positiv auf die Entwicklung der litauischen Wirtschaft auswirken. Allgemein sollten die Kapazitäten der Sozialpartner gestärkt werden, um ihre Einbindung zu fördern.

(12)

Eine weitere Herausforderung stellen die nach wie vor unzureichenden Gesundheitsergebnisse und die geringen Investitionen in die Gesundheitsversorgung dar. Es besteht nach wie vor ein großer Spielraum für einen effizienteren Einsatz der Ressourcen, indem die Verlagerung von stationärer zu ambulanter Versorgung weiter vorangetrieben wird. Die Inanspruchnahme von Krankenhausdienstleistungen ist weiterhin hoch, wobei relativ viele Krankenhausbesuche auf chronische Erkrankungen entfallen und die Bettenbelegungsquoten verhältnismäßig gering sind. Um Effizienzvorteile sowie bessere Gesundheitsergebnisse zu ermöglichen, müssen die Krankenhausressourcen noch rationeller genutzt werden. Ferner bedarf es gezielter Investitionen zur Verbesserung der Leistungen der medizinischen Grundversorgung, einschließlich Investitionen in medizinisches Personal. Einer der Hauptgründe für die schlechten Gesundheitsergebnisse ist nach wie vor die Qualität der Gesundheitsversorgung. Die einschlägigen Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität sind fragmentiert, wobei die Akkreditierung im Bereich der Primärversorgung sehr gering ist und das Akkreditierungssystem in Krankenhäusern nur unzureichend angewendet wird. In Maßnahmen zur Krankheitsvorsorge wird besonders wenig investiert. Darüber hinaus fehlt es hinsichtlich der Maßnahmen zur Verbesserung der Krankheitsvorsorge auf lokaler Ebene an einer übergeordneten Vision, und es mangelt an systematischer Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Gesundheitsämtern und den Akteuren der Primärversorgung. Und schließlich wirken sich die niedrigen Gesundheitsausgaben auf der einen Seite und die relativ hohen informellen Zahlungen sowie die hohen Zuzahlungen auf der anderen Seite negativ auf den gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung aus.

(13)

Im Kampf gegen die Korruption wurden zwar einige Maßnahmen ergriffen, jedoch fehlt nach wie vor ein umfassendes Register der Interessenerklärungen. Die Durchführungsvorschriften für das Gesetz zum Schutz von Whistleblowern wurden 2018 verabschiedet, und gegenwärtig wird über ein neues Gesetz zur Regulierung des Lobbyismus beraten. Bei der Bekämpfung der Korruption im Gesundheitssystem gibt es nach wie vor Unregelmäßigkeiten.

(14)

In Litauen liegt Anteil der Investitionen am BIP weiterhin unter dem Unionsdurchschnitt sowie dem der anderen baltischen Länder. Das Innovationsniveau der Unternehmen in Litauen sowie ihre Fähigkeit, Technologien zu übernehmen, ist gering. Daher bedarf es höherer Investitionen in Forschung und Innovation, insbesondere in der Privatwirtschaft. Dadurch würde die Produktivität steigern, die sich zwar kürzlich erhöht hat, aber noch immer deutlich unter dem Unionsdurchschnitt liegt. Der Mangel an Experten im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien verdeutlicht, dass in digitale Kompetenzen investiert werden muss, die dazu beitragen, die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit sowie die Technologieabsorptionsfähigkeit Litauens und den Übergang hin zu einer stärker wissensbasierten Wirtschaft mit einer höheren Wertschöpfung zu fördern.

(15)

Die Wirtschaft ist relativ ressourcenintensiv und in hohem Maße von Energie- und Materialimporten abhängig. Die Ressourcenproduktivität ist niedrig, der Energieverbrauch jedoch hoch, insbesondere im Wohn- und im Verkehrssektor. Durch mehr Investitionen in Energieeffizienz, insbesondere im Gebäudesektor sowie im Bereich der inländischen Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen, könnte die Wirtschaft umweltfreundlicher ausgerichtet und auf einen nachhaltigeren Wachstumspfad geführt werden, und dadurch würde gleichzeitig die Abhängigkeit von Energieeinfuhren verringert.

(16)

Litauen ist im Schienen-, Straßen-, See- und Luftverkehr international noch immer schlecht angebunden und sollte daher stärker in das restliche Europa integriert werden. Eine bessere Verkehrsanbindung würde die wirtschaftliche Produktivität steigern und es der Wirtschaft ermöglichen, umfassend vom Binnenmarkt zu profitieren. Betrachtet man den Umfang der TEN-V-Straßen- und Schienennetze, die Investitionen in Forschung und Innovation im Verkehrssektor, Nachhaltigkeitsaspekte sowie das Thema Straßensicherheit, so liegt die Leistung des litauischen Verkehrssektors weit unter dem Unionsdurchschnitt. Der Schienenverkehr konzentriert sich überwiegend auf die Ost-West-Verbindung, während die Nord-Süd-Achse noch immer schlecht ausgebaut ist. Daher bedarf es umfassender Investitionen, um ein nachhaltiges, klimaresilientes, intelligentes, sicheres, intermodales und gut zugängliches TEN-V-Netz zu entwickeln und eine nachhaltige Mobilität in den Städten zu fördern. Ferner haben die Treibhausgasemissionen durch den Straßenverkehr in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen. Die Synchronisierung des litauischen Stromnetzes mit dem kontinentaleuropäischen Netz ist für die Sicherheit der Stromversorgung im gesamten Baltikum von zentraler Bedeutung.

(17)

Die regionalen Unterschiede sind in Litauen stärker ausgeprägt als im Unionsdurchschnitt und haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten noch weiter vergrößert. Die aus der raschen wirtschaftlichen Konvergenz Litauens resultierenden Fortschritte sind vor allem in den beiden Metropolregionen zu spüren. In den überwiegend ländlichen Regionen hingegen, die flächenmäßig den größten Teil des Litauens ausmachen und in denen fast 55 % der Bevölkerung leben, ist ein starker Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen, der sich noch dadurch verstärkt, dass sich der Zugang zu hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen immer schwieriger gestaltet. Aufgrund der großen sozioökonomischen Unterschiede im Land ist ersichtlich, dass es in bestimmten Regionen spezifischer Investitionen bedarf. Auch die bessere Vernetzung aneinander angrenzender Gebiete innerhalb Litauens, einschließlich durch Verkehrsverbindungen und digitale Verbindungen, stellt weiterhin eine Herausforderung dar.

(18)

Um die öffentlichen Investitionen effizienter zu gestalten, haben die litauischen Behörden die Vorschriften für die Vorbereitung und Auswahl der vom Staat finanzierten Investitionsvorhaben überarbeitet. Seit 2018 sollten alle neuen Investitionsvorhaben anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse geprüft werden und zusätzliche Auswahlkriterien erfüllen. Dies ist zwar ein wichtiger erster Schritt, es muss aber noch mehr getan werden, um sicherzustellen, dass die öffentlichen Investitionen die größtmögliche Wirkung erzielen und dazu beitragen, das langfristige Wachstumspotenzial zu steigern und die wachsenden regionalen Unterschiede zu bekämpfen. Ferner haben die Behörden damit begonnen, das staatliche Haushaltsplanungssystem zu überarbeiten, um den Zeithorizont für die Haushaltsplanung zu verlängern und die Ausgaben stärker an den allgemeinen wirtschaftlichen Zielen auszurichten. In diesem Zusammenhang sollte Litauen dafür sorgen, dass das neue System zur Planung strategischer Investitionen für das Haushaltsverfahren 2021-2023 und bis zum Beginn des neuen Unionsfinanzierungszyklus 2021 einsatzbereit ist.

(19)

Litauen verfügt über keine einheitliche Strategie für Forschung und Innovation. Die Maßnahmen sind fragmentiert, und es gibt eine Vielzahl von Förderprogrammen, denen es an Synergien mangelt. Ferner gibt es diverse Durchführungsstellen, die sich bei der Förderung der verschiedenen politischen Maßnahmen im Bereich Forschung und Innovation nicht abstimmen. Dies wiederum trägt zu einer komplexen Verwaltungsstruktur bei und scheint den Zugang der Nutzer zu den zahlreichen verfügbaren Instrumenten einzuschränken. Dadurch werden insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Unternehmen sowie die Innovationstätigkeit beeinträchtigt. Die neue Aufteilung der Zuständigkeiten im Bereich Forschung und Innovation zwischen dem Ministerium für Wirtschaft und Innovation und dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft verschafft den potenziellen Begünstigten noch keinen so kohärenten politischen Rahmen mit synergetischen Förderregelungen, wie dies bei einer zentralen Anlaufstelle der Fall wäre.

(20)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. Das würde es Litauen ermöglichen, diese Mittel unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen.

(21)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Litauens umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Lettland gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Litauen berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet.

(22)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt (7), dass Litauen den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird —

EMPFIEHLT, dass Litauen 2019 und 2020 Maßnahmen ergreift, um

1.   

die Steuerdisziplin zu verbessern und die Steuerbemessungsgrundlage auf weniger wachstumsschädliche Quellen auszudehnen; die Themen Einkommensungleichheit, Armut und soziale Ausgrenzung anzugehen, u. a. durch eine bessere Gestaltung des Steuer- und Sozialleistungssystems;

2.   

die allgemeine und berufliche Bildung auf allen Ebenen besser und effizienter zu gestalten, u. a. den Bereich der Erwachsenenbildung; die Qualität, Bezahlbarkeit und Effizienz des Gesundheitswesens zu verbessern;

3.   

den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf Innovation, Energie- und Ressourceneffizienz, nachhaltigen Verkehr und Energieverbundnetze zu legen und dabei den regionalen Unterschieden Rechnung zu tragen; das Produktivitätswachstum anzukurbeln, indem es die Effizienz der öffentlichen Investitionen verbessert; einen kohärenten politischen Rahmen zur Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Unternehmen zu entwickeln und die Durchführungsstellen im Bereich Forschung und Innovation zu konsolidieren.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 64.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/97


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Luxemburgs 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Luxemburgs 2019

(2019/C 301/16)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Luxemburg nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Luxemburg die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 1 bis 4 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere werden eine gezielte Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die spezifizierten Bereiche sowie Maßnahmen in Bezug auf ins Ausland fließende Zahlungen dazu beitragen, die zweite Euro-Währungsgebiet-Empfehlung im Hinblick auf die Investitionsförderung und die aggressive Steuerplanung anzugehen, und Maßnahmen für eine bessere Beschäftigungsquote älterer Menschen werden bei der Umsetzung der dritten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung im Hinblick auf die Gewährleistung eines angemessenen und nachhaltigen Sozialschutzsystems helfen.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Luxemburg wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Luxemburgs bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet.

(4)

Am 30. April 2019 übermittelte Luxemburg sein nationales Reformprogramm 2019 und sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Bei der Programmplanung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme sowie zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Luxemburg befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 geht die Regierung von einem Rückgang des Gesamtüberschusses von 2,4 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 auf 1,0 % des BIP im Jahr 2019 aus und anschließend von einer nahezu kontinuierlichen Erhöhung, die im Jahr 2023 einen Überschuss von 2,2 % des BIP erreichen soll. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos (6) wird das mittelfristige Haushaltsziel — das von einem strukturellen Defizit von 0,5 % des BIP im Jahr 2019 in einen strukturellen Überschuss von 0,5 % des BIP ab 2020 abgeändert wurde — während des gesamten Programmzeitraums übertroffen. Nach dem Stabilitätsprogramm 2019 wird erwartet, dass die gesamtstaatliche Schuldenquote weit unter dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von 60 % des BIP bleiben wird. Das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegende makroökonomische Szenario ist für den gesamten Zeitraum des Stabilitätsprogramms 2019 günstig — mit Ausnahme des Jahres 2023, in dem es plausibel ist. Nach der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission wird voraussichtlich 2019 ein struktureller Überschuss von 0,9 % des BIP und 2020 ein struktureller Überschuss von 0,5 % des BIP erzielt — womit er zwar insbesondere für das Jahr 2020 geringer ausfallen würde als im Stabilitätsprogramm 2019 vorgesehen, aber immer noch im Einklang mit dem mittelfristigen Haushaltsziel wäre oder darüber läge. Gleichzeitig sollte die Ausgabenentwicklung kurz- und mittelfristig aufmerksam beobachtet werden, insbesondere in Anbetracht möglicher künftiger Risiken für die Solidität der Einnahmen. Alles in allem ist der Rat der Auffassung, dass Luxemburg die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 voraussichtlich einhält.

(7)

Trotz jüngster Reformen dürften in Luxemburg die alterungsbedingten Ausgaben (Kosten für Renten, Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege) langfristig deutlich steigen. Sollte im derzeitigen System kein Strategiewechsel erfolgen, könnte die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in Gefahr geraten — und dies trotz des derzeit niedrigen öffentlichen Schuldenstandes und der kumulierten Rücklagen des Sozialversicherungssystems, die bis 2041 die Tragfähigkeit des Systems sichern dürften. Empfehlungen bezüglich dieser Herausforderung werden seit 2011 an das Land gerichtet, allerdings waren die bisherigen Fortschritte begrenzt. Die Renten-Arbeitsgruppe der Regierung erörterte in ihrem Bericht von 2018 verschiedene Möglichkeiten, um die langfristige Tragfähigkeit des Rentensystems zu verbessern, etwa durch eine allmähliche Anhebung des Beitragssatzes, eine Erhöhung des Renteneintrittsalters angesichts der steigenden Lebenserwartung und einen schrittweisen Eintritt in den Ruhestand. In dem Bericht wird eine mehrgleisige Strategie von kalibrierten Reformen vorgeschlagen, um die langfristige Tragfähigkeit des Systems zu gewährleisten und zugleich die Folgen für die Wirtschaft und die Rentnerinnen und Rentner zu minimieren. Der projizierte Anstieg alterungsbedingter Ausgaben gefährdet auch die langfristige Tragfähigkeit des Gesundheitswesens und der Langzeitpflege. Mehr als drei Viertel der Ausgaben für die Langzeitpflege werden aus öffentlichen Quellen bestritten. Gemäß einer 2013 durchgeführten Analyse der Generalinspektion für soziale Sicherheit sollte das Pflegeversicherungssystem bis 2030 stabil bleiben, sofern der Beitragssatz schrittweise von 1,4 % auf 1,7 % erhöht wird, um die Kosten im Einklang mit dem Anteil der pflegebedürftigen Personen zu halten. Allerdings lassen sich die Auswirkungen auf die langfristige finanzielle Tragfähigkeit noch nicht abschätzen. Um auf lange Sicht den sozialen Zusammenhalt aufrechtzuerhalten und die öffentlichen Finanzen tragfähig zu gestalten, müssten demografische Strategien und Maßnahmen der allgemeinen und beruflichen Bildung miteinander einhergehen; dazu ist wiederum ein ganzheitliches Vorgehen erforderlich, das — angesichts der zu erwartenden Auswirkungen einer alternden Bevölkerung auf das Arbeitskräfteangebot — sowohl den Herausforderungen und Chancen des demografischen Wandels als auch der digitalen Wirtschaft Rechnung trägt. In bestimmten Branchen ist in jüngster Zeit ein Arbeitskräftemangel entstanden, der das Produktivitätswachstum bremsen und das langfristige Wachstumspotenzial verringern könnte.

(8)

Trotz eines insgesamt gut funktionierenden Arbeitsmarkts stagniert die Beschäftigungsquote; bestimmte Gruppen sehen sich am Markt nach wie vor besonderen Schwierigkeiten gegenüber. Insbesondere ist die Beschäftigungsquote älterer Menschen nach wie vor ausgesprochen niedrig, weshalb weitere Maßnahmen erforderlich sind, um ihre Erwerbsbeteiligung zu verbessern. Frühpensionierungsregelungen, die Anreize für Arbeitnehmer schaffen, früher aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, sind nach wie vor weitverbreitet: Im Jahr 2017 waren 57,5 % der neu gewährten Pensionen vorzeitige Alterspensionen. Die luxemburgische Regierung hat 2018 eine der Vorruhestandsregelungen abgeschafft, mit der Beschäftigte ab 57 Jahren in den Ruhestand treten konnten, diese Reform wurde jedoch dadurch verwässert, dass Einschränkungen bei anderen Vorruhestandsregelungen gelockert wurden. Geringe Erwerbsquoten im Alter sind zudem großenteils auf finanzielle Negativanreize zurückzuführen, die dem Steuer- und Sozialleistungssystem entspringen und für diese Altersgruppe vergleichsweise hoch liegen. Um die Beschäftigung älterer Arbeitskräfte anzukurbeln, bedarf es einer umfassenden Strategie, zu der auch Maßnahmen gehören, die dazu beitragen, dass Arbeitnehmer länger im aktiven Dienst bleiben. Der sogenannte „Alterspakt“, der dem Parlament im April 2014 vorgelegt wurde, ist noch nicht verabschiedet; mit diesem Gesetzentwurf sollen Anreize für Unternehmen mit mehr als 150 Beschäftigten geschaffen werden, im Rahmen von Altersmanagementmaßnahmen ältere Arbeitnehmer einzustellen und weiter zu beschäftigen.

(9)

Luxemburg ist weiter entschlossen, das Regelungsumfeld für unternehmensorientierte Dienstleistungen zu verbessern, allerdings bestehen dem Indikator der Regulierungsintensität der Kommission (7) zufolge in mehreren Bereichen wie Recht, Wirtschaftsprüfung, Architektur und Ingenieurswesen nach wie vor hohe regulatorische Hürden. Auch der im Dezember 2018 veröffentlichte OECD-Index für Hemmnisse für den Handel mit Dienstleistungen im EWR bestätigte, dass die Regulierungsintensität in Luxemburg im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten über dem Binnenmarktdurchschnitt für diese Sektoren liegt.

(10)

Das luxemburgische Wirtschaftsmodell präsentiert sich leistungsstark, was mit einer soliden und nachhaltigen Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze im Einklang steht und durch eine hohe Produktivität gestützt wird, die vor allem auf Effizienzsteigerungen durch die Beteiligung an den Weltmärkten, vor allem im Finanzsektor, zurückzuführen sind. In den vergangenen Jahren jedoch stagnierte das Produktivitätswachstum, weil die Unternehmen nur wenig in Innovation und digitale Integration investiert haben. Die luxemburgische Strategie, durch Ausbau zentraler wissensintensiver Sektoren die Wirtschaft zu diversifizieren und somit den Übergang zu einer datengesteuerten Wirtschaft zu meistern, birgt großes Potenzial, um hohe wertschöpfende Investitionen zu stimulieren und das Produktivitätswachstum anzukurbeln. In diesem Kontext sind die öffentlichen Investitionen nach wie vor hoch und auf diese Sektoren — einschließlich einer starken Informations- und Kommunikationstechnologiebranche — ausgerichtet. Dies hat jedoch nicht dazu beigetragen, private Investitionen in Innovation und Digitalisierung anzukurbeln. Um das Produktivitätswachstum zu steigern und die weitere Diversifizierung der Wirtschaft des Großherzogtums zu fördern, sind mehr Investitionen in Forschung und Innovation sowie in die digitale Integration erforderlich — besonders in Unternehmen und ganz konkret in KMU. Damit Luxemburg das Potenzial seines Innovationsökosystems voll ausschöpfen kann, sind ein kohärenter und integrierter nationaler Rahmen für Forschungs- und Innovationsstrategien und Unterstützungsinstrumente einschließlich einer Priorisierung auf der Basis einer soliden Bewertung der erwarteten wirtschaftlichen Folgen entscheidend.

(11)

Verstärkte Investitionen in Qualifikationen, insbesondere in der Informations- und Kommunikationstechnologie, in die Beschäftigungsfähigkeit, in die allgemeine und berufliche Bildung einschließlich einer besseren Abstimmung der Lehrpläne auf die Bedürfnisse am Arbeitsmarkt und die Förderung des technologischen und digitalen Wandels sind wichtig, um Produktivität, Beschäftigung und das langfristige Wachstumspotenzial Luxemburgs zu verbessern und die Chancengleichheit voranzubringen.

(12)

Luftverschmutzung und Verkehrsüberlastung zu Spitzenzeiten stellen Luxemburg sowohl in Sachen Wettbewerbsfähigkeit als auch von der ökologischen Warte her betrachtet weiterhin vor enorme Probleme. Außerdem trägt der CO2-Ausstoß durch den Straßenverkehr zum Klimawandel bei. Aus den der Kommission vorgelegten nationalen Prognosen von 2017 geht hervor, dass Luxemburg ohne zusätzliche Maßnahmen sein Treibhausgas-Reduktionsziel für das Jahr 2020 um 3 Prozentpunkte und das entsprechende Ziel für 2030 um 20 Prozentpunkte verfehlen wird. Die Zahl der Grenzgänger, die derzeit etwa 45 % der Luxemburger Arbeitskräfte ausmachen, die geringe Besteuerung von Kraftstoffen in Luxemburg und die hohen Immobilienpreise führen zu einer stärkeren Pkw-Nutzung und bremsen eine Verbesserung von Luftqualität und Verkehrssituation. Unterdessen hat die Verwendung alternativer Kraftstoffe für in Luxemburg verkaufte Neuwagen in den vergangenen Jahren zugenommen.

(13)

Das unzureichende Immobilienangebot beeinträchtigt möglicherweise die Attraktivität Luxemburgs. Bevölkerungswachstum, günstige Finanzierungsbedingungen und die hohe Zahl von Grenzgängern bleiben die wesentlichen treibenden Kräfte für die starke Nachfrage nach Wohnraum. Das Immobilienangebot und die Investitionen sind unzureichend und aufgrund mangelnden Baulands und geringer Siedlungsdichte eingeschränkt; dies ist in erster Linie auf fehlende Anreize für Grundeigentümer zum Wohnungsbau oder aber zum Verkauf der Grundstücke zurückzuführen. Auch das Angebot an Sozialwohnungen reicht nicht aus, was darauf hindeutet, dass zum Abbau der zunehmenden Spannungen am Wohnungsmarkt erhebliche Investitionen erforderlich sind. Diesbezüglich sollen politische Maßnahmen, die im Regierungsprogramm für 2018-2023 dargelegt sind, zu einer Steigerung des Immobilienangebots führen. Dazu gehören Änderungen der Stadtplanungsgesetze, um mehr Bauland zu erschließen und den Bau von bezahlbaren Wohnungen und Sozialwohnungen auszubauen.

(14)

Die Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung ist eine wesentliche Voraussetzung für effizientere und gerechtere Steuersysteme, wie in der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019 eingeräumt wird. Da aggressive Steuerplanungsstrategien der Steuerzahler sich auch auf andere Mitgliedstaaten auswirken können, ist ergänzend zu den Rechtsvorschriften der Union auch ein koordiniertes Vorgehen auf nationaler Ebene erforderlich. Luxemburg hat Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung ergriffen, der hohe Anteil von Dividenden-, Zins- und Lizenzgebührzahlungen am BIP lässt aber darauf schließen, dass Unternehmen die Steuervorschriften des Landes zu aggressiver Steuerplanung nutzen können. Ein Großteil der ausländischen Direktinvestitionen wird von „Zweckgesellschaften“ gehalten. Da auf ins Ausland fließende (also von in der Union Ansässigen an in Drittstaaten Ansässige geleistete) Zins- und Lizenzgebührzahlungen keine Quellensteuern erhoben werden und Dividendenzahlungen unter spezifischen Voraussetzungen von der Quellensteuer befreit sind, fallen diese Zahlungen möglicherweise vollständig durch das Steuerraster, sofern sie auch im Empfängerland nicht besteuert werden.

(15)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. Das würde es Luxemburg ermöglichen, diese Mittel optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen.

(16)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Luxemburgs umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019 und das Nationale Reformprogramm 2019 sowie die Maßnahmen zur Umsetzung der an Luxemburg gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Luxemburg berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet.

(17)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung (8) gelangt, dass Luxemburg den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird —

EMPFIEHLT, dass Luxemburg 2019 und 2020

1.   

die Beschäftigungsquote älterer Beschäftigter erhöht, indem es ihre Beschäftigungschancen und -fähigkeit fördert; die langfristige Tragfähigkeit des Rentensystems verbessert, unter anderem durch eine weitere Einschränkung des vorzeitigen Ruhestands;

2.   

Hemmnisse für den Wettbewerb bei reglementierten unternehmensorientierten Dienstleistungen abbaut;

3.   

die investitionsbezogene Wirtschaftspolitik auf die Förderung von Digitalisierung und Innovation sowie die Kompetenzentwicklung, auf mehr Nachhaltigkeit im Verkehrswesen und ein größeres Wohnraumangebot ausrichtet, unter anderem durch verstärkte Bauanreize und die Beseitigung von Hindernissen für das Baugewerbe;

4.   

sich mit Komponenten des Steuersystems befasst, die einer aggressiven Steuerplanung insbesondere durch Zahlungen ins Ausland Vorschub leisten könnten.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 68.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  SWD(2016) 436 final.

(8)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/101


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Ungarns 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Ungarns 2019

(2019/C 301/17)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Ungarn nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei.

(2)

Der Länderbericht 2019 für Ungarn wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Ungarns bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (3), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet.

(3)

Am 30. April 2019 übermittelte Ungarn sein nationales Reformprogramm 2019 und sein Konvergenzprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(4)

Bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme sowie zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(5)

Ungarn befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt der Schuldenregel. In ihrem Konvergenzprogramm 2019 rechnet die Regierung mit einer Verbesserung des Gesamtdefizits auf 1,8 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2019 gegenüber 2,2 % im Jahr 2018. Anschließend soll sich das Defizit schrittweise weiter auf 1,2 % im Jahr 2021 verbessern und schließlich 2023 ein strukturell ausgeglichener Haushalt erreicht werden. Auf der Grundlage des neu berechneten strukturellen Saldos (5) käme Ungarn im Jahr 2022 seinem mittelfristigen Haushaltsziel nahe — welches von einem strukturellen Defizit von 1,5 % des BIP im Jahr 2019 zu 1,0 % des BIP ab 2020 geändert wurde — und würde es im darauf folgenden Jahr erreichen. Die gesamtstaatliche Schuldenquote soll gemäß dem Konvergenzprogramm bis Ende 2022 schrittweise auf unter 60 % des BIP zurückgehen. Das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegende makroökonomische Szenario ist für 2019 plausibel und ab 2020 ausgesprochen günstig, was Risiken für die Umsetzung der Defizitziele mit sich bringt. Gleichzeitig wurden die Maßnahmen, die zum Erreichen der ab 2020 anvisierten Defizitziele erforderlich sind, nicht ausreichend spezifiziert.

(6)

Am 22. Juni 2018 stellte der Rat gemäß Artikel 121 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden „Vertrag“) fest, dass in Ungarn 2017 eine erhebliche Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel vorlag. Angesichts der festgestellten erheblichen Abweichung richtete der Rat am 22. Juni 2018 an Ungarn die Empfehlung (6), die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben (7) im Jahr 2018 2,8 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung um 1,0 % des BIP entspricht. Am 4. Dezember 2018 hat der Rat den Beschluss (EU) 2018/2028 (8) erlassen, in dem festgestellt wurde, dass Ungarn keine wirksamen Maßnahmen ergriffen hatte, um der Empfehlung des Rates vom 22. Juni 2018 nachzukommen, und gab eine überarbeitete Empfehlung (9) ab. In der Empfehlung vom 4. Dezember 2018 ersuchte der Rat Ungarn, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2019 3,3 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 1,0 % des BIP entspricht. Am 14. Juni 2019 hat der Rat den Beschluss (EU) 2019/1003 (10) erlassen, in dem festgestellt wurde, dass Ungarn keine wirksamen Maßnahmen ergriffen hatte, um der Empfehlung des Rates vom 4. Dezember 2018 nachzukommen. Zudem wurde für Ungarn auf der Grundlage der Haushaltsdaten für 2018 eine erhebliche Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad im Jahr 2018 festgestellt.

(7)

Gemäß Artikel 121 Absatz 4 des Vertrags und Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 richtete die Kommission am 5. Juni 2019 eine Verwarnung an Ungarn, dass im Jahr 2018 eine erhebliche Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel festgestellt worden war. Am 14. Juni 2019 nahm der Rat eine daran anknüpfende Empfehlung (11) an, in der die Notwendigkeit bekräftigt wurde, dass Ungarn die erforderlichen Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2019 3,3 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 1,0 % des BIP entspricht. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2019 die Gefahr einer Abweichung von dieser Empfehlung besteht.

(8)

In seiner Empfehlung vom 14. Juni 2019 empfahl der Rat Ungarn, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 4,7 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,75 % des BIP entspricht. Dadurch wird Ungarn einen angemessenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel beschreiten. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2020 bei einer unveränderten Politik die Gefahr einer Abweichung von dieser Anforderung besteht. Im Einklang mit der Empfehlung des Rates vom 14. Juni 2019 im Hinblick auf die Behebung der festgestellten erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel ist der Rat insgesamt der Auffassung, dass ab 2019 signifikante zusätzliche Maßnahmen erforderlich sein werden, um den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu entsprechen.

(9)

Die Gesamtbeschäftigungsquote hat sich angesichts des starken Wirtschaftswachstums erheblich verbessert, was allerdings nicht allen Gruppen im gleichen Maße zugutegekommen ist. Gemessen am Unionsdurchschnitt bestehen bei Beschäftigung und Löhnen weiter große Unterschiede zwischen Kompetenzgruppen sowie zwischen Männern und Frauen. Das starke geschlechtsspezifische Beschäftigungsgefälle ist zum Teil auf das begrenzte Angebot an hochwertiger Kinderbetreuung zurückzuführen. Die Arbeitsmarktchancen verschiedener benachteiligter Gruppen, darunter Roma und Menschen mit Behinderung, sind gering. Das Programm für öffentliche Arbeiten, das kein wirksames Instrument darstellt, um die Teilnehmer in Beschäftigungsverhältnisse auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bringen, wurde zwar zurückgefahren, hat aber immer noch einen erheblichen Umfang. Die übrigen Strategien, mit denen Arbeitslose und Nichterwerbstätige bei der Suche nach einer Arbeit oder Ausbildung unterstützt werden sollen, sind zu wenig zielgerichtet. Die Entwicklung digitaler Fähigkeiten könnte dazu beitragen, die Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen. Die jüngsten Maßnahmen zielen darauf ab, mehr Arbeitnehmer im Ruhestand wieder in Beschäftigung zu bringen und ihre Zahl mit der Zeit zu steigern. Im Hinblick auf die Armut hat sich die Lage in Ungarn seit 2013 insgesamt verbessert. Der Zeitraum, in dem Leistungen bei Arbeitslosigkeit gewährt werden, ist mit maximal drei Monaten der unionsweit kürzeste und liegt weit unter dem durchschnittlich für die Arbeitssuche benötigten Zeitraum.

(10)

Der Anteil der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen sinkt. Es hat eine deutliche Verlagerung weg von Sozialleistungen hin zu arbeitsbezogener Familienunterstützung und Sachleistungen stattgefunden, die jedoch nicht ausreichend auf arme Menschen ausgerichtet sind. Während die Subventionen für den Erwerb von Wohneigentum ausgebaut wurden, kam es zu keinerlei Verbesserung bei der Bereitstellung von Sozialwohnungen.

(11)

Die Bildungsergebnisse liegen unter dem Unionsdurchschnitt und weisen große territoriale Unterschiede auf. Der Anteil der frühen Schul- und Ausbildungsabgänger liegt über und die Tertiärabschlussquote unter dem Unionsdurchschnitt. Das Bildungssystem hemmt die soziale Mobilität. Die Entscheidung über den Schultyp fällt für die Schüler bereits sehr früh, sodass ein großes Gefälle zwischen den einzelnen Bildungsergebnissen und Karrierewegen zu verzeichnen ist. Der Anteil der mehrheitlich von Roma besuchten Grundschulen stieg von 10 % im Jahr 2008 auf 15 % im Jahr 2017. Kürzlich ergriffene Maßnahmen, die auf die gleichmäßige Verteilung benachteiligter Schüler auf die Schulen abzielen, sind nur von begrenzter Wirkung, da Privatschulen von der Verpflichtung zur Aufnahme solcher Schüler ausgenommen sind. Benachteiligte Kinder besuchen tendenziell vermehrt berufsbildende Sekundarschulen, welche häufiger durch ein niedriges Niveau bei den Grundfertigkeiten, höhere Abbruchquoten sowie schlechtere Verdienst- und Karriereaussichten für die Absolventen gekennzeichnet sind. Mit der geringen Teilhabe benachteiligter Gruppen, insbesondere von Roma, an hochwertiger Bildung wird eine Chance zum Aufbau von Humankapital vergeben. Auch der Lehrermangel stellt weiterhin eine Herausforderung dar. Obwohl die Lehrergehälter in den letzten Jahren angehoben wurden, sind sie verglichen mit denen anderer Hochschulabsolventen immer noch relativ niedrig Die geringe Zahl der Studierenden an Hochschulen entspricht nicht der starken Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften und dem Vergütungsvorsprung für Hochschulabsolventen, der zu den höchsten in der Union zählt. Die ungarischen Hochschulen genießen die geringste finanzielle Autonomie in der Union. Die Änderung des Hochschulgesetzes im April 2017, mit der zusätzliche Anforderungen eingeführt wurden, die internationale Universitäten für ihren Betrieb in Ungarn erfüllen müssen, gab zudem Anlass zu weiterer Besorgnis über die akademische Freiheit Wegen der Rechtsunsicherheit aufgrund der genannten Gesetzesänderung bekundete die international renommierteste ungarische Universität 2018 ihre Absicht, sich im Ausland anzusiedeln.

(12)

Bei den Ergebnissen im Gesundheitsbereich rangiert Ungarn hinter den meisten anderen Mitgliedstaaten; dies ist eine Folge sowohl einer ungesunden Lebensweise als auch der begrenzten Wirksamkeit der Gesundheitsversorgung. Ungarn gehört zu den Mitgliedstaaten in der Union, in denen Rauchen, Alkoholmissbrauch und Übergewichtigkeit am weitesten verbreitet sind. Für die Ungarn besteht außerdem das unionsweit höchste Risiko eines vorzeitigen Todes wegen schlechter Luftqualität. Die Zahl der vermeidbaren Todesfälle ist eine der höchsten in der Union, was zum Teil an unzulänglichen Vorsorgeuntersuchungen und einer mangelhaften Verwaltung der medizinischen Grundversorgung liegt. Beim Zugang zu qualitativ hochwertigen Leistungen der Gesundheitsversorgung bestehen erhebliche sozioökonomische Unterschiede. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben liegen unter dem Unionsdurchschnitt, und die Bürger leisten Zuzahlungen, um qualitativ hochwertige Leistungen zu erhalten, wodurch sich die sozioökonomische Gesundheitskluft noch zu vertiefen droht. Das System ist weiterhin stark auf die Krankenhäuser ausgerichtet und weist Schwächen bei der Grundversorgung, insbesondere bei der Früherkennung und Verhütung chronischer Krankheiten, auf. In ärmeren Gebieten wird der Zugang zur Gesundheitsversorgung außerdem durch den erheblichen Personalmangel im Gesundheitssystem, insbesondere bei Allgemeinmedizinern und Krankenschwestern, erschwert.

(13)

Durch eine Erhöhung der Forschungs- und Innovationskapazitäten könnte die derzeit mäßige Innovationsleistung Ungarns verbessert und die Produktivität gesteigert werden. Die geringe Akkumulierung geistiger Vermögenswerte schlägt sich in der geringen Zahl von Patent-, Marken- und Geschmacks- oder Gebrauchsmusteranmeldungen sowie von innovativen Unternehmen und im niedrigen Internationalisierungsgrad kleiner und mittlerer Unternehmen nieder. Kleinere Unternehmen sind besonders innovationsscheu, was ihre Einbindung in globale Wertschöpfungsketten hemmt. Der Großteil der Forschung und Entwicklung findet in einigen wenigen, meist in ausländischem Eigentum befindlichen Unternehmen statt und wird vom Staat großzügig unterstützt. Die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft würde dazu beitragen, die Innovationsleistung und den Technologietransfer zu verbessern. Die Qualität der öffentlichen Forschung wird durch eine ineffiziente Forschungs- und Entwicklungspolitik sowie durch Unterfinanzierung beeinträchtigt, da die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung deutlich unter dem Unionsdurchschnitt liegen. Durch kürzlich getroffene Maßnahmen, mit denen die Mittel gekürzt und die Unabhängigkeit akademischer und wissenschaftlicher Foren beschnitten werden sollten, werden diese Foren verunsichert, was dazu führen könnte, dass Spitzenforschungstalente auswandern und die Forschungsqualität dauerhaft sinkt.

(14)

In benachteiligten Gebieten tragen die ungenügende Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel und hohe Kosten für Pendler zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit bei. Der schlechte Zustand des Straßen- und Schienennetzes behindert die Mobilität und verringert die Verkehrssicherheit; das Problem betrifft über die Hälfte des Straßennetzes, speziell in benachteiligten Gebieten. Die Verkehrsnetze sind auf Budapest ausgerichtet, während durch das Land führende lokale Netze und Querverbindungen unterentwickelt sind. In den städtischen Gebieten Ungarns stellt die Überlastung der Straßen zunehmend eine Herausforderung dar und bremst die Produktivität. Darüber hinaus sind die vom Straßenverkehr verursachten Treibhausgasemissionen in den vergangenen fünf Jahren stark gestiegen.

(15)

Die Energieeffizienz im Wohnsektor lässt nach wie vor zu wünschen übrig. Das Stromnetz muss auf die wachsende Bedeutung einer dezentralisierten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen vorbereitet werden. Die Hälfte des ungarischen Hoheitsgebiets ist in hohem Maße den Risiken des Klimawandels ausgesetzt und wird unter anderem von Dürren und Überschwemmungen heimgesucht, die Investitionen in die Wasserbewirtschaftung an den Hauptflüssen notwendig machen. Die Luftverschmutzung und die Wasserqualität geben weiterhin Anlass zur Sorge. Hauptschadstoffquellen sind die Verbrennung fester Brennstoffe im Wohnsektor, die Landwirtschaft und Verkehrsemissionen. Die Kreislaufwirtschaft steht noch am Anfang, das Recycling von Siedlungsabfällen ist unterentwickelt, und die wirtschaftlichen Instrumente reichen zur Bewältigung der ökologischen Herausforderungen, vor denen Ungarn steht, nicht aus.

(16)

Bedenken hinsichtlich der Verhütung und Verfolgung von Korruption sind nach wie vor nicht ausgeräumt. Mehrere Indikatoren deuten darauf hin, dass Ungarn in den letzten Jahren anfälliger für Korruption geworden ist. Korruptionsrisiken und Günstlingswirtschaft verzerren die Zuweisung von Ressourcen, die so nicht den produktivsten Unternehmen zufließen. Für die Bekämpfung von Korruption ist eine funktionierende Staatsanwaltschaft von entscheidender Bedeutung. Während Maßnahmen zur Bekämpfung der Kleinkorruption mit einigem Erfolg angewandt wurden, sind immer noch keine Anzeichen für ein entschlossenes Vorgehen erkennbar, wenn ernsthafte Vorwürfe gegen hohe Beamte oder ihr unmittelbares Umfeld laut werden. Die Rechenschaftspflicht für Entscheidungen zur Einstellung von Untersuchungen gibt Anlass zur Sorge, da gegen solche Entscheidungen keine wirksamen Rechtsmittel eingelegt werden können. Die Prävention von Korruption wird außerdem durch öffentliche Einrichtungen behindert, die den Zugang zu Informationen, auch durch abschreckend hohe Gebühren, beschränken.

(17)

Die Unabhängigkeit, Effizienz und Qualität des Justizwesens sind von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, Unternehmen anzuziehen und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Das System von Kontrolle und Gegenkontrolle, das für die Gewährleistung einer unabhängigen Justiz so entscheidende Bedeutung hat, wird als in der ordentlichen Gerichtsbarkeit weiter unter Druck stehend gesehen. Der Landesrichterrat steht vor immer größeren Herausforderungen, wenn es darum geht, ein Gegengewicht zu den Befugnissen des Präsidenten des Landesgerichtsamts zu bilden. Fragen zu den Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Justiz sind aufgeworfen worden.Was das Gesetz über die Verwaltungsgerichte betrifft, so sei darauf hingewiesen, dass die Regierung am 30. Mai 2019 einen Gesetzesentwurf zur Rücknahme des Gesetzes über das Inkrafttreten sowie Übergangsregelungen für die Verwaltungsgerichte vorgelegt hat.

(18)

Der Rechtsrahmen für das öffentliche Auftragswesen wurde in den vergangenen Jahren zwar verbessert, es bestehen aber immer noch Wettbewerbshemmnisse. Hierzu gehören Verfahren, die nur in eingeschränktem Maß öffentlich sind, und systembedingte Unregelmäßigkeiten bei den Ausschreibungen, die vor allem mit unangemessenen Auswahl- und Zuschlagskriterien und einer Ungleichbehandlung der Bieter zusammenhängen. Während bei einigen Indikatoren Verbesserungen festzustellen sind, gibt es immer noch eine hohe Zahl von Verfahren mit nur einem Bieter. Effizienz und Transparenz könnten weiter erhöht werden, wenn effektiv auf die elektronische Auftragsvergabe zurückgegriffen würde.

(19)

Die Verfahren und Strukturen des sozialen Dialogs sind in Ungarn nach wie vor unzureichend entwickelt und verhindern eine nennenswerte Teilhabe der Sozialpartner an der Ausarbeitung und Umsetzung arbeitspolitischer Maßnahmen. Die mangelhafte Einbeziehung der Interessenträger und die eingeschränkte Transparenz untergraben eine faktengestützte Politikgestaltung, was wiederum die Qualität der getroffenen Maßnahmen beeinträchtigt. Dies führt zu häufigen und unvorhersehbaren Veränderungen von gesetzlichen Vorschriften und hemmt Investitionen mit hohem Mehrwert.

(20)

Obwohl bereits Maßnahmen zur Verbesserung des Steuersystems getroffen wurden, bestehen nach wie vor einige Herausforderungen. Die Steuerbelastung von Arbeit ging zwar zurück, ist für Geringverdiener aber weiterhin hoch. Sektorspezifische Steuern und eine große Zahl kleiner Steuern verkomplizieren das System und erhöhen die Befolgungskosten, insbesondere für kleinere Unternehmen.

(21)

Die Auswahl effizienter Unternehmen wird durch den Wettbewerb begrenzende regulatorische Schranken und staatliche Eingriffe auf den Produktmärkten behindert. Die Behörden betrauen weiterhin staatseigene oder eigens dafür gegründete private Unternehmen mit bestimmten Dienstleistungen. Gewisse maßgeschneiderte Rechtsvorschriften und Maßnahmen sowie Ad-hoc-Befreiungen von der Wettbewerbsaufsicht behindern das Funktionieren des Marktes und wirken als Investitionsbremsen. Der unberechenbare Rechtsrahmen ist ein weiteres Problem, und zwar in erster Linie im Einzelhandel, wo sich die Bestimmungen in den letzten Jahren häufig geändert haben. Im Vorjahr wurde eine zusätzliche Genehmigungspflicht für Änderungen der Nutzung von Einzelhandels-Verkaufsstätten eingeführt. Auch in Bezug auf die Reglementierung von Berufen sind die ungarischen Bestimmungen nach wie vor restriktiv. Der mangelnde Wettbewerb in diesen Sektoren könnte der Innovation und der Effizienz abträglich sein.

(22)

Die Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung ist eine wesentliche Voraussetzung für effizientere und gerechtere Steuersysteme. Da aggressive Steuerplanungsstrategien der Steuerzahler sich auch auf andere Mitgliedstaaten auswirken können, ist ergänzend zu den Rechtsvorschriften der Union auch ein koordiniertes Vorgehen auf nationaler Ebene erforderlich. Obwohl Ungarn Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung getroffen hat, verzeichnet das Land relativ hohe Kapitalzu- und -abflüsse über Zweckgesellschaften, die keine oder nur sehr geringe Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben. Da auf ins Ausland fließende (also von Unionsansässigen an in Drittstaaten Ansässige geleistete) Dividenden-, Zins- und Lizenzgebührzahlungen von in Ungarn ansässigen Unternehmen keine Quellensteuern erhoben werden, fallen diese Zahlungen möglicherweise vollständig durch das Steuerraster, sofern sie auch im Empfängerland nicht besteuert werden.

(23)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. Dies würde Ungarn dabei helfen, im Zusammenhang mit den ermittelten Sektoren die Fonds unter Berücksichtigung regionaler Disparitäten optimal zu nutzen.

(24)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Ungarns umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Konvergenzprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Ungarn gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Ungarn berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet.

(25)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Konvergenzprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (12) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider —

EMPFIEHLT, dass Ungarn 2019 und 2020 Maßnahmen ergreift, um

1.   

die Befolgung der Empfehlung des Rates vom 14. Juni 2019 im Hinblick auf die Behebung der erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel sicherzustellen;

2.   

die Eingliederung der am stärksten benachteiligten Gruppen in den Arbeitsmarkt insbesondere durch den Ausbau von Qualifikationen fortzusetzen und die Angemessenheit der Sozialhilfe und der Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu verbessern; die Bildungsergebnisse zu verbessern und den Zugang benachteiligter Gruppen, insbesondere der Roma, zu hochwertiger, regulärer Bildung zu erhöhen; die Gesundheitsergebnisse zu verbessern, indem es präventive Gesundheitsmaßnahmen fördert und die medizinische Grundversorgung stärkt;

3.   

den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik — unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede — auf Forschung und Innovation, kohlenstoffarme Energie, Verkehrsinfrastrukturen und Abfallbewirtschaftung sowie auf Energie- und Ressourceneffizienz auszurichten; für mehr Wettbewerb im öffentlichen Auftragswesen zu sorgen;

4.   

den Rahmen für die Korruptionsbekämpfung — auch durch eine Verbesserung der Strafverfolgung und des Zugangs zu öffentlichen Informationen — auszubauen und die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken; die Qualität und Transparenz des Entscheidungsprozesses zu verbessern, indem es einen wirksamen sozialen Dialog einrichtet, die Interessenträger einbezieht und regelmäßig geeignete Folgenabschätzungen vornimmt; das Steuersystem weiter zu vereinfachen und es zugleich für eine etwaige aggressiven Steuerplanung weniger anfällig zu machen; den Wettbewerb im Dienstleistungssektor zu erhöhen und die Regelungen vorhersehbarer zu gestalten.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 72.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(5)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(6)  Empfehlung des Rates vom 22. Juni 2018 im Hinblick auf die Behebung der festgestellten erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel in Ungarn (ABl. C 223 vom 27.6.2018, S. 1).

(7)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(8)  Beschluss (EU) 2018/2028 des Rates vom 4. Dezember 2018 zur Feststellung, dass Ungarn auf die Empfehlung des Rates vom 22. Juni 2018 nicht mit wirksamen Maßnahmen reagiert hat (ABl. L 325 vom 20.12.2018, S. 29).

(9)  Empfehlung des Rates vom 4. Dezember 2018 im Hinblick auf die Behebung der festgestellten erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel in Ungarn (ABl. C 460 vom 21.12.2018, S. 4).

(10)  Beschluss (EU) 2019/1003 des Rates vom 14. Juni 2019 zur Feststellung, dass Ungarn auf die Empfehlung des Rates vom 4. Dezember 2018 nicht mit wirksamen Maßnahmen reagiert hat (ABl. L 163 vom 20.6.2019, S. 64).

(11)  Empfehlung des Rates vom 14. Juni 2019 im Hinblick auf die Behebung der festgestellten erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel in Ungarn (ABl. C 210 vom 21.6.2019, S. 4).

(12)  Gemäß Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/107


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Maltas 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Maltas 2019

(2019/C 301/18)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 hat die Kommission den Jahreswachstumsbericht angenommen, womit das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat befürwortet. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Malta nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Malta die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 2 und 3 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere die Fokussierung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die genannten Bereiche und die steuerlichen Maßnahmen werden dazu beitragen, der zweiten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet in Bezug auf Investitionsförderung und die Bekämpfung aggressiver Steuerplanung nachzukommen.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Malta wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Maltas bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet.

(4)

Am 16. April 2019 übermittelte Malta sein nationales Reformprogramm 2019 und am 30. April 2019 sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies für die Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Malta befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 geht die Regierung von einem Rückgang des Gesamtüberschusses von 2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 auf 0,9 % des BIP im Jahr 2019 aus, gefolgt von einem geringfügigen Anstieg auf 1,0 % des BIP im Jahr 2020, der sich 2021 und 2022 weiter auf 1,1 % des BIP erhöhen soll. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos (6) wird das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturell ausgeglichener Haushalt — im gesamten Programmzeitraum auch weiterhin übertroffen. Dem Stabilitätsprogramm zufolge wird die gesamtstaatliche Schuldenquote nach wie vor unter dem im Vertrag festgesetzten Referenzwert von 60 % des BIP bleiben, um allmählich von 46 % des BIP im Jahr 2018 auf rund 33 % im Jahr 2022 zurückzugehen. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Nach der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission wird voraussichtlich 2019 ein struktureller Überschuss von 0,6 % des BIP und 2020 ein struktureller Überschuss von 0,8 % des BIP erzielt — damit würde das mittelfristige Haushaltsziel übertroffen. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass Malta die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts 2019 und 2020 einhalten dürfte. Gleichzeitig sollte die Ausgabenentwicklung kurz- und mittelfristig aufmerksam beobachtet werden, insbesondere in Anbetracht möglicher künftiger Risiken für die Solidität der Einnahmen.

(7)

Der Anstieg der alterungsbedingten Ausgaben stellt ein Risiko für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen dar. Die alterungsbedingten öffentlichen Ausgaben im Rahmen des Renten- und Gesundheitssystems dürften im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten erheblich steigen, was langfristig auf die Gefahr einer zunehmenden Verschuldung hindeutet. Die Angemessenheit der Renten soll durch mehrere Maßnahmen, auch durch verstärkte Anreize zur privaten Altersvorsorge und freiwilligen betrieblichen Altersversorgung, verbessert werden. Die laufenden Bemühungen haben dazu beigetragen, das Arbeitskräfteangebot zu erhöhen und das Erwerbsleben zu verlängern, was sich positiv auf die Beschäftigungsquoten von Frauen und älteren Arbeitskräften auswirkt. Im Jahr 2018 nahm die Regierung Anpassungen vor, um Beiträge zuzulassen, die nach Erreichen des Renteneintrittsalters geleistet werden, und gestattete es Selbstständigen und im Ruhestand Teilzeit arbeitenden Personen unter 65 Jahren, Beiträge zu zahlen, die in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Verdienst stehen, wodurch ein längeres Erwerbsleben gefördert wird. Das gesetzliche Renteneintrittsalter, das von seinem derzeitigen Stand bei 63 Jahren schrittweise angehoben wird, wird allerdings nach 2027 bei 65 Jahren belassen, obwohl mit einer weiteren Zunahme der Lebenserwartung gerechnet wird. Die 2018 eingesetzte Gruppe für die Rentenstrategie wird voraussichtlich bis Dezember 2020 einen Bericht veröffentlichen, in dem Empfehlungen zur Verbesserung der Angemessenheit und Nachhaltigkeit des Rentensystems ausgesprochen werden. In Bezug auf die Gesundheitsversorgung sind Maßnahmen zur Dezentralisierung von Leistungen, die von den Krankenhäuser für die medizinische Grundversorgung erbracht werden, und zur Verbesserung der Versorgung mit Langzeitpflegediensten noch nicht abgeschlossen. Die derzeitigen Pläne, die Kapazität der ambulanten Versorgung in öffentlichen Krankenhäusern auszubauen, können dazu beitragen, die langen Wartezeiten für bestimmte Fachbereiche in den Griff zu bekommen. Gleichwohl wurden weitere Maßnahmen zur Verringerung unnötiger Überweisungen an Fachärzte und zur Umlenkung unangemessener Notfallversorgung auf ambulante Behandlungen bisher nicht in vollem Umfang angewandt, wodurch Verbesserungen der Effizienz des Systems verhindert wurden. Mit einem neuen Konzept für Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Investitionen zur schrittweisen Ausweitung der Nutzung elektronischer Gesundheitsdienste sollen die Leistungen der Krankenhäuser auf dem Niveau der medizinischen Grundversorgung dezentralisiert werden. Angesichts der steigenden Nachfrage nach Langzeitpflege wurden 2017-2018 neuartige gemeindenahe und häusliche Pflegedienste eingeführt. Die Maßnahmen im Renten- und Gesundheitsbereich weisen zwar durchaus Potenzial auf, ihre Auswirkungen auf die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen müssen jedoch erst noch zum Tragen kommen.

(8)

In den letzten zehn Jahren verlagerte sich in Malta der Schwerpunkt der Wirtschaft massiv auf den Dienstleistungssektor, insbesondere auf international ausgerichtete Bereiche wie Finanzdienstleistungen, Tourismus und Fernglücksspiele. Die Ausweitung des Dienstleistungssektors trug dazu bei, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und einen hohen Überschuss in der Leistungsbilanz aufzubauen. Gleichzeitig bringt die zunehmende Abhängigkeit von Bereichen, die als potenziell gefährlich für die finanzielle Integrität eingeschätzt werden, Herausforderungen für den Steuerungsrahmen mit sich, durch die die Aufsichts- und Durchsetzungskapazitäten unter Druck geraten. Insbesondere aufgrund der Größe des Finanzsektors und der Glücksspielbranche sowie der Bemühungen, Kryptowährungsbetreiber ins Land zu holen, müssen die Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung wirksam durchgesetzt werden. Die jüngste Aufstockung der Personal- und Finanzressourcen der für Geldwäsche-Verdachtsanzeigen zuständigen „Financial Intelligence Analysis Unit“ und die Verbesserung der Verfahren und Abläufe dieser Stelle sind positiv zu vermerken. Defizite im Bereich der Staatsführung, insbesondere bei der Korruptionsbekämpfung, können sich ebenfalls ungünstig auf das Unternehmensumfeld auswirken und Investitionen negativ beeinflussen. Vor allem zeichnet sich auf verschiedenen Ebenen des Staates die Gefahr von Interessenkonflikten ab. Darüber hinaus ist die für Wirtschaftskriminalität zuständige „Economic Crimes Unit“ der maltesischen Polizei derzeit unterbesetzt. In diesem Zusammenhang gilt es, einen gestärkten Rechtsrahmen mit zeitnaher und umfassender Umsetzung zu koppeln. Die Verbesserung des Steuerungsrahmens und eine wirksame Umsetzung sind von zentraler Bedeutung, um die Attraktivität Maltas zu sichern und die Wirtschaft vor Reputationsrisiken zu schützen.

(9)

Die Versicherungsbranche ist den Risiken der passiven Aufsicht ausgesetzt, bei der es entscheidend auf die Zusammenarbeit zwischen nationalen und externen Aufsichtsbehörden ankommt. Im Gegensatz zum Bankensektor unterliegen Tochterunternehmen im Versicherungssektor der Herkunftslandaufsicht, d. h. in Malta registrierte und in anderen Ländern Abschlüsse tätigende Versicherungsgesellschaften werden direkt von der maltesischen Regulierungsbehörde beaufsichtigt. Die Aufsichtskapazitäten wurden jedoch noch nicht ausreichend ausgebaut. Außerdem erfordert die Komplexität von Versicherungsmodellen und -produkten in Kombination mit dem zunehmenden Interesse an der Errichtung und Erweiterung spezialisierter Versicherungsstrukturen eine strikte Aufsicht.

(10)

Derzeit sind Reformen zur weiteren Verbesserung der Unabhängigkeit der Justiz und des Justizsystems im Gange. Dazu gehört insbesondere die Einrichtung einer neuen Strafverfolgungsstelle, die unabhängig von der Staatsanwaltschaft und der Polizei ist; dies wird auch von der Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) des Europarats in einer im Dezember 2018 verabschiedeten Stellungnahme zu Malta empfohlen. Darüber hinaus ist ein robusterer Steuerungsrahmen, der auch eine wirksame gerichtliche Durchsetzung und effektive Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen umfasst, eine Voraussetzung dafür, dass Investitionen ihre volle Wirkung entfalten.

(11)

Der Anteil der innovativen Unternehmen lässt nach wie vor zu wünschen übrig. Die Forschungs- und Innovationsleistungen müssen durch intelligente Spezialisierung verstärkt werden, um so möglichst zu einem Produktivitätszuwachs beizutragen. Malta hat noch keine kohärente, umfassende und langfristig ausgerichtete Strategie für Wettbewerbsfähigkeit formuliert, damit die heimische Wirtschaft in der Wertschöpfungskette aufsteigt. Angesichts der Spezialisierung Maltas auf den schnell wachsenden Dienstleistungssektor und der Ambitionen im Bereich der Blockchain-Technologie ist es von entscheidender Bedeutung, dass noch mehr in die Verwaltungs- und Aufsichtskapazitäten investiert wird. Ferner benötigt Malta zur Steigerung seiner Innovationsleistung weitere Investitionen in immaterielle Vermögenswerte, darunter Forschung und Entwicklung (FuE), damit Qualifikationsdefizite und -lücken behoben sowie die Verbindungen zwischen Wissenschaft und Unternehmen gefördert werden; all dies sollte im Rahmen einer wirksameren Steuerung des Forschungs- und Innovationssystems geschehen.

(12)

Malta muss den Übergang zu einer nachhaltigeren und ressourceneffizienten Wirtschaft fördern, z. B. durch Investitionen in das ungenutzte Potenzial der Bereiche Energieeffizienz und erneuerbare Energien, den Kreislauf der Wasserbewirtschaftung und die Abfallbewirtschaftung, durch Maßnahmen gegen die zunehmenden Emissionen aus Klimaanlagen, durch Klimaschutzbemühungen und durch nachhaltige Mobilität, mit der sich die Emissionen aus dem Straßenverkehr eindämmen lassen. Da die Alternativen zum Personenkraftwagen für Pendler und andere Verkehrsteilnehmer begrenzt sind und die Pkw-Dichte hoch ist, gehört die Überlastung des Straßennetzes zu den problematischsten Aspekten des Unternehmensumfelds in Malta und stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar. Auch die Treibhausgasemissionen aus dem Straßenverkehr haben in den letzten fünf Jahren zugenommen. Der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix ist 2017 auf 7,2 % gestiegen und liegt damit für den Zeitraum 2017-2018 leicht über dem indikativen Zielpfad von 6,5 %. Maltas Endenergieverbrauch nimmt jedoch stetig zu. Um die nationalen Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz bis 2020 zu erreichen, sind kurzfristig weitere Investitionen in verschiedenen Sektoren erforderlich. Im Bereich FuE sollten Finanzierungs- oder Unterstützungsmaßnahmen eingeführt werden, um neue/verbesserte Umwelt- und Klimaschutztechnologien zu konzipieren. Die ökologischen und sozialen Kosten des Immobilienbooms müssen genauer überwacht werden. Bei der Entsorgung von Bauabfällen sollten Grundsätze der Kreislaufwirtschaft angewandt werden, damit sich die Auswirkungen auf die Umwelt in Grenzen halten. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der gestiegenen Wohnkosten müssen Beachtung finden.

(13)

Die Beschäftigungsquote in Malta, die derzeit über dem Unionsdurchschnitt liegt, nimmt weiter zu. Dies könnte Menschen mit Behinderungen zugutekommen, würde hier ein besonderer Schwerpunkt gesetzt. Das geschlechtsspezifische Beschäftigungsgefälle ist nach wie vor das größte in der Union, und die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt geht ab dem Alter von 40 Jahren zurück, was vor allem auf Betreuungspflichten zurückzuführen ist. Diese Lücke könnte durch eine stärkere Arbeitsmarktunterstützung für arbeitslose informelle Pflegepersonen überwunden werden. Da vermehrt auf ausländische Arbeitskräfte zurückgegriffen wird, um dem Arbeitskräfte- und Qualifikationsmangel zu begegnen, entstehen Herausforderungen im sozialen Bereich und im Hinblick auf die Nachhaltigkeit. Eine bessere Überwachung und Evaluierung wäre politischen Initiativen in den Bereichen Arbeitsmarkt, Qualifikationen und soziale Inklusion förderlich.

(14)

Malta investiert relativ hohe Beträge in die allgemeine und berufliche Bildung; die Gesamtbeteiligung und der Bildungsgrad haben zwar zugenommen, doch dies spiegelt sich noch nicht in besseren Ergebnissen für alle wider. Eine weitere Fokussierung auf die Korrektur sozialer Benachteiligungen würde sich günstig auf die Investitionsstrategie auswirken; dadurch würde sie mit dem Grundsatz der europäischen Säule sozialer Rechte in Bezug auf hochwertige und inklusive Bildung in Einklang gebracht. Die in den letzten zehn Jahren ergriffenen Maßnahmen haben zu einer Verringerung des Anteils frühzeitiger Schulabgänger geführt, doch ist diese Quote noch immer eine der höchsten in der Union. Die jüngsten Maßnahmen zielen auch darauf ab, die tertiäre Bildung inklusiver zu gestalten, doch bleiben die Bildungsabschlüsse auf diesem Niveau weiterhin unter dem Unionsdurchschnitt, wodurch es zu Engpässen bei den Qualifikationen kommt. Die Beteiligung an der Erwachsenenbildung nimmt zu, ist aber bei den Geringqualifizierten und Nichterwerbstätigen immer noch niedrig.

(15)

Die Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung ist eine wesentliche Voraussetzung für effizientere und gerechtere Steuersysteme, wie in der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019 eingeräumt wird. Da aggressive Steuerplanungsstrategien der Steuerzahler sich auch auf andere Mitgliedstaaten auswirken können, ist ergänzend zu den Rechtsvorschriften der Union auch ein koordiniertes Vorgehen auf nationaler Ebene erforderlich. Malta hat zwar Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung ergriffen, das hohe Niveau der Lizenzgebühren und Dividendenzahlungen, gemessen in Prozent des BIP, weist jedoch darauf hin, dass Unternehmen die Steuervorschriften Maltas für eine aggressive Steuerplanung nutzen könnten. Da auf ins Ausland fließende (also von in der Union Ansässigen an in Drittstaaten Ansässige geleistete) Dividenden-, Zins- und Lizenzgebührzahlungen von in Malta ansässigen Unternehmen keine Quellensteuern erhoben werden, fallen diese Zahlungen möglicherweise vollständig durch das Steuerraster, sofern sie auch im Empfängerland nicht besteuert werden. Wenngleich Maltas System für den steuerlichen Abzug fiktiver Zinsaufwendungen dazu beitragen wird, die Steueranreize für Fremdfinanzierungen zu verringern, müssen die Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung in Kombination mit einer großzügigen Rendite und einem auf Aktien basierenden System genau überwacht werden, damit ein Missbrauch zum Zwecke der aggressiven Steuerplanung verhindert wird. Obwohl das Programm für Einzelinvestoren („Malta Individual Investor Programme“) wie auch das Aufenthalts- und Visa-Programm („Malta Residence and Visa Programme“) die steuerliche Ansässigkeit nicht automatisch gewähren, können Einkünfte im Rahmen der „Nichtdomizilierten-Regelung“ im Falle der Erfüllung bestimmter Anforderungen steuerfrei sein, wenn sie nicht nach Malta überwiesen werden, wobei im Hinblick auf die physische Anwesenheit keine erheblichen Anforderungen gestellt werden. Diese Programme können aggressive Steuerplanungspraktiken begünstigen und wurden von der OECD in eine Liste von Regelungen aufgenommen, bei denen ein potenziell hohes Risiko besteht, dass sie zur Umgehung des automatischen Informationsaustausches über Finanzkonten missbraucht werden.

(16)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, zu schließen. Dadurch könnte Malta diese Fonds für die ermittelten Sektoren optimal nutzen.

(17)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Maltas umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Malta gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Malta berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(18)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt (7), dass Malta den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird —

EMPFIEHLT, dass Malta 2019 und 2020

1.   

die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen im Hinblick auf das Gesundheits- und das Rentensystem sicherstellt, unter anderem durch eine Beschränkung des Vorruhestands und eine Anpassung des gesetzlichen Renteneintrittsalters angesichts der erwarteten Erhöhung der Lebenserwartung;

2.   

sich mit den Merkmalen des Steuersystems befasst, die die aggressive Steuerplanung durch Einzelpersonen und multinationale Unternehmen, insbesondere mittels Zahlungen ins Ausland, begünstigen können; den allgemeinen Steuerungsrahmen stärkt, unter anderem durch fortgesetzte Anstrengungen zur Aufdeckung und Verfolgung von Korruption; im Sinne der bereits erzielten Fortschritte die Stärkung des Rahmens zur Geldwäschebekämpfung weiterverfolgt, insbesondere im Hinblick auf die Durchsetzung; die Unabhängigkeit der Justiz stärkt, insbesondere die Schutzklauseln für Ernennungs- und Entlassungsverfahren im Justizwesen, und eine eigene Dienststelle für die Strafverfolgung einrichtet;

3.   

sich in seiner investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf Forschung und Innovation, Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, Ressourcen- und Energieeffizienz, ein nachhaltiges Verkehrswesen und den Abbau der Verkehrsüberlastung sowie auf inklusive Bildung und Ausbildung konzentriert.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 76.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/112


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm der Niederlande 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm der Niederlande 2019

(2019/C 301/19)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 hat die Kommission den Jahreswachstumsbericht angenommen, womit das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie die Niederlande als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollten die Niederlande als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den nachstehenden Empfehlungen 1 und 3 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere werden Investitionsmaßnahmen und Maßnahmen zur Steigerung des Lohnwachstums zur Umsetzung der ersten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet) beitragen, steuerliche Maßnahmen werden dazu beitragen, die zweite Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung) anzugehen, und der Abbau der Verschuldungsanreize für private Haushalte stellt auf die vierte Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (Beendigung der verschuldungsfreundlichen Ausrichtung der Besteuerung) ab.

(3)

Der Länderbericht 2019 für die Niederlande wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte der Niederlande bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung der nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Auf der Grundlage ihrer Analyse gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass in den Niederlanden makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Als Ursachen für Ungleichgewichte mit grenzüberschreitenden Auswirkungen sind vor allem die hohe private Verschuldung und der hohe Leistungsbilanzüberschuss zu sehen. Dank des Wirtschaftswachstums ist die Schuldenquote sowohl bei Unternehmen als auch bei privaten Haushalten weiterhin rückläufig, bleibt aber nach wie vor auf einem hohen Niveau. Die nominale Verschuldung der privaten Haushalte nimmt aufgrund steigender Wohnimmobilienpreise hingegen langsam zu.

(4)

Am 29. April 2019 übermittelten die Niederlande ihr nationales Reformprogramm 2019 und ihr Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies für die Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Die Niederlande befinden sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 geht die Regierung von einem Rückgang des gesamtstaatlichen Überschusses von 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 auf 0,0 % des BIP im Jahr 2022 aus. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos (6) wird das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 0,5 % des BIP — im gesamten Programmzeitraum weiter übertroffen. Dem Stabilitätsprogramm 2019 zufolge wird die staatliche Schuldenquote voraussichtlich von 52,4 % des BIP im Jahr 2018 auf 44,6 % des BIP im Jahr 2022 sinken. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission wird der Überschuss des strukturellen Saldos voraussichtlich von 0,8 % des BIP im Jahr 2018 auf 0,7 % des BIP im Jahr 2019 und auf 0,2 % des BIP im Jahr 2020 zurückgehen, sodass das mittelfristige Haushaltsziel übertroffen wird. Der gesamtstaatliche Schuldenstand soll auch weiterhin auf einem festen Abwärtskurs bleiben. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass die Niederlande die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 einhalten dürften. Gleichzeitig wäre es wichtig, unter Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels die Haushalts- und Strukturpolitik zu nutzen, um einen Aufwärtstrend bei den Investitionen zu fördern.

(7)

Der projizierte Anstieg der öffentlichen Ausgaben für Langzeitpflege deutet auf ein mittleres Risiko für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen hin. Im Jahr 2015 hat die Regierung einen Großteil des Langzeitpflegesystems auf die kommunale Ebene übertragen, um die Effizienz des Systems zu steigern und die öffentlichen Ausgaben zu senken. Die Auswirkungen dieser Reform auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen müssen überwacht werden.

(8)

Im November 2018 sind die Mittel des mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Einlagensicherungsfonds von einem Sonderkonto bei der niederländischen Zentralbank auf ein Konto des Finanzministeriums übertragen worden. Der niederländische Einlagensicherungsfonds wurde schrittweise aufgebaut und war bis dahin auf ein Volumen von rund 1 Mrd. EUR angewachsen; bis 2024 sollten Banken weitere 4 Mrd. EUR einzahlen, die gemäß der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (7) vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme in einem diversifizierten Portfolio aus Vermögenswerten mit niedrigem Risiko angelegt werden sollten. Der Transfer des Fondskontos bewirkt eine Verringerung des Bruttoschuldenstands, hat aber keine Auswirkungen auf das öffentliche Defizit. Nach dem Transfer kann das Finanzministerium die Mittel zur Finanzierung von Staatsausgaben einsetzen, muss sie aber bereitstellen, wenn Auszahlungen an Einleger zu leisten sind oder Maßnahmen im Einklang mit dem gesetzlichen Mandat des Fonds finanziert werden müssen. Dies könnte Auswirkungen auf die Finanzstabilität haben.

(9)

Bei den niederländischen Haushalten sind sowohl umfangreiche illiquide Vermögenswerte in den Bereichen Wohneigentum und Altersvorsorge als auch eine hohe Verschuldung auszumachen. Durch die belasteten Bilanzen werden die Haushalte anfällig für finanzielle und wirtschaftliche Schocks. Die hohe Verschuldung der privaten Haushalte ist auf großzügige Steuererleichterungen für Hypothekenzinsen, aber auch auf das Fehlen eines gut funktionierenden mittleren Segments auf dem Mietwohnungsmarkt und eine hohe obligatorische Altersvorsorge zurückzuführen. Eine der wichtigsten Herausforderungen bei der Bekämpfung der hohen Verschuldung der privaten Haushalte ist es, die Probleme im Zusammenhang mit dem Wohnungsmarkt anzugehen, auf dem über Jahrzehnte hinweg starre Strukturen und Fehlanreize entstanden sind, die die Muster bei der Wohnungsfinanzierung und beim Sparverhalten in diesem Sektor geprägt haben. Seit 2012 wurde eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt, mit denen diesen Problemen zum Teil begegnet wird. Die angekündigte Beschleunigung der Reduzierung des Umfangs, in dem Hypothekenzinsen von der Steuer abgesetzt werden können, wurde gesetzlich verankert und soll ab dem Jahr 2020 umgesetzt werden. Dennoch gibt es nach wie vor großzügige Steuererleichterungen für Hypothekenzahlungen, die auch weiterhin erhebliche Verschuldungsanreize für die Haushalte bewirken. Gleichzeitig ist der private Mietwohnungsmarkt, auf den 13 % des Gesamtwohnungsbestands entfallen und der als einziges Segment nicht gefördert wird, nach wie vor unterentwickelt. Da ein gut funktionierendes mittleres Segment auf dem Mietwohnungsmarkt fehlt, sehen sich die Haushalte eher dazu veranlasst, zu kaufen als zu mieten, was zu einer hohen Verschuldungsquote und finanzieller Anfälligkeit führt.

(10)

Das Rentensystem schneidet in Bezug auf die Angemessenheit der Renten- und Pensionshöhe sowie auf die finanzielle Tragfähigkeit zwar gut ab, weist aber Nachteile hinsichtlich Generationengerechtigkeit, Transparenz der Rentenansprüche und Flexibilität auf. Darüber hinaus sind die Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge hoch und schwanken abhängig davon, wie sich die Pensionsfonds entwickeln. Dies könnte eine prozyklische Auswirkung auf die Ausgaben der privaten Haushalte haben. Eine Reform des Rentensystems könnte während des gesamten Lebenszyklus zu niedrigeren gesetzlichen Rentenbeiträgen und einem stabileren Konsum (oder einer „Konsumglättung“) führen. Die Regierung beabsichtigt, die zweite Säule des Rentensystems umfassend zu reformieren, um die Absicherung zu verbessern und ein transparenteres, flexibleres und versicherungsmathematisch gerechteres System zu schaffen. Eine gleichzeitige Reform der für den Wohnungsmarkt relevanten Institute und des Rentensystems könnte die Bilanzen der privaten Haushalte entlasten und ihre Anfälligkeit für finanzielle und wirtschaftliche Schocks verringern. Dies würde sich positiv auf die Widerstandsfähigkeit der Gesamtwirtschaft und das Wirtschaftswachstum auswirken.

(11)

Trotz der niedrigen Arbeitslosigkeit, der hohen Quote unbesetzter Stellen und des zunehmenden Arbeitskräftemangels verharrt das nominale Lohnwachstum bislang auf moderatem Niveau (1,1 % im Jahr 2017 und 2,4 % im Jahr 2018). Die tarifvertraglichen Löhne haben sich im Jahr 2018 um durchschnittlich 2,1 % erhöht; die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst sind hingegen schneller gestiegen (um 3 % im zweiten Halbjahr 2018). Ferner wurden Gehaltsabschlüsse erzielt, die für alle Beamten der Zentralregierung eine nominale Erhöhung um 7 % in zwei Jahren bewirken. Es wurden zusätzliche Mittel bereitgestellt, um die Gehälter der Volksschullehrer zu erhöhen. Darüber hinaus hat die Regierung mehrere haushaltspolitische Maßnahmen verabschiedet, mit denen die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit verringert und das verfügbare Nettohaushaltseinkommen der Erwerbstätigen erhöht werden soll. Eine weitere Steigerung des verfügbaren Einkommens der Haushalte durch die Stärkung der Voraussetzungen für Lohnwachstum und durch die Reformierung der zweiten Säule des Rentensystems mit dem Ziel, das System transparenter, generationengerechter und widerstandsfähiger gegenüber Schocks zu gestalten, würde die Binnennachfrage stützen und zum Abbau der Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet beitragen.

(12)

Die Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung ist eine wesentliche Voraussetzung für effizientere und gerechtere Steuersysteme, wie in der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019 eingeräumt wird. Da aggressive Steuerplanungsstrategien der Steuerzahler sich auch auf andere Mitgliedstaaten auswirken können, ist ergänzend zu den Rechtsvorschriften der Union auch ein koordiniertes Vorgehen auf nationaler Ebene erforderlich. Die Niederlande haben Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung ergriffen, aber das große Volumen der über die Niederlande geleisteten Dividenden-, Lizenzgebühr- und Zinszahlungen lässt darauf schließen, dass die Steuervorschriften des Landes von Unternehmen genutzt werden, um aggressive Steuerplanung zu betreiben. Ein Großteil der ausländischen Direktinvestitionen wird von „Zweckgesellschaften“ gehalten. Da auf ins Ausland fließende (also von in der Union Ansässigen an in Drittstaaten Ansässige geleistete) Lizenzgebühr- und Zinszahlungen keine Quellensteuern erhoben werden, fallen diese Zahlungen möglicherweise vollständig durch das Steuerraster, sofern sie auch im Empfängerland nicht besteuert werden. Die angekündigte Reformagenda im Steuerbereich, die Quellensteuern auf Lizenzgebühren- und Zinszahlungen im Falle von Missbrauch oder auf Zahlungen in Niedrigsteuergebiete vorsieht, ist ein positiver Schritt zur Verringerung der aggressiven Steuerplanung und sollte aufmerksam verfolgt werden.

(13)

Wenngleich das Beschäftigungswachstum in den vergangenen Jahren in erster Linie auf Zuwächse in den Bereichen befristete Beschäftigung und selbstständige Erwerbstätigkeit zurückzuführen war, hat das Beschäftigungswachstum bei den Arbeitnehmern mit unbefristeten Verträgen vor Kurzem das Beschäftigungswachstum bei der befristeten Beschäftigung überholt. Dennoch ist der Anteil flexibler Beschäftigungsformen, auf die ein erheblicher Teil des Arbeitsmarkts entfällt, nach wie vor hoch. Der hohe Anteil der befristeten Arbeitsverträge und die rasche Zunahme der Zahl der Selbstständigen ohne Angestellte sind vor dem Hintergrund großer Unterschiede bei den anwendbaren arbeitsrechtlichen Bestimmungen und dem Arbeitsschutz sowie der unterschiedlichen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu sehen. Ein Maßnahmenpaket wurde erlassen (Gesetz für einen im Gleichgewicht befindlichen Arbeitsmarkt — „Wet Arbeidsmarkt in Balans“), um die Einstellung unbefristet Beschäftigter zu erleichtern und die Flexibilität flexibler Verträge einzuschränken. Es sollte genau beobachtet werden, wie diese Maßnahmen (die 2020 in Kraft treten sollen) umgesetzt werden. Darüber hinaus wurden Maßnahmen angekündigt, um die Verpflichtung der Arbeitgeber zu lockern, Gehaltszahlungen im Krankheitsfall zwei Jahre lang fortzusetzen. Bislang wurden jedoch keine weiteren konkreten Maßnahmen beschlossen. Infolgedessen schaffen einige dieser institutionellen Faktoren nach wie vor finanzielle Anreize für Arbeitnehmer, sich für eine selbstständige Tätigkeit bzw. für den Status eines Selbstständigen ohne Angestellte zu entscheiden. Selbstständige haben besonders häufig keinen ausreichenden Versicherungsschutz in den Bereichen Berufsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit und Altersvorsorge; langfristig gesehen könnte dies die Tragfähigkeit des Sozialversicherungssystems beeinträchtigen. Zudem wurde die Durchsetzung von Maßnahmen gegen Scheinselbstständigkeit bis zum Jahr 2020 ausgesetzt.

(14)

Wenngleich der Arbeitsmarkt insgesamt gut funktioniert, stellt die Förderung gleicher Beschäftigungschancen und aktiver Eingliederung nach wie vor eine große Herausforderung dar, insbesondere in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund, Personen, die am Rande des Arbeitsmarkts tätig sind, und Nichterwerbstätige. Darüber hinaus gibt es noch ungenutztes Arbeitskräftepotenzial, insbesondere bei der hohen Zahl teilzeitbeschäftigter Frauen.

(15)

Technische und digitale Kompetenzen und qualifizierte Fachkräfte sind von entscheidender Bedeutung für die Innovationsfähigkeit der niederländischen Wirtschaft und das Produktivitätswachstum. Deshalb muss stärker in die Ausbildung, u. a. im Bereich der digitalen Kompetenzen, investiert werden, und es müssen flexible Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten gefördert werden. Zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit der Gesellschaft sind zudem Investitionen zur Förderung der Bildung in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik erforderlich. Darüber hinaus sind verstärkte Investitionen in den Erwerb von Kompetenzen sowie in die allgemeine und berufliche Bildung von entscheidender Bedeutung, um den Zugang zum Arbeitsmarkt und die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen am Rande des Arbeitsmarkts zu verbessern und gleichzeitig die Chancengleichheit und die aktive Eingliederung zu unterstützen.

(16)

Wenngleich die Investitionsintensität im Bereich Forschung und Entwicklung in den Niederlanden auf über 2 % angestiegen ist, liegt sie immer noch deutlich unter dem nationalen Ziel von 2,5 % und dem Niveau der Spitzengruppe. Bei der Produktivität zählen die Niederlande in vielen Sektoren zu den leistungsstärksten Ländern. Ob das Produktivitätswachstum sich fortsetzt, ist daher in hohem Maße von der Innovationstätigkeit abhängig. Auch zusätzliche Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation, insbesondere im Privatsektor, wären dem Produktionswachstum förderlich.

(17)

Die Energiewende und die Verringerung der Treibhausgasemissionen erfordern erhebliche Investitionen, damit eine nachhaltigere und ressourceneffizientere wirtschaftliche Entwicklung gewährleistet ist. Die Niederlande werden ihre für 2020 gesetzten Ziele im Bereich der Verringerung der Treibhausgasemissionen wahrscheinlich übertreffen, doch die Erreichung der Ziele für 2030 wird zusätzliche Maßnahmen erfordern. Die für das Jahr 2020 gesteckten Ziele in den Bereichen Primärenergieeffizienz und erneuerbare Energien sind nicht ohne zusätzliche Maßnahmen zu erreichen. Das in der niederländischen Energievereinbarung für das Jahr 2023 gesetzte Ziel für erneuerbare Energien dürfte sich dank der Investitionen in Offshore-Windparks verwirklichen lassen. Bis Ende 2019 will die Regierung einen nationalen Energie- und Klimaplan annehmen, der einen Überblick über den Investitionsbedarf bis 2030 für die verschiedenen Dimensionen der Energieunion geben soll, u. a. für erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel.

(18)

Die Verkehrsüberlastung ist nach wie vor eine Herausforderung in den Niederlanden, einem dicht besiedelten und gut ausgestatteten Land, das mit dem größten Hafen der Union in Rotterdam und einem der größten Flughäfen in Schiphol für die Logistik in der Union eine wichtige Rolle spielt. Zusätzliche Infrastrukturarbeiten konnten zwar für Entlastung sorgen, doch die Herausforderung bleibt nach wie vor bestehen und ist mit hohen sozialen Kosten und staubedingten Zeitverlusten verbunden.

(19)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einigen der in den Empfehlungen festgestellten Erfordernisse, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, nachzukommen. Dies würde es den Niederlanden ermöglichen, diese Fonds für die genannten Sektoren optimal zu nutzen.

(20)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik der Niederlande umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 sowie die Maßnahmen zur Umsetzung der an die Niederlande gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in den Niederlanden berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(21)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt (8), dass die Niederlande den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten werden.

(22)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 und 3 wider. Diese Empfehlungen tragen auch zur Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, insbesondere der ersten und vierten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet bei. Die in Empfehlung 3 genannten haushaltspolitischen Maßnahmen tragen unter anderem dazu bei, die mit dem Leistungsbilanzüberschuss verbundenen Ungleichgewichte anzugehen —

EMPFIEHLT, dass die Niederlande 2019 und 2020

1.   

die Verschuldungsanreize für private Haushalte und die Verzerrungen auf dem Wohnungsmarkt, u. a. durch Förderung der Entwicklung des privaten Mietsektors, abbauen; gewährleisten, dass die zweite Säule des Rentensystems transparenter, generationengerechter und widerstandsfähiger gegenüber Schocks wird; Strategien zur Erhöhung des verfügbaren Einkommens der Haushalte umsetzen und dabei unter anderem die Voraussetzungen für ein gesteigertes Lohnwachstum unter Berücksichtigung der Rolle der Sozialpartner optimieren; durch Umsetzung der angekündigten Maßnahmen gegen Mechanismen des Steuersystems vorgehen, die eine aggressive Steuerplanung, insbesondere über ins Ausland fließende Zahlungen, erleichtern;

2.   

die Anreize für eine Selbstständigkeit ohne Angestellte verringern und gleichzeitig einen angemessenen Sozialschutz für Selbstständige fördern und die Scheinselbstständigkeit angehen; das umfassende lebenslange Lernen stärken und die Qualifikationen, insbesondere derjenigen, die am Rande des Arbeitsmarkts stehen, und der Nichterwerbstätigen verbessern;

3.   

unter Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels die Haushalts- und Strukturpolitik nutzen, um einen Aufwärtstrend bei den Investitionen zu fördern; den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf Forschung und Entwicklung, insbesondere im Privatsektor, auf erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Strategien zur Reduktion der Treibhausgasemissionen sowie auf die Beseitigung von Verkehrsengpässen legen.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 80.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 149).

(8)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/117


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Österreichs 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Österreichs 2019

(2019/C 301/20)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Österreich nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Österreich die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den Empfehlungen 1 bis 3 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere wird eine gezielte Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die spezifizierten Bereiche dazu beitragen, die zweite Euro-Währungsgebiet-Empfehlung im Hinblick auf die Investitionsförderung anzugehen, während mit der Empfehlung, Arbeit steuerlich zu entlasten, der dritten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung im Zusammenhang mit dem Funktionieren des Arbeitsmarkts Rechnung getragen wird.

(3)

Der Länderbericht Österreich 2019 wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Österreichs bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen von Europa 2020 bewertet.

(4)

Am 24. April 2019 übermittelte Österreich sein nationales Reformprogramm 2019 und sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies für die Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Österreich befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt der Schuldenregel. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 erwartet die Regierung, dass sich der Gesamtsaldo von einem Überschuss von 0,1 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 auf einen Überschuss von 0,3 % des BIP im Jahr 2019 verbessert und bis 2023 schrittweise auf eine ausgeglichene Haushaltsposition zurückgeführt wird. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos (6) wird das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 0,5 % des BIP — im gesamten Programmzeitraum weiter übertroffen. Dem Stabilitätsprogramm zufolge soll die gesamtstaatliche Schuldenquote schrittweise von 73,8 % des BIP im Jahr 2018 auf 59,8 % des BIP im Jahr 2023 zurückgehen. Das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegende makroökonomische Szenario ist günstig. Die der mittelfristigen Haushaltsplanung zugrunde liegenden Risiken erscheinen moderat und betreffen in erster Linie die angekündigte Umsetzung von Sparmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung, die der Finanzierung der geplanten Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer zugutekommen soll.

(7)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat Österreich, das mittelfristige Haushaltsziel 2019 unter Berücksichtigung der aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse zugestandenen vorübergehenden Abweichung zu erreichen. Dies entspricht einer nominalen Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben (7) von höchstens 2,9 %, was eine Verbesserung des strukturellen Saldos in Höhe von 0,3 % des BIP bedeutet. Nach der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission wird sich der strukturelle Saldo von - 0,1 % des BIP im Jahr 2019 voraussichtlich auf 0,0 % des BIP im Jahr 2020 verbessern und damit das mittelfristige Haushaltsziel übertreffen. Österreich wird die Schuldenregel in den Jahren 2019 und 2020 voraussichtlich einhalten. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass Österreich die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 einhalten dürfte.

(8)

Für Österreich bestehen langfristig mittlere Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. Diese Risiken sind auf den vorausberechneten Anstieg der öffentlichen Ausgaben für Gesundheit, Langzeitpflege und Pensionen zurückzuführen. Österreichs Gesundheitsversorgung weist generell einen hohen Abdeckungsgrad auf, allerdings werden die öffentlichen Gesundheitsausgaben bis 2070 voraussichtlich um 1,3 Prozentpunkte auf 8,3 % des BIP steigen und sich damit schneller als im Unionsdurchschnitt (0,9 Prozentpunkte) erhöhen. Aus den Vorausberechnungen geht hervor, dass sich die öffentlichen Ausgaben für Langzeitpflege bis 2070 von 1,9 % auf 3,8 % des BIP verdoppeln werden. Mit der Einführung von Ausgabenobergrenzen durch das Finanzausgleichsgesetz 2017 und der Reform zur Stärkung der medizinischen Primärversorgung, die darauf abzielt, die übermäßige Abhängigkeit vom Spitalssektor zu verringern, wurde damit begonnen, Probleme im Hinblick auf die Tragfähigkeit anzugehen. Das vor Kurzem verabschiedete Sozialversicherungs-Organisationsgesetz könnte bei den Steuerungs- und Verwaltungskosten weitere Einsparungen bewirken, ist jedoch mit Vorlaufkosten verbunden. Ein wirksameres öffentliches Auftragswesen (z. B. über unionsweite Ausschreibungen, nicht nur preisbezogene Zuschlagskriterien und überregionale Sammelbeschaffungen) und eine umfassendere Nutzung von e-Health-Lösungen würden die Qualität und Kosteneffizienz erhöhen. Im Bereich der Langzeitpflege dürften die jüngsten politischen Maßnahmen, darunter die Abschaffung des Pflegeregresses, also des Rückgriffs auf das Privatvermögen zur Finanzierung stationärer Langzeitpflege, die Ausgaben eher steigern als eindämmen.

(9)

Im Jahr 2036 dürften die Pensionsausgaben ihren Höchststand erreichen und 1,2 BIP-Prozentpunkte über dem Referenzwert von 2016 liegen. Mit früheren Reformen wurden erfolgreich Anreize dafür geschaffen, später in den Ruhestand zu treten (so erhöhte sich im Zeitraum von 2014 bis 2017 das tatsächliche Alter der Männer beim Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt um schätzungsweise 1,5 Jahre und das der Frauen um schätzungsweise 1 Jahr). Die Herausforderung, die Lücke zwischen dem gesetzlichen und dem tatsächlichen Pensionsantrittsalter zu schließen, besteht jedoch nach wie vor, und längere Lebensarbeitszeiten sollten gefördert werden. Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsalterung würde außerdem eine Anpassung des für den Vorruhestand und für das gesetzliche Pensionsantrittsalter geltenden Mindestalters dazu beitragen, die langfristige Nachhaltigkeit wirksamer zu verbessern. Mit der Einführung einer automatischen Koppelung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters an die künftig steigende Lebenserwartung ließen sich die Pensionsausgaben der öffentlichen Hand senken. Schätzungen zufolge könnten auf diese Weise im Zeitraum von 2016 bis 2070 Einsparungen in Höhe von 2,4 BIP-Prozentpunkten erreicht werden, welche die Höhe der Mehrausgaben bei einer unveränderten Politik kompensieren würden.

(10)

Österreichs Fiskalföderalismus führt zu einer erheblichen Inkongruenz zwischen den Befugnissen zur Steuer- und Abgabenerhebung und den Zuständigkeiten für Ausgaben auf subnationaler Ebene. Statt auf Abgabenautonomie zu setzen, werden die subnationalen Budgets aus einem komplexen System von Ertragsanteilen und innerstaatlichen Transfers finanziert. Dadurch werden sowohl die steuerliche Transparenz als auch die politische Rechenschaftspflicht beeinträchtigt und nur schwache Anreize für ein effizientes Ausgabenverhalten der öffentlichen Hand gesetzt. Mit dem Finanzausgleichsgesetz 2017 wurden verschiedene Maßnahmen eingeführt, um die finanziellen Beziehungen zwischen den verschiedenen Ebenen des Staates zu straffen. Im Zuge der Änderungen wurde die Verteilung der Ertragsanteile vereinfacht, die Länder erhielten eine eigene Einnahmequelle und es wurden weitere Reformen für eine transparentere Verteilung legislativer und exekutiver Befugnisse zwischen den Ebenen des Staates vereinbart. Das Kompetenzbereinigungspaket ist ein erster Schritt auf dem Weg zur Entflechtung der Zuständigkeiten, da es gemeinsame Politikbereiche der (ausschließlichen) Zuständigkeit der Bundes- oder Landesebene zuweist und gegenseitige Zustimmungsrechte aufhebt. Das Paket erfasst jedoch lediglich eine begrenzte Anzahl von Politikbereichen.

(11)

Die Steuerstruktur Österreichs ist durch eine starke Belastung der Arbeit (Lohnsummensteuern und Sozialversicherungsbeiträge) gekennzeichnet. So lange die Steuerklassen nicht an die Inflation gekoppelt sind, dürfte diese Belastung im Laufe der Zeit weiter zunehmen. Im Jahr 2017 war der Anteil der Steuern auf Arbeit am gesamten Steueraufkommen mit 55,3 % einer der höchsten in der Union (Unionsdurchschnitt: 49,7 %). Die jüngsten Reformen haben dazu beigetragen, die Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeit zu senken; so wurden die Sozialversicherungsbeiträge für Geringverdiener und Arbeitgeber heruntergeschraubt und berufstätigen Eltern im Rahmen des neuen Familienbonus Plus Steuererleichterungen gewährt. Es besteht noch Spielraum dafür, den Steuermix auf Steuerquellen zu verlagern, die einem inklusiven und nachhaltigen Wachstum stärker förderlich sind. So haben sich insbesondere periodische Immobiliensteuern als relativ wachstumsfreundlich und progressiv erwiesen, da Personen mit höherem Einkommen über ein höheres Immobilienvermögen verfügen dürften. Aufgrund einer größtenteils veralteten Steuerbemessungsgrundlage sind die Einnahmen aus periodischen Immobiliensteuern in Österreich jedoch nach wie vor gering und bewegen sich deutlich unter dem Unionsdurchschnitt. Eine Neubewertung der Steuerbemessungsgrundlage würde dazu beitragen, mehr Einnahmen zu generieren und Fragen der Steuergerechtigkeit anzugehen, die sich bei einer Entkoppelung des Einheitswerts von den Marktpreisen stellen. Zudem könnten wirksame, gut konzipierte Vermögenssteuern das Steuersystem gerechter machen, vor allem vor dem Hintergrund der bemerkenswerten Ungleichverteilung der Vermögen in Österreich und der Tatsache, dass Erbschaften und Schenkungen nicht besteuert werden. Schließlich tragen Umweltsteuern dazu bei, negative externe Effekte der Ressourcennutzung und umweltbelastender Tätigkeiten, die Gesundheit und Klima schädigen, zu internalisieren. In diesem Zusammenhang sollte die derzeitige steuerliche Begünstigung solcher Tätigkeiten überdacht werden.

(12)

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt verbessert sich, doch werden Produktivität und langfristiges Wachstum dadurch gebremst, dass Humankapitalpotenzial ungenutzt bleibt — so sind insbesondere im Hinblick auf Frauen, Geringqualifizierte, ältere Arbeitnehmer und Menschen mit Migrationshintergrund Änderungen vonnöten. Wenngleich die Beschäftigungsquote der Frauen auf dem Arbeitsmarkt insgesamt hoch ist (2018 lag die Quote in Österreich bei 71,7 % gegenüber 67,4 % in der Union), bleibt die Anzahl der Frauen in Vollzeitbeschäftigung eher gering. Der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen liegt deutlich über dem Unionsdurchschnitt (2018 betrug der Anteil in Österreich 47,6 % gegenüber 30,8 % in der Union), was hauptsächlich im Zusammenhang mit dem unzureichenden Kinderbetreuungsangebot und dem hohen Anteil von Frauen, die unbezahlte Betreuungsaufgaben wahrnehmen, zu sehen ist. Die derzeitige Ausgestaltung des Kinderbetreuungsangebots sowie der Urlaubs- und Freistellungsansprüche aus familiären Gründen tragen nicht ausreichend zur Chancengleichheit von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt bei. Weitere Investitionen in erschwingliche Ganztagskinderbetreuung und -schulen würden dazu beitragen, mehr Frauen eine Vollzeitbeschäftigung zu ermöglichen, das Arbeitsmarktpotenzial von Frauen besser zu nutzen und die Produktivität sowie das langfristige, inklusive Wachstum zu stärken. Auch das unbereinigte geschlechtsspezifische Lohngefälle, das nach wie vor deutlich über dem Unionsdurchschnitt liegt (2017 verdienten Frauen in Österreich 19,9 % weniger als Männer, in der Union betrug die Lücke 16,0 %), lässt sich zu einem wesentlichen Teil auf die Teilzeitbeschäftigung von Frauen zurückführen. Weitere maßgebliche Ursachen dieser Lücke sind die Überrepräsentation von Frauen in Niedriglohnsektoren, die Geschlechtersegregation bei der Wahl des Bildungswegs, die Unterrepräsentation von Frauen in leitenden und beaufsichtigenden Positionen sowie Erwerbsunterbrechungen. Insgesamt ist das erhebliche geschlechtsspezifische Pensionsgefälle (im Jahr 2017 machte die Lücke in Österreich 40,5 % aus, in der Union hingegen 35,2 %) weitgehend auf die während des Erwerbslebens entstandenen geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede zurückzuführen. Darüber hinaus sind geringfügig Beschäftigte, von denen die Mehrheit weiblich ist, nicht über Systeme der Arbeitslosenunterstützung abgesichert. Die hohen Arbeitslosenquoten bei Geringqualifizierten deuten darauf hin, dass deren Arbeitsmarktpotenzial nur unzureichend ausgeschöpft wird. Mehr als 44 % aller Arbeitslosen haben lediglich die Pflichtschule abgeschlossen. Aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, einschließlich des lebenslangen Lernens‚ die Menschen dazu ermutigen, zu arbeiten oder eine Arbeit zu suchen, sind nach wie vor von entscheidender Bedeutung, um das Arbeitskräftepotenzial von Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund und von gering qualifizierten Erwachsenen auszuschöpfen. Die Sozialpartner sind traditionell stark in den Entscheidungsprozess im Zusammenhang mit solchen Maßnahmen eingebunden, doch wird ihre Beteiligung in Frage gestellt.

(13)

Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zeigt, dass mehr in allgemeine und berufliche Bildung investiert werden sollte. Die Lernergebnisse benachteiligter Schülerinnen und Schüler haben sich nicht verbessert. Der Leistungsabstand zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund bleibt groß. Tests auf nationaler Ebene im Jahr 2016 haben gezeigt, dass beim Niveau der Grundkompetenzen Herausforderungen bestehen, da ungefähr ein Viertel der Schülerinnen und Schüler der achten Klasse im Fach Deutsch die Bildungsstandards nicht oder nur teilweise erreicht. Die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler mit schwachem sozioökonomischem Hintergrund und/oder Migrationshintergrund haben sich in den nationalen Tests kaum verbessert. Jüngste internationale Tests bestätigten zudem, dass Schülerinnen und Schüler aus sozioökonomisch schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund bei den Lesekompetenzen immer weiter zurückfallen. In der internationalen Schulleistungsstudie (PISA-Studie) erzielten in Österreich geborene Schülerinnen und Schüler im Vergleich zu Migranten der ersten Generation bessere Leistungen, wobei ein Unterschied von beinahe drei Schuljahren besteht. Die jüngsten Bildungsreformen heben frühere Reformanstrengungen teilweise auf und orientieren sich nicht an Ansätzen, die von der Union und der OECD als bewährte Verfahren erachtet werden. Vor diesem Hintergrund hat sich der Ausbau der Ganztagsschulen verlangsamt und die Selektion und Einteilung nach Leistungsgruppen in der allgemeinen Schulbildung verstärkt. Es sind Investitionen erforderlich, um den mit dem sozioökonomischen Hintergrund und dem Migrationshintergrund zusammenhängenden ungleichen Bildungsergebnissen entgegenzuwirken. Bei den digitalen Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger schneidet Österreich zwar besser ab als der Unionsdurchschnitt, fällt jedoch hinter die leistungsstärksten Länder zurück. Die Wirtschaft steht einem wachsenden Fachkräftemangel im IT-Bereich gegenüber, da die steigende Nachfrage nicht durch ein ausreichendes Angebot an Informatik-Absolventen gedeckt wird.

(14)

Österreich ist ein Land, das massiv in Forschung und Entwicklung investiert und ehrgeizige nationale Ziele verfolgt. Dennoch können die Forschungs- und Innovationsergebnisse nicht mit denen der „Innovationsführer“ in der Union mithalten (8). Höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung haben nicht vollumfänglich zu einer Verbesserung der Innovationsergebnisse und zu Produktivitätswachstum geführt. Insbesondere bei der Beschäftigung in schnell wachsenden innovativen Unternehmen kann Österreich nur schwache Ergebnisse vorweisen. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung könnten größere Wirksamkeit entfalten, wenn sie sich vollumfänglich in Wissenschaftsexzellenz und bahnbrechenden Innovationen niederschlagen würden. Zu diesem Zweck sollten mehr und bessere Verbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft geschaffen werden und die Zusammenarbeit bei Prioritäten im Bereich der intelligenten Spezialisierung zwischen verschiedenen österreichischen Regionen und mit anderen Ländern sollte gefördert werden. Darüber hinaus könnten weitere Investitionen erhebliche Produktivitätsgewinne und Innovationsergebnisse bewirken, u. a. in den Bereichen Ökoinnovation, Innovationskapazitäten kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) und ergänzende immaterielle Vermögenswerte.

(15)

Wenngleich Österreich bei der Digitalisierung insgesamt bessere Ergebnisse als der Unionsdurchschnitt vorweisen kann, erreicht das Land nicht das Niveau der „Innovationsführer“ der Union. Dies gilt für den Einsatz digitaler Technologien, aber auch für deren Entwicklung. Der österreichische Informations- und Technologiesektor ist vergleichsweise klein und nicht im selben Tempo gewachsen wie die entsprechenden Sektoren in den „Innovationsführer“-Ländern. Darüber hinaus mangelt es in ländlichen Gebieten an Hochgeschwindigkeitsinternetverbindungen, wodurch sich die Digitalisierungskluft und die zwischen den Regionen bestehenden Unterschiede bei den Innovationskapazitäten weiter vergrößern. Auch mit Blick auf die digitale Infrastruktur in Schulen, z. B. in puncto WLAN-Abdeckung, bestehen erhebliche Lücken. Österreich hat einige Finanzierungsprogramme zur Verbesserung der Hochgeschwindigkeitsinternetverbindungen im ganzen Land eingeführt. Eine Neubelebung der österreichischen Digitalisierungsstrategie insgesamt bietet die Chance, Ziele und Indikatoren festzulegen und die Fortschritte bei den erforderlichen öffentlichen und privaten Investitionen in die Digitalisierung zu überwachen.

(16)

Die Erhöhung der Energieeffizienz und des Anteils erneuerbarer Energiequellen würde das Potenzial Österreichs für nachhaltiges Wachstum stärken und dazu beitragen, dass das Land seine Klima- und Energieziele für 2030 erreicht. Es werden jedoch zusätzliche Anstrengungen erforderlich sein, um diese Ziele zu erreichen. Darüber hinaus liegen die öffentlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung im Umwelt- und Energiebereich unter dem Unionsdurchschnitt. Die Steigerung der Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien in KMU würde dazu beitragen, den Energieverbrauch zu senken. Investitionen in Gebäuderenovierung, Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und nachhaltige Mobilität könnten der österreichischen Wirtschaft wichtige Impulse geben. Für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft sind eine Gesamtstrategie und verstärkte Investitionen seitens der Unternehmen vonnöten.

(17)

Trotz des jüngsten Aufwärtstrends, der dem guten Wirtschaftsklima geschuldet ist, ist es Österreich noch nicht gelungen, das Wachstum der totalen Faktorproduktivität wieder in Gang zu bringen und die 10 Jahre andauernde Stagnation dieser wesentlichen Triebkraft für Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu überwinden. Die Hebel zur Förderung des Produktivitätswachstums finden sich in den Bereichen Digitalisierung von Unternehmen, Unternehmenswachstum und Wettbewerb im Dienstleistungssektor. Während die größeren österreichischen Unternehmen ein gutes Tempo bei der Übernahme digitaler Technologien und Geschäftsmodelle vorlegen, können die kleineren Unternehmen nicht Schritt halten. Die Digitalisierung kleinerer Unternehmen, darunter Mikrounternehmen, ist besonders wichtig, da sie das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft darstellen. Die starke Inanspruchnahme des Programms „KMU Digital“ zeigt, dass bei KMU Nachfrage und Interesse an einer Beratung im Bereich der Digitalisierung bestehen. Eine Verlängerung und Ausweitung dieses Programms wäre daher hilfreich, ebenso wie eine stärkere politische Schwerpunktsetzung auf die Unternehmensdigitalisierung im Rahmen der österreichischen Digitalisierungsstrategie insgesamt.

(18)

Bei der Aufnahme einer Geschäftstätigkeit und dem Unternehmensausbau stehen insbesondere hochinnovative Unternehmen in Österreich weiterhin vor strukturellen Herausforderungen. Was die Beschäftigung in wachstumsstarken innovativen Unternehmen anbelangt, hinkt Österreich vergleichbaren Mitgliedstaaten hinterher. Dies deutet darauf hin, dass die Bedingungen für den Ausbau innovativer Unternehmen verbessert werden müssen; dieser wird nach wie vor durch Faktoren wie eine im Vergleich zu den „Innovationsführern“ schwächer entwickelte und weniger vielfältige Risikokapitallandschaft gehemmt. Bei Finanzierungsmöglichkeiten in späteren Phasen bestehen Engpässe, etwa in Bezug auf Risikokapital und den Zugang zu öffentlichen Kapitalmärkten für expandierende Unternehmen. Die Öffnung der Wiener Börse für KMU-Notierungen ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wachstumsstarke Unternehmen sind von zentraler Bedeutung, um neue Technologien und Geschäftsmodelle, auch solche in digitaler Form, zu verbreiten und somit das Produktivitätswachstum zu steigern.

(19)

In Österreich bestehen erhebliche Zugangsbeschränkungen und restriktive Vorschriften für die Erbringung von unternehmensorientierten Dienstleistungen und die Ausübung reglementierter Berufe. Hierzu zählen u. a. spezifische Anforderungen an die Beteiligungsverhältnisse, zahlreiche vorbehaltene Tätigkeiten und Beschränkungen für interdisziplinäre Unternehmen. Regulatorische Hindernisse, insbesondere bezüglich des täglichen Geschäftsbetriebs, tragen zur relativ schwachen Entwicklung des österreichischen Einzelhandelssektors bei. Der hohe Verwaltungsaufwand stellt für die österreichischen Unternehmen nach wie vor eine große Belastung dar. Die anhaltenden Bemühungen um eine Verringerung der Verwaltungslasten und die geplante Evaluierung der österreichischen Gewerbeordnung sind wichtige Instrumente, um das Unternehmensumfeld zu verbessern. Zudem würde ein stärkerer Wettbewerb im Dienstleistungsbereich helfen, die Herausforderungen Österreichs im Zusammenhang mit der Verbreitung von digitalen Technologien und Geschäftsmodellen zu bewältigen.

(20)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken zu schließen, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 behandelten Bereichen. Dies würde Österreich dabei helfen, im Zusammenhang mit den ermittelten Sektoren die Fonds unter Berücksichtigung regionaler Disparitäten optimal zu nutzen.

(21)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Österreichs umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Österreich gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Österreich berücksichtigt, sondern auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet. Dies spiegelt die Notwendigkeit wider, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken.

(22)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt (9), dass Österreich den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird —

EMPFIEHLT, dass Österreich 2019 und 2020 Maßnahmen ergreift, um

1.   

die Tragfähigkeit des Gesundheits- und Langzeitpflegesystems sowie des Pensionssystems auch durch die Anpassung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters vor dem Hintergrund der voraussichtlich steigenden Lebenserwartung zu gewährleisten; die Finanzbeziehungen und Zuständigkeiten der verschiedenen staatlichen Ebenen zu vereinfachen und zu rationalisieren und die Finanzierungs- und Ausgabenverantwortlichkeiten anzugleichen;

2.   

die Besteuerung von der Arbeit auf Quellen zu verlagern, die einem inklusiven und nachhaltigen Wachstum weniger abträglich sind; in fortgesetzter Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern die Vollzeitbeschäftigung von Frauen zu unterstützen, unter anderem durch verbesserte Kinderbetreuungsangebote, und die Arbeitsmarktergebnisse der Geringqualifizierten zu steigern; die Grundkompetenzen benachteiligter Gruppen, darunter Menschen mit Migrationshintergrund, zu verbessern;

3.   

die investitionsbezogene Wirtschaftspolitik auf Forschung und Entwicklung, Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit auszurichten und dabei regionale Unterschiede zu berücksichtigen; das Produktivitätswachstum durch die Förderung der Unternehmensdigitalisierung und des Unternehmenswachstums sowie durch den Abbau regulierungsbedingter Hürden im Dienstleistungssektor zu unterstützen.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 84.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(8)  Gemäß der Definition im Europäischen Innovationsanzeiger 2018 — Innovationsführer: SE, DK, FI, NL, UK, LU. Starke Innovatoren: DE, BE, IE, AT, FR und SI.

(9)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/123


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Polens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Polens 2019

(2019/C 301/21)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Polen nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei.

(2)

Der Länderbericht 2019 für Polen wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Polens bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (3), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet.

(3)

Am 26. April 2019 übermittelte Polen sein nationales Reformprogramm 2019 und am 29. April 2019 sein Konvergenzprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(4)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme sowie zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(5)

Polen befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In seinem Konvergenzprogramm 2019 geht Polen von einer leichten Verschlechterung des Gesamtsaldos von einem Defizit von 0,4 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 auf 0,6 % im Jahr 2022 aus, wobei 2019 mit einem Defizit von 1,7 % und 2020 mit einem Überschuss von 0,2 % gerechnet wird. Der neu berechnete strukturelle Saldo wird mit einem Defizit von 1,1 % des BIP nahe beim mittelfristigen Haushaltsziel liegen, das für 2022 mit einem strukturellen Defizit von 1,0 % des BIP angesetzt wurde. Dem Konvergenzprogramm 2019 zufolge wird die gesamtstaatliche Schuldenquote von 48,9 % des BIP im Jahr 2018 bis 2022 auf 40,6 % des BIP zurückgehen. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Allerdings wurden die operativen Einzelheiten einiger Maßnahmen, die zum Erreichen der ab 2020 anvisierten Defizitziele erforderlich sind, nicht ausreichend spezifiziert.

(6)

Aus dem Konvergenzprogramm 2019 geht hervor, dass Polen im Zusammenhang mit einer Dürre Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt hat, deren Haushaltsauswirkungen 2018 signifikant waren. Das Konvergenzprogramm belegt Umfang und Art der zusätzlichen Haushaltsbelastung in ausreichender Weise. Eine besondere Behandlung der Ausgaben im Zusammenhang mit der Dürre in Anwendung der „Klausel für außergewöhnliche Ereignisse“ könnte in Betracht gezogen werden. Der Kommission zufolge betrugen die hiermit zusammenhängenden berücksichtigungsfähigen zusätzlichen Ausgaben im Jahr 2018 rund 0,07 % des BIP. Die Bestimmungen nach Artikel 9 Absatz 1 und Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 ermöglichen eine Berücksichtigung dieser zusätzlichen Ausgaben, da die Dürre als außergewöhnliches Ereignis betrachtet wird, das erhebliche Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen Polens hat, wobei deren Tragfähigkeit durch die Gewährung einer vorübergehenden Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel jedoch nicht gefährdet würde. Um die betreffenden zusätzlichen Kosten zu berücksichtigen, wurde die erforderliche Anpassung in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel für 2018 somit nach unten korrigiert.

(7)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat Polen sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben (5) im Jahr 2019 4,2 % nicht übersteigt, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2019 die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser empfohlenen Anpassung besteht.

(8)

Angesichts der für Polen prognostizierten Produktionslücke von 2,0 % des BIP darf im Jahr 2020 die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben 4,4 % nicht überschreiten; dies steht im Einklang mit der strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP nach der gemeinsam vereinbarten Anpassungsmatrix hinsichtlich der Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2020 bei einer unveränderten Politik die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser Anforderung besteht. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass die erforderlichen Maßnahmen ab 2019 ergriffen werden sollten, um die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten.

(9)

Bei der Steuerdisziplin hat Polen erhebliche Fortschritte erzielt. Gleichzeitig erlebte das Land ein starkes Wirtschaftswachstum, der Arbeitsmarkt war lebhaft, und der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg allmählich an. All diese Faktoren trugen zu einem Anstieg der öffentlichen Einnahmen bei. Ein Teil der Mehreinnahmen ist zyklischer Natur und bleibt bei einer Verschlechterung des makroökonomischen Umfelds möglicherweise nicht mehr bestehen. Gleichzeitig erhöhten sich in den letzten Jahren die öffentlichen Ausgaben im Verhältnis zum BIP. Mehrere neue Ausgabenkategorien sind dauerhaft und in naher Zukunft möglicherweise nicht leicht zu ändern. Weiter in die Zukunft blickend werden die öffentlichen Finanzen Polens zudem durch steigende Ausgaben, insbesondere aufgrund der Alterung der Bevölkerung, unter Druck geraten. Diese Faktoren verstärken die Notwendigkeit neuer Instrumente zur Stärkung der Ausgabenverwaltung, darunter eine regelmäßige Bewertung der Wirksamkeit und Effizienz der Ausgaben. Polen hat zwar 2018 weiter an der Verbesserung des Haushaltssystems gearbeitet, die Reform insgesamt ist allerdings komplex und wird über mehrere Jahre hinweg schrittweise angewandt werden. Während der haushaltspolitische Rahmen insgesamt stark ist und unabhängige Institutionen einige der normalerweise von Fiskalräten wahrgenommen Aufgaben übernehmen, ist Polen nach wie vor der einzige Mitgliedstaat ohne einen unabhängigen Rat für Finanzpolitik. Bei der Begrenzung der umfassenden Anwendung ermäßigter Mehrwertsteuersätze hat Polen zwar keine Fortschritte gemacht, doch die Regierung hat eine Reform eingeleitet, die dafür sorgen könnte, dass die Sätze weniger komplex und weniger fehleranfällig werden.

(10)

Bis 2017 war das Durchschnittsalter für den Renteneintritt infolge früherer Reformen, etwa zur Aufhebung von Vorruhestandsregelungen und zur schrittweisen Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, gestiegen. 2018 sank das durchschnittliche Renteneintrittsalter sowohl für Männer als auch für Frauen, was darauf zurückzuführen ist, dass das gesetzliche Renteneintrittsalter Ende 2017 gesenkt wurde. Eine weitere Anhebung des tatsächlichen Renteneintrittsalters ist angesichts des Rückgangs der Erwerbsbevölkerung von entscheidender Bedeutung für die Erwerbsbeteiligung und damit das Wirtschaftswachstum. Sie ist auch unerlässlich, um in der Zukunft angemessene Renten sicherzustellen, Altersarmut zu verhindern und damit auch die finanzielle Tragfähigkeit des Rentensystems zu verbessern. Die Senkung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 60 Jahre für Frauen und auf 65 Jahre für Männer im Herbst 2017 wird erhebliche negative Auswirkungen auf die Rentenhöhe haben und eine erhebliche Kluft zwischen Männern und Frauen verursachen. Die bestehenden präferenziellen Altersversorgungssysteme bedeuten eine Belastung für die öffentlichen Haushalte und verringern die sektorenübergreifende Mobilität der Arbeitskräfte. Das besondere Sozialversicherungssystem für Landwirte, das in Höhe von etwa 0,8 % des BIP bezuschusst wird, beeinträchtigt die Arbeitsmobilität und trägt zur versteckten Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft bei.

(11)

Das günstige makroökonomische Umfeld hat in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass sich der polnische Arbeitsmarkt gut entwickelt hat. Die Beschäftigungsquote ist weiter gestiegen, und die Arbeitslosenquote lag 2018 nach mehreren Jahren des Rückgangs stabil bei einem historischen Tiefstand von unter 4 %. Allerdings verharrt die Beteiligung einiger Gruppen der Erwerbsbevölkerung, insbesondere von gering Qualifizierten, Menschen mit Behinderungen und den sie betreuenden Personen sowie älteren Menschen, im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten auf einem niedrigen Niveau. Das polnische Sozialleistungssystem bietet unzureichende Anreize für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Das Kindergeld hat dazu beigetragen, Armut und die Ungleichverteilung abzubauen, es hatte jedoch gleichzeitig durch seine Höhe und Ausgestaltung negative Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung der Eltern, vor allem von Frauen. Die Quote der Kinder unter drei Jahren in formellen Kinderbetreuungseinrichtungen zählt weiterhin zu den niedrigsten in der Union. Außerdem wird Langzeitpflege in den meisten Fällen fast ohne institutionelle Unterstützung von Familienmitgliedern erbracht, was es den pflegenden Personen unmöglich macht zu arbeiten. Das gesunkene gesetzliche Renteneintrittsalter hat einige ältere Arbeitskräfte dazu bewegt, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Die Migration aus Drittländern trägt dazu bei, die steigende Nachfrage nach Arbeitskräften zu befriedigen; es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass ein weiterer Zustrom von Arbeitsmigranten schwer zu erreichen ist.

(12)

Im Zeitraum von 2015 bis 2017 hat Polen Maßnahmen gegen die Segmentierung des Arbeitsmarktes ergriffen, durch die die Möglichkeiten des Missbrauchs befristeter Beschäftigungsverhältnisse eingeschränkt und die Sozialabgaben bei bestimmten atypischen Arbeitsverhältnissen erhöht wurden und bei einigen dieser Arbeitsverhältnisse ein Mindeststundenlohn eingeführt wurde. Der Anteil der befristeten Verträge ist zwar seit 2015 dank der ergriffenen Maßnahmen und dem Mangel an Arbeitskräften zurückgegangen und dieser Prozess hat sich 2018 beschleunigt; der Anteil zählt aber immer noch zu den höchsten in der Union. Weitere Gesetzesänderungen, mit denen dieses Problem angegangen werden sollte, wurden nicht weiterverfolgt, da die Reform des Arbeitsrechts letztlich nicht umgesetzt wurde. Angemessene künftige Renten für Selbstständige und Beschäftigte mit bestimmten atypischen Verträgen stellen ein potenzielles Problem dar.

(13)

Ein qualitativ hochwertiges, auf die lebenslange Perspektive ausgerichtetes Bildungs- und Ausbildungssystem, das durch ausreichende Investitionen unterstützt wird, könnte ein entscheidender Faktor für bessere künftige Wachstumsaussichten in Polen sein. Die Vermittlung von Fähigkeiten und Kompetenzen, die für die Beschäftigung in einem sich rasch wandelnden Arbeitsmarkt benötigt werden, ist eine wichtige Herausforderung, um sowohl die Erwerbsbeteiligung als auch die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft zu fördern. Der Anteil der Erwachsenen, die an Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, liegt weit unter dem Unionsdurchschnitt, und die betriebliche Bildung wird zu wenig genutzt. In Kombination mit gewissen Schwächen bei den digitalen Kompetenzen sowie bei den Lese-, Schreib- und Rechenfertigkeiten, insbesondere unter Erwachsenen ohne höheren Bildungsabschluss, schmälert dies deren Beschäftigungsfähigkeit. Die unzureichende Qualität der Lehrerausbildung und einige Qualifikationslücken der Lehrer dürften sich negativ auf die Qualität der Bildung auswirken. Außerdem weist das Qualitätssicherungssystem für die Hochschulbildung Schwächen auf. Trotz der jüngsten Reformen in der beruflichen Bildung und in der Hochschulbildung mangelt es nach wie vor an einer erfolgreichen Koordinierung der Erwachsenenbildung, und die Auswirkungen verschiedener politischer Maßnahmen auf die Qualität der allgemeinen und beruflichen Bildung und die Qualifikationsniveaus sind unklar.

(14)

Die langfristigen wirtschaftlichen Aussichten Polens hängen von der Innovationsfähigkeit der Wirtschaft ab. Die Innovationstätigkeit ist in dem Land jedoch immer noch niedrig; der Niedrigtechnologiesektor hat einen bedeutenden Anteil an der Wirtschaftsstruktur des Landes und bei der Innovationsleistung bestehen große regionale Unterschiede. Zwar wurden einige Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ergriffen, doch es gibt nach wie vor eine Reihe von Hindernissen sowohl finanzieller als auch anderer Art. Insbesondere komplexe Verwaltungsverfahren und die begrenzten Kompetenzen von Wissenschaftlern im Umgang mit gemeinsamen öffentlich-privaten Forschungs- und Entwicklungsprojekten stellen immer noch große Hemmnisse dar. Bei der Verbreitung innovativer Lösungen spielen Cluster und formalisierte Unternehmensnetzwerke, insbesondere zwischen KMU und Großunternehmen, nur in begrenztem Maße eine Rolle. Die Hochschulreform von 2018 bringt Verbesserungen in einigen Aspekten der polnischen Wissenschaftslandschaft, bietet bei wichtigen Fragen wie der Fragmentierung des Forschungssektors, der Bezahlung der Forscher oder der Internationalisierung der polnischen Wissenschaft jedoch nur beschränkt Lösungsansätze. Die Bruttoinlandsausgaben für Forschung und Entwicklung beschränkten sich 2017 auf etwa die Hälfte des Unionsdurchschnitts, wobei erhebliche regionale Unterschiede bestehen.

(15)

Die Ergebnisse im Gesundheitsbereich haben sich zwar weiter verbessert, liegen jedoch noch immer unter dem Unionsdurchschnitt, wobei 2017 die Lebenserwartung der Männer um 7,9 Jahre niedriger war als die der Frauen und die Kluft zwischen den Polen mit dem höchsten Bildungsniveau und denen mit dem niedrigsten 2016 10 Jahre betrug. Der Zugang zum Gesundheitssystem und dessen Wirksamkeit leiden unter fehlender Finanzierung und Personalmangel. Die Zahl der praktizierenden Ärzte und Krankenpflegekräfte im Verhältnis zur Größe der Bevölkerung gehört zu den niedrigsten in der Union, und ein Viertel des medizinischen Personals hat das Renteneintrittsalter bereits überschritten. Der nicht gedeckte Bedarf an ärztlicher Versorgung ging 2017 zurück, ist jedoch nach wie vor mit am höchsten in der Union, und die Wartezeiten für bestimmte Behandlungen sind seit 2010 erheblich gestiegen. Polen hat Übersichten für den Bedarf in der Gesundheitsversorgung erstellt, doch sie werden noch nicht bei Entscheidungen über die Beschaffung von Gesundheitsdienstleistungen und Investitionen herangezogen. Das Gesundheitssystem basiert nach wie vor zu sehr auf der Krankenhausversorgung, und die medizinische Grundversorgung und die ambulante Behandlung sind nach wie vor unterentwickelt. Das Langzeitpflegesystem ist schwach; es mangelt an standardisierten Diensten und an einem kohärenten strategischen Ansatz. Die Langzeitpflege wird überwiegend von informell Pflegenden erbracht, häufig von Familienmitgliedern mit geringer institutioneller Unterstützung. 2017 beliefen sich die öffentlichen Gesundheitsausgaben Polens auf 4,7 % des BIP und lagen damit deutlich unter dem Unionsdurchschnitt von 7 % des BIP. Polen plant, diese Ausgaben in den kommenden Jahren schrittweise zu erhöhen. Dies könnte jedoch schwer umzusetzen sein, da die kürzlich angekündigten Pläne zur Erhöhung der Sozialtransfers zugunsten von Haushalten mit mittlerem und hohem Einkommen den haushaltspolitischen Spielraum begrenzen werden.

(16)

Die Infrastruktur hat sich in Polen zwar erheblich verbessert, in einigen Sektoren bestehen jedoch immer noch erhebliche Lücken in der Anbindung. Investitionen im Straßenbau, die gemäß dem nationalen Straßenbauprogramm bis 2024 abgeschlossen werden sollen, konzentrieren sich vor allem auf den östlichen Teil Polens, und einige nördliche Regionen bleiben schlechter angebunden. Im Transeuropäischen Schienenverkehrsnetz bestehen nach wie vor erhebliche Lücken, und Investitionen in die Bahn verlaufen langsamer als Investitionen in den Straßenverkehr. Die Quote der Verkehrsunfälle mit Todesfolge gehört nach wie vor zu den höchsten in der Union. Die Städte stehen vor wachsenden Mobilitätsherausforderungen, etwa in Form von Verkehrsstaus und Luftverschmutzung infolge der zunehmenden Anzahl von Pkw und des hohen Anteils alter Fahrzeuge. Ferner haben die Treibhausgasemissionen durch den Straßenverkehr in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen. Die derzeitigen Anreize zur Nutzung öffentlicher, emissionsarmer Verkehrsmittel und aktiver Formen der Fortbewegung reichen nicht aus, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Die Festnetz-Internetanbindung in Polen gehört nach wie vor zu den niedrigsten in der Union; ultraschnelle Breitbandverbindungen stehen hauptsächlich in Großstädten zur Verfügung.

(17)

Polen gehört zu den Ländern in der Union, deren Wirtschaft die geringste CO2-Effizienz aufweist. Die schlechte Isolierung öffentlicher und privater Gebäude trägt zu einem höheren Energieverbrauch und Energiearmut bei. Darüber hinaus befinden sich in Polen, insbesondere in den südlichen und zentralen Regionen, die Städte mit der größten Luftverschmutzung in der Union. Investitionen in höhere Energieeffizienz, insbesondere im Gebäudesektor, die Erhöhung des Anteils der CO2-armen und umweltfreundlicheren Energieerzeugung und die Förderung einer Senkung der Verkehrsemissionen würden die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern und die Luftverschmutzung eindämmen und gleichzeitig die sozialen Kosten senken und die Lebensqualität verbessern. Das derzeitige rechtliche Umfeld — darunter das Gasbevorratungsgesetz, das Gesetz zum Einfrieren der Strompreise und die Vorschriften für Windparks an Land — könnte Investitionen in die Strom- und Gasmärkte hemmen und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des polnischen Energiesektors und der energieintensiven Industrien beeinträchtigen.

(18)

Die Qualität neuer und überarbeiteter Gesetze sowie stabile und berechenbare Rahmenbedingungen für Unternehmen sind für die Aufrechterhaltung günstiger wirtschaftlicher Bedingungen und die Förderung privater Investitionen von großer Bedeutung. Der instabile Rechtsrahmen und andere Hindernisse für die Expansion von Unternehmen wirken sich negativ auf die Investitionstätigkeit und die Produktivität aus. Die Einführung eines wirksamen Dialogs mit allen Interessenträgern würde helfen, die Qualität der Gesetzgebung zu verbessern und die Zahl der erforderlichen Überarbeitungen zu begrenzen und somit einen Beitrag zu stabilen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu leisten. Daher trüge die Stärkung der Rolle der Konsultationen der Sozialpartner und der Öffentlichkeit durch die Gewährleistung einer ausreichenden Frist für Konsultationen, eine bessere Berücksichtigung der im Laufe des Prozesses eingeholten Stellungnahmen von Interessenträgern und die Minimierung der Zahl der von Konsultationen ausgenommenen Gesetze wesentlich dazu bei, den durch häufige Gesetzesänderungen verursachten Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten, die Investitionstätigkeit zu erhöhen und langfristig ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern. Die Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit und der Unabhängigkeit der Justiz sind in diesem Zusammenhang ebenfalls von grundlegender Bedeutung. Es sei daran erinnert, dass die Kommission dem Rat im Dezember 2017 einen begründeten Vorschlag vorgelegt hat, wonach festgestellt werden sollte, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch Polen besteht. Es ist bereits ein entsprechendes Urteil ergangen, und diese Bedenken sind Gegenstand weiterer laufender Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union. Rechtssicherheit und das Vertrauen in die Qualität und Berechenbarkeit von Politik und Institutionen in den Bereichen Gesetzgebung und Steuern und in anderen Bereichen sind wichtige Faktoren für das Investitionsumfeld.

(19)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, zu schließen. Dies würde es Polen ermöglichen, diese Fonds unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen.

(20)

In den letzten Jahren hat die Rolle des Staates im Banken-, im Versicherungs- und im Energiesektor stark zugenommen. Diese zunehmende staatliche Beteiligung stellt eine neue Herausforderung für den Wettbewerb und den Regulierungs- und Steuerungsrahmen dar. Die Qualität des Regierungshandelns und die Unabhängigkeit der Regulierungs- und Aufsichtsbehörden gewinnen daher angesichts potenzieller Interessenkonflikte und stärkerer Verbindungen zwischen Finanzsektor und Staat immer mehr an Bedeutung.

(21)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Konvergenzprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (6) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider —

EMPFIEHLT, dass Polen 2019 und 2020

1.   

sicherstellt, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 4,4 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht; weitere Schritte unternimmt, um die Effizienz der öffentlichen Ausgaben zu steigern, auch durch eine Verbesserung des Haushaltssystems;

2.   

die Angemessenheit künftiger Rentenleistungen und die Tragfähigkeit des Rentensystems gewährleistet, indem es Maßnahmen zur Anhebung des tatsächlichen Renteneintrittsalters ergreift und die präferenziellen Altersversorgungssysteme reformiert; Maßnahmen ergreift, um die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen — unter anderem durch die Verbesserung des Zugangs zu Kinderbetreuung und Langzeitpflege —, und die noch bestehenden Hindernisse für dauerhaftere Beschäftigungsverhältnisse beseitigt; hochwertige Bildung und den Erwerb auf dem Arbeitsmarkt benötigter Kompetenzen fördert, insbesondere durch Erwachsenenbildung;

3.   

die Innovationskraft der Wirtschaft stärkt, unter anderem durch die Förderung von Forschungseinrichtungen und deren engerer Zusammenarbeit mit Unternehmen; den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf Innovation, Verkehr — insbesondere dessen Nachhaltigkeit —, die digitale und die Energieinfrastruktur, die Gesundheitsversorgung und sauberere Energie legt und dabei regionalen Unterschieden Rechnung trägt; die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert, insbesondere durch eine stärkere Rolle von Konsultationen der Sozialpartner und der Öffentlichkeit im Gesetzgebungsprozess.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 88.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(5)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(6)  Gemäß Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/129


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Portugals 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Portugals 2019

(2019/C 301/22)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, womit das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Portugal als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Portugal die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den Empfehlungen 1 bis 4 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere eine Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die genannten Bereiche und die Verwendung unerwarteter Mehreinnahmen zur Verringerung des öffentlichen Schuldenstands werden dazu beitragen, der zweiten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet nachzukommen, was die Investitionsförderung und den erneuten Aufbau von Puffern betrifft. Maßnahmen zur Verringerung der Segmentierung des Arbeitsmarkts sowie zur Verbesserung des Kompetenz- und Qualifikationsniveaus und der Wirksamkeit des Netzes der sozialen Sicherheit werden einen Beitrag zur Umsetzung der dritten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet im Zusammenhang mit dem Funktionieren des Arbeitsmarkts und der Sozialschutzsysteme leisten. Maßnahmen zur Verringerung des Regelungsaufwands werden dazu beitragen, der ersten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet nachzukommen, was bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen und Produktivitätssteigerungen zum Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet angeht. Die effizientere Gestaltung von Insolvenz- und Beitreibungsverfahren wird einen Beitrag zur Umsetzung der vierten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet in Bezug auf den Abbau notleidender Kredite leisten.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Portugal wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Portugals bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Die Kommission gelangte aufgrund ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Portugal makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Vor dem Hintergrund des geringen Produktivitätswachstums stellen vor allem die hohen Nettoauslandsverbindlichkeiten, die hohe private und öffentliche Verschuldung sowie der hohe Anteil notleidender Kredite Schwachpunkte dar. Weiterhin bestehen Politikdefizite, vor allem bei der Durchführung der skizzierten Maßnahmen zum Abbau notleidender Kredite und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen. Die Annahme und Durchführung mehrerer Reformpläne, darunter haushaltspolitische Strukturreformen zur Verbesserung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, müssen überwacht werden.

(4)

Am 30. April 2019 übermittelte Portugal sein nationales Reformprogramm 2019 und sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Portugal befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt der Übergangsregelung für den Schuldenabbau. In seinem Stabilitätsprogramm 2019 plant Portugal ein Gesamtdefizit von 0,2 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) für 2019 und einen Überschuss von 0,3 % des BIP für 2020 sowie eine weitere Verbesserung auf einen Überschuss von 0,7 % des BIP bis 2022. Die potenziellen defiziterhöhenden Auswirkungen von Stützungsmaßnahmen für Banken ab dem Jahr 2020 sind in diesen Projektionen nur teilweise berücksichtigt. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos soll das mittelfristige Haushaltsziel — das von einem strukturellen Überschuss von 0,25 % des BIP im Jahr 2019 auf einen ausgeglichenen Haushalt ab 2020 abgeändert wurde — im Jahr 2020 erreicht werden. Dem Stabilitätsprogramm 2019 zufolge wird die gesamtstaatliche Schuldenquote im Jahr 2019 bei 118,6 % und im Jahr 2020 bei 115,2 % liegen, um im Jahr 2022 dann 103,7 % zu erreichen. Das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegende makroökonomische Szenario ist für 2019 und 2020 plausibel, für die Folgejahre aber günstig. Gleichzeitig wurden die Maßnahmen, die zum Erreichen der ab 2019 anvisierten Defizitziele erforderlich sind, nicht ausreichend spezifiziert.

(7)

Das Stabilitätsprogramm 2019 gibt keinen Aufschluss über die Haushaltsauswirkungen der Sonderausgaben für Vorbeugungsmaßnahmen zum Schutz des Staatsgebiets gegen Waldbrände nach den großflächigen Waldbränden des Jahres 2017. Allerdings haben die portugiesischen Behörden in einem Schreiben vom 9. Mai 2019 ausreichend Belege für Umfang und Art dieser zusätzlichen Haushaltsbelastung übermittelt. Insbesondere umfasst der Haushaltsvollzug dem Schreiben zufolge für 2018 Sonderausgaben in Höhe von rund 0,04 % des BIP für Vorbeugungsmaßnahmen zum Schutz des Staatsgebiets gegen Waldbrände. In dem Schreiben vom 9. Mai 2019 werden Ausgaben im Zusammenhang mit Notfallmaßnahmen (einmalige Ausgaben) und Vorbeugungsmaßnahmen angegeben. Aufgrund der engen Verflechtung dieser Ausgaben und wegen des unmittelbaren Zusammenhangs mit den großflächigen Waldbränden des Jahres 2017 war die spezifische Behandlung der Vorbeugungsmaßnahmen gegen Waldbrände im Rahmen der Klausel für außergewöhnliche Ereignisse möglich. Der Kommission zufolge liegen die berücksichtigungsfähigen zusätzlichen Ausgaben für Vorbeugungsmaßnahmen im Jahr 2018 bei 0,04 % des BIP. Nach Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 ist eine Berücksichtigung dieser zusätzlichen Ausgaben möglich, da die beispiellosen großflächigen Waldbrände ein außergewöhnliches Ereignis mit erheblichen Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen Portugals darstellen und deren Tragfähigkeit nicht gefährdet wäre, wenn Portugal eine vorübergehende Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel gestattet würde. Um die betreffenden zusätzlichen Kosten zu berücksichtigen, wurde die erforderliche Anpassung in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel für 2018 daher nach unten korrigiert.

(8)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat Portugal sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben (6) im Jahr 2019 0,7 % nicht übersteigt, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht. Auf der Grundlage der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission besteht 2019 die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser empfohlenen Korrektur.

(9)

2020 sollte Portugal sein mittelfristiges Haushaltsziel unter Berücksichtigung der aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse zugestandenen Abweichung erreichen. Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission entspricht dies einer nominalen Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben von höchstens 1,5 %, was eine jährliche strukturelle Anpassung in Höhe von 0,5 % des BIP bedeutet. Auf der Grundlage der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission besteht unter Annahme einer unveränderten Politik 2020 die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser Vorgabe. Gleichzeitig dürfte Portugal den Projektionen zufolge die Übergangsregelung für den Schuldenabbau 2019 dank der zugestandenen jährlichen Abweichung um 0,25 % einhalten, die Schuldenregel 2020 jedoch allem Anschein nach nicht einhalten. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass die erforderlichen Maßnahmen ab 2019 ergriffen werden sollten, um die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten. Es wäre wichtig, unerwartete Mehreinnahmen zum weiteren Abbau der gesamtstaatlichen Schuldenquote zu verwenden.

(10)

Zur Verbesserung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in Portugal ist eine weitere wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung erforderlich. Allerdings besteht Spielraum, um die Qualität der öffentlichen Finanzen zu verbessern und die Ausgaben durch Unterstützung von Investitionen wachstumsfreundlicher zu gestalten (siehe unten). Die öffentlichen Investitionen haben 2018 zwar zugenommen, sind im Unionsvergleich jedoch nach wie vor sehr gering und bleiben durchweg hinter den eigenen Zielen der Regierung zurück. Eine verbesserte Ausgabenkontrolle und -effizienz setzt weiterhin die Durchsetzung des Verpflichtungskontrollgesetzes, die strenge und zeitnahe Umsetzung des Haushaltsrahmengesetzes sowie fortgesetzte Rationalisierungsmaßnahmen voraus. Jüngste eigenständige Bottom-up-Ausgabenüberprüfungen in bestimmten Sektoren haben zu insgesamt begrenzten Einsparungen durch Effizienzsteigerung geführt. Um höhere Effizienzgewinne zu erzielen, sollten Ausgabenüberprüfungen daher vielmehr zu einem festen Bestandteil des portugiesischen Haushaltsrahmens werden. Darüber hinaus sind nach wie vor tiefgreifendere Reformen zur Effizienzsteigerung und ein klarer Top-down-Ansatz zur Eindämmung der Gesamtausgaben erforderlich. Grundlage hierfür sollte eine Reformstrategie für die öffentliche Verwaltung sein, um die Zahl der Verwaltungsmitarbeiter und die Notwendigkeit wirksamer öffentlicher Dienste besser miteinander in Einklang zu bringen, unter anderem durch unterstützende Umschichtung bzw. Umschulung von Personal sowie Förderung der individuellen Leistung und der Attraktivität des öffentlichen Dienstes für hochqualifiziertes Personal.

(11)

Die öffentlichen Finanzen Portugals stehen aufgrund ungünstiger demografischer Entwicklungen, wie insbesondere der Bevölkerungsalterung, die in erster Linie die Tragfähigkeit des Renten- und Gesundheitssystems beeinträchtigen, unter anhaltendem Druck. Während bisherige Reformen die langfristige Tragfähigkeit des Rentensystems verbessert haben, führen laufende außerplanmäßige Rentenerhöhungen und Vorruhestandsreformen nun zu weiteren Erhöhungen der Rentenausgaben, die den durch die Bevölkerungsalterung bedingten grundlegenden Aufwärtstrend verstärken. Ohne angemessene Ausgleichsmaßnahmen könnte die allgemeine Tragfähigkeit des Rentensystems beeinträchtigt werden. Im Gesundheitssektor wurde die Kosteneffizienz 2018 weiter gefördert, so unter anderem durch stärker zentralisierte Beschaffung und vermehrten Einsatz von Generika und Biosimilars. Gleichzeitig sind die anhaltend hohen Zahlungsrückstände im Krankenhaussektor auf Mängel bei der Haushaltsplanung und beim Haushaltsvollzug sowie Schwächen in der buchhalterischen Kontrolle und in der Verwaltungspraxis zurückzuführen. Vorübergehend geringere Rückstände im Jahr 2018 sind in erster Linie die Folge umfangreicher außerordentlicher Verrechnungsmaßnahmen. Im Rahmen eines neuen Programms für 2019 soll durch die Einführung eines neuen Verwaltungsmodells für öffentliche Krankenhäuser und eine deutliche Aufstockung ihrer jährlichen Haushaltsmittel strukturell gegen die Zahlungsrückstände im Krankenhaussektor vorgegangen werden. Ob es mittels dieses Programms gelingt, das Auflaufen von Zahlungsrückständen im Krankenhaussektor kurzfristig zu verlangsamen und somit die Gesamthöhe der Rückstände strukturell zu verringern, hängt entscheidend von der rechtzeitigen und wirksamen Umsetzung des Programms ab.

(12)

Die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen Portugals könnte durch Erhöhung der Nettoergebnisse und Verringerung der Schulden staatseigener Unternehmen gestärkt werden. Den Plänen der Behörden zufolge sollen die staatseigenen Unternehmen 2019 insgesamt ein nahezu ausgeglichenes Nettoergebnis erzielen, was gegenüber den bisherigen Ankündigungen, dieses Ziel bereits 2018 nahezu erreichen zu wollen, eine Verzögerung bedeutet. Auch die Maßnahmen zur Einhaltung vorgesehener Leistungspläne und die Bemühungen um frühzeitigere, transparentere und umfassendere Überwachung haben sich verzögert und bisher kaum zu etwa erforderlichen Korrekturmaßnahmen geführt. Es wurde insbesondere versäumt, für hinreichende Ex-ante-Transparenz bei der Finanzierung staatseigener Unternehmen durch Rekapitalisierungen und Darlehen zu sorgen.

(13)

Trotz der laufenden Umsetzung einiger Maßnahmen zur Verringerung der Arbeitsmarktsegmentierung, wie beispielsweise der Stärkung der Arbeitsaufsicht und der Einführung eines Integrationsprogramms für Arbeitnehmer in prekären Beschäftigungsverhältnissen im öffentlichen Dienst, liegt der Anteil der befristet Beschäftigten in Portugal nach wie vor über dem Unionsdurchschnitt. Spezifischere Maßnahmen, die von der Regierung, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern vereinbart wurden, sollen die Arbeitsmarktsegmentierung und prekäre Arbeitsverhältnisse weiter verringern und Tarifverhandlungen fördern, müssen jedoch noch vom Parlament genehmigt werden und in Form von Rechtsvorschriften in Kraft treten.

(14)

Verbesserte Arbeitsmarktbedingungen haben dazu geführt, dass weniger Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Trotz dieser positiven Entwicklung bleibt die Einkommensungleichheit hoch und sind soziale Transferleistungen zur Armutsbekämpfung nur begrenzt wirksam. Die Einkommensungleichheit in Portugal nimmt zwar ab, ist jedoch nach wie vor weit deutlicher ausgeprägt als im Unionsdurchschnitt. Die Mindesteinkommensleistungen gehören zu den niedrigsten in der Union und liegen bei nur 40 % der nationalen Armutsgrenze. Die wenig wirksamen sozialen Transferleistungen könnten, falls sie keiner Überprüfung unterzogen werden, im Falle eines künftigen Konjunkturrückgangs einer großen Belastungsprobe unterzogen werden, wobei gefährdete Bevölkerungsgruppen besonders stark betroffen wären.

(15)

Das niedrige Qualifikationsniveau der Arbeitnehmer behindert die Investitionstätigkeit und das Produktivitätswachstum. Der Anteil der Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren mit niedrigem Bildungsniveau liegt mit rund 50 % deutlich über dem Unionsdurchschnitt von 22 % im Jahr 2018. Die geringe Verfügbarkeit von Fachkräften nennen Unternehmen als wichtiges Hindernis für Investitionen. Insbesondere im Bereich der Erwachsenenbildung gibt es Spielraum, um gering Qualifizierte (deren Teilnahme an Bildungsmaßnahmen unter dem Unionsdurchschnitt liegt) stärker einzubinden und gezielte öffentliche Anreize für kleine und mittlere Unternehmen zur Weiterbildung ihrer Mitarbeiter auszuweiten. Digitale Kompetenzen stellen eine besondere Herausforderung dar, da es 50 % der portugiesischen Bevölkerung an grundlegenden digitalen Kompetenzen fehlt, während dieser Anteil im Unionsdurchschnitt bei 43 % liegt. Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung, einschließlich der Infrastruktur, sind von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit und sozialer Mobilität.

(16)

Im Rahmen von Bemühungen zur Erhöhung der Tertiärabschlussquote laufen Maßnahmen zur Steigerung der Einschreibungen für Hochschulstudiengänge, so z. B. durch eine deutliche Aufstockung der Stipendien. Der Anteil der Bevölkerung im Alter von 30 bis 34 Jahren mit Hochschulabschluss liegt in Portugal mit 33,5 % nach wie vor unter dem Unionsdurchschnitt von 40,7 %. Dieser anhaltend geringe Anteil, insbesondere der Absolventen in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologie, Naturwissenschaften, Mathematik und Statistik, könnte sich negativ auf das Produktivitätswachstum und die Innovationsfähigkeit in Portugal auswirken. Die Regierung bemüht sich, durch Erhöhung der Studienplatzzahl auf diesen Gebieten und Umsetzung einer Hochschulreform Abhilfe zu schaffen, doch sind weitere Anstrengungen erforderlich.

(17)

Der Anteil der notleidenden Kredite im Finanzsystem ist mit 9,4 % nach wie vor relativ hoch. Allerdings verzeichneten die meisten Banken in Bezug auf die Ziele für den Abbau notleidender Kredite substanzielle Fortschritte, und der Gesamtbestand an notleidenden Krediten verringerte sich um 50 % zwischen dem Höchststand im Juni 2016 und Dezember 2018. Der Sekundärmarkt für notleidende Vermögenswerte gewann an Dynamik, wobei die Banken auch die Abschreibungen und die Behebung von Kreditverzügen beschleunigten. Der Anteil der Unternehmenskredite an den notleidenden Krediten insgesamt ist nach wie vor hoch (65 %). Die Behörden haben in den vergangenen Jahren eine Reihe von Reformen des rechtlichen und institutionellen Rahmens für Insolvenzverfahren und Schuldenbeitreibung durchgeführt. Noch immer dauert ein Insolvenzverfahren jedoch überdurchschnittlich lange und ist die Zahl der anhängigen Gerichtsverfahren hoch. Die rechtlichen und gerichtlichen Rahmenbedingungen beeinträchtigen die Schuldenbeitreibung und die Aussichten auf die Wiedererlangung von Sicherheiten stark. Ferner drücken die überdurchschnittlich langen Beitreibungsverfahren die Marktpreise für notleidende Vermögenswerte.

(18)

Reformen zur Verwaltungsvereinfachung haben sich hauptsächlich auf die allgemeine Entmaterialisierung von Verfahren und den Grundsatz der einmaligen Erfassung beschränkt. Die Fortschritte bei der Modernisierung der Verwaltung sollten durch eine deutliche Verwaltungsvereinfachung ergänzt werden. Vorrangig ist es erforderlich, die Menge einzureichender Unterlagen zu begrenzen und Verfahren, die eine Genehmigung vorschreiben, entweder zu ersetzen durch Verfahren, in deren Rahmen eine einfache Erklärung über die Einhaltung der geltenden Bedingungen genügt, oder — in problematischeren Wirtschaftszweigen — die Genehmigung durch verkürzte Entscheidungsfristen und Übergang zum Verfahren der stillschweigenden Genehmigung zu vereinfachen. Die Straffung der Verfahren für bestimmte Wirtschaftszweige steht nach wie vor aus. Die Verwaltungskosten sind, besonders im Baugewerbe, weiterhin übermäßig hoch. Darüber hinaus behindern mangelhafte Planung und Überwachung der Vergabe öffentlicher Aufträge den Wettbewerb. Die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Auftragswesens könnte durch strukturierte und quantifizierte Planung sowie durch stärkere Überwachung der Vertragsausführung verbessert werden. Obgleich die Direktvergabe von 2017 bis 2018 deutlich abgenommen hat, wird sie nach wie vor häufig eingesetzt.

(19)

Im Rahmen des Finanzhilfeprogramms hat sich Portugal bemüht, den Regelungsaufwand für stark reglementierte Berufe zu verringern, insbesondere durch Einführung des Rahmengesetzes aus dem Jahr 2013. In einigen Fällen wurden diese Reformen jedoch durch Annahme berufsrechtlicher Gesetze für die freien Berufe und Einführung eines Verbots für Unternehmensgruppen ausgesetzt oder gar umgekehrt. Regelungs- und Verwaltungsbeschränkungen für Unternehmensdienstleistungen und freiberufliche Dienstleistungen halten sich und sind vor allem in Bezug auf Wettbewerb, Preisniveau, Innovation und die Qualität der Dienstleistungen bedenklich. Bislang wurden weder infolge der Empfehlungen der Kommission zur Regulierung im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen noch des Berichts der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über die Bewertung des Wettbewerbs im Bereich der freien Berufe in Portugal von 2018 (in Zusammenarbeit mit der portugiesischen Wettbewerbsbehörde) Reformpläne angekündigt.

(20)

Die Bedingungen für den Zugang von Unternehmen zu Finanzmitteln haben sich in den letzten Jahren verbessert, sodass der Anteil der Unternehmen, die den Zugang zu Finanzmitteln als Haupthindernis für Investitionen nennen, nun dem Unionsdurchschnitt entspricht. Die portugiesischen Behörden haben auf diesem Gebiet verschiedene Initiativen eingeleitet und ausgebaut, so etwa das Programm „Capitalizar“ und andere Programme für bestimmte Arten von Unternehmen oder Sektoren. Nach wie vor tendieren jedoch portugiesische Unternehmen dazu, Investitionen in hohem Maße aus Eigenmitteln zu finanzieren, und geht ein unzureichender Anteil der Bankkredite an Unternehmen mit höherer Produktivität. Der geringe, pro Arbeitnehmer investierte Kapitalbetrag stellt ein großes Hindernis für die Modernisierung der Produktionsstruktur der portugiesischen Wirtschaft dar. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Investitionen in Produktionsanlagen zunehmen und schrittweise wieder in Unternehmen mit Wachstumspotenzial und in Sektoren mit hoher Produktivität fließen. Andere Finanzierungsquellen, wie Risiko- und Beteiligungskapital, haben in den vergangenen Jahren zwar an Bedeutung gewonnen, werden nach wie vor jedoch deutlich weniger genutzt als im Unionsdurchschnitt.

(21)

Das Justizsystem wird effizienter, steht jedoch weiterhin vor kritischen Herausforderungen, wie langwierigen Verfahren und einem hohen Verfahrensrückstau, insbesondere bei Verwaltungs- und Steuergerichten. Die Korruptionsbekämpfung wird zwar fortgesetzt, doch ist die Prävention in diesem Bereich nach wie vor unzureichend, da eine koordinierte Strategie fehlt und verschiedene Stellen sich die Zuständigkeiten teilen.

(22)

Die Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) nehmen seit Kurzem wieder zu, sind jedoch weiterhin zu gering, um das nationale portugiesische Forschungs- und Innovationssystem zu verbessern. Nach Jahren des Rückgangs steigt der Anteil der Ausgaben für FuE bezogen auf das BIP in jüngster Zeit wieder an, und 2017 lag die Forschungs- und Entwicklungsintensität von Unternehmen leicht über der Forschungs- und Entwicklungsintensität des öffentlichen Sektors. Der Anteil der Wertschöpfung auf den Gebieten der Hightech-Fertigung und der wissensintensiven Dienstleistungen an der portugiesischen Wirtschaftsstruktur wurde kaum gesteigert. Durch die Förderung von Investitionen in immaterielle Vermögenswerte wie FuE sowie Führungskompetenzen, Finanzkenntnisse und digitale Kompetenzen, die Unternehmen benötigen, um zu wachsen, ihre Innovationsfähigkeit zu erhöhen und Exportmärkte zu erschließen, könnte Portugal die Investitionstätigkeit und das Produktivitätswachstum erheblich ankurbeln.

(23)

Exportorientierte Unternehmen können aufgrund unzureichender See- und Eisenbahnverbindungen das Potenzial des Binnenmarkts kaum in vollem Umfang ausschöpfen. Portugals geografische Lage macht das Land zu einer natürlichen Anlaufstelle im Seeverkehr, besonders auf transatlantischen Strecken. Durch rechtzeitige Investitionen in die neuen Container-Terminals in Sines (Terminal Vasco da Gama), Leixoes und Barreiro und Abschluss der laufenden Investitionsvorhaben in den anderen wichtigen portugiesischen Häfen (Viana do Castelo, Leixoes, Aveiro, Figueira da Foz und Setubal) könnten die Kapazitäten für den Frachtumschlag in diesen Häfen gesteigert werden. Die Bahnstrecken nach Spanien (sowohl Ost-West- als auch Nord-Süd-Korridor) sind nach wie vor nicht ausgelastet. Durch die Entwicklung eines umfassenden iberischen Plans, der auch Zwischenschritte, Terminals, Verbindungselemente zur Nutzung des verbesserten spanischen Netzes und die Entwicklung der Spurweite des Internationalen Eisenbahnverbands vorsieht, könnte die internationale Eisenbahnverkehrsleistung Portugals verbessert werden.

(24)

Investitionen in Ressourceneffizienz und die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an den Klimawandel würden zu langfristigem nachhaltigen Wachstum beitragen. Die negativen Folgen des Klimawandels, wie Überschwemmungen und Waldbrände, vorherzusehen, bleibt in Portugal eine Herausforderung. Um das Energieeffizienzziel für 2020 zu erreichen, muss Portugal nach wie vor Herausforderungen bewältigen, und die neuesten Daten für 2017 zeigen, dass der Energieverbrauch steigt. Weiterhin gibt es viel Spielraum, um die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern und den Energieverbrauch der Wirtschaft zu senken. Stärkere grenzübergreifende Konnektivität im Energiebereich könnte mehr Wettbewerb ermöglichen und die Entwicklung der erneuerbaren Energien erleichtern.

(25)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 auch im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. So könnte Portugal die Fonds für die ermittelten Sektoren optimal nutzen und dabei regionalen Unterschieden und der besonderen Situation der Gebiete in äußerster Randlage Rechnung tragen. Die Stärkung der administrativen Kapazitäten des Landes für die Verwaltung dieser Mittel ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieser Investitionen.

(26)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Portugals umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Portugal gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Portugal berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(27)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (7) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider.

(28)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 bis 4 wider. Diese Empfehlungen tragen auch zur Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, insbesondere der ersten, zweiten und vierten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung bei. Die nachstehend in der Empfehlung 1 genannte Haushaltspolitik trägt unter anderem dazu bei, die mit dem hohen gesamtstaatlichen Schuldenstand verbundenen Ungleichgewichte anzugehen —

EMPFIEHLT, dass Portugal 2019 und 2020

1.   

das mittelfristige Haushaltsziel 2020 unter Berücksichtigung der aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse zugestandenen vorübergehenden Abweichung erreicht; unerwartete Mehreinnahmen zum rascheren Abbau der gesamtstaatlichen Schuldenquote nutzt; die Qualität der öffentlichen Finanzen verbessert, indem wachstumsfördernden Ausgaben Vorrang eingeräumt wird, und gleichzeitig die Gesamtausgabenkontrolle intensiviert, die Kosteneffizienz verbessert und die Haushaltsplanung angemessener gestaltet, und zwar insbesondere zur dauerhaften Senkung der Zahlungsrückstände im Krankenhaussektor; die finanzielle Tragfähigkeit staatseigener Unternehmen verbessert und gleichzeitig eine frühzeitigere, transparentere und umfassendere Überwachung gewährleistet;

2.   

Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitsmarktsegmentierung erlässt; Maßnahmen zur Verbesserung des Kompetenz- und Qualifikationsniveaus der Bevölkerung ergreift, insbesondere im digitalen Bereich und auch, indem die Erwachsenenbildung besser auf den Arbeitsmarktbedarf abgestimmt wird; die Tertiärabschlussquote steigert, insbesondere in den Naturwissenschaften und der Informationstechnologie; Wirksamkeit und Angemessenheit des Netzes der sozialen Sicherheit verbessert;

3.   

investitionsbezogene wirtschaftspolitische Maßnahmen unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede auf die Schwerpunkte Forschung und Innovation, Schienenverkehr und Hafeninfrastruktur, Übergang zu kohlenstoffarmen Energiequellen und Ausbau von Energieverbundnetzen ausrichtet;

4.   

bei notleidenden Krediten eine raschere Beitreibung der Sicherheiten ermöglicht, indem die Effizienz von Insolvenz- und Beitreibungsverfahren gesteigert wird; den Verwaltungs- und Regelungsaufwand für Unternehmen senkt, indem in erster Linie sektorspezifische Hindernisse für die Lizenzvergabe verringert werden; einen Fahrplan zur Verringerung der Beschränkungen in stark reglementierten Berufen entwickelt; die Effizienz von Verwaltungs- und Steuergerichten steigert, indem insbesondere die Dauer der Verfahren verkürzt wird.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 92.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(7)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/135


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Rumäniens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Rumäniens 2019

(2019/C 301/23)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 hat die Kommission den Jahreswachstumsbericht angenommen, womit das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Rumänien als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei.

(2)

Der Länderbericht 2019 für Rumänien wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Rumäniens bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (3), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Die Kommission gelangte aufgrund ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Rumänien makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die Schwachstellen hängen insbesondere mit dem Rückgang der Kostenwettbewerbsfähigkeit und einem zunehmenden Leistungsbilanzdefizit vor dem Hintergrund einer expansiven Haushaltspolitik und einem unberechenbaren Unternehmensumfeld zusammen. Kürzlich eingebrachte Gesetzesinitiativen bergen Risiken für das Funktionieren des Finanzsektors und könnten private Investitionen behindern.

(3)

Am 9. Mai 2019 übermittelte Rumänien sein nationales Reformprogramm 2019 und am 8. Mai 2019 sein Konvergenzprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(4)

Bei der Programmplanung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme sowie zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(5)

Rumänien befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Konvergenzprogramm 2019 geht die Regierung von einem Gesamtdefizit von 2,8 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2019 und einem anschließenden allmählichen Rückgang auf 2,0 % des BIP im Jahr 2022 aus. Angesichts des neu berechneten strukturellen Saldos (5) wird nicht davon ausgegangen, dass das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 1 % des BIP — während des Programmzeitraums erreicht wird. Dem Konvergenzprogramm zufolge wird die gesamtstaatliche Schuldenquote bis 2022 unter 40 % des BIP bleiben. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist günstig. Darüber hinaus wurden die Maßnahmen, die für die Erreichung der anvisierten Defizitziele erforderlich sind, nicht ausreichend spezifiziert.

(6)

Am 22. Juni 2018 stellte der Rat gemäß Artikel 121 Absatz 4 des Vertrags fest, dass in Rumänien 2017 eine erhebliche Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel vorlag. Angesichts der festgestellten erheblichen Abweichung richtete der Rat am 22. Juni 2018 an Rumänien die Empfehlung (6), die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben (7) im Jahr 2018 3,3 % und im Jahr 2019 5,1 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung um 0,8 % des BIP entspricht. Am 4. Dezember 2018 hat der Rat den Beschluss (EU) 2018/2020 (8) erlassen, in dem festgestellt wurde, dass Rumänien keine wirksamen Maßnahmen ergriffen hatte, um der Empfehlung des Rates vom 22. Juni 2018 nachzukommen, und gab eine überarbeitete Empfehlung (9) ab. In der Empfehlung vom 4. Dezember 2018 ersuchte der Rat Rumänien, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2019 4,5 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 1,0 % des BIP entspricht. Am 14. Juni 2019 hat der Rat den Beschluss (EU) 2019/1002 (10) erlassen, in dem festgestellt wurde, dass Rumänien keine wirksamen Maßnahmen ergriffen hatte, um der Empfehlung des Rates vom 4. Dezember 2018 nachzukommen. Zudem wurde für Rumänien auf der Grundlage der Haushaltsdaten für 2018 eine erhebliche Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad im Jahr 2018 festgestellt. Gemäß Artikel 121 Absatz 4 des Vertrags und Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 richtete die Kommission am 5. Juni 2019 eine Verwarnung an Rumänien, dass im Jahr 2018 eine erhebliche Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel festgestellt worden war. Am 14. Juni 2019 nahm der Rat eine daran anknüpfende Empfehlung (11) an, in der die Notwendigkeit bekräftigt wurde, dass Rumänien die erforderlichen Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2019 4,5 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 1,0 % des BIP entspricht. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2019 die Gefahr einer Abweichung von dieser Empfehlung besteht.

(7)

In seiner Empfehlung vom 14. Juni 2019 empfahl der Rat Rumänien, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 5,1 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,75 % des BIP entspricht. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2020 bei einer unveränderten Politik die Gefahr einer Abweichung von dieser Anforderung besteht. Zudem rechnet die Kommission in ihrer Frühjahrsprognose 2019 für die Jahre 2019 und 2020 mit einem gesamtstaatlichen Defizit, das über dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von 3 % des BIP liegt. Angesichts der sich stark verschlechternden haushaltspolitischen Aussichten und im Einklang mit der Empfehlung des Rates vom 14. Juni 2019 im Hinblick auf die Behebung der festgestellten erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel ist der Rat insgesamt der Auffassung, dass ab 2019 signifikante zusätzliche Maßnahmen erforderlich sein werden, um den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu entsprechen.

(8)

In der Haushaltsplanung Rumäniens werden die Vorgaben des nationalen haushaltspolitischen Rahmens regelmäßig ignoriert. Die nationale Regel für das strukturelle Defizit schreibt die Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels eines strukturellen Defizits von maximal 1 % des BIP bzw. eine Annäherung an dieses Ziel vor. Im Jahr 2016 verfehlte Rumänien das mittelfristige Haushaltsziel und befindet sich seitdem auf einem abweichenden Kurs, der gegen die nationale Defizitregel verstößt. Auch die beiden im Herbst 2018 verabschiedeten Änderungen am Haushaltsplan 2018 wichen von mehreren ergänzenden Regeln ab, die eine Anhebung der Obergrenzen für Defizit und Ausgaben während des laufenden Haushaltsjahrs verbieten. Der Haushaltsplan 2019, der von der Regierung im Februar 2019 beschlossen und im März vom Parlament genehmigt wurde, wich erneut von mehreren Haushaltsregeln ab, darunter die Regel für das strukturelle Defizit. Zudem übermittelten die Behörden — wie in den Vorjahren — dem Parlament vor Ablauf der gesetzlichen Frist im August keine aktualisierte Fassung der mittelfristigen Haushaltsstrategie und untergruben damit dessen führende Rolle. Ebenfalls wie in den Vorjahren genügten die Behörden nicht ihrer Pflicht, eine Erklärung zu unterzeichnen, dass der Haushaltsplan 2019 und die Haushaltsstrategie den Haushaltsregeln und den Grundsätzen einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik entsprechen.

(9)

Die Steuerdisziplin ist weiterhin schwach ausgeprägt. Bei der Mehrwertsteuer ist die Differenz zwischen den erwarteten und den tatsächlichen Einnahmen nach wie vor sehr hoch. Die ausgedehnte informelle Wirtschaft erschwert die Einhaltung der Steuervorschriften zusätzlich, zugleich entgehen dem Staatshaushalt durch den hohen Anteil nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit erhebliche Mittel. Darüber hinaus erleichtert die weitverbreitete Barzahlung die Steuerhinterziehung. Im vergangenen Jahr hat Rumänien begrenzte Fortschritte zur Umsetzung der wiederholten länderspezifischen Empfehlung erzielt, die Einhaltung der Steuervorschriften und die Steuererhebung zu verbessern. Die Einführung elektronischer Registrierkassen, die mit den IT-Systemen der Steuerverwaltung verbunden sind, kommt nur langsam voran. Die Steuerverwaltung hat Schritte eingeleitet, um ein Risikobewertungssystem für Steuerprüfungen einzuführen.

(10)

Nachdem mehrere Jahre lang kontinuierlich Anstrengungen zur Konsolidierung des Finanzsektors unternommen worden waren, geriet die Finanzstabilität 2018 durch eine Reihe von Gesetzesinitiativen der Regierung und des Parlaments wieder unter Druck. Die Steuer auf Bankvermögen, die von der Regierung Ende Dezember 2018 ohne Folgenabschätzung und ohne Konsultation der Interessenträger per Notverordnung eingeführt wurde, gab Anlass zu einer Reihe ernster Bedenken hinsichtlich ihrer negativen Auswirkungen auf die aufsichtsrechtliche Lage der Banken, auf die Durchführung der Geldpolitik und letztlich auf Investitionen und Wirtschaftswachstum. Die Art und Weise des Erlasses und die Bestimmungen dieser Verordnung hatten erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Wechselkurs, auf die Möglichkeiten des Staates für eine Geldaufnahme am Kapitalmarkt und letztlich auf die Wahrnehmung operativer Risiken durch die Interessenträger. Zwar sind einige umstrittene Aspekte der Steuer im März 2019 geändert worden, die Änderungen wurden aber ebenfalls ohne Folgenabschätzung per Notverordnung der Regierung vorgenommen. Die problematischsten Aspekte der Steuer auf das Gesamtvermögen von Banken sind beseitigt worden. Nach der neuen Formulierung könnte die Steuer jedoch die Kreditanreize verzerren, was zu einer Fehlallokation von Krediten für die Wirtschaft führen könnte. Die möglichen Auswirkungen dieser Änderungen auf die geldpolitische Transmission sollten geprüft werden. Mehrere Ende 2018 vom Parlament verabschiedete Gesetzesinitiativen, die zwar im März 2019 vom Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt wurden, haben den Bankensektor zusätzlich belastet und den Gesamteindruck eines unberechenbaren Rechtsrahmens verstärkt. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass solche Initiativen vom Gesetzgeber durchaus wieder aufgegriffen werden könnten.

(11)

Das im Dezember 2018 vom Parlament verabschiedete neue Rentengesetz dürfte Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen mit sich bringen. Der Rentenpunkt, d. h. der Hauptparameter für die Rentenindexierung, könnte im September 2019 um 15 % und im September 2020 um 40 % steigen. Im Rentengesetz wurden mehrere Parameter geändert, die zur Berechnung der Rentenleistungen herangezogen werden. Insbesondere ist mit einem Anstieg des Rentenpunktwerts zu rechnen, da der Indexfaktor für Bestandsrenten nicht mehr an die Preisentwicklung gekoppelt ist, sondern sich dauerhaft aus Löhnen und Preisen zusammensetzt. Zudem wird der für die Berechnung der Rente verwendete Beitragszeitraum verkürzt, was höhere Rentenausgaben für neue Renten zur Folge hat. Allerdings wird bei neuen Renten die Abschaffung des Korrekturindex (der bislang der teilweisen Kopplung der ersten Rente an die Löhne diente) die durch die anderen Parameter verursachte Erhöhung der Gesamtrentenausgaben mindern. Einige strukturelle Herausforderungen, die sich auf die Angemessenheit der Renten auswirken, wurden bisher nicht angegangen. Das durchschnittliche tatsächliche Renteneintrittsalter liegt nahe am Unionsdurchschnitt, ist aber bei Frauen und Männer nicht gleich. Zusammen mit den kürzeren Beitragszeiten der Frauen führt dies zu einem erheblichen Rentengefälle zwischen Männern und Frauen.

(12)

Die 2008 eingeführte Reform des Rentensystems wurde schrittweise rückgängig gemacht. Nach mehrmaliger Verschiebung der geplanten Anhebungen der Beiträge zu den die zweite Säule des Rentensystems bildenden Fonds, die bis 2016 6 % des Bruttolohns hätten erreichen sollen, wurden die Beiträge ab 2018 auf 3,75 % des Bruttolohns gesenkt. Die Fonds der zweiten Rentensäule wurden durch ein Maßnahmenpaket, das von der Regierung Ende Dezember 2018 per Notverordnung angenommen wurde, weiter geschwächt. Die Beiträge zu diesen Fonds sind nun nach einer Mindestbeitragszeit von fünf Jahren freiwillig. Die Mindesteigenmittelanforderungen für die Verwaltungsgesellschaften der Fonds der zweiten Rentensäule wurden erheblich erhöht, sodass die Gefahr besteht, dass Fondsverwaltungsgesellschaften den rumänischen Markt verlassen. Ferner wurden die auf die Bruttobeiträge erhobenen Verwaltungsgebühren erheblich gesenkt, was sich möglicherweise auf die finanziellen Ergebnisse der Fondsverwaltungsgesellschaften auswirkt und die Wahrscheinlichkeit von Marktaustritten erhöht. Dies könnte negative Auswirkungen auf die Entwicklung des lokalen Kapitalmarkts und des Pools institutioneller Anleger haben und der Wirtschaft eine dringend benötigte Quelle langfristiger Investitionen entziehen. Darüber hinaus wird die Schwächung bzw. der Abbau der zweiten Säule zu einem weniger diversifizierten Ruhestandseinkommen führen und die Renten einem höheren politischen und demografischen Risiko aussetzen. In ihrer Notverordnung vom März 2019 hat die Regierung zwar die neuen Mindesteigenmittelanforderungen für Fondsverwaltungsgesellschaften beibehalten, die Frist für die Einzahlung des gesamten zusätzlichen Kapitals jedoch bis Dezember 2019 verlängert. Im Mai 2019 hat die Regierung die Mindestkapitalanforderungen für die Verwaltungsgesellschaften der Pensionsfonds deutlich gesenkt, wodurch die im Dezember 2018 beschlossene Erhöhung teilweise ausgeglichen wurde. Die übrigen Bestimmungen der Notverordnung vom Dezember 2018, die die Rentabilität der Fonds der zweiten Rentensäule gefährden, bleiben unverändert.

(13)

Die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Qualität und Inklusivität des Systems der allgemeinen und beruflichen Bildung wirken sich negativ auf das Potenzial Rumäniens für inklusives Wachstum aus. Obgleich die entsprechenden Haushaltsmittel 2019 aufgestockt wurden, gehören die Bildungsausgaben immer noch zu den niedrigsten in der Union‚ insbesondere auf den Ebenen des Bildungssystems, die ausschlaggebend dafür sind, einen frühen Schulabgang zu verhindern (dessen Anteil nach wie vor hoch ist), Chancengleichheit zu gewährleisten und Ungleichheiten im späteren Leben vorzubeugen. Die Teilnahme an hochwertiger frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung liegt weiterhin unter dem Unionsdurchschnitt, was teilweise auf den Mangel an Einrichtungen zurückzuführen ist. Dies hat Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen sowie den frühen Erwerb von Kompetenzen Die Modernisierung des Schulnetzes und seine Optimierung zur Bewältigung demografischer Entwicklungen kommen nicht voran; während 10 % der Schulen überbelegt sind, weisen 58 % Überkapazitäten auf. Der Erwerb allgemeiner und digitaler Kompetenzen steht vor erheblichen Herausforderungen. Die Kompetenz der Lehrkräfte, einen auf den Lernenden ausgerichteten Ansatz anzuwenden, ist nicht ausreichend entwickelt. Das Gefälle zwischen ländlichen und städtischen Gebieten besteht fort, und benachteiligte Gruppen, darunter die Roma, haben weiterhin nur begrenzten Zugang zu hochwertiger, inklusiver Bildung.

(14)

Der Arbeitsmarkt steht zunehmend unter Druck, da die Arbeitslosenquote (4,2 % im Jahr 2018) zwar sehr niedrig ist, gleichzeitig jedoch die Erwerbsbevölkerung zurückgeht und anhaltende Kompetenzdefizite bestehen. Die Frauenerwerbsquote ist niedrig, insbesondere bei jungen Frauen und Frauen mittleren Alters. Dies ist vor allem auf persönliche und familiäre Verpflichtungen und auf die geringe Teilnahme von Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren an formaler Kinderbetreuung zurückzuführen. Die aktive Arbeitsmarktpolitik reagiert mit Maßnahmen, bei denen in erster Linie finanzielle Anreize, nicht aber maßgeschneiderte, umfassende Konzepte im Mittelpunkt stehen, und somit nur begrenzt auf den Bedarf des Arbeitsmarkts. Die Verzögerung der geplanten Reform der öffentlichen Arbeitsvermittlung stellt ein erhebliches Hindernis für eine zeitgemäße Erbringung von Dienstleistungen für Arbeitgeber und Arbeitslose dar. Auch die Verbesserung der Kompetenzen und die Erbringung integrierter Dienstleistungen sind unzureichend. Die Kompetenzen entwickeln sich nicht entsprechend dem Bedarf der expandierenden Wirtschaftszweige, sodass 81 % der Arbeitgeber Schwierigkeiten haben, offene Stellen zu besetzen. Während der IKT-Sektor wächst, ist die Zahl der Rumänen im Alter von 20 bis 29 Jahren, die einen Abschluss in Naturwissenschaften, Technologie, Ingenieurwesen oder Mathematik besitzen, zwischen 2014 und 2016 zurückgegangen. Die benötigten Kompetenzen werden derzeit weder global oder sektorbezogen ermittelt noch prognostiziert, was die Anpassung des Systems der allgemeinen und beruflichen Bildung an den Bedarf des Arbeitsmarkts erschwert. Die Einführung eines dualen Systems der Berufsbildung soll helfen, die Kompetenzdefizite zu beheben. Berufliche Bildung wird jedoch von Schülern und Eltern weiter nur als zweite Wahl betrachtet, und die relativ geringe Beschäftigungsquote junger Absolventen von Berufsbildungsgängen deutet darauf hin, dass deren Relevanz für den Arbeitsmarkt infrage gestellt wird. Das Hochschulwesen ist nicht ausreichend auf den Arbeitsmarkt abgestimmt. Die Tertiärabschlussquote hat sich zwar in den letzten zehn Jahren verdoppelt, ist aber nach wie vor gering.

(15)

Trotz der jüngsten Verbesserungen sind Armut und Ungleichverteilung der Einkommen nach wie vor groß und vertiefen die regionalen Unterschiede. Jeder dritte Rumäne ist immer noch von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht; besonders betroffen sind bestimmte Gruppen wie Kinder, Roma, Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen. Die Sozialdienste, deren Qualität und Reichweite unzureichend ist, sind geografisch ungleich verteilt und entsprechen nicht dem besonderen Bedarf der einzelnen Bevölkerungsgruppen. Nur rund 20 % der administrativen Gebietseinheiten verfügen über lizensierte Sozialdienste. Die Dienste konzentrieren sich in der Regel in reicheren oder städtischen Gebieten, obwohl der Bedarf in ärmeren, ländlichen Gebieten und Regionen viel größer ist. Die mangelnde Integration der Dienste in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, Gesundheit und Soziales ermöglicht keine nachhaltige Inklusion der verschiedenen benachteiligten Gruppen. Menschen mit Behinderungen erhalten nur begrenzt Unterstützung für eine eigenständige Lebensführung und einen Zugang zu Beschäftigung. In Bezug auf die Lage der Roma sind nur sehr geringe Fortschritte zu verzeichnen. Die Wohnraumunterversorgung ist die höchste in der Union und erschwert die soziale Inklusion. Die Wohnungspolitik wird ohne strategischen Rahmen dezentralisiert, arme Bevölkerungsgruppen verfügen jedoch häufig nicht über ausreichende finanzielle Mittel. Der als Grundlage für die meisten Sozialleistungen verwendete soziale Referenzindex wurde seit 2008 nicht aktualisiert und hat auch im Verhältnis zum Mindestlohn erheblich an Wert verloren. Infolgedessen sind die Armutsquoten bei Menschen mit niedriger und sehr niedriger Erwerbsintensität seit 2010 um die Hälfte gestiegen. Darüber hinaus ist die soziale Absicherung atypisch Beschäftigter unzureichend. Ein Drittel der atypischen Arbeitnehmer ist von erheblicher materieller Deprivation bedroht. Tages- und Saisonarbeitskräfte haben formal keinen Anspruch auf Sozialleistungen, die Arbeitslosigkeit, Mutterschaftsurlaub, Unfälle und berufsbedingte Verletzungen abdecken. Die Umsetzung der 2016 eingeleiteten Reform des garantierten Mindesteinkommens, mit der Reichweite und Angemessenheit der Sozialhilfe verbessert werden sollten, wurde erneut und nun auf 2021 verschoben.

(16)

Der soziale Dialog ist insbesondere auf Sektorebene durch eine niedrige tarifvertragliche Abdeckungsquote gekennzeichnet, was auch auf die derzeitige Definition der Sektoren zurückzuführen ist. Die Behörden haben eine Überarbeitung der Definition der Wirtschaftszweige in die Wege geleitet, über die jedoch noch keine Einigung erzielt wurde. Über den Rahmen der Tarifverhandlungen hinaus ist die rechtzeitige, sinnvolle Einbindung der Sozialpartner in politische Beratungen und Reformen begrenzt. Der soziale Dialog findet formal zum größten Teil im Wirtschafts- und Sozialrat und in den Ausschüssen für den sozialen Dialog statt. Trotz des bestehenden Rahmens für Dialog und Konsultationen sind jedoch Stabilität und Rolle dieser Einrichtungen im vergangenen Jahr geschwächt worden.

(17)

Nach Jahren moderaten Lohnwachstums gehört Rumänien zurzeit zu den Ländern mit dem schnellsten Lohnanstieg in der Union. Gründe hierfür sind die staatlichen Maßnahmen zur Erhöhung der öffentlichen Ausgaben und der Mindestlöhne, die auf ein Rekordtief gesunkene Arbeitslosenquote und der strukturelle Arbeitskräftemangel. Der Mindestlohn wird weiterhin unsystematisch und ohne objektiven Mechanismus festgesetzt. Sein kontinuierlicher Anstieg im Laufe der Jahre hat dazu geführt, dass 2017 einer von drei Beschäftigten den Mindestlohn erhielt; diese Quote liegt fast viermal so hoch wie 2011.

(18)

Das Gesundheitssystem steht vor zahlreichen Herausforderungen. Die geringe Mittelausstattung, die ineffiziente Nutzung der öffentlichen Mittel und der Reformstau schränken die Wirksamkeit des Gesundheitssystems ein. Die anhaltende Abwanderung hat zu einem erheblichen Mangel an Ärzten und Pflegepersonal geführt. Die Gesundheitsinfrastruktur und die weitverbreiteten informellen Zahlungen geben weiterhin Anlass zur Sorge. Die Bewohner ländlicher Gebiete und benachteiligte Gruppen haben nur einen begrenzten Zugang zu Gesundheitsdiensten. Diese Faktoren wirken sich wiederum negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung aus, die trotz der jüngsten Verbesserungen weiter unter dem Unionsdurchschnitt liegt. Verbesserungen in der wohnortnahen Betreuung sind dringend erforderlich, verzögern sich jedoch. Das Pilotprojekt zur Einrichtung wohnortnaher Versorgungszentren hat mit einer Verzögerung begonnen, die sich auf die Einführung integrierter Versorgungsleistungen auswirkt. Die Langzeitpflege ist nicht auf eine rasch alternde Bevölkerung vorbereitet. Es gibt nur sehr wenige Dienste für häusliche Pflege und Tagespflege, die wiederum vor allem in Gebieten mit höherem Einkommen tätig sind. Die Abdeckungsquote der Langzeitpflege und die dafür vorgesehenen öffentlichen Ausgaben gehören zu den niedrigsten in der Union, auch der Zugang zu Langzeitpflege, Rehabilitation und Palliativpflege ist unzureichend.

(19)

Die Qualität der Infrastruktur, unter anderem in den Bereichen Verkehr, Energie, Abfall und Abwasser, ist weiterhin unzureichend und beeinträchtigt die Wachstumsaussichten Rumäniens. Trotz erheblicher öffentlicher Investitionen nach dem Unionsbeitritt Rumäniens ist die physische Infrastruktur nach wie vor unterentwickelt. Der allgemeine Zustand und die Zuverlässigkeit der Straßen- und Schienennetze sind sehr schlecht. Die Infrastruktur hält nicht mit dem höheren Verkehrsaufkommen einer wachsenden Wirtschaft Schritt. Das Straßennetz gehört zu den am wenigsten entwickelten in der EU, und die Reform des Eisenbahnsektors kommt nicht voran. Die durch den Straßenverkehr verursachten Treibhausgasemissionen sind in den letzten fünf Jahren stark gestiegen. Zudem haben die viel zu geringen Investitionen in die Instandhaltung zu einer niedrigeren Zuggeschwindigkeit und längeren Lieferzeiten im Schienengüterverkehr geführt. Der Nahverkehr leidet unter chronischer Unterfinanzierung, schlechter Organisation des Sektors und unzureichenden Verwaltungskapazitäten der lokalen Anbieter. Außerdem weisen die Infrastrukturen in den Bereichen Energie, Abfall, Wasser und Abwasser sowie die Energieverbundnetze immer noch Mängel auf. Das Abfallbewirtschaftungssystem ist nach wie vor durch ein sehr geringes Recycling von Siedlungsabfällen und sehr hohe Deponiequoten gekennzeichnet. Im Hinblick auf die Erreichung des Energieeffizienzziels besteht weiter Handlungsbedarf, vor allem in Bezug auf die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden.

(20)

Die Innovationsfähigkeit Rumäniens bleibt insgesamt gering, und die künftige Wettbewerbsfähigkeit des Landes ist durch den großen Produktivitäts- und Innovationsrückstand der einheimischen Unternehmen gegenüber den in ausländischem Besitz befindlichen Unternehmen gefährdet. Die Investitionen Rumäniens in Forschung und Entwicklung sind die niedrigsten in der Union (0,5 % des BIP); die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung gingen weiter von 0,32 % des BIP im Jahr 2011 auf 0,21 % des BIP im Jahr 2017 zurück, was einen Kapazitätsaufbau behindert. Dies hat zur Folge, dass die Qualität der öffentlichen Wissenschaftsbasis nach wie vor sehr gering ist und die Verbindungen zwischen Wissenschaft und Unternehmen unterentwickelt sind. Da die Zahl der Hochschulabsolventen in den Bereichen Naturwissenschaften, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik ebenfalls weiter zurückgegangen ist, stellen Kompetenzdefizite eine große Herausforderung für das Innovationspotenzial der rumänischen Wirtschaft dar. Ohne Digitalisierung wird Rumänien seine Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit nicht verbessern können. Bei vielen Komponenten des Digitalen Wirtschafts- und Sozialindex schneidet Rumänien schlecht ab, darunter digitale öffentliche Dienstleistungen, digitale Kompetenzen der Gesamtbevölkerung und Digitalisierung der Unternehmen.

(21)

Begrenzte Fortschritte hat Rumänien bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlung zur Verbesserung der Priorisierung und Ausarbeitung öffentlicher Investitionsvorhaben erzielt. Für die Erstellung einer Prioritätenliste für öffentliche Investitionsvorhaben von über 100 Mio. RON (21 Mio. EUR) und für die Überwachung ihrer Durchführung ist das Finanzministerium zuständig, die Projekte selbst werden jedoch von den Fachministerien verwaltet. Die Liste vorrangiger Projekte umfasst derzeit 136 Projekte, vor allem im Verkehrsbereich, von denen die meisten aus den Fonds der Union kofinanziert werden könnten. Die Inanspruchnahme von Unionsmitteln wird unter anderem durch die begrenzten Verwaltungskapazitäten für die Ausarbeitung, Priorisierung und Durchführung großer Investitionsvorhaben gebremst. Auch wenn seit einiger Zeit große Infrastrukturprojekte ausgearbeitet und der Europäischen Kommission zur Genehmigung vorgelegt werden, fehlen wichtige Projekte wie die Autobahn Sibiu-Pitești (die die Anbindung an die TEN-V-Korridore Rhein-Donau und Orient-Östliches Mittelmeer gewährleistet) und kommt die Umsetzung im Allgemeinen weiter nur schleppend voran. Zudem erfolgte die Abschöpfung von Unionsmitteln bisher vor allem für Projekte, die für den vorangegangenen Programmplanungszeitraum ausgearbeitet worden waren, während eine vollständige Liste neuer Projekte für den laufenden Programmplanungszeitraum erst noch erstellt werden muss.

(22)

Ein effizientes öffentliches Auftragswesen ist ausschlaggebend für die Erreichung wichtiger politischer Ziele in Rumänien, darunter effiziente öffentliche Ausgaben, die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung und die Förderung von Innovation sowie von nachhaltigem und inklusivem Wachstum. Bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlung, die Transparenz des öffentlichen Auftragswesens zu verbessern, hat Rumänien begrenzte Fortschritte erzielt. Die Effizienz des öffentlichen Auftragswesens bleibt ein Problem, da die Unumkehrbarkeit bestimmter Maßnahmen, insbesondere die Straffung der Ex-ante-Kontrolle, auf dem Spiel steht. In der nationalen Strategie für das öffentliche Auftragswesen wird die Bedeutung einer einheitlichen Ex-ante-Kontrolle durch die Nationale Agentur für das öffentliche Auftragswesen betont. Jedoch drohen wiederkehrende Gesetzesinitiativen die Verwirklichung der in der Strategie formulierten Ziele zu untergraben. Die Vorhersehbarkeit und die Stabilität der Rechtsvorschriften für das öffentliche Auftragswesen stellen nach wie vor große Herausforderungen dar, und die nationale Strategie für das öffentliche Auftragswesen wird nicht vollständig umgesetzt.

(23)

Die Gestaltung der öffentlichen Politik ist zunehmend unberechenbar und belastet das Unternehmensumfeld. Jüngstes Beispiel ist die per Notverordnung der Regierung ohne Konsultation der Interessenträger und ohne Folgenabschätzung erfolgte Einführung einer Reihe weitreichender Maßnahmen, die sich auf das Funktionieren des Bankensektors, auf die Verwalter der die zweite Säule des Rentensystems bildenden Fonds sowie auf Energie- und Telekommunikationsunternehmen auswirken. Die Abschätzung der Folgen von Rechtsakten wird weiterhin als reine Formsache betrachtet, ihre Qualität und tatsächliche Nutzung sind je nach Bereich sehr unterschiedlich. Es findet nur eine begrenzte Kontrolle der Qualität der Folgenabschätzungen und der Politikgestaltung statt. Es besteht kein nachhaltiger politischer Überwachungsmechanismus mit einem transparenten Berichtssystem und Ex-post-Evaluierungen. Wichtige Gesetzesvorhaben werden häufig erst kurz vor der Verabschiedung angekündigt. Interessenträger werden nur eingeschränkt in die Planung und Durchführung von Reformen miteinbezogen, und ein echter Dialog wird selten geführt, obwohl die entsprechenden institutionellen Strukturen vorhanden sind. Von den schwerfälligen Verwaltungsverfahren sind besonders kleine und mittlere Unternehmen betroffen. Zum Beispiel behindern aufwendige Verwaltungsverfahren für die Gründung von Unternehmen sowie Regulierungsauflagen, die Dienstleistern wie auch reglementierten Berufen auferlegt werden, die weitere Marktentwicklung. Der Erlass der Rechtsvorschriften für das Personalmanagement in der öffentlichen Verwaltung hat sich weiter verzögert. Eine starke Fragmentierung der Zuständigkeiten und Ressourcen beeinträchtigt die Kohärenz und Verfügbarkeit öffentlicher Dienstleistungen, vor allem auf lokaler Ebene. Die nationalen und regionalen Strategien für die verschiedenen öffentlichen Dienstleistungen werden nicht gut in integrierte Maßnahmen auf regionaler und lokaler Ebene umgesetzt. Die Finanzierung der öffentlichen Dienstleistungen ist innerhalb des Landes uneinheitlich und entspricht häufig nicht dem Bedarf vor Ort. Faktoren wie ein einheitliches strategisches Konzept für die einzelnen Arten von Dienstleistungen, bestehende Lücken und die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Dienstleistungen werden außer Acht gelassen. Die Einnahmen der lokalen Gebietskörperschaften sind nicht ausreichend stabil und vorhersehbar. Es wurden nur begrenzte Maßnahmen getroffen, um ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den zu dezentralisierenden Zuständigkeiten und der Zuweisung von Finanzmitteln zu schaffen, damit die lokalen Behörden hochwertige Dienstleistungen erbringen können. Zusätzliche Maßnahmen sind notwendig, um die Verwaltungskapazitäten auf lokaler Ebene auszubauen.

(24)

In Sektoren mit kritischen Infrastrukturen wie Energie und Schienenverkehr spielen staatseigene Unternehmen eine zentrale Rolle. Ihre wirtschaftliche und finanzielle Leistung hat sich in jüngster Zeit aufgrund eines günstigen makroökonomischen Umfelds verbessert. Dies gilt jedoch nicht für Transparenz und Offenlegung der finanziellen und operativen Ergebnisse, und die Vorschriften über die Führung und Kontrolle der Unternehmen werden nach wie vor nur in sehr begrenztem Umfang angewendet. Konkrete Beispiele sind etwa die dem Geist des Gesetzes widersprechende wiederholte Einsetzung von Interimsgremien und die Nichtanwendung der Durchsetzungsinstrumente, die nach den Rechtsvorschriften gegen nicht vorschriftsmäßig arbeitende Unternehmen eingesetzt werden können. Die Gefahr, dass die Rechtsvorschriften über staatseigene Unternehmen erheblich verwässert werden könnten, hat sich nicht verringert. Dies bedeutet, dass Fortschritte, die bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen von 2015 und 2016 erzielt wurden, wieder rückgängig gemacht worden sind. Dadurch werden wesentliche Voraussetzungen für die Förderung einer effizienten Nutzung öffentlicher Mittel beeinträchtigt, sodass Raum für verzerrte Investitionsentscheidungen entsteht. Die Übertragung des Eigentums an mehreren großen staatseigenen Unternehmen auf den neuen Staatlichen Entwicklungs- und Investmentfonds wird eine gewissenhafte Umsetzung strenger Vorschriften über die Führung und Kontrolle von Unternehmen sowohl bei dem Fonds als auch bei den zu seinem Portfolio gehörenden Unternehmen erfordern.

(25)

Einige Entwicklungen des vergangenen Jahres haben Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit in Rumänien aufgeworfen und die bereits bestehenden Bedenken hinsichtlich der Unumkehrbarkeit und Nachhaltigkeit der bisherigen Fortschritte des Landes bei der Reform seines Justizwesens und der Bekämpfung der Korruption auf hoher Ebene bestärkt. Diese Angelegenheiten werden im Verfahren für die Zusammenarbeit und Überprüfung der Fortschritte aufmerksam verfolgt. Die Änderungen zu drei Justizgesetzen sind jetzt in Kraft und umfassen eine Reihe von Maßnahmen, die die gesetzlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz schwächen. Diese Maßnahmen dürften sowohl die Wirksamkeit der täglichen Arbeit von Richtern und Staatsanwälten als auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz untergraben. Es wird Druck auf die Rechtsprechungsorgane und auf die einzelnen Richter ausgeübt, unter anderem durch die Einrichtung einer besonderen Abteilung für die Verfolgung von Straftaten, die mutmaßlich von Richtern begangen wurden. Die derzeit betriebene Änderung des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung würde sich negativ auf die Wirksamkeit strafrechtlicher Ermittlungen und Verfahren auswirken und auch den Straftatbestand der Korruption einschränken. Weitere Bedenken betreffen die Verfahren für die Entlassung und Ernennung hoher Richter. Die jüngsten Ankündigungen lassen darauf schließen, dass die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Reform des Justizwesens noch einmal überdacht werden könnten.

(26)

Die Justizreform und die Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in Rumänien werden von der Kommission im Verfahren für die Zusammenarbeit und Überprüfung der Fortschritte weiter genau beobachtet. Diese Bereiche sind daher nicht Gegenstand der länderspezifischen Empfehlungen für Rumänien, sie sind aber für die Entwicklung eines positiven sozioökonomischen Umfelds in dem Land von Belang.

(27)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. Das würde es Rumänien ermöglichen, diese Mittel unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen. Die Stärkung der administrativen Kapazitäten des Landes für die Verwaltung dieser Mittel ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieser Investitionen.

(28)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Rumäniens umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Konvergenzprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Rumänien gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Rumänien berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(29)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Konvergenzprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme (12) hierzu spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider.

(30)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Konvergenzprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen nach Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1, 2, 3 und 5 wider. Die in Empfehlung 1 genannten haushaltspolitischen Maßnahmen tragen unter anderem dazu bei, die mit der Wettbewerbsfähigkeit und der außenwirtschaftlichen Position verbundenen Ungleichgewichte anzugehen —

EMPFIEHLT, dass Rumänien 2019 und 2020

1.   

die Befolgung der Empfehlung des Rates vom 14. Juni 2019 im Hinblick auf die Behebung der erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel sicherstellt; die vollständige Anwendung des haushaltspolitischen Rahmens gewährleistet; die Einhaltung der Steuervorschriften und die Steuererhebung verbessert.

2.   

die Finanzstabilität und die Solidität des Bankensektors sichert; die Tragfähigkeit des öffentlichen Rentensystems und die langfristige Rentabilität der Fonds gewährleistet, die die zweite Säule des Rentensystems bilden.

3.   

die Qualität und Inklusivität des Bildungswesens verbessert, insbesondere für die Roma und andere benachteiligte Gruppen; die Kompetenzen verbessert, auch im digitalen Bereich, und zu diesem Zweck insbesondere die Relevanz der Berufs- und Hochschulbildung für den Arbeitsmarkt erhöht; die Reichweite und Qualität der Sozialdienste verbessert und die Reform des garantierten Mindesteinkommens abschließt; den sozialen Dialog verbessert; sicherstellt, dass der Mindestlohn auf der Grundlage objektiver Kriterien festgesetzt wird und mit den Zielen der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Wettbewerbsfähigkeit vereinbar ist; den Zugang zu Gesundheitsdiensten und ihre Kosteneffizienz unter anderem durch den Übergang zur ambulanten Versorgung verbessert.

4.   

den Verkehr und vor allem dessen Nachhaltigkeit, kohlenstoffarme Energie und Energieeffizienz, die Umweltinfrastruktur sowie Innovation unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede in den Mittelpunkt seiner investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik stellt; die Ausarbeitung und Priorisierung von Großprojekten verbessert und ihre Durchführung beschleunigt; die Effizienz des öffentlichen Auftragswesens verbessert und für die vollständige und nachhaltige Umsetzung der nationalen Strategie für das öffentliche Auftragswesen sorgt.

5.   

sicherstellt, dass Gesetzesinitiativen nicht die Rechtssicherheit beeinträchtigen, und zu diesem Zweck die Qualität und Vorhersehbarkeit des Entscheidungsprozesses verbessert, unter anderem durch eine geeignete Konsultation der Interessenträger, aussagekräftige Folgenabschätzungen und gestraffte Verwaltungsverfahren; die Führung und Kontrolle staatseigener Unternehmen stärkt.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 98.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(5)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(6)  Empfehlung des Rates vom 22. Juni 2018 im Hinblick auf die Behebung der festgestellten erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel in Rumänien (ABl. C 223 vom 27.6.2018, S. 3).

(7)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(8)  Beschluss (EU) 2018/2020 des Rates vom 4. Dezember 2018 zur Feststellung, dass Rumänien auf die Empfehlung des Rates vom 22. Juni 2018 nicht mit wirksamen Maßnahmen reagiert hat (ABl. L 323 vom 19.12.2018, S. 16).

(9)  Empfehlung des Rates vom 4. Dezember 2018 im Hinblick auf die Behebung der festgestellten erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel in Rumänien (ABl. C 460 vom 21.12.2018, S. 1).

(10)  Beschluss (EU) 2019/1002 des Rates vom 14. Juni 2019 zur Feststellung, dass Rumänien auf die Empfehlung des Rates vom 4. Dezember 2018 nicht mit wirksamen Maßnahmen reagiert hat (ABl. L 163 vom 20.6.2019, S. 62).

(11)  Empfehlung des Rates vom 14. Juni 2019 im Hinblick auf die Behebung der festgestellten erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel in Rumänien (ABl. C 210 vom 21.6.2019, S. 1).

(12)  Gemäß Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/143


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Sloweniens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Sloweniens 2019

(2019/C 301/24)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Slowenien nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Slowenien die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 1 bis 3 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere wird die Verringerung der regulatorischen Beschränkungen dazu beitragen, die erste Euro-Währungsgebiet-Empfehlung (widerstandsfähige Produkt- und Dienstleistungsmärkte) anzugehen, während die gezielte Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik in den spezifizierten Bereichen auf die zweite Euro-Währungsgebiet-Empfehlung (Investitionsförderung) abstellt.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Slowenien wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Sloweniens bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet.

(4)

Am 15. April 2019 übermittelte Slowenien sein nationales Reformprogramm 2019 und am 26. April 2019 sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Bei der Programmplanung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme sowie zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Slowenien befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt der Schuldenregel. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 geht die Regierung davon aus, dass der Gesamtüberschuss im Jahr 2019 auf 0,9 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen und im Jahr 2022 1,2 % des BIP erreichen wird. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos soll das mittelfristige Haushaltsziel — das von einem strukturellen Überschuss von 0,25 % des BIP im Jahr 2019 in ein strukturelles Defizit von 0,25 % des BIP ab 2020 abgeändert wurde — bis zum Jahr 2021 erreicht werden (6). Dem Stabilitätsprogramm 2019 zufolge wird die gesamtstaatliche Schuldenquote voraussichtlich weiter zurückgehen, und zwar auf 65,4 % des BIP im Jahr 2019 und auf 54,7 % des BIP im Jahr 2022. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist günstig.

(7)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat Slowenien sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben (7) im Jahr 2019 3,1 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,65 % des BIP entspricht. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass im Jahr 2019 das Risiko einer erheblichen Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel besteht.

(8)

Im Jahr 2020 dürfte Slowenien sein mittelfristiges Haushaltsziel erreichen. Auf der Grundlage der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission entspricht dies einer nominalen Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben von höchstens 4,0 %, was eine strukturelle Anpassung in Höhe von 0,5 % des BIP bedeutet. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass Slowenien bei einer unveränderten Politik im Jahr 2020 seinem mittelfristigen Haushaltsziel nahe kommen wird. Die aktuelle Bewertung weist somit auf das Risiko einer gewissen Abweichung im Jahr 2020 hin. Während die projizierte nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben derzeit auf das Risiko einer gewissen Abweichung von der Anforderung im Jahr 2020 hinzudeuten scheint, lässt sie für die Jahre 2019 und 2020 zusammengenommen auf das Risiko einer erheblichen Abweichung von der Anforderung schließen. Sollte der strukturelle Saldo bei künftigen Bewertungen nicht mehr in der Nähe des mittelfristigen Haushaltsziels liegen, müsste bei der Gesamtbewertung eine mögliche Abweichung von der Anforderung berücksichtigt werden. Slowenien wird die Schuldenregel in den Jahren 2019 und 2020 voraussichtlich einhalten. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass die erforderlichen Maßnahmen im Jahr 2019 getroffen werden sollten und dass Slowenien bereit sein muss, ab 2020 weitere Maßnahmen zu ergreifen, um den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu entsprechen.

(9)

Infolge der Bevölkerungsalterung werden das Gesundheits- und das Langzeitpflegesystem Sloweniens zunehmend unter Druck geraten. Die Finanzierung des Gesundheitswesens ist nicht auf den Kostenanstieg abgestimmt, der angesichts der Bevölkerungsalterung zu erwarten steht. Bislang hat Slowenien keine umfassenden Maßnahmen angenommen, um die Qualität, die Zugänglichkeit und die langfristige finanzielle Tragfähigkeit der Gesundheitsversorgung in Slowenien sicherzustellen. Im Rahmen der slowenischen Strategie für aktives Altern wird derzeit ein Entwurf für ein Langzeitpflegegesetz ausgearbeitet. Es ist jedoch nach wie vor unklar, wie durch die geplanten Maßnahmen die Kostenwirksamkeit, die Zugänglichkeit und die Qualität der Pflege verbessert werden sollen; die Vergabe öffentlicher Aufträge im Gesundheitswesen dürfte allerdings durch eine verbesserte Koordinierung kostengünstiger werden. Investitionen in Gesundheits- und Langzeitpflegestrukturen und -hilfsmittel könnten dazu beitragen, den auf den Pflegesystemen lastenden Druck zu verringern.

(10)

Eine Lösung der Probleme im Zusammenhang mit der langfristigen Tragfähigkeit und Angemessenheit des Rentensystems wird immer dringlicher, denn die slowenische Bevölkerung altert schneller als die Bevölkerung in den meisten anderen Mitgliedstaaten. Dem im Jahr 2017 vom Wirtschafts- und Sozialgremium angenommenen Papier „Ansatzpunkte für die Modernisierung der Renten- und Invaliditätsversicherung in der Republik Slowenien“ zufolge wollten die Sozialpartner und die ehemalige Regierung bis 2020 eine Reform beschließen. Im Nationalen Reformprogramm 2019-2020 wird eine Überarbeitung des Rentensystems in Betracht gezogen, um die mittel- bis langfristige Tragfähigkeit des Systems und angemessene Rentenniveaus zu gewährleisten. Außerdem ist in dem Programm das Ziel festgelegt, das Erwerbsleben zu verlängern und eine verbesserte Nutzung des Arbeitskraftpotenzials älterer Arbeitnehmer zu ermöglichen. Es wird jedoch nicht ausgeführt, wie und wann dieses Ziel erreicht werden soll. Durch eine Anpassung des gesetzlichen Rentenalters an die gestiegene Lebenserwartung und die Förderung eines späteren Eintritts in den Ruhestand könnte die Tragfähigkeit des Systems verbessert werden. Die Gewährleistung angemessener Renten stellt nach wie vor eine Herausforderung dar, da ein Teil der Rentenempfänger noch immer an bzw. unterhalb der Armutsgrenze lebt. Fast 70 % aller Selbstständigen in Slowenien entscheiden sich dafür, nur den Mindest-Sozialversicherungsbeitrag zu entrichten, der lediglich einen Anspruch auf die Mindestaltersrente begründet. Die Angemessenheit der Renten könnte weiter verbessert werden, indem der Abdeckungsgrad der ergänzenden Altersversorgungssysteme gesteigert wird, eine geeignete Herangehensweise im Hinblick auf sich verändernde berufliche Laufbahnen gewählt und Risiken für Altersarmut verringert werden.

(11)

Bei der Beschäftigung setzte sich der Aufwärtstrend fort, und die Arbeitslosenquote ging 2019 weiter zurück. Gleichzeitig liegt die Langzeitarbeitslosigkeit nach wie vor über dem Vorkrisenniveau. Noch immer ist fast die Hälfte aller Arbeitslosen von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Herausforderungen bleiben vor allem in Bezug auf geringqualifizierte und ältere Arbeitnehmer bestehen, deren Erwerbs- und Beschäftigungsquoten weiterhin zu den niedrigsten in der Union zählen. Ihre Teilnahme an der Erwachsenenbildung fällt sehr gering aus. Die Bewertung von Maßnahmen, mit denen Menschen zur Aufnahme einer Arbeit oder Ausbildung ermutigt werden sollen, zeigt, dass die meisten bestehenden Programme gut funktionieren. Allerdings bleiben die Ausgaben in diesem Bereich und die Teilnahme geringqualifizierter und älterer Arbeitsloser an den Programmen nach wie vor begrenzt. Daher kommt Investitionen in wirksame Maßnahmen zur Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit geringqualifizierter und älterer Arbeitnehmer, auch im Bereich der digitalen Kompetenzen, besondere Bedeutung zu. Eine Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Arbeitskräfte würde ebenfalls dazu beitragen, den auf dem Rentensystem lastenden Druck zu verringern. Wenngleich die Arbeitsmarktreform 2013 eindeutig dazu beigetragen hat, dass bestimmte benachteiligte Gruppen in den Arbeitsmarkt eingetreten sind, ist die befristete Beschäftigung nach wie vor ein Problem. Der Anteil der Personen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, ist gesunken, liegt aber, was ältere Menschen betrifft, nach wie vor über dem Unionsdurchschnitt.

(12)

In immer mehr Wirtschaftssektoren sind Anzeichen für einen Arbeitskräftemangel zu beobachten. Ein Missverhältnis zwischen den Fertigkeiten, die junge Menschen während ihrer Ausbildung erwerben, und den Qualifikationen, die von den Arbeitgebern nachgefragt werden, scheint zu solchen Engpässen beizutragen. Zusammen mit den funktionellen Mängeln der Innovationsökosysteme behindern diese Defizite den industriellen Wandel in den prioritären Bereichen der Strategie für eine intelligente Spezialisierung, die in Abstimmung mit Interessenträgern festgelegt wurde. Die Entwicklung digitaler Kompetenzen bei den zukünftigen Arbeitskräften ist von entscheidender Bedeutung, um dem Bedarf der Wirtschaft gerecht zu werden.

(13)

Einige Maßnahmen wurden ergriffen bzw. sind geplant, um die Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen in Slowenien zu verbessern und ihnen Alternativen zu Bankkrediten zu bieten. Dennoch stützen sich die slowenischen Unternehmen nach wie vor stark auf Bankkredite und Cashflow, um ihren Finanzierungsbedarf zu decken. Der Zugang zu privatem Beteiligungskapital ist nach wie vor nur in geringem Maße gegeben. Bei der Bereitstellung von Risikokapital ist ein Wachstum zu verzeichnen, wenn auch von einem sehr niedrigen Niveau aus. Die Marktkapitalisierung der Börse in Ljubljana ist gering und schrumpft weiter. Der Zufluss von Beteiligungs- und Risikokapital in das Land wird durch die geringe Größe und die Unterentwicklung des Kapitalmarkts in Verbindung mit ungünstigen Rahmenbedingungen, darunter auch die geringe Finanzkompetenz kleinerer Unternehmen, behindert. Der schwierige Zugang zu Beteiligungskapital bildet ein Wachstumshemmnis für innovative Unternehmen, aber auch für etablierte Unternehmen, die von einer Änderung ihrer Finanzierung profitieren könnten.

(14)

Die Unternehmen in Slowenien werden durch die dort nach wie vor hohe Belastung aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften ausgebremst. Diese Belastung wird als ein zentrales Problem für die Geschäftstätigkeit in Slowenien betrachtet. Sie betrifft Aspekte wie Genehmigungen, Berichtspflichten, Steuerverfahren und häufig langwierige Gerichtsverfahren. Auch Schwierigkeiten bei der Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität beeinträchtigen die Rahmenbedingungen für Unternehmen. Slowenien hat Instrumente geschaffen, um den Verwaltungsaufwand zu verringern, u. a. das SPOT-Portal („Slovenska poslovna točka“)und das „Einheitspapier“. Damit wurden mehrere der festgestellten Schwierigkeiten angegangen. Viele der Maßnahmen zur Verringerung der Belastungen stehen jedoch noch aus, und bei einigen Maßnahmen, die umgesetzt wurden, blieben die erzielten Ergebnisse hinter den Erwartungen zurück. Slowenien hat zudem einige Reformen zur Liberalisierung restriktiver Anforderungen im Bereich der freien Berufe durchgeführt. Ein Teil der in den Empfehlungen der Kommission von 2017 aufgegriffenen Aspekte wurde jedoch nicht angegangen; dies betrifft insbesondere die einschlägigen Vorschriften im Zusammenhang mit Rechtsanwälten und Immobilienmaklern.

(15)

Trotz einiger Fortschritte bestehen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens in Slowenien Schwächen hinsichtlich des Wettbewerbs und der Transparenz; dies zeigt sich insbesondere an dem hohen Anteil der Verträge, die im Verhandlungsverfahren (ohne Ausschreibung) vergeben werden. Die Schutzvorkehrungen gegen Korruption und geheime Absprachen zwischen den Bietern sind nach wie vor unzureichend, vor allem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch lokale Verwaltungen und staatseigene Unternehmen. Was die unabhängige Aufsicht im öffentlichen Auftragswesen betrifft, fehlt es an ausreichenden rechtlichen Vorkehrungen gegen Druck oder Einflussnahme von außen; dies gilt insbesondere mit Blick auf die Disziplinarverfahren und den Vorschlag zur Ernennung der Mitglieder der Staatlichen Revisionskommission. Ein Aktionsplan zur Steigerung der Professionalisierung der an Vergabeverfahren Beteiligten wurde aufgestellt, doch der Professionalisierungsgrad ist nach wie vor gering. Wenngleich nach Schätzungen der Behörden Wirtschaftskriminalität und Korruption in den letzten Jahren erhebliche Schäden verursacht haben, sind einige Reformen zur Korruptionsbekämpfung immer noch anhängig.

(16)

Trotz der Privatisierung von 75 % minus eine Aktie der größten slowenischen Bank, Nova Ljubljanska Banka, ist die Präsenz des Staates in der Wirtschaft nach wie vor hoch; dies trifft auch im Finanzsektor zu. Die zuvor veröffentlichten Pläne für Privatisierungen wurden nur langsam umgesetzt. Ein Voranschreiten bei der Privatisierung würde die Rentabilität der Unternehmen langfristig steigern und die Risiken für die öffentlichen Finanzen sowie das Risiko von Verzerrungen des Wettbewerbs und der Ressourcenallokation mindern. Ein weiterer Verkauf von Anteilen an börsennotierten Gesellschaften würde zudem dazu beitragen, den slowenischen Kapitalmarkt weiterzuentwickeln.

(17)

Das Ökosystem für Forschung, Entwicklung und Innovation muss verbessert werden, damit es voll funktionsfähig wird, und Fördermaßnahmen sind oft nicht kohärent. Die begrenzte Unterstützung für unternehmerische Bildung und Technologietransfer sowie, ganz allgemein, die geringe Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Unternehmen stehen der Gründung und dem Ausbau innovativer Unternehmen entgegen. Die meisten kleinen und mittleren Unternehmen in Slowenien haben nur eine geringe Innovationskapazität; so ist der Anteil innovativer Unternehmen in Slowenien sogar rückläufig und liegt unter dem Unionsdurchschnitt. Der digitale Wandel vollzieht sich in Slowenien nur langsam, wodurch das Produktivitätswachstum eingeschränkt wird. Zwischen den östlichen und westlichen Landesteilen Sloweniens bestehen Diskrepanzen hinsichtlich der Innovationsleistung, die die Zusammenarbeit und Vernetzung hemmen. Slowenien hat die Fortschritte, die bei der Erreichung des für 2020 gesteckten Ausgabenziels im Bereich der Forschung und Entwicklung erzielt worden sind, wieder eingebüßt. Dabei würde ein Anstieg der Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation das Wachstumspotenzial des Landes stärken. Slowenien weist auf allen Ebenen der postsekundären Bildung nur einen geringen Anteil an ausländischen Studierenden auf, insbesondere auf Promotionsebene. Die internationale Mobilität von Wissenschaftlern und die Mobilität zwischen Hochschulen und Industrie bleiben begrenzt.

(18)

Für den Zeitraum bis 2030 hat Slowenien in seinem Entwurf für einen nationalen Energie- und Klimaplan Ziele für Energieinfrastruktur, Energieeffizienz und erneuerbare Energien festgelegt, die durchweg angemessene Investitionen erfordern. Die slowenische Wirtschaft hat einen höheren CO2-Ausstoß als der Unionsdurchschnitt, und der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Energieerzeugung stagniert. Die Entwicklung der Nutzung erneuerbarer Energiequellen mit Ausnahme von Holz und Wasserkraft verläuft nur sehr langsam. In der slowenischen Industrie entfällt auf den Dienstleistungs- und den Wohnungssektor ein höherer Anteil am Gesamtendenergieverbrauch als im Unionsdurchschnitt. Darüber hinaus ist die vorhandene Energiespeicherkapazität unterentwickelt und entspricht somit nicht dem Bedarf, der sich aus der nicht integrierten lokalen Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen ergibt.

(19)

Der Verkehrssektor ist mittlerweile der größte Verursacher von CO2-Emissionen: Sein Anteil an den Gesamtemissionen liegt über dem Unionsdurchschnitt. Die starke Abhängigkeit Sloweniens vom Straßenverkehr bewirkt eine hohe Energie- und CO2-Intensität sowie Luftverschmutzung und Verkehrsunfälle. Es besteht ein erheblicher Spielraum für Verbesserungen in der Schieneninfrastruktur sowie im Bereich CO2-armer und nachhaltiger Verkehr im Allgemeinen. Verbesserungen in diesen Bereichen könnten dazu beitragen, diese negativen Auswirkungen zu verringern. Auch im Hinblick auf die natürlichen Ressourcen verbleiben erhebliche Investitionslücken, die geschlossen werden müssten, um ein nachhaltigeres Entwicklungsmodell zu gewährleisten. Die slowenische Wirtschaft ist von ihrer natürlichen Umwelt abhängig, wo sich die Lage aber verschlechtert. Die starke Abhängigkeit von Rohstoffimporten und die geringen Recyclingraten bremsen den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft. Das kommunale Abwassersystem, einschließlich der Infrastruktur für die Abwassersammlung und -behandlung, entspricht nicht in vollem Umfang den Unionsanforderungen. Erhebliche Teile der slowenischen Wirtschaft sind für Naturkatastrophen, insbesondere Überschwemmungen, anfällig.

(20)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. Das würde es Slowenien ermöglichen, diese Mittel unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen. Die Stärkung der administrativen Kapazitäten des Landes für die Verwaltung dieser Mittel ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieser Investitionen.

(21)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Sloweniens umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019 und das Nationale Reformprogramm 2019 sowie die Maßnahmen zur Umsetzung der an Slowenien gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Slowenien berücksichtigt, sondern auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet. Dies spiegelt die Notwendigkeit wider, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken.

(22)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (8) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider —

EMPFIEHLT, dass Slowenien 2019 und 2020

1.   

sein mittelfristiges Haushaltsziel im Jahr 2020 erreicht; Reformen im Bereich des Gesundheits- und des Langzeitpflegesystems erlässt und umsetzt, die die Qualität, die Zugänglichkeit und die langfristige finanzielle Tragfähigkeit der Systeme gewährleisten; die langfristige Tragfähigkeit und Angemessenheit des Rentensystems gewährleistet, auch durch die Anpassung des gesetzlichen Renteneintrittsalters und die Einschränkung der Frühverrentung und anderer Formen des frühzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsmarkt; die Beschäftigungsfähigkeit von geringqualifizierten und älteren Arbeitnehmern durch Verbesserung der Arbeitsmarktrelevanz der allgemeinen und beruflichen Bildung, lebenslanges Lernen und Aktivierungsmaßnahmen, u. a. durch bessere digitale Kompetenzen, steigert;

2.   

die Entwicklung der Aktienmärkte unterstützt; die Rahmenbedingungen für Unternehmen durch Verringerung der regulatorischen Beschränkungen und des Verwaltungsaufwands verbessert; den Wettbewerb, die Professionalisierung und die unabhängige Aufsicht im öffentlichen Auftragswesen stärkt; gemäß den vorliegenden Plänen Privatisierungen vornimmt;

3.   

den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik — unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede — auf Forschung und Innovation, die Senkung der CO2-Emissionen und die Energiewende, einen nachhaltigen Verkehrssektor, insbesondere mit Blick auf den Schienenverkehr, sowie auf Umweltinfrastruktur legt.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 103.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(8)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/148


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm der Slowakei 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm der Slowakei 2019

(2019/C 301/25)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, womit das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie die Slowakei nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte die Slowakei die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den Empfehlungen 2 bis 4 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere werden Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung und Verbesserung des Justizwesens dazu beitragen, der ersten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet in Bezug auf die Qualität der Institutionen nachzukommen, wird die gezielte Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die angegebenen Bereiche einen Beitrag zur Umsetzung der zweiten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet im Hinblick auf die Investitionsförderung leisten und werden Maßnahmen zur Verbesserung des Kompetenz- und Qualifikationsniveaus dazu beitragen, die dritte Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet im Zusammenhang mit dem Funktionieren des Arbeitsmarkts umzusetzen.

(3)

Der Länderbericht 2019 für die Slowakei wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte der Slowakei bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung ihrer nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet.

(4)

Am 25. April 2019 übermittelte die Slowakei ihr nationales Reformprogramm 2019 und ihr Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Die Slowakei befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 erwartet die Regierung, dass der Gesamtsaldo von einem Defizit von 0,7 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) im Jahr 2018 auf eine ausgeglichene Haushaltsposition im Jahr 2019 zurückgeführt wird und dann bis 2022 unverändert bleibt. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos (6) soll das mittelfristige Haushaltsziel — das von einem strukturellen Defizit von 0,5 % des BIP im Jahr 2019 auf ein strukturelles Defizit von 1 % des BIP ab 2020 abgeändert wurde — im Jahr 2020 erreicht werden. Dem Stabilitätsprogramm 2019 zufolge soll die gesamtstaatliche Schuldenquote von 47,5 % des BIP im Jahr 2019 schrittweise auf 44,4 % im Jahr 2022 zurückgehen. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Allerdings wurden die Maßnahmen, die zur Erreichung der ab 2019 anvisierten Defizitziele erforderlich sind, nicht vollständig spezifiziert. Mit den sogenannten Haushaltsreserven enthält der Haushalt eine nicht spezifizierte Ausgabenkategorie (insgesamt 0,7 % des BIP), die die Vorhersehbarkeit des Haushaltsvollzugs beeinträchtigt.

(7)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat der Slowakei sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben (7) im Jahr 2019 4,1 % nicht übersteigt, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,5 % des BIP entspricht. Angesichts der Herbstprognose 2018 der Kommission, in der für 2019 ein Wert näher am mittelfristigen Ziel projiziert wird, sollte die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Einklang mit den Vorschriften für eine Neufestlegung der geforderten Anpassung 4,6 % nicht überschreiten, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,3 % im Jahr 2019 entspricht. Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission besteht in den Jahren 2018 und 2019 zusammengenommen die Gefahr einer erheblichen Abweichung von der empfohlenen Haushaltsanpassung.

(8)

Im Jahr 2020 dürfte die Slowakei ihr mittelfristiges Haushaltsziel erreichen. Auf der Grundlage der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission entspricht dies unter Annahme einer unveränderten Politik einer nominalen Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben von höchstens 4,6 %, was eine strukturelle Anpassung in Höhe von 0,3 % des BIP bedeutet. Auf der Grundlage der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission besteht unter Annahme einer unveränderten Politik in den Jahren 2019 und 2020 zusammengenommen die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser Vorgabe. Die Slowakei wird die Schuldenregel in den Jahren 2019 und 2020 voraussichtlich einhalten. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass ab 2019 die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten.

(9)

Für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen der Slowakei besteht ein mittleres Risiko. Nach dem Bericht der Kommission über die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen 2018 wäre gegenüber dem Szenario einer unveränderten Politik eine kumulierte Verbesserung des strukturellen Primärsaldos um 2,5 BIP-Prozentpunkte erforderlich, um die Schuldenquote langfristig zu stabilisieren. Dies ist auf den projizierten Anstieg der Renten- und Gesundheitsausgaben zurückzuführen, der die Kosten im Zusammenhang mit der Bevölkerungsalterung in die Höhe treibt (zusammen 1,8 BIP-Prozentpunkte). Da die Geburtenraten niedrig sind, die Lebenserwartung in der Slowakei hingegen weiter steigen dürfte, wird sich der Altersabhängigkeitsquotient (Zahl der älteren Menschen im Verhältnis zur Erwerbsbevölkerung, d. h. zur Zahl der Menschen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder eine Ausbildung absolvieren) den Prognosen zufolge bis 2060 voraussichtlich fast verdreifachen. Während im Jahr 2016 in der Altersgruppe ab 65 Jahren auf zehn Erwerbstätige nur drei Nichterwerbstätige kamen, dürfte dieser Anteil bis 2060 auf über sieben von zehn steigen (wirtschaftlicher Altersabhängigkeitsquotient). Die langfristige Tragfähigkeit des Rentensystems hatte sich infolge der eingeführten automatischen Anpassungen des Rentenalters an die Lebenserwartung allmählich verbessert. Diese Anpassung galt als wichtiges Instrument, um Generationengerechtigkeit und langfristige Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Die Bedenken hinsichtlich der langfristigen Tragfähigkeit der Rentensysteme haben nun zugenommen, da das Parlament am 28. März 2019 per Verfassungsänderung Obergrenzen für den Eintritt in den Ruhestand (64 Jahre für Männer und Frauen ohne Kinder und Senkung um jeweils ein halbes Jahr für die drei ersten Kinder bei Frauen) eingeführt hat, was bedeutet, dass die automatischen Anpassungen an die Lebenserwartung nicht mehr angewandt werden, wenn die Obergrenze erreicht wird. Dem Fiskalrat der Slowakei zufolge wird diese Obergrenze zu einem zusätzlichen Ausgabenanstieg um 1,6 % des BIP führen, und zwar von 8,6 % im Jahr 2016 auf 11,4 % im Jahr 2070, statt auf den im Bericht über die Bevölkerungsalterung von 2018 erwarteten Wert von 9,8 %. Die Tragfähigkeitsrisiken werden dadurch erheblich zunehmen. Bislang wurden keine Ausgleichsmaßnahmen vorgeschlagen, und auch die Auswirkungen auf Alterseinkünfte und Altersarmut wurden nicht berechnet.

(10)

Ungeachtet einiger Fortschritte bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung stellt die Einhaltung der Steuervorschriften nach wie vor eine Herausforderung dar, und die Mehrwertsteuerlücke aufgrund der Nichtbefolgung der entsprechenden Vorschriften war 2016 mehr als doppelt so groß wie im Unionsdurchschnitt. Im Rahmen des Dritten Aktionsplans vorgesehene Maßnahmen dürften zu positiven Ergebnissen führen, doch wurden einige von ihnen bislang nicht umgesetzt. Die Einführung elektronischer Steuererklärungen beispielsweise dürfte den Verwaltungsaufwand für die Steuerzahler verringern, doch könnte die Gesamtwirkung abnehmen, falls nicht alle geplanten Maßnahmen umgesetzt werden. Gleichzeitig können strukturierte Rahmenmaßnahmen dazu beitragen, dass das Steuerrecht seltener geändert wird, und seine Vereinfachung fördern. Im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten wird das Einnahmenpotenzial, das Umwelt- und Immobiliensteuern darstellen, unzureichend genutzt.

(11)

Die positiven Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, der durch eine steigende Beschäftigung und historisch niedrige Arbeitslosenzahlen gekennzeichnet ist, setzen sich fort. Bei der Umsetzung des Aktionsplans für Langzeitarbeitslose wurden gute Fortschritte erzielt, was dazu beigetragen hat, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen in zwei Jahren um ein Drittel gesunken ist. Gleichwohl liegt die Langzeitarbeitslosenquote weiterhin über dem Unionsdurchschnitt und sind insbesondere Geringqualifizierte, junge Menschen und Roma betroffen. Als Kehrseite der sinkenden Arbeitslosenquoten wird nun der Fachkräftemangel zunehmend zum Problem. Nach wie vor bestehen ausgeprägte regionale Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt, wobei die Arbeitslosigkeit in drei Regionen der östlichen Slowakei höher ist und der Arbeitskräftemangel vor allem im westlichen Teil des Landes auftritt. Die Kapazitäten von Arbeitgebern und Gewerkschaften müssen weiter ausgebaut werden, um ihre aktivere Beteiligung zu fördern.

(12)

Umfang und Wirksamkeit der Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit sind begrenzt. Die Fortbildungs- und Umschulungsprogramme wurden ausgebaut, sind aber nach wie vor unzureichend und nicht ganz auf Langzeitarbeitslose und benachteiligte Bevölkerungsgruppen zugeschnitten. Das Bildungssystem leistet keinen hinreichenden Beitrag zur sozioökonomischen Entwicklung und ist auf allen Ebenen unterfinanziert. Die geringe Qualität der Bildungsergebnisse, die Teilnahme von Roma an der inklusiven allgemeinen Bildung ab dem frühen Kindesalter und (angesichts des steigenden Anteils der frühen Schul- und Ausbildungsabgänger) die wirksame Integration von Schülerinnen und Schülern aus sozioökonomisch benachteiligten Schichten in die allgemeine und berufliche Bildung sind drängende Herausforderungen. Die Bildungsergebnisse und das Niveau der Grundkompetenzen sind im internationalen Vergleich nach wie vor schwach und in hohem Maße vom sozioökonomischen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler abhängig. Es stellt eine Herausforderung dar, dafür zu sorgen, dass die slowakische Bevölkerung über bessere, der sich wandelnden Wirtschaft und Gesellschaft angemessene Kompetenzen und Qualifikationen verfügt. Trotz schrittweiser Gehaltserhöhungen bis 2020 bleibt der Lehrerberuf wenig attraktiv, sodass der Lehrermangel zunimmt. Auch sind die Möglichkeiten für die berufliche Erstausbildung und Weiterbildung von Lehrern hinsichtlich Qualität und Relevanz begrenzt. Laufende Maßnahmen zur Förderung von Chancengleichheit und inklusiver Bildung haben die Erwartungen bisher nicht erfüllt, und auch bei der Bekämpfung der Ausgrenzung von Schülern aus der Volksgruppe der Roma sind keine wirklichen Fortschritte zu verzeichnen. Die Regierung hat den „Nationalen Reformplan für Bildung und Erziehung“ (2018-27) und den ersten Aktionsplan (2018-19) (zusammen mit einem Haushaltsvoranschlag) sowie neue Rechtsvorschriften zur Qualitätssicherung im Hochschulwesen angenommen. Diese Maßnahmen wirksam umzusetzen und zu überwachen, ob sie die erwarteten Ergebnisse bringen, ist von entscheidender Bedeutung.

(13)

Die niedrige Beschäftigungsquote von Frauen ist vor allem auf die Tatsache zurückzuführen, dass lange Elternzeiten nur selten von Männern in Anspruch genommen werden, doch auch der begrenzte Zugang zu bezahlbarer Kinderbetreuung und Langzeitpflegeeinrichtungen bzw. die geringe Verfügbarkeit spielen eine Rolle. Besonders bei den unter Dreijährigen ist die Gesamtquote der Kinder in Betreuungseinrichtungen äußerst gering. Die Regierung hat in einem neuen Beschluss die Teilnahme an der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung ab dem Alter von 5 Jahren mit Wirkung ab 2020 vorgeschrieben. Allerdings sind weitere Investitionen und Maßnahmen zur Förderung der Teilnahme an Kinderbetreuungs- und Vorschulangeboten erforderlich.

(14)

Der Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen bleibt zwar unter dem Unionsdurchschnitt, liegt in einer Reihe von Bezirken in der Süd- und Ostslowakei jedoch deutlich höher. Ein erheblicher Engpass besteht beim Zugang zu hochwertiger und inklusiver Bildung, wo die regionalen Unterschiede zu teils besonders hohen Anteilen früher Schul- und Ausbildungsabgänger führen. Weitere Engpässe betreffen den Zugang benachteiligter Gruppen, insbesondere von Roma sowie Menschen mit Behinderung und Menschen, die obdachlos sind oder auf dem Wohnungsmarkt ausgegrenzt werden, zu Gesundheitsversorgung, Langzeitpflege, Sozialwohnungen und anderen grundlegenden Dienstleistungen. Ein integrierter Ansatz ist unerlässlich, um die soziale Inklusion dieser Gruppen zu fördern.

(15)

Die Reformen für größere Kosteneffizienz im Gesundheitswesen gewinnen an Dynamik, obgleich der Grad der Umsetzung in den verschiedenen Versorgungsbereichen unterschiedlich ist. Die Maßnahmen im Rahmen der Überprüfung der Gesundheitsausgaben haben in erster Linie durch die Eindämmung von Kosten in den Bereichen Arzneimittel und Medizinprodukte zu einigen positiven Ergebnissen geführt. Nach wie vor besteht jedoch Spielraum für Effizienzsteigerungen und Leistungsverbesserungen durch strategische Umverteilung von Ressourcen zwischen Versorgungsbereichen. Gesundheitsdienstleistungen werden nach wie vor zu einem allzu großen Teil von den Krankenhäusern erbracht, deren Verschuldung trotz regulärer Entschuldungsmaßnahmen weiterhin zunimmt und die kaum die erforderlichen Mittel aufbringen können, um Effizienz und Qualität der Versorgung zu verbessern. Damit Krankenhausleistungen nur in Anspruch genommen werden, wenn dies notwendig ist, muss die medizinische Grundversorgung ausgebaut werden, doch werden Effizienzsteigerungen im Gesundheitswesen durch die geringe Zahl von Allgemeinärzten und im Rahmen der Grundversorgung angebotenen Leistungen erschwert. Die von der Regierung eingeleiteten Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen sollten in eine längerfristige Strategie integriert werden, die darauf abzielt, Gesundheitsdienstleistungen allmählich von der Notfallversorgung weg zu verlagern, die Grundversorgung auszubauen und Vorsorgeleistungen zu fördern.

(16)

Das fragmentierte Forschungssystem behindert eine qualitative Verbesserung der wissenschaftlichen Forschung durch die öffentlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) und zieht keine privaten Mittel an. Die Forschungs- und Innovationspolitik leidet unter unzureichender Abstimmung zwischen Ministerien und anderen Akteuren, was zu Verzögerungen und dem Scheitern größerer Reformen führt. Die suboptimale Umwandlung der slowakischen Akademie der Wissenschaften hat Bedenken in Bezug auf die Kontinuität ihrer Tätigkeiten aufgeworfen, weshalb der gesamte Prozess eingestellt wurde. Ein Mangel an gezielten Maßnahmen bzw. das Scheitern dieser Maßnahmen führt, gekoppelt mit der begrenzten Beteiligung der Forschungseinrichtungen und der begrenzten Forschungskapazität, zu geringen privaten Ausgaben für FuE. Die Ausgaben von Unternehmen für FuE gehören insgesamt nach wie vor zu den niedrigsten in der EU und konzentrieren sich auf die von multinationalen Unternehmen beherrschte Medium-/High-Tech-Fertigung. Maßnahmen zur Förderung des Wissenstransfers, zur Stärkung von Innovationskapazitäten in der Industrie und zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen kommen langsam voran.

(17)

Um die Produktivität der Slowakei zu steigern und den Konvergenzprozess fortzuführen, sind auch nachhaltige Investitionen in die digitale und die Verkehrsinfrastruktur sowie in die Energieeffizienz erforderlich. Die Breitbandgrundversorgung im Festnetzbereich und die 4G-Abdeckung sowie die Nutzung ultraschneller Breitbanddienste müssen verbessert werden. Investitionen in die Energieeffizienz können insbesondere im Gebäudesektor und im Bereich der Umwelttechnologien zu grünem Wachstum führen und zum Schutz knapper natürlicher Ressourcen beitragen. Außerdem sind höhere strategische Investitionen zur Schließung der Infrastrukturlücken und zur Verbesserung der Verkehrsnetze erforderlich, um weniger entwickelten Regionen die Möglichkeit zu geben, wettbewerbsfähiger und produktiver zu werden, ihren Rückstand aufzuholen und wissensbasierte Industrien zu fördern. Die Slowakei ist im Rahmen des transeuropäischen Verkehrsnetzes im Hinblick auf die Vollendung sowohl des Kernstraßen- als auch des Schienennetzes im Rückstand, so beispielsweise im Rhein-Donau-Korridor. Schwächen im Verkehrsnetz könnten durch stärkere Vernetzung, Multimodalität und Interoperabilität des bestehenden öffentlichen und städtischen Verkehrsnetzes und durch Förderung nachhaltiger Verkehrsträger behoben werden.

(18)

Hoher Verwaltungs- und Regulierungsaufwand kann die Investitions- und Innovationstätigkeit beeinträchtigen, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Trotz der Bemühungen der Regierung wird der Verwaltungsaufwand noch nicht ausreichend reduziert und verschlechtert sich das Unternehmensumfeld in der Slowakei im internationalen Vergleich. Die Qualität von Rechtsvorschriften und mangelnde Vorhersehbarkeit machen den Unternehmen zu schaffen. Diesen Herausforderungen sollte durch vollständige Umsetzung der slowakischen Strategie für bessere Rechtsetzung (RIA2020) und Stärkung des Zentrums für bessere Rechtsetzung und der analytischen Kapazitäten in der staatlichen Verwaltung begegnet werden. Der Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen ist in der Slowakei nach wie vor in hohem Maße reguliert. So liegt die Regulierungsintensität für Rechtsanwälte, Patentanwälte, Bauingenieure, Architekten, Buchhalter, Fremdenführer und Immobilienmakler über dem gewichteten Unionsdurchschnitt.

(19)

Die Regierung reformiert das öffentliche Auftragswesen grundlegend, indem zur Vereinfachung der Verfahren und Senkung der Kosten der Rechtsrahmen überarbeitet wird. Ein auf Professionalisierung gesetzter neuer Schwerpunkt ist zu begrüßen; allgemeine Vorteile ergeben sich jedoch nur langsam. Vor dem Hintergrund des Misstrauens gegenüber öffentlichen Institutionen müssen die öffentlichen Auftraggeber verstärkt Anstrengungen unternehmen, um das Vertrauen von Unternehmen, Medien und der breiten Öffentlichkeit zurückzugewinnen. Dies behindert die Einführung dringend benötigter neuer Vorgehensweisen. Bemühungen um die häufigere Anwendung qualitativer Kriterien müssen intensiviert werden, um das Kosten-Nutzen-Verhältnis und die strategische Nutzung des öffentlichen Auftragswesens zu verbessern.

(20)

Die slowakische öffentliche Verwaltung hat nach wie vor mit Ineffizienzen und Engpässen zu kämpfen, die insbesondere durch ineffiziente Zusammenarbeit zwischen Regierungsstellen verursacht werden. Das Fehlen von Kapazitäten und strategischer Planung sowie Verwaltungsmängel behindern die reibungslose Bereitstellung der Mittel aus ESI-Fonds. Infolgedessen hat die Slowakei Mittel in Höhe von 120 Mio. EUR aus dem Zeitraum 2014-2020 verloren und werden nur wenige Mittel an Endbegünstigte weitergeleitet. Ferner führte die suboptimale Vorbereitung von aus ESI-Fonds geförderten Projekten zu verzögerten Investitionen und entsprechend knappen Fristen für die Vergabe öffentlicher Aufträge, was das Risiko von Unregelmäßigkeiten steigen lässt.

(21)

Die Korruption stellt nach wie vor eine Herausforderung dar, und der Wille, Korruptionsfälle auf hoher Ebene aufzuklären, ist begrenzt. Die Korruptionsbekämpfung wird durch organisatorische und verfahrenstechnische Mängel bei Polizei und Staatsanwaltschaft sowie den unzureichenden Schutz von Hinweisgebern behindert. Eine weitere Herausforderung besteht darin, das Justizwesen effizienter zu gestalten und seine Unabhängigkeit zu stärken. Trotz einiger Verbesserungen in Bezug auf Effizienz und Qualität bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz, und die Verzögerung bei der Ernennung von Richtern des Verfassungsgerichts könnte das Funktionieren des Justizwesens beeinträchtigen.

(22)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 auch im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. Die Slowakei könnte die Fonds auf diese Weise bestmöglich in den festgestellten Sektoren einsetzen und dabei regionalen Unterschieden Rechnung tragen. Die Stärkung der administrativen Kapazitäten der Slowakei für die Verwaltung dieser Mittel ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieser Investitionen.

(23)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik der Slowakei umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019 und das Nationale Reformprogramm 2019 sowie die Maßnahmen zur Umsetzung der an die Slowakei gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in der Slowakei berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(24)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (8) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider —

EMPFIEHLT, dass die Slowakei 2019 und 2020

1.   

ihr mittelfristiges Haushaltsziel im Jahr 2020 erreicht; die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und insbesondere des Gesundheits- und Rentensystems sicherstellt;

2.   

die Qualität und Inklusivität des Bildungswesens auf allen Ebenen verbessert und das Kompetenz- und Qualifikationsniveau entsprechend dem Bedarf am Arbeitsmarkt erhöht; den Zugang zu bezahlbarer, hochwertiger Kinderbetreuung und Langzeitpflege verbessert; die Integration benachteiligter Gruppen, insbesondere von Roma, fördert;

3.   

investitionsbezogene wirtschaftspolitische Maßnahmen unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede auf die Schwerpunkte Gesundheitswesen, Forschung und Innovation, Verkehr und insbesondere dessen Nachhaltigkeit, digitale Infrastruktur, Energieeffizienz, Wettbewerbsfähigkeit von KMU sowie sozialer Wohnungsbau ausrichtet; im öffentlichen Auftragswesen zunehmend qualitative und auf die Lebenszykluskosten ausgerichtete Kriterien verwendet;

4.   

die Wirksamkeit des Justizsystems weiter verbessert, insbesondere durch die Stärkung seiner Unabhängigkeit, auch bei Ernennungsverfahren im Justizwesen; die Anstrengungen zur Aufdeckung und Verfolgung von Korruption verstärkt, insbesondere in großen Korruptionsfällen.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 107.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission unter Anwendung der gemeinsamen Methodik.

(7)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(8)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/154


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Finnlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Finnlands 2019

(2019/C 301/26)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, womit das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Finnland nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen (im Folgenden „Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen“) enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Finnland die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 3 und 4 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere wird eine gezielte Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die spezifizierten Bereiche dazu beitragen, die zweite Euro-Währungsgebiet-Empfehlung im Hinblick auf die Investitionsförderung anzugehen, während mit Maßnahmen zur Eindämmung der Verschuldung der privaten Haushalte die vierte Euro-Währungsgebiet-Empfehlung im Hinblick auf den Abbau der privaten Verschuldung angegangen wird.

(3)

Der Länderbericht Finnland 2019 wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Finnlands bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet.

(4)

Am 4. April 2019 übermittelte Finnland sein nationales Reformprogramm 2019 und sein Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Finnland befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019, das auf der Annahme einer unveränderten Politik beruht und von der Vorgängerregierung kurz vor den Parlamentswahlen im April vorgelegt wurde, veranschlagt die Regierung für das Jahr 2019 einen Gesamtsaldo von - 0,3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), was gegenüber den - 0,7 % des BIP des Jahres 2018 eine Verbesserung bedeutet. Nach Einschätzung der Regierung wird sich der Saldo im Jahr 2020 weiter auf 0 % verbessern, um sich anschließend wieder zu verschlechtern, 2021 auf - 0,1 % und 2022 auf - 0,3 %. Dem neuberechneten strukturellen Saldos (6) zufolge wird das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 0,5 % des BIP — beruhend auf der Annahme einer unveränderten Politik schätzungsweise im gesamten Programmzeitraum weiter übertroffen werden; dabei wurde den im Jahr 2019 vorgenommenen Berichtigungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Strukturreformen, für die eine vorübergehende Abweichung gewährt wird, Rechnung getragen. Die gesamtstaatliche Schuldenquote, die im Jahr 2015 mit 63,4 % ihren Höchststand erreichte, ging 2018 auf 58,9 % zurück. Dem Stabilitätsprogramm 2019 zufolge wird die Schuldenquote weiter sinken, um im Jahr 2021 einen Stand von 57,4 % des BIP zu erreichen. 2022 wird sie voraussichtlich wieder auf 57,7 % des BIP ansteigen. Das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegende makroökonomische Szenario erscheint weitgehend plausibel. Die Hauptrisiken hinsichtlich der Haushaltsprojektionen sind in möglicherweise unerwartet hohen Kosten der Bevölkerungsalterung und einer höheren Inflation begründet.

(7)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat Finnland, das mittelfristige Haushaltsziel 2019 unter Berücksichtigung der Berichtigungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Strukturreformen, für die eine vorübergehende Abweichung gewährt wird, zu erreichen. Dies entspricht einer nominalen Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben (7) von höchstens 2,9 % im Jahr 2019, was eine Verschlechterung des strukturellen Saldos um 0,2 % des BIP zulässt. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass Finnland sein mittelfristiges Haushaltsziel im Jahr 2019 unter Berücksichtigung der mit der Strukturreformklausel verbundenen zugestandenen Abweichung erreichen wird.

(8)

Angesichts der für Finnland prognostizierten Produktionslücke von 0,8 % darf im Jahr 2020 die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben 1,9 % nicht überschreiten; dies steht im Einklang mit der strukturellen Anpassung von 0,5 % des BIP nach der gemeinsam vereinbarten Anpassungsmatrix hinsichtlich der Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass für Finnland im Jahr 2020 bei einer unveränderten Politik das Risiko einer gewissen Abweichung von dieser Vorgabe besteht. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass Finnland die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Jahr 2019 voraussichtlich einhalten wird und bereit sein muss, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts auch im Jahr 2020 zu gewährleisten.

(9)

In Anbetracht der Bevölkerungsalterung und der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung dürften die Ausgaben für Renten, Gesundheitsversorgung und insbesondere Sozialfürsorge (Langzeitpflege) in den kommenden Jahrzehnten ansteigen. Gemäß dem Bericht über die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen 2018 würde der projizierte Anstieg der alterungsbedingten Kosten eine Haushaltskonsolidierung in Höhe von 2 % des BIP erfordern, um die Schuldenquote langfristig zu stabilisieren. Die Vorbereitungen für eine Reform des regionalen Verwaltungs-, Gesundheits- und Sozialwesens, mit der diese Herausforderungen angegangen und ein gleichberechtigter Zugang und verkürzte Wartezeiten sichergestellt werden sollten, wurden aufgrund des Rücktritts der Regierung am 8. März 2019 unterbrochen. Die Quote der selbst deklarierten medizinischen Versorgungslücken in Finnland liegt weiterhin über dem Unionsdurchschnitt. Insbesondere Menschen, die nicht der Erwerbsbevölkerung angehören, haben aufgrund langer Wartelisten Schwierigkeiten, die notwendige medizinische Versorgung zu erhalten.

(10)

Angesichts des Rückgangs der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und der zunehmenden Zahl an freien Stellen wird die Lage auf dem finnischen Arbeitsmarkt zunehmend angespannt. Gleichzeitig sind die Erwerbs- und die Beschäftigungsquote in Finnland niedriger als in den anderen nordischen Ländern, und die strukturelle Arbeitslosigkeit verharrt im Jahr 2018 bei 7 %. Zum Teil ist dies auf die Nichterwerbstätigkeits- und die Arbeitslosigkeitsfalle zurückzuführen, die einer besseren Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials entgegenstehen. Zu den Hindernissen für die Wiedereingliederung von Menschen in den Arbeitsmarkt zählen das komplexe Leistungssystem und die gleichzeitige Gewährung verschiedener Arten von Zuwendungen. Die Leistungen nehmen mit zunehmendem Einkommen rasch ab, was die Gefahr birgt, dass sich die Aufnahme einer Arbeit in finanzieller Hinsicht nicht immer in ausreichendem Maße auszahlt. Die in Bezug auf die Höhe der Leistungen bestehende Unsicherheit und die Zeit, die vergeht, ehe der Betroffene die Leistungen wieder erhält, verringert die Attraktivität von Kurzzeit- oder Teilzeitarbeitsverhältnissen. Das Experiment zum bedingungslosen Grundeinkommen, dessen vorläufige Ergebnisse im Februar 2019 veröffentlicht wurden, gibt Anhaltspunkte dafür, wie das System der sozialen Sicherheit angepasst werden kann, sodass Leistungen und Entgelte wirksamer miteinander verbunden werden können.

(11)

Da die Erwerbs- und die Beschäftigungsquote wieder in etwa zum Stand vor der Krise zurückgekehrt sind, müssen Investitionen in aktive Maßnahmen zur Eingliederung insbesondere der Personengruppen, die dem Arbeitsmarkt am fernsten stehen, getätigt werden, um die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen. Umfassende Reformen zur Förderung der Erwerbsbeteiligung könnten für einige Personengruppen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt bewirken. Dies gilt für Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen im gebärfähigen Alter, gering qualifizierte Männer, Menschen, die teilweise arbeitsfähig sind, und Menschen mit Behinderungen. Bestimmte Dienste für Arbeitslose und Nichterwerbstätige sind auf mehrere Behörden und Dienstleister verteilt. Um die genannten Personengruppen dabei zu unterstützen, in den Arbeitsmarkt einzutreten und berufstätig zu bleiben, sind maßgeschneiderte integrierte Maßnahmen und Konzepte zur Aktivierung und Wiedereingliederung erforderlich. Der Umstand, dass Frauen langjährige Betreuungspflichten wahrnehmen, trägt zum geschlechtsspezifischen Beschäftigungs- und Lohngefälle bei. Die Regierung leitete ein Verfahren zur Reform des Urlaubs aus familiären Gründen ein, die jedoch nicht durchgeführt wurde.

(12)

In Anbetracht des demografischen und technologischen Wandels ist eine der Voraussetzungen für nachhaltiges und inklusives Wachstum in Finnland, dass das Arbeitskräfteangebot gewährleistet ist. Investitionen in den Erwerb von — insbesondere für den Arbeitsmarkt relevanten — Qualifikationen würden zur Bewältigung der Herausforderungen beitragen, die sich aus dem Strukturwandel in der Wirtschaft ergeben. In Anbetracht des technologischen Wandels müssen Arbeitskräfte durch das Angebot flexibler Lernmöglichkeiten, u. a. im Bereich der Erwachsenenbildung sowie der allgemeinen und beruflichen Bildung, weitergebildet und umgeschult werden. Dies dürfte die berufliche Mobilität erhöhen und damit das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage verringern und zu einer besseren Deckung des künftigen Arbeitskräftebedarfs beitragen.

(13)

Es besteht die Gefahr, dass Finnland seine für 2020 im Bereich des Recycling von Siedlungsabfällen geltende Zielvorgabe von 50 % verfehlen wird, da Siedlungsabfälle zunehmend verbrannt werden (60 % im Jahr 2017 gegenüber 55 % im Jahr 2016).

(14)

Während sich die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung nunmehr stabilisieren, verzeichnete Finnland bei den privaten Investitionen in Forschung und Entwicklung von allen Mitgliedstaaten den stärksten Rückgang seit 2009. Trotz einer Verbesserung der makroökonomischen Lage in den letzten Jahren haben sich die privaten Investitionen in Forschung und Entwicklung noch nicht erholt. Eine höhere Investitionsintensität im Bereich Forschung und Entwicklung ist ein wesentlicher Faktor, der einen Strukturwandel dahingehend begünstigt, dass wissensintensive Sektoren der Wirtschaft gefördert und das langfristige Wachstumspotenzial gestärkt werden. Darüber hinaus zählt die Zusammenarbeit zwischen Hochschuleinrichtungen und Unternehmen nach wie vor zu den wesentlichen Engpässen, wenn es gilt, Innovationen und deren Markteinführung zu fördern.

(15)

Angesichts der weit verstreut lebenden Bevölkerung können Verkehrsengpässe die Mobilität der Menschen bei der Arbeitssuche beeinträchtigen. Strategische Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur können die Mobilität der Arbeitskräfte steigern und damit das Funktionieren der Arbeitsmärkte verbessern. Da sich die Transportkosten in Finnland im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten relativ stark auf den Endpreis der Produkte auswirken, könnte der Zugang zu Märkten im Ausland gleichzeitig durch Infrastrukturverbundnetze verbessert werden.

(16)

Strategische Investitionen in die Dekarbonisierung der energieintensiven Industriezweige und des Verkehrssektors würden zur Verwirklichung langfristiger wirtschafts- und klimapolitischer Ziele beitragen. Finnland ist bei Innovationen im Bereich der sauberen Energie und bei den Ausgaben für private Forschung und Entwicklung in diesem Bereich führend. Die Tätigung weiterer zugesagter Investitionen in einige der finnischen Programme für saubere Energie bis 2021 würde zur Verwirklichung der Ziele des Landes hinsichtlich der CO2-Neutralität beitragen. Neben den ehrgeizigen Zielen Finnlands zur Erhöhung des Anteils von Biokraftstoffen bildet die Elektrifizierung angesichts der fortgeschrittenen Dekarbonisierung der Stromerzeugung eine kosteneffiziente Möglichkeit der Dekarbonisierung des Verkehrssektors.

(17)

Niedrige Zinssätze und verbesserte Wirtschaftsaussichten haben das Gesamtvolumen der Kreditvergabe, insbesondere der durch Wohnungsbaugesellschaften (die eine spezielle Form von Wohneigentum bieten), erhöht. Parallel dazu nimmt das Volumen der Verbraucherkredite rasch zu. Ein zunehmender Anteil dieser Kredite wird von ausländischen Banken, von anderen Finanzinstituten als Kreditinstituten, von Kleinkreditunternehmen und in Form von Peer-to-Peer-Krediten gewährt. Die Verschuldung der privaten Haushalte liegt daher nach wie vor auf einem historisch hohen Niveau (67 % des BIP im Jahr 2017). Die Schulden weisen zu einem Großteil variable Zinssätze auf, was ein Risiko birgt, wenn die Zinsen mittelfristig steigen sollten. Die finnische Finanzaufsichtsbehörde hat eine Reihe von Maßnahmen verabschiedet, die den Anstieg der Verschuldung der privaten Haushalte eindämmen sollen. In nächster Zeit ist jedoch nicht mit einer aktiven Verringerung der Schuldenlast zu rechnen, was insbesondere auf die weiterhin niedrigen Zinsen und das nach wie vor vergleichsweise hohe Vertrauen der Verbraucher zurückzuführen ist.

(18)

Momentan gibt es in Finnland kein umfassendes (d. h. sowohl positive als auch negative Informationen zu Schuldnern erfassendes) Kreditregister, das die großen Banken abdeckt. Deshalb ist es den Banken unter Umständen nicht möglich, sich einen klaren Überblick über die Gesamtverschuldung privater Haushalte zu verschaffen. Im vergangenen Jahr wurden einige Vorarbeiten für die Einrichtung eines solchen Registers durchgeführt.

(19)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, zu schließen. Dies würde Finnland in die Lage versetzen‚ diese Fonds im Hinblick auf die ermittelten Sektoren unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal zu nutzen.

(20)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Finnlands umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Finnland gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Finnland berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(21)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (8) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider —

EMPFIEHLT, dass Finnland 2019 und 2020

1.   

sicherstellt, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 1,9 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,5 % des BIP entspricht; die Kostenwirksamkeit der Sozial- und Gesundheitsdienste verbessert und einen gleichberechtigten Zugang zu diesen Diensten gewährleistet;

2.   

die Anreize für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verstärkt und den Erwerb von Qualifikationen und die aktive Eingliederung verbessert, insbesondere durch die Bereitstellung gut integrierter Dienste für Arbeitslose und Nichterwerbstätige;

3.   

den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede auf Forschung und Innovation, einen geringeren CO2-Ausstoß, die Energiewende und nachhaltigen Verkehr legt;

4.   

die Überwachung der Verschuldung der privaten Haushalte stärkt und ein Kreditregister einrichtet.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 112.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(8)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/159


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Schwedens 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Schwedens 2019

(2019/C 301/27)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, womit das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Schweden als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei.

(2)

Der Länderbericht Schweden 2019 wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Schwedens bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (3), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Die Kommission gelangte aufgrund ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Schweden makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Insbesondere ergibt sich aus dem Preisniveau der überbewerteten Wohnimmobilien verbunden mit der weiter zunehmenden Verschuldung der Privathaushalte die Gefahr einer ungeordneten Korrektur. Die hohe Verschuldung privater Haushalte ist im Verhältnis zum BIP weiter gewachsen. Im zweiten Halbjahr 2017 wurde eine Korrektur der Wohnimmobilienpreise vorgenommen, die sich daraufhin allmählich stabilisiert haben. Bewertungsindikatoren deuten jedoch darauf hin, dass die Preise für Wohnimmobilien gemessen an den Fundamentaldaten weiterhin hoch bleiben. Auch wenn der Bankensektor offenbar über eine angemessene Kapitalausstattung verfügt, würde eine ungeordnete Korrektur den Finanzsektor in Mitleidenschaft ziehen, da er in hohem Maße von den Hypothekenkrediten an private Haushalte abhängig ist. Angesichts der systemischen Finanzverflechtungen könnte sich dies auch negativ auf benachbarte Länder auswirken. Es bestehen nach wie vor strukturelle Engpässe beim Angebot an Wohnimmobilien, und es wird weniger gebaut. In den zurückliegenden Jahren wurden auf der Makroebene zwar Aufsichtsmaßnahmen ergriffen, um den Anstieg der Hypothekenschulden einzudämmen, doch bislang zeigen sie offenbar noch wenig Wirkung. Nach wie vor bestehen wesentliche Politikdefizite, namentlich in Bezug auf Steueranreize für Wohneigentum sowie das Angebot an Wohnimmobilien und den Mietwohnungsmarkt.

(3)

Am 26. April 2019 übermittelte Schweden sein nationales Reformprogramm 2019 und am 29. April 2019 sein Konvergenzprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(4)

Bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(5)

Schweden befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Konvergenzprogramm 2019 plant die Regierung für 2019 einen Überschuss von 0,6 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ein, der während des Programmzeitraums weiter steigen soll. Dem neuberechneten strukturellen Saldos (5) zufolge soll das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 1 % des BIP — im gesamten Programmzeitraum übertroffen werden. Nach dem Konvergenzprogramm 2019 wird erwartet, dass die gesamtstaatliche Schuldenquote im Jahr 2019 auf 34,5 % absinkt und bis 2022 weiter auf 28,2 % zurückgeht. Dieser Rückgang soll vor allem von gesunden öffentlichen Finanzen und einem stabilen Wirtschaftswachstum getragen werden. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Nach der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission wird voraussichtlich 2019 ein struktureller Überschuss von 0,5 % des BIP und 2020 ein struktureller Überschuss von 0,6 % des BIP erzielt — damit würde das mittelfristige Haushaltsziel übertroffen. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass Schweden die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 voraussichtlich einhält.

(6)

Die Verschuldung der Privathaushalte ist ausgehend von einem hohen Niveau noch weiter gestiegen. 2018 stieg sie um 5,5 % und erreichte damit rund 88 % des BIP bzw. 186 % des verfügbaren Einkommens, was einem der höchsten Werte in der Union entspricht. Dies wird in erster Linie durch den Anstieg des Hypothekarkreditvolumens aufgrund der hohen Immobilienpreise in Verbindung mit strukturellen Verzerrungen, die hypothekenfinanzierte Immobilieninvestitionen begünstigen, hervorgerufen. Schweden hat in den letzten Jahren mehrere Aufsichtsmaßnahmen auf der Makroebene umgesetzt, darunter eine seit März 2018 geltende strengere Rückzahlungsregel für Hypotheken mit hoher Schuldenquote im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen und einen Beschluss zur Anhebung des antizyklischen Kapitalpuffers für Banken ab September 2019. Die bisherigen politischen Maßnahmen scheinen sich jedoch insgesamt nur begrenzt auf die Zunahme der Hypothekendarlehen ausgewirkt zu haben, und es wurden keine politischen Maßnahmen ergriffen, um die Steueranreize für Wohneigentum und Hypothekenschulden zu reformieren.

(7)

Die Wohnimmobilienpreise gingen Ende 2017 zwar zurück und sind seither weitgehend stabil geblieben, jedoch folgt diese Entwicklung auf einen langen Zeitraum starker Preisanstiege, und die Bewertungen liegen weit über den wirtschaftlichen Fundamentaldaten. Zu den wichtigsten Faktoren hierfür zählen die steuerliche Begünstigung von Wohneigentum und Hypothekenschulden und günstige Kreditbedingungen in Verbindung mit weiterhin relativ niedrigen Hypothekenrückzahlungsquoten. Obwohl die Neubautätigkeit in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen hat, bestehen nach wie vor Engpässe, und dies vor allem bei erschwinglichem Wohnraum im Umkreis großer Städte. Das neue Wohnraumangebot hat den prognostizierten kurzfristigen Bedarf, der für den Zeitraum 2018-2020 auf etwa 90 000 neue Wohnungen pro Jahr geschätzt wurde, nicht gedeckt. Dies geht auf strukturelle Ineffizienzen zurück, darunter geringer Wettbewerb in der Bauwirtschaft aufgrund von Marktzutrittsschranken für kleine und ausländische Unternehmen und die Möglichkeiten für große Bauunternehmer, Grundstücksressourcen zu kontrollieren. Der Wohnungsbestand wird nicht effizient genutzt. Auf dem Mietmarkt erzeugen Mieten unterhalb der marktüblichen Preise Lock-in- und Insider-Outsider-Effekte. Auf dem Eigentumsmarkt hemmen die Kapitalertragsteuern die Mobilität von Wohnungseigentümern. Der Wohnungsmangel erschwert den Menschen den Arbeitsplatzwechsel und kann zur Ungleichheit zwischen den Generationen beitragen. Die schwedischen Behörden setzen den 22-Punkte-Plan zur Ankurbelung des Wohnungsbaus und zur Verbesserung der Effizienz des Wohnungssektors weiter schrittweise um. Bisher gab es keine konkreten politischen Schritte zur Liberalisierung der Vorschriften auf dem Mietwohnungsmarkt und zur Überarbeitung der Kapitalsteuer auf von Eigentümern bewohnte Wohnungen, obwohl die neue Regierung im Januar 2019 ihre Pläne zur Einführung von Reformen in diesen Bereichen, die einer vorbereitenden Untersuchung unterliegen, angekündigt hat.

(8)

Derzeit entsteht ein Arbeitskräftemangel in Sektoren wie Bau, Bildung und Informations- und Kommunikationstechnologien. Um die Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Digitalisierung zu unterstützen, ist es von entscheidender Bedeutung, die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal zu gewährleisten. Investitionen in Bildung und in Kompetenzen, einschließlich digitaler Kompetenzen, werden dazu beitragen, diese Herausforderungen zu bewältigen. Auch wenn sich mittlerweile die Ergebnisse im Bildungsbereich geringfügig verbessert haben, besteht zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ein großes, weiter zunehmendes Leistungsgefälle. Die demografische Entwicklung wird zu einem Anstieg der Schülerzahlen führen, wodurch der derzeitige Mangel an Lehrern noch verschärft wird. Die Situation von Migranten aus Drittstaaten und ihren Nachkommen und die Auswirkungen der kürzlich angenommenen Programme sollten genauer überwacht werden, da die schulische Integration von im Ausland geborenen Schülern und die nachhaltige Inklusion von gering qualifizierten Migranten und Migranten aus Drittstaaten (insbesondere Frauen) in den Arbeitsmarkt weiterhin eine Herausforderung darstellt.

(9)

Die Beibehaltung von Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur kann zu einer Verbesserung der Mobilität der Arbeitskräfte, des regionalen Zusammenhalts und des Wohnungsmarktes beitragen und das langfristige Produktivitätswachstum Schwedens fördern. Die Regierung hat im Rahmen des nationalen Infrastrukturplans 2018-2029 erhebliche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur angekündigt, um die verschiedenen Verkehrsträger (insbesondere Schiene und Straße) zu modernisieren. Der Plan sieht umfangreiche Investitionen vor, um das Eisenbahnsystem auszubauen und dadurch die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene zu fördern und so auch die Emissionen zu verringern. Die Aufrechterhaltung eines hohen Investitionsniveaus in Forschung und Entwicklung, günstige Rahmenbedingungen und eine breitere Innovationsgrundlage sind von entscheidender Bedeutung, um Schwedens Position als Innovationsführer zu sichern. Das schwedische Innovationsmodell stützt sich traditionell auf eine begrenzte Zahl großer, weltweit tätiger Technologieunternehmen. Es wäre wichtig, ein Umfeld zu schaffen, das auch das Innovationspotenzial von KMU und Start-ups fördert. Die schwedische Innovationskapazität könnte auch durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem Hochschulbereich und den KMU weiter verbessert werden.

(10)

Vor dem Hintergrund eines anhaltenden Geldwäscheskandals, der mit einem der größten Finanzinstitute des Landes im Zusammenhang steht, ist die Verhinderung von Geldwäsche für Schweden zu einer Priorität geworden. Die schwedischen und estnischen Finanzaufsichtsbehörden haben mit ihren lettischen und litauischen Kollegen eine gemeinsame Untersuchung eingeleitet. Auch wenn der schwedische Rechtsrahmen zur Verhinderung von Geldwäsche im Jahr 2017 mit dem Inkrafttreten des Geldwäschegesetzes gestärkt wurde, gilt es weiterhin, noch bestehende Mängel des Rechtsrahmens zu identifizieren und zu beseitigen. Angesichts nach wie vor vorhandener Herausforderungen muss die Finanzaufsicht zusätzliche Maßnahmen und Leitlinien für eine stärkere Überwachung in diesem Bereich beschließen. Nach Annahme dieser Maßnahmen ist auf eine wirksame Umsetzung zu achten.

(11)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, zu schließen. Dies würde es Schweden ermöglichen, diese Fonds für die ermittelten Sektoren optimal zu nutzen und dabei den regionalen Unterschieden Rechnung zu tragen.

(12)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Schwedens umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Konvergenzprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Schweden gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Schweden berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(13)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Konvergenzprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt, dass Schweden den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten wird.

(14)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Konvergenzprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in der nachstehenden Empfehlung 1 wider —

EMPFIEHLT, dass Schweden 2019 und 2020

1.   

Risiken im Zusammenhang mit der hohen Verschuldung der privaten Haushalte durch eine schrittweise Einschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinszahlungen oder eine Erhöhung der periodischen Steuern auf Immobilien angeht; den Wohnungsbau insbesondere durch den Abbau struktureller Hürden im Bauwesen dort ankurbelt, wo besonders große Engpässe bestehen; die Effizienz des Wohnimmobilienmarkts unter anderem durch die Einführung von mehr Flexibilität bei den Mietpreisen und durch eine Änderung der Ausgestaltung der Kapitalertragsteuer verbessert;

2.   

den Schwerpunkt investitionsbezogener Wirtschaftspolitik auf Bildung und Qualifikationen legt und die Investitionen in einen nachhaltigen Verkehr zur Modernisierung der verschiedenen Verkehrsträger, insbesondere des Schienenverkehrs, sowie in Forschung und Innovation, unter Berücksichtigung regionaler Disparitäten, aufrechterhält;

3.   

die effektive Überwachung und Durchsetzung des Rahmens zur Geldwäschebekämpfung gewährleistet.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 116.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(5)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.


5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/163


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm des Vereinigten Königreichs 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm des Vereinigten Königreichs 2018-2019

(2019/C 301/28)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie das Vereinigte Königreich nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei.

(2)

Der Länderbericht 2019 für das Vereinigte Königreich wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte des Vereinigten Königreichs bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018, bei der Umsetzung der Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen von Europa 2020 bewertet.

(3)

Am 23. April 2019 übermittelte das Vereinigte Königreich sein nationales Reformprogramm 2019 und sein Konvergenzprogramm 2018-2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(4)

Am 29. März 2017 unterrichtete das Vereinigte Königreich den Europäischen Rat über seine Absicht, aus der Europäischen Union auszutreten. Mit dem Austritt aus der Europäischen Union wird das Vereinigte Königreich zu einem Drittland. Angesichts der Unsicherheit hinsichtlich des Datums und der Modalitäten des Austritts des Vereinigten Königreichs sowie der künftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Union wird in der vorliegenden Empfehlung nicht über die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen der verschiedenen Szenarien spekuliert. Für den Fall, dass das Vereinigte Königreich auf der Grundlage des von der Regierung des Vereinigten Königreichs vereinbarten und vom Europäischen Rat am 25. November 2018 gebilligten Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (3) (im Folgenden das „Austrittsabkommen“) aus der Union austritt, wird das Unionsrecht, einschließlich des Europäischen Semesters, bis zum Ende des im Austrittsabkommen vorgesehenen Übergangszeitraums weiterhin auf das Vereinigte Königreich und in dessen Hoheitsgebiet anwendbar sein.

(5)

Bei der Programmplanung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme sowie zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn das zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Ratsempfehlungen notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Das Vereinigte Königreich befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt bis 2019-2020 der Übergangsregelung für den Schuldenabbau. In ihrem Konvergenzprogramm 2018-2019 geht die Regierung davon aus, dass das Gesamtdefizit von 1,2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Zeitraum 2018-2019 auf 1,4 % des BIP im Zeitraum 2019-2020 steigen und 2020-2021 auf 1,1 % des BIP zurückgehen wird. Ein mittelfristiges Haushaltsziel wird im Konvergenzprogramm nicht genannt. Die gesamtstaatliche Schuldenquote wird dem Konvergenzprogramm zufolge voraussichtlich von 85,5 % im Zeitraum 2018-2019 auf 83,8 % im Zeitraum 2019-2020 zurückgehen und bis 2020-2021 weiter auf 82,9 % des BIP schrumpfen. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Während die Maßnahmen, die zur Erreichung der anvisierten Defizitziele erforderlich sind, im Allgemeinen gut spezifiziert sind, gefährdet der zunehmende Druck auf die Staatsausgaben (5) in verschiedenen Bereichen die Umsetzung des geplanten Defizitabbaus.

(7)

Am 13. Juli 2018 empfahl der Rat dem Vereinigten Königreich sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Zeitraum 2019-2020 1,6 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2019-2020 die Gefahr einer erheblichen Abweichung von den Vorgaben der präventiven Komponente besteht.

(8)

Angesichts des gesamtstaatlichen Schuldenstands des Vereinigten Königreichs von über 60 % des BIP und der prognostizierten Produktionslücke von 0,3 % des BIP sollte im Zeitraum 2020-2021 die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben 1,9 % nicht überschreiten; dies steht im Einklang mit der strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP nach der gemeinsam vereinbarten Anforderungsmatrix des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Bei einer unveränderten Politik besteht 2020-2021 die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser Vorgabe. Die Übergangsregelung für den Schuldenabbau dürfte das Vereinigte Königreich im Zeitraum 2019-2020 dank der gewährten jährlichen Abweichung von 0,25 % erfüllen; zudem wird das Land 2020-2021 voraussichtlich die Schuldenregel einhalten. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass das Vereinigte Königreich bereit sein muss, ab 2019-2020 weitere Maßnahmen zu ergreifen, um den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu entsprechen.

(9)

Das Vereinigte Königreich bildet bei den Kapitalinvestitionen — gemessen am BIP — seit Langem das Schlusslicht unter den G7-Ländern. Während der Finanzkrise brachen die Investitionen zudem besonders stark ein, und die Erholung der privaten Investitionen nach der Krise ist ins Stocken geraten. In den vergangenen zehn Jahren lag die FuE-Investitionsintensität im Vereinigten Königreich bei etwa 1,7 % des BIP und damit unter dem Unionsdurchschnitt. Im Rahmen seiner industriepolitischen Strategie hat das Vereinigte Königreich einen gesamtwirtschaftlichen Zielwert von 2,4 % des BIP bis 2027 und von 3 % des BIP in einem längerfristigen Zeitraum festgelegt. Die FuE-Investitionen konzentrieren sich auf eine begrenzte Anzahl von Unternehmen und Regionen. Der auf breiter Basis festzustellende Sach- und Humankapitalmangel ist eine der Hauptursachen für die relativ niedrige und stagnierende Arbeitsproduktivität im Vereinigten Königreich.

(10)

Im Vereinigten Königreich ist ein anhaltender Wohnungsmangel zu verzeichnen. Die Erholung des Wohnungsbaus nach der Krise hat an Dynamik verloren. Es treten erste Kapazitätsengpässe auf, doch gleichzeitig kann der Wohnungsbau nach wie vor nicht den geschätzten Bedarf decken. Insbesondere in stark nachgefragten Gebieten verharren die Immobilienpreise und Mieten auf einem hohen Niveau, wobei Anzeichen für eine Überbewertung festzustellen sind. Es gibt nun deutlich weniger junge Erwachsene, die Wohneigentum besitzen. Die Regierung ist dabei, eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsangebots umzusetzen. Gleichzeitig bestehen aufgrund der strengen Regulierung des Grundstücksmarkts Einschränkungen hinsichtlich der Anzahl und der Lage der Flächen für neue Wohnungsbauvorhaben, insbesondere in städtischen Ballungszentren.

(11)

Um die Infrastrukturnetze zu modernisieren und auszubauen sind umfangreiche Investitionen erforderlich; gleichzeitig müssen die Projektkosten und die Treibhausgasemissionen gesenkt werden. Im Straßen-, Schienen- und Luftverkehrsnetz wächst der Kapazitätsdruck. Das Vereinigte Königreich muss umfassende neue und umweltfreundlichere Energieerzeugungs- und -versorgungskapazitäten schaffen. Die Infrastrukturentwicklung im Vereinigten Königreich war bislang vielfach mit hohen Kosten verbunden und kam eher langsam voran. Nach Jahrzehnten der staatlichen Unterfinanzierung nimmt die Regierung nun im Rahmen ihrer nationalen Infrastrukturstrategie den Infrastrukturmangel in Angriff, doch dürfte es schwierig werden, die den Projektionen der Regierung zufolge erforderlichen externen Mittel auf kostenwirksame Weise bereitzustellen.

(12)

Die Arbeitslosigkeit ist zwar niedrig, doch die Reallöhne liegen nach wie vor unter ihrem Höchststand vor der Krise. Der hohe Anteil gering qualifizierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat nur begrenzte Karriereaussichten, was die Produktivität schmälert und zu einer hohen Erwerbstätigenarmut beiträgt. Es besteht Spielraum, die Wirksamkeit der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung zu erhöhen, um die grundlegenden und fachlichen Kompetenzen zu steigern. Die Regierung geht nun die Reformierung der schulischen und berufspraktischen Ausbildung an, doch die Anzahl der Anmeldungen für das neue zweigleisige System fällt weitaus geringer als erwartet aus.

(13)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik des Vereinigten Königreichs umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Konvergenzprogramm 2018-2019 und das nationale Reformprogramm 2019 sowie die Maßnahmen zur Umsetzung der an das Vereinigte Königreich gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik im Vereinigten Königreich berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien bewertet.

(14)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Konvergenzprogramm 2018-2019 geprüft; seine Stellungnahme (6) hierzu spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider —

EMPFIEHLT, dass das Vereinigte Königreich 2019 und 2020

1.   

sicherstellt, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Zeitraum 2020-2021 1,9 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht;

2.   

den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf Forschung und Innovation, Wohnungsbau, Ausbildung und Kompetenzentwicklung, nachhaltigen Verkehr, einen geringeren CO2-Ausstoß und die Energiewende unter Berücksichtigung der regionalen Vielfalt legt.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 66 I vom 19.2.2019, S. 1.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(5)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen werden eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(6)  Gemäß Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.