ISSN 1977-088X

doi:10.3000/1977088X.C_2014.067.deu

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 67

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

57. Jahrgang
6. März 2014


Informationsnummer

Inhalt

Seite

 

I   Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

 

STELLUNGNAHMEN

 

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

 

493. Plenartagung am 16. und 17. September 2013

2014/C 067/01

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Einbeziehung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsrahmen für die Zeit nach 2015 (Sondierungsstellungnahme)

1

2014/C 067/02

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Nachhaltiger Wandel in Übergangsgesellschaften (Sondierungsstellungnahme)

6

2014/C 067/03

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Europäisches Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe: die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern aller EU-Mitgliedstaaten ermöglichen und fördern (Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des litauischen Ratsvorsitzes)

11

2014/C 067/04

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Eine integrativere, zuwandererfreundliche Bürgerschaft (Initiativstellungnahme)

16

2014/C 067/05

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Für einen nachhaltigeren Konsum: die Lebensdauer von Industrieprodukten und die Verbraucherinformation zugunsten eines neuen Vertrauens (Initiativstellungnahme)

23

2014/C 067/06

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Das Wachstumspotenzial der europäischen Brauwirtschaft stärken (Initiativstellungnahme)

27

2014/C 067/07

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Irreguläre Einwanderung auf dem Seeweg im Euromed-Raum (Initiativstellungnahme)

32

2014/C 067/08

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Sicherstellung von für die EU wichtigen Einfuhren durch die derzeitige EU-Handelspolitik und verwandte Politikbereiche

47

2014/C 067/09

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Bestimmung ausstehender Maßnahmen zur Binnenmarktakte (Ergänzende Stellungnahme)

53

 

III   Vorbereitende Rechtsakte

 

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

 

493. Plenartagung am 16. und 17. September 2013

2014/C 067/10

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Bankenabwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates — COM(2013) 520 final — 2013/0253 (COD)

58

2014/C 067/11

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zum Mehrwert makroregionaler Strategien — COM(2013) 468 final

63

2014/C 067/12

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung — COM(2013) 348 final — 2013/0188 (CNS)

68

2014/C 067/13

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische langfristige Investmentfonds — COM(2013) 462 final — 2013/0214 (COD)

71

2014/C 067/14

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 2012 — COM(2013) 257 final

74

2014/C 067/15

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen — COM(2013) 449 final — 2013/0213 (COD)

79

2014/C 067/16

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (COM(2013) 404 final — 2013/0185 (COD)) und der Mitteilung der Kommission zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union C(2013) 3440

83

2014/C 067/17

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Programms Copernicus und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 911/2010 des Rates — COM (2013) 312 final — 2013/0164 (COD)

88

2014/C 067/18

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gebühren, die der Europäischen Arzneimittelagentur für die Durchführung von Pharmakovigilanz-Tätigkeiten in Bezug auf Humanarzneimittel zu entrichten sind — COM(2013) 472 final — 2013/0222 (COD)

92

2014/C 067/19

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Durchgängig elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung — COM(2013) 453 final

96

2014/C 067/20

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Druckgeräten auf dem Markt (Neufassung) — COM(2013) 471 final — 2013/0221 (COD)

101

2014/C 067/21

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Anpassung von Rechtsakten, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird, an Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (COM(2013) 451 final — 2013/0218 (COD)) und dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Anpassung von Rechtsakten im Bereich Justiz, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird, an Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union — COM(2013) 452 final — 2013/0220 (COD)

104

2014/C 067/22

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates für wirksame Maßnahmen zur Integration der Roma in den Mitgliedstaaten — COM(2013) 460 final — 2013/0229 (NLE)

110

2014/C 067/23

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Arbeitsverwaltungen (ÖAV) — COM(2013) 430 final — 2013/0202 (COD)

116

2014/C 067/24

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Stärkung der sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion — COM(2013) 690 final

122

2014/C 067/25

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Auf dem Weg zu einem wettbewerbsfähigeren und effizienteren Verteidigungs- und Sicherheitssektor — COM(2013) 542 final

125

2014/C 067/26

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Technologien und Innovationen im Energiebereich — COM(2013) 253 final

132

2014/C 067/27

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Leitlinien für transeuropäische Telekommunikationsnetze und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1336/97/EG — COM(2013) 329 final — 2011/0299 (COD)

137

2014/C 067/28

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission: Der Blaue Gürtel — ein einheitlicher europäischer Verkehrsraum für die Schifffahrt — COM(2013) 510 final

141

2014/C 067/29

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Das internationale Klimaschutzübereinkommen von 2015: Gestaltung der Weltklimapolitik für die Zeit nach 2020 — COM(2013) 167 final

145

2014/C 067/30

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Strategische Leitlinien für die nachhaltige Entwicklung der Aquakultur in der EU — COM(2013) 229 final

150

2014/C 067/31

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Grüne Infrastruktur (GI) — Aufwertung des europäischen Naturkapitals — COM(2013) 249 final

153

2014/C 067/32

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 302/2009 über einen mehrjährigen Wiederauffüllungsplan für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer — COM(2013) 250 final — 2013/133 (COD)

157

2014/C 067/33

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel — COM(2013) 216 final

160

2014/C 067/34

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit, Pflanzenvermehrungsmaterial und Pflanzenschutzmittel sowie zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 999/2001, (EG) Nr. 1829/2003, (EG) Nr. 1831/2003, (EG) Nr. 1/2005, (EG) Nr. 396/2005, (EG) Nr. 834/2007, (EG) Nr. 1069/2009, (EG) Nr. 1099/2009 und (EG) Nr. 1107/2009, der Verordnungen (EU) Nr. 1151/2012 und (EU) Nr. […]/2013 und der Richtlinien 98/58/EG, 1999/74/EG, 2007/43/EG, 2008/119/EG, 2008/120/EG und 2009/128/EG (Verordnung über amtliche Kontrollen) (COM(2013) 265 final — 2013/0140 (COD)) und dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit Bestimmungen für die Verwaltung der Ausgaben in den Bereichen Lebensmittelkette, Tiergesundheit und Tierschutz sowie Pflanzengesundheit und Pflanzenvermehrungsmaterial, zur Änderung der Richtlinien des Rates 98/56/EG, 2000/29/EG und 2008/90/EG, der Verordnungen (EG) Nr. 178/2002, (EG) Nr. 882/2004 und (EG) Nr. 396/2005, der Richtlinie 2009/128/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und zur Aufhebung der Entscheidungen des Rates 66/399/EWG, 76/894/EWG und 2009/470/EG — COM(2013) 327 final — 2013/0169 (COD)

166

2014/C 067/35

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Überwachung von, Berichterstattung über und Prüfung von Kohlendioxidemissionen aus dem Seeverkehr und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 — COM(2013) 480 final — 2013/0224 (COD)

170

2014/C 067/36

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine europäische Strategie für mikro- und nanoelektronische Komponenten und Systeme — COM(2013) 298 final

175

2014/C 067/37

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und 2008/118/EG bezüglich der französischen Regionen in äußerster Randlage, insbesondere Mayotte — COM(2013) 577 final — 2013/0280 (CNS)

181

2014/C 067/38

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 in Bezug auf die Mittelzuweisungen aus dem Europäischen Sozialfonds für bestimmte Mitgliedstaaten — COM(2013) 560 final — 2013/0271 (COD)

182

2014/C 067/39

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungs- und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation Vorlage eines Entwurfs gemäß Artikel 31 Euratom-Vertrag zur Stellungnahme durch den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — COM(2013) 576 DRAFT

183

2014/C 067/40

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Eröffnung und Verwaltung autonomer Gemeinschaftszollkontingente für die Einfuhr bestimmter Fischereierzeugnisse auf die Kanarischen Inseln im Zeitraum 2014-2020 — COM(2013) 552 final — 2013/0266 (CNS)

184

DE

 


I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

STELLUNGNAHMEN

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

493. Plenartagung am 16. und 17. September 2013

6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Einbeziehung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsrahmen für die Zeit nach 2015“ (Sondierungsstellungnahme)

2014/C 67/01

Berichterstatter: Ivan VOLEŠ

Mit Schreiben von Kommissionsmitglied ŠEFČOVIČ vom 19. April 2013 ersuchte die Europäische Kommission den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um die Erarbeitung einer Sondierungsstellungnahme zum Thema

Einbeziehung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsrahmen für die Zeit nach 2015.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 25. September 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 100 gegen 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Stärkung der Stellung der Privatwirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit

1.1.1

Die Privatwirtschaft kann eine wesentliche Rolle bei der Bekämpfung der Armut in der Welt spielen, denn sie schafft Arbeitsplätze, liefert Waren und Dienstleistungen, generiert Einkünfte und Gewinne und trägt durch ihre Steuern zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben bei, sofern die international anerkannten Grundlagen der Entwicklungszusammenarbeit respektiert werden und die geschaffenen Arbeitsplätze im Einklang mit der ILO-Agenda für menschenwürdige Arbeit zu akzeptablen Beschäftigungsverhältnissen führen.

1.1.2

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) fordert, die Privatwirtschaft in sehr viel stärkerem Maße in die Entwicklungsagenda und in die neue globale Partnerschaft für die Zeit nach 2015 einzubinden. Durch ihre Mitwirkung bei der Festlegung der Ziele für die Beseitigung der Armut und die Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung sowie eines gerechten, integrativen Wachstums sowohl in Bezug auf die Quantität als auch die Qualität wird erreicht, dass die Privatwirtschaft ihrem Anteil an der Verantwortung für die Erreichung dieser Ziele gerecht wird.

1.1.3

Die Organisationen der Zivilgesellschaft verweisen nicht nur auf die Vorteile sondern auch auf die Risiken durch das Tätigwerden der Privatwirtschaft. Daher sollte die Unterstützung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern auf den Prinzipien der Transparenz, der offenen Vergabe öffentlicher Aufträge, der Effizienz, des Nachweises der investierten eingesetzten Mittel sowie der Verantwortlichkeit der öffentlichen Akteure für die Umsetzung der angenommenen Entwicklungsstrategie gegenüber allen interessierten Kreisen beruhen. Der Anstieg des Anteils der insgesamt für die Entwicklung der Privatwirtschaft bestimmten öffentlichen Entwicklungshilfe sollte dabei nicht zu einer Verringerung derjenigen Finanzmittel führen, die im Rahmen der öffentlichen Entwicklungshilfe in die ärmsten Entwicklungsländer fließen.

1.2   Ausrichtung der Privatwirtschaft auf die Verwirklichung der Entwicklungsziele

1.2.1

Für die Zwecke dieser Stellungnahme schließt die Privatwirtschaft auch den sozialen Sektor ein; sie besteht aus Selbstständigen, Kleinstunternehmen, kleinen und mittleren Betrieben, großen internationalen Firmen, Genossenschaften und sonstigen Unternehmen der Sozialwirtschaft und umfasst die Arbeitnehmer der Privatbetriebe und deren Gewerkschaften sowie die nichtstaatlichen Organisationen, die an privaten Vorhaben arbeiten. Bei der Unterstützung der Privatwirtschaft und der Zusammenarbeit mit ihr sollte den Unterschieden der einzelnen Partner Rechnung getragen werden. In den Entwicklungsländern gibt es auch einen großen informellen Privatsektor, und die Entwicklungszusammenarbeit sollte dazu beitragen, die informelle Beschäftigung und die Faktoren, die sie begünstigen, zu bekämpfen.

1.2.2

Die Zivilgesellschaft sollte aktiv in die Festlegung der Aufgaben der Privatwirtschaft und der Indikatoren für deren Beitrag zur grenzüberschreitenden Entwicklungszusammenarbeit einbezogen werden; einen Beitrag dazu könnte die Einrichtung einer breiten Plattform unter Einbeziehung aller interessierten Kreise auf europäischer Ebene leisten.

1.2.3

Die öffentliche Entwicklungshilfe sollte eingesetzt werden, um einen Multiplikatoreffekt zu erzielen und so privates Kapital für Investitionen in den Entwicklungsländern durch den Einsatz innovativer Finanzinstrumente zu mobilisieren. Die auf diese Weise gewährte Hilfe muss auf klar definierte Ziele ausgerichtet sein, beispielsweise auf die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen, die Steigerung der Produktionsqualität, die Übertragung von Managementwissen für den Privatsektor usw.

1.2.4

Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor können zu einem wichtigen Instrument für die Realisierung der Entwicklungsstrategien werden, sofern auf die richtige Dosierung und Kommunikation zwischen den interessierten Kreisen geachtet wird.

1.3   Das Entstehen eines günstigen unternehmerischen Umfelds fördern

1.3.1

Die Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern braucht zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Entwicklungsbereich ein geeignetes unternehmerisches Umfeld einschließlich der Wahrung allgemein anerkannter demokratischer Grundsätze, das die Gründung und das Wachstum von Unternehmen erleichtert, eine ausufernde Bürokratie vermeidet, die Transparenz erhöht, die allgegenwärtige Korruption einschränkt sowie ausländische und einheimische Investoren anzieht.

1.3.2

Die soziale Verantwortung von Unternehmen sollte als freiwillige Initiative der Unternehmen aufgefasst werden, die sich damit zu einem ethischen Unternehmertum bekennen. Im Einklang mit den "OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen" und anderen international anerkannten Grundsätzen sollte ein bestimmter SVU-Rahmen im Entwicklungsbereich vorgeschlagen werden.

1.3.3

Bei der Schaffung von Arbeitsplätzen sollte die Privatwirtschaft die grundlegenden wirtschaftlichen und sozialen Rechte einhalten, insbesondere die vier wichtigsten Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Neue Arbeitsplätze sollten im Einklang mit der Agenda für menschenwürdige Arbeit der ILO geschaffen werden.

1.4   Das Innovationspotenzial der Unternehmen für die Entwicklung wecken

1.4.1

Die Programme zum institutionellen Kapazitätsaufbau der Behörden in den Entwicklungsländern sollten in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern und den interessierten, in der Entwicklungshilfe tätigen nichtstaatlichen Organisationen aufgestellt werden und die Bedingungen für die unternehmerische Tätigkeit vor allem der kleinen und mittleren Betriebe verbessern, die das größte Potenzial zur Schaffung von Arbeitsplätzen und für die Verringerung der Armut aufweisen.

1.4.2

Die Unternehmerverbände in den Entwicklungsländern müssen Kompetenzen erwerben, damit sie besser in der Lage sind, das unternehmerische Umfeld positiv zu beeinflussen. Der Aufbau ihrer Kapazitäten muss durch die aktive Beteiligung von Partnerverbänden aus den Industriestaaten unterstützt werden. Die europäischen Außenhilfeprogramme sollten auch die Finanzierung der technischen Hilfe umfassen, die europäische Unternehmensverbände ihren Partnern in den Entwicklungsländern leisten und deren Motivation stärken.

1.4.3

Durch die Entwicklungshilfe sollten verstärkt innovative Vorhaben und Geschäftsmodelle gefördert werden, die der Integration einschließlich der Schaffung einer barrierefreien Gesellschaft dienen, und somit zur Beseitigung der Armut gefährdeter Bevölkerungsgruppen beitragen, zu denen Menschen mit Behinderungen, Frauen, ältere Menschen usw. zählen.

1.4.4

Die Zusammenarbeit der Privatwirtschaft mit den nichtstaatlichen Organisationen muss unterstützt werden, etwa durch den Einsatz von Freiwilligen für die Übertragung von Expertenwissen in den Bereichen Management und Technologie auf die Unternehmen vor Ort. Erfolgreiche innovative Unternehmensprojekte verdienen es, systematisch einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden zu werden.

1.4.5

Die Entwicklung der Privatwirtschaft erfordert eine stärkere Unterstützung der Ausbildung und des Erwerbs von Kenntnissen in Schlüsseltechnologien vor allem bei den Beschäftigten mit geringeren Qualifikationen.

1.4.6

Der EWSA empfiehlt, das Erasmus-Programm für Jungunternehmer auch auf junge Unternehmer in Entwicklungsländern auszuweiten oder ein Programm mit ähnlicher Ausrichtung aufzustellen und die dafür erforderlichen Ressourcen bereitzustellen.

1.4.7

Besondere Aufmerksamkeit gebührt dem Bergbau und der Grundstoffindustrie, wo die Forderungen des Umweltschutzes, der sozialen Arbeitsbedingungen und der Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes kompromisslos durchgesetzt werden müssen.

1.4.8

Da es in den Entwicklungsländern in der Regel keine Strategien zur Entwicklung kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) gibt, könnte durch die Entwicklungszusammenarbeit dieser Mangel besser behoben werden. Die europäischen Erfahrungen mit der Politik zur Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen sollten gezielt und in zweckmäßiger Form auf die Entwicklungsländer übertragen werden.

2.   Hintergrund der Stellungnahme

2.1

Kommissionsmitglied Šefčovič hat den Präsidenten des EWSA in einem Schreiben darüber informiert, dass die Kommission derzeit Vorschläge für eine wirksamere Einbindung der Privatwirtschaft in die globale Partnerschaft für Entwicklung nach 2015 erarbeite. Daher ersuche er den EWSA um eine Sondierungsstellungnahme zur Rolle der Privatwirtschaft bei der Beschleunigung einer intelligenten, nachhaltigen und integrativen Entwicklung nach 2015, über die derzeit auf Ebene der Vereinten Nationen verhandelt werde.

2.2

In seiner Stellungnahme REX/372 (1) zur Kommissionsmitteilung "Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt" hat der EWSA eine Reihe von Empfehlungen abgegeben, um die Zivilgesellschaft in die Konzipierung, Verwirklichung und Überwachung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung nach 2015 auf globaler Ebene einzubinden.

2.3

Der EWSA widmet sich in seinen Stellungnahmen (2) seit langer Zeit und intensiv der Entwicklungszusammenarbeit und verfügt durch seine eigene Beschäftigung mit den AKP, der Euromed, der Östlichen Partnerschaft, den internationalen Handelsverhandlungen und weiteren Themen im Zusammenhang mit Entwicklungsfragen über große Erfahrungen und Erkenntnisse auf diesem Gebiet und hat diese für die Erarbeitung dieser Stellungnahme genutzt.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Die Privatwirtschaft kann eine wesentliche Rolle bei der Bekämpfung der Armut in der Welt spielen, denn sie schafft Arbeitsplätze, liefert Waren und Dienstleistungen, generiert Einkünfte und Gewinne und trägt durch ihre Steuern zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben bei, sofern die international anerkannten Grundlagen der Entwicklungszusammenarbeit respektiert werden. Die öffentliche Entwicklungshilfe ist und bleibt auch über das Jahr 2015 hinaus ein wichtiger Impulsgeber für die Entwicklung, doch sie allein kann die Armut nicht aus der Welt schaffen (3).

3.2

In den Millenniumsentwicklungszielen zur Beseitigung der Armut fehlte eine klare Festlegung der Art und Weise, wie diese Ziele verwirklicht werden sollen; sie waren darüber hinaus nur unzureichend miteinander verknüpft und enthalten keinen Hinweis auf die Rolle der Privatwirtschaft für die Entwicklung (4). Im künftigen Entwicklungsrahmen für die Zeit nach 2015 sollte die Privatwirtschaft in weitaus stärkerem Maße als strategischer Partner und Triebkraft für eine nachhaltige Entwicklung hinzugezogen werden, die sich auf drei Pfeiler – einen wirtschaftlichen, einen sozialen und einen ökologischen Pfeiler – stützt und nicht nur an quantitativen sondern auch an qualitativen Indikatoren gemessen wird.

3.3

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen (5) haben sowohl auf die Vorteile, als auch auf die Risiken einer Einbeziehung der Privatwirtschaft in die Entwicklungszusammenarbeit hingewiesen. Für die Beseitigung solcher Risiken sollte die Unterstützung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern auf den Prinzipien der Transparenz, der Effizienz, des Nachweises der investierten Mittel, der offenen Vergabe öffentlicher Aufträge sowie der Verantwortung der öffentlichen Akteure für die Umsetzung der angenommenen Entwicklungsstrategie gegenüber allen interessierten Kreisen beruhen.

3.4

Die Privatwirtschaft besteht aus Selbstständigen, Kleinstunternehmen, kleinen und mittleren Betrieben, großen internationalen Firmen, Genossenschaften und sonstigen Unternehmen der Sozialwirtschaft sowie Finanzinstituten. Im weiteren Sinne gehören auch die Beschäftigten von Privatunternehmen und deren Gewerkschaften und von nichtstaatlichen Organisationen, die an privaten Vorhaben mitarbeiten, zu diesem Sektor. Neben den legal tätigen Privatunternehmen gibt es insbesondere in den Entwicklungsländern einen großen informellen Privatsektor. Bei der Bereitstellung der Entwicklungshilfe muss unterschieden werden zwischen den einzelnen privaten Akteuren wie auch zwischen den Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf die Entwicklung in Abhängigkeit von ihrer Größe, dem Tätigkeitsbereich und dem Entwicklungsniveau des Landes (wenig entwickelt, durchschnittlich entwickelt, in der Entwicklung und bedrohte Länder).

3.5

Die Privatwirtschaft sollte gemeinsam mit den Vertretern der Zivilgesellschaft in die Ermittlung des Entwicklungsbedarfs in jedem Land einbezogen werden und sich an der Festlegung der neuen Ziele für die nachhaltige Entwicklung nach dem Jahr 2015 beteiligen, damit sie ihrem Anteil an der Verantwortung für die Erreichung dieser Ziele gerecht wird. Diese Ziele sollten, ausgehend von den Millenniumsentwicklungszielen, konkret und messbar sein und sich auf folgende Bereiche erstrecken: Wasser, Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Energie, Verkehrsinfrastruktur, Bildung, Gesundheitswesen, digitale Wirtschaft, Gleichstellung der Geschlechter und soziale Gleichberechtigung.

3.6

Die Privatwirtschaft sollte als wichtiger Bestandteil der neuen globalen Partnerschaft für Entwicklung anerkannt werden. Wünschenswert wäre die Schaffung einer Plattform mit Vertretern der Unternehmer und Arbeitgeber in Europa, die weiteren interessierten Kreisen offenstehen sollte, so auch den Vertretern der Zivilgesellschaft, um den Dialog mit den Vertretern der EU-Behörden und der Finanzinstitute über die Einbeziehung der Privatwirtschaft in die grenzübergreifende Entwicklungszusammenarbeit zu führen.

3.7

Die Privatwirtschaft der Geberländer beteiligt sich an der Entwicklungszusammenarbeit als Anbieter von Dienstleistungen und Ausrüstungen, die durch die öffentliche Entwicklungshilfe finanziert werden, als direkter Geber von Entwicklungshilfe für humanitäre Hilfe, für gemeinsame Projekte mit dem öffentlichen Sektor und nichtstaatliche Organisationen sowie als Investor für Projekte, die nicht nur unternehmerischen Zielen dienen, sondern auch beträchtliche Auswirkungen auf dem Gebiet der Entwicklung haben. Vorrangig sollten dabei innovative Projekte durch den Aufbau innovativer Kapazitäten, Beratungsleistungen, Gründerzentren und Unternehmenscluster in den Empfängerländern gefördert werden. Öffentliche Aufträge für Entwicklungsvorhaben müssen transparent und offen ausgeschrieben werden.

3.8

Der Beitrag der Privatwirtschaft zur Entwicklung sollte auch die Unterstützung einer barrierefreien Gesellschaft umfassen, wodurch die Armut gefährdeter Bevölkerungsgruppen bekämpft werden könnte, zu denen Menschen mit Behinderungen, Frauen, ältere Menschen und vorübergehend verletzte Personen gehören. Die im März 2010 mit den Sozialpartnern in der EU geschlossene Rahmenvereinbarung über integrative Arbeitsmärkte könnte für die Aufnahme dieser Anforderung in den künftigen Entwicklungsrahmen Vorbildfunktion haben.

3.9

Die Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern braucht systematische Unterstützung, um ihre Aufgaben im Entwicklungsbereich erfüllen zu können. Aus diesem Grund wurde der für die Entwicklung der Privatwirtschaft bestimmte Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe aufgestockt. Dies darf jedoch nicht zu einer Verringerung der offiziellen Entwicklungshilfe für die ärmsten Entwicklungsländer führen, denn ohne diese Hilfe können diese Länder ihre dringendsten Probleme nicht bewältigen.

3.10

Private Investitionen großer multinationaler Gesellschaften in Entwicklungsprojekte bieten bestehenden und neu entstehenden KMU vor Ort die Möglichkeit, in die Realisierung der Projekte eingebunden zu werden, was sie wiederum in die Lage versetzt, durch die Zusammenarbeit mit Partnern aus den Industriestaaten technische Fachkenntnisse zu erwerben und Zugang zu entsprechenden fortschrittlichen Technologien zu erhalten. Die multinationalen Unternehmen sollten die anerkannten Grundsätze einhalten, die von den Vereinten Nationen, OECD und weiteren internationalen Organisationen aufgestellt wurden (6).

3.11

Die kleinen und mittleren Unternehmen bieten in den Entwicklungsländern wie überall in der Welt das größte Entwicklungspotenzial, zu dessen Entfaltung vor allem Mikrokredite und verbilligte Darlehen europäischer und internationaler Finanzinstitutionen der Entwicklungsförderung beitragen sollten. Eine wichtige Investitionsquelle ist auch die Überweisung von Ersparnissen und weiterer Mittel von Emigranten und durch entsprechende Anreize muss dafür gesorgt werden, dass diese Mittel verstärkt zur Entwicklung des jeweiligen Landes eingesetzt werden.

3.12

Der EWSA begrüßt die Konzepte, die die Kommission in ihrer Mitteilung"Nach 2015: Auf dem Weg zu einem umfassenden und integrierten Konzept für die Finanzierung von Armutsbeseitigung und nachhaltiger Entwicklung" (7) vorgelegt hat und fordert, dass auch die Privatwirtschaft und die organisierte Zivilgesellschaft an der vorgeschlagenen Diskussion über ein integriertes Finanzierungskonzept beteiligt werden.

3.13

Die öffentliche Entwicklungshilfe sollte als wichtigstes Instrument für einen Multiplikatoreffekt eingesetzt werden, um so privates Kapital für Investitionen in den Entwicklungsländern zu mobilisieren. Dafür sollten solche innovative Instrumente zum Einsatz kommen wie die Kombination von Zuschüssen (Blending), verschiedene Garantiemechanismen und ermäßigte Zinssätze. Staatliche Garantien für Investitionen in Entwicklungsländern müssen auf die offizielle Entwicklungshilfe angerechnet werden. Die auf diese Weise gewährte Unterstützung für das private Kapital muss an klar definierte Bedingungen und Indikatoren geknüpft sein, die sich unter anderem auf die Nachhaltigkeit der Entwicklung, den Umweltschutz, die grüne Wirtschaft, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Steigerung der Produktionsqualität und die Übertragung von Expertenwissen im Bereich des Managements für die Privatwirtschaft beziehen.

3.14

Die Investitionen müssen auf die Stärkung der Dienstleistungsbranche ausgerichtet werden, unter anderem auf das Bank- und Versicherungswesen, auf Telekommunikation und Verkehr und weitere Dienstleistungen zur Förderung unternehmerischer Tätigkeit, ohne die eine gesunde Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft unmöglich ist. Dabei muss der Staat auf die Einhaltung der Wettbewerbsbedingungen achten und einen angemessenen Schutz der Investitionen gewährleisten.

3.15

Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und im privaten Sektor können zu einem wichtigen Instrument für die Realisierung der Entwicklungsstrategien werden, denn sie verknüpfen den aus öffentlichen Mitteln gespeisten Finanzierungsmechanismus mit privaten Investitionsinitiativen zur Deckung der Entwicklungsbedürfnisse der Endbegünstigten vor Ort. Für den Erfolg solcher Projekte bedarf es transparenter Informationen und einer offenen Kommunikation mit den interessierten Seiten.

4.   Das Entstehen eines günstigen unternehmerischen Umfelds fördern

4.1

Die Privatwirtschaft in den begünstigten Entwicklungsländern kann ihrer Aufgabe auf dem Gebiet der Entwicklung nur gerecht werden, wenn grundlegende Voraussetzungen erfüllt sind, damit sie überhaupt existieren und tätig werden kann. Die Entwicklungszusammenarbeit sollte daher stärker auf die stetige Verbesserung eines unternehmerischen Umfelds ausgerichtet werden, durch das die Gründung und das Wachstum von Unternehmen erleichtert, eine ausufernde Bürokratie vermieden, die Transparenz erhöht und die allgegenwärtige Korruption eingeschränkt werden könnte. Mit der Durchsetzung des Rechtsstaates werden ausländische und einheimische Investoren angezogen und ein Beitrag zur Diversifizierung der Wirtschaft vor Ort geleistet.

4.2

Die Schaffung eines gesunden unternehmerischen Umfelds muss gestützt sein auf: Marktinstrumente einschließlich des Wettbewerbs, einen funktionierenden Finanzmarkt, die Unabhängigkeit der Gerichte, die allgemeine Durchsetzung des Rechts, insbesondere des Handelsrechts, die Einhaltung der weltweit anerkannten Grundsätze und Regeln des internationalen Handels und die Einhaltung der Rechte des geistigen Eigentums. Die kulturellen Sitten und Gebräuche vor Ort sind zu respektieren, sofern sie nicht den Wettbewerb behindern und nicht zur Korruption oder zu einer Umverteilung der Mittel ohne erkennbaren Mehrwert führen.

4.3

Die soziale Verantwortung von Unternehmen in der Entwicklungszusammenarbeit sollte als freiwillige Initiative der Unternehmen aufgefasst werden, die sich damit zu einem ethischen Unternehmertum bekennen. Aus einem grundlegenden Rahmen und den weltweit anerkannten Grundsätzen (8) wählen die Unternehmen selbst aus, was für ihre jeweilige wirtschaftliche Tätigkeit akzeptabel ist und wie sie es umsetzen. Die Festlegung eines solchen Rahmens gewährleistet einen lauteren Wettbewerb mit den anderen Unternehmen der Branche.

4.4

Die Privatwirtschaft schafft Arbeitsplätze und kann so zur Beseitigung der Armut beitragen, doch müssen dabei die grundlegenden wirtschaftlichen und sozialen Rechte eingehalten werden. Insbesondere müssen die vier wichtigsten Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO strikt eingehalten werden (Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen, Verbot von Zwangsarbeit, Verbot von Kinderarbeit und Verbot von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf).

4.5

Neu geschaffene Arbeitsplätze sollten im Einklang mit der Agenda für menschenwürdige Arbeit der ILO stehen, d.h. der Beruf muss frei gewählt werden, es muss ein Sozialschutz bestehen, die grundlegenden Rechte der Arbeitnehmer werden respektiert, und es wird ein sozialer Dialog eingerichtet. Wichtig ist, dass alle Investoren, insbesondere jene, die öffentliche Entwicklungshilfe in Anspruch nehmen, diese Grundsätze bei der Durchführung ihrer Projekte strikt einhalten und in dieser Hinsicht auch auf ihre Partner Einfluss nehmen.

4.6

Die Programme zum institutionellen Kapazitätsaufbau der Behörden in den Entwicklungsländern sollten die Grundsätze des Rechtsstaates stärken und zur Verbesserung der Voraussetzungen für unternehmerische Tätigkeit beitragen sowie zu einer höheren Absorptionsfähigkeit der lokalen Unternehmen führen. Diese Programme sollten in enger Absprache mit den Sozialpartnern und den interessierten Nichtregierungsorganisationen erarbeitet werden.

5.   Die Privatwirtschaft wirksamer in die Entwicklung einbinden

5.1

Unternehmensverbände wie beispielsweise Handelskammern, Fachvereinigungen und -verbände sowie Arbeitgeberverbände und die Organisationen der Sozialwirtschaft in den Geberländern sollten in allen Phasen des Projektzyklus aktiv in die Programme zur Unterstützung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern eingebunden werden. Zu diesem Zweck sollte ein Programm aufgelegt werden für die Förderung der lokalen Vertretungsorganisationen der KMU, damit diese Kenntnisse vornehmlich in den Bereichen des Marketings und der Integration der Lieferketten, der Zertifizierung, der Logistik usw. erwerben können.

5.2

Die Unternehmensverbände in den Entwicklungsländern müssen Kompetenzen zur Verbesserung des unternehmerischen Umfelds erwerben, die demokratische Führung ihrer Organisationen stärken, weitere Mitglieder anwerben und aktiv mit ihnen kommunizieren. Der Aufbau ihrer Kapazitäten muss unterstützt werden, und zwar durch die aktive Beteiligung vergleichbarer Partnerverbände aus der EU. Die europäischen Außenhilfeprogramme sollten auch die Finanzierung der technischen Hilfe umfassen, die europäische Unternehmensverbände ihren Partnern leisten.

5.3

Die Entwicklung der Privatwirtschaft sollte auch Schulungen für Unternehmer einschließlich Praktika in den Industriestaaten umfassen. Der EWSA empfiehlt, die Möglichkeit einer Ausweitung des Erasmus-Programms für Jungunternehmer auch auf Gründer in Entwicklungsländern zu erwägen oder die Erarbeitung eines vergleichbaren Programms in Betracht zu ziehen und die dafür erforderlichen Ressourcen bereitzustellen.

5.4

Die Ausbildung und der Erwerb von Kenntnissen in Schlüsseltechnologien sollten stärker unterstützt werden, vor allem bei den Beschäftigten mit geringeren Qualifikationen. Seit langer Zeit bereits fehlt es an Programmen zur Berufsausbildung, während die Geberländer in erster Linie Stipendien für die Hochschulausbildung vergeben. Dabei benötigt die Privatwirtschaft in der Industrie und in weiteren Branchen Arbeitskräfte, die über aktuelle, in einer klassischen Berufsausbildung erworbene Kompetenzen sowie über Arbeitsmethoden verfügen, die unentbehrlich sind, um für einen ausländischen Investor oder ein gemeinsames Industrieunternehmen arbeiten zu können.

5.5

Durch die Entwicklungshilfe sollten verstärkt innovative Vorhaben und Geschäftsmodelle gefördert werden, die der Integration dienen, und hier besteht viel Spielraum für eine Zusammenarbeit der Privatwirtschaft mit den nichtstaatlichen Organisationen. Ein Beispiel dafür ist die Abordnung von Fachleuten, die auf freiwilliger Basis bei der Entwicklung von Unternehmen in Entwicklungsländern behilflich sind (9). Der Austausch von Erfahrungen zwischen den Mitgliedstaaten könnte durch eine breitere Bekanntmachung erfolgreicher innovativer Unternehmensprojekte gefördert werden.

5.6

Besondere Aufmerksamkeit gebührt dem Bergbau und der Grundstoffindustrie. Bei Investitionsvorhaben müssen Fragen des Umweltschutzes, der sozialen Arbeitsbedingungen und der nachhaltigen Entwicklung berücksichtigt werden. Die staatlichen und lokalen Behörden in den Empfängerländern müssen entsprechende Rahmenbedingungen für die einzelnen Branchen schaffen und darauf achten, dass diese – einschließlich der steuerlichen Verpflichtungen – auch eingehalten werden. Die Entwicklungshilfe sollte dazu beitragen, diesen Ansatz systematisch auszubauen und gleichzeitig die geeignetsten Regeln zu finden, um eine ausufernde Bürokratie zu vermeiden und die Korruption zu bekämpfen.

5.7

Durch die Entwicklungshilfe sollten auch die nachhaltige Landwirtschaft und das verarbeitende Gewerbe vor Ort unterstützt werden, damit die Verarbeitung von Lebensmitteln und Grundstoffen verbessert wird. Gefördert werden sollten auch die Bildung landwirtschaftlicher Erzeugervereinigungen und kleiner Betriebe für die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie ihre Einbindung in die Versorgungsketten.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Stellungnahme des EWSA zum Thema Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt, ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 144-150.

(2)  Stellungnahmen des EWSA u.a. zu folgenden Themen: EU-Afrika-Strategie (2009), ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 148–156, Handel und Lebensmittelsicherheit (2010), ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 1–9, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen (2012), ABl. C 43 vom 15.2.2012, S. 82–88, Eine EU-Entwicklungspolitik mit größerer Wirkung: Agenda für den Wandel / Der künftige Ansatz für die EU-Budgethilfe an Drittstaaten (2012), ABl. C 229 vom 31.7.2012, S. 133–139, Beteiligung der Zivilgesellschaft an der EU-Entwicklungspolitik (2012), ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 28–34, Sozialschutz in der Entwicklungszusammenarbeit (2013) noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

(3)  Nur wenige der Industriestaaten haben das vereinbarte Ziel von 0,7 % ihres Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungshilfe erreicht oder übertroffen.

(4)  Preliminary BIAC Perspectives for the Post-2015 Development Agenda, Februar 2013.

(5)  IGB www.ituc-csi.org, Concord www.concordeurope.org, DCED (Donors Committee of Economic Development) www.enterprise-development.org.

(6)  UN-Leitprinzipien zu Unternehmen und Menschenrechten, OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, Initiative zur Verbesserung der Transparenz in der Rohstoffindustrie, Leitlinien der OECD für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolle Lieferketten für Mineralien aus Konflikt- und stark gefährdeten Gebieten.

(7)  COM(2013) 531 final vom 16. Juli 2013.

(8)  Beispielsweise die ISO 26000, Initiative der Vereinten Nationen: Sechs Grundsätze für verantwortungsvolle Investitionen.

(9)  Siehe das gemeinnützige öffentliche Unternehmen Ex-Change, www.ex-change.be.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/6


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Nachhaltiger Wandel in Übergangsgesellschaften“ (Sondierungsstellungnahme)

2014/C 67/02

Berichterstatter: ANDRIS GOBIŅŠ

Der litauische Ratsvorsitz beschloss am 15. April 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen:

Nachhaltiger Wandel in Übergangsgesellschaften.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 25. September 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 70 gegen 1 Stimmen bei 6 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

Die einzige Konstante ist die Veränderung – Heraklit.

1.   Empfehlungen

1.1

Die EU, die einzelnen Mitgliedstaaten und ihre Zivilgesellschaft verfügen über einen außerordentlich reichen Schatz an Übergangserfahrungen. Diese Erfahrungen sollten besser genutzt werden, um in der EU, ihren Nachbarländern und weltweit Stabilität durch Wandel zu erzielen.

1.2

Die EU übernimmt in den laufenden Debatten der Vereinten Nationen über die Entwicklungsagenda nach 2015 eine führende Rolle und muss konkrete Schritte auf der Grundlage von Solidarität und kohärenten Maßnahmen vorschlagen. Dies und frühere einschlägige Stellungnahmen des EWSA müssen berücksichtigt werden (1).

1.3

Die (in) der EU verfügbaren Übergangserfahrungen müssen in der Praxis genutzt werden. Die EU muss ihre positiven und negativen Übergangserfahrungen, die verfügbaren Unterstützungsinstrumente sowie die Daten über einschlägige Akteure besser systematisieren. Es sollte ein Aktionsplan zur Nutzung der Übergangserfahrungen bei der Programmplanung erstellt werden. Das Europäische Übergangskompendium und weitere Anregungen aus jüngsten EU-Dokumenten müssen unverzüglich zur Anwendung gebracht werden.

1.4

Die EU-Außenpolitik muss stärker, partizipativer, offener, wirksamer und kohärenter werden. Die außenpolitischen Maßnahmen müssen auf die Förderung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten (einschließlich Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) und der Rechtsstaatlichkeit ausgerichtet werden und zur Schaffung eines partizipativen und demokratischen Umfelds beitragen, in dem die einzelnen Bürgerinnen und Bürger und die Organisationen der Zivilgesellschaft an der Gestaltung der Politik und der Überwachung ihrer Umsetzung teilnehmen können. Erforderlich ist ein langfristiger Ansatz.

1.5

Die Zivilgesellschaft und die politischen Akteure der EU und ihrer Partnerländer müssen eine Schlüsselrolle übernehmen. Im Einklang mit dem EU-Partnerschaftsprinzip sollten Partnerschaftsvereinbarungen, Unterstützungsprogramme oder Finanzhilfen nicht ohne einen strukturierten Dialog mit der Zivilgesellschaft, insbesondere der organisierten Zivilgesellschaft, angenommen werden. Besonderes Gewicht sollte auf den Dialog und die Einbindung von verschiedenen sozialen Gruppen in Partnerländern, einschl. Minderheiten und Bewohner abgelegener Gebiete, gelegt werden.

1.6

Aufgrund diskriminierender Verwaltungs- und anderer Vorschriften haben viele potenzielle Förderer der nachhaltigen Entwicklung derzeit keinen Zugang zu EU-Hilfen. Erforderlich sind eine positive Diskriminierung (die keinen Raum für Manipulationen lässt) sowie die Anforderung, dass Partner mit jüngsten Übergangserfahrungen an der Konzipierung von Projekten beteiligt werden, damit Akteure, die in den aktuellen Bewertungen schlechter abschneiden, auf die gleiche Stufe gestellt werden können. Die Qualität von Projekten und Ergebnissen muss an erster Stelle stehen.

1.7

Neue Kooperationsmechanismen sind einzuführen und die bestehenden auszuweiten (siehe insbesondere die Ziffern 3.3.4, 3.3.6, 3.3.7 und 3.3.8, z.B. weltweites Twinning, TAIEX, Erasmus+, neue Austauschplattform usw.).

1.8

Autoritären Regimen nahestehende Akteure und/oder nichtdemokratische Praktiken (z.B. GONGOs, gelbe Gewerkschaften usw.) sollten von der Unterstützung ausgeschlossen werden.

1.9

Im Allgemeinen sollten weite Teile der Gesellschaft in den Partnerländern umfassende Unterstützung erhalten.

1.10

Die besten Fundamente für demokratischen Wandel, nachhaltige Entwicklung, integratives Wirtschaftswachstum und einen stabilen Markt sowie bessere Sozialfürsorge und Beschäftigung sind eine gute Regierungsführung und ein starker rechtsbasierter Ansatz. Die Praxis zeigt, dass eine starke Zivilgesellschaft, insbesondere die organisierte Zivilgesellschaft, der beste Erfolgsgarant ist.

2.   Allgemeiner Hintergrund

2.1

Der EWSA begrüßt die umfassende Sicht der nachhaltigen Entwicklung. Wie der Europäische Rat bereits betont hat, umfasst dies Aspekte wie demokratische Staatsführung, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliches und soziales Wohlergehen sowie Frieden und Stabilität (2).

2.2

Übergang lässt sich grob als Stabilisierung, Unterstützung von Demokratie, Aufbau von Institutionen und Kapazitäten, Austausch bewährter Verfahrensweisen und Konsolidierung von Reformen für einen nachhaltigen Wandel definieren. Er basiert auf Solidarität und auf Maßnahmen der einzelnen Bürger, der zivilgesellschaftlichen Organisationen, der Regierung und anderer Akteure.

2.3

Der EWSA hat sich bereits mit mehreren Aspekten der Zusammenarbeit mit Übergangsgesellschaften befasst (3). Ziel dieser Stellungnahme ist es, über die bestehenden Quellen hinauszugehen und dem spezifischen Interesse des litauischen EU-Ratsvorsitzes sowie dem allgemeinen Interesse der europäischen Zivilgesellschaft Rechnung zu tragen (so u.a. in Form eines Beitrags zu dem Gipfel der Östlichen Partnerschaft in Vilnius im November 2013 und zu den Europäischen Entwicklungstagen).

2.4

Die neuesten Entwicklungen in den EU-Partnerländern sind ein weiterer Grund für eine Aktualisierung der jetzigen Politik. Der EWSA ist nach wie vor besorgt über die Nachhaltigkeit der Entwicklungen in mehreren östlichen Nachbarländern der EU und des Europa-Mittelmeerraums sowie in anderen Partnerländern. Mehrere positive Veränderungen lassen sich am westlichen Balkan beobachten (erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung des EU-Beitritts Kroatiens).

3.   Wie kann die EU ihre Erfahrungen effizienter weitergeben?

Wichtige Impulsgeber für nachhaltige Entwicklung und demokratischen Wandel können die interne Motivation und Nachfrage sein, die von einer klaren Politik der offenen Tür der EU gegenüber allen Staaten in Europa sowie anderen Privilegien für Staaten und Gesellschaften außerhalb Europas unterstützt werden.

3.1   Bessere Koordinierung der EU-Politik zur Förderung des Übergangs

3.1.1

Zur Gewährleistung eines nachhaltigen Wandels sollten verschiedene Politiken, Programme und Maßnahmen der EU, die sich auf dieselbe Region bzw. dieselben politischen Bereiche beziehen, besser koordiniert werden, um stärkere Synergieeffekte zu schaffen und die Kohärenz zu wahren. Die externe Handlungsfähigkeit der EU muss noch ausgefeilt werden, damit gemeinsame europäische Werte und Ziele im Rahmen einer echten europaweiten Dimension gefördert werden können (4).

3.1.2

Die "Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung" muss gewährleistet und sorgfältiger überwacht werden. Die vertraglichen Pflichten im Rahmen der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung nach Maßgabe von Artikel 208 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (in der durch den Vertrag von Lissabon geänderten Fassung) sollten im Mittelpunkt der Konzipierung und Umsetzung politischer Maßnahmen im Rahmen aller Verordnungen betreffend die Instrumente des auswärtigen Handelns stehen. Deshalb sollten diese Pflichten in allen Politiken, Programmen und Maßnahmen der EU ausdrücklich Anwendung finden. Die Kohärenz neuer EU-Initiativen ist in 100 % der Fälle zu prüfen. Alle Programme (einschließlich ihrer Bewertung und Haushaltslinien) sollten die internationalen Verpflichtungen und Auflagen der EU in den Bereichen Menschenrechte und Entwicklung widerspiegeln (einschließlich der Gemeinsamen Absichtserklärung der Vereinten Nationen zu einem auf den Menschenrechten basierenden Ansatz) und den Schwerpunkt auf die am stärksten benachteiligten Randgruppen und die besonders Schutzbedürftigen legen. Darüber hinaus sollte im Prozess des Übergangs und der Integration mit der EU stets geprüft werden, ob die positiven Entwicklungen in einem politischen Bereich nicht mit negativen Entwicklungen in anderen Bereichen einhergehen.

3.1.3

Erforderlich ist eine gemeinsame, von der EU bzw. ihren Mitgliedstaaten verwaltete Plattform mit einem benutzerfreundlichen Überblick über alle verfügbaren Instrumente (z.B. Finanzhilfen, Ausschreibungen, Programme usw.) mit direkten oder indirekten externen Auswirkungen. Eine Anlehnung an das Portal "Ihr Europa" bzw. eine Zusammenarbeit mit diesem Portal könnten in Erwägung gezogen werden. Informationen für kleinere (auch subregionale) Organisationen sind ebenfalls vorzusehen. Die Institutionen in den EU-Mitgliedstaaten und den Übergangsgesellschaften sollten eine weitere Zielgruppe bilden. Die Plattform sollte durch einen Newsletter oder Twitter-Meldungen ergänzt werden.

3.1.4

Die EU sollte darüber hinaus die Synergien zwischen den Aktivitäten, die sie und die Mitgliedstaaten in den Partnerländern durchführen, bündeln, koordinieren und stärken, um eine übermäßige interne Konkurrenz zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten könnten sich die Verantwortung teilen, indem sie Formen gemeinsamer externer Zusammenarbeit (Übergangskoordinatoren, Übersetzungszentren, Rechtsbeistandszentren, Bildungseinrichtungen usw.) auf dem eigenen Hoheitsgebiet bzw. in den Partnerländern entwickeln.

3.2   Beteiligung von Interessenträgern als Voraussetzung für einen nachhaltigen Wandel

3.2.1

Die Mechanismen für das auswärtige Handeln der EU müssen möglichst integrativ, transparent und partizipativ sein, um zu gewährleisten, dass sich alle Beteiligten für die Entwicklung und die Zusammenarbeit verantwortlich fühlen. In diesem Zusammenhang lassen sich derzeit gewisse Mängel beobachten. Eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Finanzhilfen sollte darin bestehen, dass von dem Potenzial des Partnerschaftsprinzips zur Schaffung einer Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Behörden Gebrauch gemacht wird.

3.2.2

Eine enge und vorzugsweise strukturierte Einbindung von Vertretern aus Zivilgesellschaft und Politik ist für eine langfristige Förderung von Reformen ausschlaggebend. Siehe auch Ziffer 1.5. Die Mitwirkung von Organisationen der Zivilgesellschaft einschließlich der Sozialpartner sowohl aus der EU als auch den Partnerländern ist bei der Planung und Umsetzung aller Maßnahmen im Bereich der Entwicklung und Zusammenarbeit vonnöten. Vorhandene Partnerschaften müssen gestärkt und neue gefördert werden.

3.2.3

Der EWSA möchte hierzu einen Beitrag leisten, und seine Partner auf der ganzen Welt stellen in dieser Hinsicht eine wertvolle Ressource dar (siehe beispielsweise die regelmäßig stattfindenden Foren).

3.2.4

Die EU muss mehr dafür tun, um sowohl ihre eigenen Kapazitäten als auch jene ihrer Partner auszubauen. Möglich wären in diesem Zusammenhang finanzielle Unterstützung, Erfahrungsaustausch, Bereitstellung allgemeiner und beruflicher Bildungsmaßnahmen und andere Maßnahmen oder Programme.

3.2.5

Gleichberechtige Teilnahmebedingungen für verschiedene staatliche und nichtstaatliche Akteure sollten sowohl in der EU als auch in den Partnerländern gewährleistet werden. Bestehende direkte und indirekte Diskriminierung jeglicher Art sollte beseitigt werden, darunter übermäßig strenge Förderkriterien und Auflagen in Bezug auf den Projektumfang und die technischen Anforderungen, Diskriminierung im Rahmen von Verwaltungsvorschriften, einschließlich unterschiedlicher Bezahlung und Besteuerung von an demselben Projekt arbeitenden Sachverständigen, Anforderungen für die Ko-Finanzierung (Probleme mit der Annahme von Sachleistungen), verzerrte Ergebnisse infolge von nationaler Lobbyarbeit usw. (5). Siehe Ziffer 1.6.

3.2.6

Die technologischen Dialog- und Beteiligungsmöglichkeiten des 21. Jahrhunderts sollten umfassender genutzt und gefördert werden. Ein spezielles Programm zur Demokratieförderung 2.0 könnte entwickelt werden.

3.3   Weitere Vorschläge für EU-Programme und Maßnahmen

3.3.1

Das jetzige System der EU- und EU-bezogenen Finanzierungs- und Unterstützungsmöglichkeiten wird oftmals als unnötig kompliziert kritisiert. Der EWSA begrüßt die angekündigten Pläne zur Vereinfachung und Straffung der externen Finanzhilfeinstrumente der EU, darunter des Europäischen Nachbarschaftsinstruments ab 2014 und befürwortet die Bündelung von Mitteln.

3.3.2

Qualität an oberster Stelle. Spezifisches Know-how im Bereich des Übergangs sowie die Fähigkeit, die Bedürfnisse des Partnerlandes zu verstehen und sich entsprechend anzupassen, sollten einer objektiven Bewertung unterzogen werden und einen größeren Stellenwert bekommen als bisherige Erfahrungen bei der Umsetzung von EU-Vorhaben.

3.3.3

Die Erfahrungen der EU im Bereich des Wandels müssen bei der Entwicklung außenpolitischer Maßnahmen (auch im Bereich der Entwicklung) besser genutzt werden (6). Erfolge und Erkenntnisse sollten systematisch erfasst und ausführlich analysiert werden. Die Schlussfolgerungen müssen in den Planungszyklus eingegliedert, umfassend genutzt und zur Anwendung gebracht werden. Erforderlich sind konkrete Folgemaßnahmen (u.a. auf der Grundlage dieser Erkenntnisse) bei der Konzipierung operationeller Programme und der Bewertung und Zuweisung von Projekthilfen, Umfang usw.

3.3.4

Ein Europäisches Übergangskompendium (auch zum Zwecke der Programmplanung) muss erstellt und durch eine Datenbank von Sachverständigen mit einschlägigen Erfahrungen (sowohl aus dem staatlichen als auch dem nichtstaatlichen Sektor) ergänzt werden. Es sollte sich für die Partner lohnen, nach Sachverständigen zu suchen. Zudem sollte das Kompendium umfassend bekannt gemacht werden, insbesondere in den Partnerländern. Die Europäische Kommission und der EAD sollten in einer eigens dafür erstellten Kontrollliste für die EU-Delegationen die Nutzung des Kompendiums bei der Programmplanung erläutern (u.a. könnte es als verbindliche Informationsquelle für Sachverständige festgelegt werden, die an EU-Maßnahmen teilnehmen).

3.3.5

Die Europäische Kommission sollte einen Aktionsplan zur effizienteren Nutzung des reichen Erfahrungsschatzes der EU mit Übergängen bei der Programmplanung erstellen. Dies würde dazu beitragen, eine systematische Nutzung der Erfahrungen in den entsprechenden Bereichen zu gewährleisten. Darüber hinaus sollte die Europäische Kommission für die Umsetzung eines solchen Plans ausreichend administrative Ressourcen bereitstellen.

3.3.6

Da es bereits eine breite Palette an Instrumenten zur gemeinsamen Nutzung von Übergangserfahrungen gibt, wäre es empfehlenswert, dass die Kommission übergreifende Organisationsstrukturen schafft, um diese Erfahrungen zusammenzutragen und an einem Ort verfügbar zu machen, z.B. im Rahmen einer Dachplattform oder -struktur.

3.3.7

Eine Ausweitung von nachfrageorientierten fachspezifischen EU-Programmen wie SOCIEUX oder MIEUX sollte in Erwägung gezogen werden. Mithilfe solcher Programme kann rasch auf die Bedürfnisse der Partnerländer reagiert werden. Der geografische Geltungsbereich bestehender bedarfsorientierter Mechanismen für den Austausch von Erfahrungen und anderer Programme, insbesondere TAIEX, Twinning und Erasmus+, sollte auf die gesamte Welt (insbesondere auf die AKP-Staaten) ausgeweitet werden, wobei die vorgesehenen Mittel für Projekte unter den derzeitigen Programmen nicht gekürzt werden sollten.

3.3.8

Es sollte ein bi- bzw. trilaterales NGO-Partnerschaftskonzept auf den Weg gebracht werden, an dem sich mindestens ein Partner aus der EU-15, einer aus der EU-13 und einer aus einem Entwicklungs- bzw. einem Übergangsland beteiligen (7). Unterstützt werden sollte auch der Austausch von Erfahrungen unter Vertretern des privaten Sektors.

3.3.9

Im Rahmen des Europäischen Entwicklungsfonds sollte die gemeinsame Nutzung der jüngsten Erfahrungen der EU-Mitgliedstaaten im Bereich des Wandels gefördert werden.

3.3.10

Damit ihre Erfahrungen zu einer wirksamen Übergangsunterstützung werden, müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten eine angemessene Finanzierung und öffentliche Hilfsmechanismen gewährleisten. Darüber hinaus bekräftigt der EWSA, dass der Übergang und die Rolle der Bürgerinnen und Bürger, der Zivilgesellschaft und des Staates einen der Aspekte des Europäischen Jahres für Entwicklung 2015 bilden müssen.

4.   Förderung nachhaltiger demokratischer Reformen und Entwicklung

Die von den Mitgliedstaaten in jüngster Zeit im Zuge des Übergangs gesammelten reichen Erfahrungen gewinnen über die Grenzen der EU-Nachbarstaaten hinaus immer mehr an Bedeutung und werden dort zunehmend genutzt, wobei immer stärker ein "nachfrageorientierter Ansatz" verfolgt wird. Die Förderung der Demokratie sollte für die EU eine Priorität sein.

4.1   Besondere Rolle der EU in den unterschiedlichen Übergangsphasen

4.1.1

Die nachhaltige Entwicklung hängt von der Erzielung eines möglichst breiten Konsens in den Partnergesellschaften ab. Es ist wesentlich, Demokratie, gute Regierungsführung, Grundfreiheiten (einschließlich Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Redefreiheit, unabhängige Medien usw.), politische Bildung, nicht formales und informelles Lernen und soziale Gerechtigkeit in allen Bereichen und auf allen Ebenen zu fördern.

4.1.2

Es sollte größeres Gewicht auf die Wirksamkeit und Ergebnisse der Politik und Projekte gelegt werden. Die Projekte müssen von administrativen und operativen Programmen flankiert werden und der Unterstützung individueller Maßnahmen dienen. Vorbedingung für ein wirksames Vorgehen ist eine bessere Koordinierung in den Partnerländern. Hinsichtlich der Planung sollten Unterstützung und Beratung angeboten werden.

4.1.3

Wichtiger allgemeiner Grundsatz und wesentliche Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit der EU sind Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung und proaktives Engagement der EU-Partner und der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft (darunter auch Gruppen wie Frauen, Minderheiten usw.). Natürlich müssen die politischen Maßnahmen je nach den Anforderungen der Partnerländer unbedingt differenziert werden, und diese Differenzierung muss verbessert werden. Zugleich sollte sich die EU nicht gegenüber "strategisch wichtigen" Ländern nachsichtiger zeigen, nur um einigen wenigen Interessen ohne Bezug zur nachhaltigen Entwicklung Rechnung zu tragen. Die Achtung der Menschenrechte ist ein Bereich, in dem die EU und ihre Partner zusammenarbeiten müssen.

4.1.4

Die EU-Vertreter müssen sowohl als "Moderatoren/Fazilitatoren" (Analyse der lokalen Bedürfnisse und Förderung des Dialogs unter den lokalen Akteuren) als auch "Experten" (Austausch der in der Vergangenheit gesammelten Erfahrungen und Anwendung der aus der Übergangsarbeit gezogenen Lehren vor Ort) fungieren.

4.1.5

Weite Teile der Gesellschaft in den Partnerländern sollten umfassende Unterstützung erhalten. Zurzeit werden die Regierungsbehörden und in einigen Fällen auch die Organisationen der Zivilgesellschaft (einschließlich der Sozialpartner), die jungen Menschen und die Forscher als die wichtigsten Zielgruppen für eine Unterstützung durch die EU angesehen. Eine nachhaltige Entwicklung und ein demokratischer Wandel erfordern eine umfassende Unterstützung und enge Zusammenarbeit mit "Botschaftern", "treibenden Kräften/Managern" oder "Gesichtern eines dauerhaften Wandels" der Zivilgesellschaft und ihren führenden Persönlichkeiten und Netzen; es muss aber auch darüber hinaus gegangen werden. Es ist eine universelle, einem breiten Publikum zugängliche und weithin sichtbare Unterstützung der Partner und ihrer Gesellschaften notwendig. Die Integration von Nachbarstaaten in die EU und die entsprechende Unterstützung sollten nicht als Vorteil für einige wenige Auserwählte angesehen werden. Sichtbare Verbesserungen in Bereichen wie Bildung und Wissenschaft (einschließlich Reformen in der allgemeinen und beruflichen Bildung, Angebote für Kinder usw. (8)), emissionsarme Wirtschaft, Infrastruktur und öffentliche und soziale Dienste (einschließlich IKT, Gesundheit, Spielplätze usw.), menschenwürdige Arbeit und hochwertige Beschäftigung, Gleichstellung, Unterstützung für sozial und wirtschaftlich schwache Bevölkerungsgruppen und indigene Völker, soziale Bewegungen und unternehmensfreundliche Bedingungen (einschließlich Stärkung und Einbindung der Sozialpartner (9)) usw. werden den Wandel und einen größeren Konsens über eine proeuropäische Ausrichtung begünstigen.

4.1.6

In Staaten mit einem Demokratiedefizit werden womöglich die den offiziellen Institutionen gewährten oder über diese vergebenen Mittel nicht für soziale Zwecke, sondern für die Unterstützung des Regimes eingesetzt und die Organisationen der Zivilgesellschaft vor Ort, die wirklich demokratische Werte vertreten, erhalten nicht die Möglichkeit, sich darum zu bewerben. Die Einrichtung des Europäischen Fonds für Demokratie ist zweifellos ein wichtiger und längst notwendiger Schritt. Diese breit gefächerten Probleme können jedoch nicht durch diesen Fonds allein gelöst werden. Teil der Lösung ist "eine umfassende Kartierung der Organisationen der Zivilgesellschaft" und anderer Hilfeempfänger in der Region (10). Außerdem müssen die lokale/informelle Zivilgesellschaft und deren Initiativen stärker unterstützt werden – mehrere Mitgliedstaaten verfügen über Erfahrungen mit einer flexiblen Projektfinanzierung. Zugleich muss der Prozentsatz der über die Zivilgesellschaft gewährten Hilfe erhöht werden, insbesondere im Fall eines autoritären Regimes.

4.1.7

Besondere Aufmerksamkeit sollte auch den Übergangsbedingungen in den Ländern des südlichen und östlichen Mittelmeerraums gelten, in denen Demokratie, Menschen- und Frauenrechte ernstlich bedroht sind. Auch die Notwendigkeit einer stärkeren Unterstützung der EU für zivilgesellschaftliche Einrichtungen und Frauenorganisationen verdient besonderes Augenmerk.

4.1.8

Generell muss die EU die unterschiedliche Aufnahmekapazität und die besonderen Merkmale der Partnerländer sorgfältig analysieren und sich daran anpassen.

4.1.9

Die EU muss ihre Erfahrungen mit der dauerhaften externen und internen Entwicklungsförderung, u.a. mit der Unterstützung der Zivilgesellschaft, anderen zugänglich machen, sobald die ersten Übergangsphasen durchlaufen worden sind und ein relativer Wohlstand erreicht wurde.

4.2   Integratives Wachstum – die Rolle der Unternehmen und der Beschäftigung in den Übergangsgesellschaften

4.2.1

Ein integratives Wirtschaftswachstum und ein stabiler Markt in Kombination mit größerem Wohlstand, einem höheren Beschäftigungsstand und einer intelligenten Liberalisierung der Wirtschaft müssen bei der Entwicklung von Übergangsgesellschaften (gemäß dem Konzept des "wirtschaftlichen Wandels" der Debatten über die Post-2015-Agenda) eine Schlüsselrolle spielen. Über internationale Vereinbarungen in multilateralen Rahmen der WTO, der OECD usw. müssen sichere und günstige Investitionsbedingungen gefördert und gewährleistet werden.

4.2.2

Der Schlüssel für die Nachhaltigkeit liegt in der Rechtsstaatlichkeit und einem unabhängigen Rechtssystem, das sich nicht durch Korruption oder Diktatur untergraben lässt. Unabhängige Organisationen der Zivilgesellschaft, die nicht eingeschüchtert werden, Zugang zu Informationen, Sozialschutz und Chancen auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen, wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit, Energieeffizienz und -unabhängigkeit sowie Umweltschutz sind alles entscheidende Faktoren.

4.2.3

Es gilt, die Handelsbedingungen zu verbessern und ggf. auf vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen zurückzugreifen, die darauf abzielen, "über die Grenzen hinweg" zu gehen, um eine stetige Annäherung der Regeln, Grundsätze und technischen Normen – und deren Umsetzung – an die EU zu fördern. Das Ziel der EU-Partner sollte die Schaffung solider und integrativer Volkswirtschaften sein, wobei ihre Abhängigkeit von externer Hilfe reduziert werden sollte; auch in diesem Bereich ist ein Erfahrungsaustausch von größter Bedeutung.

4.2.4

Im Fall autoritärer Regimes muss dem Dialog mit unabhängigen Unternehmen (sowie Gewerkschaften und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft) und deren Unterstützung Vorrang eingeräumt werden. Auf jeden Fall sollte den KMU eine wichtigere Rolle als Motoren für Nachhaltigkeit, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung zuerkannt werden. Eine zusätzliche Rolle können die Räte für ausländische Investoren und andere Partner der Organisationen der Zivilgesellschaft spielen.

4.3   Zusätzliche Bemerkungen zu internationalen Entwicklungspartnerschaften

4.3.1

Der EWSA und andere Institutionen haben bereits darauf hingewiesen, dass eine enge und wirksame Zusammenarbeit zwischen der EU, der UN und anderen internationalen Organisationen bei der Post-2015-Entwicklungsagenda erforderlich ist.

4.3.2

Die EU muss darüber hinaus anderen jüngeren Entwicklungen Rechnung tragen, auch der Initiative "Open Government Partnership" (die von besonderer Bedeutung für den EWSA ist und das oben genannte Partnerschaftsprinzip widerspiegelt). Die Auswirkungen der vorgesehenen transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft und anderer derartiger Vereinbarungen müssen mit Blick auf deren Folgen für die Entwicklungszusammenarbeit und den Übergang sorgfältig geplant und überwacht werden.

4.3.3

Die Rolle und das Potenzial weltweit tätiger Privatunternehmen und ausländischer Investoren, die die Werte der EU teilen, sollten besser genutzt und unterstützt werden, auch mit Blick auf die Wahrung der grundlegenden sozialen und wirtschaftlichen Rechte.

4.3.4

Es sollte eine umfassende Studie vorgesehen werden, in der bewährte Verfahren von weltweit tätigen Stiftungen und Organisationen der Zivilgesellschaft und die in Übergangsländern eingesetzten Instrumente untersucht werden.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Insbesondere Stellungnahme des EWSA zum Thema "Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt" vom 23. Mai 2013 und andere einschlägige Stellungnahmen.

(2)  Schlussfolgerungen der 3218. Tagung des Rates "Auswärtige Angelegenheiten" vom 31. Januar 2013, Ziffer 19.

(3)  http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.en.eesc-opinions-highlights.

(4)  Stellungnahme des EWSA zum Thema "Die Rolle der EU und ihre Beziehungen zu Zentralasien sowie der Beitrag der Zivilgesellschaft",ABl. C 248 vom 28.8.2011.

(5)  Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang beispielsweise die Studie des Europäischen Parlaments EXPO/B/AFET/2012/32 (2012).

(6)  Schlussfolgerungen der 3218. Tagung des Rates "Auswärtige Angelegenheiten" vom 31. Januar 2013, Ziffer 19.

(7)  Stellungnahme des EWSA zum Thema "Eine neue Antwort auf eine Nachbarschaft im Wandel", ABl. C 43 vom 15.2.2012.

(8)  Z.B. Stellungnahme des EWSA zum Thema Die Rolle der EU und ihre Beziehungen zu Zentralasien sowie der Beitrag der Zivilgesellschaft", ABl. C 248 vom 28.8.2011.

(9)  Stellungnahme des EWSA zum Thema "Eine neue Antwort auf eine Nachbarschaft im Wandel", ABl. C 43 vom 15.2.2012.

(10)  Stellungnahme des EWSA zu den "Vorschlägen für Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates über das Instrument für Heranführungshilfe (IPA II) und zur Schaffung eines Europäischen Nachbarschaftsinstruments", ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 80, siehe auch Informationsbericht zum Thema "Die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung der Partnerschaft für Demokratie und gemeinsamen Wohlstand mit den Ländern im Mittelmeerraum" (REX/356).


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/11


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Europäisches Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe: die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern aller EU-Mitgliedstaaten ermöglichen und fördern“ (Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des litauischen Ratsvorsitzes)

2014/C 67/03

Berichterstatter: Giuseppe IULIANO

Der litauische Ratsvorsitz beschloss am 15. April 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen:

Europäisches Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe: die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern aller EU-Mitgliedstaaten ermöglichen und fördern

(Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des litauischen Ratsvorsitzes).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 25. September 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 110 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

Einleitung

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat seit seiner Gründung der Freiwilligentätigkeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt, denn sie ist eine konkrete Form des Engagements von Bürgerinnen und Bürgern für Solidarität, sozialen Zusammenhalt und eine bessere Gesellschaft, in der sie ihre Aufgabe erfüllen. Die Freiwilligentätigkeit gilt als "Beweis für das hohe Maß an gutem Willen einer Gesellschaft" und spiegelt auf konkrete Weise die Werte wider, auf denen die Europäische Union fußt.

In mehreren Stellungnahmen hat der EWSA Aspekte der Freiwilligentätigkeit auf nationaler Ebene wie auch im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Maßnahmen auf EU-Ebene behandelt, und es war auch der EWSA, der als erste EU-Institution ein Europäisches Jahr der Freiwilligentätigkeit vorschlug. Darüber hinaus hat der EWSA Stellungnahmen zur Rolle der Zivilgesellschaft im Bereich des auswärtigen Handelns der EU und der Entwicklungszusammenarbeit erarbeitet.

Deshalb sollte der EWSA zur Aufnahme eines spezifischen Hinweises auf die Einsetzung des Europäischen Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe (EVHAC - eine später als "EU-Freiwilliger für humanitäre Hilfe" bezeichnete Initiative) in Artikel 214 Absatz 5 AEUV und zum bereits eingeleiteten Prozess zur Verabschiedung einer Verordnung für die Umsetzung dieser Initiative eine Stellungnahme erarbeiten, um die Standpunkte der europäischen Zivilgesellschaft in diese Verordnung und ihre spätere Umsetzung einfließen zu lassen.

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA begrüßt die Einsetzung eines Europäischen Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe (EVHAC bzw. "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe"), das seiner Ansicht nach dazu dienen kann, das humanitäre Engagement der europäischen Bürgerinnen und Bürger insbesondere über die Organisationen der Zivilgesellschaft (z.B. spezialisierte Nichtregierungsorganisationen) anzuregen.

1.2

Das EVHAC muss ein Instrument sein, das die Einbindung der Mitgliedstaaten mit traditionell geringerer Aktivität im humanitären Bereich fördert. Dazu schlägt der EWSA vor, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, die sowohl die Beteiligung von Freiwilligen als auch die Förderung der humanitären und sozialen Organisationen aus diesen Ländern verstärken.

1.3

Um die Unterstützung für die humanitäre Hilfe und die Anerkennung der Rolle der Freiwilligentätigkeit zu fördern, empfiehlt der EWSA, auch Informations- und Sensibilisierungsmaßnahmen zu diesen Themen zu erwägen, die sich an die breite Öffentlichkeit richten.

1.4

Der EWSA befürwortet und unterstützt die Feststellungen im "Europäischen Konsens über die humanitäre Hilfe" zu den Zielen und Mitteln der humanitären Hilfe, und äußert die Überzeugung, dass die humanitäre Hilfe den Schutz der Opfer humanitärer Krisen und die Wahrung ihrer Würde und die Achtung ihrer Rechte einschließt.

1.5

Der EWSA betont, dass der weitgefasste Begriff "humanitär" über die bloße Hilfeleistung hinausgeht, und erinnert an die wesentliche und notwendige Einhaltung der humanitären Grundsätze der Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit sowie der Rechtsvorschriften über die humanitäre Hilfe.

1.6

Der EWSA unterstreicht die Eigenständigkeit der Freiwilligentätigkeit und die Gefahr, sie mit anderen Tätigkeiten zu verwechseln, die den Charakter einer Beschäftigung haben. Gerade jetzt, in Zeiten der Wirtschaftskrise, handelt es sich um einen besonders wichtigen Aspekt, der sowohl die EU in ihrem Innern als auch ihr auswärtiges Handeln betrifft.

1.7

Der EWSA weist darauf hin, dass die Unterschiedlichkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften im Bereich der Freiwilligentätigkeiten die EVHAC-Initiative negativ beeinflussen kann.

1.8

Die Beteiligung von Freiwilligen muss immer entsprechend den Erfordernissen und nach einer Analyse und Bewertung der Situation und der Bedürfnisse der von Katastrophen oder komplexen Krisen betroffenen Bevölkerung erfolgen.

1.9

Im Verordnungsvorschlag (1) wird betont, dass für alle Phasen des Prozesses der Beteiligung von Freiwilligen Standards festgelegt werden sollten. Der EWSA teilt dieses Anliegen und schlägt vor, solche Standards auf bewährte Methoden der humanitären Hilfe und auf bereits bestehende Qualitätsinitiativen zu gründen.

1.10

Freiwilligenhilfe wird über soziale Organisationen und in geringerem Maße über öffentlich-zivile Institutionen geleistet. Die Qualität der Institutionen ist für den Erfolg der Arbeit besonders wichtig. Der EWSA teilt die Ansicht, dass die Schaffung von Mechanismen zur Zertifizierung der Organisationen vorangetrieben werden muss, die auf den Erfahrungen und dem gemeinsamen Besitzstand des humanitären Sektors basieren sollten. Die Zertifizierungskriterien müssen - allerdings mit entsprechenden Anpassungen - auch auf die Empfängerorganisationen der betroffenen Länder anwendbar sein.

1.11

Der EWSA ist der Überzeugung, dass der Zertifizierungsmechanismus auf der Grundlage all dieser Erfahrungen eingerichtet und bei seiner Umsetzung die Hauptkriterien Transparenz, freier Wettbewerb, Chancengleichheit und Rechenschaftspflicht berücksichtigt werden müssen. Die Initiative sollte eine stärkere Beteiligung der Nichtregierungsorganisationen aus Ländern mit geringerer Tradition auf diesem Gebiet bewirken.

1.12

Der EWSA ist davon überzeugt, dass über die - offensichtlich wichtigen - Aspekte der fachlich-beruflichen Ausbildung hinaus auch folgende Aspekte berücksichtigt und stärker herausgestellt werden sollten: Werteerziehung, Achtung der betroffenen Bevölkerung, interkulturelle Dimension, Respekt, psychosoziale Fragen der Hilfe usw. Es sollte also letztlich nicht nur um technische, sondern auch um humanitäre Fragen der Hilfe insgesamt gehen.

1.13

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Frage der Beteiligung von Unternehmen, die z.B. Erfahrungen mit der betrieblichen Freiwilligenarbeit (corporate volunteering) besitzen, eingehender untersucht werden sollte, wobei auch die Rolle der KMU zu würdigen ist.

2.   Allgemeine Aspekte

2.1

Auch wenn die Freiwilligentätigkeit Teil des gemeinschaftlichen Besitzstands ist und die europäischen Institutionen schon seit Jahrzehnten verschiedene Projekte und Programme in diesem Bereich durchführen, findet sich im AEUV nur ein ausdrücklicher Hinweis auf die Freiwilligentätigkeit, nämlich in Artikel 214 Absatz 5 im Zusammenhang mit der humanitären Hilfe. Darin wird die Einsetzung eines Europäischen Freiwilligenkorps für die humanitäre Hilfe (EVHAC) vorgeschlagen, um, wie es heißt, die Beteiligung junger Europäer an der humanitären Hilfe zu fördern.

2.2

Die Aufnahme des Hinweises an dieser Stelle war aus verschiedenen Gründen überraschend: Es war der einzige Hinweis auf die Freiwilligentätigkeit im Vertrag, wobei die humanitäre Hilfe zu den am stärksten professionalisierten Kooperationsbereichen gehören dürfte; in anderen Bereichen, in denen es sehr wohl europäische Initiativen gab, z.B. Jugend und Soziales, blieb die Freiwilligentätigkeit allerdings unerwähnt. Darüber hinaus gingen die europäischen Institutionen die Frage der Umsetzung dieser Initiative erst nach dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags an. So initiierte die Kommission mehrere Studien über die Machbarkeit und die möglichen Folgen der Initiative. Außerdem wurde eine Reihe von Pilotprojekten auf den Weg gebracht, um Erkenntnisse zu gewinnen und ihre Anwendung zu konkretisieren (2). Zu den im Laufe der Zeit vorgenommenen Änderungen zählt die Umbenennung der Initiative in "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe". Auch gab es Fortschritte bei der Erörterung einer Verordnung zur Umsetzung der Initiative.

2.3

Der EWSA erinnert daran, dass die Freiwilligentätigkeit seit jeher zum Aufgabenbereich vieler europäischer sozialer Organisationen gehört, weshalb ihre Förderung, Unterstützung usw. in den Arbeiten des EWSA stets Aufmerksamkeit gefunden haben.

2.4

Gleichzeitig hat der EWSA in mehreren Stellungnahmen Standpunkte zu Aspekten der Entwicklungszusammenarbeit und des auswärtigen Handelns der EU formuliert und jene herausgestellt, die mit seinem Mandat in Zusammenhang stehen, z.B. die Rolle der Zivilgesellschaft und die Arbeitnehmer- und Sozialrechte.

2.5

Die humanitäre Hilfe ist eines der Elemente des auswärtigen Handelns der EU und insbesondere einer der Bereiche, in denen sich die Beteiligung und die zentrale Rolle der europäischen Zivilgesellschaft am deutlichsten manifestieren. Über 47 % der humanitären Hilfe der Europäischen Kommission wird über Nichtregierungsorganisationen abgewickelt (3), und ähnliches gilt für die meisten Mitgliedstaaten. Darüber hinaus ist sie eine der EU-Politikbereiche, die von den europäischen Bürgern am stärksten befürwortet werden, wie Eurobarometer-Umfragen zeigen (4).

2.6

Seit 1996 verfügt die Europäische Kommission mit der Verordnung (EG) Nr. 1275/1996 über eine solide Grundlage für ihre humanitäre Arbeit, die durch den 2007 von den drei Institutionen (Rat, Kommission und Parlament) unterzeichneten Europäischen Konsens über die humanitäre Hilfe ergänzt wird, der den allgemeinen Politikrahmen in diesem Bereich umfasst. Der Text enthält die gemeinsamen Visionen, politischen Ziele und Grundsätze hinsichtlich der humanitären Hilfe der EU sowie die Vision einer geschlossen und wirksamer auf humanitäre Notlagen reagierenden EU. Darüber hinaus wird die Rolle der Mitgliedstaaten und der EU-Institutionen definiert. Schließlich wird in Artikel 214 AEUV die humanitäre Hilfe als eigenständiger Politikbereich festgelegt.

2.7

Der EWSA unterstützt und befürwortet folgende Feststellungen im Europäischen Konsens: "Die humanitäre Hilfe der EU dient dem Ziel, bedarfsorientiert Nothilfe zu leisten, um Menschenleben retten, menschliches Leiden vermeiden oder lindern und den Menschen ein Dasein in Würde ermöglichen zu können, wenn Regierungen und lokale Akteure überfordert, außer Stande beziehungsweise nicht willens sind, angemessene Hilfe zu leisten. Die humanitäre Hilfe der EU umfasst neben Hilfs-, Rettungs- und Schutzaktionen zur Rettung und Erhaltung von Menschenleben in und unmittelbar nach humanitären Krisen auch Maßnahmen, die den ungehinderten Zugang zu bedürftigen Bevölkerungsgruppen und die ungehinderte Beförderung der Hilfe erleichtern oder ermöglichen. Die EU reagiert mit ihrer humanitären Hilfe je nach Bedarf sowohl auf von Menschen verursachte Krisen (einschließlich komplexer Notsituationen) als auch auf Naturkatastrophen" (5). Der EWSA begrüßt nachdrücklich diese Verweise auf den Schutz der Opfer und die Wahrung der Menschenwürde, da damit über den bloßen Unterstützungsaspekt der Hilfe hinausgegangen wird.

2.8

Deshalb betont der EWSA, dass neben den Definitionen der Opferrechte im internationalen Völkerrecht und den vorgenannten europäischen Rechtsinstrumenten für einige anerkannte Hilfsorganisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" die humanitäre Hilfe eine Geste zwischen Zivilgesellschaften bzw. Personen ist, die zum Ziel hat, Leben zu schützen und Leiden zu lindern; Im Gegensatz zu anderen Formen der Hilfe bezweckt sie nicht die Umgestaltung einer Gesellschaft, sondern die Überwindung einer temporäreren Krise. Ihr Engagement gilt den Menschen, nicht den Staaten. Die Zivilgesellschaft spielt für die humanitäre Hilfe eine grundlegende Rolle.

2.9

Der EWSA unterstreicht, dass sich das Konzept der humanitären Hilfe in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt hat und jetzt Aspekte wie Prävention, Risikoreduzierung, Unterstützung, Schutz und Wiederaufbau nach einer Katastrophe oder einem Krieg umfasst. Die EU selbst war im Rahmen des Europäischen Konsenses über die humanitäre Hilfe Vorreiter auf diesem Gebiet. Gleichzeitig zielt die humanitäre Hilfe nicht nur darauf ab, den Erfordernissen gerecht zu werden, sondern umfasst auch Elemente eines Konzepts, das die Rechte der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt, und der Anstrengungen zur Wiederherstellung der Menschenwürde. Der EWSA kann einen eigenen Beitrag zu diesem auf den Menschenrechten basierenden Ansatz leisten.

2.10

Der EWSA unterstreicht auch, dass der Konsens über die humanitäre Hilfe oder die Initiative "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe" dazu beitragen können, dass diese Fragen in einigen Mitgliedstaaten, die zwar über eine kürzere Tradition verfügen, aber auch über großes Potenzial, um neue Ideen, neuen Schwung und neue Freiwillige beizusteuern, stärker in den Vordergrund rücken. Dies sollte eine der Möglichkeiten der Initiative "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe sein", nämlich die Förderung der humanitären Freiwilligentätigkeit der Bürger aus der gesamten EU.

2.11

Der EWSA begrüßt deshalb die Initiative "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe" und ist der Auffassung, dass ihre Ansätze bei der Erarbeitung einer Verordnung über diese Initiative einfließen sollten, vor allem die Aspekte, die in engem Zusammenhang mit dem Auftrag des EWSA und seinen Erfahrungen als beratende Instanz der europäischen Zivilgesellschaft stehen.

3.   Die Freiwilligentätigkeit im Rahmen der europäischen Hilfe

3.1

Der EWSA befürwortet die Definitionen der Freiwilligentätigkeit im Verordnungsvorschlag, die bereits zuvor in anderen Stellungnahmen zu finden waren. Der EWSA unterstreicht die Eigenständigkeit der Freiwilligentätigkeit und betont die Gefahr einer Verwechslung mit anderen Tätigkeiten, die den Charakter einer Beschäftigung haben. Gerade jetzt, in Zeiten der Wirtschaftskrise, handelt es sich um einen besonders wichtigen Aspekt, der sowohl die EU in ihrem Innern als auch ihr auswärtiges Handeln betrifft. Deshalb schlägt der EWSA vor, in bestimmten Fällen die möglichen wirtschaftlichen Folgen der europäischen Freiwilligentätigkeit in den Bestimmungsländern zu bewerten.

3.2

Der EWSA unterstreicht die Notwendigkeit der Kohärenz der Rechtsvorschriften über die Freiwilligentätigkeit in der EU und vor allem über den internationalen Einsatz der Freiwilligen. Der EWSA weist darauf hin, dass es in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Rechtsrahmen im Bereich der Freiwilligentätigkeit gibt, was sich nicht negativ auf die Initiative "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe" auswirken kann (6).

3.3

Des Weiteren ist der EWSA der Überzeugung, dass eine Initiative wie diese dazu beitragen sollte, die Mitgliedstaaten mit geringerer Tradition auf dem Gebiet der Freiwilligentätigkeit und der humanitären Hilfe stärker in diesen Bereich einzubinden. Die Initiative sollte die Teilnahme der Organisationen dieser Länder ermöglichen und die Beteiligung von Freiwilligen aus der gesamten EU entsprechend dem Grundsatz der Chancengleichheit fördern. Der EWSA schlägt vor, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, um die Beteiligung sowohl der Organisationen als auch der Freiwilligen aus Mitgliedstaaten mit bisher geringer Beteiligung an humanitären Aufgaben zu fördern.

3.4

Obwohl im Entwurf des AEUV die Freiwilligenarbeit ursprünglich auf die humanitäre Hilfe eingeschränkt war, fallen die finanzierten Pilotprojekte und die den Freiwilligen zugewiesenen Aufgaben in der Praxis großenteils eher in die Bereiche Entwicklungshilfe, Katastrophenvorsorge, Rehabilitation und Wiederaufbau, Linderung der Folgen, Stärkung der Widerstandsfähigkeit usw. Der EWSA hält diese Anpassung für folgerichtig und schlägt vor zu untersuchen, wie die Freiwilligentätigkeit künftig in der EU-Entwicklungszusammenarbeit weiterentwickelt werden kann.

3.5

Die Freiwilligenarbeit auf dem Gebiet der humanitären Hilfe und bei der Entwicklungszusammenarbeit im Allgemeinen muss mit den übrigen Tätigkeiten der EU-Institutionen im Einklang stehen, diese ergänzen und in diese eingebunden werden. Der EWSA ist der Ansicht, dass die Freiwilligentätigkeit für andere Bereiche der internationalen Entwicklungszusammenarbeit nützlich sein kann. Die Beteiligung von Freiwilligen muss aber unter Gesichtspunkten der Vernunft und Vorsicht ("do no harm") erfolgen und die Einsatzmöglichkeiten für Freiwillige sollten genau abgegrenzt werden.

3.6

Der EWSA begrüßt deshalb, dass das Europäische Parlament die mögliche Beteiligung von Freiwilligen in Situationen eines Konflikts, einer Sicherheitsbedrohung und eines komplexen Notstands eingeschränkt hat. Die Sicherheit der Hilfsempfänger, der Freiwilligen und der Mitarbeiter im Allgemeinen muss Vorrang haben, vor allem angesichts des Umfelds, in dem humanitäre Arbeit üblicherweise geleistet wird.

3.7

Diesbezüglich schlägt der EWSA vor, die Festlegung von Projektarten voranzutreiben, die für Beteiligung von Freiwilligen am besten geeignet sind, oder zumindest die Kategorien von Maßnahmen genauer zu definieren, die Gegenstand der Beteiligung von Freiwilligen im Rahmen der Initiative sein sollten. Der Bereich der humanitären Hilfe ist sehr umfangreich und vielfältig; es sollten deshalb die für die Freiwilligentätigkeit am besten geeigneten Situationen ermittelt werden.

3.8

Darüber hinaus begrüßt der EWSA, dass die aus dem Vertrag hervorgehende Sichtweise der Freiwilligenarbeit als Tätigkeit junger Menschen durch ein realistischeres Konzept ersetzt wird, das die verschiedenen Formen der Freiwilligentätigkeit, die dafür erforderlichen Fähigkeiten, die unterschiedlichen Werte usw. umfasst. Der EWSA ist der Ansicht, dass hierbei ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis angestrebt werden sollte.

4.   Herausforderungen bei der Umsetzung der Initiative "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe"

4.1

Bei der praktischen Umsetzung der Initiative "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe" gehen die EU-Institutionen mit Bedacht vor. Die Bewertung der bisher verwirklichten Pilotprojekte und Initiativen sollte als Grundlage dienen, um einige der künftigen Herausforderungen anzugehen und zu bewältigen. Die Ergebnisse solcher Evaluierungen und die gewonnenen Erkenntnisse sollten mit allen Interessenträgern erörtert werden.

4.2

Die Beteiligung von Freiwilligen muss immer entsprechend den Erfordernissen und nach einer Untersuchung und Bewertung der Situation und der Analyse der von Katastrophen oder komplexen Krisen betroffenen Bevölkerung erfolgen. Grundlegend ist die Verzahnung mit den Koordinierungsmechanismen auf europäischer Ebene (COHAFA, Instrumenten der GD ECHO usw.) wie auch auf internationaler Ebene über das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA).

4.3

Des Weiteren sollten klare Verfahren des Zusammenwirkens mit den (gegenwärtig) auf humanitäre Hilfe spezialisierten Netzen eingerichtet werden, z.B. Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung, VOICE (Freiwilligenorganisationen für die Zusammenarbeit in Notsituationen) und ICVA (Internationaler Rat der Freiwilligenorganisationen).

4.4

Im Verordnungsvorschlag wird betont, dass für alle Phasen des Prozesses der Mobilisierung Freiwilliger für eine Tätigkeit in Drittstaaten Standards festgelegt werden sollten. Der EWSA teilt dieses Anliegen und schlägt vor, solche Standards auf bewährte Methoden der humanitären Hilfe und auf bereits bestehende Qualitätsinitiativen zu gründen (7).

4.5

Im Rahmen dieser Standards sollte den Fragen der Sicherheit und der Gewährleistung ausreichender Bedingungen für die Freiwilligentätigkeit und ihres Mehrwerts bei humanitären Projekten besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

4.6

Die Kooperation von Freiwilligen erfolgt über soziale Organisationen und in geringerem Maße über öffentlich-zivile Institutionen. Die Qualität der Institutionen ist für den Erfolg der Arbeit besonders wichtig. Der EWSA teilt die Ansicht, dass die Schaffung von Verfahren zur Zertifizierung der Organisationen vorangetrieben werden muss, die auf den Erfahrungen und dem gemeinsamen Besitzstand des humanitären Sektors basieren. Deshalb schlägt der EWSA vor, die von der GD ECHO bei Partnerschaftsrahmenverträge mit Nichtregierungsorganisationen und UN-Agenturen gesammelten Erfahrungen zu untersuchen und zu nutzen (8).

4.7

Der EWSA ist der Überzeugung, dass der Zertifizierungsmechanismus auf der Grundlage all dieser Erfahrungen eingerichtet und bei seiner Umsetzung die Hauptkriterien Transparenz, freier Wettbewerb, Chancengleichheit und Rechenschaftspflicht berücksichtigt werden müssen. Die Initiative sollte eine stärkere Beteiligung der Nichtregierungsorganisationen der Länder mit geringerer Tradition auf diesem Gebiet bewirken. Zu diesem Zweck schlägt der EWSA vor, dass gerade in diesen Mitgliedstaaten spezifische Maßnahmen zur Umsetzung der Initiative "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe" zu entwickeln.

4.8

Die Zertifizierungskriterien müssen - allerdings mit entsprechenden Anpassungen - auch auf die Empfängerorganisationen der betroffenen Länder anwendbar sein. Die Maßnahmen zur Stärkung der Kapazitäten der Empfängerorganisationen müssen Vorrang haben und mit der technischen, logistischen und finanziellen Unterstützung des Projekts einhergehen. Die Initiative kann ein Instrument sein, um die südlichen Partner zu unterstützen und zur Stärkung der Gesellschaften, die die Hilfe erhalten, beizutragen. Für den EWSA ist dieses Thema, zu dem er mehrere Stellungnahmen verabschiedet hat (9), ein besonderes Anliegen.

4.9

Der EWSA unterstreicht den zivilen Charakter, den die Freiwillige entsendenden oder aufnehmenden Institutionen haben müssen, um die Achtung der humanitären Grundsätze und Werte sowie ihre Akzeptanz seitens der betroffenen Bevölkerung zu gewährleisten.

4.10

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Frage der Beteiligung von Unternehmen, die z.B. Erfahrungen mit der betrieblichen Freiwilligenarbeit besitzen, eingehender untersucht werden sollte, um Mechanismen für diese Art der Beteiligung vorzuschlagen. Der EWSA vertritt auch die Auffassung, dass in jedem Fall auch die Rolle der kleinen und mittleren Unternehmen gefördert werden sollte - und nicht nur - wie das vielfach der Fall war - der großen Unternehmen, die Abteilungen für soziale Unternehmensverantwortung (corporate social responsibility) besitzen.

4.11

Die Ausbildung der Kandidaten, die an der Initiative "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe" teilnehmen möchten, ist wesentlich, um eine reibungslose Durchführung der Maßnahmen zu garantieren. Der EWSA ist davon überzeugt, dass über die - offensichtlich wichtigen - Aspekte der fachlich-beruflichen Ausbildung hinaus auch folgende Aspekte berücksichtigt und stärker herausgestellt werden sollten: Werteerziehung, Achtung der betroffenen Bevölkerung, interkulturelle Dimension, Respekt, psychosoziale Fragen der Hilfe usw. Es sollte also letztlich nicht nur um technische, sondern auch um humanitäre Fragen der Hilfe insgesamt gehen. Wenn eines die humanitäre Hilfe auszeichnet, dann dieser Schwerpunkt auf die Grundsätze und Werte, die eine wesentliche Rolle bei der Ausbildung der Freiwilligen spielen müssen.

4.12

Deshalb sollte man sich auf die Organisationen stützen, die bereits einschlägige Erfahrungen in den Mitgliedstaaten haben, wie auch auf die europaweiten Ausbildungsnetze, d.h. nicht nur die universitären, sondern auch die gemeinnützigen. Besondere Berücksichtigung verdient die Bewertung der Ausbildungsmaßnahmen, die in die bereits durchgeführten Pilotprojekte aufgenommen wurden. Der EWSA fordert dazu auf, die nachahmenswerten Praktiken auf dem Gebiet möglichst bald zu erfassen, damit sie als Referenzwerte (benchmarks) für künftige Vorschläge dienen können.

4.13

Im Verordnungsvorschlag wird die Schaffung einer Datenbank erwogen, in der potenzielle Freiwillige erfasst werden können, die dann später über zertifizierte Organisationen und ggf. über die Dienststellen der Kommission eingesetzt werden. Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass die Aufnahme Freiwilliger in eine Organisation nicht nur von fachlichen Kriterien abhängt, sondern auch davon, dass sie u.a. die gemeinsame Werte und den Auftrag bzw. die Mission der Organisation teilen. Gleich welche endgültige Form die von der Kommission eingerichtete Datenbank für Freiwillige haben wird, der EWSA ist der Überzeugung, dass dieser Aspekt berücksichtigt werden muss.

4.14

Die Verwirklichung der Initiative "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe" ist eine Gelegenheit, die Maßnahmen zur Sensibilisierung und Aufklärung der europäischen Bürgerinnen und Bürger bezüglich der Solidarität, der auch in Krisenzeiten notwendigen Aufrechterhaltung der Hilfsleistungen und der Förderung universeller Werte auszuweiten. Wie bereits in früheren Stellungnahmen betont der EWSA, dass es über die bloße "Öffentlichkeitswirkung" der Maßnahmen hinaus notwendig ist, die Beziehungen zu den Bürgern zu stärken. Bei dieser Aufgabe spielen die Organisationen der Zivilgesellschaft, von denen viele im EWSA vertreten sind, eine grundlegende Rolle. Der EWSA spricht sich dafür aus, diese öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen auf die Mitgliedstaaten zu konzentrieren, die bisher nur über geringe Erfahrungen auf dem Gebiet der humanitären Hilfe verfügen.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäischen Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe "EU-Freiwillige für humanitäre Hilfe" (COM(2012) 514 final).

(2)  Die GD ECHO gab drei auf die Zukunft ausgerichtete Evaluierungen in Auftrag (2006, 2010 und 2012), die zu einer Reihe unterschiedlicher Schlussfolgerungen gelangten: "Review concerning the establishment of a European Voluntary Humanitarian Aid Corps", 2006; "Review concerning the establishment of a European Voluntary Humanitarian Aid Corps - Final report", 2010, und "Impact Assessment on the establishment of a European Voluntary Humanitarian Aid Corps", 2012.

(3)  ECHO-Daten von 2012 http://ec.europa.eu/echo/files/funding/figures/budget_implementation/AnnexV.pdf.

(4)  Im diesem Thema gewidmeten Eurobarometer vom März 2012 wird festgestellt, dass 88 % der europäischen Bürger die Bereitstellung von Mitteln für diese Aufgaben durch die EU befürworten: http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_383-384_fact_es_es.pdf.

(5)  Artikel 8 des Konsenses. ABl. C 25 vom 30.1.2008, S. 1-12. Im Konsens wird auch auf Initiativen wie das SPHERE-Projekt Bezug genommen, bei denen es um die Festlegung der Rechte von Opfern humanitärer Krisen und ihren Schutz geht. "Charta der Humanitären Hilfe" und Mindeststandards des SPHERE-Projekts.

(6)  Stellungnahme des EWSA zu der "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Mitteilung zu EU-Politik und Freiwilligentätigkeit: Anerkennung und Förderung grenzüberschreitender Freiwilligenaktivitäten in der EU" (COM(2011) 568 final), Abl. C 181 vom 21.6.2012, S.150-153.

(7)  Der EWSA schlägt vor, insbesondere die Initiative für gemeinsame Standards (JSI) weiterzuverfolgen, die durch drei der wichtigsten Maßnahmen zur Verbesserung humanitären Hilfe umgesetzt wird: das SPHERE-Projekt, die HAP-Initiative ("Humanitarian Accountability Partnership") und der "People in Aid"-Kodex.

(8)  Darüber hinaus sollten die derzeit erörterten Vorschläge des Lenkungsausschusses für humanitäre Hilfseinsätze ("Steering Committee for Humanitarian Response") berücksichtigt und die von einigen Mitgliedstaaten eingerichteten Akkreditierungssysteme untersucht werden, um schlüssige Konzepte zu finden und Doppelungen zu vermeiden.

(9)  Stellungnahme des EWSA zum Thema "Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union", Abl. C 181 vom 21.6.2012, S.28-34.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/16


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Eine integrativere, zuwandererfreundliche Bürgerschaft“ (Initiativstellungnahme)

2014/C 67/04

Berichterstatter: Luis Miguel PARIZA CASTAÑOS

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 14. Februar 2013 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Eine integrativere, zuwandererfreundliche Bürgerschaft

(Initiativstellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 3. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 176 gegen 10 Stimmen bei 14 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Empfehlungen und Vorschläge

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) weist darauf hin, dass in den letzten zehn Jahren wichtige Schritte zur Gleichstellung in den mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechten, Freiheiten und Garantien unternommen wurden, die das Kriterium des Aufenthalts gegenüber dem der Staatsangehörigkeit gestärkt haben. Die Unionsbürgerschaft entwickelt sich hin zu einer Aufenthaltsbürgerschaft, die an die Charta der Grundrechte und die im Vertrag (AEUV) verankerten Werte und Grundsätze geknüpft ist.

1.2

Dies ist ein guter Zeitpunkt, um im Rahmen einer Bewertung zu untersuchen, wo noch etwas zu tun ist und wo die Hürden liegen, die die Entwicklung einer stärker integrativen, partizipativen und zivilbürgerlichen Unionsbürgerschaft, die der Eingliederung der sich dauerhaft in der EU aufhaltenden Menschen offensteht, noch behindern.

1.3

Wir Europäerinnen und Europäer des 21. Jahrhunderts stehen vor der großen Herausforderung, unsere Demokratie auf breitere Grundlagen zu stellen, indem wir Neubürger einbeziehen, die in Rechten und Pflichten gleichgestellt sind. Dazu muss das Recht auf die Staatsangehörigkeit der Mitgliedstaaten und auf die Unionsbürgerschaft alle Menschen mit Migrationshintergrund einschließen, die eine große nationale, ethnische, religiöse und kulturelle Vielfalt einbringen. Der Ausschuss ist der Meinung, dass die europäischen Demokratien freie und offene Gesellschaften sind und auf der Integration aller Bürgerinnen und Bürger unabhängig von deren Herkunft und Bezugssystem beruhen müssen.

1.4

Der EWSA schlägt vor, Überlegungen darüber anzustellen, inwiefern die aktuellen rechtlichen und politischen Grundlagen der europäischen Einwanderungspolitik, der Unionsbürgerschaft und der Integration für die immer stärker pluralistisch und von größerer Vielfalt geprägte europäische Gesellschaft von heute ausreichen.

1.5

Durch die Wirtschaftskrise wurden der Schutz der Grundrechte, die Integration und die Bekämpfung von Diskriminierung aus der politischen Agenda verdrängt. Der EWSA warnt vor der Gefahr einer Zunahme von Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gegenüber Einwanderern und Minderheiten. Die Entscheidungsträger in Politik, Gesellschaft und Medien müssen sehr verantwortungsvoll vorgehen und eine wichtige politische und soziale Vorbildfunktion übernehmen, um solchen Einstellungen vorzubeugen. Auch die EU-Institutionen müssen beim Schutz der Grundrechte entschieden handeln.

1.6

Der Ausschuss möchte all denen ein klares Signal senden, die die nationale und die europäische Identität von der Warte eines ausgrenzenden Nationalismus aus so definieren, dass Millionen Menschen aufgrund ihrer nationalen Herkunft von den Bürgerschaftsrechten ausgeschlossen bleiben und nur eine schwache Rechtsstellung haben. Die Qualität der Demokratie in Europa muss verbessert werden, indem der Zugang zur Staatsangehörigkeit der Mitgliedstaaten und zur Unionsbürgerschaft erweitert wird.

Empfehlungen an die Mitgliedstaaten

1.7

Da viele Mitgliedstaaten restriktive Gesetze für den Zugang zur Staatsbürgerschaft haben, empfiehlt ihnen der EWSA, flexiblere Rechtsvorschriften und Verwaltungsverfahren zu erlassen, damit langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige ihre Staatsbürgerschaft erwerben können (1).

1.8

Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten auf, Abkommen mit den Herkunftsländern der Einwanderer zu unterzeichnen, damit diese die doppelte Staatsbürgerschaft haben können.

1.9

Die Mitgliedstaaten müssen das Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit von 1997 und das Übereinkommen über die Beteiligung von Ausländern am kommunalen öffentlichen Leben von 1992 unterzeichnen und ratifizieren und in ihrer Politik für den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, des wirksamen Rechtsbehelfs und der Nichtdiskriminierung wahren.

1.10

Der EWSA nimmt die Hürden zur Kenntnis, die einige Mitgliedstaaten bei den politischen Rechten – dem Wahl- und Versammlungsrecht und dem Recht auf politische Teilnahme – weiter aufrechterhalten, und empfiehlt ihnen, ihre Vorschriften zu ändern, damit die sich dauerhaft aufhaltenden Drittstaatsangehörigen über politische Rechte verfügen.

Vorschlag für die Reform des Vertrags

1.11

Die Europäische Union sollte bei der Eröffnung eines neuen Verfahrens zur Reform des Vertrags (AEUV) Artikel 20 dahingehend ändern, dass als Unionsbürger auch diejenigen Drittstaatsangehörigen gelten, die dauerhaft in der EU leben und über einen langfristigen Aufenthaltstitel verfügen.

1.12

Es muss das Kriterium des Aufenthalts verwendet werden, um die Unionsbürgerschaft zu erlangen. Wie der EWSA in einer früheren Stellungnahme (2) darlegte, ist der Aufenthalt nach europäischem Recht bereits ein Kriterium, um Drittstaatsangehörigen verschiedene wirtschaftliche, soziale, kulturelle und zivilbürgerliche Rechte und Freiheiten zuzuerkennen. Viele dieser Rechte ähneln zwar der Unionsbürgerschaft, in der Praxis sind einige politische Rechte wie das Wahlrecht derzeit jedoch ausgeschlossen. Der EWSA möchte erneut hervorheben, dass "der dauerhafte rechtmäßige Aufenthalt […] ein Grund für den Zugang zur Unionsbürgerschaft sein [muss]" (3).

Vorschlag für die Organe der EU

1.13

Die Charta der Grundrechte der EU hat rechtsverbindliche Wirkung und schafft einen neuen Rahmen für die europäische Einwanderungs-, Integrations- und Bürgerschaftspolitik. Die Kommission muss analysieren, in welcher Weise die Charta den Status und die Rechte von Drittstaatsangehörigen betrifft, um neue Initiativen auf den Weg bringen zu können, die die Einwanderungsgesetzgebung an die Garantien der Charta anpasst.

1.14

In der Charta werden die allgemeinen Grundlagen eines neuen Konzepts der Zivilbürgerschaft (mit einem Grundbestand an gemeinsamen Rechten und Pflichten) für Drittstaatsangehörige festgelegt. Der Ausschuss schlägt vor, die Entwicklung dieser Zivilbürgerschaft zu einer der Prioritäten in dem neuen politischen Programm zu machen, das von 2014 an auf das Stockholmer Programm folgt.

1.15

Die EU muss einen Einwanderungskodex aufstellen, der mehr Transparenz und Rechtsklarheit hinsichtlich der Rechte und Freiheiten der sich in der EU aufhaltenden Drittstaatsangehörigen bietet. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass das EU-Einwanderungsrecht die Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot garantieren muss.

1.16

Die Kommission muss die Probleme bewerten, die beim Schutz der Grundrechte von Drittstaatsangehörigen in der Praxis in den Mitgliedstaaten fortbestehen, insbesondere in Bezug auf die sozialen Rechte, die Mobilität und den Zugang zu wirksamem Rechtsbehelf.

1.17

Die Kommission muss die Hindernisse prüfen, die von einigen Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Status des langfristigen Aufenthalts und der Blauen Karte ("Blue Card") (4) weiter aufrechterhalten werden, sowie die Verletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten, die gegen das EU-Recht verstoßen, wirksam zum Abschluss bringen.

1.18

Im Rahmen der Integrationsagenda muss die Kommission eine Evaluierung der Verfahren und Hindernisse vornehmen, die in den Mitgliedstaaten bei Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit bestehen, sowie ihre Auswirkungen auf die Unionsbürgerschaft bewerten.

1.19

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, einen Bericht über den Stand der Diskussion in der EU über das Übereinkommen der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (5) zu erarbeiten. Die Kommission sollte die Voraussetzungen für die Ratifizierung dieses Übereinkommens schaffen.

2.   Die Unionsbürgerschaft

2.1

2013 ist zum "Europäischen Jahr der Bürgerinnen und Bürger" ausgerufen worden. Die Unionsbürgerschaft ist eines der wirkungsvollsten Instrumente zur Herausbildung einer gemeinsamen Identität aller Europäerinnen und Europäer. Von großer Aktualität ist nach Meinung des Ausschusses der politische Grundgedanke, auf dem die EU schon seit ihren Anfängen beruht, nämlich der Ausspruch Jean Monnets: "Wir vereinigen keine Staaten, wir verbinden Menschen".

2.2

Die Unionsbürgerschaft ist keine leere Worthülse, sondern ein konkreter rechtlicher und politischer Status, der aus Rechten und Freiheiten besteht. Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit und Menschenrechte sind die grundlegenden Werte der Europäischen Union (Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union).

2.3

Der EWSA ist der Ansicht, dass in diesen schwierigen Zeiten, vor dem Hintergrund der schweren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise in Europa, innovative Strategien zur Förderung einer offeneren und integrativeren Bürgerschaft eingeführt werden müssen und das Vertrauen aller in der Europäischen Union lebenden Menschen gestärkt werden muss.

2.4

Die Europäische Kommission hat den zweiten Bericht über die Unionsbürgerschaft (Rechte und Zukunft der Bürgerinnen und Bürger der EU) veröffentlicht, in dem einige der bestehenden Hürden und Probleme untersucht werden. Der EWSA begrüßt den Bericht der Kommission, weist jedoch darauf hin, dass es keine aktive Politik für Drittstaatsangehörige gibt, die zwar ähnliche europäische Rechte und Freiheiten genießen, jedoch nicht die volle Bürgerschaft besitzen.

2.5

Der Ausschuss unternimmt derzeit zahlreiche Initiativen, um eine aktivere Unionsbürgerschaft zu propagieren; er macht jedoch auf das gravierende Problem aufmerksam, dass viele junge Menschen, die Nachfahren von Einwanderern der zweiten oder dritten Generation sind, schwerwiegender Diskriminierung und Ausgrenzung gegenüberstehen, die vor allem das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gesellschaft schwächen, die sie als "Bürger zweiter Klasse" erachtet.

3.   Europäische Integrationsagenda: die Beteiligung von Einwanderern am demokratischen Leben

3.1

Der EWSA schlug vor zehn Jahren vor, dass die Integration ein grundlegender Bestandteil der gemeinsamen Einwanderungspolitik sein sollte, und forderte diesbezüglich eine europäische Agenda. Der Rat billigte 2004 gemeinsame Grundprinzipien für die Integration, darunter Folgendes: "Entscheidende Voraussetzung für eine bessere Integration ist, dass Einwanderer gleichberechtigt Zugang zu den Institutionen sowie zu öffentlichen und privaten Gütern und Dienstleistungen erhalten". Und weiter: "Durch die Beteiligung von Einwanderern am demokratischen Prozess und an der Konzipierung integrationspolitischer Maßnahmen, insbesondere auf lokaler Ebene, wird ihre Integration unterstützt".

3.2

Die Europäische Kommission erarbeitet derzeit zusammen mit dem EWSA die Europäische Integrationsagenda, in der zahlreiche Aktivitäten zur Unterstützung der Mitgliedstaaten angestoßen werden. Der EWSA und die Kommission haben das Europäische Integrationsforum (6) eingerichtet, um die Teilhabe von Einwanderern und Organisationen der Zivilgesellschaft zu erleichtern.

3.3

Der Ausschuss hat zur Integrationsagenda mit mehreren Stellungnahmen beigetragen (7).

3.4

Das Forum hat die Bedeutung analysiert, die die Beteiligung der Einwanderer am demokratischen Prozess für die Einwanderung hat, und ist zu dem Schluss gelangt, dass Mitgliedstaaten, die den Einwanderern den Zugang zu den Bürgerschaftsrechten erleichtern, die Integration verbessern. Daher empfiehlt der Ausschuss den Mitgliedstaaten, im Rahmen ihrer nationalen Gesetzgebung flexiblere Rechtsvorschriften zu erlassen, damit langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige ihre Staatsangehörigkeit erhalten können.

3.5

Der Ausschuss begrüßt, dass Gewerkschaften, Arbeitgebervertreter und NRO eine integrationsfreundliche Haltung an den Tag legen und die Beteiligung von Einwanderern am demokratischen Leben ihrer Organisationen erleichtern. Die Zivilgesellschaft geht auf die Drittstaatsangehörigen zu, damit diese aktive Mitglieder der Organisationen werden.

3.6

Die Integration ist ein zweiseitiger sozialer Prozess der wechselseitigen Anpassung zwischen Einwanderern und Aufnahmegesellschaft, der durch gutes Regieren in der Europäischen Union sowie auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene unterstützt werden muss. Ein gemeinsamer europäischer Ansatz bringt einen erheblichen Mehrwert, da er die Integration mit den im Vertrag verankerten Werten und Grundsätzen, mit der Gleichbehandlung und dem Diskriminierungsverbot, mit der Charta der Grundrechte, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Europa-2020-Agenda verknüpft.

3.7

Das EU-Einwanderungsrecht muss die Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot garantieren. Erwähnenswert ist diesbezüglich die Frage der Rechte und Möglichkeiten im Zusammenhang mit der Verwendung der Muttersprache und der Religionsausübung. Der Ausschuss erachtet die Initiative der Kommission für eine Richtlinie (8) über Maßnahmen zur Erleichterung der Ausübung der Rechte, die europäischen Arbeitnehmern im Rahmen der Freizügigkeit zustehen, als sehr positiv.

3.8

Der EWSA hat vorgeschlagen, dass alle in der EU lebenden Menschen unabhängig von ihrem Migrationsstatus oder ihrer Staatsangehörigkeit eine gerechte Behandlung erfahren müssen, weshalb einige der derzeitigen Beschränkungen für den Status der Unionsbürgerschaft überwunden werden müssen.

4.   Staatsangehörigkeit, Aufenthalt und Unionsbürgerschaft

4.1

Der Ausschuss möchte neue Überlegungen über die Natur der Unionsbürgerschaft anstoßen, insbesondere in Bezug auf sich rechtmäßig und dauerhaft in der EU aufhaltende Drittstaatsangehörige. Es ist eine Rückkehr zu dem ursprünglich in den Schlussfolgerungen des Rates von Tampere (9) festgelegten Konzept erforderlich. Die in Tampere (10) vereinbarte gerechte und gleiche Behandlung von Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen ist nach wie vor eine politische Priorität, da die Ziele auch nach 14 Jahren gemeinsamer Einwanderungspolitik nicht erreicht wurden.

4.2

Es obliegt den Mitgliedstaaten, die Staatsangehörigkeit aufgrund ihrer eigenen Gesetzgebung zu gewähren, da der Vertrag der EU keine Zuständigkeit für eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften überträgt, die daher eine Angelegenheit der nationalen Souveränität ist.

4.3

Indessen entwickeln in allen Mitgliedstaaten Migrantenorganisationen und andere NRO Initiativen und Debatten, um die Fristen zu verringern und die Verfahren zur Einbürgerung und zum Erhalt der Staatsbürgerschaft für die Einwanderer flexibler zu gestalten sowie die Integration zu erleichtern, da weder Gesellschaften noch Staaten integrativ sind, die zahlreiche dauerhaft in ihnen lebende Menschen von der Gleichbehandlung und den Rechten auf Teilhabe ausschließen.

4.4

Der Begriff der Unionsbürgerschaft ist in den Verträgen, im Gemeinschaftsrecht und in der Charta der Grundrechte fest verankert. Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und insbesondere in Artikel 20 heißt es: "Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt sie aber nicht". Die Staatsangehörigkeit bzw. ihr Erwerb oder Verlust gemäß den einzelnen innerstaatlichen Rechtsordnungen ist somit der "Generalschlüssel" zur Unionsbürgerschaft (11).

4.5

Die enge Verbindung zwischen dem Status der Unionsbürgerschaft und der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats steht seit Einführung der Unionsbürgerschaft 1992 mit dem Vertrag von Maastricht im Mittelpunkt zahlreicher Diskussionen und Kritik. Diese Verknüpfung impliziert im Grunde den formalen Ausschluss von Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in der EU aufhalten, von der Unionsbürgerschaft, sodass diese Menschen in den europäischen Debatten über die Bürgerschaft und in der Teilhabe an der Politik und am demokratischen Leben "unsichtbar" geblieben sind.

4.6

Eine restriktive Lesart der Unionsbürgerschaft besagt, dass es eine homogene, eindeutig identifizierbare Gruppe von Menschen gibt – die Unionsbürger –, und eine weitere Gruppe, die sogenannten Drittstaatsangehörigen, die nicht als Unionsbürger gelten.

4.7

Doch wer sind diese "Unionsbürger"? Ist es richtig, den persönlichen Geltungsbereich der Unionsbürgerschaft auf jene Menschen zu beschränken, die die Staatsangehörigkeit der Mitgliedstaaten besitzen? Haben Drittstaatsangehörige nicht bereits einige Rechte und Freiheiten, die mit denen von Unionsbürgern identisch oder vergleichbar sind? Wo liegen die derzeitigen Grenzen und Herausforderungen der Unionsbürgerschaft? Welche Rolle spielen die politische Teilhabe und das Wahlrecht in diesem Zusammenhang? Warum sind viele junge Menschen, die Nachfahren von Einwanderern sind, immer noch "Bürger zweiter Klasse"? Wenn die Beteiligung der Einwanderer am demokratischen Leben ihre Integration erleichtert, weshalb sind sie dann davon ausgeschlossen?

4.8

Bislang waren es die Mitgliedstaaten, die indirekt bestimmten, wer Unionsbürger ist und wer nicht. Dies muss sich ändern, damit die Unionsbürgerschaft zum Kernstück der europäischen Integration wird.

5.   Eine "zivilbürgerliche" Unionsbürgerschaft

5.1

Die Charta der Grundrechte der EU legt die allgemeinen Grundlagen eines neuen Konzepts der zivilbürgerlichen, integrativen und partizipativen Bürgerschaft, das es nach Ansicht des Ausschusses weiterzuentwickeln gilt.

5.2

Die Kommission hat darauf hingewiesen, dass die Charta der Grundrechte die Bezugsgröße für die Entwicklung des Konzepts der "Zivilbürgerschaft" für Drittstaatsangehörige ist (mit einem gemeinsamen Bündel an grundlegenden Rechten und Pflichten).

5.3

Die Charta der Grundrechte hat rechtsverbindliche Wirkung mit einer den Verträgen vergleichbaren Rechtsgültigkeit. Die Charta hat die Komponenten des Status der Unionsbürgerschaft verändert und gefestigt. Ihr persönlicher Geltungsbereich umfasst sowohl Unionsbürger als auch Drittstaatsangehörige. Titel V ist den "Bürgerrechten" gewidmet, doch Artikel 41 (Recht auf eine gute Verwaltung) und Artikel 45 Absatz 2 (Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit) erstrecken sich ebenfalls auf Drittstaatsangehörige.

5.4

Der EWSA weist darauf hin, dass die übrigen Bestimmungen der Charta für alle Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit gelten. Die Charta begrenzt den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit des Wohnsitzes, Familienzusammenführung, Ausweisung und sogar Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit. Einer der grundlegenden Aspekte ist Kapitel VI (Justizielle Rechte), das das Recht auf eine wirksame Justiz sowie wirksamen Rechtsbehelf bei Verletzungen der Grund- und Bürgerrechte beinhaltet.

5.5

Der EWSA meint, dass die Kombination aus Unionsbürgerschaft und Charta in Form einer Ausweitung des persönlichen Geltungsbereichs des Status der Unionsbürgerschaft tief greifende Auswirkungen haben kann. Eine der größten unerledigten Aufgaben besteht darin, Drittstaatsangehörigen, deren Grundrechte und –freiheiten seitens der Mitgliedstaaten und ihrer Behörden im Bereich des europäischen Rechts außer Kraft gesetzt oder verletzt wurden, den Zugang zu wirksamem Rechtsschutz zu sichern (12).

5.6

Im Zuge der Vorarbeiten des Europäischen Konvents verabschiedete der EWSA eine Entschließung, in der er vorschlug: "Die Politik zur Integration der Einwanderer ist zu verbessern. Der Ausschuss ersucht den Konvent zu prüfen, ob den Drittstaatsangehörigen, die den Status langfristig aufenthaltsberechtigter Personen besitzen, die Unionsbürgerschaft zuerkannt werden kann" (13).

5.7

Die Kommission legte in ihrer Mitteilung über eine Migrationspolitik der Gemeinschaft (14) das Ziel fest, einen europäischen Rechtsrahmen für die Aufnahme und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen und eine gemeinsame Rechtsstellung zu entwickeln, die auf dem Grundsatz gleicher Rechte und Pflichten wie für Unionsbürger beruhen würde, aber je nach Aufenthaltsdauer unterschiedlich wäre.

5.8

Würde Migranten der Erwerb der Bürgerschaft nach einer Mindestfrist von fünf Jahren in Aussicht gestellt, könnte dies vielen bereits genügend Gewähr für ihre gesellschaftliche Integration bieten oder einen ersten Schritt zur Einbürgerung in den Mitgliedstaat darstellen.

5.9

Der EWSA wies in seiner Stellungnahme zur Zuerkennung der Unionsbürgerschaft darauf hin, dass sich der erweiterte Begriff der Unionsbürgerschaft mit dem von der Kommission als "Zivilbürgerschaft" bezeichneten Konzept deckt.

5.10

Der EWSA hat unterstützt, dass eine "Zivilbürgerschaft" auf europäischer Ebene zu verstehen ist als eine "partizipative und integrative Bürgerschaft" für alle sich dauerhaft in der Europäischen Union aufhaltenden Menschen, bei der der Grundsatz der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz eine der zentralen Achsen wäre. Wie der EWSA in seiner Stellungnahme zur Zuerkennung der Unionsbürgerschaft unterstrich, könnte auf diese Weise erreicht werden, "die Verpflichtung zur Gleichbehandlung zu verankern, um die Integration von in Mitgliedstaaten der Europäischen Union dauerhaft und rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen in das bürgerliche Leben zu fördern und zu erleichtern (Gleichheit vor dem Gesetz)" und die Diskriminierung, der Drittstaatsangehörige gegenwärtig ausgesetzt sind, zu beenden.

6.   Zehn Jahre danach: immer noch ungelöste Probleme

6.1

In den letzten zehn Jahren hat Europa Maßnahmen ergriffen, Rechtsvorschriften erlassen und eine Rechtsprechung geschaffen, die sowohl für die Unionsbürgerschaft als auch für die Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen sehr relevant sind. Diese Prozesse haben eine schrittweise Ausweitung der mit der Unionsbürgerschaft einhergehenden Rechte, Freiheiten und Garantien auf Grundlage des Aufenthalts nach sich gezogen. Der EWSA vertritt jedoch die Auffassung, dass diese Ausweitung unvollständig und noch zu restriktiv ist.

6.2

Einer der wichtigsten Schritte im Bereich der Gesetzgebung war die Verabschiedung der Richtlinie 2004/38 über die Unionsbürgerschaft, die den bislang uneinheitlichen und fragmentierten europäischen Rechtsrahmen für Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit in nur einem Rechtsinstrument harmonisierte. Besonders aktiv war die EU bei der Anerkennung von Rechten und beim Erlass von Vorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung für Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige von Unionsbürgern sind. In der Richtlinie werden diesen Familienangehörigen, die die Staatsbürgerschaft von Drittstaaten besitzen, ausdrücklich Rechte und Freiheiten zuerkannt, die denen der Unionsbürger stark ähneln.

6.2.1

Der EWSA teilt die Meinung der Kommission, dass eine der wichtigsten Herausforderungen darin besteht, die in der Richtlinie vorgesehenen Rechte allen Menschen im alltäglichen Leben zugänglich zu machen und dabei schlechten Praktiken einzelner Mitgliedstaaten ein Ende zu setzen sowie denjenigen, deren bürgerliche Freiheiten verletzt wurden, wirksamen Rechtsschutz zu bieten.

6.2.2

Diese "Bürgerschaftsrechte" erwachsen zwar unmittelbar aus der Verwandtschaftsbeziehung, der Zugang zu ihnen wird jedoch nur in dem Moment aktiviert, in dem die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben oder in einen zweiten Mitgliedstaat auswandern. Die innereuropäische Mobilität ist weiterhin eine der Voraussetzungen, damit der den Familienangehörigen durch die Unionsbürgerschaft übertragene Schutz greifen kann (15). In der Richtlinie wird diesen Familienmitgliedern nach einem ständigen Aufenthalt von fünf Jahren zudem ein Aufenthaltsrecht gewährt.

6.2.3

Der EWSA ist jedoch der Ansicht, dass die nationalen Behörden Rechtsvorschriften und Praktiken aufrechterhalten, die das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen von Unionsbürgern einschränken. Auch sind ausländische Familienmitglieder von EU-Bürgern weiterhin Situationen von umgekehrter Diskriminierung ausgesetzt, die gelöst werden müssen (16).

6.3

Der Gerichtshof der EU (EuGH) war sehr aktiv und hat eine positive Rolle dabei gespielt, die rechtliche Ausgestaltung und die Individualrechte der Unionsbürgerschaft vorausschauend zu schützen und auszulegen (17). Der EuGH hat bekräftigt, dass die Unionsbürgerschaft dazu bestimmt ist, der grundlegende Status der europäischen Bürger zu sein (18).

6.3.1

Der EWSA begrüßt die Rechtsprechung des in Luxemburg ansässigen Gerichtshofs über die Bürgerschaft und weist darauf hin, dass mit der Verabschiedung der Richtlinie der Großteil dieser Rechtsprechung übernommen wurde, da die wichtigsten seit 2004 ergangenen Urteile des EuGH in Sachen Freizügigkeit und Unionsbürgerschaft darin aufgeführt sind.

6.3.2

Es gibt ebenfalls eine umfassende Rechtsprechung des EuGH zu den allgemeinen Grundsätzen des europäischen Rechts (19), etwa zur Verhältnismäßigkeit und Nichtdiskriminierung, die – unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Migrationsstatus – für alle Menschen gelten, die von Maßnahmen oder vom Recht der Union betroffen sind. Diese Rechtsprechung hat sogar die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten berührt, und zwar in Fragen des Erwerbs oder Verlusts der Staatsangehörigkeit sowie bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Unionsbürgerschaft und der damit zusammenhängenden Rechte.

6.3.3

Der Gerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Zuständigkeiten in Fragen der Staatsangehörigkeit verpflichtet sind, den Folgen ihrer Rechtsvorschriften und Entscheidungen zu Unionsbürgerschaft und Freizügigkeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen, insbesondere der uneingeschränkten Ausübung der sich aus der Unionsbürgerschaft ergebenden Rechte und Freiheiten (20).

6.4

Das seit 2003 geltende europäische Einwanderungsrecht umfasst Rechtsinstrumente für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen, die Rechte und Garantien bieten, von denen einige den durch die Unionsbürgerschaft übertragenen ähneln. In der Richtlinie 2003/109  (21) betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen wurde eine gemeinsame Rechtsstellung für Drittstaatsangehörige festgelegt, die sich fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufgehalten haben.

6.4.1

Der EWSA weist darauf hin, dass der Grundgedanke der Richtlinie darin bestand, die rechtliche Stellung von Unionsbürgern und sich langfristig aufhaltenden Drittstaatsangehörigen anzunähern und ihre Aufenthaltssicherheit in der Union zu schützen. Die gemeinsame Rechtsstellung bietet diesen Menschen jedoch immer noch nicht volle Gleichheit und Bürgerschaft, sondern eine "Quasi-Gleichheit" bzw. "Quasi-Bürgerschaft dritten Grades", die einer Reihe von Bedingungen unterliegt (22). Die Europäische Kommission zeigte in ihrem Bericht über die Anwendung der Richtlinie (23) auf, dass zwar Artikel 11 der Richtlinie eine "Quasi-Gleichbehandlung" von langfristig Aufenthaltsberechtigten und Staatsangehörigen vorsieht, es aber kaum Informationen über die Art ihrer Anwendung gibt, was Probleme bei ihrer wirkungsvollen Umsetzung in die Praxis hervorruft.

6.4.2

Zudem sieht die Richtlinie als einen Mehrwert die Möglichkeit vor, die "Freizügigkeit" oder Mobilität in einen zweiten Mitgliedstaat auszuüben und ebenfalls eine "Quasi-Gleichbehandlung" zu erfahren. Die Aufnahme einer innereuropäischen Mobilität oder Freizügigkeit erinnert an das Modell der Unionsbürgerschaft, das dem EU-Recht über Bürgerschaft zur Förderung der innereuropäischen Mobilität folgte.

6.5

Auch andere Richtlinien zum europäischen Einwanderungsrecht beinhalten einen Schwerpunkt und eine Dimension der "innereuropäischen Mobilität", die dem Status der langfristigen Aufenthaltsberechtigung ähnelt, um die Attraktivität der europäischen Arbeitsmärkte zu verbessern, so z.B. die Richtlinie 2009/50 über die Blaue Karte für hochqualifizierte Drittstaatsangehörige.

6.6

Der EWSA ist jedoch der Meinung, dass aufgrund einer fehlerhaften Anwendung der Richtlinien durch einige Mitgliedstaaten die für Drittstaatsangehörige und ihre Familienangehörigen geltenden Bedingungen und Kriterien für den Aufenthalt und die Beschäftigung in einem zweiten Mitgliedstaat, der nicht derjenige ist, der die europäische Aufenthaltserlaubnis ausgestellt hat, nicht mit der grenzübergreifenden Freizügigkeit der Unionsbürger vergleichbar sind.

6.7

Darüber hinaus trägt der fragmentierte und sektorspezifische Rechtsrahmen im Bereich der Einwanderung nicht dazu bei, eine Gleichbehandlung und einen einheitlichen Rahmen für die Rechte von Drittstaatsangehörigen zu fördern, die sich in der EU aufhalten und dort ihre Freizügigkeit wahrnehmen wollen (24).

7.   Dialog mit den Herkunftsländern

7.1

Der Ausschuss hat in anderen Stellungnahmen darauf aufmerksam gemacht, dass der politische und soziale Dialog mit den Herkunftsländern der Einwanderer, die nach Europa kommen, verbessert werden muss. Der EWSA begrüßt, dass mehrere Abkommen unterzeichnet wurden.

7.2

Dieser Dialog muss auch die Bürgerschaftsrechte umfassen. Der Ausschuss ist der Meinung, dass die Abkommen zwischen Staaten, die die doppelte Staatsangehörigkeit zulassen, sehr positiv sind, damit Drittstaatsangehörige über staatsbürgerliche, soziale und politische Rechte verfügen können.

7.3

Einige Mitgliedstaaten machen die politischen Rechte indessen von Gegenseitigkeit abhängig. Der Ausschuss weist darauf hin, dass es sich hierbei zwar um ein positives Instrument handelt, es in einigen Fällen aber eine Beschränkung der Rechte des Einzelnen implizieren kann, wenn die Herkunftsländer das Kriterium der Gegenseitigkeit nicht erfüllen.

7.4

Der EWSA fordert ein nachdrückliches Engagement der EU im Bereich der Außenpolitik durch die Anregung einer weltweiten Steuerung der internationalen Migrationsströme im Rahmen der Vereinten Nationen, und zwar auf der Grundlage geltender internationaler Rechtsinstrumente, insbesondere der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, des Internationalen Übereinkommens der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (dessen Ratifizierung durch die EU der Ausschuss bereits vorgeschlagen hat (25)), des Pakts über die bürgerlichen und politischen Rechte, des Pakts über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sowie der Übereinkommen der ILO.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Richtlinie 2003/109.

(2)  ABl. 208 C vom 3.9.2003, S. 76.

(3)  ABl. 208 C vom 3.9.2003, S. 76, Ziffer 4.3.

(4)  Richtlinie 2009/50.

(5)  VN-Generalversammlung vom 18.12.1990.

(6)  http://ec.europa.eu/ewsi/en/policy/legal.cfm.

(7)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 69-75; ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 6-13; ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 16-22; ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 19-27; ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 29-35; ABl. C 27 vom 3.2.2009, S. 95-98; ABl. C 318 vom 23.12.2006, S. 128-136; ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 112-122.

(8)  COM(2013) 236 final.

(9)  Europäischer Rat vom 15./16. Oktober 1999 in Tampere, Schlussfolgerungen des Vorsitzes.

(10)  Siehe Ziffer 18:

"Die Europäische Union muss eine gerechte Behandlung von Drittstaatsangehörigen sicherstellen, die sich im Hoheitsgebiet ihrer Mitgliedstaaten rechtmäßig aufhalten. Eine energischere Integrationspolitik sollte darauf ausgerichtet sein, ihnen vergleichbare Rechte und Pflichten wie EU-Bürgern zuzuerkennen. Zu den Zielen sollte auch die Förderung der Nichtdiskriminierung im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben und die Entwicklung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gehören".

In Ziffer 21 der Schlussfolgerungen wird als Priorität festgelegt:

"Die Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen sollte der Rechtsstellung der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten angenähert werden. Der Europäische Rat billigt das Ziel, dass Drittstaatsangehörigen, die auf Dauer rechtmäßig ansässig sind, die Möglichkeit geboten wird, die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats zu erwerben, in dem sie ansässig sind".

(11)  De Groot, G.R. (1998), "The relationship between the nationality legislation of the Member States of the European Union and European Citizenship", Kapitel VI, in M. La Torre (Hrsg.), European Citizenship: An Institutional Challenge, Den Haag: Kluwer International Law.

(12)  S. Carrera, M. De Somer und B. Petkova (2012), The Court of Justice of the European Union as a Fundamental Rights Tribunal: Challenges for the Effective Delivery of Fundamental Rights in the Area of Freedom, Security and Justice, CEPS Policy Brief, Centre for European Policy Studies, Brüssel.

(13)  ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 170, Ziffer 2.11.

(14)  COM(2000) 757 final.

(15)  Guild, E. (2004), The Legal Elements of European Identity: EU Citizenship and Migration Law, Den Haag: Kluwer Law International, European Law Library.

(16)  Europäischer Jahresbericht über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Europa 2010-2011, K. Groenendijk et al., Januar 2012, Europäische Kommission, GD Beschäftigung. Siehe http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=475&langId=de.

(17)  Kostakopoulou, T. (2007), "European Citizenship: Writing the Future", European Law Journal, Special Issue on EU Citizenship, Band 13, Nr. 5, S. 623-646.

(18)  C-184/99, Grzelczyk.

(19)  De Groot, G.R. (2005), "Towards a European Nationality Law", in H. Schneider (Hrsg.), Migration, Integration and Citizenship: A Challenge for Europe’s Future, Band I, S. 13-53.

(20)  Siehe beispielsweise die Rechtssachen C-369/90, Micheletti, C-192/99, Kaur oder C-135/08, Rottmann. Siehe J. Shaw (Hrsg.) (2012), Has the European Court of Justice Challenged Member States Sovereignty in Nationality Law?, EUI Working Paper RSCAS 2011/62, EUDO Citizenship Observatory, Florenz.

(21)  Für eine Analyse der Richtlinie und ihrer Ursprünge siehe S. Carrera (2009), In Search of the Perfect Citizen? The intersection between integration, immigration and nationality in the EU, Leiden: Martinus Nijhoff Publishers.

(22)  Siehe Artikel 11 der Richtlinie. Groenendijk, K. (2006), "The Legal Integration of Potential Citizens: Denizens in the EU in the final years before the implementation of the 2003 directive on long-term resident third country nationals", in R. Bauböck, E. Ersboll, K. Groenendijk und H. Waldrauch (Hrsg.), Acquisition and Loss of Nationality, Band I: Comparative Analyses: Policies and Trends in 15 European Countries, Amsterdam: Amsterdam University Press, S. 385-410.

(23)  COM(2011) 585: Bericht über die Umsetzung der Richtlinie 2003/109.

(24)  S. Carrera et al. (2011), Labour Immigration Policy in the EU: A Renewed Agenda for Europe 2020, CEPS Policy Brief, Centre for European Policy Studies, Brüssel.

(25)  ABl. C 302 vom 7.12.2004, S. 49.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/23


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Für einen nachhaltigeren Konsum: die Lebensdauer von Industrieprodukten und die Verbraucherinformation zugunsten eines neuen Vertrauens“ (Initiativstellungnahme)

2014/C 67/05

Berichterstatter: Thierry LIBAERT

Ko-Berichterstatter: Jean-Pierre HABER

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 14. Februar 2013, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Für einen nachhaltigeren Konsum: die Lebensdauer von Industrieprodukten und die Verbraucherinformation zugunsten eines neuen Vertrauens (Initiativstellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) nahm ihre Stellungnahme am 26. September 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 17. Oktober) mit 178 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 5 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Die geplante Obsoleszenz hängt mit einer industriellen Herstellungsweise zusammen, die auf einer Mindesterneuerungsrate der hergestellten Produkte beruht. Auch wenn diese Produkterneuerung notwendig sein mag, müssen bestimmte missbräuchliche Formen bekämpft werden. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss unterscheidet klar zwischen der bewusst einkalkulierten Fehlerhaftigkeit einerseits und der Beschleunigung unserer Verbrauchsmuster andererseits. Auch wenn Vermarktungspraktiken generell hinterfragt werden sollten, welche große Innovationen anpreisen, die oftmals aber nur marginal sind, so befasst sich diese Stellungnahme doch nur mit der Frage, wie die eklatantesten Fälle unter Kontrolle gebracht und die Garantien für Verbraucher verbessert werden können. Ziel ist es, zur Verbesserung des Vertrauens in europäische Unternehmen beizutragen. Die Vorschläge sind technischer, kommerzieller, normativer, pädagogischer und informationeller Natur. Sie sind Teil des strategischen Rahmens für ein besseres Gleichgewicht zwischen Herstellung, Vertrieb und Verbrauch, das sich durch Gerechtigkeit und Loyalität auszeichnet.

1.2

Der EWSA würde ein Totalverbot von Produkten begrüßen, bei denen Fehlerhaftigkeit einkalkuliert wurde, um die Funktionsuntüchtigkeit des Geräts herbeizuführen. Diese seltenen, aber eklatanten Fälle (etwa der von den Medien aufgegriffene Fall bestimmter Drucker, die so gebaut sind, dass sie nach einer bestimmten Anzahl von Anwendungen nicht mehr funktionieren) können nur zu einem wachsenden Misstrauen der Bürger gegenüber den Unternehmen führen.

1.3

Der EWSA rät Unternehmen, die Reparaturen ihrer Produkte zu vereinfachen. Dies muss auf drei Ebenen geschehen: der Ebene des technisch Machbaren (Beispiel Tablet-Computer, bei denen die Batterien an das Gehäuse gelötet wurden, um jedwede Reparatur unmöglich zu machen und den Kauf eines neuen Geräts zu erzwingen); die Möglichkeit für Verbraucher, sich bis zu fünf Jahre nach dem Kauf Ersatzteile zu beschaffen; und schließlich sollte beim Kauf eines Produktes stets eine Liste mit den möglichen Reparaturen und der entsprechenden Reparaturanleitung beigefügt sein. Genereller fordert der EWSA in seiner Stellungnahme eine starke Unterstützung des sozialen Aspekts sowie der Reparaturbetriebe. Maßnahmen zur Herstellung eines größeren Vertrauens zwischen Unternehmen und Kunden sollten insbesondere unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, dass damit ein Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen geleistet wird.

1.4

Der EWSA lehnt eine verbindliche Regelung ab und unterstützt Zertifizierungsmaßnahmen, die auf freiwilliger Basis erfolgen. So war beispielsweise im Bereich der Haushaltsgeräte die Ersatzteil-Versorgungsgarantie über 10 oder 20 Jahre ein sicheres Kaufargument. Diese Garantie könnte als europäische Norm für sämtliche auf dem Gebiet der 28 EU-Mitgliedstaaten erworbenen Güter eingeführt werden, um keine Nachteile für europäische Unternehmen zu schaffen. Zudem könnten sich die Hersteller dazu verpflichten, Zahlen über die häufigsten Pannen zu veröffentlichen, da sie Kenntnis von den gängigsten Problemen haben. Sie könnten entweder nur diese Teile lagern oder sich dazu verpflichten, sie auf Nachfrage herzustellen oder Lieferbetriebe dieser Marke zu finden, die sie herstellen würden. Das könnte ein starkes Engagement bestimmter Unternehmen darstellen, um für die Zuverlässigkeit ihres Produktes zu garantieren, und neben der Beziehung der Unternehmen zum Verbraucher würde es zudem in das Konzept der freiwilligen Zertifizierung passen, das darin besteht, alles Notwendige für die Instandhaltung des Produkts zu liefern und einen langlebigen Gebrauch sicherzustellen.

1.5

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, die Bekämpfung der geplanten Obsoleszenz in ihrem öffentlichen Auftragswesen zu berücksichtigen. Da öffentliche Aufträge in den Ländern der Europäischen Union große Bedeutung haben (16 % des BIP), kommt den öffentlichen Einrichtungen eine wichtige Rolle zu, die unter anderem in vorbildhaftem Verhalten besteht.

1.6

Der EWSA ist der Auffassung, dass eine Verbesserung der Qualität und Nachhaltigkeit der Produkte dauerhafte Arbeitsplätze in Europa schaffen wird und folglich unterstützt werden sollte. Flankiert durch angemessene Weiterbildungen kann diese Entwicklung dazu beitragen, die Krise, die den europäischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schwer zu schaffen macht, zu bewältigen.

1.7

Der EWSA befürwortet die Angabe der geschätzten Lebensdauer oder der Zahl der Inbetriebnahmen eines Produkts auf der Verpackung, damit der Verbraucher die Kaufentscheidung in voller Sachkenntnis treffen kann. Er empfiehlt, die Angabe eines Preises pro Jahr je nach der geschätzten Lebensdauer auf freiwilliger Basis zu erproben, um zum Kauf langlebiger Produkte anzuregen. Um missbräuchliche Verwendungen zulasten des Verbrauchers zu vermeiden, müsste allerdings die angegebene Lebensdauer kontrolliert werden. So könnte der Verbraucher Produkte kaufen, die beim Kauf zwar teurer wären, sich auf lange Sicht jedoch besser rechnen würden. Das würde die Unternehmen zweifelsohne veranlassen, langlebigere Produkte herzustellen. Die Angaben sollten sich auf die für den Verbraucher wesentlichen Informationen beschränken und je nach Produktkategorie unterschiedlich erfolgen, um eine Überinformation auf bestimmten Packungen zu vermeiden.

1.8

Der EWSA hält es für sinnvoll, ein System einzurichten, das eine Mindestlebensdauer für erworbene Produkte gewährleistet. Derzeit gibt es weder Vorschriften für eine Mindestlebensdauer der Produkte noch europäische Normen zur Messung der Lebensdauer. Im Zuge der Umweltkennzeichnung kommen nun aber allmählich derartige Initiativen auf. Unternehmen, die ein Produkt herstellen oder vermarkten, müssen die externen Recycling-Kosten von Produkten mit einer Lebensdauer von weniger als fünf Jahren internalisieren, insbesondere dann, wenn das Produkt umweltschädliche Substanzen enthält.

1.9

Der EWSA schlägt vor, das Angebot von Kaufgarantien um eine Mindestfunktionsgarantie zu erweitern, bei der etwaige Reparaturkosten vom Hersteller zu übernehmen sind.

1.10

Die durch eine verkürzte Lebensdauer der Produkte anfallenden Kosten und die mit den unzureichenden Reparaturmöglichkeiten verbundenen Schwierigkeiten fallen zu einem Großteil auf den Verbraucher zurück, ebenso wie die Politik der Unternehmen und bestimmter Vertreiber, die manchmal versuchen, Garantieverlängerungen nach dem ersten Jahr zu verkaufen, obwohl eine Gewährleistung von zwei Jahren gesetzlich vorgeschrieben wäre. Der Verbraucher scheint oftmals nur wenig über seine Rechte informiert zu sein. Eine bessere Kommunikation, insbesondere über Internetportale und soziale Netze, könnte das Bewusstsein der Verbraucher schärfen. Durch eine europäische Beobachtungsstelle für geplante Obsoleszenz hätten die Verbraucher einen besseren Überblick über die Praktiken und könnten ihre Kaufentscheidungen zielgerichteter treffen.

1.11

Verbraucheraufklärung ist eine Grundvoraussetzung für die richtige und nachhaltige Verwendung von Produkten. Zudem müssen die Verbraucher auch angemessen über die Mindestlebensdauer eines Produktes informiert werden, da diese für die Kaufentscheidung maßgeblich ist. In diesem Zusammenhang wären freiwillige Initiativen und Maßnahmen des Handels und der Unternehmen zu begrüßen.

1.12

Die Verbraucher haben oft das Gefühl, ein regelrechtes Gesetzesdickicht vor sich zu haben. Zwar gibt es zahlreiche Richtlinien zum Thema geplante Obsoleszenz (Geschäftspraktiken, Abfälle usw.), doch scheinen die Texte nur geringfügig aufeinander abgestimmt zu sein, was im Rahmen eines Legislativpakets vereinheitlicht werden müsste.

1.13

Der EWSA empfiehlt den Mitgliedstaaten, den verantwortungsbewussten Konsum vor allem in der Erziehungsphase zu fördern, damit die Verbraucher die Auswirkungen auf die Umwelt unter dem Gesichtspunkt der Lebensdauer, den ökologischen Fußabdruck und die Qualität der Produkte berücksichtigen. Der Ausschuss empfiehlt nachdrücklich, Vertreter der Verbraucher stärker in die aktuelle Diskussion über dieses wichtige und sensible Thema einzubeziehen, da durch ihre Beteiligung ein umfassenderer Ansatz sichergestellt wird.

1.14

Der EWSA empfiehlt der Europäischen Kommission, Studien zu diesem Thema einzuleiten, um Klarheit in die zahlreichen, oftmals widersprüchlichen Informationen zu bringen, die im Umlauf sind. So kann ein objektives Bild davon gezeichnet werden, welche Auswirkungen die geplante Obsoleszenz vor allem auf Wirtschaft und Gesellschaft hat, und zwar in Bezug auf ihre erklärten Vorteile nicht nur für die Verkaufszyklen der Produkte, sondern auch für die Beschäftigung und die Handelsbilanz.

1.15

Der EWSA schlägt vor, 2014 eine große europäische Diskussionsrunde zu diesem Thema zu veranstalten. Daran sollten alle betroffenen Akteure teilnehmen: Unternehmer, Finanzdienstleister, Vertriebsfirmen, Gewerkschaften, Verbraucherverbände, NGO, Agentur für Normung, Sachverständige usw. Die Diskussionsrunde sollte ferner branchenübergreifend sein, um eine Konzentration auf einige wenige Industriezweige zu vermeiden. Im Hinblick auf eine möglichste große Öffentlichkeitsbeteiligung sollte sie von einem Forum flankiert werden, das allen Bürger der Europäischen Union offensteht. Für diese Beteiligung könnten unter anderem die sozialen Netzwerke genutzt werden.

1.16

Allgemein schlägt der EWSA vor, die Forschung und Entwicklung in Bezug auf drei Aspekte voranzutreiben, die die geplante Obsoleszenz eindämmen:

die umweltgerechte Gestaltung der Produkte: Mit diesem Ansatz kann von Anfang an die Nachhaltigkeit der eingesetzten Ressourcen gewährleistet und können die Auswirkungen der Güter und ihres gesamten Lebenszyklus auf die Umwelt berücksichtigt werden;

die Kreislaufwirtschaft mit einem "Cradle-to-Cradle-Ansatz" ("von der Wiege bis zur Wiege"), der darin besteht, dass die Abfälle eines Unternehmens zu Ressourcen für andere werden;

die sogenannte "Shareconomy", die den Schwerpunkt auf die Verwendung der Produkte legt und nicht auf ihren Besitz. Gemäß dieser Logik verkaufen die Unternehmen nicht ein Produkt, sondern sie stellen die Funktion des Produkts entsprechend seinem Gebrauch in Rechnung. Dadurch liegt es im Interesse der Unternehmen, solide, reparable und einfach zu unterhaltende Geräte zu entwickeln sowie eine geeignete Produktionskette und Logistik zu gewährleisten, die im Zentrum des Wirtschaftsmodells des jeweiligen Unternehmens steht.

1.17

Mit diesem Signal an die europäische Ebene bringt der EWSA seine Hoffnung zum Ausdruck, dass Europa eine wirtschaftliche Übergangsphase von einer Verschwendungsgesellschaft in eine nachhaltige Gesellschaft einläutet und ein Wachstum schafft, das im Sinne der Bürger auf die Bedürfnisse der Verbraucher ausgerichtet ist und nie nur einen reinen Selbstzweck verfolgt.

2.   Einleitung und Inhalt

2.1

Die geplante Obsoleszenz gibt aus mehreren Gründen Anlass zur Sorge: Durch eine verkürzte Lebensdauer der Konsumgüter steigt sowohl der Ressourcenverbrauch als auch die Menge an Abfällen, die nach Ablauf der Lebensdauer der Produkte einer Behandlung zugeführt werden müssen. Obsoleszenz wird in unterschiedlichen Formen eingesetzt, um den Absatz anzukurbeln und das Wirtschaftswachstum zu fördern, indem ein unaufhörlicher Bedarf erzeugt und Konsumgüter produziert werden, die gewollt irreparabel sind.

2.2

Dies hat zur Folge, dass die Ressourcenverschwendung und die erzeugte, unsinnige Verschmutzung ein derartiges Ausmaß angenommen haben, dass sich die Zivilgesellschaft und politische Vertreter, die sich mit diesen Praktiken nicht abfinden können, zusammenschließen, um auf die Inkohärenzen des Systems hinzuweisen und sie zu bekämpfen (Sammelklagen in den USA gegen Apple, Einreichung einer Klage in Brasilien, Einreichung einer Gesetzesvorlage in Belgien und Frankreich Anfang 2013).

2.3

Es wird allgemein zwischen mehreren Arten der "künstlichen Alterung" unterschieden, da Obsoleszenz als Wertverlust eines Materials oder eines Geräts vor seiner materiellen Abnutzung definiert werden kann (cf. das Wörterbuch Le Petit Larousse), sodass ein Gerät aus Gründen an Wert verliert oder veraltet erscheint, die nicht auf die physische Abnutzung zurückzuführen sind, sondern mit dem technischen Fortschritt, der Entwicklung der Verhaltensmuster, den Modetrends usw. zusammenhängen.

2.4

Es lassen sich mehrere Formen der Obsoleszenz unterscheiden:

die geplante Obsoleszenz im engeren Sinne, bei der eine verkürzte Lebensdauer des Produktes eingeplant wird, ggf. auch durch das Einbauen einer internen Vorrichtung, die die Funktionsuntüchtigkeit des Geräts nach einer bestimmten Anzahl von Anwendungen herbeiführt;

die indirekte Obsoleszenz, die im Allgemeinen darin besteht, dass ein Produkt aufgrund fehlender passender Einzelteile nicht repariert werden kann oder die Reparatur an sich unmöglich ist (siehe den Fall der an das elektronische Gerät gelöteten Batterien);

die durch Inkompatibilität entstehende Obsoleszenz, z.B. bei Software, die nach einem Update des Betriebssystems nicht mehr funktioniert. Diese Obsoleszenz hängt mit der Obsoleszenz des Kundendienstes zusammen, die den Kunden – zum Teil aufgrund der Reparaturzeiten und der Preise – eher dazu tendieren lässt, ein neues Produkt zu kaufen, als sein altes Gerät reparieren zu lassen;

die durch die Marketingkampagnen der Unternehmen entstehende psychologische Obsoleszenz, die bei Verbrauchern den Eindruck entstehen lässt, dass die bestehenden Produkte veraltet seien. Es wäre zwecklos, einen Tablet-Hersteller dazu zu verpflichten, Geräte mit einer Lebensdauer von 10 Jahren herzustellen, wenn unsere Verbrauchsmuster derart sind, dass wir alle zwei Jahre ein neues Gerät wollen. So werden Mobiltelefone beispielsweise im Durchschnitt alle 20 Monate ersetzt (in der Gruppe der 12- bis 17-Jährigen sind es 10 Monate). Obwohl der vierte Punkt von großer Bedeutung ist, konzentriert sich die Stellungnahme auf die ersten drei Punkte. Der vierte Punkt sollte im Rahmen eines gesonderten Ansatzes zu den Verbrauchsverhalten behandelt werden.

2.5

Bei diesem Thema gibt es keinen endgültigen Konsens. Diese Abstufungen bei den Definitionen zeigen, dass eine allgemeine Definition des Begriffs notwendig ist und differenzierte Maßnahmen nach objektiven Faktoren (technischen Aspekten) und subjektiven Faktoren (Trends, Markteinführung neuer Produkte) der Obsoleszenz festgelegt werden müssen. Es kann Produkte geben, deren Kurzlebigkeit gut für die Umwelt sein kann. Im Übrigen hängt die Obsoleszenz auch vom Verbraucherverhalten ab.

2.6

Der EWSA befürwortet einen differenzierten Ansatz. Es geht nicht darum, die Lebensdauer aller Produkte gleichermaßen verlängern zu wollen, sondern je nach Nutzung des Produkts zu urteilen. Ebenso bevorzugt der EWSA ein Vorgehen gemäß dem Prinzip der optimierten Nutzung, auch wenn eine Optimierung nicht unweigerlich zu einer Verlängerung der Lebensdauer führt. Der EWSA will zu einer besseren Wahrnehmung der Zuverlässigkeit der Produkte europäischer Unternehmen beitragen.

2.7

Es gibt viele Gründe, warum sich die Europäische Union mit dem Thema der geplanten Obsoleszenz befassen sollte, namentlich aus umweltrelevanten, sozialen, gesundheitsbezogenen, kulturellen und ökonomischen Gründen. Auch weniger greifbare, aber unseres Erachtens genauso wichtige Aspekte müssen berücksichtigt werden, nämlich die symbolische und die ethische Ebene.

2.8

Aus Umweltsicht verbrauchen wir heute mit einem jährlichen Rohstoffkonsum von etwa 60 Milliarden Tonnen etwa 50 % mehr natürliche Ressourcen als noch vor 30 Jahren. Ein Europäer verbraucht dabei 43 kg Ressourcen am Tag, ein Afrikaner 10 kg. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat auf Grundlage der Zahlen aus dem Jahr 1999 geschätzt, dass bei einer jährlichen Wachstumsrate der Primärproduktion von 2 % die Reserven an Kupfer, Blei, Nickel, Silber, Zinn und Zink nach 30 Jahren und die an Aluminium und Eisen nach 60 bis 80 Jahren verbraucht sein werden. Immer mehr Stoffe drohen daher knapp zu werden. Zudem fallen in Europa jährlich zehn Millionen Tonnen Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE) an (Zahlen von 2012), 2020 werden es voraussichtlich zwölf Millionen Tonnen sein. Parallel zur Bekämpfung der geplanten Obsoleszenz sollten die in der neuen, am 13. August 2012 in Kraft getretenen EU-Richtlinie genannten Rückgewinnungsmaßnahmen ebenso unterstützt werden wie Recycling und Innovation.

2.9

Aus gesellschaftlicher Sicht wirft die geplante Obsoleszenz drei Arten von Problemen auf. Erstens ist im Zusammenhang mit der Krise festzustellen, dass die Denkweisen, die durch die geplante Obsoleszenz von Konsumgütern entstehen, zum Kauf auf Raten und zu bislang nie dagewesenen Schuldenquoten beitragen. Diejenigen, die am stärksten unter der Obsoleszenz zu leiden haben, sind Personen aus benachteiligten Gesellschaftsschichten, die sich langlebige Produkte nicht leisten können und sich oftmals mit anfälligeren Einstiegsprodukten zufriedengeben. Zweitens kann die gesamte Beschäftigungssparte der Reparaturbetriebe unter den negativen Folgen der geplanten Obsoleszenz zu leiden haben. Die Zahlen im Bericht der ADEME (1) (2007) bestätigen diese Tendenz: Nur 44 % der defekten Geräte werden repariert. Bei Geräten ohne Garantie schätzen die Vertreiber die Reparatureingriffe auf 20 %. Aus dem Bericht der ADEME (2010) geht auch hervor, dass die Reparaturen in Frankreich zwischen 2006 und 2009 stark zurückgegangen sind, insbesondere bei Elektrohaushaltsgeräten. Die Reparaturbranche hat den Vorteil, dass sie nicht verlagert werden kann und überwiegend sichere Arbeitsplätze bietet.

2.10

Die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit sind nicht unwesentlich. Hier sind zwei Formen zu unterscheiden: Einerseits gibt es aufgrund der giftigen elektronischen Bestandteile direkte Auswirkungen der Müllverbrennung auf die Anwohner, und andererseits gibt es Auswirkungen auf internationaler Ebene. So mangelt es derart an Infrastrukturen zur Behandlung von Abfall aus Informatikgeräten, dass viele funktionsuntüchtige Produkte illegal in Weltgegenden exportiert werden, wo ihre Abfallbeseitigung zwar weniger kostet, dafür aber etliche negative Folgen für die örtliche Bevölkerung hat (z.B. in Ghana, wo Alteisen aus den Abfällen wiedergewonnen und nach Dubai oder China gesandt wird). Viele dieser Abfälle landen in den südlicheren Ländern, wo sie eine Gefahr für die Umwelthygiene darstellen.

2.11

Die Auswirkungen sind auch kultureller Art. Einigen Studien zufolge liegt die durchschnittliche Lebensdauer von Elektrohaushaltsgeräten bei 6 bis 8 Jahren, während sie vor 20 Jahren noch 10 bis 12 Jahre betrug. Die Verbraucher dürfen sich zu Recht fragen, warum die Lebensdauer der Produkte zurückgeht, obwohl Innovation überall großgeschrieben wird. Die Herstellung von Vertrauen zwischen den Bürgern Europas und der europäischen Industrie ist ein langwieriger Prozess, der nun durch die Obsoleszenz untergraben wird. Zu einem Zeitpunkt, da fast alle Meinungsumfragen eine größtmögliche Kluft zwischen den Europäern und der europäischen Industrie aufzeigen, trägt das Empfinden der Verbraucher, dass Schäden vorzeitig herbeigeführt werden oder Reparaturen unmöglich sind, natürlich nicht dazu bei, dass die Europäer wieder Frieden mit ihren Unternehmen schließen. Dies erklärt zum Teil, weshalb 92 % der europäischen Bürger (2) sich für die Angabe der Lebensdauer (oder Gebrauchsdauer) eines Produktes aussprechen. Ein größeres Vertrauen der Bürger in die Unternehmen trägt mit zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen bei.

2.12

Und schließlich hat die Obsoleszenz auch wirtschaftliche Auswirkungen. Das Gros der beschuldigten Unternehmen stammt aus der High-Tech-Branche, in der die Produkte oftmals nach Europa importiert werden. Wenn sich die Europäische Union dieses Themas annehmen würde, böte sie den europäischen Unternehmen eine Möglichkeit, sich durch eine wirksame Umsetzung der Nachhaltigkeit abzusetzen.

2.13

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ist sich auch der weniger greifbaren, aber womöglich nicht minder wichtigen Aspekte bewusst. Auf symbolischer Ebene stellen wir fest, dass, obwohl sämtliche Arbeiten im Rahmen von Rio+20 zeigen, wie wichtig uns die nachhaltige Entwicklung ist, das Thema der geplanten Obsoleszenz den Kern der nachhaltigen Entwicklung, wie sie uns vorschwebt, schlechthin berührt. Nach unserem Verständnis der Stellung der Ethik in unserer Gesellschaft erscheint es uns problematisch, dass die Arbeit von Ingenieuren darin bestehen kann, Produkte zu entwerfen, die vorzeitig altern sollen, oder dass es Werbekampagnen gibt, die die Verbraucher zum Kaufen anregen sollen, wohl wissend, dass dies ihre Zufriedenheit nicht steigern wird.

Brüssel, den 17. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Agentur für Umwelt und Kontrolle des Energieverbrauchs.

(2)  Eurobarometer-Umfrage "Attitudes Of Europeans Towards Building The Single Market For Green Products" Europäische Kommission Flash 367 Juli 2013.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/27


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Das Wachstumspotenzial der europäischen Brauwirtschaft stärken“ (Initiativstellungnahme)

2014/C 67/06

Berichterstatter: Ludvík JÍROVEC

Ko-Berichterstatter: Edwin CALLEJA

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 14. Februar 2013, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Das Wachstumspotenzial der europäischen Brauwirtschaft stärken.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel nahm ihre Stellungnahme am 26. September 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 47 Stimmen gegen 1 Stimme bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Bier wird seit mehreren Jahrtausenden in ganz Europa genossen. Die Bierkultur ist zwar quer durch Europa sehr unterschiedlich ausgeprägt mit verschiedenen Biersorten und Konsumgewohnheiten, doch spielt Bier in allen Ländern der Europäischen Union eine wichtige Rolle und ist Teil der Kultur, der Traditionen und der Ernährung. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hebt die ständige Weiterentwicklung dieses Wirtschaftszweigs und seine Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit selbst unter den derzeitigen schwierigen Bedingungen hervor. Er weist darauf hin, dass die Branche den Europa-2020-Zielen in mehreren vorrangigen Bereichen wie Beschäftigung, Nachhaltigkeit, Innovation, Bildung und soziale Integration gerecht wird.

1.2

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss macht die Europäische Kommission, das Europäische Parlament, den Rat und die Mitgliedstaaten darauf aufmerksam, dass die europäische Brauwirtschaft ihr Wachstumspotenzial nur dann voll ausschöpfen kann, wenn ernsthaft entscheidende politische Maßnahmen dafür erwogen werden. Konkret sollten die Entscheidungsträger nach Ansicht des EWSA:

Fortschritte bei der Schaffung eines ausgewogenen Regelungsumfelds machen, das es den europäischen Brauereien jeder Größenordnung erlaubt, Bier in Europa wie in anderen Teilen der Welt zu brauen und zu vermarkten;

Bier in die Liste vorrangiger Bereiche aufnehmen, für die in den Freihandelsabkommen der EU mit ihren Handelspartnern gegenseitige Begünstigungsklauseln vorgesehen werden;

die Brauereien und Branchenverbände durch mehr Öffentlichkeitsarbeit dazu ermutigen, sich stärker an den Programmen für soziale Verantwortung, Gesundheit und Erziehung in der EU und in den Mitgliedstaaten zu beteiligen;

die Auswirkungen der Innovation und der Entwicklungen in der Industrie- und Agrarpolitik auf die Brauwirtschaft stärker berücksichtigen.

1.3

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ruft überdies zum Handeln in den Mitgliedstaaten, Regionen und Gemeinden mit dem Ziel auf:

die Bildung von Partnerschaften mit der Brauwirtschaft und NRO zur Förderung eines verantwortungsvollen Konsums und zur Verringerung alkoholbedingter Schäden fortzusetzen, u.a. durch Zusammenarbeit bei der Förderung von Verantwortung in Werbung und Verkauf und bei der Verhinderung unverantwortlicher Praktiken in diesen Bereichen;

die Initiativen der Brauwirtschaft für die ökologische Nachhaltigkeit der gesamten Liefer- und Vertriebskette auf europäischer und lokaler Ebene zu unterstützen;

die Dynamik in der Brauwirtschaft für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu nutzen. Dabei müssen die Hindernisse für ein weiteres Wachstum der Branche durch die Sicherstellung eines berechenbaren und stabilen Steuersystems auf nationaler Ebene zugunsten der Brauwirtschaft und ihrer Lieferkette und durch Lösung der durch abweichende Steuersätze verursachten Marktverzerrungen beseitigt werden. Eine diesbezügliche Verbesserung wäre im Geiste der weiteren Vollendung des Binnenmarktes;

in Zusammenarbeit mit den lokalen Gebietskörperschaften verschiedene Aspekte, wie Projekte zur Beteiligung der Bevölkerung und Chancen des Biertourismus, weiter auszuloten und zu entwickeln.

1.4

Nach Ansicht des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses sollten die Brauereien:

sich aktiver und verantwortungsvoller an den verschiedenen Maßnahmen der Absatzförderung für gesunde Ernährungsgewohnheiten fördernde Lebensmittelprodukte in der EU und in Drittländern beteiligen, die von Handelskammern, regionalen Gebietskörperschaften, Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission unterstützt werden;

ihre Bemühungen fortsetzen, die Brauwirtschaft für die jüngeren Generationen zu einem attraktiven Zweig der Beschäftigung mit sicheren und angemessen entlohnten Arbeitsplätzen zu machen, und dazu Lehr- und Berufsbildungsprogramme fördern;

ihre Zusammenarbeit mit Forschungs- und Bildungseinrichtungen weiter ausbauen und sich dabei stärker an Innovations- und FuE-Programmen der EU mit ihren Partnern sowie an allgemeinen und beruflichen Bildungsprogrammen beteiligen;

ihre Teilnahme an den verschiedenen, aus Regional-, Struktur- und KMU-Fonds geförderten Tätigkeiten verstärken;

die bestehende Zusammenarbeit mit örtlichen Erzeugern von Hopfen, Getreide und weiteren, für die Bierherstellung unentbehrlichen Zutaten mittel- bis langfristig ausbauen;

den möglichst umfassenden Einsatz von Lebenszyklusbewertungen als Instrument der Selbstanalyse in der Brauwirtschaft fördern, dabei aber die beschränkten Möglichkeiten und Kapazitäten kleiner Familienbrauereien berücksichtigen.

2.   Die europäische Brauwirtschaft

2.1

Die Europäische Union ist einer der größten Biererzeuger der Welt. Das Produktionsvolumen betrug 2011 über 380 Mio. Hektoliter (1), die in ungefähr 4 000 Brauereien in ganz Europa gebraut wurden. Ihre Produkte werden weltweit vertrieben. Mengenmäßig ist die EU mit über einem Viertel der Weltproduktion einer der größten Biererzeuger, sie musste ihren Führungsrang erst vor kurzem an China abtreten, liegt aber noch vor den USA, Russland, Brasilien und Mexiko (2).

2.2

Die europäische Brauwirtschaft weist eine sehr heterogene Struktur auf. Sie setzt sich hauptsächlich aus kleinen und mittleren Unternehmen zusammen; ihre Bandbreite reicht von Kleinstbrauereien über lokal, regional oder national operierende Brauereien bis zu den vier großen Bierkonzernen mit Sitz in Europa (3), die zu den Weltmarktführern gehören. Der Aufstieg neuer Klein- und Kleinstbrauereien im letzten Jahrzehnt ist ein bemerkenswertes Zeichen für die Innovationskraft der Branche und ein wichtiges Element für das Ziel der Nachhaltigkeit.

2.3

Die Lieferkette der Brauwirtschaft umfasst Mälzereien, Anlagenbauer und technische Dienstleister, darunter örtlich begrenzt tätige Unternehmen, aber auch Weltmarktführer. Auch die europäischen Brauereiinstitute verbreiten ihr Wissen in der ganzen Welt. Veranstaltungen wie die European Brewery Convention oder Einzelkongresse zum Thema Bier locken Besucher aus aller Welt an.

2.4

Bier ist ein wichtiges landwirtschaftliches Verarbeitungserzeugnis mit einem Exportvolumen von über 2 Mrd. EUR (4). Es fällt zudem unter die EU-Qualitätspolitik für Agrarerzeugnisse (5) durch die g.U.- und g.g.A.-Regelungen (6), wobei der Umsatz mit den 23 geschützten geografischen Bezeichnungen bei über 2,3 Mrd. EUR liegt (7). Die geografische Vielfalt der Biere, die unter diese Regelungen fallen, ist jedoch begrenzt, stammen sie doch aus weniger als einem Drittel der EU-Mitgliedstaaten.

2.5

Die wichtigsten Zutaten für Bier kommen aus der Natur und umfassen Wasser, Getreide, Hopfen und Hefe. Wasser ist der wichtigste Ausgangsstoff in der Braubranche, denn Bier besteht im Durchschnitt zu ca. 92 % aus Wasser. Der Schutz des Grundwassers ist daher ein wichtiges Anliegen. Da für den Brauprozess unbedingt Getreide (Gerste, Weizen o.a.) als Stärkelieferant gebraucht wird, ist die Verbindung zur Landwirtschaft für die Brauereien und Mälzereien von wesentlicher Bedeutung.

2.6

Die Europäische Union ist auch der Hauptakteur auf dem Weltmarkt für Hopfen, der in 14 EU-Mitgliedstaaten (8) angebaut wird, in denen circa ein Drittel der weltweiten Hopfenanbaufläche liegt (9), wobei die Brauwirtschaft der Hauptabnehmer der europäischen Hopfenbauern ist. Der Wettbewerb zwischen den Hopfenerzeugern sowie die differenzierte Behandlung innerhalb der Agrarpolitik zwischen EU-Mitgliedstaaten sollten ggf. überprüft werden, damit sie nicht zu Marktverzerrungen führen, die sich langfristig nachteilig auf die Brauereien auswirken könnten.

2.7

Die Abhängigkeit der Brauereien von der die Ausgangsstoffe liefernden Landwirtschaft ist in den letzten Jahren darin zum Ausdruck gekommen, dass die Braubranche aufgrund der unterschiedlichen Qualität der Ernten und der Preisvolatilität höhere Preise für die zur Biererzeugung benötigten landwirtschaftlichen Rohstoffe zahlen musste. Die Beziehungen zwischen Rohstofflieferanten und Brauereien sollten, soweit wie möglich und erforderlich, nachhaltig und langfristig angelegt sein.

2.8

Der Gesamtumsatz mit Bier betrug 2010 einschließlich MwSt. 106 Mrd. EUR, was 0,42 % des BIP der EU entspricht. Schätzungen zufolge werden 63 % der europäischen Bierproduktion in Supermärkten und anderen Einzelhandelseinrichtungen ("off-trade"-Segment) verkauft. Die restlichen 37 % werden im Gaststättengewerbe umgesetzt (zum Beispiel Bars, Kneipen, Restaurants - sog. "on-trade"-Segment).

3.   Bewältigung der wirtschaftlichen Herausforderungen im 21. Jahrhundert

Markttrends und strukturelle Veränderungen

3.1

Der europäische Biermarkt hat in den vergangenen 15 Jahren einen vielfältigen Wandel in Form von technischen Weiterentwicklungen, Investitionen, Zusammenschlüssen und Neugründungen von Unternehmen und Veränderungen im Verbraucherverhalten erfahren. Der starke Rückgang des Bierkonsums seit 2007 schlägt nun unmittelbar auf das Geschäft der Brauereien durch. Nach Jahren des Wachstums war ein starker Rückgang der Biererzeugung in der Europäischen Union von 420 Mio. Hektoliter auf 377 Mio. Hektoliter im Jahr 2011 zu verzeichnen. Für die nächsten Jahre werden jedoch eine Erholung des Marktes und ein Wachstumspotenzial erwartet, allerdings nur bei günstigeren wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen.

3.2

Die Wirtschaftskrise und der Rückgang im Verbrauch haben einen Strukturwandel der Brauwirtschaft in Europa eingeleitet, bei dem sich eine Konsolidierung des Geschäfts in Europa vollzieht und Investitionen außerhalb der EU seitens großer internationaler und nationaler Konzerne getätigt werden. Gleichzeitig ist die Zahl kleinerer Brauereien in allen Ländern gestiegen, wodurch sich die Angebotsvielfalt für den Verbraucher vergrößert hat; dies untermauert den Unternehmensgeist der Brauereien im Einklang mit dem Aktionsplan Unternehmertum 2020 (10). Diese Entwicklung ist auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit begrüßenswert, da sie in der Regel Ausstrahleffekte auf den regionalen Fremdenverkehr hat und oft kürzere Herstellungs- und Verbrauchskreisläufe erlaubt, was gut für die Umwelt ist.

3.3

Das wirtschaftliche Umfeld hat auch dazu geführt, dass nun mehr Bier zu Hause statt in Gaststätten oder Kneipen konsumiert wird. Das Ergebnis sind weniger Arbeitsplätze, weniger Wertschöpfung und weniger Einnahmen für den Staat pro Liter Bierkonsum in der EU (11). Der gestiegene Preisdruck im Einzelhandel hat ebenfalls zu diesem Trend beigetragen.

3.4

Mit der Zunahme der Zahl von Brauereien und Produktinnovationen wurden auch neue Produkte auf den Markt gebracht - zum Nutzen der Verbraucher, der Gesellschaft und der Umwelt. Die Diversifizierung hin zu schwach alkoholhaltigen und alkoholfreien Bieren bot den Brauereien aller Größen Marktchancen, die zu größeren Umsätzen führten. Gleichzeitig kommen immer mehr Biobiere auf den Markt.

Steuerliche Aspekte

3.5

Die Brauwirtschaft bringt für die einzelnen Staaten erhebliche Vorteile in Form von Steuereinnahmen. Der Staat erzielt nämlich aus der Erzeugung und dem Verkauf von Bier erhebliche Einnahmen in Form von Verbrauchsteuern, Mehrwertsteuer, Einkommens- bzw. Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Brauwirtschaft und anderer damit verbundener Branchen zahlen, deren Arbeitsplätze mittelbar auf die Tätigkeit der Brauwirtschaft zurückgeführt werden können. Im Jahr 2010 beliefen sich diese Einnahmen auf ungefähr 50,6 Mrd. EUR (12).

3.6

Die Widerstandsfähigkeit der Brauwirtschaft gegenüber den derzeitigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten wurde durch die wachsende Steuerlast, vor allem in Form höherer Verbrauchsteuern, aber auch durch höhere Mehrwertsteuersätze vor allem im Gaststättengewerbe auf eine harte Probe gestellt. Diese Steuererhöhungen haben die schwierige wirtschaftliche Situation der Brauereien noch verschärft, insbesondere in Ungarn, Finnland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien (13). Die Gesamtwertschöpfung durch die Erzeugung und den Vertrieb von Bier in der EU nahm im Zeitraum 2008-2010 um 10 % ab (14), wobei die Steuereinnahmen aus der Brauwirtschaft in der EU insgesamt um 3,4 Mrd. EUR gesunken sind.

3.7

Das Verbrauchsteuersystem in der EU und den Mitgliedstaaten sollte der Einzigartigkeit von Bier Rechnung tragen: Es handelt sich um ein Getränk mit einem relativ geringem Alkoholgehalt, und die Bierherstellung und die Brauwirtschaft leisten vor Ort einen wichtigen Beitrag zu Gesellschaft, Beschäftigung und Wirtschaft im weiteren Sinne. Aus diesem Grund sollte Bier als vergorenes Getränk gleiche Wettbewerbsbedingungen wie vergleichbare Produkte genießen. Daher sollte der Null-Euro-Mindestsatz für Wein und andere vergorene Getränke in den EU-Rechtsvorschriften über Verbrauchsteuern auch für Bier gewährt werden (15).

3.8

Eine ausgewogene Politik der Mitgliedstaaten bei den Verbrauchsteuern und ein besserer Einsatz der bestehenden Instrumente zur Zusammenarbeit im Bereich Steuern könnten dazu beitragen, steuerlich bedingte und andere schädliche Handelspraktiken zu vermeiden und die Wettbewerbsfähigkeit der Brauwirtschaft insbesondere in Grenzregionen zu bewahren.

3.9

Aufgrund der Bedeutung des Gaststättengewerbes für den Bierumsatz (16) kann die Steuerpolitik auch als wachstumsfördernde Maßnahme für das Gaststättengewerbe und die Brauwirtschaft wirken und positive Auswirkungen auf die Beschäftigung vor Ort haben.

Welthandel

3.10

Unter ungünstigen Rahmenbedingungen hat die europäische Brauwirtschaft ihre Widerstands- und Wettbewerbsfähigkeit bewahrt. Örtliche Brauereien behaupten ihre Marktanteile über nationale und EU-Grenzen hinaus. Das Gros der europäischen Bierproduktion wird zwar auf dem EU-Binnenmarkt vertrieben, doch die Exporte in andere Teile der Welt steigen seit dem Jahr 2000 stetig an und sind seit 2007 um 30 % gewachsen. Zu den wichtigsten Exportmärkten gehören die USA, Kanada, Angola, China, die Schweiz, Taiwan, Russland und Australien (17). Zudem sind die europäischen Brauereien auch Großinvestoren auf allen Kontinenten und Partner bei unterschiedlichen Kooperationsprojekten mit lokalen Brauereien und Vertriebsunternehmen.

3.11

Das Potenzial des europäischen Biers, seine Anteile in Drittländern zu behaupten und auszubauen, wird jedoch mitunter durch Handelshemmnisse für den Export und Investitionen im Biersektor in Form lokaler Vorschriften bedroht. Neben Einfuhrzöllen können diese Hemmnisse in Form legislativer Maßnahmen wie Produktdefinition (z.B. Russland) und Steuerverfahren (u.a. in Albanien und der Türkei) bestehen. Der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten kommt in Zusammenarbeit mit der Brauwirtschaft eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung dieser und anderer Schwierigkeiten zu, die gelegentlich auf Auslandsmärkten auftreten.

3.12

Während die Europäische Union in den jeweiligen Handelsabkommen einen Null-Euro-Zoll auf Bierimporte einräumt, erheben mehrere Länder weiterhin Einfuhrzölle, die von der Einfuhr von Konkurrenzprodukten aus EU-Mitgliedstaaten abhalten sollen. Die laufenden Verhandlungen über Freihandelsabkommen erstrecken sich auch auf diesen Aspekt, wobei in den Abkommen jüngeren Datums (z.B. EU/Südkorea) ein schrittweiser Abbau der Zölle vorgesehen ist. Diese Praxis sollte weiter ausgeweitet werden.

3.13

Die potenzielle Präsenz europäischer Biermarken auf Auslandsmärkten wird auch durch Promotionsveranstaltungen wie Ausstellungen und Messen und durch Beratungsprogramme der Europäischen Kommission in Drittstaaten verstärkt. Bislang haben sich die Brauereien nur schwach an den jeweiligen Aktivitäten vor Ort beteiligt, da sie sich der potenziellen Vorteile nicht richtig bewusst waren und nur unzureichend Werbung dafür gemacht wurde.

4.   Beitrag zur Beschäftigung auf allen Ebenen

4.1

Die Brauwirtschaft reicht über die eigentliche Bierproduktion hinaus. Sie erstreckt sich auf eine ganze Reihe von Branchen, angefangen bei der Erzeugung der landwirtschaftlichen Rohstoffe für das Brauen bis zum Gaststättengewerbe und Einzelhandel. Die Brauereien in der Europäischen Union stellen mehr als 128 800 direkte Arbeitsplätze. Darüber hinaus entfallen auf die Herstellung und den Vertrieb von Bier weitere 2 Millionen Arbeitsplätze, was 1 % der Gesamtbeschäftigung in der EU in unterschiedlichen Beschäftigungssparten entspricht (18).

4.2

Die EU-Ziele einer intelligenten, nachhaltigen und inklusiven Wirtschaft im Rahmen der Europa-2020-Wachstumsstrategie spiegeln sich in den Merkmalen der Brauwirtschaft wider. Brauereien gibt es in allen europäischen Ländern. Aufgrund ihrer Ausgaben für Güter und Dienstleistungen und der hohen Umsätze im Gaststättengewerbe und im Einzelhandel stützen sie über 2 Millionen Arbeitsplätze. 73 % der durch Bier geschaffenen Arbeitsplätze entfallen auf das Gaststättengewerbe.

4.3

Dieses Gewerbe spielt auch für die Sicherung von Beschäftigung und Wachstum eine grundlegende Rolle, und zwar nicht nur direkt innerhalb verbundener Unternehmen, sondern auch indirekt für große Teile der europäischen Wirtschaft. Maßnahmen zur Förderung des Gaststättengewerbes sind daher wichtig für die Beschäftigung insbesondere von jüngeren und ungelernten Arbeitnehmern, allerdings ohne Rückgriff auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Niedriglöhne.

4.4

Die einzigartige Vielfalt des Braugewerbes vereint Traditionen, Kultur und Modernität und bietet unterschiedliche Möglichkeiten zur Anwendung beruflicher Fähigkeiten in den Brauereien selbst und in deren Umfeld. Neben Beschäftigungen in der Liefer- und Vertriebskette sollte das Potenzial für gastronomische Erlebnisse und den Tourismus in diesem Bereich weiter entfaltet werden, um die Beschäftigung durch die Tätigkeit der Brauereien selbst und durch nationale und EU-Förderprogramme zu erhöhen.

4.5

Die Brauwirtschaft bekam die Auswirkungen der Lage der Weltwirtschaft zu spüren und verzeichnete im Zeitraum von 2008-2010 aufgrund des Nachfrageschwundes einen Rückgang der direkten Arbeitsplätze um 9 %. Trotz des Rückgangs des Verbrauchs aufgrund der angespannten Wirtschaftslage in Europa war die Gesamtzahl der Brauereien (einschließlich Kleinstbrauer) im Jahr 2010 in Europa (mit 3 638) höher als 2008 (3 071 Brauereien). Die Branche ist in ständiger Entwicklung und hat damit noch Beschäftigungspotenzial. Dieses Potenzial sollte nicht durch umsatzhemmende oder schädliche steuerliche Maßnahmen aufs Spiel gesetzt werden, sondern durch die Berufsbildung und sogar die höhere Bildung verstärkt werden, um höher qualifizierte Arbeitsplätze in der Branche zu schaffen.

5.   Beitrag zu den Zielen der ökologischen Nachhaltigkeit

5.1

Die europäische Brauwirtschaft muss im Rahmen ihres Bekenntnisses zur Nachhaltigkeit verschiedenen Zielen in den Bereichen Energieeffizienz, Verringerung der CO2-Emissionen und Ressourceneinsatz gerecht werden. Die Investitionen der letzten Jahre tragen zu einem verminderten Einsatz natürlicher Ressourcen, weniger Abfällen und der systematischen Wiederverwendung von Sekundärstoffen aus dem Brauprozess bei.

5.2

Die Brauereien haben ihr Engagement für die Umwelt durch entsprechende Maßnahmen und Investitionen unter Beweis gestellt, durch die ein verminderter Energieverbrauch und eine Verringerung der CO2-Emissionen, weniger Abwasseranfall und Änderungen in der Verpackung erreicht wurden. Die Brauwirtschaft hat auch Leitlinien für die Beste verfügbare Technik (BVT) erarbeitet, in denen die Bedeutung einer nachhaltigen Unternehmensführung herausgestellt wird und die als Referenz für Verpflichtungen auf Umweltziele dienen können. Es gilt, den Einsatz von Lebenszyklusbewertungen als Instrument der Selbstanalyse in einem möglichst umfassenden Spektrum der Brauwirtschaft zu fördern, dabei aber auch die beschränkten Möglichkeiten und Kapazitäten kleiner Familienbrauereien zu berücksichtigen.

5.3

Im Zeitraum 2008-2010 hat die Bauwirtschaft ihre Anstrengungen in diesem Bereich ungeachtet der sich verschlechternden Geschäftslage fortgesetzt, wobei die Ergebnisse eine Verminderung des Wasserverbrauchs um 4,5 % und des Energieverbrauchs um 3,8 % pro Hektoliter erzeugtes Bier waren. Die CO2-Emissionen konnten Schätzungen zufolge um 7,1 % verringert werden (19).

5.4

Die Güte und die Verwendung des Wassers sind wichtige Faktoren des Brauprozesses. Deshalb ist eine richtige Wasserbewirtschaftung durch den Wasserlieferanten und die Brauerei erforderlich, um die Nachhaltigkeit der Bierherstellung zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang sollten Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, damit bei der Schiefergas-Exploration das Grundwasser für die Wasserversorgung für private und industrielle Verbraucher nicht verunreinigt wird. In Bezug auf die Brauwirtschaft stellt der EWSA fest, dass niederländische und deutsche Brauereien die Entwicklungen in diesem Bereich bereits mit großer Sorge verfolgen.

5.5

Es gibt mehrere weitere wertvolle Produkte (so genannte Sekundärprodukte), die beim Brauen aus den Rohstoffen entstehen. Sie gelten als wertvolle Ausgangsstoffe für andere industrielle Verfahren oder Stoffe für spezifische Endnutzungszwecke, wie zum Beispiel Arzneimittel, gesundheitsfördernde Lebensmittel, erneuerbare Energiequellen, industrielle Anwendungen, Futtermittel und Agrarerzeugnisse (20) sowie Kosmetika und Wellness-Produkte. Diese Stoffe werden strikten Qualitätsnormen gerecht und erfüllen die strengen Rechtsvorschriften über die Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln sowie weitere Vorschriften. Die Bedeutung und der Wert dieser Sekundärstoffe haben die Brauereien veranlasst, langfristige Lieferverträge mit Händlern und Endverbrauchern zu schließen.

6.   Verantwortung in der Gesellschaft

6.1

Die Brauereien und ihre Verbände in allen europäischen Ländern unternehmen seit Jahren Initiativen, um einen verantwortungsvollen Konsum zu fördern, den Wissensstand der Verbraucher zu verbessern, verantwortungsvolle Werbe- und Marketingpraktiken zu gewährleisten, Botschaften zur Prävention zu vermitteln und Verbraucher von verantwortungslosem Verhalten abzubringen. Mehrere dieser örtlichen Initiativen wurden zusammen mit anderen Partnern durchgeführt und als wichtige gesellschaftliche Beiträge von den nationalen Behörden anerkannt und auf EU-Ebene im Rahmen des Europäischen Forums "Alkohol und Gesundheit" aufgegriffen (21).

6.2

Ausgehend von diesen Aktivitäten sollten die Regierungen, Brauereien, weitere wirtschaftliche Akteure und zivilgesellschaftliche Gruppen zusammen in entsprechenden Kampagnen für einen verantwortungsvollen Bierkonsum eintreten, der mit der gesunden Lebensweise eines Erwachsenen voll vereinbar ist, und Alkoholmissbrauch entgegenwirken.

6.3

Da Bier sehr lokal geprägt ist, sind die europäischen Brauereien an ihren Standorten auch stark verwurzelt und unterstützen dort eine breite Palette von Aktivitäten. Die Brauwirtschaft in der Europäischen Union unterstützt das Gemeinwohl mit jährlich über 900 Mio. EUR (22), die in ein großes Spektrum von geförderten Aktivitäten auf lokaler und regionaler Ebene fließen.

6.4

Die Branche und die großen Interessenträger setzen sich für die Umsetzung von Initiativen zur Unternehmens- und Institutionenverantwortung ein, um dem Problem von schädlichem Alkoholkonsum zu begegnen. Diesem Engagement sollte durch einen ausgewogenen rechtlichen Rahmen für die Marketing- und Werbebotschaften der Brauereien Rechnung getragen werden (23).

6.5

In Anbetracht der wichtigen Rolle, die Bier in den Bereichen Kultur, Traditionen und Ernährung spielt, sollte eine EU-Initiative erwogen werden, um Finanzmittel für Fachschulungen für Lehrer und Ausbilder von Bildungseinrichtungen aller Ebenen zu gewähren, die dem Gesundheitsaspekt, dem gesellschaftlichen und dem kulturellen Aspekt des Konsums gegorener Getränke gewidmet sind.

7.   Fortgesetzte Beteiligung an Forschung, Bildung und Innovation

7.1

Die Rolle von Bildung und Forschung ist ein wesentlicher Faktor für das weitere Engagement der Branche. Dies erfolgt über Hochschulen, Braufachschulen und Institute für Lebensmitteltechnologie sowie weitere Netzwerke. Foren für den Wissensaustausch sollten weitergeführt werden, damit Europa auch in Zukunft ein führendes Zentrum für die Forschung durch Brauer, deren Partner, Wissenschaftler und interessierte Laien bleibt.

7.2

Die Kapazitäten und das Potenzial für die Forschung sollten gefördert werden, wobei die Brauereien als Partner aus der Wirtschaft eine wichtige Rolle in verschiedenen Bereichen der Lebensmittel- und Brautechnologien, Gesundheit oder der Umweltverträglichkeit spielen. Eine stärkere Beteiligung am Europäischen Forschungsraum, am Horizont-2020-Rahmenprogramm und an anderen Technologieplattformen würde das bestehende Potenzial noch verstärken (24).

7.3

Zu einer besseren Information und Bildung in diesem wichtigen Bereich können auch Maßnahmen beitragen, mit denen die Anstrengungen der Brauwirtschaft zur Förderung von Spitzenniveau entsprechend den höchsten wissenschaftlichen Standards für die Merkmale von Bier und für die Auswirkungen von Bier auf die Gesundheit und das Verhalten gefördert werden. Alle Beteiligten sollten eine stärkere Inanspruchnahme der EU-Förder- und Kooperationsprogramme in Betracht ziehen.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Statistik der europäischen Brauereien, Ausgabe 2012, Oktober 2012.

(2)  Canadian Global beer trends 2012.

(3)  ABInbev, Carlsberg, Heineken, SABMiller (Stand 2013).

(4)  Europäische Kommission, GD Unternehmen und Industrie.

(5)  http://ec.europa.eu/agriculture/quality/index_en.htm.

(6)  Geschützte Ursprungsbezeichnungen (g.U.) und geschützte geographische Angaben (g.g.A.).

(7)  Europäische Kommission, GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung.

(8)  Europäische Kommission, GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Dezember 2009; Pavlovic M, Februar 2012.

(9)  Europäische Kommission, GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung.

(10)  COM(2012) 795 final.

(11)  Ernst Young, The Contribution made by Beer to the European Economy, September 2011.

(12)  Ernst Young, September 2011.

(13)  Europäische Kommission, Tabelle der Verbrauchsteuern, 2013.

(14)  Ernst Young, September 2011.

(15)  ABl. C 69 vom 21.7.2006, S. 10.

(16)  Ernst Young, "The Hospitality Sector in Europe", September 2013.

(17)  Europäische Kommission, Generaldirektion Handel.

(18)  Ernst Young, September 2011.

(19)  CampdenBRI / KWA, The Environmental Performance of the European Brewing Sector, Mai 2012.

(20)  Bamforth, C. (2009) "Contraception, Charcoal and Cows: The World of Brewery Co-Products" Brew. Guardian, 138(1), 24-27.

(21)  The Brewers of Europe, European beer pledge: 1st year report, April 2013.

(22)  Sponsoringprojekte, "Supporting local communities: Assessing the contribution of local brewers", Mai 2011.

(23)  ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 130.

(24)  ABl. C 327 vom 12.11.2013, S. 82.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/32


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Irreguläre Einwanderung auf dem Seeweg im Euromed-Raum“ (Initiativstellungnahme)

2014/C 67/07

Berichterstatter: Panagiotis GKOFAS

Mitberichterstatter: Stefano MALLIA

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 17. September 2012, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Irreguläre Einwanderung auf dem Seeweg im Euromed-Raum.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 25. September 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 183 gegen 3 Stimmen bei 11 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Vorschläge

1.1

Die irreguläre Einwanderung ist ein Thema, das der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) schon mehrfach unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet hat (1). Das Phänomen der irregulären Einwanderung ist sehr komplex und vielschichtig und erfordert kurz- und langfristige Maßnahmen. Der Fokus dieser Stellungnahme wird auf den nachstehend aufgeführten Punkten liegen.

1.2

In diesem Zusammenhang bekundet der Ausschuss seine tiefe Trauer über den Tod von mindestens 311 und wahrscheinlich noch viel mehr afrikanischen Migranten, die bei den zwei jüngsten Schiffsunglücken vor der Küste von Lampedusa ums Leben kamen. Für diese Tragödie gibt es nicht nur eine Ursache, und der Ausschuss ist der Auffassung, dass diese Ereignisse für das umfassendere Problem der irregulären EU-Einwanderung auf dem Seeweg symptomatisch sind. Es gibt einen Kausalzusammenhang zwischen den beiden Vorfällen und der offensichtlichen Unfähigkeit der EU, eine zufriedenstellende und kohärente Politik im Bereich der irregulären Einwanderung festzulegen, die auf Solidarität beruht und Such-, Rettungs- und Ausschiffungsmaßnahmen umfasst. Der Ausschuss ruft die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, diese Vorfälle als Weckruf zu sehen und ausgehend von den Empfehlungen in dieser Stellungnahme umgehend zu handeln, bevor es zu einer weiteren Tragödie kommt. Die Tragödien von Lampedusa verdeutlichen mehr denn je, dass die EU der irregulären Einwanderung und der Grenzüberwachung dringend auf europäischer Ebene begegnen muss.

1.3

Menschenrechte: Der Ausschuss beobachtet mit Sorge, dass in Europa Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gegenüber Einwanderern – den "Anderen" – zunehmen, und befürchtet, dass diese Phänomene durch die sozialen Folgen der Finanzkrise noch verstärkt werden. Die Entscheidungsträger in Politik, Gesellschaft und Medien müssen äußerst verantwortungsvoll vorgehen und eine politische und soziale Vorbildfunktion übernehmen, um solchen Einstellungen vorzubeugen. Die Menschenrechte irregulärer Einwanderer müssen jederzeit gewahrt sein: bei ihrer Rettung oder Festnahme, wenn sie den Schutzstatus erhalten, sie sich in einer irregulären Situation ohne Ausweispapiere befinden oder sie in ihr Herkunftsland rückgeführt werden.

1.4

Rettung von Menschenleben auf See: Jeder Mensch, der sich in Seenot oder einer anderen Gefahrensituation befindet, muss gerettet werden. Das gilt auch für irreguläre Einwanderer.

1.5

Ausschiffung: Die EU muss eine Ausschiffungspolitik festlegen, durch die sich die Belastung derjenigen Mitgliedstaaten, die schon jetzt mit unverhältnismäßig hohen Einwanderungsströmen konfrontiert sind, nicht erhöht. Die Frage muss nach dem Grundsatz der Ausschiffung im nächstgelegenen sicheren Ort gelöst werden, sofern das betreffende Land uneingeschränkt alle internationalen Menschenrechtskonventionen erfüllt und durch Menschenrechtsorganisationen kontrolliert wird.

1.6

Asylrecht und Gewährung von Asyl: Der Grundsatz der Nichtzurückweisung an der Grenze muss eingehalten werden, und alle Personen, die internationalen Schutz benötigen, müssen die Möglichkeit haben, ihren Antrag in der EU stellen. Dieser Antrag muss von den zuständigen nationalen Behörden auch bearbeitet werden. In diesem Zusammenhang muss ein effizienteres System zur Prüfung von Asylanträgen geschaffen werden. Der EWSA befürwortet die Zusammenarbeit mit Drittstaaten, damit diese ihre Asylsysteme und die Einhaltung internationaler Standards verbessern.

1.7

Rückführung irregulärer Einwanderer: Die Rückkehrrichtlinie (2) bietet einen europäischen Rahmen für Rechts- und Verfahrensgarantien für den Schutz (3), der vom EWSA begrüßt wird, z.B. für das verbriefte Recht, vor einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde oder einer unabhängigen zuständigen Stelle gegen Rückführungsentscheidungen zu klagen oder auch kostenlos einen Rechtsbeistand und eine Rechtsvertretung in Anspruch zu nehmen, für bestimmte Garantien bis zur Rückkehr, Bedingungen der Ingewahrsamnahme usw. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Rückführungspolitik der EU den Ansatz der Freiwilligkeit fördern und auf der strikten Einhaltung der humanitären Werte beruhen sollte. Davon hängen die Legitimität der europäischen Einwanderungspolitik und ihre Glaubwürdigkeit im Ausland ab. In Artikel 19 der Grundrechtecharta werden Kollektivabschiebungen ausdrücklich untersagt, und es wird gewährleistet, dass niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden darf, in dem für die betreffende Person das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht – das ist das Prinzip der Nichtzurückweisung (non-refoulement) (Artikel 4 und 19 der Charta).

1.8

Umfassende europäische Politik für irreguläre Einwanderung auf der Grundlage der Solidarität: Um die Achtung der Grundrechte zu gewährleisten, muss nach Auffassung des Ausschusses die Solidarität der EU mit den Mitgliedstaaten verbessert werden, die aufgrund ihrer geografischen Lage mit einer großen Zahl von Personen konfrontiert sind, die auf irreguläre Weise einreisen und Opfer von kriminellen Schleuser-/Schmugglernetzen sind. Die Grenzen der EU, einschließlich der Seegrenzen der EU-Mitgliedstaaten im Mittelmeerraum, sind die Grenzen aller EU-Mitgliedstaaten, weshalb die Verantwortung für ihre ordnungsgemäße Bewachung im Einklang mit den Verträgen von allen Mitgliedstaaten gemeinsam zu tragen ist. Dies ist nicht nur eine Frage der Solidarität, sondern es geht auch darum, dass die Mitgliedstaaten mithilfe von Verfahren zur Aufteilung der durch die irreguläre Einwanderung entstandenen Lasten ihrer Verantwortung gerecht werden. Auch die Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen sollten daher Solidarität und Unterstützung erfahren, und zwar mithilfe von Lastenteilungsverfahren, die ein Resettlement der Asylsuchenden innerhalb der EU ermöglichen. Der EWSA befürwortet nachdrücklich die Umsetzung des europäischen Verteilungsschlüssels, wie im Bericht des Europäischen Parlaments über verstärkte EU-interne Solidarität im Asylbereich (2012/2032 INI) beschrieben.

1.9

Abkommen mit Drittstaaten: Der Dialog der EU über Migration und Mobilität mit Drittstaaten muss vornehmlich darauf abzielen, eine rechts- und ordnungsgemäße Migration zu erleichtern, die Einhaltung des internationalen Asylrechts sicherzustellen, die irreguläre Einwanderung einzudämmen und kriminelle Menschenhändlernetze zu bekämpfen. Häufig ist die Zusammenarbeit mit Drittstaaten eine wesentliche Voraussetzung für die wirksame Durchführung von Rückführungsverfahren. Diese Zusammenarbeit muss verstärkt werden, damit bessere Ergebnisse erzielt werden. Gleichzeitig sollten bestimmte Transitländer Hilfe erhalten, um ihnen ein besseres Grenzmanagement zu ermöglichen und sie in die Lage zu versetzen, die erforderlichen Kapazitäten aufzubauen, um denjenigen, die Schutz benötigen, Schutz gewähren zu können.

1.10

Europäische Grenzschutzagentur Frontex: Frontex sollte weiter umgebaut werden in eine echte europäische Außengrenzen-Agentur, mit einer erweiterten Koordinierungsrolle bei gemeinsamen Maßnahmen der EU an den Außengrenzen ihrer Mitgliedstaaten. In diesem Zusammenhang sollte weiter daran gearbeitet werden, das Konzept europäischer Grenzschutzteams umzusetzen, wie im Bericht des Europäischen Parlaments zu Frontex (A7-0278/2011) betont. Zudem sollte auch das Einsatzgebiet der Agentur erweitert werden, damit sie sich stärker im Bereich der Prävention engagieren kann. Es ist klar, dass mehr und nicht weniger Mittel benötigt werden, wenn diese Agentur eine wirksamere Rolle spielen soll. Die Durchführung der von der Agentur koordinierten gemeinsamen Maßnahmen (und deren Auswirkungen auf die Grundrechte und die im Grenzkodex vorgesehenen Verwaltungsgarantien) müssen jedoch einer demokratischen Kontrolle durch das Parlament und die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte unterliegen.

1.11

EASO: Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) hat seine Arbeit erst vor relativ kurzer Zeit aufgenommen. Es wird daher erwartet, dass es seine Aufgaben bei voller Funktionstüchtigkeit zügig in Angriff nehmen wird, insbesondere mit Blick auf seine Rolle, tragfähige Lösungen zu suchen und einen vorausblickenden Ansatz für die Solidarität in der EU gemäß den in der EASO-Verordnung verankerten Verpflichtungen zu verfolgen. Das EASO muss in der Lage sein, die Unterschiede zwischen den Asylverfahren und Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zweifelsfrei zu ermitteln und die erforderlichen Änderungen vorzuschlagen.

1.12

Prävention und Bekämpfung der Schleuserkriminalität: Der EWSA unterstreicht überdies, dass alles Mögliche getan werden muss, um die organisierte Kriminalität rigoros zu bekämpfen. Es sollten keine Mittel gescheut werden, diejenigen, die Schleuseraktivitäten ermöglichen, dingfest zu machen und vor Gericht zu bringen. In dieser Hinsicht ist es unverzichtbar, die Unterstützung der Regierungen von Drittstaaten zu suchen.

1.13

Finanzierung: Der EWSA betont, dass die Eindämmung und Steuerung der Einwanderungsströme die Union als Ganze betreffen und sich dies auch in der Verteilung der finanziellen Kosten der für die Umsetzung einer wirksamen Politik erforderlichen Instrumente widerspiegeln muss. Der Ausschuss hat den Vorschlag der Kommission unterstützt, der auf eine flexiblere Verwaltung des Asyl- und Migrationsfonds und des Fonds für innere Sicherheit ab 2014 abzielt.

2.   Einführung

2.1

Die gemeinsame Einwanderungspolitik muss einem Gesamtkonzept folgen, in dem verschiedene Aspekte Berücksichtigung finden: demografische Situation und Lage auf den Arbeitsmärkten, Achtung der Menschenrechte, Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbot, Rechtsvorschriften über die Zulassung neuer Einwanderer, Lage von Einwanderern mit irregulärem Status, Aufnahme und Schutz von Asylbewerbern, Bekämpfung krimineller Menschenhändlernetze, Zusammenarbeit mit Drittstaaten, europäische Solidarität, Sozialpolitik und Integration.

2.2

In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Ereignissen, Erklärungen und politischen Entscheidungen, die der Ausschuss mit wachsender Sorge zur Kenntnis nimmt. Unter uns breitet sich nämlich ein altbekanntes Übel aus: Fremdenfeindlichkeit und ausgrenzender Nationalismus. Minderheiten und Einwanderer werden zum Ziel von Beschimpfungen, Beleidigungen sowie aggressiven und diskriminierenden Maßnahmen.

2.3

Die irreguläre Einwanderung ist ein besonders schwerwiegendes und vielschichtiges Problem, wie aus den Tabellen im Anhang zu dieser Stellungnahme hervorgeht. Sie ist zudem eine Frage, die die EU als Ganzes betrifft, weshalb sie dementsprechend angegangen werden muss. Irreguläre Einwanderer, die über die südlichen Grenzen in die EU gelangen, beabsichtigen so gut wie immer, sich in anderen EU-Mitgliedstaaten niederzulassen.

2.4

Da es im Schengen-Raum keine Binnengrenzen gibt, hat die Frage der irregulären Einwanderung Auswirkungen für Europa als Ganzes und muss mittels einer wirkungsvollen, gemeinsamen europäischen Politik angegangen werden.

2.5

Der EWSA hat sich mit dem Thema der irregulären Einwanderung bereits eingehend beschäftigt und in einer Reihe von Stellungnahmen, die mit großer Mehrheit verabschiedet wurden, seine Standpunkte hierzu vertreten.

2.6

Diese Stellungnahmen enthalten eine Analyse der Ursachen der irregulären Einwanderung in die ΕU, verweisen jedoch gleichzeitig auf das Fehlen einer umfassenden EU-Politik zur irregulären Einwanderung und darauf, dass die EU auf dem Weg hin zu einer gemeinsamen Einwanderungs- und Asylpolitik und zu weitgehend harmonisierten Rechtsvorschriften nur sehr langsam vorankommt. Darüber hinaus werden ausführlich die Folgen des Problems sowie mehrere Lösungsvorschläge aufgezeigt.

2.7

Tausende der irregulären Einwanderer gelangen auf dem Seeweg in die EU. Das bedeutet, dass die Frage der irregulären Einwanderung auf dem Seeweg, die sich Frontex zufolge hauptsächlich im Europa-Mittelmeer-Raum (Euromed-Raum) abspielt, spezifisch angegangen werden muss.

2.8

Hauptzweck der Stellungnahme ist es, das Phänomen der irregulären Einwanderung auf dem Seeweg zu untersuchen; dennoch wird darin auch auf einige der großen Fragen im Zusammenhang mit der irregulären Einwanderung insgesamt Bezug genommen, um dadurch umfassende Lösungen für eine Einwanderungspolitik zu finden, die wirksam, human und machbar ist.

3.   Analyse des Problems

3.1   Menschenrechte

3.1.1

Die Menschenrechte irregulärer Einwanderer müssen jederzeit voll und ganz gewahrt sein: von ihrer Rettung oder Festnahme bis zu dem Moment, wo sie den Schutzstatus erhalten oder in ihr Herkunftsland rückgeführt werden. Die irreguläre Einwanderung auf dem Seeweg führt häufig zum Verlust von Menschenleben. In diesem Zusammenhang unterstreicht der EWSA, dass die grundlegenden Menschenrechte jederzeit gewährleistet werden müssen. Der EWSA hat vorgeschlagen, dass die Grundrechteagentur auch die Grenzkontrollmaßnahmen und Operationen von Frontex überwachen sollte. Er befürwortet die Tätigkeiten des beratenden Forums von Frontex und bekundet sein Interesse an einer Zusammenarbeit.

3.2   Rettung von Menschenleben auf See

3.2.1

Die Mitgliedstaaten und private Schiffe sind verpflichtet, jeden Menschen in Seenot zu retten. Dies schließt auch Einwanderer oder Schleuser/Schmuggler mit ein, die dieses Risiko absichtlich eingegangen sind. Häufig bringen die kriminellen Schleuser-/Schmugglernetze die Asylsuchenden oder irregulären Einwanderer in große Gefahr. Agenturen und NRO haben darauf hingewiesen, dass jedes Jahr Tausende von Menschen unter diesen Umständen im Mittelmeer ums Leben kommen und es sogar vorkommt, dass nahe vorbeifahrende Schiffe diesen Menschen ihre Hilfe verweigern und sie nicht aus Seenot erretten.

3.3   Ausschiffung

3.3.1

In den letzten Jahren hat es einige rechtliche und politische Kontroversen über Rettungsaktionen in den internationalen Gewässern des Mittelmeers gegeben, durch die das Leben zahlreicher Menschen unnötigerweise aufs Spiel gesetzt wurde. Der EWSA betont, dass die Frage der Ausschiffung nach dem Grundsatz der Ausschiffung am nächstgelegenen sicheren Ort gelöst werden muss unter der Bedingung, dass das betreffende Land uneingeschränkt alle internationalen Menschenrechtskonventionen erfüllt und durch Menschenrechtsorganisationen kontrolliert wird. Im Fall von Frontex-Einsätzen spricht sich der EWSA nachdrücklich dagegen aus, dass Migranten stets in die Mitgliedstaaten verbracht werden sollen, von denen die Einsätze ausgehen. Eine solche Politik ist aus mindestens zwei Gründen problematisch: 1) Sie konzentriert noch mehr Migrationsdruck auf die Mitgliedstaaten, die schon jetzt mit hohen Belastungen konfrontiert sind, sodass für die Mitgliedstaaten, die Frontex am meisten benötigen, die Durchführung eines Frontex-Einsatzes auf ihrem Gebiet nicht mehr möglich wäre; 2) sie schadet den geretteten Menschen, denn diese müssten bis in das Land befördert werden, in dem der Frontex-Einsatz stattfindet, anstatt an den Ort, der unter den gegebenen Umständen am geeignetsten wäre (i.d.R. der nächstgelegene sichere Ort).

3.4   Asylrecht und Gewährung von Asyl

3.4.1

Der EWSA fordert die EU nachdrücklich auf, weiter an der Errichtung eines gemeinsamen Asylsystems mit einem hohen Maß an rechtlicher Vereinheitlichung zu arbeiten. In der Dublin-Verordnung ist die Zuständigkeit jedes Mitgliedstaats für die Prüfung der jeweiligen Asylanträge geregelt. Der Ausschuss hat bereits darauf hingewiesen, dass dieses System zahlreiche Probleme aufwirft. Asylbewerber sollten nach dem Mitgliedstaat gefragt werden, der ihrem Wunsch nach ihren Antrag prüfen sollte. In seiner Stellungnahme zum Grünbuch (4) hat der EWSA vorgeschlagen, "dass der Asylbewerber für die Einreichung seines Antrags das Land frei wählen kann und die Mitgliedstaaten in diesem Sinne ersucht werden sollten, die in Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung vorgesehene humanitäre Klausel umgehend zur Anwendung zu bringen".

3.4.2

Im Bereich der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten wurde eine ganze Reihe von Maßnahmen im Rahmen von EURASIL, einer Gruppe nationaler Experten unter Leitung der Kommission, initiiert. Auch wurde mit der Einrichtung und Erneuerung des Europäischen Flüchtlingsfonds ein Instrument der finanziellen Solidarität geschaffen. Ab 2014 wird der Asyl- und Migrationsfonds über mehr Mittel und auch mehr Flexibilität für Notsituationen verfügen.

3.4.3

Die Schutzanträge der Asylsuchenden müssen gemäß der europäischen Gesetzgebung zu Asyl und der Gewährung von internationalem Schutz geprüft werden. Menschen, die wirklich Schutz benötigen, müssen ihn auch erhalten.

3.4.4

Der EWSA erklärt erneut, dass diejenigen, die ihren Asylantrag an der Staatsgrenze stellen, die gleiche Behandlung und die gleichen Garantien erhalten müssen wie diejenigen, die ihren Antrag im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats stellen.

3.4.5

Der EWSA fordert ein stärkeres Engagement der EU bei der Bekämpfung krimineller Schleusernetze, ist aber auch der Ansicht, dass einige Maßnahmen zur "Bekämpfung der irregulären Einwanderung" im Asylbereich derzeit eine schwere Krise der Asylpolitik in Europa heraufbeschwören. In verschiedenen Stellungnahmen (5) hat der EWSA erklärt, dass die Bekämpfung der illegalen Einwanderung keine neuen Probleme in der Asylfrage aufwerfen darf und die für die Grenzkontrollen zuständigen Beamten zur Gewährleistung des Asylrechts entsprechend ausgebildet sein müssen.

3.4.6

Der EWSA unterstützt die Vorschläge des UNHCR zur Einsetzung von Asyl-Expertenteams, die an allen in der EU durchgeführten Grenzschutzmaßnahmen mitwirken.

3.4.7

Es ist besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass Tausende derer, die in die EU gelangen, kein Asyl beantragen, weil sie Wirtschaftsmigranten sind: Der Hauptgrund für ihr Kommen ist nicht, im Land der ersten Ankunft zu verbleiben, sondern in andere europäische Länder zu gelangen.

3.4.8

Mobilitätspartnerschaften dürfen nicht so verstanden werden, dass die Partnerländer die vollen Kosten der Asylverfahren für die ihr Staatsgebiet durchquerenden Menschen tragen müssen. Die EU sollte ihre Unterstützung mithilfe des Asylfonds zeigen. Dieser Fonds sollte zur Einführung von Verfahrensweisen und Strukturen führen, die eine rasche Prüfung von Asylanträgen und eine zügige Entscheidung darüber innerhalb vernünftiger Fristen im Rahmen der völkerrechtlichen Garantien ermöglichen.

3.4.9

Der EWSA fordert die EU nachdrücklich auf, weiter an der Errichtung eines gemeinsamen Asylsystems mit einem hohen Maß an rechtlicher Vereinheitlichung zu arbeiten. Asylanträge sollten nicht nur in den Eingangsländern, sondern auch von den anderen Mitgliedstaaten geprüft werden. Jeder Antragsteller sollte gefragt werden, welcher EU-Mitgliedstaat seinen Antrag prüfen soll. In seiner Stellungnahme zum Grünbuch (6) schlägt der EWSA vor, "dass der Asylbewerber für die Einreichung seines Antrags das Land frei wählen kann und die Mitgliedstaaten in diesem Sinne ersucht werden sollten, die in Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung vorgesehene humanitäre Klausel umgehend zur Anwendung zu bringen", wodurch die Prüfung der Anträge beschleunigt und der Verwaltungsstau in den Eingangsländern vermindert werden kann. Der EWSA plädiert ebenfalls dafür, dass die EU mit Drittstaaten zusammenarbeitet, um deren Asylsysteme zu verbessern und internationalen Standards anzugleichen. Fortschritte bei der Außendimension der Asylpolitik wurden erreicht in Bereichen wie der Hilfe für Drittstaaten mit hoher Flüchtlingslast (besonders erwähnenswert sind hier die Regionalen Schutzprogramme) oder das Resettlement von Flüchtlingen in der EU.

3.5   Rückführung irregulärer Einwanderer

3.5.1

Die Rückführung von Migranten, die irregulär in die EU eingereist sind, muss mit großer Umsicht angegangen werden. Rückführungsabkommen mit Drittstaaten sind in diesem Zusammenhang wesentlich, um sicherzustellen, dass die Rechte rückgeführter Migranten in vollem Umfang gewahrt werden.

3.5.2

Mobilitätspartnerschaften sollten Rückführungsverfahren ermöglichen, die hauptsächlich auf der freiwilligen Rückkehr beruhen, wobei entsprechende Unterstützungssysteme vorzusehen sind (7). Werden Zwangsrückführungsverfahren angewandt, müssen sie unter größter Achtung der Rechte der rückgeführten Menschen im Lichte der Empfehlungen des Europarats erfolgen (8).

3.5.3

Der EWSA fordert mehr Transparenz hinsichtlich der Gewahrsamseinrichtungen innerhalb und außerhalb der EU, die Unterrichtung des UNHCR über die Situation der internierten Personen sowie die Möglichkeit der angemessenen Unterstützung der Betroffenen durch Nichtregierungsorganisationen. Der EWSA ist der Auffassung, dass Schwangere und Minderjährige des besonderen Schutzes bedürfen und in besonderen, mit finanzieller Unterstützung der EU errichteten Einrichtungen untergebracht werden sollten.

3.6   Umfassende europäische Politik für irreguläre Einwanderung auf der Grundlage der "Solidarität"

3.6.1

Der EWSA betont, dass das Problem ein europäisches ist und nicht nur die Mittelmeerländer betrifft – nicht zuletzt deshalb, weil es aufgrund des Schengener Abkommens erforderlich ist, die Einwanderung im Mittelmeerraum durch eine gemeinsame europäische Anstrengung anzugehen. Dabei geht es nicht nur darum, als Gemeinschaft Solidarität zu zeigen, sondern darum, dass die EU-Mitgliedstaaten ihre Verantwortung wahrnehmen, und zwar mittels einer gemeinsamen europäischen Politik, die von der Kommission vorgeschlagen und von Rat und Parlament gebilligt werden sollte.

3.6.2

Die Grenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union – und dies schließt die Seegrenzen der Mittelmeeranrainerstaaten ein – sind die Grenzen aller EU-Mitgliedstaaten, und alle Mitgliedstaaten müssen die Verantwortung für ihren ordnungsgemäßen Schutz gemeinsam tragen.

3.6.3

In dieser Hinsicht sollten alle Mitgliedstaaten folgende Hilfeleistungen erbringen: 1) Bereitstellung der für eine wirksame Seenotrettung und Grenzkontrolle erforderlichen Ressourcen, 2) Prüfung von Asylanträgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten, 3) besondere Situationen, Durchführung von Rückführungs- und Ausweisungsverfahren, 4) EU-interne Umverteilung von Migranten aus kleinen Mittelmeer-Mitgliedstaaten sowie 5) Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Schleuserkriminalität.

3.6.4

Für die Umverteilung sollte es einen ständigen Mechanismus geben. Dazu sollte die Kommission einen Legislativvorschlag für einen ständigen wirksamen EU-internen Umverteilungsmechanismus vorlegen, der auf einem EU-Verteilerschlüssel für die Umverteilung von Asylbewerbern basiert, wie im Bericht des Europäischen Parlaments über verstärkte EU-interne Solidarität im Asylbereich (2012/2032 INI) beschrieben. Damit dieser Mechanismus so wirksam wie möglich ist, sollte in dem Legislativvorschlag auch die praktische Erfahrung mit dem EUREMA-Pilotprojekt für Malta berücksichtigt werden (9).

3.7   Abkommen mit an die EU angrenzenden Drittstaaten

3.7.1

Die Europäische Union sollte insbesondere in Ländern, denen umfangreiche EU-Finanzierung zugutekommt, ihren gesamten politischen und wirtschaftlichen Einfluss geltend machen, um sie von einer Zusammenarbeit in Fragen der Einwanderung zu überzeugen. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Mobilitätspartnerschaften die vier Säulen des Gesamtansatzes für Migration und Mobilität (GAMM) umfassen sollten: Erleichterung und Steuerung der legalen Migration und Mobilität, Vermeidung und Verringerung der irregulären Migration und des Menschenhandels, Förderung des internationalen Schutzes und Stärkung der Außendimension der Asylpolitik sowie Maximierung der Auswirkungen von Migration und Mobilität auf die Entwicklung.

3.7.2

Die Lösung des Problems muss über polizeiliche Maßnahmen hinaus in den von Drittstaaten zu treffenden Präventivmaßnahmen gesucht werden, wobei die Entwicklung von Kooperationsprogrammen zur Unterstützung von Ackerbau und Tierhaltung, KMU usw. stärker gewichtet werden sollte. Die EU muss zeigen, dass sie über die politische Hebelkraft verfügt, um mit den Ländern, mit denen eine Zusammenarbeit nötig ist und die umfangreiche Mittel erhalten, in Fragen der Sicherheit, der organisierten Kriminalität und der irregulären Einwanderung zu kooperieren. Der EWSA begrüßt das jüngste Abkommen mit dem Königreich Marokko sowie die Initiative der EU für Mobilitätspartnerschaften mit Tunesien, Ägypten und Libyen. Es wäre jedoch erforderlich, die derzeit geltenden Mobilitätspartnerschaften im Rahmen einer unabhängigen Analyse auf ihre Wirksamkeit und Auswirkungen hin zu untersuchen. Der EWSA unterstützt die Initiative der Kommission für ein wirksames Verfahren für die Evaluierung der Mobilitätspartnerschaften. Darüber hinaus sollten die Mobilitätspartnerschaften, die ja rechtlich unverbindliche gemeinsame politische Erklärungen sind, in internationale Abkommen überführt werden. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die EU und die Mitgliedstaaten auch mit anderen Staaten der Region Übereinkommen abschließen sollten. Vor dem Hintergrund der besonderen Beziehungen der EU zur Türkei sollten Einwanderungsfragen in den Gesprächen beider Seiten verstärkt zur Sprache kommen, insbesondere mit Blick auf die Bekämpfung krimineller Schleuserbanden.

3.7.3

Um zu gewährleisten, dass die Verwaltungs- und Gerichtsverfahren reibungslos funktionieren, ist es von zentraler Bedeutung, dass die EU bei den Herkunftsländern irregulärer Migranten darauf besteht, dass sie zügig die Reisedokumente bereitstellen.

3.7.4

Diese Frage sollte auch im Rahmen der Europa-Mittelmeer-Konferenz behandelt werden, da ein beträchtlicher Teil der irregulären Einwanderer über Drittstaaten an der Mittelmeerküste in die EU gelangt.

3.7.5

Bestimmte Transitländer sollten Hilfe erhalten, um ihnen ein besseres Grenzmanagement und die Einrichtung von Asylstrukturen zu ermöglichen und sie in die Lage zu versetzen, die erforderlichen Kapazitäten aufzubauen, um denjenigen, die Schutz benötigen, selbst Schutz gewähren zu können.

3.8   Die europäische Grenzschutzagentur Frontex

3.8.1

Frontex sollte weiter umgebaut werden in eine echte europäische Außengrenzen-Agentur, mit einem erweiterten Mandat für Koordinierung und Prävention. Zu diesem Zweck sollte sie mit angemessenen Finanzmitteln ausgestattet werden, die es ihr erlauben, den südlichen Mitgliedstaaten, die mit den Einwanderungsströmen zu kämpfen haben, die notwendige Hilfestellung zu leisten. Gleichzeitig sollten die Personalstärke (einschließlich Grenzschutzbeamter) erhöht und die Ressourcen für elektronische Überwachung und Aufzeichnung verstärkt werden. In diesem Zusammenhang sollte mehr getan werden, um die Umsetzung des Konzepts europäischer Grenzschutzteams zu stärken, wie im Bericht des Europäischen Parlaments zu Frontex (A7-0278/2011) betont. Des Weiteren sollte nunmehr ernsthaft erwogen werden, dass Frontex Gebrauch von seinen neuen Kapazitäten (z.B. Erwerb von Ausrüstung) macht.

3.8.2

Das Europäische Patrouillennetz, das regionalen Grenzschutz bietet, sollte gestärkt werden, wodurch die Modernisierung nationaler Ressourcen und europäischer Maßnahmen ermöglicht und die Zusammenarbeit auf nationaler und europäischer Ebene gefördert würde.

3.9   Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen

3.9.1

Das EASO muss in der Lage sein, die Unterschiede zwischen den Asylverfahren und Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zweifelsfrei zu ermitteln und die erforderlichen Änderungen vorzuschlagen. Darüber hinaus sollte es befugt sein, gemeinsame Leitlinien für die Auslegung und Anwendung verschiedener verfahrenstechnischer und inhaltlicher Aspekte der EU-Asylvorschriften zu erarbeiten, so wie es die Kommission in ihrem Grünbuch vorschlägt.

3.9.2

Das EASO könnte zu einem wichtigen Zentrum für den Austausch bewährter Methoden wie auch für die Entwicklung von Bildungsmaßnahmen zum Thema "Asyl", insbesondere für Grenzschutzbeamte, werden. Es könnte ferner ein Zentrum für die Beobachtung und Auswertung der Ergebnisse neuer EU-Asylmaßnahmen sein, oder ein Ort, von dem aus gemeinsame Teams von Asyl-Experten eingesetzt und geleitet werden.

3.9.3

Das EASO muss Netzwerkarbeit leisten, mit EURASIL zusammenarbeiten und enge Beziehungen zum UNHCR und zu den spezialisierten Nichtregierungsorganisationen unterhalten.

3.9.4

Das EASO hat seine Arbeit erst vor relativ kurzer Zeit aufgenommen. Es wird erwartet, dass es seine Aufgaben in voller Funktionstüchtigkeit ohne weitere Verzögerungen in Angriff nehmen wird, insbesondere mit Blick auf seine Rolle, tragfähige Lösungen zu suchen und die Aufteilung der Kosten zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen, wie in der EASO-Verordnung beschrieben. Gleichzeitig muss das EASO auch einen vorausblickenden Ansatz für die Solidarität innerhalb der EU gemäß den in der EASO-Verordnung verankerten Verpflichtungen verfolgen.

3.10   Prävention und Bekämpfung von Menschenschmuggel und organisierter Kriminalität

3.10.1

Die irreguläre Einwanderung auf dem Seeweg ist riskant und gefährdet Menschenleben. Tausende Menschen haben bei der Überquerung des Mittelmeers in seeuntüchtigen Booten ihr Leben verloren. Diese gefährlichen Überfahrten werden von kriminellen Banden organisiert, die Hunderte Menschen (darunter Frauen und Kinder) ohne geeignete Ausrüstung oder Versorgung (nicht einmal Rettungsvorrichtungen) auf Booten zusammenpferchen, von denen die meisten nicht seetauglich sind. In der Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (Entschließung 1872 (2012)) mit dem Titel "Verlust von Menschenleben im Mittelmeer – wer trägt die Verantwortung?" wird die Rolle von Migrantenschmugglern bei der Organisation gefährlicher Überfahrten im Mittelmeer sehr detailliert beschrieben; sie sollte herangezogen werden, um sich ein Bild vom Ernst der Lage zu machen.

3.10.2

Die Mitgliedstaaten sollten strenge Strafverfahren und strafrechtliche Sanktionen einschließlich lebenslanger Haftstrafen gegen Schleuser und Menschenschmuggler festlegen. Die von den Menschenhändlern ausgebeuteten Personen sollten immer als unschuldige Opfer gelten.

3.10.3

Menschenschmuggel befeuert Kriminalität, da die kriminellen Netze, die die Überfahrten organisieren, jedem Passagier Geld abverlangen, häufig mit erpresserischen, menschenverachtenden Methoden. Der EWSA unterstreicht, dass die EU mit den Ausgangs- und den Herkunftsländern zusammenarbeiten sollte, um die beteiligten kriminellen Netze zu zerschlagen. Der EWSA betont überdies, dass die EU auf möglichst durchschlagende Weise den Schleusern das Handwerk legen und sie daran hindern muss, Menschenleben zu gefährden.

3.10.4

Die EU sollte auch den Abschluss von Abkommen mit Drittstaaten über die Schaffung von Migranten-Aufnahmeeinrichtungen und die Gewährung von Finanzhilfe für deren Aufbau und Betrieb erwägen. Die Einrichtungen in diesen Ländern können zu Zwecken der Identifizierung und Versorgung zusammen mit anderen Aufnahmeeinrichtungen betrieben werden. IOM, UNHCR, die Grundrechteagentur und die spezialisierten Nichtregierungsorganisationen müssen die Arbeitsweise dieser Einrichtungen überwachen.

3.10.5

Darüber hinaus muss die EU Informationsinitiativen durchführen, in denen potenzielle irreguläre Einwanderer von einer illegalen Einreise in die EU abgehalten werden, indem man sie auf die Gefahren und Schwierigkeiten der illegalen Einwanderung aufmerksam macht. Potenzielle irreguläre Einwanderer müssen auch auf die enormen Schwierigkeiten hingewiesen werden, auf die sie bei der Arbeitssuche in Europa stoßen, wenn sie ohne Papiere einreisen.

3.10.6

Organisationen, die die Öffentlichkeit in den Ausgangsländern für die vorgenannten Probleme sensibilisieren, um potenzielle Migranten von gefährlichen Reisen abzuhalten, sollten moralisch und finanziell unterstützt werden.

3.10.7

Der EWSA fordert überdies mehr Aufmerksamkeit für die Inangriffnahme der tiefer liegenden Ursachen des Problems, die mit den Lebensbedingungen in den Ausgangsländern im Zusammenhang stehen. Diesbezüglich sollten spezielle Programme aufgelegt werden. Das Thema als Ganzes sollte auf der Tagesordnung der Europa-Mittelmeer-Konferenz stehen.

3.11   Finanzierung

3.11.1

Um irreguläre Einwanderungsströme zu verhindern und einzudämmen, sind Finanzmittel erforderlich. Bei der Planung von Auffangeinrichtungen ist darauf zu achten, dass irreguläre Migranten gesondert von Asyl suchenden Flüchtlingen untergebracht werden. Eine separate Unterbringung muss auch innerhalb von 15 Tagen für Minderjährige und für schutzbedürftige Menschen bereitgestellt werden. Gemäß einer von Frontex gelieferten italienischen Studie betragen die Kosten für einen irregulären Einwanderer durchschnittlich 48 EUR pro Tag. Multipliziert man diese Zahl mit 100 000 (der Zahl der Einwanderer, die nach Angaben von Frontex (10) jedes Jahr ankommen) und mit 365 (für jeden Tag), so betragen die Kosten Jahr für Jahr insgesamt 1,752 Mrd. EUR.

3.11.2

Der EWSA begrüßt die Anstrengungen der Europäischen Kommission zur Vereinfachung der Finanzinstrumente durch die Schaffung zweier Fonds – für Asyl und Migration einerseits (11) und für innere Sicherheit andererseits (12) –, die durch eine bereichsübergreifende Verordnung mit einem Bündel gemeinsamer Vorschriften über Programmplanung, Information, Finanzverwaltung, Kontrolle und Evaluierung flankiert werden (13). Der Ausschuss unterstützt den Vorschlag der Kommission zur Festlegung eines Grundbetrags und eines variablen oder flexiblen Betrags im Zuge der Aufteilung der Finanzmittel auf die Mitgliedstaaten. Hinsichtlich des flexiblen Betrags hält es der EWSA für wesentlich, dass jeder Mitgliedstaat sein Jahresprogramm entsprechend den Prioritäten der EU erarbeitet und darin die Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten aufnimmt. Der Ausschuss befürwortet, dass der Asyl- und Migrationsfonds ab 2014 über mehr Mittel und auch mehr Flexibilität für Notsituationen verfügen wird.

3.11.3

Die geplanten Veränderungen werden zur Bewältigung der aktuellen Probleme beitragen, denn die EU-Programme zur Steuerung der Migrationsströme und für die Schaffung von Auffangeinrichtungen haben eine Laufzeit von einem Jahr. Gleiches gilt für Finanzierung und Maßnahmen. Es ist jedoch nahezu unmöglich, Aufnahme- und Aufenthaltseinrichtungen auf der Grundlage einer Einjahresplanung fertigzustellen. Deshalb sollten solche Programme flexibler organisiert werden.

3.11.4

Drittstaaten auf der Migrationsroute ausgehend vom ursprünglichen Ausgangsland sollten Finanzmittel für die Einrichtung von Aufnahme- und Aufenthaltseinrichtungen erhalten.

Angesichts des vorstehenden Rechenbeispiels sollten im EU-Haushalt Mittel für die Förderung von Überwachungs- und Präventionsmaßnahmen (Patrouillenboote, Küstenwachstationen, Hubschrauber) zweckbestimmt werden, damit Frontex und EASO über ein angemessenes jährliches Budget verfügen, um ihre Aufgaben in vollem Umfang erfüllen zu können. Die Finanzierung muss gesichert werden, damit die Eingangsländer die beteiligten kriminellen Netze wirksam bekämpfen und für die hierher kommenden Migranten gleichzeitig die geeigneten Bedingungen schaffen können.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2011) 248, Luis Miguel PARIZA CASTAÑOS,

COM(2011) 743, Luis Miguel PARIZA CASTAÑOS, Brenda KING,

COM(2011) 750, 751, 752, 753, Luis Miguel PARIZA CASTAÑOS,

COM(2008) 359, Luis Miguel PARIZA CASTAÑOS, Ana BONTEA.

(2)  Richtlinie 2008/115/EG.

(3)  Vgl. z.B. Art. 12 Abs. 1 und 2, Art. 13 Abs. 1-4 und Art. 14 Abs. 1 und 2 der Richtlinie.

(4)  Siehe die Stellungnahme des EWSA vom 12.3.2008 zum "Grünbuch über das künftige gemeinsame europäische Asylsystem" (Berichterstatterin: An LE NOUAIL MARLIÈRE), ABl. C 204 vom 9.8.2008, S. 77.

(5)  Siehe dazu folgende Stellungnahmen des EWSA:

vom 25.4.2002 zur "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament – Offener Koordinierungsmechanismus für die Migrationspolitik der Gemeinschaft" (Berichterstatter: Luis Miguel PARIZA CASTAÑOS), ABl. C 221 vom 17.9.2002;

vom 29.1.2004 zum "Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen" (Berichterstatter: Luis Miguel PARIZA CASTAÑOS), ABl. C 108 vom 30.4.2004;

vom 27.10.2004 zum "Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Änderung der Entscheidung des Rates 2002/463/EG über ein Aktionsprogramm für Verwaltungszusammenarbeit in den Bereichen Außengrenzen, Visa, Asyl und Einwanderung (ARGO-Programm)" (Berichterstatter: Luis Miguel PARIZA CASTAÑOS), ABl. C 120 vom 20.5.2005;

vom 12.3.2008 zum "Grünbuch über das künftige gemeinsame europäische Asylsystem" (Berichterstatterin: An LE NOUAIL MARLIÈRE), ABl. C 204 vom 9.8.2008.

(6)  Siehe die Stellungnahme des EWSA vom 12.3.2008 zum "Grünbuch über das künftige Gemeinsame Europäische Asylsystem" (Berichterstatterin: An LE NOUAIL MARLIÈRE), ABl. C 204 vom 9.8.2008, S. 77.

(7)  In Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration.

(8)  Zwanzig Leitlinien zur Frage der obligatorischen Rückkehr (CM(2005)40).

(9)  EUREMA ist ein Pilotprojekt der EU für die Umverteilung von Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz aus Malta, das in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 18./19. Juni 2009 gebilligt wurde (Dok. 11225/2/09 CONCL 2).

(10)  Siehe nachstehende Tabellen.

(11)  COM(2011) 751 final.

(12)  COM(2011) 750 final, COM(2011) 753 final.

(13)  COM(2011) 752 final.


Anhang

YEAR

Irregular immigrants arrested for irregular entry and residence by police authorities and the coastguard

Deported

Refoulements

(across the northern borders of our country)

Smugglers arrested by Police authorities and the coastguard

2002

58 230

11 778

37 220

612

2003

51 031

14 993

31 067

525

2004

44 987

15 720

25 831

679

2005

66 351

21 238

40 284

799

2006

95 239

17 650

42 041

994

2007

112 364

17 077

51 114

1 421

2008

146 337

20 555

48 252

2 211

2009

126 145

20 342

43 977

1 716

2010

132 524

17 340

35 127

1 150

2011

99 368

11 357

5 922

848

2012

76 878

17 358

4 759

726

4 MONTHS 2013

11 874

6 370

1 858

248

Source: Ministry of Public Order. Hellenic Police Statistics


IMMIGRANTS ARRESTED

2011

Main Nationalities

2012

Main Nationalities

1.

Afghanistan

28 528

1.

Afghanistan

16 584

2.

Pakistan

19 975

2.

Pakistan

11 136

3.

Albania

11 733

3.

Albania

10 602

4.

Bangladesh

5 416

4.

Syria

7 927

5.

Algeria

5 398

5.

Bangladesh

7 863

6.

Morocco

3 405

6.

Algeria

4 606

7.

Iraq

2 863

7.

Iraq

2 212

8.

Somalia

2 238

8.

Morocco

2 207

9.

Palestine

2 065

9.

Somalia

1 765

10.

Congo

1 855

10.

Palestine

1 718

Source: Ministry of Public Order. Hellenic Police Statistics


DETENTION CENTRES' CAPACITY IN RELATION TO THE NUMBER OF DETAINED IMMIGRANTS

PRE-REMOVAL CENTRES

CAPACITY

DETAINED IMMIGRANTS

COMPLETENESS PERCENTAGE

AMIGDALEZA

2 000

1 787

89 %

KOMOTINI

540

422

78 %

XANTHI

480

428

89 %

DRAMA (PARANESTI)

557

296

53 %

KORINTHOS

374

1 016

99 %

DETENTION CENTRES

CAPACITY

DETAINED IMMIGRANTS

COMPLETENESS PERCENTAGE

ORESTIADA (FILAKIO)

374

273

73 %

SAMOS

285

100

35 %

HIOS

108

95

88 %

TOTAL DETAINED

5 368

4 417

82 %

Source: Ministry of Public Order. Hellenic Police Statistics


HELLENIC READMISSION REQUESTS TO TURKEY

YEAR

READMISSION REQUESTS

NUMBER OF IRREGULAR IMMIGRANTS

ACCEPTED

DELIVERED

2006

239

2 251

456

127

2007

491

7 728

1 452

423

2008

1 527

26 516

3 020

230

2009

879

16 123

974

283

2010

295

10 198

1 457

501

2011

276

18 758

1 552

730

2012

292

20 464

823

113

2013

44

795

84

8

TOTAL

5 706

122 796

12 332

3 805

Source: Ministry of Public Order. Hellenic Police Statistics

Results of 2012 from FRONTEX:

In total, during the joint maritime operations 258 suspected facilitators were apprehended.

Across all the sea operations in 2012, there were 169 SAR cases and 5 757 migrants in distress were saved.

In addition, 382 suspected drug smugglers were apprehended. The amount of drugs seized was over 46 tonnes, worth EUR 72,6 million. The predominant part of this was hashish – almost 44 tonnes of drugs worth EUR 68 million.

Beside this, 38 cases of smuggled cigarettes/tobacco were detected during sea operations. The 2,4 million packets of contraband cigarettes intercepted were worth EUR 5,6 million.

ALL BELOW source: FRONTEX ANNUAL RISK ANALYSIS

Indicator 1A — Detections of illegal border-crossing between border-crossing points:

The number of third -country nationals detected by Member State authorities when illegally entering or attempting to enter the territory between border-crossing points (BCPs) at external borders only. Detections during hot pursuits at the immediate vicinity of the border are included. This indicator should not include EU or Schengen Associated Country (SAC) nationals.

Detections of illegal border-crossing between BCPs

Routes

2010

2011

2012

Share of total

% change on prev. year

Eastern Mediterranean route (Greece, Bulgaria and Cyprus)

55 688

57 025

37 224

51

–35

Land

49 513

55 558

32 854

 

–41

Afghanistan

21 389

19 308

7 973

 

–59

Syria

495

1 216

6 216

 

411

Bangladesh

1 496

3 541

4 598

 

30

Sea

6 175

1 467

4 370

 

198

Afghanistan

1 373

310

1 593

 

414

Syria

139

76

906

 

1 092

Palestine

1 500

128

408

 

219

Central Mediterranean route (Italy and Malta)

1 662

59 002

10 379

14

–82

Somalia

82

1 400

3 394

 

142

Tunisia

650

27 964

2 244

 

–92

Eritrea

55

641

1 889

 

195

Western Mediterranean route

5 003

8 448

6 397

8,8

–24

Sea

3 436

5 103

3 558

 

–30

Algeria

1 242

1 037

1 048

 

1,1

Morocco

300

775

364

 

–53

Chad

46

230

262

 

14

Land

1 567

3 345

2 839

 

–15

Not specified

1 108

2 610

1 410

 

–46

Algeria

459

735

967

 

32

Morocco

0

0

144

 

n.a.

Western Balkan route

2 371

4 658

6 391

8,8

37

Afghanistan

469

983

1 665

 

69

Kosovo (1)

372

498

942

 

89

Pakistan

39

604

861

 

43

Circular route frora Albania to Greece

35 297

5 269

5 502

7,6

4,4

Albania

32 451

5 022

5 398

 

7,5

fYROM

49

23

36

 

57

Kosovo (1)

21

37

34

 

–8,1

Apulia and Calabria (Italy)

2 788

5 259

4 772

6,6

–9,3

Afghanistan

1 664

2 274

1 705

 

–25

Pakistan

52

992

1 156

 

17

Bangladesh

12

209

497

 

138

Eastern borders route

1 052

1 049

1 597

2,2

52

Georgia

144

209

328

 

57

Somalia

48

120

263

 

119

Afghanistan

132

105

200

 

90

Western African route

196

340

174

0,2

–49

Morocco

179

321

104

 

–68

Gambia

1

2

39

 

1 850

Senegal

2

4

15

 

275

Other

3

1

1

0

0

Iran

0

0

1

 

n.a

Russian Federation

2

0

0

 

n.a

Somalia

0

1

0

 

– 100

Total

104 060

141 051

72 437

 

–49


Illegal border-crossing between BCPs

Detections by border type and top ten nationalities at the external borders

 

2009

2010

2012

2012

Share of total

% change on prev. year

All Borders

Afghanistan

14 539

25 918

22 994

13 169

18

–43

Syria

613

861

1 616

7 903

11

389

Albania

38 905

33 260

5 138

5 651

7,8

10

Algeria

4 487

8 763

6 157

5 479

7,6

–11

Bangladesh

551

1 647

4 923

5 417

7,5

10

Somalia

9 115

4 619

3 011

5 038

7,0

67

Pakistan

1 592

3 878

15 375

4 877

6,7

–68

Tunisia

1 701

1 498

28 829

2 717

3,8

–91

Eritrea

2 228

1 439

1 572

2 604

3,6

66

Morocco

1 710

1 959

3 780

2 122

2,9

–44

Others

29 158

20 218

47 656

17 460

24

–63

Total all borders

104 599

104 060

141 051

72 437

 

–49

Land Border

Afghanistan

2 410

22 844

20 396

9 838

20

–52

Syria

389

530

1 254

6 416

13

412

Albania

38 088

32 592

5 076

5 460

11

7,6

Bangladesh

305

1 506

3 575

4 751

9,7

33

Algeria

676

6 961

4 671

4 081

8,3

–13

Pakistan

1 328

3 675

13 781

3 344

6,8

–76

Not specified

565

1 304

2 747

1 817

3,7

–34

Somalia

259

4 102

1 498

1 558

3,2

4,0

Morocco

737

1 319

2 236

1 422

2,9

–36

Palestine

2 791

2 661

652

1 195

2,4

83

Others

9 892

12 306

13 993

9 301

19

–34

Total land borders

57 440

89 800

69 879

49 183

 

–30

Sea Border

Somalia

8 856

517

1 513

3 480

15

130

Afghanistan

12 129

3 074

2 598

3 331

14

28

Tunisia

1 643

711

28 013

2 283

9,8

–92

Eritrea

2 195

507

680

1 942

8,4

186

Pakistan

264

203

1 594

1 533

6,6

–3,8

Syria

224

331

362

1 487

6,4

311

Algeria

3 811

1 802

1 486

1 398

6,0

–5,9

Egypt

545

713

1 948

1 283

5,5

–34

Morocco

973

640

1 544

700

3,0

–55

Bangladesh

246

141

1 348

666

2,9

–51

Others

16 273

5 621

30 086

5 151

22

–83

Total sea borders

47 159

14 260

71 172

23 254

100

–67

Indicator 1B — Detections of illegal border-crossing at border-crossing points:

The number of third-country nationals detected by Member State authorities when entering clandestinely or attempting to enter illegally (such as hiding in transport means or in another physical way to avoid border checks at BCPs) the territory at border-crossing points (BCPs) at external borders only, whether they result in a refusal of entry or not. This indicator should not include EU or Schengen Associated Country (SAC) nationals.

Clandestine entries at BCPs

Detections reported by Member State and top ten nationalities at the external borders

 

2009

2010

2011

2012

Share of total

% change on prev. year

Border Type

Land

137

168

159

486

81

208

Sea

159

74

123

115

19

–6,5

Top Ten Nationalities

Afghanistan

18

8

58

190

31

228

Algeria

30

35

55

61

10

11

Turkey

73

93

24

41

6,8

71

Syria

2

3

6

36

6,0

500

Albania

3

7

9

35

5,8

289

Morocco

20

14

15

24

4,0

60

Pakistan

2

12

10

24

4,0

140

Palestine

14

4

17

24

4,0

41

Serbia

4

2

4

23

3,8

475

Philippines

0

8

1

17

2,8

1 600

Others

130

56

83

126

21

62

Total

296

242

282

601

 

115

FRONTEX · ANNUAL RISK ANALYSIS 2013

Indicator 2 — Detections of facilitators:

The number of facilitators intercepted by Member State authorities who have intentionally assisted third-country nationals in the illegal entry to, or exit from, the territory across external borders. The indicator concerns detections of facilitators at the following locations: (1) at the external border (both at and between BCPs, for land air and sea) and (2) inside the territory and at internal borders between two Schengen Member States provided that the activities concerned the facilitation of third-country nationals for illegal entry or exit at external borders. This indicator should include third-country nationals as well as EU and/or Schengen Associated Country (SAC) nationals.

Facilitators

Detections reported by Member State, place of detection and top ten nationalities (2)

 

2009

2010

2011

2012

Share of total

% change on prev. year

Border Type

Inland

5 901

5 918

5 146

5 186

67

0,8

Land

1 160

1 171

625

887

11

42

Land Intra EU

618

616

365

498

6,5

36

Sea

997

503

324

471

6,1

45

Air

277

300

367

358

4,6

–2,5

Not specified

218

121

130

320

4,1

146

Top Ten Nationalities

Italy

875

1 367

568

543

7,0

–4,4

Spain

286

285

320

498

6,5

56

Not specified

322

261

255

479

6,2

88

Morocco

475

413

390

461

6,0

18

Romania

292

398

268

364

4,7

36

France

230

365

404

352

4,6

–13

China

731

554

375

316

4,1

–16

Pakistan

245

245

237

286

3,7

21

Albania

670

430

221

243

3,1

10

Turkey

405

305

204

238

3,1

17

Others

4 640

4 006

3 715

3 940

51

6,1

Total

9 171

8 629

6 957

7 720

 

11

Indicator 3 — Detections of illegal stay:

The number of third-country nationals detected by Member State authorities while not fulfilling, or no longer fulfilling, the conditions for stay or residence in the Member State during the reference month, irrespective of whether they were detected inland or while trying to exit the territory. The category should include third-country nationals who are not in the possession of a valid visa, residence permit, travel document, etc or in breach of a decision to leave the country. It also includes third-country nationals who initially entered legally but then overstayed their permission to stay. This indicator should not include EU or Schengen Associated Country (SAC) nationals.

Illegal stay

Detections reported by Member State, place of detection and top ten nationalities

 

2009

2010

2011

2012

Share of total

% change on prev. year

Place of Detection

Inland

340 180

295 274

283 308

278 438

81

–1,7

Air

28 624

29 322

33 126

35 410

10

6,9

Land

6 351

7 011

17 640

19 883

5,8

13

Land Intra EU

17 594

12 996

9 230

5 832

1,7

–37

Sea

19 156

7 232

6 593

4 585

1,3

–30

Between BCPs

198

1 233

1 049

724

0,2

–31

Not specified

22

9

2

56

 

2 700

Top Ten Nationalities

Afghanistan

38 637

21 104

25 296

24 395

7,1

–3,6

Morocco

25 816

22 183

21 887

21 268

6,2

–2,8

Pakistan

9 058

10 508

12 621

18 334

5,3

45

Algeria

12 286

14 261

15 398

15 776

4,6

2,5

Tunisia

10 569

8 350

22 864

15 211

4,4

–33

Albania

28 810

20 862

10 207

13 264

3,8

30

Ukraine

10 021

8 835

12 847

13 081

3,8

1,8

Syria

3 838

3 160

3 746

11 967

3,5

219

Serbia

7 028

12 477

10 397

11 503

3,3

11

Russian Federation

9 526

9 471

10 314

11 486

3,3

11

Others

256 536

221 866

205 371

188 643

55

–8,1

Total

412 125

353 077

350 948

344 928

 

–1,7


(1)  This designation is without prejudice to positions on status, and is in line with UNSCR1244 and the ICJ Opinion on the Kosovo declaration of independence.

(2)  

®

Italy does not distinguish between facilitators of illegal border-crossing and facilitators of illegal stay.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/47


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Sicherstellung von für die EU wichtigen Einfuhren durch die derzeitige EU-Handelspolitik und verwandte Politikbereiche“

2014/C 67/08

Berichterstatter: Jonathan PEEL

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf seiner Plenartagung am 16./17. Januar 2013, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Sicherstellung von für die EU wichtigen Einfuhren durch die derzeitige EU-Handelspolitik und verwandte Politikbereiche.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 25. September 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 105 Stimmen gegen 1 Stimme bei 1 Enthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Die Wettbewerbsfähigkeit der EU, wenn nicht gar die Erhaltung des allgemeinen Lebensstandards und der Lebensqualität, sind von einer sicheren, regelmäßigen Versorgung mit grundlegenden und wichtigen Importgütern abhängig. Im zweiten Tätigkeitsbericht der GD Handel (1) wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der Vielfalt an Erzeugnissen, die sie benötigen, die meisten Volkswirtschaften nicht rohstoffautark sind und dass gegenseitige Abhängigkeit eine für alle Volkswirtschaften unvermeidliche Tatsache ist. Der Zugang zu diesen Materialien zu erschwinglichen Preisen ist für das nachhaltige Funktionieren der Wirtschaft der EU und der modernen Gesellschaft insgesamt von zentraler Bedeutung.

1.1.1

Die weltweit wichtigsten natürlichen Ressourcen wie Agrarland/Nahrungsmittel, Wasser, Energie sowie bestimmte Metalle und wichtige Mineralien sind endlich und werden womöglich immer knapper. Die Nachfrage nach diesen Ressourcen war jedoch noch nie stärker und hat noch nie so rasch zugenommen wie derzeit. Eine unzulängliche Reaktion auf den Klimawandel könnte die Lage noch weiter verschärfen. Obwohl in der EU ein für Nahrungsmittel, Wasser und Landwirtschaft relativ günstiges, gemäßigtes Klima herrscht, kann sie weder ihren Bedarf an Energie noch an zahlreichen strategisch wichtigen Metallen und Mineralien selbst decken.

1.2

Die EU muss daher einem Höchstmaß an Ressourceneinsparungen, Ressourceneffizienz, Innovation und Substitution, insbesondere durch nachhaltige Nutzung, Wiederverwendung und Recycling von Energie und den wichtigen strategischen Metallen, Mineralien und anderen natürlichen Ressourcen, größte Bedeutung beimessen. Der EWSA begrüßt insbesondere, dass dieser Frage im Rahmen der europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) sowie der jüngsten Überprüfung der Rohstoffinitiative (2) durch die Kommission besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auch die Zivilgesellschaft ist umfassend und aktiv einzubinden, denn nicht zuletzt kommt Interessenträgern und Verbrauchern eine zentrale und verantwortungsvolle Rolle dabei zu, möglichst hohe Wiederverwendungs- und Recyclingquoten und möglichst geringe Abfallquoten sicherzustellen.

1.3

Hauptgegenstand dieser Stellungnahme ist jedoch die Sicherstellung wichtiger Importgüter durch Handelspolitik und verwandte Politikbereiche.

1.4

Obwohl die EU mit ihrem Ansatz für einen nachhaltigen Handel ihren wichtigsten Wettbewerbern bereits voraus ist, muss jede EU-Strategie für den Bezug wichtiger Importgüter auf dem Nachhaltigkeitsprinzip basieren. Wie die Kommission selbst voll und ganz anerkennt, muss diese Strategie auch in Einklang stehen mit dem Entwicklungsprogramm der EU, unter besonderer Berücksichtigung der AKP-Staaten, der am wenigsten entwickelten Länder, der Entwicklung der Allgemeinen Präferenzsysteme GSP und GSP+ und der noch anstehenden Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen.

1.5

Der Ausschuss hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass zwischen der Bewahrung der natürlichen Ressourcen, der Bekämpfung von Armut und der Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch auf Kohärenz geachtet werden muss. Ferner müssen umfassende partizipative Verfahren zur Einbeziehung der Zivilgesellschaft geschaffen werden, da diese zusammen mit dem sozialen Dialog wichtig sind, um eine gute Regierungsführung und die Bekämpfung von Korruption sicherzustellen.

1.6

Der Ausschuss begrüßt, dass die Hochrangige Gruppe namhafter Persönlichkeiten der Vereinten Nationen in ihrem Bericht vom 30. Mai 2013 die "Nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen" als eines von 12 exemplarischen Zielen festgelegt hat. Die Kommission bezieht sich ihrerseits in ihrer wichtigen Mitteilung "Ein Leben in Würde für alle" (3) im Hinblick auf neue Ziele für eine nachhaltige Entwicklung ab 2015 auf diese Initiative der UN, mit der die Fortschritte bei den Millenniumsentwicklungszielen mit den Ergebnissen der Rio+20-Konferenz verknüpft werden. Laut dieser Mitteilung steht "die Welt […] vor zwei dringenden Aufgaben: die Beseitigung der Armut und die Schaffung einer nachhaltigen Grundlage für Wohlstand und Wohlergehen." Diese Ziele werden jedoch schwerer zu erreichen sein, wenn die Versorgung mit wichtigen strategischen Ressourcen weltweit kritisch wird.

1.6.1

Ferner wird in der Mitteilung darauf hingewiesen, dass "zwei Drittel der von der Natur bereitgestellten Dienstleistungen, darunter fruchtbarer Boden, sauberes Wasser und saubere Luft, […] in zunehmendem Maße beeinträchtigt werden und der Verlust an biologischer Vielfalt […] an Grenzen [stößt], jenseits derer die Auswirkungen auf die menschliche Gesellschaft und die natürliche Umwelt unumkehrbar werden". Der Ausschuss bezeichnet diese Mitteilung als "Markstein" und hebt hervor, dass "in Anbetracht der Endlichkeit vieler […] natürlicher Ressourcen weltweit […] die SDG auch auf eine effizientere Nutzung und gerechtere Teilung dieser Ressourcen abheben [müssen]."

1.7

Der Ausschuss begrüßt die Fortschritte bei der Rohstoffinitiative der Kommission. Lösungen für eine effiziente Verwaltung der weltweit wichtigsten Ressourcen müssen jedoch in erster Linie auf globaler Ebene gefunden werden. Wie die Kommission selbst feststellt, "sind zur Sicherstellung einer dauerhaften Rohstoffversorgung EU-weit oder sogar international abgestimmte Maßnahmen erforderlich, um so den internationalen Rahmen zu verbessern und eine engere Zusammenarbeit zu fördern" (4). Die Probleme sind zwar derzeit eher geopolitischer als geologischer Natur, doch zeigt sich der Ausschuss enttäuscht darüber, dass die Reaktion der EU eher nach einem Flickwerk aus Einzelinitiativen als nach einer umfassenden Gesamtstrategie aussieht. Der Ausschuss begrüßt ungeachtet dessen die enge Zusammenarbeit der EU mit den USA und Japan, der wichtigen strategischen Partnerschaft, auf die in der Kommissionsmitteilung "Grundstoffmärkte und Rohstoffe: Herausforderungen und Lösungsansätze" (5) von 2011 Bezug genommen wird, ebenso wie die Zusammenarbeit mit den Ländern, die in der Überprüfung der Rohstoffinitiative erwähnt werden. Dies zeigt zu Recht, wie wichtig die Zusammenarbeit mit der Kommission der Afrikanischen Union und mit Afrika allgemein ist.

1.7.1

Der EWSA spricht sich für die aktive Weiterverfolgung einer EU-Rohstoffdiplomatie aus. Insbesondere ist er der Ansicht, dass die weltweiten Bemühungen verstärkt und besser abgestimmt werden müssen, insbesondere durch die G20 (zu denen zahlreiche Nachfrageländer für strategische Importe gehören), in deren Rahmen das Thema bislang nicht sehr produktiv erörtert wurde, aber auch durch die OECD und die Vereinten Nationen und ihre Agenturen. Ein rücksichtsloser Wettlauf um Ressourcen ist für niemanden hilfreich.

1.7.2

Größtes Hindernis für einen integrierten globalen Ansatz ist der Mangel an wirksamen Durchsetzungsmechanismen. Der Ausschuss empfiehlt daher, im Rahmen der längst fälligen Umstrukturierung der völkerrechtsbasierten WTO eine eigene Zuständigkeit für Energie und Rohstoffe sowie deren nachhaltige Verwendung zu schaffen. Auch das UNCTAD Global Commodities Forum sollte stärkere Beachtung finden. Eine zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist die Schutzbedürftigkeit der Entwicklungsländer. Für die vom Rohstoffexport abhängigen Länder sind die Rohstoffsektoren häufig wichtigste Einnahmequelle und Beschäftigungsmöglichkeit. Das Entwicklungsmodell dieser Länder wird jedoch dadurch in Frage gestellt, dass sie nicht in der Lage sind, das rohstoffbasierte Wachstum in ein dauerhafteres Wirtschaftswachstum auf breiter Grundlage mit größerem Nutzen für arme Bevölkerungskreise zu überführen. Unter umfassender Mitwirkung der Zivilgesellschaft sind dringend grundlegende Überlegungen darüber anzustellen, wie ihre Politik, ihre Institutionen und ihre Infrastruktur verändert werden müssen, um die Einkünfte aus Rohstoffen mit den Entwicklungsergebnissen, einschließlich der Millenniumsentwicklungsziele und der Ziele der nachhaltigen Entwicklung zu verknüpfen.

1.8

Auch dem Privatsektor kommt eine entscheidende Bedeutung zu: Bergbau und Energiegewinnung sind heutzutage meist marktbestimmt. Die Gewinnung und Verarbeitung ist ausgesprochen kapitalintensiv und deshalb in hohem Maße von multinationalen Konzernen abhängig. Darum ist darauf zu achten, dass die Kernübereinkommen der ILO, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die spezifischen Leitlinien der OECD für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolle Lieferketten (6) auch unter aktiver Mitwirkung der Sozialpartner vollständig umgesetzt und ihre Einhaltung überwacht werden. In ihrer Mitteilung "Das globale Europa" weist die Kommission darauf hin, dass Vorteile der Liberalisierung des Handels "an die Bürger weitergegeben werden müssen. Wenn wir zu Hause Kohäsion und soziale Gerechtigkeit anstreben, sollten wir im Übrigen auch versuchen, unsere Werte, und dazu zählen auch unsere Sozial- und Umweltstandards und die kulturelle Vielfalt, weltweit zu befördern" (7).

1.9

Die Einfuhr von Energie und Rohstoffen in die EU macht ein Drittel aller EU-Importe aus (2010: 528 Mrd. EUR) (8). Die EU ist derzeit bemüht, Handelshemmnisse für diese Importe, wie etwa Ausfuhrverbote, neue Beschränkungen, besondere Ausfuhrzölle oder Preisdifferenzierungen im Rahmen ihrer Handelsverhandlungen (Freihandelsabkommen, Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, Partnerschafts- und Kooperationsabkommen und WTO-Beitrittsverhandlungen) aus dem Weg zu räumen und will als letztes Mittel auf Streitbeilegungsmechanismen zurückgreifen.

1.9.1

Der Ausschuss ist jedoch sehr darüber besorgt, dass es sich hierbei um taktische handelspolitische Instrumente handelt, die keine Gesamtstrategie bilden und in Krisenzeiten nicht greifen würden. Streitbeilegungsmechanismen brauchen Zeit und können sich, wie im Falle der seltenen Erden, längere Zeit hinziehen. Für den Fall, dass ein besonders wichtiges Importgut unerwartet nicht mehr zur Verfügung steht, braucht die EU ein klares Notfall- oder Krisenreaktionsverfahren.

1.10

Alleine im Bereich Energie kommen 85 % der EU-Erdgasimporte und nahezu 50 % der Rohölimporte aus Russland, Norwegen und Algerien. Bis vor kurzem sind große Energieerzeugerländer nur zögerlich der WTO beigetreten, die als regelbasierte Organisation für größere Stabilität und Verlässlichkeit bürgt. Der Ausschuss fordert daher die EU auf, die Gelegenheit des WTO-Beitritts Russlands 2012 dazu zu nutzen, den Verhandlungen über ein neues Handels- und Investitionsabkommen EU-Russland neuen Schwung zu geben und vertiefte Arbeitsbeziehung aufzubauen.

1.10.1

Der Ausschuss fordert zudem die Kommission auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um sowohl den WTO-Beitritt Kasachstans als auch jüngste Dynamik bei den Beitrittsverhandlungen Algeriens und Aserbaidschans weiter zu fördern. Neuer Schwung ist auch für die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei notwendig, der als Energieumschlagplatz und Transitland entscheidende Bedeutung zukommt.

1.11

Der EWSA ruft die Kommission ferner nachdrücklich dazu auf, alles zu tun, damit beim nächsten WTO-Ministertreffen das vorgeschlagene WTO-Abkommen ("early harvest agreement") über Handelserleichterungen und andere Themen im Zusammenhang mit der Landwirtschaft, die nicht ohne Weiteres in bilateralen Abkommen geregelt werden können, zustande kommt. Da die Doha-Verhandlungen ins Stocken geraten sind, gehen die Arbeiten auch in diesem Bereich nur sehr langsam voran. Sollte selbst dieses wenig ehrgeizige Ziel nicht erreicht werden, könnte dies ernsthafte Auswirkungen auf die Verhandlungsrolle der WTO insgesamt haben: das endgültige Scheitern auf multilateraler Ebene könnte verheerende Folgen für die weltweite Nahrungsmittelsicherheit insgesamt haben.

1.12

Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Initiative der Kommission für eine verantwortungsvolle Gewinnung so genannter Konfliktmineralien (d.h. Mineralien aus Konfliktregionen oder anderen Hochrisikogebieten) sowie weitere Maßnahmen "zur Unterstützung ressourcenreicher Entwicklungsländer unter besonderer Beachtung der Transparenz bei der Lieferkette für Mineralien". Er zeigt sich aber nach wie vor besorgt darüber, dass die Nachverfolgbarkeit oftmals nicht vollkommen gewährleistet werden kann und infolgedessen der Handel häufig auf Nachbarländer "umgeleitet" wird oder dass sich Unternehmen womöglich eher zurückziehen als sich Vorwürfen auszusetzen. Auch ein Ansatz der Freiwilligkeit auf der Grundlage der OECD-Leitlinien für multinationale Konzerne sollte in Erwägung gezogen werden, und Initiativen wie EITI (9) zur Transparenz der Zahlungsströme gefördert und umfassend unterstützt werden. Auch hierbei ist ein umfassendes partizipatives Verfahren unter Mitwirkung der Zivilgesellschaft erforderlich.

2.   Grundlegend wichtige Importgüter – Hintergrundinformationen

2.1   Für die rasant ansteigende Nachfrage nach natürlichen Ressourcen gibt es zahlreiche Ursachen. Hierzu zählt etwa die zu erwartende Weltbevölkerung von 9 Mrd. Menschen, eine rasche Industrialisierung und Verstädterung, wobei zum ersten Mal mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten und Ballungsgebieten leben wird, und bis 2030 weitere zwei Milliarden Angehörige der Mittelschicht, die eine dementsprechend weitaus größere Vielfalt und Auswahl an Konsumgütern wollen (und sich leisten können). Kein Land hat ein Vorrecht auf diese Ressourcen: bereits heute steigt der Gebrauch von Mobiltelefonen weltweit rasant an.

2.1.1   Das Problem gewinnt noch dadurch an Brisanz, dass sich die Lagerstätten zahlreicher wichtiger Mineralien häufig in Konfliktzonen befinden und wichtige Energiequellen in Ländern mit anderen politischen Problemen vorkommen. Bevor die Nachfrage nach wichtigen Rohstoffen das Angebot übersteigt, müssen daher weltweit vorbeugende Maßnahmen getroffen werden, die sich entweder gegen einen rasanten Preisanstieg richten, der für sich genommen schon verheerende Auswirkungen auf die unmittelbare Verfügbarkeit dieser Materialien haben könnte (ganz zu schweigen von den Folgen für Menschen in Armut) oder die auf Vermeidung von Krieg und Konflikten ausgerichtet sind.

2.2   Energie

2.2.1

Da Energie für die Erhaltung unseres Lebensstandards und unserer Lebensqualität grundlegende Bedeutung hat, ist sie bei allen Überlegungen über grundlegende Importgüter für die EU ein wichtiger strategischer Faktor. Der internationale Energiemarkt ist jedoch in hohem Maße von Wettbewerb und Instabilität geprägt. Der Energiemix der EU besteht zu 55 % aus Einfuhren (10); die EU insgesamt deckt 60 % ihres Gasbedarfs und mehr als 80 % ihres Erdölbedarfs (11) mit Importen ab. Zugleich sieht sie sich einem wachsenden Nachfragewettbewerb, vor allem durch die Schwellenländer ausgesetzt.

2.2.2

In den kommenden 20 Jahren könnte die weltweite Energienachfrage um 40 % ansteigen; unzulängliche Klimaschutzmaßnahmen könnten die Situation weiter verschärfen. Obwohl eine sichere und zuverlässige Energieversorgung von zentraler Bedeutung ist, sind viele Mitgliedstaaten auf nur einige wenige Energiezulieferer angewiesen und daher insbesondere bei Gas und Öl anfällig für Engpässe und Preisschwankungen. Insbesondere für die drei baltischen Staaten ist eine Diversifizierung der Energieversorgung dringend erforderlich.

2.2.3

Energiefragen sind Gegenstand geteilter Zuständigkeiten zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, weitere Schwierigkeiten ergeben sich durch Fragen wie Geschäftsgeheimnisse und staatliche Souveränität. Die Kommission hat auf diese Situation in zweifacher Form reagiert: Zunächst wird ein Mechanismus für den Informationsaustausch über zwischenstaatliche Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten eingerichtet. Diese Maßnahme hat der Ausschuss "als geeigneten Schritt hin zur Verwirklichung einer gemeinsamen Energieaußenpolitik der EU" im Einklang mit der Strategie "Energie 2020" begrüßt und darauf hingewiesen, dass "die EU bei ihren Bemühungen um eine angemessene, stabile und sichere Energieversorgung für die absehbare Zukunft verstärkt mit einer Stimme sprechen [muss]."

2.2.3.1

Bislang standen in der EU niemandem vollständige Informationen über jedweden bestimmten Handelspartner zur Verfügung, während diese beiden Handelspartner durchaus diese Informationen haben. Für Öl bestehen etwa 30 zwischenstaatliche Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten, etwa 60 für Gas, weniger dagegen für Strom.

2.2.4

Der zweite Schwerpunkt der Strategie der Kommission ist der Energiefahrplan 2050, den der Ausschuss ebenfalls begrüßt hat. In dem Fahrplan wird hervorgehoben, dass dringend Energiestrategien für den Zeitraum nach 2020 entwickelt werden müssen. Zudem wird eine Reihe von Szenarien durchgespielt, die u.a. sehr strikte Energiesparmaßnahmen, die CO2-Bepreisung, die Entwicklung erneuerbarer Energieträger, der CO2-Abscheidung und den Ausbau von Atomenergie umfassen.

2.2.5

Im Hinblick auf die Sicherstellung der wichtigsten Importgüter hat der Ausschuss eine umfassende Strategie für die Energieaußenbeziehungen (12) und die rasche und progressive Entwicklung einer gemeinsamen EU-Energieaußenpolitik (13) gefordert. Die Behandlung dieser Fragen steht nach wie vor aus. Unter dem spezifischen Gesichtspunkt der Handelspolitik ist es jedoch von zentraler Bedeutung, dass zum einen mögliche Versorgungs- und Infrastrukturengpässe festgestellt werden und zum anderen die wichtigsten Energielieferer der WTO beitreten, nicht zuletzt um eine größere Stabilität und Vorhersehbarkeit zu gewährleisten.

2.3   Nahrungsmittel, Land und Wasser

2.3.1

Der zweite Bereich an Naturressourcen, der zur Erhaltung eines angemessenen Lebensstandards und einer angemessenen Lebensqualität notwendig ist, umfasst Agrarland, Nahrungsmittel und Wasser, deren Bestand ebenfalls durch unzulängliche Maßnahmen gegen den Klimawandel gefährdet ist.

2.3.2

Trotz ihrer großen Bevölkerungsdichte und der Tatsache, dass sich nur ein Achtel ihres Landes für den Ackerbau eignet, sind die Bedingungen in der EU aufgrund ihres gemäßigten Klimas günstig. Zunehmende Wasserknappheit stellt eine Bedrohung dar, mit der zwar nur die Mitgliedstaaten im äußersten Süden der EU zu tun haben, gegebenenfalls würden diese aber mit Wasser aus anderen EU-Ländern versorgt werden.

2.3.3

Mit dem Thema Ernährungssicherheit, insbesondere als ein größeres, weltweites Problem als einer der Hauptgründe für die GAP-Reform hat sich der Ausschuss bereits befasst (14).

2.3.4

Die EU importiert mehr Nahrungsmittel aus am wenigsten entwickelten Ländern als die USA, Kanada, Japan und Australien zusammen. Obwohl die Copa-Cogeca auf die negative Handelsbilanz bei Agrarprodukten hinweist, meldet die Kommission für das Jahr 2012 unter Einschluss der verarbeiteten Lebensmittel einen Gesamthandelsüberschuss der EU von 12,6 Mrd. EUR. Das wichtigste Agrarimportgut der EU ist Soja für Tierfutter, ohne das die Fleisch- und Milcherzeugung stark gefährdet wäre (in diesem Zusammenhang sind die Schwellenwerte für GVO von Bedeutung). Weitere Erzeugnisse, die nur andernorts in ausreichender Menge produziert werden, sind bestimmte Ölsaaten, Früchte, Kaffee, Kakao und Tee.

2.3.5

Während bei diesen Erzeugnissen kaum die Gefahr von Einfuhrbeschränkungen besteht, sind die wichtigen Themen hier die unterschiedlichen Sozial- und Umweltnormen, zu denen u.a. die Rückverfolgbarkeit, gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS) und Tierschutz sowie Fragen des geistigen Eigentums zählen. Für zahlreiche Entwicklungsländer sind Agrarerzeugnisse sehr wichtige, wenn nicht gar die wichtigsten Exportgüter, als deren Hauptabsatzmarkt die EU gilt. Nach vielfacher Meinung wird der Zugang zu diesem Markt durch EU-Lebensmittelsicherheitsnormen und andere Vorschriften in ungerechtfertigter Weise beschränkt.

2.3.6

Die Landwirtschaft ist eine zentrale Frage bei der Doha-Verhandlungsrunde der WTO; die entsprechenden Verhandlungen sollten 1999, vor Beginn der Doha-Runde aufgenommen werden, die Doha-Verhandlungen sind allerdings gescheitert. Der Ausschuss ist sehr besorgt über die ernsthaften Konsequenzen, die für die WTO, vor allem aber für die Ernährungssicherheit weltweit damit verbunden wäre, wenn sogar über das "early harvest"-Abkommen über Handelserleichterungen und andere landwirtschaftsbezogene Fragen auf dem nächsten WTO-Ministertreffen keine Einigung erzielt würde.

2.4   Strategisch wichtige Mineralien und Rohstoffe

2.4.1

Der dritte grundlegende, strategisch wichtige Bereich der EU-Importgüter betrifft den Zugang zu strategisch wichtigen Mineralien und Rohstoffen.

2.4.2

Zu den wichtigen Rohstoffen gehören metallische Mineralien und Industriemineralien, Baumaterialien, sowie unedle Metalle wie Kobalt, Gallium, Indium und mehrere seltene Erden. Sie finden im Alltagsleben verschiedenartige Verwendung, insbesondere in Autos, Flugzeugen und IT-Geräten. In ihrer Mitteilung aus dem Jahr 2011 listet die Kommission "kritische Rohstoffe" einschließlich Rückgewinnungs- und Substitutionsquoten auf; derzeit wird diese Liste unter Berücksichtigung der Marktentwicklungen, der technologischen und anderer Entwicklungen aktualisiert. Einige dieser grundlegenden Komponenten sind natürlich bereits vor der Einfuhr nach Europa in vorgefertigten Produkte enthalten, andere strategische Materialien sind derzeit nicht knapp; IT-Zubehör und andere wichtige Geräte können allerdings schnell veralten und werden dann rasch entsorgt.

2.4.3

Schätzungen der Londoner Metallbörse zufolge entfallen etwa 7 % des Gesamtverbrauchs an Kupfer auf die Automobilbranche; außerdem enthalten Autos Stahl, Aluminium, Platin (60 % des Verbrauchs insgesamt), Palladium, Rhodium, Blei, Zinn, Kobalt und Zink. Auch mobile Telefongeräte und I-Pads enthalten Kupfer, Silber, Gold, Palladium und Platin. Der regelmäßige Neukauf dieser Geräte, etwa alle zwei Jahre, stellt bereits heute ein großes Problem dar; der Gebrauch dieser Geräte wächst jedoch weltweit rasant an: alleine in China und Indien sind schätzungsweise bereits 2 Milliarden Mobiltelefone in Gebrauch. Schätzungen zufolge ist alleine der Anteil Chinas am weltweiten Kupferverbrauch in zehn Jahren von 12 % auf 40 % gestiegen ist.

2.4.4

Aufgrund des technischen Fortschritts werden einige der derzeit wichtigsten und gefragtesten Mineralien in Zukunft keine entscheidende Rolle mehr spielen, bei anderen, wie etwa den seltenen Erden (die zum Beispiel Bestandteil der modernsten Mobiltelefone sind), gelangt die Nachfrage plötzlich an einen kritischen Punkt. So verhängte zum Beispiel China, das über schätzungsweise 97 % der weltweiten Vorkommen verfügt, Ausführbeschränkungen für seltene Erden, für die bislang noch keine Rückgewinnung und Substitution möglich ist. Obwohl China die Klage bei der WTO zunächst verlor, musste die EU einen zweiten Prozess anstrengen.

3.   Strategische Nachhaltigkeit - eine Herausforderung für die EU

3.1

Die Sicherstellung strategischer Rohstoffe war in der Vergangenheit für Staaten und Imperien schon immer ein zentrales Ziel der Außenpolitik – und ist es heute auch für größere Unternehmen und Konzerne. Wie bereits erwähnt, gibt es keine rohstoffautarken Volkswirtschaften.

3.2

Es bleibt stets die Gefahr unvorhersehbarer, kurzfristiger Erschütterungen durch Preisanstieg oder andere Ursachen, angefangen bei Verkehrs- oder Infrastrukturproblemen bis hin zu vorsätzlichen Blockaden, ökologischen und anderen Vorfällen, wie etwa in Fukushima. Zu den Beispielen der jüngeren Vergangenheit gehören Energieengpässe aufgrund der Unterbrechung der Lieferungen aus Russland (2006 und 2009) sowie die Ölkrisen in den frühen 1970-er Jahren.

3.2.1

Die Gegenmaßnahmen, die der Kommission zur Verfügung stehen, sind in der Regel langfristiger Natur. Die Kommission befasst sich seit vielen Jahren mit dem Problem. In ihren Handelsverhandlungen versucht sie derzeit, Handelshindernisse zu beseitigen. Obschon der Ausschuss davon überzeugt ist, dass die Versorgung in jedem einzelnen Fall sichergestellt ist, wird der Sicherstellung der Versorgung mit grundlegenden Importgütern im Krisenfall anscheinend nur wenig Bedeutung beizumessen.

3.3

Die Frage der Zuständigkeit ist nur eine der vielen Herausforderungen für die EU. Sie verfügt über Zuständigkeit in Handelsfragen, kann aber im Unterschied zu den USA, den einzelnen Mitgliedstaaten, Militärorganisationen und sogar einzelnen Unternehmen, selbst keine strategischen Vorräte an Erdöl oder anderen wichtigen Rohstoffen anlegen. In der überprüften Fassung der Europäischen Rohstoffinitiative wird dementsprechend darauf hingewiesen, dass "kein einziger Mitgliedstaat bereit wäre, ein Bevorratungsprogramm als politische Option zu unterstützen."

3.3.1

Die EU kann nur Überzeugungskraft einsetzen. Ihre Aufgabe ist es, einen übergreifenden strategischen Rahmen zu erarbeiten. Die EU ist in der Lage, in den drei folgenden wichtigen Bereichen eine Führungsrolle zu übernehmen: bei der Förderung eines weltweiten Rahmens, der Unterstützung von Nachhaltigkeit und bei der Sicherstellung einer umfassenden und aktiven Mitwirkung der Zivilgesellschaft. Da in den Empfehlungen viele dieser Bereiche bereits behandelt werden, müssen die Argumente hier nicht erneut angeführt werden; der Ausschuss ist jedoch erfreut über die zweifache Hervorhebung der Kommission (15), dass eine nachhaltige Rohstoffgewinnung "zur nachhaltigen Entwicklung beitragen kann und sollte". Nachhaltigkeit muss jeder Strategie für den Bezug wichtiger Importgüter zugrunde liegen.

3.4

Die Rolle der Privatwirtschaft ist dabei von herausragender Bedeutung: der Abbau von Bodenschätzen läuft heute in der Regel über den freien Markt. Dies zeigt sich deutlich in den offeneren Teilen der Welt, wie der EU, den USA, Australien, Südafrika, Brasilien und Indien sowie bis zu einem gewissen Grad auch bei den großen russischen Energieunternehmen. In diesem Zusammenhang begrüßt der Ausschuss insbesondere die Verpflichtung der Industrial Minerals Association Europe, "fortgesetzt auf die Verbesserung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Leistung hinzuwirken".

3.4.1

In der Mitteilung von 2011 wird festgestellt, dass "die Sicherstellung der Versorgung mit Rohstoffen […] im Wesentlichen die Aufgabe von Unternehmen [ist]; die Aufgabe öffentlicher Stellen ist es, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen, damit die Unternehmen diese Aufgabe erfüllen können".

3.5

Im Gegensatz hierzu stehen in einer zentralen Planwirtschaft wie China die meisten Wirtschaftskräfte und -akteure unter mehr oder weniger starker zentraler Kontrolle. Der strategische Ansatz Chinas zur Sicherung seiner künftigen Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln, Wasser, Mineralien und Energie ist klarer und umfassender als die Pläne aller anderen Länder – ein Umstand, der insbesondere im Hinblick auf Afrika weithin Besorgnis erregt. Der EWSA hat darauf hingewiesen, dass "China […] nach neuen Rohstoffquellen und Ländern für seine Auslandsinvestitionen [sucht] und […] in mehreren afrikanischen Staaten Partnerschaften geschlossen [hat], die stärker auf kommerzielle Investitionen als auf Entwicklungshilfeinvestitionen ausgerichtet sind" (16).

3.5.1

Es gibt jedoch auch Anhänger der These, dass China "schlechte" Geschäfte gemacht hat und für seine Rohstoffe deutlich zu viel zahlen muss, und dass das Land durch Handel mit Ländern, der für andere Länder aus politischen Gründen schwierig wäre, die Verfügbarkeit dieser Mineralien eigentlich vergrößert.

3.6

Für viele rohstoffarme Entwicklungsländer ist es schwierig, den Zugang zu Rohstoffen sicherzustellen. Auch ressourcenreiche exportierende Länder müssen sich mit Armutsbekämpfung befassen. Diese Länder müssen aus der Weiterverarbeitung mehr Wertschöpfungsbeiträge gewinnen und müssen Arbeitspartnerschaften mit dem Privatsektor aufbauen.

3.6.1

Die Bedenken in Bezug auf die sogenannten Konfliktmineralien wurden bereits genannt. Die Initiative der Europäischen Kommission bezieht sich ausschließlich auf Konfliktgebiete oder durch Kriege verwüstete Gebiete, doch wird darauf hingewiesen, dass "Förderung, Transport, Handel und Verarbeitung von Mineralien mit dem Missbrauch von Einnahmen, wirtschaftlichem Niedergang, politischen Konflikten und staatlicher Instabilität verknüpft sind" – Phänomene, die durch die Veruntreuung von Geldern durch Krieg führende Länder, dem so genannten "Ressourcenfluch", noch weiter verstärkt wird.

3.6.2

Initiativen wie die Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft EITI müssen gefördert und in vollem Umfang unterstützt werden; ferner müssen umfassende partizipative Verfahren unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft eingerichtet werden. Diese Maßnahmen sind neben dem sozialen Dialog die wichtigsten Faktoren zur Gewährleistung einer guten Regierungsführung und zur Bekämpfung von Korruption. Die Kontrollfunktion, die der Zivilgesellschaft in den jüngsten Handelsabkommen der EU Zivilgesellschaft zukommt, ist hierfür ein hervorragendes Beispiel, aber die Zivilgesellschaft sollte in jedem Stadium der Verhandlungen über Freihandelsabkommen, Wirtschaftspartnerschaftsabkommen und Partnerschafts- und Kooperationsabkommen unter angemessener Berücksichtigung der Transparenz umfassend und aktiv mitwirken, bevor diese abgeschlossen worden sind. Da der Privatsektor eine große Rolle spielt, muss auch der Standpunkt der Sozialpartner angehört werden.

4.   Die aktuelle Politik der Kommission für strategisch wichtige Mineralien und Rohstoffe

4.1

Die Kommission (GD Unternehmen) hat 2008 ihre Rohstoffinitiative ins Leben gerufen. Diese Strategie ruht auf drei Säulen: 1. gleiche Zugangsbedingungen zu Ressourcen in Drittländern, 2. Unterstützung einer nachhaltigen Versorgung mit europäischen Ressourcen und 3. Förderung von Ressourceneffizienz bzw. Recycling.

4.1.1

Die beiden letztgenannten Säulen sind von grundlegender Bedeutung, gehören aber nicht zum Thema dieser Stellungnahme. Dennoch möchte der Ausschuss die Frage aufwerfen, weshalb ein so hoher Prozentsatz recycelfähiger Metallabfälle der EU in Drittländer exportiert wird, wo doch recyceltes Altmetall häufig deutlich wertvoller und zugleich günstiger ist als der ursprüngliche Rohstoff. Praktisch subventioniert Europa damit China.

4.2

In der Mitteilung der Kommission von 2011 wurde der Bericht der Ad-hoc-Arbeitsgruppe zur Festlegung der für die EU als kritisch eingestuften Rohstoffe angenommen. Diesen Aspekt behandelte der Ausschuss in seiner Stellungnahme "Grundstoffmärkte und Rohstoffe: Herausforderungen und Lösungsansätze" (17), die auch die Bedeutung der Finanzmärkte zum Thema hatte. Wie bereits erwähnt, werden in der Mitteilung:

4.2.1

14 kritische Rohstoffe sowie deren Rückgewinnungs- und Substitutionsquoten aufgeführt. Der Ausschuss begrüßt, dass die derzeitige Überarbeitung in vollem Einvernehmen mit den Interessenträgern stattfindet, obgleich politische Optionen nicht geprüft werden, die in Ländern wie den USA oder dem Vereinigten Königreich vermutlich ausschlaggebend wären.

4.2.2

Der Ausschuss begrüßt die umfassende und sehr gründliche durchdachte Methode. Neben anderen Faktoren werden bei dieser Methode Mineralien (und Nebenprodukte) berücksichtigt, die von großer wirtschaftlicher Bedeutung sind (dabei werden Mineralien verglichen, die sehr unterschiedlich sind und in ganz unterschiedlichen Branchen zur Anwendung kommen), solche, die ein hohes Versorgungsrisiko bergen und solche, für die es keine Substitutionsmöglichkeiten gibt. Bei der Verwendung der Indikatoren der Weltbank werden Herkunftsländer mit schlechter Regierungsführung oder hoher Störanfälligkeit (angefangen von der willkürlichen Einführung von Ausfuhrquoten bis hin zum Bürgerkrieg) oder niedrigen Umweltstandards ausgemacht. Auch die potenziellen Recyclingquoten ebenso wie die Qualität der Mineralien, Preisschwankungen und geographische Verfügbarkeit werden geprüft. Diese aufwändige Arbeit ist nach wie vor von grundlegender Bedeutung.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  EU Trade Policy for Raw materials. Second Activity Report, Mai 2012.

(2)  COM(2008) 699 final und COM(2013) 442 final.

(3)  Mitteilung der Kommission – ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt (COM(2013) 92 final) vom 27. Februar 2013; ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 144; Stellungnahme des Ausschusses CESE 2417/2012.

(4)  Siehe Fußnote 1.

(5)  COM(2011) 25 final.

(6)  OECD Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas: Zweite Auflage 2012.

(7)  COM(2006) 567 final, 4. Oktober 2006, Absatz 3.1.iii.

(8)  Siehe Fußnote 1.

(9)  Extractive Industries Transparency Initiative (Initiative zur Verbesserung der Transparenz in der Rohstoffindustrie).

(10)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Energiefahrplan 2050" COM(2011) 885 final, ABl. C 229 vom 31.7.2012, S. 126.

(11)  Mitteilung der Kommission COM(2011) 540 final, zitiert nach der EWSA-Stellungnahme "Zwischenstaatliche Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten im Energiebereich" – ABl. C 68 vom 6.3.2012, S. 65.

(12)  Stellungnahme des EWSA zu den Energieaußenbeziehungen der EU ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 8.

(13)  Stellungnahme des EWSA zum Thema "Energieversorgung: Wie muss eine Nachbarschaftspolitik aussehen, die die Versorgungssicherheit der EU gewährleistet?", ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 15.

(14)  Stellungnahme des EWSA zum Thema "Handel und Ernährungssicherheit", ABl. C 255 vom 2.9.2010, S. 1.

(15)  Siehe Fußnoten 2 und 5.

(16)  Stellungnahme des EWSA "Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik", ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 150.

(17)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 76-81.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/53


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Bestimmung ausstehender Maßnahmen zur Binnenmarktakte“ (Ergänzende Stellungnahme)

2014/C 67/09

Berichterstatterin: Benedicte FEDERSPIEL

Mitberichterstatter: Martin SIECKER und Ivan VOLEŠ

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 14. Februar 2013, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Bestimmung ausstehender Maßnahmen zur Binnenmarktakte

(Ergänzende Stellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 2. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 119 gegen 4 Stimmen bei 13 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) beobachtet die Initiativen der Europäischen Kommission zur Neubelebung des Binnenmarkts bereits seit den Anfängen im Jahre 2010. In seiner Stellungnahme zur Binnenmarktakte I (1) hat der Ausschuss eine Reihe von Maßnahmen vorgestellt, die seiner Auffassung nach die Vorschläge der Kommission ergänzen sollten (2). Die Bemerkungen und Schlussfolgerungen des Berichts über die Unionsbürgerschaft 2010 "Weniger Hindernisse für die Ausübung von Unionsbürgerrechten" (3) sollten berücksichtigt werden. Der EWSA weist die Kommission darauf hin, dass es derzeit mehr Hindernisse für den Binnenmarkt gibt als zum Zeitpunkt seiner Schaffung (4).

1.2

Der EWSA ist einer der wichtigsten Organisationspartner des "Monats des Binnenmarkts". Der Beitrag der zivilgesellschaftlichen Organisationen ist entscheidend für die richtige Ausrichtung der Maßnahmen zur Neubelebung des Binnenmarktes, da sie selbst von ihnen betroffen sind.

1.3

Nach nunmehr drei Jahrzehnten ist es an der Zeit, das wirtschaftspolitische Leitbild der Europäischen Union zu überdenken und sich von dem Glauben zu verabschieden, der freie Markt sei immer in der Lage, Marktversagen zu korrigieren. Die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Bürger schwer getroffen: Die Opfer, die ihnen zugemutet werden, müssen dazu führen, dass sich neue Perspektiven eröffnen. Andernfalls wird ihre Unterstützung für die europäische Integration weiter abnehmen. Unter diesem Aspekt sind die Verabschiedung und die Umsetzung der Initiativen der Binnenmarktakte I und II als zu langsam zu bezeichnen.

1.4

Es bedarf konkreter Maßnahmen zur Bekämpfung jeglicher Art von Armut (z.B. bezüglich Energie, Verbrauch, Überschuldung), die durch die Krise verursacht wurde und die das Wachstum und die Vollendung des Binnenmarkts gefährdet.

1.5

Der EWSA hat wiederholt und nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten ihr Engagement durch eine solide Umsetzung und Durchsetzung unter Beweis stellen sollten, damit ein reibungslos funktionierender Binnenmarkt entstehen kann. Die Durchsetzung soll eine neue grenzüberschreitende Dimension der Zusammenarbeit erhalten. Das Fundament eines zukunftsfähigen Binnenmarkts muss eine nachhaltige und stark wettbewerbsfähige Wirtschaft sein, die sich durch nachhaltige Verfahren und Produkte, ein menschenwürdiges Arbeitsumfeld sowie Innovationen auszeichnet. Die Kommission muss gewährleisten, dass die 500 Mio. Unionsbürgerinnen und -bürger im Mittelpunkt des Binnenmarktes stehen. Sie verfügen über eine große wirtschaftliche Stärke, da ihre Ausgaben laut der Europäischen Verbraucheragenda der Kommission 56 % des BIP der EU ausmachen (5).

1.6

Der Binnenmarkt muss zu konkreten Ergebnissen im Sinne des sozialen und ökologischen Besitzstands der Union führen. Initiativen der Binnenmarktakte I und II müssen mit Maßnahmen und Schritten zur Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalpakt, Europäischer Stabilitätsmechanismus, Euro-Plus-Pakt, usw.) verzahnt werden.

1.7

Verhandlungen über Freihandelsabkommen sollten zur Durchsetzung gleicher Wettbewerbsbedingungen – etwa der Gegenseitigkeit der Zollsätze – führen und zugleich hohe Standards des Verbraucher-, Umwelt-und Sozialschutzes sichern. Im Wettbewerb mit anderen globalen Akteuren muss die EU auf Faktoren achten, die ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, wie etwa zugängliche Energiequellen, qualifizierte Arbeitskräfte und einen flexiblen Arbeitsmarkt.

2.   Der digitale Binnenmarkt

2.1   In der unlängst verabschiedeten Verordnung zu selektiven Vertriebssystemen wird die Unterscheidung zwischen Off- und Online-Vertriebskanälen aufrechterhalten, und von bestimmten Händlern kann verlangt werden, ein physisches Ladengeschäft zu betreiben, ehe sie den Verkauf über das Internet beginnen. Mit der neuen Verordnung wird der selektive Vertrieb alltäglicher Produkte, der den Wettbewerb und die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher beeinträchtigen kann, nicht unterbunden.

2.2   Die Europäische Kommission sollte einen festen Standpunkt beziehen und den Grundsatz der neutralen Suche verteidigen: Suchmaschinen dürfen keine manipulierten Suchergebnisse liefern, die eigenen wirtschaftlichen Interessen dienen. Abhilfemaßnahmen wie die Kennzeichnung der Suchergebnisse reichen nicht aus, um den Wettbewerb wieder herzustellen, wettbewerbsfeindliche Praktiken zu unterbinden und die Interessen der Verbraucher zu schützen.

2.3   Datenschutz

2.3.1

Sobald die überarbeitete Datenschutzverordnung verabschiedet ist, benötigen die Mitgliedstaaten Leitfäden für spezifische Bestimmungen, um eine kohärente Umsetzung sicherzustellen.

2.3.2

Besonderes Augenmerk hat der Ausarbeitung von standardisierten Datenschutzhinweisen zu gelten. Die neue Verordnung enthält eine Bestimmung, der zufolge Regelungen zum Schutz der Privatsphäre transparent und für die Verbraucher verständlich sein sollen. Standardisierte Datenschutzhinweise sollen dazu beitragen, dass Verbraucher ordnungsgemäß über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten informiert werden und Regelungen zum Schutz der Privatsphäre sich künftig nicht wie komplexe Rechtstexte ausnehmen. Es sollte sichergestellt werden, dass den Unternehmen – insbesondere den KMU – keine unverhältnismäßigen Verwaltungslasten und -kosten entstehen.

2.4   Urheberrecht

2.4.1

Den Empfehlungen des ehemaligen Kommissionsmitglieds Vitorino zufolge muss die Europäische Kommission weiterführende Maßnahmen zur schrittweisen Aufgabe des derzeitigen Systems der Urheberrechtsabgaben ergreifen. Kurzfristig sollte das bestehende System reformiert werden, und es sollte sichergestellt werden, dass auf digitale Inhalte, die Lizenzabkommen unterliegen, keine weiteren Abgaben erhoben werden, wenn sie in die Cloud eines Dienstleistungsanbieters hochgeladen oder dort gespeichert werden. Wichtig ist außerdem, dass die Urheberrechtsabgabe für den Endnutzer sichtbar ist und Abgaben nach dem wirtschaftlichen Schaden durch private Kopien bemessen werden.

2.4.2

Mit der Urheberrechtsrichtlinie von 2001 konnte keine Harmonisierung der einzelstaatlichen Urheberrechtsvorschriften erreicht werden. Bei den Ausnahmen und Begrenzungen gibt es bedeutende Unterschiede, was Rechtsunsicherheit für sowohl Verbraucher als auch Kulturschaffende birgt. Die Überarbeitung dieser Richtlinie sollte Priorität haben.

2.4.3

Das derzeitige System für die Verbreitung audiovisueller Inhalte, bei dem die Freigabe über bestimmte Plattformen und für bestimmte Gebiete erfolgt, muss an das digitale Umfeld angepasst werden und den Erwartungen der Verbraucher entsprechen. Die zeitliche Staffelung des Starts von Filmen mittels verschiedener Medien (Kino, DVD, Abrufvideo) und in den verschiedenen Ländern sollte verringert werden und ein gewisses Maß an Flexibilität ermöglichen. Es gibt Raum für das Experimentieren mit innovativen Geschäftsmodellen, die eine zeitgleiche Veröffentlichung audiovisueller Inhalte in Ländern mit gemeinsamen kulturellen und sprachlichen Traditionen erlauben könnten.

2.5   Digitale Produkte

2.5.1

Der Harmonisierungsprozess, der 2011 mit der Richtlinie über Verbraucherrechte begonnen wurde (mit der die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie von 1999 überarbeitet und aktualisiert wurde), muss fortgeführt werden, um die Herausforderungen der digitalen Wirtschaft zu bewältigen. Dringend erforderlich sind Maßnahmen im Falle mangelhafter digitaler Inhalte.

2.5.2

Die Europäische Kommission sollte Leitlinien für die Anwendung der Vorschriften über missbräuchliche Vertragsklauseln (Richtlinie 1993/13/EWG) auf Verbraucherverträge zwecks Lieferung digitaler Inhalte erarbeiten.

3.   Waren und Dienstleistungen

3.1

Im September 2013 legte die Europäische Kommission ein Legislativpaket zur Vollendung des Binnenmarkts für Telekommunikation vor. Der EWSA bedauert, dass in diesem Vorschlag die Gelegenheit zur Abschaffung der Roaminggebühren und damit zur Verbesserung des Binnenmarkts für die europäischen Bürger verpasst wird. Der EWSA begrüßt die vorgeschlagenen Bestimmungen zum leichteren Anbieterwechsel, zur Sicherstellung gerechterer Vertragsbedingungen und Geschäftspraktiken sowie zu besserer Rechtsdurchsetzung und besserem Zugang zu Rechtsschutz. Die Bestimmungen zur Netzneutralität sind ein Schritt in die richtige Richtung, müssen jedoch noch verbessert werden.

3.2

Das Verhältnis zwischen harmonisierten und nicht harmonisierten Bereichen entspricht den grundsätzlichen Bedürfnissen der Wirtschaft. Jedweden weiteren Harmonisierungsvorhaben für Waren müssen sorgfältige Analysen vorausgehen. Für nicht harmonisierte Sektoren, in denen der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gilt, sollte die Kommission Leitlinien über die Rolle und die rechtliche Stellung privater Prüfstellen herausgeben, die Bescheinigungen von Prüfstellen aus anderen Ländern nicht akzeptieren. Die zweisprachige Liste der nicht harmonisierten Produkte auf den Internetseiten der Europäischen Kommission sollte vervollständigt werden.

3.3

Noch immer gibt es für Privatkunden keinen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen. Aufgrund wirtschaftlicher und kommerzieller Schranken können Verbraucher im Prinzip im Ausland keine Finanzdienstleistungen in Anspruch nehmen. Derzeit gibt es von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat große Qualitäts- und Kostenunterschiede bei Girokonten, Sparkonten, Hypotheken usw., weshalb Finanzdienstleistungen aus anderen Ländern für die Verbraucher interessant sein könnten. Der EWSA ersucht die Europäische Kommission, die Situation zu prüfen und Vorschläge zu unterbreiten. Die Verbraucher erhalten oft keine objektiven und unabhängigen Empfehlungen/Beratung bezüglich ihrer wesentlichen finanziellen Entscheidungen im Zusammenhang mit der privaten Altersvorsorge, anderen Investitionen oder langfristigen Krediten. Unabhängige und erschwingliche Finanzberatungsmodelle sollten in ganz Europa gefördert werden.

3.4

Die Rechtsdurchsetzung im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen ist immer noch unbefriedigend. In etlichen Mitgliedstaaten gibt es keine öffentlichen Gremien für den Verbraucherschutz, und selbst wenn, sind ihre Befugnisse oft nur allzu begrenzt. Auch die vor zwei Jahren geschaffenen europäischen Aufsichtsbehörden (EBA – Europäische Bankenaufsichtsbehörde, ESMA – Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, EIOPA – Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) verfügen nicht über ausreichende Befugnisse für den Verbraucherschutz. Ihre diesbezüglichen Zuständigkeiten sollten ausgedehnt werden, und sie müssen sich mit den nationalen Behörden absprechen können.

3.5

Der Binnenmarkt für Dienstleistungen, wozu auch die Netzinfrastrukturdienste (Telekommunikation, Elektrizität, Gas, Verkehr und Versicherungen) gehören, weist ein enormes Verbesserungspotenzial auf. Damit diese Richtlinie Wachstums- und Beschäftigungsimpulse setzen kann, muss die Leistungsfähigkeit der zentralen Anlaufstellen in den Mitgliedstaaten verbessert werden. Die Kommission sollte Regulierungsempfehlungen geben, um die bei der Peer-to-peer-Überprüfung der Richtlinie ermittelten Hindernisse bei der Umsetzung der Richtlinie auszuräumen (6). Der EWSA plädiert für eine umfassende Datenbank, in der sämtliche Genehmigungen aufgeführt werden, um auf diese Weise bewährte Regulierungsmaßnahmen, aber auch unnötige und inakzeptable Auflagen der Genehmigungsbehörden ermitteln zu können.

4.   Freizügigkeit der Arbeitnehmer

4.1

Der EWSA unterstützt Maßnahmen zur Verbesserung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, u.a. zur Beseitigung von Hemmnissen wie z.B. die Anerkennung von Berufsqualifikationen. Es ist dringend erforderlich, dieses System zu modernisieren und zu liberalisieren und die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zu verbessern, um einen Arbeitskräftemangel in den Herkunftsländern zu vermeiden, die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zu vertiefen und einheitliche Anlaufstellen im Sinne einfacherer Anmeldeverfahren zu schaffen (7).

4.2

Die allgemeine Rahmenrichtlinie, die dazugehörigen Richtlinien und die dauerhafte Überwachung im Wege mehrjähriger Strategiepläne haben zu einer Konvergenz der Sicherheitsbestimmungen (einschließlich der Mindestanforderungen) geführt, die von den Arbeitnehmern anerkannt sind, und zwar auch von solchen, die (zeitweilig und als Grenzgänger) grenzübergreifend tätig sind. Seit 1978 wurde dieser Prozess stetig mittels aufeinanderfolgender Aktionspläne vorangetrieben. Als der letzte Aktionsplan im Dezember 2012 auslief, legte die Kommission keinen neuen auf. Um diesen Konvergenzprozess weiterzuführen, sollte die Europäische Kommission dringend in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern (wie vom Beratenden Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz gefordert) einen neuen Aktionsplan für eine EU-Strategie zur Förderung hoher Sicherheitsstandards annehmen.

4.3

Die Rücknahme der Monti-II-Verordnung löst nicht die Probleme, die durch die Urteile des EuGH entstanden sind, die auf unangemessenen europäischen Rechtsvorschriften zur Entsendung von Arbeitnehmern (8) und ihrer Umsetzung beruhen. Die europäischen Sozialpartner konnten diesbezüglich keine Einigung erzielen. Die Europäische Kommission sollte allerdings erwägen, den Mitgliedstaaten vorzuschlagen, den europäischen Verträgen ein Protokoll über den sozialen Fortschritt beizufügen, in dem erklärt wird, dass soziale Rechte den wirtschaftlichen Freiheiten nicht unterzuordnen sind. Hierdurch würde klargestellt werden, dass der Binnenmarkt kein Selbstzweck ist, sondern auch geschaffen wurde, um allen Unionsbürgern sozialen Fortschritt und Wohlstand zu bringen (9).

4.4

Wenn gegen grundlegendes EU-Recht verstoßen wird, müssen Arbeitnehmer, Verbraucher und Unternehmen die Möglichkeit haben, die Durchsetzung der ihnen im EU-Recht zugesicherten Rechte erwirken zu können. In diesem Zusammenhang bezieht sich die EU indes lediglich auf die Rechte der Verbraucher und Unternehmen. Arbeitnehmer müssen die gleiche Möglichkeit haben, die EU-Rechte in grenzüberschreitenden Arbeitskämpfen durchzusetzen. Zwar wird oft behauptet, dass die Arbeitnehmer Zugang zum Recht hätten und den Rechtsweg beschreiten bzw. die Einhaltung der Arbeitsbedingungen und der Rechtsvorschriften durch die Anrufung örtlicher Gerichte der Gastländer erwirken könnten, in der Praxis werden sie jedoch an die Gerichte ihrer Herkunftsländer verwiesen (10).

5.   Umsetzung, Durchführung und Durchsetzung

5.1

Eine neue Herausforderung für die Durchsetzung der Verbraucherrechte entsteht durch internationale Unternehmen oder Verbände, die europaweite Vermarktungsstrategien einsetzen und so nationale Durchsetzungskonzepte unterlaufen. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen den nationalen Vollzugsbehörden und eine deutlichere Rolle der Europäischen Kommission bei der gemeinsamen Koordinierung der Tätigkeiten sollte angestrebt werden. Synergien zwischen öffentlichen und privaten Durchsetzungsakteuren, darunter Verbraucherorganisationen, müssen besser genutzt werden.

5.2

Die Zusammenarbeit der nationalen Durchsetzungsbehörden hat sich zu einer entscheidenden Frage entwickelt – bis dato verlief sie nicht besonders erfolgreich. In Fällen, in denen die Verstöße gegen das Verbraucherrecht europäische Ausmaße haben, sollte die Europäische Kommission eine stärkere Rolle bei der Koordinierung nationaler Durchsetzungstätigkeiten übernehmen können. Die Ausweitung der Befugnisse der Europäischen Kommission bei der Durchsetzung des europäischen Verbraucherrechts (wie im Wettbewerbsrecht) (11) bedarf weiterer Erörterungen.

6.   Besondere Verbraucherfragen

6.1   Der EWSA bedauert, dass nach etlichen Jahren und vier Anhörungen lediglich eine unverbindliche Initiative zur kollektiven Rechtsdurchsetzung vorgeschlagen worden ist. Außerdem entsprechen die in der Empfehlung der Europäischen Kommission festgelegten Grundsätze nicht den Bedürfnissen der Verbraucher und werden überdies nicht der Situation in einigen Mitgliedstaaten gerecht.

6.2   Unlautere Handelspraktiken

6.2.1

Die bessere Durchsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken sollte insbesondere im digitalen Umfeld angestrebt werden. In diesem Zusammenhang seien vor allem der elektronische Geschäftsverkehr (z.B. Praktiken der Irreführung der Verbraucher in Bezug auf die gesetzlichen Garantierechte, intransparente und unlautere Vertragsbedingungen) und der Luftverkehr in Bezug auf Online-Buchungspraktiken usw. genannt.

6.3   Standardisierung vorvertraglicher Informationen für Verbraucherverträge

6.3.1

Der EWSA begrüßt die Initiative in der Verbraucheragenda von 2012 bezüglich der Standardisierung der vorvertraglichen Informationen (in Artikel 5 und 6 der Richtlinie über die Verbraucherrechte). Dadurch sollten vorvertragliche Informationen verständlich, transparent und leicht zugänglich und lesbar werden. Hier sind Rat und Tat der Verbraucherorganisationen gefragt; ebenso sollten Forschungsergebnisse über das Verhalten der Verbraucher angesichts von Informationsüberflutung einbezogen werden (z.B. SWD(2012) 235 final, vom 19. Juli).

6.4   Elektronischer Geschäftsverkehr und grenzüberschreitende Lieferung

6.4.1

Für das Problem der höheren Kosten für grenzüberschreitende Lieferungen im Vergleich zu inländischen Sendungen müssen Lösungen gefunden werden, und es müssen wettbewerbsfähigere Online-Märkte geschaffen werden. Die Kosten für grenzüberschreitende Sendungen sind oft so hoch, dass Einkäufe im Ausland dem Verbraucher keinen echten Vorteil bringen, selbst wenn die Waren dort billiger sind. Laut einer für die Kommission 2011 erstellten Studie (12) betragen die angegebenen Kosten für grenzüberschreitende Sendungen in der Tat durchschnittlich das Doppelte der vergleichbaren Kosten für inländische Sendungen.

6.5   Verbraucherinformation

6.5.1

Weiten Bereichen des europäischen und des einzelstaatlichen Rechts liegt die Annahme zugrunde, dass informierte Verbraucher zugleich auch mündige Verbraucher sind, die optimale Kaufentscheidungen für Produkte und Dienstleistungen treffen können. Verbraucherinformationen sind und bleiben ein herausragendes Steuerungsinstrument, dessen Grenzen gleichwohl nur allzu bekannt sind: Die Informationen für den Verbraucher sind oft nicht lesbar oder nicht eingängig genug sind, weil sie unverständlich abgefasst und präsentiert werden. Die Kommission sollte die Situation prüfen und mit politischen Maßnahmen reagieren, um Verbraucherinformation zu verbessern; Unternehmen, Regulierungsbehörden und Verbraucherorganisationen müssen dabei einbezogen werden.

6.5.2

Die von der Kommission aufgenommene Erarbeitung von Grundsätzen für Instrumente zum Preisvergleich – wie etwa Unabhängigkeit und Unparteilichkeit – sollte möglichst bald zu politischen Maßnahmen, einschließlich Leitlinien für Regulierungsbehörden und Unternehmen führen.

6.6   Nachhaltige Produkte

6.6.1

Nachhaltigkeit und Produktsicherheit auf der einen Seite und Verbrauchervertrauen auf der anderen Seite sind untrennbar miteinander verbunden. Die Vermarktung von Produkten mit geplanter Obsoleszenz (eingebaute Begrenzung der Haltbarkeit) widerspricht den Grundsätzen der nachhaltigen Produktion und des nachhaltigen Verbrauchs. Die Kommission sollte prüfen, ob die Erwartungen der Verbraucher in Bezug auf die Haltbarkeit eines Produkts mit der gesetzlichen Gewährleistungsfrist verknüpft werden können. Der EWSA betont, dass Maßnahmen bezüglich Haltbarkeit und Lebensdauer, Kundendienst und Ersatzteilhaltung die Nachhaltigkeit des Verbrauchs und der Produktion fördern würden (13).

7.   Unternehmensumfeld

7.1

Der EWSA fordert die Reduzierung der Verwaltungslasten, insbesondere für die KMU, und verweist zugleich auf das Erfordernis einer intelligenten Regulierung auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene (14). Die Mitgliedstaaten sollten die Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften im Internet und in Echtzeit anzeigen, die Zivilgesellschaft in den Umsetzungsprozess einbinden und ein Bewusstsein für die neuen Regeln schaffen.

7.2

Der EWSA ruft die Kommission auf, die spezifischen Eigenschaften von Klein- und Kleinstunternehmen innerhalb der Kategorie der KMU bei der Vorbereitung von Folgenabschätzungen und der Erarbeitung von Rechtsvorschriften zu berücksichtigen; Kleinst-, kleine und mittelgroße Unternehmen sollten als drei unterschiedliche Kategorien, nicht als eine einzige Kategorie "KMU" behandelt werden (15).

7.3

Der Zugang zu Finanzierungen kann ausschlaggebend sein – auch und vor allem für KMU. Die Europäische Union muss die Diversifizierung von der (mit Abstand dominierenden) Bankenfinanzierung hin zu alternativen Finanzierungen – wie Risikokapital und Kapitalmärkte unterstützen. Dies kann aber nur gelingen, wenn die Anleger sicher sein können, dass sie es mit einem stabilen Investitionsumfeld und langfristigen Strategien zu tun haben.

7.4

Der EWSA regt an, die Schaffung eines europäischen Garantiefonds zu prüfen, um KMU, die bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllen, Finanzierungen zu ermöglichen – etwa durch ein System, dass einem Unternehmen, das die Bedingungen erfüllt, einen leichten Zugang zu Krediten ermöglicht, ohne die normalerweise von den Banken geforderten Sicherheiten oder sonstigen Bedingungen. An der Verwaltung dieses Systems sollten einschlägige Unternehmensverbände der entsprechenden Branchen beteiligt werden (16).

7.5

Mehr Transparenz und Verantwortung sollten höchste Priorität haben, so dass der Binnenmarkt wirkungsvoll zur Herausbildung eines rechtlichen Umfelds beitragen kann, das die legitimen Interessen sämtlicher Interessenträger wahrt. Initiativen zur sozialen Verantwortung der Unternehmen sollten den etwaigen Missbrauch bei der Untervergabe und bei Auslagerungen ins Visier nehmen, der gerade bei der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen und/oder Anwerbung von Arbeitskräften ein Problem ist. Es wäre über ein Rechtsinstrument der EU nachzudenken, das den Missbrauch von und durch Briefkastenfirmen unterbindet, die den KMU Wettbewerbsverzerrungen verursachen, Arbeitsnormen unterlaufen und sich ihren Zahlungsverpflichtungen entziehen. Rechtliche Schritte gegen europaweit tätige Scheinfirmen müssen –, nicht nur im Herkunftsland, sondern auch in den übrigen Mitgliedstaaten – erleichtert werden.

8.   Steuerwesen

8.1

Zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, die sich in der EU auf eine Billion EUR beläuft, ist eine bessere Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten und auf globaler Ebene in Sachen Transparenz und Informationsaustausch über Bankkonten in der EU erforderlich. Der EWSA fordert eine schnelle Einigung in Sachen EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie und ein Mandat zur Aushandlung wirkungsvollerer Steuerabkommen mit der Schweiz und anderen Drittländern.

9.   Netze

9.1   Energie

9.1.1

Die Kommissionsmitteilung "Ein funktionierender Energiebinnenmarkt" vom November 2012 markiert einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem Binnenmarkt für Energie bis zum Jahr 2014. Mehr Fortschritt soll es dadurch geben, dass die Lebenswirklichkeit der europäischen Energieverbraucher berücksichtigt wird. Der Wechsel des Energieversorgungsunternehmens muss leichter werden, und die Verbraucher müssen unabhängige Informationen nutzen können, damit sie die für sie beste Option wählen können. Vorausschauend handelnde nationale Regulierungsbehörden, die mit ausreichenden Zuständigkeiten ausgestattet sind, um Zahlungsabläufe, Anbieterwechsel und Verbraucherklagen überwachen zu können, sind für den Binnenmarkt sehr wichtig.

9.1.2

Die Europäische Union muss die Quellen ihrer Energieimporte diversifizieren, Alternativen finden und Netzwerke aufbauen. Die Unterstützung einiger erneuerbarer Energieträger kann zu Marktverzerrung führen, weshalb diese Art der Subventionierung allmählich abgebaut werden sollte. Es sollten einheitliche Anlaufstellen geschaffen werden, um die Genehmigungsverfahren schneller, transparenter und einfacher zu gestalten. Dies würde die Hemmnisse für die Akteure, die in die Energieinfrastruktur investieren möchten, wesentlich verringern.

9.2   Verkehr

9.2.1

Die in der Luftverkehrsbranche grassierenden unlauteren Vertragsbedingungen werfen europaweit immer mehr Fragen auf. In den vergangenen Jahren haben einige Verbraucherorganisationen rechtliche Schritte gegen große europäische Luftfahrtgesellschaften unternommen, worauf die nationalen Gerichte viele Bedingungen, zu denen die Luftfahrtgesellschaften im Allgemeinen operieren, für unfair erklärten. Die Europäische Kommission hat die Chance vergeben, bei der Überarbeitung der Verordnung 261/2004 über Fluggastrechte Lösungsansätze zu formulieren. Die Kommission sollte eine verbindliche Liste von unfairen Klauseln in Verträge zur Personenbeförderung im Luftverkehr erstellen.

9.2.2

Damit der Binnenmarkt besser funktioniert, müssen der Schienengüterverkehr und der multimodale Verkehr gefördert werden (17). Es müssen mehr Anstrengungen unternommen werden, um die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (18) zu erlassen.

9.2.3

Verkehrsunternehmer, die Güter im Straßenverkehr befördern, sind im grenzüberschreitenden Zusammenhang immer noch Begrenzungen unterworfen. Die Voraussetzungen für eine weitere Öffnung des europäischen grenzüberschreitenden Güterverkehrs sind nicht erfüllt. Änderungen der europäischen Vorschriften zum Zugang zum Verkehrsmarkt (einschließlich Kabotage) sollten mit einer Harmonisierung der Durchsetzung und der Bereiche Soziales und Steuern verknüpft werden. Ohne diese Voraussetzungen besteht die Gefahr, dass sich Änderungen der Kabotageregelungen negativ auf den fairen Wettbewerb und die Nachhaltigkeit der Branche auswirken. In der Zwischenzeit müssen die bestehenden Vorschriften durchgesetzt werden (19).

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 24, vom 28.1.2012, S. 99.

(2)  ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 47; ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 99; ABl. C 299 vom 4.10.2012, S. 165.

(3)  COM(2010) 603 final.

(4)  Siehe den von der Binnenmarktbeobachtungsstelle veröffentlichten Katalog der Hindernisse für den Binnenmarkt: http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.en.publications.24626.

(5)  ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 54.

(6)  Die Binnenmarktbeobachtungsstelle des EWSA wird die Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie auf die Baubranche in einer Reihe von Mitgliedstaaten von der zivilgesellschaftlichen Warte aus prüfen.

(7)  C. Dhéret; A. Lazarowicz; F. Nicoli; Y. Pascouau; F. Zuleeg. Making progress towards the completion of the Single European Labour Market. EPC Study No 75, Mai 2013.

(8)  Siehe EWSA-Stellungnahme, ABl. C 76, 14.3.2013, S. 24.

(9)  Artikel 3 Absatz 3 AEUV.

(10)  http://www.uva-aias.net/uploaded_files/publications/WP118-Cremers,Bulla.pdf.

(11)  http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-228_de.htm.

(12)  "Intracommunity cross-border parcel delivery", Studie für die Europäische Kommission, FTI Consulting, London 2011.

(13)  ABl. C 66 vom 3.3.1997, S. 5.

(14)  Eine mögliche Option könnte der im Vereinigten Königreich praktizierte Ansatz sein, für jede neue gesetzliche Regelung die bis dato geltende diesbezügliche Vorschrift aufzuheben ("one-in/one-out").

(15)  EWSA-Stellungnahme zum Thema "Intelligente Regulierung – Anpassung an die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen", ABl. C 327 vom 12.11.2013, S. 33.

(16)  Siehe die Erfahrungen mit der sog. "Seczenyi-Karte" in Ungarn.

(17)  Siehe EWSA-Stellungnahmen, ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 130 und ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 146.

(18)  COM(2013) 32 final: Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Fortschritte im Bereich der Interoperabilität des Eisenbahnsystems.

(19)  Entsprechend der Vereinbarung der Sozialpartner im sektoralen sozialen Dialog,

http://www.iru.org/cms-filesystem-action/Webnews2012/CabotageStatement.E.pdf.


III Vorbereitende Rechtsakte

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

493. Plenartagung am 16. und 17. September 2013

6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/58


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Bankenabwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates

COM(2013) 520 final — 2013/0253 (COD)

2014/C 67/10

Berichterstatter: DANIEL MAREELS

Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 3. September 2013 bzw. am 10. September 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Bankenabwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates

COM(2013) 520 final — 2013/0253 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 4. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 17. Oktober) mit 157 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 7 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Vorschläge zur Schaffung eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus mit dem dazugehörigen Finanzierungsmechanismus, die nach den Vorschlägen zum einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM), dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (BRRD) einen neuen wichtigen Baustein für die Schaffung einer Bankenunion bilden.

Dieser Mechanismus enthält einen auf europäischer Ebene angesiedelten Abwicklungsmechanismus für die Länder der Eurozone und die Länder, die sich dem Mechanismus freiwillig anschließen, mit dem eine grundlegende Umstrukturierung und Abwicklung ausfallender Banken durch die Behörden ermöglicht wird, ohne dass hierbei die wirtschaftliche Stabilität in Gefahr gerät. Der hiermit verbundene Abwicklungsfonds muss über die notwendigen Eigenmittel verfügen, damit dieser Prozess nicht durch öffentliche Gelder finanziert und der Steuerzahler nicht zur Kasse gebeten werden muss.

1.2

Seit der Krise wurde als Reaktion vorgeschlagen, den Übergang zu einer stärkeren Wirtschafts- und Währungsunion zu vollziehen, die auf integrierten Rahmen für den Finanzsektor, für Haushaltsfragen und für Wirtschaftspolitik fußt. Ein integrierter Finanzrahmen, auch die "Bankenunion" genannt, ist somit ein zentrales Element der politischen Maßnahmen, mit denen Europa wieder auf den Pfad der wirtschaftlichen Erholung und des Wachstums geführt werden kann.

1.3

Der EWSA hält die Bankenunion für vorrangig und unerlässlich, weil sie einen Beitrag zur notwendigen Wiederherstellung des Vertrauens der Bürger und Unternehmen leisten und die Versorgung der Wirtschaft mit Kapital sicherstellen kann. Sie verringert die derzeitige Fragmentierung des Binnenmarkts und wirkt somit auf gleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Union hin, stärkt gleichzeitig das europäische Bankensystem und verringert die Ansteckungsgefahr.

1.4

Nach Ansicht des EWSA müssen die verschiedenen Bausteine (SSM, ESM, BRRD, einheitlicher Abwicklungsmechanismus) der Bankenunion in Angriff genommen werden. Hierbei ist die logische Reihenfolge und interne Kohärenz der Vorschläge zu berücksichtigen. Der EWSA lenkt die Aufmerksamkeit außerdem auf das derzeit überarbeitete Regelwerk zum Schutz der Kleinsparer mittels des Einlagensicherungsregimes.

1.5

Die hier in Rede stehenden Vorschläge für einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus können nicht unabhängig von den früheren Vorschlägen zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (BRRD-Richtlinie) und dem Konsens gesehen werden, der hierzu im Rat erreicht wurde; dies wurde im Übrigen bereits berücksichtigt. Das BRRD wird nämlich als Regelwerk für die Abwicklung von Banken im ganzen Binnenmarkt dienen, weshalb der einheitliche Abwicklungsmechanismus in großem Maße hierauf fußt. Der EWSA plädiert dafür, dass die beiden Systeme bestmöglich aufeinander abgestimmt werden, um in diesem Bereich möglichst gleiche Wettbewerbsbedingungen in der gesamten EU zu schaffen. Der einheitliche Abwicklungsmechanismus muss durch einen vollständig harmonisierten Rahmen für die Sanierung und Abwicklung von Banken unterstützt und in diesen eingebettet werden.

1.6

Der EWSA begrüßt, dass der einheitliche Abwicklungsmechanismus über das BRRD hinausgeht und dass die Einrichtung eines (Abwicklungs-)Organs und Fonds auf europäischer Ebene vorgesehen ist. Somit wird nach der Beaufsichtigung (GTM) der Banken jetzt auch die Abwicklung derselben auf einer einzigen Verwaltungsebene angesiedelt, wodurch ein einheitlicher und kohärenter Ansatz ermöglicht wird. Ebenso begrüßt der EWSA die Tatsache, dass im einheitlichen Abwicklungsmechanismus eine Finanzierung auf der EU-Ebene vorgesehen ist.

1.7

Die im einheitlichen Abwicklungsmechanismus vorgesehenen Verfahren müssen in jedem Fall effizient und tatkräftig sein und die geplanten Instrumente müssen im Bedarfsfalle und zumal in Notsituationen mit der erforderlichen Schnelligkeit sowohl auf einzelstaatlicher Ebene als auch grenzüberschreitend eingesetzt werden können. Im Zusammenhang mit den Maßnahmen des BBRD muss darauf geachtet werden, dass es um ein umfassendes und wirksames Ganzes geht und dass die Vorschriften ggf. kohärent angewendet werden. Es muss tunlichst Einfachheit angestrebt werden, während alle rechtlichen und sonstigen Fragen ebenfalls angemessen beantwortet werden müssen.

1.8

In Bezug auf den Ausschuss für die einheitliche Abwicklung, dem im einheitlichen Abwicklungsmechanismus eine Schlüsselrolle zukommt, ist es von ausschlaggebender Bedeutung, dass dessen Mitglieder über größtmögliche Unabhängigkeit und Sachkenntnis verfügen und dass eine demokratische Kontrolle hinsichtlich ihrer Entscheidungen eingebaut wird. Bei seiner Zusammensetzung muss mit der entsprechenden Sorgfalt vorgegangen werden; seine Zuständigkeiten müssen eindeutig und gut abgegrenzt sein.

1.9

Der EWSA begrüßt den geplanten einheitlichen Bankenabwicklungsfonds, der in erster Linie für finanzielle Stabilität sorgt, die Wirksamkeit der Abwicklungsentscheidungen gewährleistet und die Verknüpfung der Staaten mit dem Bankensektor löst. Der EWSA fordert, die diesbezügliche rechtliche Grundlage schnell zu klären und alle Herausforderungen im Vorfeld zu bewältigen, die die Einrichtung eines derartigen Fonds beinhaltet (z.B. "Moral Hazard"), damit unerwünschten Folgen vorgebeugt wird.

1.10

Sollte dies erst zu einem späteren Stadium des Verfahrens vorgesehen sein und die Mittel nur für spezifische Ziele – die Gewährleistung der Wirksamkeit der Abwicklungsentscheidungen – verwendet werden können, so muss der Abwicklungsfonds nach Ansicht des EWSA allerdings über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, die er für die ordnungsgemäße Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt. Bei der Festlegung des Zielwerts des Fonds, der durch Beiträge der Banken gespeist wird, können die verschiedenen Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen zur Sanierung des Finanzsektors hinzugerechnet werden. Des Weiteren wiederholt der EWSA seinen Standpunkt zum BRRD, dass es möglich sein muss, die vorgesehenen Kriterien für die "Ex-ante"-Beiträge der Banken regelmäßig zu überarbeiten. Berücksichtigt werden müssen die möglicherweise doppelten Kosten aufgrund der Zusammenlegung von nationalen und europäischen Systemen.

2.   Hintergrund

2.1

Der von der Europäischen Kommission vorgelegte Vorschlag für die Einrichtung eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und einen einheitlichen Abwicklungsfonds  (1) ist Bestandteil der Entwicklung hin zu einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, die die Bankenunion einschließt. Der Vorschlag fußt auf Artikel 114 AEUV, der den Erlass von Maßnahmen gestattet, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben.

2.2

Diese Bankenunion, die alle Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets und andere Staaten umfasst, die sich daran beteiligen möchten, wird in mehreren Etappen vervollständigt:

2.2.1

Erstens sollen die laufenden verbleibenden Rechtsetzungsverfahren zur Einrichtung des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM), womit der EZB die Befugnis zur Beaufsichtigung der Banken im Euro-Währungsgebiet übertragen wird, abgeschlossen werden.

2.2.2

Zweitens gibt es den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der nach der Einrichtung des SSM und einer Überprüfung der Bankbilanzen mit einer Feststellung der "Altlasten" Banken direkt rekapitalisieren könnte (2).

2.2.3

Außerdem liegen die Vorschläge der Kommission für eine Richtlinie vom 6. Juli 2012 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (BRRD) auf dem Tisch. Bezüglich dieser Vorschläge hat der Rat inzwischen zu einem allgemeinen Ansatz gefunden, auf den sich der aktuelle Vorschlag für eine Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus gründet.

Mit diesen Vorschlägen wird ein wirksamer politischer Rahmen angestrebt, um Insolvenzen von Banken kontrolliert zu verwalten und zu verhindern, dass andere Institute mitgerissen werden, indem die betreffenden Behörden mit wirksamen Instrumenten und Befugnissen ausgestattet werden, um bereits früh auf sich abzeichnende Bankenkrisen zu reagieren, finanzielle Stabilität zu gewährleisten und die Gefahr für den Steuerzahler, Geld zu verlieren, auf ein Mindestmaß zu beschränken (3).

2.2.4

Der letzte Teil der Vorschläge betrifft den am 10. Juli 2013 veröffentlichen Vorschlag für eine Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus in Verbindung mit zweckmäßigen und wirksamen Letztsicherungsmechanismen.

2.3

Im Übrigen sei an die Vorschläge der Kommission von 2010 für eine Harmonisierung der nationalen Einlagensicherungssysteme erinnert. Mit dem Einlagensicherungssystem sollen die Auswirkungen einer Insolvenz auf Kleinsparer für die ersten 100 000 EUR ihrer Einlagen ausgeglichen werden.

2.4

Für den einheitlichen Abwicklungsmechanismus ist folgende Funktionsweise vorgesehen:

2.4.1

Die EZB macht in Wahrnehmung ihrer Aufsichtsfunktion darauf aufmerksam, wenn eine Bank in ernste finanzielle Schieflage geraten ist und abgewickelt werden muss.

2.4.2

Ein Ausschuss für die einheitliche Abwicklung aus Vertretern der EZB, der Europäischen Kommission und der zuständigen nationalen Behörden bereitet die Abwicklung der Bank vor.

2.4.3

Die Kommission beschließt auf der Grundlage der Empfehlung des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung oder auf eigene Initiative, ob und wann eine Bank abgewickelt wird, und legt die Rahmenbedingungen für den Einsatz der Abwicklungsinstrumente und des Fonds fest.

Diese Abwicklungsinstrumente, die im BRRD festgelegt und in den einheitlichen Abwicklungsmechanismus aufgenommen wurden, beziehen sich auf folgende Aspekte:

Verkauf des Unternehmens

Brückeninstitut

Ausgliederung von Vermögenswerten

Bail-in-Instrument.

2.4.4

Die nationalen Abwicklungsbehörden führen unter Aufsicht des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung die Abwicklungspläne aus. Falls sich eine nationale Abwicklungsbehörde nicht an seinen Beschluss hält, kann der Ausschuss für die einheitliche Abwicklung unmittelbar eine Reihe von Maßnahmen in Bezug auf die Problembanken ergreifen.

2.5

Der geplante einheitliche Bankenabwicklungsfonds unterliegt der Kontrolle des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung. Dieser Fonds muss dafür sorgen, dass während der Umstrukturierung der Bank finanzielle Unterstützung zur Verfügung steht.

2.5.1

Es handelt sich hierbei um einen Gemeinschaftsfonds aller am einheitlichen Abwicklungsmechanismus teilnehmenden Länder. Die Finanzierung dieses Mechanismus erfolgt durch alle Finanzinstitute der teilnehmenden Länder, die einen jährlichen Beitrag jeweils im Voraus und unabhängig von jedweder Abwicklungsmaßnahme einzahlen.

2.5.2

Der Fonds ist in erster Linie zur Sicherstellung finanzieller Stabilität gedacht. Er dient nicht dazu, Verluste aufzufangen oder einem Institut, das abgewickelt wird, Kapital zu beschaffen, weshalb er nicht als Rettungsfonds angesehen wird. Ebenso wenig handelt es sich bei diesem Fonds um einen Einlagensicherungsfonds noch soll er einen solchen ersetzen. Mit dem Fonds soll vielmehr die Wirksamkeit der Abwicklungsmaßnahmen gewährleistet werden.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Wie 2012 mehrmals festgestellt wurde, ist ein integrierter Finanzrahmen, auch die "Bankenunion" genannt, ein zentrales Element der politischen Maßnahmen, mit denen Europa wieder auf den Pfad der wirtschaftlichen Erholung und des Wachstums geführt werden soll (4). Sonstige Maßnahmen wie eine tiefergehende wirtschaftliche Koordinierung müssen hierzu ebenfalls beitragen.

3.2

Der EWSA hat zuvor bereits die Bedeutung der Bankenunion hervorgehoben und angemerkt, dass es unmöglich ist, langfristig eine Zone mit einer Währung aber 17 Finanz- und Kreditmärkten aufrechtzuerhalten, zumal wenn eine Krise die nationale Fragmentierung der Zone offenbart hat. Die Bankenunion gilt daher als unerlässlich und von vorrangiger Bedeutung für die Risikoteilung, den Schutz der Sparer (auch über das "Liquidationsverfahren"), die Wiederherstellung des Vertrauens und die Ankurbelung der Finanzierung für Unternehmen in allen Mitgliedstaaten (5).

3.3

Des Weiteren hat der EWSA in der Vergangenheit nachdrücklich gefordert, dass die Kommission schnellstmöglich einen Zeitplan und die Einzelheiten für den einheitlichen Abwicklungsmechanismus vorschlagen sollte. Das gleiche gilt auch für weitere wichtige Ziele wie etwa die Bewältigung möglicher Krisen bei gemeinsamen Aufsichtsmaßnahmen. So würde die Bankenunion glaubwürdiger werden und eine gemeinsame Grundlage für den gesamten Binnenmarkt bilden.

Inzwischen ist deutlich geworden, dass SSM und CRD IV/CRR 2014 wirksam werden müssen, das BRRD und der einheitliche Abwicklungsmechanismus ab 2015. Das gesamte Paket sollte denn auch rechtzeitig vom Rat angenommen werden.

3.4

Der EWSA hat seine Zuversicht bekundet, dass im Rahmen dieses Abwicklungsmechanismus später zusätzliche Koordinierungsaufgaben bei der Krisenbewältigung wahrgenommen werden. Aufsicht und Abwicklung müssen jedenfalls Hand in Hand gehen, es kann nämlich nicht angehen, dass ein Mitgliedstaat die Folgen einer auf europäischer Ebene getroffenen Entscheidung über die Abwicklung einer Bank ausbaden und für die Kosten aus der Auszahlung der Einlagen aufkommen muss (6).

3.5

Der Mitte 2012 veröffentlichte Entwurf der BRRD-Richtlinie beinhaltet einen Rahmen zur präventiven Bewältigung von Bankenkrisen in den Mitgliedstaaten, zur Sicherstellung der finanziellen Stabilität und zur Verringerung des Drucks auf die öffentlichen Haushalte.

3.6

Nach ihrem Inkrafttreten wird die BRRD-Richtlinie bis zu einem bestimmten Niveau die nationalen Rechtsvorschriften bezüglich der Abwicklung von Banken und der Zusammenarbeit zwischen den Abwicklungsbehörden bei der Begleitung insolventer Banken harmonisieren, und zwar insbesondere im Falle grenzübergreifender Banken.

3.7

Der einheitliche Abwicklungsmechanismus geht einen Schritt weiter. Wenn die BRRD-Richtlinie nicht zu einheitlichen Abwicklungsbeschlüssen und zur Verwendung der Finanzierung auf der EU-Ebene führt, dann wird dies im einheitlichen Abwicklungsmechanismus sehr wohl für die Mitgliedstaaten der Fall sein, die der Eurozone angehört haben oder aber sich als Nicht-Euro-Mitgliedstaat dem Mechanismus angeschlossen haben.

3.8

Der EWSA begrüßt, dass im einheitlichen Abwicklungsmechanismus die Einrichtung eines europäischen Organs und Fonds vorgesehen ist, die eine logische Ergänzung des BRRD und des einheitlichen Abwicklungsmechanismus darstellen. Sowohl die Aufsicht als auch die Abwicklung werden somit auf derselben Verwaltungsebene erfolgen.

3.9

Die BRRD-Richtlinie wird als Regelwerk für die Abwicklung von Banken im ganzen Binnenmarkt dienen, weshalb die Verordnung weitgehend hierauf beruht. Da die Verordnung eine Verlängerung des BRRD ist, müssen beide Regelungen gut ineinandergreifen und Unstimmigkeiten vermieden werden.

3.10

Der EWSA vertritt ebenfalls den Standpunkt, dass zur Vollendung des Binnenmarkts die BRRD-Richtlinie und die Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus unbedingt bestmöglich aufeinander abgestimmt werden müssen. Ziel muss die größtmögliche Harmonisierung der BRRD-Richtlinie sein. Im Sinne möglichst gleicher Wettbewerbsbedingungen und einer kohärenten Anwendung der Regeln muss die BRRD-Richtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten einheitlich umgesetzt werden. Im Zuge der weiteren Ausgestaltung des einheitlichen Abwicklungsmechanismus bedarf es außerdem einer umfassenden Berücksichtigung der Ergebnisse der Verhandlungen bezüglich des BRRD.

3.11

Insofern die Vorschläge der Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus im Einklang mit dem Entwurf der BRRD-Richtlinie stehen, sollte auch an die in diesem Zusammenhang vom EWSA aufgeworfenen Fragen erinnert werden, u.a. die Forderung nach mehr Klarheit in Bezug auf einige neue Instrumente, die noch nicht in Systemkrisen getestet wurden (7). Darüber hinaus muss auf die Kohärenz der Verordnung mit den bestehenden Rechtsvorschriften geachtet werden, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.

4.   Besondere Bemerkungen zum Abwicklungsmechanismus

4.1

Es wäre zu wünschen, dass der gesamte Rahmen für die Bankenunion rasche Fortschritte macht, um die derzeitige finanzielle Fragmentierung der Finanzmärkte überwinden zu können und zur Lösung der bestehenden Verbindungen zwischen den öffentlichen Haushalten und dem Bankensektor beizutragen.

4.2

Der EWSA betont nochmals, dass der harmonisierte Rahmen für die Sanierung und Abwicklung von Banken schnellstmöglich verwirklicht werden sollte. Dieser Rahmen sollte im Sinne der Sicherstellung der Integrität des Binnenmarkts eine robuste grenzübergreifende Rechtsordnung umfassen. Der einheitliche Abwicklungsmechanismus ist eine notwendige Ergänzung dieses Rahmens, weshalb der vorliegende Vorschlag ebenfalls begrüßenswert ist.

4.3

Die Verwirklichung des einheitlichen Abwicklungsmechanismus muss wiederum durch einen vollständig harmonisierten Rahmen für die Sanierung und Abwicklung von Banken unterstützt und in diesen eingebettet werden, der die Grundlage für die Abwicklung von Banken in der gesamten EU bildet.

4.4

Der einheitliche Abwicklungsmechanismus sollte nicht nur einen gemeinsamen Rahmen für die Abwicklung ausfallender Banken in der Bankenunion bieten und somit gleiche Wettbewerbsbedingungen in diesem Bereich fördern, sondern auch ein möglichst einfaches, wirksames und starkes Instrument bilden, das gegebenenfalls und insbesondere in Notsituationen mit der erforderlichen Schnelligkeit sowohl auf einzelstaatlicher Ebene als auch grenzüberschreitend eingesetzt werden kann.

4.5

In Bezug auf den Ausschuss für die einheitliche Abwicklung sind insbesondere Unabhängigkeit, Fachwissen und demokratische Kontrolle von ausschlaggebender Bedeutung. Der Ausschuss muss auf einer robusten rechtlichen Grundlage fußen und ist für seine Entscheidungen auch rechenschaftspflichtig, um die Transparenz und demokratische Kontrolle zu gewährleisten sowie die Rechte der Einrichtungen der Union zu schützen. Es bedarf einer klaren Abgrenzung der Zuständigkeiten gegenüber der Bankenaufsicht, und die Zusammensetzung des Ausschusses muss eine ausgewogene Vertretung nationaler Teilnehmer und europäischer Partner sicherstellen. Der Ausschuss und seine Mitglieder müssen über das notwendige Fachwissen in den abgedeckten Bereichen verfügen.

4.6

Die Einrichtung dieses Ausschusses kann als wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung der Bankenunion und des einheitlichen Abwicklungsmechanismus betrachtet werden. Außerdem darf auch der breitere Rahmen für die Umsetzung des SSM und des BRRD nicht aus den Augen verloren werden; die Tätigkeiten in diesem Bereich sollten wahrscheinlich besser nicht vorweggenommen werden.

5.   Besondere Bemerkungen zu den Finanzierungsmechanismen

5.1

Der einheitliche Bankenabwicklungsfonds muss dafür sorgen, dass während der Umstrukturierung der Bank finanzielle Unterstützung zur Verfügung steht. Der EWSA wiederholt seine Auffassung, dass die Bemühungen der Kommission um ein europäisches System für Finanzvorschriften u.a. über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus einzuführen, begrüßenswert sind. Ein solches System sorgt dafür, dass alle Einrichtungen in allen Mitgliedstaaten gleichberechtigt unter gleichermaßen wirksame Abwicklungsfinanzierungsmechanismen fallen, was sich auf jeden Mitgliedstaat und den internen Finanzmarkt dank der größeren Stabilität und gleicher Wettbewerbsbedingungen positiv auswirkt (8). In diesem Sinne sollte die Aufmerksamkeit auch auf den Schutz der Kleinsparer durch die Einlagensicherungssysteme gelenkt werden.

5.2

Der EWSA vertritt denn auch die Meinung, dass der einheitliche Abwicklungsmechanismus durch eine spezifische Finanzierungsregelung unterstützt werden sollte. Wird die Abwicklung in erster Linie mithilfe des Bail-in-Instruments (dergestalt dass die Anteilseigner und andere Gläubiger die ersten Verluste auffangen) und der anderen in der Verordnung vorgesehenen Instrumente finanziert, dann sollte der einheitliche Abwicklungsmechanismus auch mit einem einheitlichen Fonds ergänzt werden, um die bestehenden Verbindungen zwischen den Staaten und dem Bankensektor zu durchtrennen.

5.3

Der Ausschuss fordert, umgehend Klarheit bezüglich der Rechtsgrundlage des Fonds einschließlich der Frage zu schaffen, ob die Verträge geändert werden müssen.

5.4

Sobald diesbezüglich die notwendige Klarheit besteht, muss die Einrichtung des Fonds in Angriff genommen werden, wobei auch hier den Entwicklungen und dem Geschehen im Bereich des SSM und des BRRD nicht vorgegriffen werden sollte.

5.5

Die Einführung eines einheitlichen Systems beinhaltet auch wichtige Herausforderungen und es muss beachtet werden, dass unerwünschte Folgen so früh wie möglich vermieden bzw. begrenzt und dass alle einschlägigen Probleme wie exzessive Risikobereitschaft („Moral Hazard“) im Vorfeld gelöst werden sollten.

5.6

Obwohl der Fonds erst zu einem späteren Zeitpunkt und insbesondere nach Bail-in-Maßnahmen zum Einsatz kommt und die Verwendung der Mittel nur für bestimmte Zwecke vorgesehen ist, muss er unbedingt einen ausreichenden Umfang haben und alle Finanzinstitute müssen zur Erbringung ihres Beitrags verpflichtet werden.

5.7

Bei der Festlegung des Zielwerts des Fonds muss der bereits bestehende verstärkte Aufsichtsrahmen berücksichtigt werden, ebenso wie die vorbeugenden Maßnahmen und die Rolle von Sanierungs- und Abwicklungsplänen zur Krisenvorsorge, die strengeren Eigenkapitalanforderungen, die neuen Abwicklungsmechanismen einschließlich Bail-In-Instrument sowie sonstige Maßnahmen zur Sanierung des Finanzsektors. Mit diesen Maßnahmen und Instrumenten wird bereits die Verringerung der Wahrscheinlichkeit eines Zusammenbruchs von Banken bezweckt. Daher wiederholt der EWSA bezüglich des einheitlichen Abwicklungsmechanismus seinen Standpunkt zum BRRD, dass es möglich sein muss, insbesondere die Kriterien für die "Ex-ante"-Beiträge regelmäßig zu überarbeiten (9).

5.8

Aus demselben Grund und im Sinne der Vermeidung negativer Folgen für Bürger und Unternehmen müssen die möglicherweise doppelten Kosten für die Banken aufgrund der Doppelstruktur von nationalen Abwicklungsbehörden und der europäischen Abwicklungsbehörde berücksichtigt werden.

Brüssel, den 17. Oktober 2013.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2013) 520 final.

(2)  Siehe ECOFIN vom 21. Juni 2013 und Europäischen Rat vom 27. Juni 2013.

(3)  ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 68.

(4)  So insbesondere in der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat "Fahrplan für eine Bankenunion", der Mitteilung der Kommission "Ein Konzept für eine vertiefte und echte Wirtschafts- und Währungsunion: Auftakt für eine europäische Diskussion" sowie im Bericht der vier Präsidenten "Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion".

(5)  ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 8.

(6)  ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 34.

(7)  ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 68.

(8)  ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 68.

(9)  ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 68.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/63


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zum Mehrwert makroregionaler Strategien

COM(2013) 468 final

2014/C 67/11

Berichterstatter: Etele BARÁTH

Mitberichterstatter: Stefano MALLIA

Die Europäische Kommission beschloss am 3. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zum Mehrwert makroregionaler Strategien

COM(2013) 468 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 4. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Im April 2011 ersuchte der Rat die Europäische Kommission, die Grundsätze zur Erarbeitung der EU-Strategien für den Ostseeraum (im Folgenden "Ostseestrategie") und für den Donauraum (im Folgenden "Donaustrategie") zu präzisieren, den Mehrwert dieser Strategien zu bewerten sowie dem Rat und dem Europäischen Parlament bis Juni 2013 über die Ergebnisse ihrer Arbeiten Bericht zu erstatten. Im Dezember 2012 forderte der Europäische Rat die Europäische Kommission auf, in Abhängigkeit der Ergebnisse dieser Bewertung bis Ende 2014 eine EU-Strategie für den adriatisch-ionischen Raum vorzulegen.

1.2

Auf Ersuchen der Europäischen Kommission hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Stellungnahme zu dem im vorgenannten Rahmen erstellten Bericht "zum Mehrwert makroregionaler Strategien" erarbeitet.

1.3

Verständlicherweise kann sich diese Stellungnahme des EWSA nicht auf die Erarbeitung der makroregionalen Strategien für die Atlantikküste (1) und den Mittelmeerraum (2) sowie die von ihm hierzu unterbreiteten Vorschläge erstrecken.

2.   Überlegungen und Schlussfolgerungen

2.1

Der EWSA stimmt mit den wichtigsten Feststellungen des Berichts überein.

2.1.1

Das Bottom-up-Prinzip der Makroregion kann eine echte Antwort auf die Herausforderungen sein, vor denen die Regionen stehen. Die Prinzipien, die im Rahmen der beiden bisher in Europa durchgeführten Versuche mit makroregionalen Strategien angewandt wurden, haben sich als ausgezeichnete Instrumente zur Stärkung des Zusammenhalts sowie der sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Konvergenz erwiesen.

2.1.2

Die makroregionale Perspektive - im politischen, ökologischen und sozioökonomischen Sinne - kann ein sinnvolles Instrument darstellen, das die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten und Regionen stärkt, nationalistische Bestrebungen mit Blick auf gesellschaftlichen Konsens, gegenseitige Achtung und Akzeptanz abmildert und durch die Schaffung eines europäischen Mehrwertes für die Interessengemeinschaften zur Verwirklichung der Ziele der Europa-2020-Strategie beiträgt.

2.1.3

Die makroregionalen Strategien können nützliche Instrumente sein, um Kommunikationsmängel zu beheben und die Bevölkerung zu informieren. Die Einwohner der betreffenden Gemeinden und Regionen und die Unternehmen müssen besser über die laufenden Programme und Projekte unterrichtet werden.

2.1.4

Die Entwicklung gemeinsamer strategischer Überlegungen in den beiden Makroregionen, der Aufbau institutioneller Beziehungen und die kreativere Planung sind gute Beispiele für die ersten Erfolge der makroregionalen Zusammenarbeit auf Augenhöhe, dem neuen Merkmal der EU-Politik. Die neuen Projekte und Initiativen sowie die über das "Gefühl" des gemeinsamen Auftretens hinausgehenden Erfolge rechtfertigen die gemeinsamen Anstrengungen der sozialen und wirtschaftlichen Akteure in den Regionen.

2.1.5

Der EWSA stimmt mit den wichtigsten Schlussfolgerungen des Berichts überein:

eine geringere Zahl von Prioritäten wäre vorzuziehen;

es ist ein starkes politisches Engagement erforderlich;

es werden mehr zugängliche Finanzierungsquellen benötigt;

der Ausbau der administrativen Kenntnisse (Management, Organisation) ist von entscheidender Bedeutung;

die quantitative und qualitative Messung und Bewertung der Ergebnisse sind unabdingbar;

der bürokratische Aufwand muss gesenkt werden.

2.2

Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass die makroregionale Zusammenarbeit zur Stärkung der Demokratie in der EU und der Förderung von Bottom-up-Initiativen beiträgt. Es handelt sich hierbei um einen positiven Katalysator, durch den die Grundwerte der EU verteidigt und ergänzt werden.

2.3

Der EWSA anerkennt die fundierte Methodologie des Berichts, die Angemessenheit der breitangelegten Untersuchung, insbesondere angesichts der noch unausgereiften Methode zur Analyse makroregionaler Strategien und des Mangels an spezifischen statistischen Indikatoren.

2.4

Der EWSA begrüßt die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2012, laut denen der Binnenmarkt und die Wettbewerbsfähigkeit der EU ausgebaut werden müssen. Leider leistet der Rat, abgesehen von den allgemeinen Prinzipien - Integration, Koordinierung, Zusammenarbeit, Multi-Level-Governance, Partnerschaft - keinen weiteren Beitrag zur Umsetzung der makroregionalen Strategien mit Hilfe substanzieller Zusatzinstrumente.

2.5

Der EWSA weist darauf hin, dass das Hauptproblem laut den Sachverständigen darin besteht, dass die dezentralen politischen Vorhaben und die Finanzierung nicht aufeinander abgestimmt sind.

2.6

Die Priorität von Nachhaltigkeit (siehe: "blaues" und "grünes" Wachstum) und Infrastrukturentwicklung sind ein natürlicher Bestandteil des makroregionalen Denkens. Dies schafft europäischen Mehrwert.

2.7

Unmittelbar und kurzfristig ist die Zunahme des "europäischen Mehrwerts" jedoch über das Wirtschaftswachstum, d.h. durch den Anstieg des BIP und der Beschäftigung, zu erwarten.

2.8

Nach Auffassung des EWSA ist die Regel der "drei Nein" bereits hinfällig: Im mittelfristigen Finanzrahmen 2014-2020 sind Ressourcen vorgesehen, ein administratives institutionelles System zur Unterstützung der Umsetzung befindet sich im Aufbau, und der gemeinsame Strategierahmen umfasst die erforderlichen Regeln. Im Interesse der Förderung von Innovation, der Unterstützung der KMU, der Vernetzung und dem Anstieg der Beschäftigung sollte dem Übergang der makroregionalen Strategien zu den "drei Ja" bei der Bewertung der Förderpolitik mehr Verständnis entgegengebracht werden.

2.9

Der makroregionalen Strategie muss in dem europäischen Programmplanungszeitraum 2014-2020 Vorrang eingeräumt werden, indem das "neue" Modell der territorialen Zusammenarbeit in das Partnerschaftsabkommen und in die operationellen Programme (EFRE, ESF, ELER, EMFF) aufgenommen und dabei ein besonderer Schwerpunkt auf das Konzept der "makroregionalen Entwicklung unter Federführung der Gemeinschaft" gelegt wird, das folgende Merkmale aufweist:

es konzentriert sich auf spezifische Bereiche;

es steht unter der Federführung der Gemeinschaft, d.h. makroregionaler Aktionsgruppen mit Vertretern öffentlicher und privater sozioökonomischer Interessen;

es wird auf der Grundlage integrierter und multisektoraler, gebietsgestützter lokaler Entwicklungsstrategien umgesetzt;

es wird unter Berücksichtigung makroregionaler Belange und Möglichkeiten erstellt.

2.10

Durch eine "makroregionale Entwicklung unter Federführung der Gemeinschaft":

werden makroregionale Gemeinschaften ermuntert, Bottom-up-Ansätze in Fällen zu entwickeln, in denen Herausforderungen zu bewältigen sind, die einen Strukturwandel erfordern;

werden Gemeinschaftskapazitäten aufgebaut und Innovationen (darunter auch soziale Innovationen), Unternehmertum und Flexibilität durch Anreize zur Entwicklung und Identifizierung ungenutzten Potenzials in den Gemeinschaften und Gebieten gefördert;

wird die Multi-Level-Governance unterstützt, indem es den makroregionalen Gemeinschaften ermöglicht wird, die Umsetzung der Ziele der EU in sämtlichen Bereichen uneingeschränkt mitzugestalten.

2.11

Der EWSA erwägt, eigenständig eine umfassende Analyse der künftigen Bedeutung der makroregionalen Strategien für die EU durchzuführen, und wird einen Vorschlag dazu vorlegen, wie sich solche Entwicklungsstrategien anpassen lassen, um zu einem einheitlichen europäischen Verfahren für die Entwicklung zu gelangen.

3.   Ergebnisse

3.1

Im Kommissionsbericht wird festgestellt, dass die makroregionalen Strategien laut den Durchführungsberichten über die Ostseestrategie und die Donaustrategie die Entwicklung neuer Projekte ermöglicht und die Durchführung bestehender transnationaler Projekte beschleunigt haben. Zudem haben die Strategien die Vernetzung erleichtert und dafür gesorgt, dass in den betreffenden Regionen gemeinsame Initiativen auf den Weg gebracht werden. Flaggschiffprojekte können ausgezeichnete Motoren und gleichzeitig Musterprojekte für die Makroregionen sein.

3.1.1

Im Rahmen der Ostseestrategie mit ihren drei Hauptzielen und 15 Schwerpunktbereichen, die als erste makroregionale Strategie Beispielcharakter hat, wurden von Beginn an mit großer Sicherheit diejenigen Gebiete bestimmt, die die Hauptziele der intraregionalen Zusammenarbeit und gleichzeitig wirksame Instrumente für die Durchführung der spezifischen und der horizontalen Maßnahmen der EU darstellen können.

3.1.2

Entwicklung des maritimen Sektors, Stärkung der regionalen Beziehungen, Investitionen in die Zukunft der Menschen und in das Wirtschaftswachstum sind diejenigen Zielbereiche, die bereits Impulse für weitere Ansätze zur Entwicklung von Makroregionen liefern konnten.

3.2

Durch die Donaustrategie mit ihrerseits vier Hauptzielen und elf Schwerpunktbereichen, die als zweite makroregionale Strategie angenommen wurde, wurden das regionale Denken und die Bereiche gemeinsamen Handelns einerseits konzentriert und andererseits weiter bereichert.

3.2.1

Wie bei den thematischen Bereichen der Ostseestrategie dominieren die Umwelt- und Infrastrukturprioritäten (Verknüpfung von Regionen, Umweltschutz, Stärkung der Regionen), aber die Vorschläge und Projekte zur Förderung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohlstands spiegeln die politische Absicht wider, der Europa-2020-Strategie zu entsprechen.

3.3

In mehreren seiner Studien begrüßt der EWSA die Anstrengungen der EU, dafür zu sorgen, dass die verfügbaren Ressourcen so effizient und effektiv wie möglich eingesetzt werden. Dazu ist die Harmonisierung der Instrumente und die Stärkung des gemeinsamen Handelns erforderlich. Selbstverständlich ist hier die Einbeziehung "externer" Ressourcen nötig. Auch in diesem Bereich haben die makroregionalen Initiativen neue Ergebnisse gezeitigt. (In dem Bericht werden das Beispiel Baden-Württemberg und die Koordinierung von Risikokapital genannt.)

3.4

Sowohl in den beiden untersuchten Strategien als auch in den vom EWSA bisher erarbeiteten Initiativstellungnahmen, insbesondere zu den makroregionalen Strategien für den Mittelmeerraum und die Atlantikküste, wurde gezeigt, wie wichtig die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Drittstaaten ist, und auf die Möglichkeiten hingewiesen, u.a. die zahlreichen sicherheitspolitischen Risiken zu verringern oder die Probleme der irregulären Einwanderung zu bewältigen

3.5

Der EWSA weist nachdrücklich auf die entscheidende Bedeutung der in Vorbereitung und Verhandlung befindlichen Partnerschaftsverträge hin. Hier sind folgende Forderungen zu stellen: die Einbeziehung des makroregionalen Kontexts, eine angemessene Koordinierung mit den Sozialpartnern, die bereichsübergreifende Abstimmung der Vorschläge und Projekte in den jeweiligen operationellen Programmen zwischen den Ländern und Regionen sowie die aktive Einbindung der sozialen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteure.

4.   Vorschläge

4.1

Nach Ansicht des EWSA ist es erforderlich und möglich, die angenommenen Prinzipien auszubauen und zu vertiefen.

4.2

Es wäre falsch, die Makroregionen als rein geographisches Phänomen zu behandeln: Auch den komplexen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und geschichtlichen Zusammenhängen muss Rechnung getragen werden.

4.3

Die Konzipierung "gemeinsamer Herausforderungen" und einer "engeren Zusammenarbeit" zu Kohäsionszwecken schränkt die Möglichkeit eines funktionalen Verständnisses der Makroregion über ihre Grenzen hinaus sowie ihre Wirkung auf die gesamteuropäischen Entwicklungs- und Kohäsionsprozesse ein.

4.4

In dem Bericht wurde der Begriff "europäischer Mehrwert" nicht im Zusammenhang mit den Makroregionen definiert. Nach Ansicht des EWSA kann der Mehrwert im Fall der makroregionalen Strategien nur der Wert sein, den die Regionen bzw. Mitgliedstaaten im Alleingang nicht schaffen können, es sei denn durch höhere Investitionen oder mit geringerer Wirksamkeit.

4.5

Die Formulierung des Prinzips der "drei Nein" war seinerzeit verständlich, aber in einer Zeit, in der die wirtschaftliche Erholung noch auf schwachen Füßen steht und gefördert werden muss, erhöht es eindeutig die Wahrscheinlichkeit der Aufgabe des gesamteuropäischen Mehrwerts.

4.6

In der derzeitigen Lage der makroregionalen Strategien kommt das europäische Konzept zur Geltung: Die in den einzelnen Regionen zur Verfügung stehenden Instrumente und Ressourcen können bei entsprechender Zusammenarbeit und Koordinierung auf dem Gebiet der teilnehmenden Mitgliedstaaten und Regionen wirksamer eingesetzt werden (wobei sich die Europäische Kommission zurückhält). Dadurch steigt der in den Makroregionen geschaffene europäische Mehrwert.

4.7

Der EWSA hält es für wahrscheinlich, dass der gesamteuropäische Mehrwert, der durch die Makroregionen geschaffen werden kann, durch die Entwicklung weiterer Instrumente, die Erhöhung der juristischen und institutionellen Kapazitäten und die Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen erheblich steigerbar ist.

4.8

Im Rahmen der Bewertung der Entwicklungsszenarien der Europäischen Union bis 2020 und bestimmter ihrer Vorschläge von gesamteuropäischem Interesse, wie beispielsweise die Zielsetzung Connecting Europe und hierfür vorgesehene Gelder ist jedes Mal, wenn durch den Einsatz von EU-Mitteln eine Investition getätigt wird oder sich eine Entwicklung vollzieht, auf jeder Ebene Rechenschaft über den "Mehrwert" abzulegen.

4.9

Die Erweiterung solcher Instrumente auf makroregionaler Ebene ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Durchführung der Europa-2020-Strategie.

4.10

Nach Ansicht des EWSA würde eine Ausweitung des politischen, institutionellen, rechtlichen und finanziellen Rahmens neben der Kontrolle des "europäischen Mehrwerts"

zu einer Beschleunigung der Krisenbewältigung beitragen;

es hinsichtlich der Zukunft Europas ermöglichen, im Rahmen der Kontrolle der Reformen von Institutionen und Rechtsvorschriften genau zu überwachen, inwiefern die von jedem Mitgliedstaat getroffenen Vorkehrungen der europäischen Logik entsprechen und mit den Prämissen des "Mehrwerts" übereinstimmen, auch wenn die betreffende Entwicklung oder Investition nicht unmittelbar mit Hilfe europäischer Ressourcen erfolgte;

einen bedeutenden Zusatznutzen zugunsten des Wachstums und der Schaffung von Arbeitsplätzen hervorbringen.

4.11

Nach Auffassung des EWSA stellt die Konsolidierung der entwicklungsorientierten politischen Governance in den Anwendungsbereichen der makroregionalen Strategien einen bedeutenden europäischen "Mehrwert" dar und ist davon auszugehen, dass die mehr oder wenigen starken politischen Spannungen zwischen Föderalisten und "Nationalisten", die die Geschichte der Europäischen Union bislang in aufeinanderfolgenden Wellen geprägt haben, durch die Stärkung einer mittleren Koordinierungs- und Kooperationsebene ausgeglichen werden könnten.

4.12

Der EWSA hält es für möglich, die Makroregionen funktional zu verstehen: die dortigen grenzübergreifenden Entwicklungen von europäischem Interesse und sonstige Maßnahmen stärken über neuartige Netzwerke das Wachstum der EU und dadurch ihren Zusammenhalt.

4.13

Der EWSA schlägt vor, auf politischer Ebene Fortschritte bei der Behandlung der Makroregionen zu erzielen. Grundsätzlich entscheidet der Rat über die Förderung von Bottom-up-Initiativen sowie über die künftige "flankierende" und Bottom-down-Hilfe sämtlicher Institutionen. Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse sind generell folgende Bereiche (Funktionen) denkbar:

a)

Forschung, Bildung, Fremdsprachenerwerb, Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur und Gesundheit;

b)

Kooperation auf den Gebieten Energie, Umweltschutz, Logistik, Verkehr, öffentliche Dienstleistungen (Wasser, Abwasser, Abfall);

c)

gemeinsame Planung öffentlicher Einrichtungen, regionaler Institutionen und Gebietskörperschaften;

d)

Stärkung der Teilhabe der Zivilgesellschaft und der NGO;

e)

Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Migration;

f)

praktische Stärkung des Wettbewerbs auf dem Markt (konkrete Zusammenarbeit auf dem Arbeitsmarkt durch Unterstützung der KMU bzw. durch die Einrichtung von Entwicklungsfonds);

g)

Zusammenarbeit im Bereich der Statistik.

4.14

Die makroregionalen Strategien können einen wertvollen Beitrag zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit zwischen Städten, zur weiteren Vernetzung von Technologiepolen und zu einer rascheren Weiterentwicklung der Innovation leisten.

4.15

Es handelt sich hierbei zumeist um Bereiche, in denen primär Bottom-up-Initiativen für die Integration gerechtfertigt sind und in denen die nationalen Wirtschafts- und Sozialräte eine bedeutendere Rolle spielen können. In dem Bericht wird nicht erwähnt, wie wichtig die Teilhabe der wirtschaftlichen und sozialen Akteure sowie Konzertationen sind.

5.   Weitere Schritte

5.1

Der EWSA teilt die Ansicht, dass die Teilnehmer makroregionaler Strategien diese als horizontale Verantwortung ihrer Regierung ansehen müssen.

5.2

Der EWSA ist der Auffassung, dass Verwaltungsaufgaben auf ein Minimum zu reduzieren sind und dass die Europäische Kommission neue Methoden zur Einbeziehung der Öffentlichkeit erarbeiten und vorschlagen muss, wie beispielsweise Instrumente der E-Demokratie. Eine Stärkung der Teilhabe ist unerlässlich - bei der Konzipierung wie auch bei der Umsetzung.

5.3

Der Grundsatz, dass makroregionale Ziele in sämtliche Partnerschaftsabkommen und operationelle Programme aufgenommen werden müssen, ist richtig.

5.4

Die Europäische Kommission sollte die Anwendung vorbildlicher Verfahrensweisen hinsichtlich der gegenwärtigen Planungsinstrumente unterstützen - auch im Falle derjenigen Makroregionen, die sich noch in Vorbereitung befinden bzw. über die noch beraten wird.

5.5

Nach Ansicht des EWSA kann der Mangel an Verwaltungskapazitäten nur dann behoben werden, wenn sich nachweisen lässt, dass dies einer effektiven Mittelnutzung dient.

5.6

Der EWSA hält es für notwendig, im Interesse einer Überwachung der Fortschritte realistische Maßnahmen und Indikatoren einzuführen, doch ist die aktive Teilhabe der Europäischen Kommission und anderer europäischer Institutionen unabdingbar, insbesondere bei der Konzipierung des Indikators "Mehrwert" mit seinen unterschiedlichen Facetten.

5.7

Der EWSA begrüßt den Ausbau des bis dato erfolgreichen Bottom-up-Ansatzes, hält es jedoch für wünschenswert, die Wirtschafts-, Umwelt-, Sozial- und Lokalpartner stärker darin einzubeziehen und "horizontale" Beziehungen mit den neu gebildeten Makroregionen aufzubauen.

5.8

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Umsetzung der Systeme zur Verwaltung der Strategien schneller erfolgen muss und dabei nicht nur die Wahrung ihrer Besonderheit, sondern auch ihre Ausweitung angestrebt werden müssen.

5.9

Der EWSA schlägt vor, zu erwägen, ob die Europäische Kommission bei der Konzipierung neuer Verwaltungsformen auch eine Alternative unterstützt, die auf dem EU-Gebiet zur Einrichtung einer makroregionalen, entwicklungsgestützten Verwaltung der "mittleren Ebene" führt.

5.10

Die makroregionalen Initiativen umfassen im Wesentlichen zwei Dimensionen, eine transnationale und eine europäische. Nach Ansicht des EWSA richtete sich die Aufmerksamkeit bislang ausschließlich auf die Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den verschiedenen Ländern. Einer der wichtigsten Schlussfolgerungen des Berichts zufolge wären Bestrebungen äußerst wünschenswert, die darauf abzielen, den gemeinsamen Maßnahmen eine europäische Dimension zu verleihen und dadurch einen europäischen Mehrwert zu schaffen.

5.11

Nach Auffassung des EWSA können makroregionale Maßnahmen mit einer europäischen Dimension bei angemessener Unterstützung zur Verbesserung der politischen Glaubwürdigkeit der EU und aufgrund der größeren Teilhabe der Gesellschaft zur Schaffung eines neuen Entwicklungsverfahrens beitragen.

5.12

Es stellt sich erneut die Frage, ob die politischen Verpflichtungen, die auf europäischer Ebene eingegangen wurden und auf lokaler Ebene weiterentwickelt werden müssen, nicht durch makroregionale Verpflichtungen ergänzt werden könnten, die auf gesamteuropäischer Ebene umzusetzen wären. Die von der Kommission erwähnte "engere Zusammenarbeit" könnte sich auch darauf beziehen.

5.13

Die Europäische Kommission stellt zu Recht fest, dass die makroregionalen Strategieansätze und die Strategieansätze im Bereich der Meeresbecken ähnlichen Bestrebungen Rechnung tragen, doch spiegelt dieser Punkt gut die kommissionsinternen Spaltungen und die Gefahren einer Zersplitterung der Strategien wider. "Meeresstrategie"-Elemente können nicht als makroregionale Bestandteile dargestellt werden, wenn Elemente wie die Infrastruktur der Meeres- bzw. Ozeanküsten, Urbanisierung, Produktion, der Faktor Mensch usw. nicht mit den für Produktion und Schutz wichtigen Aufgaben in puncto Kapazitäten und Gefahren der Meere bzw. Ozeane in Zusammenhang gebracht werden (können).

5.14

Den Schlussfolgerungen des Berichts, wonach es weitere ungenutzte Möglichkeiten gibt, ist vorbehaltlos zuzustimmen. Nicht hinnehmbar ist jedoch die Auffassung, dass Ausdehnung und Konsolidierung der Maßnahmen möglich sind, "jedoch ohne Beteiligung der Kommission oder ausschließlich auf der Grundlage eines transnationalen Programms".

5.14.1

Dies ist der einzige Punkt der Bewertung, in dem die Europäische Kommission es ausdrücklich ablehnt, sich an der Konzipierung bzw. Umsetzung makroregionaler Strategien zu beteiligen bzw. dabei eine Rolle zu übernehmen, obwohl ihrer Ansicht nach noch viele Paradigmen entwickelt und umgesetzt werden können. Welche Paradigmen das sein sollen, wird jedoch nicht erklärt!

5.15

Der EWSA fordert die Kommission auf, an ihrer zentralen Rolle bei der Entwicklung und Umsetzung makroregionaler Strategien festzuhalten. Der EWSA fordert weiterhin den Rat auf, der Kommission mit den notwendigen Instrumenten und Finanzmitteln auszustatten, um diese Rolle in geeigneter Weise auszufüllen.

5.16

Der Begriff "transnationales Programm" weist darauf hin, dass Programme mit einem europäischen Mehrwert auch im Rahmen der drei "Nein" in gewissem Maße unterstützt werden können, beispielsweise Programme für eine bessere Einhaltung von Umweltschutzvorschriften, für höhere gezielte Investitionen in die Vernetzung der EU oder für eine kritische Innovationsmasse.

5.17

Der Bericht enthält keinerlei Informationen über die Art der Nutzung des europäischen Mehrwerts, seine Bewertung, die Form der Ergebnisverwertung und die weiteren Anreize.

5.18

Die in den "Schlussfolgerungen" erstaunlich knapp zusammengefassten Elemente bedürfen nach Ansicht des EWSA einer erheblichen Ausweitung, damit sie den Anforderungen des Titels gerecht werden. Die Frage der "Führungsrolle" ist natürlich wichtig, da letztendlich die Europäische Union über generelle Fragen der Führungsrolle zu entscheiden hat.

5.19

Die makroregionale Perspektive - im politischen, ökologischen und sozioökonomischen Sinne - kann ein sinnvolles Instrument darstellen, das die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten und Regionen stärkt, nationalistische Bestrebungen mit Blick auf gesellschaftlichen Konsens, gegenseitige Achtung und Akzeptanz abmildert und durch die Schaffung eines europäischen Mehrwertes für die Interessengemeinschaften zur Verwirklichung der Ziele der Europa-2020-Strategie beiträgt.

5.20

Die makroregionalen Strategien können nützliche Instrumente sein, um Kommunikationsmängel zu beheben und die Bevölkerung zu informieren. Die Einwohner der betreffenden Gemeinden und Regionen und die Unternehmen müssen besser über die laufenden Programme und Projekte unterrichtet werden.

Brüssel, den 16. Oktober 2013.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Stellungnahme des EWSA zur Strategie der EU für den Atlantikraum,ABl. C 229, 31.7.2012, S. 24.

(2)  Stellungnahme des EWSA zum Thema Entwicklung einer makroregionalen Strategie zur Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts im Mittelmeerraum (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/68


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung

COM(2013) 348 final — 2013/0188 (CNS)

2014/C 67/12

Berichterstatter: Petru Sorin DANDEA

Der Rat beschloss am 27. Juni 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 115 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung

COM(2013) 348 final — 2013/0188 (CNS).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 4. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 142 gegen 2 Stimmen bei 6 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA begrüßt den Vorschlag für eine Richtlinie (1) zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung und ist der Ansicht, dass er einen wichtigen Schritt bei der Umsetzung des Aktionsplans zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung darstellt (2).

1.2

Der EWSA ist der Ansicht, dass dieser Vorschlag nicht getrennt von anderen europäischen und internationalen Initiativen und Entwicklungen betrachtet werden kann, die auf eine umfangreicheren Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden abzielen, z.B. die Ausweitung der europäischen Sparrichtlinie von 2005, die FATCA-Regelung, bezüglich derer einige europäische Länder eine bilaterale Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten zu erreichen versuchen (u.a. zur Wahrung ihrer eigenen Rechte), und die bereits bestehende Richtlinie über den automatischen Informationsaustausch, deren Ausweitung jetzt angestrebt wird.

1.3

Da die Mitgliedstaaten jährlich Milliarden von Euro infolge von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung verlieren, hält der EWSA den Vorschlag der Kommission, die Umsetzung bestimmter Vorschriften von Richtlinie 2011/16/EU im Hinblick auf den automatischen Informationsaustausch zu beschleunigen, für gerechtfertigt.

1.4

Die Kommission schlägt vor, die dem automatischen Informationsaustausch unterworfenen Arten von Einkünften um fünf zusätzliche Kategorien zu erweitern. Der EWSA ist ebenfalls der Ansicht, dass diese neuen Arten von Einkünften darin aufgenommen werden sollten, da sie stärker als die bereits in der Richtlinie genannten Kategorien von Steuerbetrug betroffen sein dürften.

1.5

Da Steuerhinterziehung und Steuerbetrug weltweite Probleme sind, können sie nicht nur innerhalb der EU bekämpft werden. Der EWSA fordert daher die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Verhandlungsbemühungen in der OECD und in anderen internationalen Gremien zu verstärken, um den automatischen Informationsaustausch im Bereich der Besteuerung zu einem weltweiten Standard zu machen.

1.6

Der EWSA fordert insbesondere die Mitgliedstaaten auf zu gewährleisten, dass die künftigen weltweiten Standards für den automatischen Informationsaustausch den rechtlichen Anforderungen, Erfahrungen und Fachkenntnissen der EU in diesem Bereich Rechnung tragen, und ersucht die Mitgliedstaaten, zu diesem Zweck einen koordinierten Standpunkt einzunehmen, um der europäischen Position in internationalen Debatten mehr Gewicht zu verleihen.

1.7

Bezüglich dieser internationalen und europäischen Initiativen ist der EWSA des Weiteren der Ansicht, dass größtmögliche Bedingungsgleichheit mit möglichst vielen Ländern angestrebt werden sollte, um denkbaren wirtschaftlichen und anderen Folgen für die EU so weit wie möglich vorzubeugen.

1.8

Im Interesse der Einfachheit und Effizienz und unter dem Aspekt der Kostenersparnis sowie zum Vorteil aller Betroffenen sollten nach Auffassung des EWSA Anstrengungen unternommen werden, um die verschiedenen initiativenspezifischen Informationsaustauschsysteme zu vereinheitlichen und in ein einziges System zu überführen. Zumindest sollte das auf europäischer Ebene der Fall sein. Im Übrigen müssen die zugrundeliegenden anwendbaren Vorschriften klar und deutlich und den angestrebten Zielen angemessen sein.

1.9

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf zu gewährleisten, dass die für die erfolgreiche Umsetzung des automatischen Informationsaustausches aufgrund der komplexen und umfangreichen Informationen die ab 2015 zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht werden sollen, erforderlichen Human-, Technologie- und Finanzressourcen, bereitgestellt werden. Die Weiterbildung der für den Informationsaustausch verantwortlichen Beamten muss eine vorrangige Aufgabe sein.

1.10

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten ihre Bemühungen zur Vereinfachung und Harmonisierung des Steuerrechts verstärken müssen, wenn die neuen Instrumente zur Bekämpfung von Steuerverstößen wirksam sein sollen.

2.   Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EG

2.1

Angesichts der zunehmenden Verbreitung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung in den letzten Jahren und ihrer gravierenden Auswirkungen auf die Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten, denen dadurch jährlich Verluste in Milliardenhöhe entstehen, hat die Kommission diesen Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung bestimmter Vorschriften von Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung erarbeitet.

2.2

Mit dem Kommissionsvorschlag soll der Anwendungsbereich des automatischen Informationsaustausches in der EU gegenüber den derzeitigen Vorkehrungen erweitert werden.

2.3

Die Kommission schlägt vor, Artikel 8 der Richtlinie zu ändern und weitere Arten von Einkünften der Verpflichtung zum automatischen Informationsaustausch zu unterwerfen. Der Verweis auf einen Mindestbetrag, unterhalb dessen ein Mitgliedstaat auf Informationen von anderen Mitgliedstaaten verzichten kann, soll gestrichen und die Bestimmungen der gegenwärtigen Richtlinie über eine Ausweitung des automatischen Informationsaustausches sollen schneller umgesetzt werden.

2.4

Die weiteren Arten von Einkünften, auf die sich der automatische Informationsaustausch erstrecken soll, sind: Dividenden, Veräußerungsgewinne, alle sonstigen Einkünfte aus den Vermögenswerten auf einem Finanzkonto, jeder Betrag, für den das Finanzinstitut Verpflichteter oder Schuldner ist, einschließlich etwaiger Tilgungszahlungen, und Kontoguthaben. Die Mitgliedstaaten müssen ab 2015 Informationen über diese Einkünfte übermitteln.

2.5

Unter Berücksichtigung der Konsultationen mit den Mitgliedstaaten schlägt die Kommission vor, den Mindestbetrag zu streichen, unterhalb dessen sich die Mitgliedstaaten derzeit gegen den Erhalt von Informationen über eine bestimmte Einkunftsart entscheiden können, und weist darauf hin, dass dieser Mindestbetrag nicht praxistauglich ist und die Mitgliedstaaten seiner Streichung zustimmen.

2.6

Hinsichtlich der weiteren Arten von Einkünften, auf die sich der automatische Informationsaustausch erstrecken soll, hält die Kommission die Bedingung der Verfügbarkeit der Informationen, die momentan für die in Artikel 8 Absatz 1 genannten Arten von Einkünften gilt, nicht länger aufrecht. Dieser Ansatz beschleunigt die Ausweitung und Umsetzung des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs.

2.7

Der Kommissionsvorschlag steht im Einklang mit der Initiative einiger Mitgliedstaaten, Abkommen mit den USA hinsichtlich des Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) abzuschließen, das sie somit gemäß Artikel 19 der Richtlinie über die Verwaltungszusammenarbeit zu einer stärkeren Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten verpflichtet.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Dieser Vorschlag für eine Richtlinie ist eine der Maßnahmen des Aktionsplans zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung (3), den die Kommission Ende 2012 auf Ersuchen des Europäischen Rates vorlegte. In seiner Stellungnahme (4) begrüßte der EWSA den Aktionsplan und brachte seine Unterstützung für die Kommission bei der Bekämpfung dieser dem Binnenmarkt schadenden Praktiken zum Ausdruck.

3.2

Durch Steuerbetrug und Steuerhinterziehung entstehen den Mitgliedstaaten jährlich Verluste in Milliardenhöhe. Da sie die Besteuerungsgrundlage verringern und die Mitgliedstaaten somit zu Steuererhöhungen zwingen, sind Steuerbetrug (5) und Steuerhinterziehung (6) nach Ansicht des Ausschusses nicht nur illegal, sondern auch unmoralische Praktiken, die dem Funktionieren des Binnenmarktes schaden und die Gerechtigkeit der Steuersysteme gegenüber den Steuerzahlern beeinträchtigen.

3.3

Steuerbetrug und Steuerhinterziehung sind weltweite Probleme. Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung im Binnenmarkt sollten daher durch Abkommen mit der OECD, der G8, der G20 und anderen Gremien ergänzt werden, um den automatischen Informationsaustausch im Bereich der Besteuerung als internationalen Standard auszubauen. Der EWSA begrüßt die Bemühungen einiger Mitgliedstaaten, die bereits mit den USA Abkommen hinsichtlich des FATCA geschlossen haben. Entsprechend Artikel 19 der Richtlinie über die Verwaltungszusammenarbeit erhalten die Mitgliedstaaten dadurch die Möglichkeit zu einer umfassenderen Zusammenarbeit im Bereich des automatischen Informationsaustausches. Der EWSA begrüßt es jedoch, dass der Vorschlag zur Ausweitung der Verpflichtung des Informationsaustausches den Mitgliedstaaten eine einheitliche Rechtsgrundlage der EU bietet, die Rechtssicherheit und gleiche Bedingungen für die zuständigen Behörden wie auch für die Wirtschaftsakteure gewährleistet. Der EWSA hält es ferner für wichtig, dass die künftigen weltweiten Standards für den automatischen Informationsaustausch den rechtlichen Anforderungen, Erfahrungen und Fachkenntnissen der EU in diesem Bereich Rechnung tragen.

3.4

Die außerordentliche Komplexität der Steuersysteme der Mitgliedstaaten und die großen Unterschieden zwischen ihnen könnten sich als erhebliche Hemmnisse für die Verwirklichung des automatischen Informationsaustausches erweisen. Nach Ansicht des EWSA sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten ihre Bemühungen zur Vereinfachung und Harmonisierung des Steuerrechts verstärken, um zu gewährleisten, dass die neuen Instrumente zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung effektiv und effizient funktionieren.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Mit dem Richtlinienvorschlag möchte die Kommission fünf weitere Arten von Einkünften in den automatischen Informationsaustausch im Bereich der Besteuerung aufzunehmen: Dividenden, Veräußerungsgewinne, alle Einkünfte aus den Vermögenswerten auf einem Finanzkonto, jeder Betrag, für den das Finanzinstitut Verpflichteter oder Schuldner ist, einschließlich etwaiger Tilgungszahlungen, und Kontoguthaben. Der EWSA teilt die Ansicht, dass diese neuen Kategorien von Einkünften aufgenommen werden sollten, da sie aufgrund ihrer Art und ihres Umfangs mehr noch als die bereits in der Richtlinie aufgeführten Kategorien von Steuerbetrug betroffen sein dürften.

4.2

Hinsichtlich der neuen Arten von Einkünften, die dem automatischen Informationsaustausch unterworfen werden, schafft die Kommission die Bedingung ab, dass nur verfügbare Informationen auszutauschen sind. Für diese Arten von Einkünften haben die Mitgliedstaaten die ab dem Steuerjahr 2014 registrierten Daten zu übermitteln. Der EWSA begrüßt den Kommissionsvorschlag, der die in Richtlinie 2011/16/EU verankerte Umsetzung des automatischen Informationsaustausches beschleunigen wird.

4.3

Aufgrund des automatischen Austausches von Steuerinformationen hat jeder Mitgliedstaat von allen anderen Mitgliedstaaten umfangreiche Informationen zu erhalten. Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf zu gewährleisten, dass die ab 2015 zur Umsetzung des automatischen Informationsaustausches erforderlichen Human-, Technologie- und Finanzressourcen bereit gestellt werden.

4.4

Angesichts der Komplexität der dem System des automatischen Informationsaustausches unterliegenden Daten fordert der EWSA die Mitgliedstaaten auf, Beamte, die mit diesem System arbeiten werden, fortzubilden, um dessen effizientes Funktionieren zu gewährleisten.

4.5

In dem Richtlinienvorschlag hat die Kommission die Bedingung der Verfügbarkeit der Informationen hinsichtlich der in Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 2011/16/EU genannten Arten von Einkünften unverändert gelassen. Der EWSA empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten Anstrengungen unternehmen, um zu gewährleisten, dass diese Daten ab 2017 erhoben werden können, wenn sie gemäß den Bestimmungen der Richtlinie in das System des automatischen Informationsaustausches aufgenommen werden sollen.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2013) 348 final.

(2)  COM(2012) 722 final.

(3)  Ebenda.

(4)  ABl. C 198 vom 10.7.2013, S. 34.

(5)  Mit Steuerbetrug ist eine Form der vorsätzlichen Steuerumgehung gemeint, die generell strafrechtlich verfolgt wird. Der Begriff umfasst Situationen, in denen vorsätzlich falsche Angaben gemacht oder falsche Dokumente vorgelegt werden. (Definition nach COM(2012) 351 final).

(6)  Bei Steuerhinterziehung handelt es sich im Allgemeinen um rechtswidrige Vorgänge, bei denen die Steuerpflicht verschleiert oder missachtet wird, d. h. der Steuerpflichtige entrichtet weniger Steuern, als er verpflichtet ist zu zahlen, indem er den Steuerbehörden Einkünfte oder Informationen vorenthält. (Definition nach COM(2012) 351 final).


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/71


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische langfristige Investmentfonds

COM(2013) 462 final — 2013/0214 (COD)

2014/C 67/13

Berichterstatter: Michael SMYTH

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 4. Juli bzw. am 17. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 und 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische langfristige Investmentfonds

COM(2013) 462 final — 2013/0214 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 4. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 150 gegen 2 Stimmen bei 1 Enthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Verordnungsvorschlag der Kommission, mit dem ein grenzübergreifender Rahmen für langfristige Investitionsprodukte geschaffen werden soll. Die Einführung von Europäischen Fonds für langfristige Investitionen (ELTIF) wird dabei behilflich sein, die Nachfrage der Anleger nach längerfristigen Anlagewerten zu beleben.

1.2

Die Tatsache, dass ELTIF nur gemäß der Richtlinie über Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM) angeboten werden können und mindestens 70 % der Mittel in zuschussfähige langfristige Projekte wie z.B. physische und soziale Infrastrukturen und KMU investiert werden müssen, dürfte das Entstehen stabiler Anlageprodukte sicherstellen.

1.3

Der EWSA akzeptiert großteils die Bewertung der Kommission bezüglich der zu erwartenden Nachfrage nach ELTIF und der gegenwärtigen Hindernisse, die Investitionen institutioneller Anleger und von Kleinanlegern in neue grenzübergreifende Infrastrukturprojekte beeinträchtigen. Mit dem Verordnungsvorschlag kann ein bedeutender Binnenmarkt für Investitionen in langfristige Projekte angeregt werden.

1.4

Der Vorschlag der Kommission, geschlossene Investmentfonds, die sowohl professionellen Anlegern als auch Kleinanlegern offen stehen einzuführen, ist wohl der beste Ansatz, insbesondere da sich für die ELTIF-Anteile der Anleger Handelsmöglichkeiten auf dem Sekundärmarkt bieten dürften.

1.5

Damit der vorgeschlagenen Verordnung Neuland auf den europäischen Investmentmärkten beschritten wird, muss ihre Umsetzung sorgfältig überwacht werden. Der EWSA begrüßt den Vorschlag, die Entwicklung des ELTIF-Markts zu überwachen. Sollte die Entwicklung eines Markts für langfristige grenzüberschreitende Investitionen scheitern, würden weitere Maßnahmen der Abschätzung, Bewertung und Überarbeitung erfolgen, um die Mängel zu beheben und die Attraktivität von ELTIF zu erhöhen.

2.   Hintergrund der vorgeschlagenen Richtlinie

2.1

Die Europäische Kommission veröffentlichte am 26. Juni 2013 einen Vorschlag für eine Verordnung über langfristige Investmentfonds (ELTIF), zusammen mit einer ausführlichen Folgenabschätzung (1). Die Kommission stellt fest, dass es das Hauptziel der Schaffung eines grenzübergreifenden Fonds mit diesen Eigenschaften ist, einen besseren Zugang zu Finanzierungen aus dem Nichtbankensektor zu verschaffen für EU-Unternehmen, die langfristiges Kapital für Projekte in folgenden Bereichen benötigen:

Infrastrukturprojekte, z.B. in den Bereichen Verkehr, Kommunikation, Energie oder Bildung;

Investitionen in nicht börsennotierte Unternehmen, hauptsächlich KMU;

Investitionen in Immobilien wie Gebäude oder Direkterwerb von Infrastrukturen;

Investitionen in soziale Infrastrukturen, Innovationsinfrastrukturen und Klimaschutz.

2.2

Die Kommissionsvorschläge stehen im Einklang mit dem Ansatz, der im Grünbuch über die langfristige Finanzierung der europäischen Wirtschaft (2) gewählt wurde und der vom EWSA in seiner im Juli 2013 verabschiedeten Stellungnahme (3) begrüßt wurde. Wie bereits der Titel der Verordnung nahelegt, liegt der Schwerpunkt auf Anregung und Erleichterung größerer langfristiger Investitionen in ganz Europa. Es ist notwendig, dass solche langfristige Investitionen verstärkt zur Verfügung stehen und auch für Anleger attraktiv sind.

2.3

Ein Handeln auf europäischer Ebene ist notwendig, da die Untersuchungen der Kommission Störungen, Verzerrungen und Zersplitterung bei der Verfügbarkeit langfristiger Investitionsprodukte in der Union ans Licht gebracht hat. In Anhang 2 der beigefügten Folgenabschätzung werden die Störungen bei langfristigen Fondsregelungen in Deutschland, UK, Frankreich, Irland, den Niederlanden, Italien und Luxemburg detailliert aufgeführt. Laut Kommission gibt es keine vereinbarten grenzübergreifenden Standards dafür, was langfristige Anlagen und Investitionen sind, für wen sie sich eignen und wie sie funktionieren.

2.4

Der bestehende grenzübergreifende Rahmen für Investitionen - Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) - bezieht sich auf Portfolios liquider Wertpapiere wie Anleihen oder Aktien. Die von OGAW ausgenommenen Anlageklassen, namentlich langfristige Realvermögenswerte wie Infrastrukturen und Eigentum, sind für die Gewährleistung nachhaltigen Wachstums von grundlegender Bedeutung. Langfristige Investitionen sind im Allgemeinen nicht übertragbar und illiquide, da keine Sekundärmärkte zur Verfügung stehen und häufig eine erhebliche Kapitalbindung im Vorfeld erforderlich ist. Diese Faktoren können sogar die größten institutionellen Investoren abschrecken.

2.5

Die Kommission macht drei Arten von Risiken aus, die im Allgemeinen mit langfristigen Anlagen und Investitionen einhergehen:

die Gefahr, dass die Investoren sich über die Natur der Gefahren langfristiger Anlagen nicht im Klaren sind;

das mit der Illiquidität einhergehende Risiko von Anlagevermögen und

die Gefahr, dass die bestehenden langfristigen Fonds nicht über ausreichende Erfahrung bei der Auswahl von Vermögenswerten, der Projektüberwachung und der Abstimmung von Ertragsprofilen auf eventuelle Bedürfnisse der Kunden verfügen.

2.5.1

Es ist in erster Linie auf diese Risiken zurückzuführen, dass langfristige Investmentfonds bis heute keinen durchschlagenden Erfolg erzielen konnten. Sie waren nicht immer so leistungsfähig wie geplant, Investoren wurden über die zu erwartenden Renditen getäuscht und es gibt Hinweise darauf, dass mitunter die falschen Produkte verkauft wurden. Die Kommission anerkennt, dass solche langfristigen Investmentfonds angemessener Sorgfaltspflicht und professioneller Verwaltung bedürfen. In der Verordnung wird großes Gewicht gelegt auf die Erarbeitung angemessener Informationen und entsprechender Marketingunterlagen. ELTIF für Kleinanleger werden Standardprodukte für Kleinanleger sein und müssen ein Basisinformationsblatt (Key Information Document - KID) für Standardprodukte für Privatanleger (PRIPS) erhalten. Erforderlich sind gut sichtbare und deutliche Warnungen für Kleinanleger bezüglich des geschlossenen Typs des Produkts, des Investitionshorizonts und das Fehlen jedweden Rechts auf frühzeitige Rückgabe.

2.6

Schätzungen der Kommission zufolge werden bis 2020 in Europa zwischen 1,5 und 2 Mrd. EUR für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten benötigt, was den Bedarf an umfangreichen Finanzierungen belegt. Bei den Konsultationen im Zuge der Folgenabschätzung wurde das große Interesse - sowohl seitens der institutionellen Anleger als auch der Kleinanleger - an solchen ELTIF offensichtlich.

3.   Kernelemente des Vorschlags

3.1

All dies führte zu einer unzulänglichen Entwicklung und Leistung des Markts für langfristige Investitionsprodukte in der gesamten EU. Insbesondere wurde beklagt, dass die Fonds kleiner als möglich und die Verwaltungskosten höher als notwendig seien und dass Kleinanleger nur eine sehr beschränkte Auswahl an Fonds in den verschiedenen Mitgliedstaaten haben. Um diese Situation in den Griff zu bekommen, muss auf europäischer Ebene gehandelt werden. Die Kommission schlägt deshalb vor, einen Binnenmarkt für langfristige Investitionsfonds zu schaffen.

3.2

Es wurden sieben Politikoptionen mit Blick auf ihre Fähigkeit, diesen operativen Zielen zu entsprechen, ausgemacht. Diese Optionen reichen von 1. der Bewahrung des Status quo; 2. der Einführung eines freiwilligen Produktlabels und Produktkodex; 3. der Ausweitung der OGAW auf einige langfristige Vermögenswerte; 4. dem Auflegen eines langfristigen geschlossenen Anlageinstruments nach dem OGAW-Modell, das nur institutionellen Anlegern offensteht; 5. dem gleichen Produkt, das allerdings auch vermögenden Einzelpersonen offensteht; 6. einem neuen Fonds mit höheren Anforderungen im Bereich des Anlegerschutzes ohne Rückgaberechte, der allen Anlegern, auch Kleinanlegern offensteht; bis schließlich 7. zu dem gleichen Fonds, aber mit Rückgaberechten nach einer anfänglichen Bindungsfrist.

3.3

Von diesen sieben Optionen wird Option 6 bevorzugt, d.h. die Schaffung eines neuen Europäischen langfristigen Investitionsfonds (ELTIF) ohne Rückgaberechte, der allen Anlegern offensteht. Diese Option ähnelt bestehenden Modellen in den Mitgliedstaaten, in denen Investitionen von Kleinanlegern zulässig sind.

3.4

Laut Kommissionsvorschläge werden ELTIF im Rahmen der Richtlinie für Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD) als eine neue Kategorie genehmigter geschlossener Fonds operieren. Da der Rechtsrahmen für ELTIF die Form einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates annimmt, wird er in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar sein und keiner weiteren Umsetzung bedürfen. Für verschiedene Aspekte der Regelung legt die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) technische Regulierungsstandards fest.

3.5

ELTIF sind für Investitionen in langfristige Vermögenswerte über die Laufzeit des Fonds gedacht. Das Instrument wird auf langfristige Vermögenswerte wie z.B. Infrastrukturprojekte zugeschnitten und ausgerichtet sein. Die Kommission legt Regeln für das Investitionsportfolio der ELTIF fest. Mindestens 70 % des Kapitals müssen in langfristige Vermögenswerte und höchstens 30 % in Werte, die für eine OGAW-Investition zulässig sind, angelegt werden. Die 70 %-Grenze der Portfoliozusammensetzung gilt nicht in den ersten fünf Jahren eines ELTIF, während einer zwölfmonatigen Frist innerhalb der Laufzeit eines ELTIF, wenn zusätzlich Kapital aufgenommen werden soll, und gegen Ende der Laufzeit, wenn mit der Veräußerung der Vermögenswerte gemäß den Rücknahmegrundsätzen begonnen wird.

3.6

ELTIF sind geschlossene Fonds mit bestimmter Laufzeit. Die Anleger können die Rücknahme ihrer Anteile nicht vor Ende der Laufzeit des ELTIF beantragen. Die Länge der Laufzeit wird bestimmt durch die Art der Vermögenswerte, die vom ELTIF erworben und gehalten werden sollen. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Investitionshorizont zu erwerbender langfristiger Werte und dem Rückgabehorizont des ELTIF. Die ESMA entwickelt technische Regulierungsstandards, um genauer auszuführen, unter welchen Umständen die Laufzeit eines ELTIF dem Lebenszyklus eines jeden einzelnen ELTIF-Vermögenswerts entspricht.

3.7

Mit Artikel 17 des Verordnungsvorschlags wird die Entstehung eines Sekundärmarkts für ELTIF-Anteile angestrebt. Dies würde Anlegern, die ihre Anteile zum Teil oder ganz zurückgeben möchten, Liquidität verschaffen, ohne die zugrunde liegende Finanzierung der ELTIF-Projekte selbst zu beeinträchtigen.

3.8

ELTIF sind Anlageprodukte im Sinne der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) und unterliegen daher allen Anforderungen dieser Richtlinie in Bezug auf Vertrieb, Kauf und Veröffentlichung.

3.9

ELTIF scheinen eine positive Entwicklung zu sein sowohl im Hinblick auf die Schaffung eines neuen Produktlabels und eines Kleinanleger-Passes für langfristige/geschlossene Anlagen als auch als potenzielle Finanzierungsquelle für nicht börsennotierte Unternehmen in der EU. Die Kommission geht davon aus, dass es seitens der Verwalter und Anleger Nachfrage nach einem solchen Produkt gibt, das für die Akteure im Infrastruktursektor als alternative Finanzierungsquelle interessant sein wird.

3.10

Angesichts des innovativen Charakters des Verordnungsvorschlags kommt der Überwachung und Evaluierung besonders hohe Bedeutung zu. Die Kommission anerkennt dies und schlägt vor, das Wachstum oder die anderweitige Entwicklung auf dem Markt für ELTIF über einen anfänglichen Zeitraum von ca. vier Jahren zu überwachen. Zentrale Leistungsindikatoren wie z.B. Zahl der eingerichteten, grenzüberschreitend tätigen Fonds, die Durchschnittsgröße der ETIF, die Meinungen der Anleger und der relative Anteil der Finanzierungen in Bezug auf Infrastrukturen, Eigentum, KMU usw. wird eine Bewertung des Erfolgs oder Misserfolgs dieser Initiative ermöglichen. Sollte die Entwicklung eines langfristigen grenzüberschreitenden Investmentmarkts scheitern, würden weitere Maßnahmen der Abschätzung, Bewertung und Überarbeitung erfolgen, um die Mängel zu beheben und die Attraktivität von ELTIF zu erhöhen.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  SWD(2013) 231 final.

(2)  COM(2013) 150 final/2.

(3)  ABl. C 327 vom 12.11.2013, S. 11-14.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/74


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 2012

COM(2013) 257 final

2014/C 67/14

Berichterstatter: Juan MENDOZA CASTRO

Die Europäische Kommission beschloss am 3. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 2012

COM(2013) 257 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 2. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 132 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 6 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Die Verordnung 1/2003 sollte ein Jahrzehnt nach dem Inkrafttreten als großer Erfolg hervorgehoben werden, hat sie doch einen tief greifenden Wandel der Wettbewerbspolitik der EU bewirkt.

1.2

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss wertet den Bericht 2012 positiv, in dem neben anderen Aspekten die Tätigkeit der Kommission und des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und zur Bekämpfung der Kartellbildung dargelegt wird.

1.3

Der EWSA hat wiederholt die Schaffung eines Rahmens für den rechtlichen Schutz der Verbraucher gefordert, weshalb er die Vorlage des Richtlinienentwurfs über "Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Grundsätze des Wettbewerbs" hervorhebt.

1.4

Nach Ansicht des EWSA hat es sich als richtig erwiesen, im Bereich des Wettbewerbs trotz der Krise "alles beim Alten zu belassen". Allerdings kann man nicht darüber hinwegsehen, dass einige Wirtschaftsmächte, die auf dem Weltmarkt mit der Union im Wettbewerb stehen, ganz offen auf staatliche Beihilfen und restriktive Wettbewerbspraktiken zurückgreifen.

1.5

Die staatlichen Beihilfen zur Vermeidung des Zusammenbruchs des Finanzsektors haben große Summen öffentlicher Gelder verschlungen, was die Steuerzahler auf Jahre belasten wird. Diese Beihilfen werden nur dann ihre Rechtfertigung finden, wenn die Reform des Finanzsystems verhindert, dass sich die unverantwortlichen Praktiken, die zur Finanzkrise geführt haben, in der Zukunft wiederholen können. Die Glaubwürdigkeit des Finanzsystems muss wiederhergestellt werden, und deshalb begrüßt der EWSA, dass die Kommission den Untersuchungen bezüglich der EURIBOR- und TIBOR-Leitzinssätze "höchste Priorität" einräumt.

1.6

Der EWSA billigt das von der Kommission im Juli 2013 vorgelegte Paket zu Zahlungsmitteln, das er für einen Schritt in die richtige Richtung hält.

1.7

Die Anwendung der allgemeinen Grundsätze auf die konkreten Fälle wird zeigen, ob die Modernisierung des EU-Beihilferechts (SAM) und der neue Rechtsrahmen für Beihilfen für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) zu einer wirksameren und gerechteren Anwendung des AEUV führen. Aufgrund ihrer besonderen Merkmale muss den Postdiensten in Bezug auf staatliche Beihilfen spezielle Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Die Politik der staatlichen Beihilfen muss es den öffentlichen Stellen ermöglichen, Unternehmen, die zu den Wachstumszielen der EU beitragen, Beihilfen zu gewähren, und gleichzeitig Wettbewerbsverzerrungen eindämmen.

1.8

Es darf bezweifelt werden, dass die Liberalisierung - das Hauptziel der Energiepolitik der EU - den Wettbewerb verbessert, die Transparenz der Märkte gefördert und die Preise für die Verbraucher gesenkt hat. Die Kommission scheint diese Zweifel zu teilen.

1.9

In Bezug auf den Telekommunikationsmarkt ist der EWSA der Ansicht, dass die Hauptziele darin bestehen, die Telefontarife für die Familien und Unternehmen tatsächlich zu senken, eine universelle und hochwertige Breitbandverbindung zu gewährleisten, die Roaming-Tarife abzuschaffen und eine einheitliche Regulierungsstelle für die ganze EU einzuführen.

1.10

Im Bereich der High-Tech-Unternehmen, die ständig innovativ sein müssen, kann die lange Zeit zwischen der Einleitung eines Verfahrens und der Entscheidung zur Schließung der Unternehmen führen, die durch wettbewerbswidrige Praktiken geschädigt wurden.

1.11

Der EWSA schlägt vor, eine stärkere Harmonisierung des Markts für E-Books zu erwägen mit dem Ziel, Arbitrage zu vermeiden und die Integration dieses Markts voranzutreiben.

1.12

Der EWSA begrüßt und unterstützt die Bemühungen der Kommission, die missbräuchliche Nutzung von Patenten durch große Pharmaunternehmen zur Verhinderung der Vermarktung von Generika mit Strafen zu ahnden. Angesichts der großen Gewinne dieser Unternehmen haben Geldbußen aber kaum abschreckende Wirkung. Es empfiehlt sich, strengere rechtliche Maßnahmen bei wettbewerbswidrigem Verhalten auf dem Arzneimittelmarkt zu erwägen.

2.   Inhalt des Berichts 2012

2.1

2012 kam die Rolle der Wettbewerbspolitik bei der Konsolidierung des Binnenmarktes verstärkt zum Tragen. In diesem Sinne hat sich die Kommission mit den nationalen Wettbewerbsbehörden und dem Europäischen Wettbewerbsnetz zusammengetan, um die Bemühungen zur Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften zu koordinieren. Die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts konzentrierte sich insbesondere auf die Sektoren "von systemischer oder bereichsübergreifender Bedeutung für die europäische Wirtschaft", um die Grundlagen für nachhaltiges Wachstum zu schaffen.

2.2

In dem Bericht wird die Wettbewerbspolitik in Bezug auf vier Aspekte analysiert, nämlich den Finanzsektor, die Beihilfen, die netzgebundenen Branchen (Energie, Telekommunikation und Postdienste) und die Wissenswirtschaft.

2.3

Außerdem bezieht sich der Bericht auch auf den Dialog mit anderen Institutionen der EU, insbesondere dem Europäischen Parlament, aber auch dem EWSA und dem AdR.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1   Die Wettbewerbspolitik der EU ein Jahrzehnt nach Inkrafttreten der Verordnung 1/2003

3.1.1

Die Verordnung 1/2003 brachte einen grundlegenden Wandel in der Wettbewerbspolitik der EU. Seit ihrem Inkrafttreten hat sich die Zahl der Maßnahmen zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum davor verachtfacht. Auffallend ist der starke Anstieg der Aktivität der Mitgliedstaaten, die 88 % der diesbezüglichen Entscheidungen fällten und damit zu den Haupttriebkräften der Wettbewerbsprinzipien geworden sind.

3.1.2

Bemerkenswert ist außerdem die Funktionsweise des Europäischen Wettbewerbsnetzes, das auf zwei Ebenen tätig wurde. Einerseits auf einer allgemeinen Ebene, auf der die gemeinsamen Arbeiten der verschiedenen nationalen Behörden reibungslos durchgeführt und die in der Verordnung 1/2003 vorgesehenen Instrumente für die Zusammenarbeit und Koordinierung wirksam in Anspruch genommen wurden. Anderseits hat die Anwendung der Verordnung 1/2003 mit der politische Unterstützung des Europäischen Wettbewerbsnetzes zu einem hohen Maß an freiwilliger Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Verfahren und Zuständigkeiten geführt.

3.1.3

Auch wenn die Zahl der Entscheidungen der Kommission nicht sonderlich zugenommen hat (und damit hinter den durch die Reform geweckten Erwartungen zurückblieb), ragen die Entscheidungen selbst hinsichtlich der Bedeutung der behandelten Fälle jedoch hervor. Es darf daher festgestellt werden, dass die Verordnung 1/2003 hinsichtlich der Verwirklichung der verfolgten Ziele ein großer Erfolg ist.

3.2   Der Bericht 2012

3.2.1

Der EWAS begrüßt den Bericht 2012, in dem die Maßnahmen in einem der grundlegenden Politikbereiche der EU dargestellt werden.

3.2.2

Der EWSA hat wiederholt seine Unterstützung für die kartellrechtlichen Entscheidungen und die Bekämpfung von Kartellen – einem wesentlichen Aspekt der Wettbewerbspolitik – zum Ausdruck gebracht. In diesem Bereich gab es im Jahr 2012 wichtige Maßnahmen der Kommission und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs.

3.2.3

Die Kommission erklärt, dass sie auch in der derzeitigen Krise das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts sichergestellt hat, "wenngleich Unternehmen oder auch Mitgliedstaaten angesichts der Wirtschaftskrise gelegentlich um mehr Nachsicht gegenüber wettbewerbswidrigem Verhalten gebeten haben". Der EWSA hält diese Entscheidung für richtig.

3.2.4

Der EWSA sieht die Wettbewerbspolitik von jeher als wesentlichen Faktor des Binnenmarkts an und bekräftigt diese Auffassung gerade in diesen Zeiten, in denen die europäische Wirtschaft seit 2008 Turbulenzen ausgesetzt ist, die Entschlossenheit der EU zur Fortführung ihrer Wettbewerbspolitik auf die Probe stellen. Die Behörden können nämlich geneigt sein, die wirtschaftliche Erholung über die Einhaltung der Verträge zu stellen. Sie können auch versucht sein, bestimmte krisengeschüttelte Branchen zu schützen oder grundlegende Prinzipien zu missachten, die den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung oder die Vereinbarungen von Unternehmen zur Aufteilung des Marktes verhindern.

3.2.5

Nichtsdestotrotz stellt die strikte Durchsetzung der Wettbewerbspolitik eine Herausforderung dar, wenn es darum geht, die Grundlagen für die wirtschaftliche Erholung zu legen und eine starke und wettbewerbsfähige Wirtschaft sicherzustellen, während gewisse Länder oder Wirtschaftsblöcke, die auf dem Weltmarkt mit der EU konkurrieren, gegen diese Grundsätze verstoßen. Die staatlichen Beihilfen Chinas für seine Stahlindustrie (sowie weitere Vorteile wie Niedriglöhne) können hierbei als eines von vielen Beispielen genannt werden.

3.2.6

Der EWSA hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die EU Instrumente für den rechtlichen Schutz der Verbraucher schaffen muss, mittels derer sie den Ersatz der durch Verletzung des Wettbewerbsrechts verursachten Schäden einfordern können. Neben der Schaffung eines Rechtswegs zur Verteidigung der Eigentumsrechte der Verbraucher und Unternehmen können diese Klagerechte einen Beitrag zur Bekämpfung von Kartellen durch die nationalen und europäischen Behörden darstellen. Daher verweist der EWSA auf den am 11. Juni 2013 vorgelegten Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (1).

4.   Wettbewerb im Finanzsektor

4.1

Vor dem Hintergrund der Krise stimmte die Kommission Bankenfusionen schneller als üblich zu und genehmigte im Zeitraum zwischen 1. Oktober 2008 und 1. Oktober 2012 Hilfen für den Finanzsektor in Höhe von 5 058,9 Mrd. EUR (40,3 % des BIP der EU), von denen 1 615,9 Mrd. EUR (12,8 % des BIP) in Anspruch genommen wurden. Im ungefähr gleichen Zeitraum stiegen die staatlichen Beihilfen für die Realwirtschaft bis auf 82,9 Mrd. EUR (0,7 % des BIP).

4.2

Die im AEUV vorgesehenen zeitlich begrenzten staatlichen Hilfen retteten den Finanzsektor vor dem Zusammenbruch und waren unerlässlich, um schwere Schäden für die Wirtschaft abzuwenden. Die Hilfen waren in den Mitgliedstaaten, in denen sie in Anspruch genommen wurden, an die Sanierung und Umstrukturierung der Banken geknüpft. Doch letztendlich wird der Einsatz großer Beträge zu Lasten des europäischen Steuerzahlers für die Rettung des Finanzsektors nur dann gerechtfertigt sein, wenn eine tiefgreifende Reform dieses Sektors eine Wiederholung der unverantwortlichen Praktiken, die zur derzeitigen Krise geführt haben, unmöglich macht.

4.3

Die Transparenz, Effizienz und Stabilität der Finanzmärkte wurde durch eine Reihe von Skandalen unter Beteiligung großer Finanzinstitute ernsthaft in Frage gestellt. Die drastischen Strafen, die in einigen Fällen verhängt wurden, wirken sich nicht spürbar auf das wirtschaftliche Ergebnis der Giganten der Finanzwelt aus, von denen einige mit öffentlichen Geldern vor dem Bankrott gerettet wurden. Nach dem "LIBOR-Skandal" geriet auch die Berechnung anderer Leitzinssätze wie EURIBOR und TIBOR unter Verdacht. Der EWSA begrüßt die Entscheidung der Kommission, der Untersuchung dieser Angelegenheiten angesichts der großen Auswirkungen auf die Wirtschaft höchste Priorität einzuräumen.

4.4

Der EWSA nimmt die Entscheidung der Kommission zur Kenntnis, Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Handel mit Credit Default Swaps (CDS) einzuleiten, um festzustellen, ob Großbanken (JP Morgan, Bank of America Merrill Lynch, Barclays, BNP Paribas, Citigroup, Commerzbank, Crédit Suisse First Boston, Deutsche Bank, Goldman Sachs, HSBC, Morgan Stanley, Royal Bank of Scotland, UBS, Wells Fargo Bank/Wachovia, Crédit Agricole und Société Générale) auf wettbewerbsbeschränkende Praktiken bezüglich der Finanzinformationen zurückgegriffen haben, die für Transaktionen auf diesem Markt (hier wurden die Informationen nur an Markit übermittelt) und im Clearingsystem (hier wurde im Falle von neun der genannten Banken ICE Clear Europe bevorzugt) unerlässlich sind.

4.5

Das elektronische Zahlungssystem im Europäischen Wirtschaftsraum wird von zwei großen Unternehmen – MasterCard und Visa – dominiert, die die multilateralen Interbankenentgelte (MIF) in Absprache mit den Banken festlegen. Im Falle von Visa machen die Kredit- und Debitkarten dieses Unternehmens 41 % aller im EWR ausgestellten Zahlungskarten aus, was praktisch einer Kontrolle des Marktes gleichkommt, der 2010 ungefähr 35 Milliarden Kartenzahlungen in Höhe von insgesamt 1 800 Mrd. EUR umfasste. Dieses System widerspricht den Grundsätzen des Wettbewerbs und ist für den Verbraucher von Nachteil. Es entspricht nicht der technologischen Entwicklung und beeinträchtigt die grenzüberschreitenden Transaktionen. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, mit dem das Verbot der von MasterCard erhobenen multilateralen Interbankenentgelte bestätigt wird (2), sollte ein allgemeines Kriterium im Bereich der Zahlungsmittel werden.

4.6

Der EWSA begrüßt das von der Kommission am 24. Juli 2013 vorgelegte Maßnahmenpaket zum Zahlungsverkehr, da u.a. Höchstgrenzen für die Entgelte für den Einsatz von Kredit- (0,3 %) und Debitkarten (0,2 %) festgelegt werden. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn man diese Entgelte im ersten Falle noch weiter reduzieren und im zweiten Falle ganz abschaffen hätte können.

5.   Reform des EU-Beihilferechts

5.1

An konkreten Fällen wird sich zeigen, ob die Reform der Rechtsvorschriften zu staatlichen Beihilfen mehr Gerechtigkeit und eine größere Wirksamkeit hinsichtlich der Einhaltung der Grundsätze des AEUV sicherstellt. Der EWSA hat den im Jahr 2011 angenommenen neuen Rechtsrahmen für staatliche Beihilfen für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) (3) grundsätzlich befürwortet, da er in seinen Augen diversifizierter und den unterschiedlichen Arten öffentlicher Dienstleistungen besser angemessen schien. Der EWSA hat außerdem darauf verwiesen, dass Effizienz nicht vor Qualität, Ergebnissen und Nachhaltigkeit der Dienstleistungen gehen darf, was insbesondere für die Sozial- und Gesundheitsdienste gilt. Des Weiteren müssen die Besonderheiten der sozialwirtschaftlichen Unternehmen (Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften, Vereinigungen und Stiftungen) berücksichtigt werden (4).

5.1.1

Im Hinblick auf eine angemessene Anwendung der allgemeinen Vorschriften auf konkrete Fälle weist der EWSA auf die besonderen Eigenschaften der DAWI hin, die eine herausragende Stellung als gemeinsame Werte der Europäischen Union einnehmen und die Grundrechte sowie den sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalt fördern. Sie sind daher für die Bekämpfung des Wohlstandsgefälles und auch immer mehr für die nachhaltige Entwicklung von wesentlicher Bedeutung.

5.2

Der EWSA hat ebenfalls die Modernisierung des EU-Beihilferechts (SAM) unterstützt (5), aber auch vorgeschlagen, die Obergrenze für De-minimis-Beihilfen dauerhaft von 200 000 EUR auf 500 000 EUR anzuheben, wie dies bereits für die DAWI beschlossen wurde (6). Für die Vollendung des Modernisierungsprozesses bedarf es der Überarbeitung zahlreicher branchenspezifischer Vorschriften. Die Ende 2012 angenommenen neuen Breitbandleitlinien (7) sind nach Ansicht des EWSA zu begrüßen, gestatten sie doch die öffentliche Finanzierung einer Infrastruktur, die im Hinblick auf die Ziele der Digitalen Agenda unerlässlich ist.

5.3

Der EWSA vertritt den Standpunkt, dass die Politik der staatlichen Beihilfen – neben anderen Zielen – den Behörden die Möglichkeit geben muss, den Unternehmen Beihilfen zu gewähren, die zu den Wachstumszielen der EU beitragen, gleichzeitig aber auch Wettbewerbsverzerrungen begrenzen muss.

5.4

Der EWSA zeigt sich angesichts der Tatsache besorgt, dass der Vorschlag für eine Verordnung (EU) der Kommission zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV (8) eine ernsthafte Bedrohung für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen in bestimmten Mitgliedstaaten darstellt. Der EWSA empfiehlt insbesondere, die staatlichen Hilfen für die Beschäftigung und die Aus- und Weiterbildung schutzbedürftiger Gruppen wie Menschen mit Behinderungen von der auf dem nationalen BIP und einem absoluten Wert basierenden Obergrenze auszunehmen, da diese zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen unwirksam ist.

6.   Förderung des Wettbewerbs in netzgebundenen Branchen: Das Rückgrat des Binnenmarkts

6.1   Energie

6.1.1

Seit den 90er Jahren hat die EU zahlreiche Rechtsakte zur Liberalisierung der Energiemärkte erlassen. Das Dritte Paket (2011) ist die jüngste und wichtigste dieser Legislativpakete zur Schaffung eines Energiebinnenmarkts ab 2014. Allerdings wurden die Maßnahmen der EU in den Mitgliedstaaten, wo Privatunternehmen noch Oligopole zum Schaden der Verbraucher und Nutzer bilden, nicht entschlossen genug umgesetzt.

6.1.2

Es darf bezweifelt werden, dass die Liberalisierung - das Hauptziel der Energiepolitik der EU - den Wettbewerb verbessert, die Transparenz der Märkte gefördert und die Preise für die Nutzer verringert hat. Derzeit stellen die hohen Energiepreise einkommensschwache Haushalte vor große Probleme (Gefahr der Energiearmut). Im Falle der Unternehmen stellt die Tatsache, dass sie für Energie oftmals mehr zahlen müssen als ihre Wettbewerber auf dem Weltmarkt (Japan, USA), einen Nachteil dar, insbesondere in energieintensiven Branchen wie z.B. der Stahlindustrie. Laut Kommission ist die "EU-Wettbewerbspolitik allein (…) nicht in der Lage, die Integration des Gasmarkts und des Strommarkts in der EU zu verwirklichen und wettbewerbsfähige Preise sowie die nötige Versorgungssicherheit zu gewährleisten". Damit räumt die Kommission implizit ein, dass Änderungen in der Energiepolitik nötig sind.

6.2   Telekommunikation Im Bericht 2012 wird angegeben, dass die EU in den letzten fünfzehn Jahren große Fortschritte bei der Öffnung des Telekommunikationsmarktes für den Wettbewerb erzielt hat. Der EWSA stimmt dieser Aussage zu, auch wenn der Markt nach wie vor durch seine Zersplitterung und den mangelnden Wettbewerb zwischen den Unternehmen geprägt ist. Als Folge sind die Telefon- und Breitbandtarife in bestimmten Mitgliedstaaten deutlich höher als in anderen. Nach Meinung des EWSA sollte eine EU-Politik in der Telekommunikationsbranche vier Hauptziele verfolgen:

eine spürbare Senkung der Telefontarife für die privaten Haushalte und die Unternehmen;

die Einrichtung einer universellen und hochwertigen Breitbandverbindung;

die Abschaffung der Roaming-Tarife;

die Einrichtung einer einheitlichen Regulierungsbehörde für die gesamte EU.

6.3   Postdienste Während die Kommission die staatlichen Beihilfen für die Postdienste des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und Griechenlands genehmigte, forderte sie im Falle der Bpost und der Deutschen Post bestimmte Beträge (417 Mio. bzw. 500 Mio. bis 1 Mrd. EUR) zurück, wobei das Urteil im letzteren Fall noch aussteht. Angesichts des Höhe der Rückzahlungen erinnert der EWSA daran, dass die liberalisierten Postdienste sowohl effizient und wettbewerbsfähig als auch in der Lage sein müssen, einen Universaldienst zu erschwinglichen Preisen anzubieten (9). Er wirft daher die Frage auf, welche Auswirkungen ein Urteil, mit dem die Rückzahlungen bestätigt würden, auf die Beschäftigung und die Qualität der Dienstleistungen hätte.

6.3.1   Paketdienstunternehmen In Bezug auf die Ablehnung der Übernahme von TNT Express durch UPS nimmt der EWSA die von der Kommission angeführten Argumente – die geringe Zahl der entsprechenden Unternehmen in der EU und der durch das Wegfallen eines Konkurrenten entstehende Nachteil für die Verbraucher – zur Kenntnis.

7.   Wissensorientierte Wirtschaft

7.1   Unter der Überschrift "Verhinderung des Missbrauchs beherrschender Stellungen in neuen und sich rasch entwickelnden digitalen Branchen" wird in dem Kommissionsbericht auf verschiedene Verfahren wegen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen großer Unternehmen mit erheblichen Marktanteile im Telekommunikationsbereich (Samsung, Motorola) bei Suchportalen und anderen Aktivitäten (Google) sowie der Informationstechnologie (Microsoft) Bezug genommen. Das Verfahren gegen das zuletzt genannte Unternehmen war in der Medienberichterstattung sehr präsent, wurde dabei doch eine Buße von 561 Mio. EUR auferlegt, eine der höchsten je verhängten Strafen (der Bruttogewinn von Microsoft im Jahr 2012 belief sich auf 59,16 Mrd. USD). Der EWSA unterstützt diese Entscheidungen voll und ganz, zu denen sich im Allgemeinen die in den folgenden Absätzen genannten Überlegungen anstellen lassen.

7.1.1   In bestimmten Fällen vergeht viel Zeit zwischen der Einleitung des Verfahrens und dem endgültigen Urteil (neun Jahre im Falle des Bußgelds über 497 Mio. EUR, das Microsoft im März 2004 auferlegt wurde). Das hängt zusammen mit der enormen Komplexität der Fälle, der notwendigen Einhaltung der administrativen und rechtlichen Verfahren und der finanziellen Macht der Unternehmen, die Gegenstand der Untersuchungen sind. In den sich schnell weiterentwickelnden Technologiebereichen führt dies zur Schließung der durch die wettbewerbswidrigen Praktiken benachteiligten Unternehmen.

7.1.2   Anderseits tritt die mögliche Ausschaltung von Konkurrenten durch wettbewerbswidrige Praktiken in den Fällen eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung deutlicher zu Tage als bei der Nichtgenehmigung von Unternehmenszusammenschlüssen oder Übernahmen, bei denen es um künftige Szenarien geht. In diesen Fällen wurde die Kommission bisweilen dafür kritisiert, sich bei ihren Entscheidungen von "Mutmaßungen" leiten zu lassen; diese Kritik teilt der EWSA jedoch nicht, handelt es sich doch um die übliche Lösung im Rahmen der Wettbewerbspolitik, und die Begründung dieser Entscheidung wird von einer sorgfältigen und ernsthaften Untersuchung gestützt, an der die betroffene Partei teilnimmt.

7.1.3   Durch die in der Verordnung 1/2003 des Rates eingeführten Beschlüsse über Verpflichtungszusagen werden laut Kommission lange und kostspielige Verfahren vermieden. Diese Zusagen sind nach ihrer Annahme rechtsverbindlich. Da sie jedoch aus einer Vereinbarung mit den Unternehmen hervorgehen, die Gegenstand einer Untersuchung sind, umfassen sie günstigere bzw. weniger kostspielige Bedingungen. In jedem Fall kann ein Verstoß gegen die Zusage ggf. mit einer Strafe geahndet werden.

7.2   Der Büchermarkt

7.2.1

Elektronische Bücher Mit der im Dezember 2012 angenommenen Verpflichtungsbeschluss in Bezug auf Apple und vier Verlage wird versucht, die Verlage und den Handel schädigende Praktiken zu verhindern. U.a. sehen die Zusagen Beschränkungen für die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel im Einzelhandel vor. Es ist hervorzuheben, dass die Kommission angesichts der globalen Bedeutung des Marktes mit dem Justizministerium der Vereinigten Staaten zusammengearbeitet hat. Das Verbot wettbewerbswidriger Praktiken in der EU hat mit der zusätzlichen Schwierigkeit zu kämpfen, dass sich die Preis- und Steuerpolitik in Bezug auf Bücher im Allgemeinen und E-Books im Besonderen in den jeweiligen Mitgliedstaaten unterscheidet. Der EWSA schlägt vor, über die Notwendigkeit einer stärkeren Harmonisierung nachzudenken mit dem Ziel, Arbitrage zu vermeiden und die Integration dieses Marktes voranzutreiben. Da der E-Book-Markt noch jung ist und die verfügbaren Informationen unzureichend sind, sollte seine Funktionsweise besser untersucht werden.

7.2.2

Online-Vertrieb von Büchern Der EWSA lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass Verbände des Buchhandels in Frankreich und dem Vereinigten Königreich die mögliche Wettbewerbswidrigkeit der Gewährung von Rabatten durch Amazon gemeldet haben.

7.3   Pharmaindustrie

7.3.1

Der EWSA begrüßt und unterstützt die Bemühungen der Kommission, den Missbrauch von Patenten zur Behinderung der Vermarktung von Generika zu bestrafen. Mit dem Urteil des EuGH im Fall AstraZeneca (10) wurde die von der Kommission verhängte Geldbuße über 60 Mio. EUR bestätigt. Auch der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat sich gegen vergleichbare Vereinbarungen und "Pay-to-play"-Vereinbarungen ausgesprochen. Die Mitteilungen der Beschwerdepunkte, die die Kommission im Juli 2012 im Rahmen von zwei großen Verfahren an mehr als vierzehn Unternehmen schickte, lassen erkennen, dass es sich hierbei um häufig vorkommende Praktiken handelt, die die Verbraucher und die öffentliche Hand erheblich schädigen.

7.3.2

Zwischen 2003 und 2012 erzielten die elf größten globalen Marktführer der Pharmabranche Nettogewinne in Höhe von 711,4 Mrd. USD, weshalb die von den Wettbewerbsbehörden verhängten Geldbußen kaum eine abschreckende Wirkung entfalten können. Dieses Problem beschränkt sich im Übrigen nicht auf den Wettbewerb, sondern berührt auch so wichtige Bereiche wie die menschliche Gesundheit und verursacht finanzielle Schäden für die privaten Haushalte und die Sozialversicherungsträger. Daher schlägt der EWSA vor, wirksamere Vorschriften auf EU-Ebene zu erwägen, um dieser Art von Verhaltensweisen vorzubeugen.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2013) 404 final.

(2)  Rechtssache T-111/08.

(3)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15.11.2011. ABl. C 153 E vom 31.5.2013.

(4)  ABl. C 248 vom 25.8.2011 S. 149.

(5)  COM(2012) 209 final.

(6)  ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 49.

(7)  IP/12/1424.

(8)  http://ec.europa.eu/competition/consultations/2013_gber/draft_regulation_de.docx.

(9)  ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 74.

(10)  Rechtssache T-321/05.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/79


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen

COM(2013) 449 final — 2013/0213 (COD)

2014/C 67/15

Berichterstatter: Paulo BARROS VALE

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 4. Juli bzw. 30. September 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen

COM(2013) 449 final — 2013/0213 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 2. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 130 gegen 2 Stimmen bei 3 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt diesen Richtlinienvorschlag, der die Normung der Daten der elektronischen Rechnung auf der Grundlage eines von der europäischen Normungsorganisation CEN definierten Datenmodells zum Ziel hat.

1.2

Angesichts eines fragmentierten Marktes, wo die umfassende Einführung und Nutzung der elektronischen Rechnungsstellung individuell und nach voneinander abweichenden Kriterien erfolgen, was den grenzüberschreitenden Austausch elektronischer Rechnungen unmöglich macht, ist die Schaffung einer europäischen Norm ein wesentliches Instrument zur Weiterentwicklung des Binnenmarktes und ein wichtiger Schritt bei der Beseitigung der bestehenden Hemmnisse für die Marktbeteiligung.

1.3

Im Dezember 2010 legte die Kommission eine Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen mit dem Titel "Die Vorteile der elektronischen Rechnungsstellung für Europa nutzen" (1) vor, zu dem der EWSA seine Stellungnahme abgab (2).

1.4

Von der Expertengruppe, die die Kommission eingesetzt hatte, um die einer rascheren Einführung der elektronischen Rechnungsstellung in der EU entgegenstehenden Hindernisse zu untersuchen, wurde die "Einführung der UN/CEFACT Cross-Industry Invoice (CII) v. 2 als gemeinsamer inhaltlicher Standard und Datenmodell für elektronische Rechnungen durch sämtliche Akteure des privaten und öffentlichen Sektors" empfohlen. Die Mehrheit der im Rahmen der öffentlichen Konsultation Befragten stimmte dieser wie auch anderen Empfehlungen des Berichts zu. Diese Angabe wie auch weitere Spezifikationen (CWA 16356 und CWA 16562 sowie finanzwirtschaftliche Rechnungen basierend auf der Spezifikation ISO 20022) sind in dem hier erörterten Richtlinienvorschlag enthalten; der EWSA begrüßt die Aufnahme derartiger Spezifikationen, die das Ergebnis einer langwierigen Arbeit von Fachleuten sind.

1.5

Trotzdem ist der EWSA überrascht und enttäuscht, dass keine Frist vorgegeben wird, bis zu welcher das CEN (Europäisches Komitee für Normung) den Vorschlag für die europäische Norm für das semantische Datenmodell der elektronischen Basisrechnung vorlegen soll. In der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates ist in Artikel 10 Absatz 1 die Festlegung einer Frist vorgesehen, die in dem hier erörterten Richtlinienvorschlag völlig ausgespart wird, was mit der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Norm nicht zu vereinbaren ist.

1.6

Ebenfalls in Bezug auf die Fristen ist der EWSA außerdem darüber besorgt, dass in dem Richtlinienvorschlag eine Umsetzungsfrist von 48 Monaten vorgesehen ist. Diese Frist – die nicht nur zu lang ist, sondern auch im Widerspruch zu der angestrebten Umstellung auf die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge bis 2016 steht – ist realitätsfremd und entspricht weder den aktuellen technologischen Fortschritten noch dem Willen der Wirtschaftsakteure; in der Folge wäre mit einer Verbreiterung der Kluft zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten- und einer EU der zwei Geschwindigkeiten (jedenfalls in diesem Bereich) zu rechnen. Eine solche Frist kann sogar zu einer Zunahme der Hindernisse für den Marktzugang führen, bis die Richtlinie von allen Mitgliedstaaten voll umgesetzt ist. Im Bereich der elektronischen Rechnungsstellung wurden sogar in Ländern, die eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise durchmachen, wie z.B. Italien und Portugal, erhebliche Fortschritte erzielt, was beweist, dass dieses wichtige Vorhaben in kürzerer Zeit verwirklicht werden kann. Eine Verkürzung der Fristen ist möglich und wünschenswert.

1.7

Der EWSA hat bereits in einer früheren Stellungnahme (3) die Auffassung vertreten, dass die Normung und die Interoperabilität der Systeme für den Erfolg der elektronischen Rechnungsstellung und die damit angestrebte Weiterentwicklung des Binnenmarktes von entscheidender Bedeutung sind, weshalb immer dringender etwas gegen die derzeitige Fragmentierung des Marktes unternommen werden muss. Auch die Frist von zehn Jahren, die für die Analyse der Ergebnisse und Auswirkungen dieser Richtlinie auf den Binnenmarkt und auf die Nutzung der elektronischen Rechnungsstellung vorgesehen ist, ist unangemessen und steht im Widerspruch zu der Geschwindigkeit, mit der sich technologische Entwicklungen auf einem von ständiger Veralterung geprägten schnelllebigen Markt vollziehen.

1.8

Der hier erörterte Richtlinienvorschlag beschränkt sich darauf, sicherzustellen, "dass die öffentlichen Auftraggeber und Vergabestellen keine elektronischen Rechnungen ablehnen, die dieser europäischen Norm […] genügen", die vom CEN festgelegt wurde. Der EWSA fragt sich, ob die ganze Arbeit, die mit einem erheblichen personellen und finanziellen Aufwand in Angriff genommen wird, nicht rechtfertigen würde, dass man sich ein ambitionierteres Ziel steckt, nämlich die tatsächliche Harmonisierung der Verfahren und die umfassende Einführung eines durch alle beteiligten (öffentlichen wie privaten) Akteure gemeinsam erarbeiteten Modells der elektronischen Rechnungsstellung; diese Zielsetzung wäre de facto der Errichtung des Binnenmarktes und der Verwirklichung einer papierlosen öffentlichen Verwaltung dienlich.

1.9

Der EWSA befürwortet die generelle Verwendung der elektronischen Rechnungsstellung. Das Potenzial der elektronischen Rechnungsstellung kann jedoch nur dann genutzt werden, wenn die Interoperabilität der Systeme gegeben ist und den Austausch von Dokumenten ermöglicht. Der Markt der öffentlichen Aufträge muss im Vergleich zu den anderen Märkten höhere Anforderungen an Transparenz und Genauigkeit erfüllen und sollte deshalb als Beispiel für bewährte Verfahren dienen und zu deren Verbreitung auf den anderen Märkten beitragen. Die Umsetzung der elektronischen Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen wie auch die Verwendung der durchgängig elektronischen Auftragsvergabe sind dringend geboten und wünschenswert. In diesem Zusammenhang bekräftigt der EWSA hier seine Unterstützung und seinen Wunsch für eine rasche Umsetzung der durchgängig elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge, die er bereits in seiner diesbezüglichen Stellungnahme (4) zum Ausdruck bringt.

1.10

Die Grundnormen für elektronische Rechnungen wurden bereits untersucht, insbesondere im Rahmen des von der Kommission finanzierten PEPPOL-Projekts für ein gesamteuropäisches Online-System auf dem Gebiet des öffentlichen Beschaffungswesens (Pan European Public Procurement OnLine (5)), das im November 2012 seinen Abschlussbericht veröffentlicht hat. Auf der Grundlage der Arbeiten des CEN-Workshops BII (Business Interoperability Interfaces für die öffentliche Beschaffung in Europa) hat das PEPPOL-Projekt bereits verschiedene Spezifikationen für die Interoperabilität (Business Interoperability Specifications – BIS) definiert, insbesondere die Spezifikationen für die elektronische Rechnung – ein Modell, das bei den Mitgliedern des PEPPOL-Konsortiums auf breite Zustimmung stieß. Der EWSA dringt darauf, die bereits geleistete Arbeit zu nutzen, die über die Festlegung der Daten für die elektronische Rechnung hinausgeht. Genau das scheint im Übrigen die Absicht der Mitglieder des Konsortiums zu sein. Die Gefahren der Doppelarbeit und der Mittelvergeudung seitens der Mitgliedstaaten und der Wirtschaftsakteure, deren Lösungen im Lichte der erzielten Ergebnisse obsolet werden, werden dadurch vermieden bzw. verringert.

1.11

Da der europäische Markt überwiegend aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) besteht, empfiehlt der EWSA, deren Interessen dadurch zu schützen, dass eine sowohl preislich als auch technologisch zugängliche und ohne Weiteres allgemein verwendbare Lösung gewählt wird, was de facto zum Abbau der bestehenden Hemmnisse für die Marktteilnahme der KMU beitragen würde. Nur so kann sich der angestrebte Kaskadeneffekt tatsächlich entfalten und die Initiative zu einem wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu beträchtlichen Einsparungen bei den finanziellen und personellen Mitteln werden, die zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung sowie zur Verkürzung der Zahlungsfristen aufgewandt werden müssen.

1.12

Wie der EWSA bereits an anderer Stelle (6) empfohlen hat, sollten außerdem die Bedürfnisse und Interessen der Verbraucher berücksichtigt werden, da entsprechende IT-Kenntnisse erforderlich sind, um die echten Vorteile der elektronischen Auftragsvergabe nutzen zu können. Der Ausschuss weist auf die Notwendigkeit hin, im großen Maßstab Schulungsmaßnahmen im Bereich Informations- und Telekommunikationstechnologien (IKT) in Angriff zu nehmen.

1.13

Ebenfalls in Bezug auf die Verbraucher bekräftigt der EWSA seine Sorge um den Schutz der Interessen von Menschen mit Behinderung; es muss sichergestellt werden, dass das Dokument so gestaltet ist, dass es für alle zugänglich ist und den speziellen Erfordernissen von Menschen mit Behinderungen Rechnung trägt im Einklang mit den Bestimmungen über die Nichtdiskriminierung wegen einer Behinderung gemäß Artikel 21 der EU-Grundrechtecharta sowie gemäß dem von der Europäischen Union ratifizierten UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

2.   Hintergrund des Vorschlags

2.1

Mit dem hier erörterten Richtlinienvorschlag soll eine Lücke in den Rechtsvorschriften geschlossen werden, die der Verwirklichung einer papierlosen öffentlichen Verwaltung dienen. Dieses Ziel zählt zu den Prioritäten der Leitinitiative "Digitale Agenda für Europa" im Rahmen der Strategie Europa 2020.

2.2

Eine Richtlinie ist nach Ansicht der Kommission angemessen und steht im richtigen Verhältnis zum angestrebten Zweck, da sie die Mitgliedstaaten zwar auf ein bestimmtes Ziel verpflichtet, diese jedoch die Mittel zu seiner Verwirklichung frei wählen können.

2.3

Die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung war 2012 und 2013 eine der fünf Prioritäten des Jahreswachstumsberichts der Kommission. Die Reform der Regelungen für das öffentliche Auftragswesen, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, die Verringerung des Verwaltungsaufwands und die Verbesserung der Transparenz sind Wachstumsfaktoren: Das Ergebnis sind modernere und effizientere Verwaltungen, deren ökologische und wirtschaftliche Vorteile auf 2,3 Mrd. EUR geschätzt werden.

2.4

Obwohl es verschiedene Methoden der elektronischen Rechnungsstellung und auch Plattformen für die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge gibt, ist das elektronische Verfahren in Europa noch nicht allgemein verbreitet und macht nur 4 bis 15 % aller ausgestellten Rechnungen aus. Es ist somit festzustellen, dass der elektronische Binnenmarkt nicht funktioniert.

2.5

Hinzu kommt, dass sowohl die für die elektronische Rechnungsstellung verwendeten Formate als auch die Plattformen für die öffentliche Auftragsvergabe voneinander sehr unterschiedlich und häufig sogar nicht miteinander kompatibel sind; ein Wirtschaftsakteur muss daher in jedem Mitgliedstaat, in dem er an einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren teilnehmen will, neue Anforderungen an die Rechnungsstellung erfüllen, was mit hohen Anpassungskosten verbunden ist. Dies behindert den freien Markt und hält einige Wirtschaftsakteure davon ab, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen.

2.6

Die Festlegung einer europäischen Norm für die elektronische Rechnung und die sich daraus ergebende Interoperabilität der Rechnungsstellungssysteme sowie die Vereinheitlichung der Verfahren für die durchgängig elektronische Auftragsvergabe sind wichtig, um derzeit bestehende Wettbewerbshemmnisse zu beseitigen.

2.7

In dem Bewertungsbericht aus dem Jahr 2010 zu dem Aktionsplan zur elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge von 2004 (7), der als Begleitdokument zu dem Grünbuch zum Ausbau der e-Beschaffung in der EU (8) erstellt wurde, wird empfohlen, dass sich die Kommission um die Verringerung der Risiken eines dezentralen und fragmentierten Ansatzes bemüht, wobei einige wichtige Punkte herausgestellt werden, die dabei zu berücksichtigen sind.

Schaffung eines günstigen Regelungsumfelds – möglicherweise sind weitere rechtliche Änderungen notwendig, um die Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Einrichtung und Nutzung der Plattformen zu klären und festzulegen, z.B. die Rechtsvorschriften über elektronische Signaturen, elektronische Rechnungsstellung und MwSt.

Ein ggf. pragmatischeres Vorgehen in technischen Fragen – es muss ein Gleichgewicht zwischen den Betriebskosten, dem Entwicklungsgrad der Plattformen und der gebotenen Sicherheit hergestellt werden. Für die durchgängig elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge wurden bestimmte Grenzen aufgezeigt, zum Beispiel Schwierigkeiten bei der Nutzung automatischer Evaluierungskonzepte für komplexe Beschaffungen und das Fehlen eines EU-weit akzeptierten Zeitstempelsystems.

Stärkere Unterstützung der Mitgliedstaaten bei Verwaltungsvereinfachungen und organisatorischen Veränderungen zur Verringerung der von den Wirtschaftsakteuren und Auftragnehmern wahrgenommenen Schwerfälligkeit der Verfahren. In diesem Zusammenhang müssen Maßnahmen zur Einführung besserer Überwachungssysteme auf nationaler und europäischer Ebene ergriffen werden.

Fehlende Einheitlichkeit bei den Verfahren für die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge – da die einzelnen Länder derzeit unabhängig voneinander entsprechende Verfahren entwickeln, sehen sich die Wirtschaftsakteure derzeit und auch noch in naher Zukunft verschiedenen Plattformen mit unterschiedlichen technischen Merkmalen gegenüber, was zwangsläufig mit Hindernissen für den Zugang sowie vermehrten Schwierigkeiten bei der Festlegung der Aufgaben der einzelnen Akteure verbunden ist. Ein einziges einheitliches System ist weder wünschenswert noch beabsichtigt, aber einheitliche wesentliche Funktionen wären wichtig, da sie die Interoperabilität sowie den universellen Zugang erleichtern würden.

Verbesserte Zugänglichkeit und erweiterter Kreis – möglicherweise sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich, um allen interessierten Parteien einschließlich der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den Zugang zur elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge zu ermöglichen.

3.   Inhalt des Vorschlags

3.1

In der Richtlinie soll eine europäische Norm für das semantische Datenmodell (9) der elektronischen Basisrechnung (10) festgelegt werden, die technologieneutral ist und den Schutz personenbezogener Daten im Sinne der Richtlinie 95/46/EG gewährleistet.

3.2

Das Modell muss von der zuständigen europäischen Normungsorganisation, dem Europäischen Komitee für Normung (CEN), erarbeitet werden.

3.3

Im Richtlinienvorschlag ist keine Frist angegeben, weder für den Auftrag der Kommission an die Normungsorganisation noch für die Vorlage von deren Vorschlägen, obwohl dies wichtig und wünschenswert wäre.

3.4

Von den Mitgliedstaaten wird verlangt, dafür zu sorgen, dass sowohl die Auftraggeber als auch die Auftragnehmer elektronische Rechnungen akzeptieren, sofern diese der festgelegten europäischen Norm entsprechen.

3.5

Die Mitgliedstaaten haben die Richtlinie spätestens 48 Monate nach ihrem Inkrafttreten umzusetzen, indem sie die hierfür erforderlichen nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen.

3.6

Bis zum 30. Juni 2023 muss dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Auswirkungen dieser Richtlinie auf den Binnenmarkt und auf die Nutzung der elektronischen Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen Bericht erstattet werden. Diese begleitende Untersuchung ist nach Auffassung des Ausschusses äußerst wichtig, da geeignete Überwachungsinstrumente entwickelt werden müssen, um die Auswirkungen der Maßnahme sowohl in Bezug auf die Kosten der Umsetzung als auch die durch die Nutzung der Möglichkeiten erzielten Einsparungen zu quantifizieren.

4.   Bemerkungen

4.1

In einigen Mitgliedstaaten, die die elektronische Rechnungsstellung entweder bereits eingeführt haben oder einführen werden, müssen Rechnungen obligatorisch über elektronische Rechnungsstellungssysteme ausgestellt werden. In Portugal ist beispielsweise die Ausstellung von Rechnungen über elektronische Rechnungsstellungssysteme, die von der portugiesischen Finanz- und Steuerverwaltung ordnungsgemäß zugelassen sind, für alle Wirtschaftsakteure verbindlich vorgeschrieben; von dieser Regelung ausgenommen sind diejenigen Akteure, deren Jahresumsatz unter 150 000 EUR liegt oder die weniger als 1 000 Rechnungen pro Jahr ausstellen.

Die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge ist in Portugal seit 2009 obligatorisch. Auch in Schweden, Dänemark und Finnland ist für bestimmte öffentliche Vergabeverfahren die elektronische Rechnungsstellung verpflichtend vorgeschrieben. In Österreich und Italien befindet sich die elektronische Rechnungstellung in der Einführung; 2014 soll sie in Italien verbindlich werden.

4.2

In einer im Januar 2011 veröffentlichten Umfrage, die die portugiesische Vereinigung für das öffentliche Auftragswesen (Associação Portuguesa dos Mercados Públicos) im Auftrag des INCI (Instituto da Construção e do Imobiliário, nationales Institut für das Bau- und Liegenschaftswesen) durchgeführt hat, werden einige Verbesserungsvorschläge zum elektronischen Vergabeverfahren gemacht; der Wert dieser Analyse für die Ausarbeitung des europäischen Modells für die Vergabe öffentlicher Aufträge und für die elektronische Rechnung sollte nicht unterschätzt werden. In der Untersuchung wird darauf hingewiesen, wie wichtig die Vereinheitlichung der Funktionsweise der Plattformen, die Verbesserung der Interoperabilität zwischen den Plattformen und den übrigen Diensten sowie die Vereinfachung der Verfahren und Anforderungen für elektronische Signaturen sind.

4.3

Aus Sicht des Auftragnehmers hat die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen folgende Vorteile:

Entmaterialisierung des Verfahrens mit entsprechender Verringerung der Umweltbelastung (sowohl beim Papierverbrauch als auch bei dem durch die Postzustellung verursachten ökologischen Fußabdruck), der Opportunitätskosten und der Betriebskosten;

Erleichterung des Zugangs zu nationalen und grenzüberschreitenden Ausschreibungen über eigens zu diesem Zweck geschaffene elektronische Plattformen, wodurch die mit der Entfernung vom Ort der Ausschreibung – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes – verbundenen Schwierigkeiten verringert werden. In dieser Hinsicht können die Zugangsmöglichkeiten durch die Normung auf EU-Ebene erheblich gesteigert werden, indem Hindernisse für die Teilnahme an Ausschreibungen durch die Milderung entfernungsbedingter Probleme beseitigt werden;

Senkung der Teilnahmekosten, wodurch der Markt für mehr Unternehmen und vor allem KMU geöffnet werden kann.

4.4

Aus Sicht des Auftraggebers hat die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen folgende Vorteile:

Verringerung des Verwaltungsaufwands, der Opportunitätskosten sowie der Umweltbelastung;

Beschleunigung des Auftragserteilungs-, Rechnungsbearbeitungs- und Zahlungsvorgangs;

Verbesserung der Transparenz und Genauigkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge;

Erleichterung der Rechnungsprüfung;

Steigerung der Effizienz der öffentlichen Verwaltung durch Erzeugung eines Kaskadeneffekts für die Entmaterialisierung der Verfahren in anderen Bereichen;

Beitrag zur optimalen Nutzung der finanziellen Mittel, was in den gegenwärtigen Krisenzeiten in Europa unverzichtbar ist;

4.5

Als Nachteile wären zu nennen:

Sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Wirtschaftsakteure haben bereits sehr viel in die bestehenden Systeme investiert. Sehr viel Software und selbst Hardware wird daher eventuell angepasst werden müssen, möglicherweise mit erheblichen Kosten. In dieser Hinsicht kann bei der jetzt angestrebten Normung allenfalls bemängelt werden, dass sie reichlich spät kommt und deshalb jeder Mitgliedstaat gesondert vorpreschen konnte;

die Sicherheit der ausgetauschten Daten: Trotz der erheblichen Verbesserung der Verlässlichkeit der Plattformen besteht offenbar immer noch die Möglichkeit von Informationslecks;

die teilweise Abhängigkeit von Dienstleistungen, die durch Dritte erbracht werden, nämlich Telekommunikationsanbieter und Betreiber von elektronischen Plattformen;

unter den Nachteilen der elektronischen Rechnungsstellung könnte auch noch angeführt werden, dass ihre allgemeine Verbreitung möglicherweise zu vermehrten Zugangsschwierigkeiten für Menschen mit Behinderung führen könnte, falls deren besonderen Bedürfnissen nicht Rechnung getragen wird. Daher müssen die Zugänglichkeit für alle, die Chancengleichheit sowie die Nichtdiskriminierung von Menschen mit Behinderungen sichergestellt werden.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2010) 712 final.

(2)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 105.

(3)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 105.

(4)  Elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge. (Siehe Seite 96 dieses Amtsblatts).

(5)  Referenz der Finanzhilfevereinbarung: 224974

(6)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 105.

(7)  SEC(2010)1214 final.

(8)  COM(2010) 571 final.

(9)  Unter einem "semantischen Datenmodell" versteht man "eine strukturierte und logisch verknüpfte Reihe von Begriffen und Bedeutungen, die die mit Hilfe elektronischer Rechnungen ausgetauschten Inhalte beschreiben".

(10)  "Elektronische Basisrechnung" bezeichnet eine "Teilmenge von Informationen, die in einer elektronischen Rechnung enthalten und für die grenzübergreifende Interoperabilität unerlässlich sind, so z. B die Informationen, die zur Gewährleistung der Einhaltung der Rechtsvorschriften erforderlich sind".


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/83


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union

(COM(2013) 404 final — 2013/0185 (COD))

und der Mitteilung der Kommission zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union C(2013) 3440

2014/C 67/16

Berichterstatterin: Reine-Claude MADER

Das Europäische Parlament beschloss am 1. Juli 2013 und der Rat am 8. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union

COM(2013) 404 final — 2013/0185 (COD).

Die Europäische Kommission beschloss am 8. Mai 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

C(2013) 3440.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 2. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 133 Stimmen gegen 1 Stimme bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Allgemeine Schlussfolgerungen

1.1.1

Das Fehlen geeigneter einzelstaatlicher Vorschriften über Schadensersatzklagen bzw. vielmehr ihre Unterschiedlichkeit führt zu einer Ungleichbehandlung der durch Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht Geschädigten, aber auch der für diese Verstöße Verantwortlichen.

1.1.2

Dadurch erhalten möglicherweise Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, die gegen Artikel 101 und 102 AEUV verstoßen, aber ihren Gesellschaftssitz nicht in einem Mitgliedstaat mit entsprechenden Rechtsvorschriften haben oder dort tätig sind.

1.1.3

Diese Unterschiede bei den Haftungsregelungen beeinträchtigen den Wettbewerb und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts.

1.1.4

Der Ausschuss begrüßt daher die Vorschläge der Kommission, durch die der Zugang zu den Gerichten erleichtert und den Geschädigten die Möglichkeit gegeben werden soll, Schadensersatz geltend zu machen.

1.1.5

Der EWSA ist jedoch der Ansicht, dass in dem Vorschlag zu stark die Interessen derjenigen Unternehmen vertreten werden, die Kronzeugenprogramme in Anspruch nehmen, und die Interessen der Geschädigten dabei zu kurz kommen. Einige Bestimmungen des Richtlinienvorschlags beeinträchtigen die Ansprüche der Geschädigten, da von der Grundidee ausgegangen wird, dass Unternehmen, die eine Kronzeugenregelung in Anspruch nehmen, nachhaltig vor Schadensersatzklagen geschützt werden müssen.

1.1.6

Überdies ist es notwendig, den Richtlinienvorschlag und die Empfehlung der Kommission "Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten" (1) aufeinander abzustimmen, denn in beiden Dokumenten ist vorgesehen, dass alle Mitgliedstaaten über nationale Rechtsinstrumente in Form von Sammelklagen - insbesondere zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen - verfügen sollten.

1.2   Empfehlungen zum Richtlinienvorschlag

1.2.1

Der EWSA begrüßt den Richtlinienvorschlag über Schadensersatzklagen im Bereich des Wettbewerbsrechts.

1.2.2

Nach Ansicht des Ausschusses ist der Zugang zu den Beweismitteln ein entscheidender Faktor für die Ausübung der Rechtsmittel. Er befürwortet daher die von der Kommission vorgeschlagenen Bestimmungen, wonach unter gerichtlicher Kontrolle ein angemessener Zugang zu den für die Klage relevanten und erforderlichen Informationen gewährt werden soll.

1.2.3

Überdies unterstützt er, ebenso wie die Kommission, die Kronzeugenprogramme, dank derer zahlreiche Verstöße aufgedeckt werden können. Seiner Ansicht nach dürfen kooperationswillige Unternehmen nicht abgeschreckt werden, wobei allerdings diese Kronzeugenprogramme die Unternehmen nicht über das strikt notwendige Maß hinaus schützen dürfen. Insbesondere dürfen an solchen Programmen teilnehmende Unternehmen nicht von der Zahlung von Schadensersatz an die Geschädigten befreit werden.

1.2.4

Der EWSA begrüßt die Bestimmung, der zufolge eine bestandskräftige Entscheidung einer einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörde oder Beschwerdeinstanz von dem mit der Schadensersatzklage befassten Gericht nicht infrage gestellt werden darf.

1.2.5

Er unterstützt auch die Vorschläge der Kommission bezüglich des Beginns der Verjährungsfrist, die die in der Stellungnahme des Ausschusses zum Weißbuch vorgebrachten Empfehlungen des Ausschusses aufgreifen, sowie die Vorschriften über die Hemmung der Frist im Falle der Eröffnung eines Verfahrens durch eine nationale Wettbewerbsbehörde.

1.2.6

Der EWSA nimmt den Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung und die Modalitäten bei Inanspruchnahme des Kronzeugenprogramms zur Kenntnis. Er wirft jedoch die Frage nach der praktischen Umsetzung dieser Bestimmungen auf, insbesondere da sich der genaue Grad der Verantwortung der einzelnen Unternehmen nur schwer genau feststellen lässt.

1.2.7

Der Ausschuss hält es für unerlässlich, Situationen, in denen eine ungerechtfertigte Bereicherung möglich ist, zu vermeiden. Der Ausschuss befürwortet folglich die Bestimmungen bezüglich der Schadensabwälzung, die sicherstellen, dass die Entschädigung auch an die Person ausgezahlt wird, die tatsächlich einen Schaden erlitten hat, und die Möglichkeiten der Verbraucher und Kleinunternehmen, Schadensersatz zu erhalten, erheblich verbessern.

1.2.8

Der EWSA teilt die Sichtweise der Kommission, dass Regelungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung sinnvoll sein können, sofern die Verfahren die nötige Qualität aufweisen und auf Unabhängigkeit und Freiwilligkeit basieren. Ferner betont der Ausschuss, dass alternative Streitbeilegungsverfahren nur dann eine glaubwürdige Lösung für die Geschädigten sein können, wenn wirksame Rechtsmittel, insbesondere die Möglichkeit von Sammelklagen, bestehen.

1.2.9

Es ist notwendig, den Richtlinienvorschlag und die Empfehlung der Kommission zu Sammelklagen aufeinander abzustimmen, denn in beiden Dokumenten sind für alle Mitgliedstaaten nationale kollektive Rechtsinstrumente in Form von Sammelklagen - insbesondere zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen - vorgesehen.

In dieser Frage bedauert der Ausschuss, dass die Einführung einer Sammelklage im Wettbewerbsrecht, die für die Verbraucher ein wirksames Instrument hätte sein können, abgekoppelt und zu einer Empfehlung abgeschwächt wurde: die Mitgliedstaaten werden lediglich dazu ermuntert, nicht bindende Verfahren des kollektiven Rechtschutzes einzuführen.

1.3   Empfehlungen zur Mitteilung

1.3.1

Der EWSA begrüßt die Mitteilung zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Geschädigten von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht.

1.3.2

Seiner Ansicht nach ist der Anspruch auf Ersatz des gesamten durch wettbewerbswidrige Praktiken entstandenen Schadens ein Grundrecht, wobei die Schadensersatzklage die Rechtsdurchsetzung durch die staatlichen Stellen und nationalen Wettbewerbsbehörden sinnvoll ergänzt.

1.3.3

Schließlich teilt der Ausschuss die Bewertung der Kommission bezüglich der Schwierigkeiten bei der Quantifizierung des Schadens. Er ist der Auffassung, dass die im "Praktischen Leitfaden" enthaltenen Orientierungen eine nützliche Hilfe für die Gerichte und Parteien bieten, wobei die Unabhängigkeit des einzelstaatlichen Gerichts bezüglich des bestehenden nationalen Rechts gewahrt wird.

2.   Vorschläge der Europäischen Kommission

2.1   Der Richtlinienvorschlag

2.1.1

Die Europäische Kommission legte am 11. Juni 2013 nach einem sehr umfangreichen Konsultationsverfahren (2) ihren Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union vor.

2.1.2

Ziel der Kommission ist es, die volle Wirksamkeit der Artikel 101 und 102 AEUV und der nationalen Rechtsvorschriften im Bereich des Wettbewerbsrechts dadurch zu gewährleisten, dass jeder – Verbraucher, Unternehmen oder Behörden – vor Gericht den Ersatz eines (wie auch immer gearteten) Schadens verlangen kann, der ihm durch eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsbestimmungen entstanden ist.

2.1.3

Nach Ansicht der Kommission sollten behördliche und private Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts miteinander kombiniert werden und einander ergänzen, um die Wettbewerbsvorschriften wirksam durchzusetzen.

2.1.4

Sie betont, dass es derzeit zahlreiche Hindernisse gibt und keine Rechtssicherheit herrscht, was vor allem auf die Unterschiede zwischen den Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten zurückzuführen ist; dadurch wird die Wirksamkeit des Rechts und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigt.

2.1.5

Um die zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede beim gerichtlichen Schutz der im Vertrag garantierten Rechte auszugleichen und angesichts der Tatsache, dass es in einigen Ländern keinen wirksamen Rechtsrahmen für den Schadensersatz für die durch Verstöße gegen Art. 101 und 102 Geschädigten gibt, schlägt die Kommission gemeinsame Vorschriften mit dem Ziel vor:

den Zugang zu den Beweismitteln unter Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Kronzeugenregelungen und der entsprechenden Transaktionen, deren Bedeutung die Kommission betont, zu verbessern;

zu gewährleisten, dass Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden, bei denen ein Verstoß festgestellt wird, vor den Gerichten der Mitgliedstaaten automatisch als Beweis für den Rechtsverstoß gelten;

Verjährungsvorschriften zu erlassen, um zu vermeiden, dass die Fristen verstreichen, bevor die Geschädigten Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Ansprüche hatten;

das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung der Unternehmen einführen, dabei allerdings die Vergünstigungen der Kronzeugenregelung beibehalten, um die positive Wirkung der Kooperation zu erhalten;

Vorschriften über die Berücksichtigung der Schadensabwälzung festzulegen;

die widerlegbare Vermutung einzuführen, dass Kartelle Schäden verursachen;

die Inanspruchnahme der einvernehmlichen Streitbeilegungsverfahren zu fördern, indem die Verjährungsfristen in dieser Phase ausgesetzt werden.

2.2   Die Mitteilung

2.2.1

In der Mitteilung wird festgestellt, dass Artikel 101 und 102 AEUV der öffentlichen Ordnung zuzurechnen sind und Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt verhindern sollen. Sie schaffen auch Rechte und Pflichten für Unternehmen und Verbraucher, die nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt sind.

2.2.2

Anschließend werden die Schwierigkeiten der Ermittlung des Schadensumfangs bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht dargelegt - eine Aufgabe, die den nationalen Gerichten zufällt. Diese können sich dabei aber auf einen von den Kommissionsdienststellen erarbeiteten praktischen Leitfaden stützen.

2.2.3

Zur Ergänzung des Richtlinienvorschlags hat die Kommission ihrer Mitteilung einen praktischen Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs beigefügt.

2.2.4

Dieser Praktische Leitfaden ist rein informativ und für einzelstaatliche Gerichte oder Parteien nicht rechtsverbindlich. Er soll den nationalen Gerichten und den Parteien Informationen über die bestehenden Schadensermittlungsmethoden und -techniken zur Verfügung stellen.

3.   Allgemeine Bemerkungen zu dem Richtlinienvorschlag

3.1

In seiner Stellungnahme zum Weißbuch über Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts hatte der EWSA die Notwendigkeit von Maßnahmen betont, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Geschädigten zu verbessern, damit sie ihren Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens geltend machen können. Er begrüßt daher den Vorschlag, der zur Beseitigung der festgestellten Hindernisse beitragen wird.

3.2

Nach Ansicht des Ausschusses sollte die Schadensersatzklage mit den Durchsetzungsmaßnahmen der öffentlichen Einrichtungen und nationalen Wettbewerbsbehörden einhergehen. Die Klagemöglichkeit wird sich aufgrund ihrer abschreckenden Wirkung positiv niederschlagen.

3.3

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Erhebung von Schadensersatzklagen ein Grundrecht der Geschädigten - dies können Verbraucher und/oder Unternehmen sein - ist und zur vollständigen Entschädigung des durch wettbewerbswidrige Praktiken entstandenen Schadens führen muss.

3.4

Das Recht, Ersatz für den entstandenen Schaden zu fordern, wurde seit 2001 mehrfach bekräftigt: laut EuGH muss es jedermann gestattet sein, Ersatz für einen solchen, ihm entstandenen Schaden zu verlangen (3). In Artikel 47 der Charta der Grundrechte ist außerdem das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei Verletzung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte verankert.

3.5

Der Ausschuss ist ebenso wie die Kommission der Auffassung, dass Kronzeugenprogramme zur Aufdeckung zahlreicher Verstöße beitragen und dass kooperationswillige Unternehmen nicht abgeschreckt werden dürfen. Gleichwohl vertritt er die Ansicht, dass die Kronzeugenprogramme den Unternehmen nicht absoluten Schutz gewähren und das Recht auf Schadensersatz nicht beeinträchtigt dürfen.

3.6

Er hat zur Kenntnis genommen, dass der Richtlinienvorschlag durch eine Empfehlung ergänzt wird. Darin werden Mitgliedstaaten aufgefordert, kollektive Verfahren anzunehmen, um den Bürgern wirksamen Zugang zum Recht zu gewährleisten. Der Ausschuss bedauert, dass im Vorschlag nicht die Einführung einer Sammelklage erwogen wird - dem einzigen Verfahren, das einen umfassend wirksamen Rechtsbehelf sicherstellen kann - und dass der Zugang zu einem kollektiven Rechtsbehelf nur noch als nicht bindende Empfehlung vorgeschlagen wird. Der EWSA fordert die Kommission deshalb auf, Rechtsvorschriften für diesen Bereich zu erlassen.

3.7

Schließlich teilt der Ausschuss die Einschätzung der Kommission bezüglich der Schwierigkeiten bei der Schadensquantifizierung. Er ist der Auffassung, dass die im "Praktischen Leitfaden" enthaltenen Orientierungen eine nützliche Hilfe für die Gerichte und Parteien bieten, wobei eine gewisse Ermessensfreiheit bezüglich der bestehenden einzelstaatlichen Verfahren gewahrt wird.

4.   Besondere Bemerkungen zum Richtlinienvorschlag

4.1   Zugang zu Beweismitteln

4.1.1

Der EWSA ist der Auffassung, dass der Zugang zu Beweismitteln für die Untersuchung des Sachverhalts von grundlegender Bedeutung ist.

4.1.2

Er hält es ebenso für notwendig, den Zugang der Geschädigten zu den Beweismitteln so zu gestalten, dass sie die für ihre Schadensersatzklagen erforderlichen einschlägigen Informationen erhalten können.

4.1.3

Er ist gleichwohl der Auffassung, dass dieser Zugang unter der Kontrolle der Gerichte bleiben und die Offenlegung verhältnismäßig sein muss, um den Schutz der Rechte der Parteien zu gewährleisten.

4.1.4

Im Richtlinienentwurf wird wie in Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (4) ein Rahmen für die Offenlegung von Beweismitteln aufgestellt; dabei soll sichergestellt werden, dass in allen Mitgliedstaaten ein effektiver Zugang zu einem Mindestmaß an Beweisen gewährleistet ist, die Kläger und/oder Beklagte zur Begründung ihres Anspruchs auf Schadensersatz und/oder ihrer Verteidigungsmittel benötigen.

4.1.5

Dieser Rahmen verringert die Rechtsunsicherheit, die mit dem Urteil in der Rechtssache Pfleiderer (5) verursacht worden war. Diesem Urteil zufolge oblag es - in Ermangelung von EU-Rechtsvorschriften über den Zugang zu Informationen, die eine nationale Behörde im Rahmen eines Kronzeugenprogramms erhalten hat - dem einzelstaatlichen Gericht, auf Einzelfallbasis und auf der Grundlage einzelstaatlicher Rechtsvorschriften die Bedingungen dafür festzulegen, ob Akten im Rahmen eines Kronzeugenprogramms offenzulegen sind oder nicht.

4.1.6

Schließlich ist in Artikel 6 des Richtlinienvorschlags ein absoluter Schutz für Kronzeugenunternehmenserklärungen und Vergleichsausführungen vorgesehen.

4.1.7

Geplant ist auch ein vorübergehender Schutz bis zum Ende des Verfahrens für Unterlagen, die die Parteien eigens für das behördliche Durchsetzungsverfahren ausgearbeitet haben (z.B. Antworten der Parteien auf Auskunftsverlangen der Wettbewerbsbehörde, Mitteilung der Beschwerdepunkte).

4.1.8

Der EWSA begrüßt, dass die Nichtbefolgung oder Verweigerung einer Offenlegungsanordnung oder die Unterdrückung bzw. Vernichtung von Beweismitteln mit Sanktionen belegt werden, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.

4.1.9

Dies betrifft im konkreten Fall die Unternehmen, die Gegenstand eines von einer Wettbewerbsbehörde angestrengten Verfahrens bezüglich der einem Schadensersatzklageverfahren zugrundeliegenden Tatbestände (objektive Anhaltspunkte) sind und/oder die wussten oder hätten wissen müssen, dass das einzelstaatliche Gericht befasst war oder befasst werden würde.

4.2   Wirkung einzelstaatlicher Entscheidungen: Der EWSA begrüßt die Bestimmung, der zufolge eine bestandskräftige Entscheidung einer einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörde oder eines Rechtsbehelfsgerichts von einzelstaatlichen Gerichten in Schadensersatzklageverfahren nicht infrage gestellt werden darf.

4.3   Verjährung

4.3.1

Der EWSA ist der Auffassung, dass zum Schutz der Rechte der Geschädigten unbedingt Regeln zur Berechnung der Verjährungsfristen festgelegt werden müssen.

4.3.2

Er unterstützt die Vorschläge der Kommission bezüglich des Beginns der Verjährungsfrist, die die in der Stellungnahme des Ausschusses zum Weißbuch vorgebrachten Empfehlungen des Ausschusses aufgreifen, sowie die Vorschriften über die Hemmung der Frist im Falle der Eröffnung eines Verfahrens durch eine Wettbewerbsbehörde. Diese Bestimmungen gewährleisten das Recht des Geschädigten auf wirksamen Rechtsbehelf. Er ist gleichwohl der Auffassung, dass die Frist, nach der die Hemmung endet, auf zwei Jahre nach dem Zeitpunkt, an dem die Feststellungsentscheidung bestandskräftig geworden ist, ausgedehnt werden sollte.

4.4   Haftung

4.4.1

Der EWSA nimmt den Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung zur Kenntnis, der nicht infrage gestellt werden kann.

4.4.2

Er wirft die Frage auf, welche Modalitäten vorgesehen sind für den Fall, dass eines der Unternehmen an einem Kronzeugenprogramm teilnimmt, insbesondere mit Blick auf die Schwierigkeiten, die Haftung eines jeden einzelnen Unternehmens zu belegen und festzulegen sowie ihren Beitrag unter Berücksichtigung ihrer Finanzkraft zu bewerten.

4.5   Schadensabwälzung

4.5.1

Der EWSA begrüßt, dass im Richtlinienvorschlag Bestimmungen über die Abwälzung des Schadens aufgrund betrügerischer Praktiken vorgesehen sind. Er hält es für unerlässlich, dass Situationen, in denen eine ungerechtfertigte Bereicherung möglich ist, vermieden werden.

4.5.2

Er ist der Auffassung, dass die in Artikel 13 festgeschriebene Vermutung bezüglich der mittelbaren Abnehmer ein wichtiges Mittel ist um sicherzustellen, dass die Entschädigung auch an diejenige Person ausgezahlt wird, die tatsächlich einen Schaden erlitten hat, und dass sie die Möglichkeiten der Verbraucher und Kleinunternehmen, Schadensersatz zu erhalten, erheblich verbessert.

4.5.3

Der Ausschuss unterstützt den in Artikel 2 definierten Grundsatz des vollständigen Schadensersatzes, der in Artikel 14 bekräftigt wird.

4.6   Ermittlung des Schadensumfangs

4.6.1

Der EWSA unterstützt die Schadensvermutung im Falle von Kartellen, da sie ein Hindernis für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen beseitigt, wobei die Rechte des zuwiderhandelnden Unternehmens gewahrt bleiben.

4.6.2

Er ist der Auffassung, dass die Erbringung von Beweismitteln ausreichend vereinfacht werden muss, damit sie kein Hindernis für das Einlegen von Schadensersatzklagen darstellt, da es stets schwierig ist, in Wettbewerbsrechtssachen Beweise zu erbringen.

4.6.3

Der EWSA begrüßt den von der Kommission im Anhang beigefügten "Praktischen Leitfaden", da er insbesondere für die Parteien eine gewisse Sicherheit bei der Ermittlung des Schadensersatzes bietet.

4.7   Einvernehmliche Streitbeilegung

4.7.1

Der EWSA nimmt die Bewertung der Kommission bezüglich der Vorteile der einvernehmlichen Streitbeilegung zur Kenntnis, die eine gerechte und kostengünstigere Lösung ermöglicht. Er begrüßt die vorgeschlagenen Bestimmungen über die Hemmung der Verjährungsfrist sowie die Auswirkungen der einvernehmlichen Streitbeilegung auf Gerichtsverfahren, die Anreize für die Nutzung dieses Verfahrens bieten.

4.7.2

Er macht indes darauf aufmerksam, dass die Unterstützung für die einvernehmliche Streitbeilegung voraussetzt, dass die Verfahren qualitativ hochwertig, unabhängig und freiwillig bleiben und sie keinesfalls den gerichtlichen Rechtsbehelf behindern.

4.7.3

Ferner betont der Ausschuss seine bereits in der Stellungnahme zum Weißbuch vorgebrachte Auffassung, dass alternative Streitbeilegungsverfahren nur dann eine glaubwürdige Lösung für die Geschädigten sein können, wenn wirksame Möglichkeiten des gerichtlichen Rechtsbehelfs - insbesondere Sammelklagen - bestehen.

4.8   Bewertung: Der Ausschuss unterstützt die Politik der Bewertung durch die Kommission, damit die entsprechenden Lehren gezogen und ggf. die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden können.

5.   Bemerkungen zur Mitteilung

5.1

Durch Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht Geschädigte, die Schadensersatzansprüche stellen, stoßen mitunter auf zahlreiche Hindernisse aufgrund unterschiedlicher einzelstaatlicher Vorschriften und Verfahren zur Ermittlung des Schadensumfangs.

5.2

Das Recht auf wirksamen Rechtsbehelf darf nicht durch unverhältnismäßige Hürden eingeschränkt werden, die die ohnehin schwierige Ermittlung des Schadensumfangs in Wettbewerbssachen zusätzlich erschweren: es ist nämlich unmöglich exakt festzustellen, wie sich die Bedingungen und Verhaltensweisen der Marktakteure in einem zuwiderhandlungsfreien Szenario entwickelt hätten. Es kann lediglich ein wahrscheinliches Szenario erstellt werden.

5.3

Der EWSA ist daher der Auffassung, dass der Praktische Leitfaden ein nützliches Hilfsmittel für die einzelstaatlichen Gerichte bietet, deren Unabhängigkeit durch den rein informativen Charakter des Leitfadens, der keine rechtsverbindliche Wirkung besitzt, gewahrt wird.

5.4

Die Ermittlung des Schadensumfangs angesichts der spezifischen Umstände eines jeden Falls erfolgt nach Maßgabe des anwendbaren Rechts.

5.5

Das befasste Gericht muss außerdem die verfügbaren Daten, die involvierten Kosten und die benötigte Zeit sowie ihre Verhältnismäßigkeit in Bezug auf den Wert des vom Geschädigten erhobenen Schadensersatzanspruchs berücksichtigen.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 60.

(2)  Konsultationen über das Grünbuch von 2005 und das Weißbuch von 2008.

(3)  Rechtssache C-453/99 (Courage/Crehan) und verbundene Rechtssachen C-295 - 298/04 (Manfredi, Cannito, Tricarico und Murgolo).

(4)  ABl. L 195 vom 2.6.2004, S. 16.

(5)  Rechtssache C-360/09.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/88


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Programms Copernicus und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 911/2010 des Rates

COM (2013) 312 final — 2013/0164 (COD)

2014/C 67/17

Berichterstatter: Antonello IOZIA

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 1. Juli bzw. 6. September 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des Programms Copernicus und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 911/2010

COM(2013) 312 final — 2013/0164 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 2. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober (Sitzung vom 16. Oktober) mit 144 gegen 1 Stimme bei 3 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA begrüßt den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Programms Copernicus und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 911/2010, auch wenn er vielleicht im Vergleich zum optimalen Zeitplan für das 2011 ausgearbeitete Programm ein Jahr zu spät kommt.

1.2

Der EWSA begrüßt insbesondere, dass sein überzeugtes Plädoyer für die Aufnahme der Finanzierung des GMES-Programms, das jetzt Copernicus heißt, in den mehrjährigen Finanzrahmen von den Mitgliedstaaten und vom Europäischen Parlament gehört wurde, wodurch das Programm jetzt entwicklungsfähig wird, auch wenn es gegenüber den ursprünglichen Plänen mit gut 2 Mrd. EUR weniger auskommen muss. Diese Kürzung könnte das gesamte Programm aufs Spiel setzen. Die Kommission hat Flexibilität bewiesen, als sie ihren Standpunkt so grundlegend geändert hat.

1.3

Der EWSA bekräftigt seine starke und überzeugte Unterstützung der Raumfahrtprogramme der Europäischen Union. Die Leitprogramme Galileo und Copernicus bestimmen im Rahmen des Projekts Horizont 2020 die Innovationsfähigkeit und die technologische Entwicklung, ermöglichen es, das Primat der europäischen Raumfahrtindustrie gegenüber den internationalen Konkurrenten zu behaupten, und tragen zur Schaffung von Rahmenbedingungen bei, die für hochwertige wissens- und forschungsbasierte Beschäftigung günstig sind.

1.4

Der EWSA empfiehlt der Kommission, wenige Monate vor dem Start des ersten Sentinel-Satelliten klar zu definieren, wer für die Verwaltung des Programms Copernicus zuständig ist, was derzeit schwer erkennbar ist. Nach Ansicht des EWSA sollten die beiden Hauptakteure der europäischen Weltraumpolitik, ESA und EUMETSAT, ausdrücklich in die Verwaltung der Raumfahrt- und meteorologischen Programme und in die Gesamtverwaltung des Programms einbezogen werden. Das geht aus den Erwägungsgründen der Kommission nicht deutlich hervor. Artikel 12 Ziffer 4 und 5 des Verordnungsvorschlags müsste dahingehend überarbeitet werden, dass aus der Möglichkeitsform (kann betrauen) eine Feststellung wird (wird betrauen).

1.5

Der EWSA äußert einmal mehr sein Befremden darüber, dass auf delegierte Rechtsakte zurückgegriffen wird, welche den AEUV-Bestimmungen hinsichtlich der Möglichkeit, die Aufgaben für einen begrenzten Zeitraum und nicht wesentliche Tätigkeiten zu übertragen, nicht wortgetreu gerecht werden. Diese delegierten Rechtsakte sollten soweit ausgeführt werden, dass sie einen klaren Bezugsrahmen für alle Akteure bieten.

1.6

Der EWSA empfiehlt, die Ausschreibungsvorschriften zur Festlegung der Bedingungen für Teilnahme von Unternehmen an den im Rahmen von Copernicus vorgesehenen Maßnahmen eingehend zu erläutern. Diese Regeln müssen den Anforderungen der kleinen und mittleren Unternehmen gebührend Rechnung tragen, die sich aus den Verpflichtungen im Zuge des Small Business Act (SBA) und den Entwicklungsprognosen für den Binnenmarkt im Zuge der Binnenmarktakte ergeben. Ganz besonders wichtig ist es, einen klaren und belastbaren Regelungsrahmen für Privatinvestitionen zu haben.

1.7

Der EWSA teilt die Einschätzung des wirtschaftliche Potenzials, welches das Programm Copernicus entfalten kann, und seine Kohärenz mit den Europa-2020-Zielen, wobei er sich eine rasche Annahme dieser Verordnung wünscht, damit die im mehrjährigen Finanzrahmen vorgesehenen Maßnahmen ab Januar 2014 anlaufen können. Er spricht sich für einen entschiedenen Ausbau der Unterstützung für die Downstream-Aktivitäten des Programms Copernicus, deren Ziele zwar eindeutig definiert sind, aber nicht deren Instrumente, die in die Verordnung aufgenommen werden sollten, und in diesem Zusammenhang der Kommission spezifische Zuständigkeiten zuzuweisen.

1.8

Um möglichst viele Unternehmen einzubeziehen, ist es nach Ansicht des EWSA ganz wichtig, eine Plattform zu bieten, die es tatsächlich ermöglicht, Investitionen, Beschäftigung und Entwicklung auszubauen. Zu diesem Zweck erachtet er es als unverzichtbar, dass die zur Verfügung gestellten Daten für alle europäischen Betreiber frei und kostenlos sind, und spricht sich dafür aus, unbedingt Verhandlungen mit Drittländern aufzunehmen, um mit den Industrien jener Länder, die über Daten verfügen, ein Prinzip absoluter Gegenseitigkeit zu vereinbaren. In Ermangelung dieser Vereinbarungen hält es der EWSA für zweckmäßig, für die Industrien dieser Länder eine Lizenzregelung vorzusehen, welche den Zugang zu den Daten des Programms Copernicus aufs Wesentliche beschränkt. Der freie Zugang sollte allen Entwicklungsländern und in jedem Fall in Notsituationen gewährleistet werden.

1.9

Der EWSA befürwortet angesichts der beträchtlichen finanziellen Verpflichtung und der Sensibilität der Daten, dass die Europäische Union Eigentümer des Systems wird. Er weist darauf hin, dass in dem Verordnungsvorschlag die Modalitäten, Kosten und künftigen Verantwortlichkeiten für die Verwaltung dieses Eigentums und seiner Übertragung nicht näher erläutert werden. Er wünscht diesbezüglich mehr Klarheit.

1.10

Der EWSA empfiehlt allen europäischen Institutionen und insbesondere dem Europäischen Parlament, das nur noch einige wenige Plenartagungen bis zu seiner Auflösung vor den bevorstehenden Neuwahlen abhält, nachdrücklich, die Verordnung rasch unter Billigung der vorgeschlagenen Verbesserungen anzunehmen und so die Fortführung des Programms Copernicus zu ermöglichen. Sollte das Programm nicht rechtzeitig auf den Weg gebracht werden, besteht die ernste Gefahr, dass es nicht mehr finanziert werden kann.

2.   Einleitung

2.1

Mit dieser Verordnung wird ein für die Steuerung und Finanzierung des europäischen Erdbeobachtungsprogramms GMES (Globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung) angemessener Rechtsrahmen in seiner neuen operativen Phase ab 2014 geschaffen. Zu diesem Zweck wird die bis Ende 2013 gültige Verordnung (EU) 911/2010 zur Einrichtung des Programms aufgehoben.

2.2

Das GMES-Programm wird im Zuge dieser Verordnung offiziell in Copernicus umbenannt.

2.3

Vor dem Hintergrund des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und insbesondere von Artikel 189 betrifft dieser Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates folgende Aspekte:

1)

die Änderung der Bezeichnung in Copernicus;

2)

die Steuerung von GMES in seiner operativen Phase, so dass es der Kommission ermöglicht wird, Tätigkeiten an bestimmte Betreiber zu übertragen;

3)

die Finanzierung im Zeitraum 2014 bis 2020.

2.4

Wie in der Mitteilung zusammengefasst, ist Copernicus ist in sechs Dienste unterteilt: Überwachung in den Bereichen Meeresumwelt, Atmosphäre, Land und Klimawandel sowie Unterstützung für Katastrophen- und Krisen- sowie für Sicherheitsdienste. Bei Copernicus werden Daten von Satelliten und von In-situ-Sensoren (z.B. Bojen, Ballons oder Luftsensoren) genutzt, um aktuelle und zuverlässige Informationen und Prognosen bereitzustellen, die unter anderem in folgenden Bereichen einen Mehrwert bieten: Landwirtschaft und Fischerei, Landnutzung und Städteplanung, Bekämpfung von Waldbränden, Katastrophenabwehr, Seeverkehr sowie Überwachung der Luftverschmutzung. Copernicus trägt auch zu wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum bei: Kommerzielle Anwendungen ("nachgelagerte Dienste") in vielen verschiedenen Branchen profitieren stark von einem vollständigen und offenen Zugang zu den Beobachtungsdaten und Informationsprodukten von Copernicus. Außerdem zählt Copernicus zu den Programmen, die im Rahmen der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zu verwirklichen sind, und wurde angesichts seines Nutzens für zahlreiche Politikbereiche der Union in die industriepolitische Initiative "Europa 2020" aufgenommen.

2.5

Die Weltraumstruktur wurde bislang mit rund 3,2 Mrd. EUR größtenteils durch die ESA (über 60 %) und aus EU-Mitteln (rund 30 %) im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms (FP7) finanziert.

2.6

Die Finanzierung der operativen Phase, welche sowohl die Nutzung der Daten als auch die Erneuerung der Weltrauminfrastruktur vorsieht, kann aufgrund der zu stemmenden Kosten nicht von den einzelnen Mitgliedstaaten übernommen werden. Im Zuge dieser Verordnung übernimmt die EU somit die Verantwortung für die operative Phase von Copernicus/GMES und die Finanzierungslast in Höhe von 3 786 Mio. EUR (zu Preisen von 2011).

2.7

In ihrer Mitteilung mit dem Titel "Ein Haushalt für Europa 2020" (COM(2011) 500 final vom 29. Juni 2011) schlug die Kommission vor, GMES im Zeitraum 2014 bis 2020 außerhalb des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) zu finanzieren.

2.8

Der EWSA lehnte den Vorschlag der Kommission rundum ab, die für die Entwicklung und Vollendung des GMES-Programms erforderliche Finanzierung nach außen, d.h. in einen Ad-hoc-Fonds, zu verlagern (1).

2.9

Dieser erste Vorschlag zur externen Finanzierung wurde vom Parlament mit der Entschließung P7_TA(2012)0062 vom 16. Februar 2012 abgelehnt. Nach den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 7. und 8. Februar 2013 zum MFR sollte das Programm aus der Teilrubrik 1a des Finanzrahmens finanziert werden, wobei die in der MFR-Verordnung festzulegenden Haushaltsmittel höchstens 3 786 Mio. EUR (Preise von 2011) betragen dürfen.

2.10

Auch die nationalen Raumfahrtagenturen haben sich mit eigenen Erdbeobachtungssystemen ausgestattet. Allerdings gelang es ihnen der Kommissionsmitteilung zufolge nicht, sich auf eine Zusammenarbeit bei der Finanzierung von nachhaltigen operativen Umweltbeobachtungsprogrammen zu verständigen. Da der politische Druck auf die Behörden wächst, fundierte Entscheidungen in den Bereichen Umwelt, Sicherheit und Klimawandel zu treffen, und internationale Vereinbarungen einzuhalten sind, ist die Fortsetzung solcher Beobachtungen von entscheidender Bedeutung.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Die Weltraumstruktur von Copernicus/GMES wurde seit 2005 von der ESA entwickelt und mit fast 2 Mrd. EUR autonom finanziert und durch EU-Mittel aus dem Themenbereich "Weltraum" im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms sowie durch Mittel für die ersten operativen GMES-Tätigkeiten in Höhe einer weitere Milliarde EUR bezuschusst; d.h. dass bislang insgesamt 3,2 Mrd. EUR ausgegeben und bis Ende 2013 geplant sind.

3.2

Im Erwägungsgrund (17) wird darauf hingewiesen, dass die Durchführung des Programms, angesichts seines Umfangs, Einheiten mit geeigneten technischen und fachlichen Kapazitäten übertragen werden sollte, von denen einige im nachfolgenden Erwägungsgrund (18) genannt werden. Es ist also im Interesse einer erfolgreichen operativen Phase notwendig, in den Steuerungsvereinbarungen im Zuge dieser Verordnung den effektiven in Europa, im Bereich der Satelliten und der Auswertung ihrer Daten gegebenen Kapazitäten Rechnung zu tragen. In Erwägungsgrund (18) werden die beiden wichtigsten Akteure nicht genannt, die im Bereich Satelliten in Europa über Planungs-, Einsatz- und Verwaltungskapazitäten verfügen, nämlich die ESA und EUMETSAT.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Im Bereich der Raumfahrt haben sich einige europäische Staaten in zwei großen Organisationen zusammengeschlossen, ESA und EUMETSAT. Die ESA hat - mit einem Budget von über 4 Mrd. EUR pro Jahr und mit rund 2 250 Beschäftigten (2011) - einige wichtige Umweltsatelliten (ERS, Envisat, Cryosat, SMOS, GOCE, SWARM) entwickelt und betrieben und die europäischen Wettersatelliten Meteosast, Meteosat zweite Generation und Met-OP entwickelt. Die ESA archiviert und verteilt auch die Daten über eine lange Reihe von Missionen anderer Partner (third party missions). EUMETSAT, die europäische Organisation für die Nutzung von meteorologischen Satelliten, verfügt über ein Jahresbudget von rund 300 Mio. EUR und über 280 Beschäftigte (2011), und ist insbesondere für die Erarbeitung und Verbreitung von Wetterdaten zuständig.

4.2

Neben diesen beiden Organisationen gibt es andere Agenturen der Europäischen Union (siehe Tabelle), die an der europäischen Raumfahrtpolitik beteiligt sind (2).

Agentur

Haupttätigkeiten

Budget und Personal (2007)

Agentur für das europäische GNSS (GSA)

Betreibung der Europäischen Satellitennavigationsprogramme (z.B.Galileo)

5,4 Millionen (2009) – 50 Personen.

Satellitenzentrum der Europäischen Union (EUSC)

Unterstützung der EU bei der Auswertung der Satellitenbilder

16 Millionen (2011) – 100 Personen

Europäische Umweltagentur (EEA)

Einbeziehung der Umweltdimension in die Wirtschaftspolitiken

41 Millionen (2012) – 220 Personen

Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA)

Technische und wissenschaftliche Unterstützung bei der Erarbeitung der EU-Rechtsvorschriften zur Meeressicherheit und -verschmutzung

54 Millionen (2010) – 200 Personen

FRONTEX

Operative Koordinierung der Mitgliedstaaten für die Sicherheit an den Grenzen

22 Millionen (+13 Reserve) – 170 Personen

Europäische Verteidigungsagentur (EDA)

Kooperation im Bereich Verteidigungskapazität und Rüstung

31 Millionen (2010) – 100 Personen

Der Europäische Forschungsrat (ERC)

Teil von FP7. Unterstützung von wissenschaftlicher Forschung und der Spitzenkompetenz in Europa

32 Millionen (2009) – 220 Personen

Exekutivagentur für die Forschung (REA)

Auswertung und Verwaltung vieler FP7-Programme

31 Millionen (2009) – 349 Personen

4.3

Die oben aufgeführten Zahlen fassen die operativen Kapazitäten im Satellitenbereich zusammen, die in den Agenturen der Europäischen Union, in der ESA und in EUMETSAT bestehen. Die Kommission sollte mit Blick auf die Erfordernisse des Programms allen verfügbaren Ressourcen und Fachkompetenzen Rechnung tragen.

4.4

Im Erwägungsgrund (18) werden ESA und EUMETSAT nicht ausdrücklich unter den Akteuren genannt, die für die Durchführung von Copernicus zuständig sein werden. Mit Blick auf den nachfolgenden Artikel 11 sollten sie eingefügt werden.

4.5

Artikel 12 Ziffer 4 und 5 des Verordnungsvorschlags müsste dahingehend überarbeitet werden, dass aus der Möglichkeitsform (kann betrauen) eine Feststellung wird (wird betrauen).

4.6

In Artikel 2 Ziffer 1 b) und Ziffer 4b) erwähnt die Kommission die Ziele Wirtschaftswachstum und Beschäftigung unter den wichtigsten Zielen des Programms Copernicus.

4.7

Der EWSA teilt diesen Standpunkt, doch sollten zu diesem Zweck auch spezifische und kongruente Initiativen geplant werden. Dies gilt insbesondere für die konkret zu ergreifenden Maßnahmen (downstreaming), welche den Mehrwert für die Produktionstätigkeiten bestimmen. Maßnahmen zur Verbreitung, zur Förderung der Entwicklung möglicher Anwendungen der vom System gelieferten Daten und zur Sensibilisierung für das Potenzial von Copernicus sind unverzichtbar und sollten in die Verordnung unter ausdrücklichem Verweis auf die Maßnahmen, die zum Erreichen der genannten Ziele ergriffen werden müssen, aufgenommen werden.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 299 vom 14.10.2012, S. 72.

(2)  Quelle: PACT-European Affairs.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/92


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gebühren, die der Europäischen Arzneimittelagentur für die Durchführung von Pharmakovigilanz-Tätigkeiten in Bezug auf Humanarzneimittel zu entrichten sind

COM(2013) 472 final — 2013/0222 (COD)

2014/C 67/18

Berichterstatterin: Renate HEINISCH

Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 12. Juli und am 1. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 und 168 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gebühren, die der Europäischen Arzneimittelagentur für die Durchführung von Pharmakovigilanz-Tätigkeiten in Bezug auf Humanarzneimittel zu entrichten sind

COM(2013) 472 final — 2013/0222 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 2. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober (Sitzung vom 16. Oktober) mit 144 gegen 1 Stimmen bei 7 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Kommission, der einen wichtigen Beitrag zur weiteren Verbesserung der Arzneimittelsicherheit und der Transparenz der Bewertungsprozesse leistet. Insbesondere würdigt der Ausschuss die Verbesserungen, die im Vergleich zum ersten Entwurf der Kommission vorgenommen wurden, darunter auch spezielle Regelungen für KMU.

1.2

Der Ausschuss begrüßt das Prinzip, dass die Zulassungsinhaber nicht zweimal für dieselbe Pharmakovigilanz-Tätigkeit Gebühren entrichten sollen. Er fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass zeitgleich mit Einführung der neuen Gebühren nationale Gebühren für die gleiche Tätigkeit aufgehoben werden.

1.3

Der EWSA begrüßt die Vorschläge der Kommission in Bezug auf die Bewertung von periodischen Unbedenklichkeitsberichten (PSURs) und den Unbedenklichkeitsstudien nach der Zulassung (PASS). Allerdings fordert der Ausschuss die Kommission auf, in Bezug auf Arzneimittel mit gut bekanntem Sicherheitsprofil weitere Gebührenreduktionen vorzusehen.

1.4

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Bearbeitung von unionsweiten Bewertungsverfahren auf Basis von Pharmakovigilanz-Daten (Referrals) eine hoheitliche Aufgabe darstellt, die nicht ausschließlich durch Gebühren von den Zulassungsinhabern finanziert werden sollte. Die Durchführung solcher Bewertungsverfahren stellt eine wichtige Aufgabe der zuständigen Behörden auf nationaler wie auch auf Unionsebene dar und sollte nach Ansicht des Ausschusses – auch zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Bewertung – durch Mittel der Europäischen Union finanziert werden.

1.5

Der EWSA begrüßt den Vorschlag, dass die EMA eine jährliche Pauschalgebühr für die erbrachten Pharmakovigilanz-Aktivitäten von den Zulassungsinhabern erheben soll. Allerdings stellt der Ausschuss fest, dass derzeit die Pharmakovigilanz-Aktivitäten noch nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Der Ausschuss schlägt daher vor, bis zur Verfügbarkeit der genannten Leistungen die Pauschalgebühr auszusetzen.

1.6

Der Ausschuss begrüßt den Vorschlag der Kommission, anfallende Gebühren möglichst gerecht auf alle betroffenen Zulassungsinhaber zu verteilen. Der EWSA schlägt vor, den vorgeschlagenen Ansatz mit den "gebührenpflichtigen Einheiten" noch einmal zu überdenken.

2.   Einleitung

2.1

Der Erhalt oder das Wiederherstellen einer "guten Gesundheit" stellt für die meisten Bürger ein hohes Gut dar, für viele sogar das höchste.

2.2

Arzneimitteln kommt zusammen mit der Beratung und Behandlung durch Angehörige der Heilberufe eine zentrale Bedeutung zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit zu. Die Patienten erwarten als Bürger der Europäischen Union zu Recht eine optimale Versorgung mit wirksamen und sicheren Arzneimitteln in allen Mitgliedstaaten. Bei allen Regelungen im Arzneimittelbereich müssen stets die Interessen der Patienten im Mittelpunkt stehen.

2.3

Bei der Anwendung von Arzneimitteln sind Risiken bestmöglich auszuschließen oder zu minimieren, die Sicherheit muss an erster Stelle stehen. Dies erfordert eine ausreichende Prüfung vor der Zulassung ebenso wie eine kontinuierliche Überwachung in der Phase nach der Zulassung. Für diese als Pharmakovigilanz bezeichnete Tätigkeit sind alle Beteiligten verantwortlich, der Inhaber einer Arzneimittelzulassung ebenso wie die Angehörigen der Heilberufe, die Patienten, aber auch die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten und die Europäische Union insgesamt.

2.4

Die Patienten erwarten bei Arzneimitteln, die in mehreren Mitgliedstaaten zugelassen sind, europaweit einheitliche Entscheidungen auf fundierter wissenschaftlicher Grundlage, die dann einheitlich und in verständlicher Sprache kommuniziert werden. Bei der Koordination der wissenschaftlichen Bewertung sowie einer einheitlichen Kommunikation kommt der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und ihren Fachgremien eine zentrale Aufgabe zu.

2.5

Damit die EMA diese wichtigen Aufgaben erfüllen kann, muss sie angemessen finanziert werden. Derzeit kann die EMA für viele Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Pharmakovigilanz keine Gebühren erheben. Diese Möglichkeit wird durch den Vorschlag der Kommission geschaffen.

2.6

Bei der Einrichtung von neuen Gebührentatbeständen ist darauf zu achten, dass die Arzneimittel-Hersteller einen angemessenen finanziellen Beitrag für die von ihr veranlassten Leistungen entrichten.

2.7

Der Beitrag der Arzneimittel-Hersteller ist so auszugestalten, dass den Patienten auch weiterhin alle Arzneimittel in der Europäischen Union zur Verfügung stehen, also nicht durch die Gebührenerhebung die Vermarktung der Produkte aus wirtschaftlichen Gründen gefährdet wird und auf diese Weise Patienten nicht angemessen behandelt werden können.

2.8

Patienten erwarten, dass unionsweite Bewertungsverfahren von Pharmakovigilanz-Daten alleine unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten und unabhängig von Gebühren der Arzneimittel-Hersteller durchgeführt werden.

3.   Hintergrund

3.1

Der Ausschuss hat in früheren Stellungnahmen immer wieder hervorgehoben, wie wichtig eine wettbewerbsfähige und innovative Arzneimittelindustrie in Europa ist. In den letzten 50 Jahren gehörte sie zu den modernen Industriebranchen mit dem höchsten technologischen Stand und der höchsten Innovationsrate. In diesem Bereich sind europaweit Hunderttausende von größtenteils hochqualifizierten Fachkräften beschäftigt, und es wird eine hohe Wertschöpfung erzielt.

3.2

Die positiven Aspekte von Arzneimitteln können jedoch mit unerwünschten Nebenwirkungen verbunden sein, die durch Einnahme- oder Medikationsfehler oder sogar unsachgemäßen Gebrauch und/oder Missbrauch des Arzneimittels verursacht werden.

3.3

Deshalb ist der Umgang mit Arzneimitteln mit einer großen Verantwortung verbunden und verdient große Aufmerksamkeit, geht es hier doch um die Gewährleistung der Gesundheit der Bürger, insbesondere wenn bedacht wird, dass viele Nebenwirkungen neuer Arzneimittel oft erst nach der Zulassung und dem entsprechenden Inverkehrbringen festgestellt werden können.

3.4

Mit der am 15. Dezember 2010 veröffentlichten Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 wurden neue Aufgaben hinsichtlich der Pharmakovigilanz auf die EMA übertragen, darunter unionsweite Pharmakovigilanz-Verfahren, die Auswertung von Fällen in der Fachliteratur, verbesserte IT–Instrumente sowie eine umfassendere Information der Öffentlichkeit. Weiterhin ist in den Rechtsvorschriften zur Pharmakovigilanz vorgesehen, dass die Agentur diese Aufgaben mit den von den Zulassungsinhabern zu entrichtenden Gebühren finanzieren können soll. Es sollen daher neue Gebührenkategorien eingerichtet werden, die die neuen und spezifischen Aufgaben der Agentur abdecken.

3.5

Zur Finanzierung dieser Tätigkeiten sind in den überarbeiteten Pharmakovigilanz-Vorschriften Gebühren vorgesehen, die bei den Zulassungsinhabern erhoben werden. Diese Gebühren sollen sich auf die Pharmakovigilanz auf EU-Ebene beziehen, vor allem im Zusammenhang mit den EU-weiten Bewertungsverfahren. Zu diesen Verfahren zählt die wissenschaftliche Bewertung durch Berichterstatter der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Die Gebühren gelten also nicht den Pharmakovigilanz-Tätigkeiten, die von den zuständigen Behörden im eigenen Land durchgeführt werden. Die Mitgliedstaaten können entsprechend weiterhin Gebühren für die Tätigkeiten im eigenen Land erheben, die sich aber nicht mit den in diesem Vorschlag festgelegten Gebühren überschneiden sollen.

4.   Definitionen

4.1

Laut der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) umfasst der Begriff der Pharmakovigilanz die Analyse und Abwehr von Arzneimittelrisiken, Aktivitäten, die zur Entdeckung, Beurteilung sowie zum Verständnis und zur Vorbeugung gegen unerwünschte Wirkungen oder andere Probleme in Verbindung mit Arzneimitteln dienen, das Risikomanagement, die Vorbeugung gegen Therapiefehler, die Vermittlung von Arzneimittelinformationen sowie die Förderung der rationalen Therapie mit Arzneimitteln.

4.2

Mit dem Begriff Nebenwirkungen bzw. unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) sind die unerwünschten negativen Wirkungen einer Behandlung mit einem Arzneimittel gemeint.

4.3

Ein regelmäßig aktualisierter Unbedenklichkeitsbericht – englisch: Periodic Safety Update Report (PSUR) – bezeichnet eine Zusammenstellung umfangreicher Daten zum Nutzen und den Risiken eines oder mehrerer Arzneimittel über einen längeren Zeitraum, in der Regel über drei Jahre, der vom Inhaber einer Arzneimittelzulassung bei den zuständigen Behörden der Länder, für die eine Zulassung besteht, einzureichen ist.

4.4

Ein unionsweites Bewertungsverfahren von Pharmakovigilanz-Daten (Referral) ist ein regulatorisches Verfahren auf europäischer Ebene zur Schlichtung unterschiedlicher wissenschaftlicher Positionen oder Bedenken im Zusammenhang mit der Zulassung von Arzneimitteln.

4.5

Eine Sicherheitsstudie nach der Zulassung (Post-Authorisation Safety Study – PASS) ist eine wissenschaftliche Studie, die der Arzneimittelsicherheit dient. Sie kann freiwillig durch den Zulassungsinhaber initiiert oder als Auflage durch die zuständige Behörde nach der Arzneimittelzulassung durchgeführt werden. Die wichtigsten Ziele solcher Studien liegen in der Ermittlung von Häufigkeiten bereits bekannter Nebenwirkungen unter Alltagsbedingungen, der Identifizierung von seltenen, bisher nicht bekannten Nebenwirkungen, die aufgrund der geringeren Fallzahlen in klinischen Studien nicht entdeckt wurden, und der Untersuchung möglicher Risiken bei der Alltagsanwendung bei bestimmten Patientengruppen (z.B. sehr alte Menschen, Schwangere, Patienten mit eingeschränkten Leberfunktionen etc.).

4.6

EudraVigilance (European Union Drug Regulating Authorities Pharmacovigilance) bezeichnet ein Informationsnetzwerk und Managementsystem, das als zentraler Dienst von der EMA betrieben wird mit dem Ziel einer sicheren Arzneimittelanwendung im Europäischen Wirtschaftsraum. EudraVigilance unterstützt insbesondere die elektronische Übermittlung von Berichten über Nebenwirkungen vor und nach der Zulassung eines Arzneimittels (auch Verdachtsfälle) und deren systematische Sammlung sowie die Früherkennung von Arzneimittelrisiken und das Ergreifen entsprechender Maßnahmen zur Risikominimierung.

4.7

Das Extended EudraVigilance Medicinal Product Dictionary (xEVMPD) ist eine erweiterte Variante des zum Juli 2011 geschlossenen Arzneimittelverzeichnisses EVMPD. Es wird für alle in den Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums zugelassenen Arzneimittel von den jeweiligen Zulassungsinhabern mit produktbezogenen Informationen, unter anderem zum Produktnamen, zum Zulassungsinhaber und dessen Pharmakovigilanzsystem, zu Art und Status der Zulassung, zur pharmazeutischen Formulierung und Stärke, zur Art der Anwendung und zu den Anwendungsgebieten sowie zu den Wirk- und Hilfsstoffen gespeist. Das EU-Arzneimittelverzeichnis sollte bis zum 2. Juli 2012 vollständig gefüllt werden, ist allerdings derzeit nur eingeschränkt nutzbar.

4.8

Eine "gebührenpflichtige Einheit" bezeichnet jeden einzelnen Eintrag in der Datenbank nach Artikel 57 Absatz 1 Buchstabe l der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (xEVMPD) auf der Grundlage der Angaben aus der Liste aller Humanarzneimittel, die in der Union zugelassen sind, gemäß Artikel 57 Absatz 2 der genannten Verordnung.

5.   Rechtsgrundlage

5.1

Der Vorschlag beruht auf Artikel 114 und Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe c AEUV. Er stützt sich auf Artikel 114, weil Unterschiede zwischen nationalen Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel den Handel innerhalb der Union beeinträchtigen können und sich daher direkt auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken.

5.2

Der Vorschlag stützt sich zudem auf Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe c AEUV, da er darauf abzielt, hohe Standards für Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln zu setzen.

6.   Subsidiaritätsprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

6.1

Die EMA ist eine mit der Verordnung (EU) Nr. 726/2004 errichtete europäische dezentralisierte Agentur, weshalb der Beschluss über ihre Finanzierung und die Erhebung von Gebühren auf EU-Ebene zu fassen ist. Die neuen Pharmakovigilanz-Vorschriften sind eine Rechtsgrundlage für die Erhebung von Pharmakovigilanz-Gebühren durch die Agentur. Die Agentur kann daher nur von der Union ermächtigt werden, solche Gebühren zu erheben. Der vorliegende Verordnungsvorschlag gilt nur für Pharmakovigilanz-Tätigkeiten, die auf EU-Ebene stattfinden und die Agentur einbeziehen. Für auf die nationale Ebene beschränkte Pharmakovigilanz-Tätigkeiten ist die EU nicht zuständig, und die Mitgliedstaaten können demnach weiterhin nationale Gebühren erheben.

6.2

Der Vorschlag entspricht nach Ansicht der Kommission dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da er nicht über das für die Erreichung des allgemeinen Ziels erforderliche Maß hinausgeht; das allgemeine Ziel besteht darin, Gebühren zu erheben, um die seit Juli 2012 geltenden Pharmakovigilanz-Vorschriften ordnungsgemäß durchführen zu können.

7.   Allgemeine Bemerkungen

7.1

Der EWSA erkennt den positiven und wichtigen Beitrag der Arzneimittel zur Lebensqualität der Bürger an und hat stets alle Initiativen zur Verbesserung der Sicherheit der Arzneimittelanwendung als wichtigen Beitrag zum Gesundheitsschutz begrüßt.

7.2

Der EWSA würdigt die Bemühungen der Kommission, durch die Neufassung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EU) Nr. 726/2004 die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Pharmakovigilanz zu verbessern und im Interesse der Patienten und der Arzneimittel-Hersteller zu vereinfachen. Damit leistet die Kommission auch einen wichtigen Beitrag zur weiteren Verwirklichung und Vertiefung des Binnenmarktes in einem komplexen und wichtigen Bereich wie dem Arzneimittelsektor.

7.3

Der Ausschuss erkennt weiterhin den wichtigen Beitrag an, den die EMA in diesem Zusammenhang insbesondere als Koordinierungsstelle einer wissenschaftlich fundierten und einheitlichen Kommunikation von Arzneimittelrisiken gegenüber den Patienten in der Europäischen Union leistet.

7.4

Der EWSA unterstützt das Anliegen des Kommissionsvorschlages, der EMA die Möglichkeit einzuräumen, für ihre Leistungen im Pharmakovigilanz-Bereich angemessene Gebühren zu erheben.

8.   Besondere Bemerkungen

8.1

In diesem Zusammenhang begrüßt der EWSA die in den Artikeln 4 und 5 aufgeführten Gebührentatbestände im Grundsatz. Sowohl die in Artikel 4 genannten PSURs als auch die in Artikel 5 angesprochenen Studien nach der Zulassung leisten einen außerordentlich wichtigen Beitrag zur frühzeitigen Erkennung von Risiken und sind somit aus Patientensicht uneingeschränkt zu begrüßen.

8.2

Der Ausschuss geht davon aus, dass bei Arzneimitteln mit gut bekanntem Sicherheitsprofil sowohl im Rahmen von PSURs als auch bei Studien nach der Zulassung im Vergleich zu solchen bei neuen innovativen Arzneimitteln weniger umfangreiche Unterlagen eingereicht werden müssen. In der Konsequenz wird auch der Bearbeitungs- und Prüfaufwand bei der EMA und den beteiligten Berichterstattern vermutlich niedriger sein als bei neuen innovativen Arzneimitteln. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, für Arzneimittel mit gut bekanntem Sicherheitsprofil eine weitere Gebührenreduktion in Bezug auf die Unterlagen nach Artikel 4 und 5 vorzusehen.

8.3

Die in Artikel 6 des Kommissionsvorschlages genannten Gebühren für Referrals hält der Ausschuss allerdings nicht für zielführend. Vielmehr ist der EWSA der Auffassung, dass solche Bewertungsverfahren unabhängig von Gebühren der Arzneimittelindustrie und ausschließlich am Interesse der Patienten orientiert erfolgen sollten. Die Aufwendungen sollten durch den Unionshaushalt getragen werden.

8.4

Der EWSA begrüßt im Grundsatz auch die in Artikel 7 vorgeschlagene jährliche Pauschalgebühr. Allerdings geht der Ausschuss davon aus, dass diese Gebühr erst dann zur Anwendung kommt, wenn die dadurch finanzierten Pharmakovigilanz-Leistungen seitens der EMA für die gebührenpflichtigen Unternehmen vollumfänglich verfügbar sind. Die vorgeschlagene Verknüpfung mit einer gebührenpflichtigen Einheit hält der Ausschuss nicht für zielführend.

8.5

Der EWSA begrüßt ferner die vorgeschlagenen Gebührenermäßigungen und Gebührenbefreiungen für kleine und kleinste Unternehmen.

8.6

Der vorgeschlagenen jährlichen Pauschalgebühr steht derzeit effektiv nur teilweise eine entsprechende Leistung der EMA gegenüber; diese Gebühr ist daher zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht im vollen Umfang gerechtfertigt. Der Ausschuss schlägt daher vor, bis zur Verfügbarkeit der genannten Leistungen die Pauschalgebühr auszusetzen. Der Zeitpunkt der Verfügbarkeit der Leistungen kann durch eine Bestätigung des Verwaltungsrates der EMA nach Artikel 24 Absatz 2 Satz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1235/2010 ermittelt werden. Dem genannten Artikel zufolge "bestätigt und verkündet der Verwaltungsrat der Agentur auf Basis eines unter Berücksichtigung der Empfehlung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz erstellten unabhängigen Prüfberichts die volle Funktionsfähigkeit der EudraVigilance-Datenbank".

8.7

In Bezug auf die "gebührenpflichtige Einheit" kann es durch verschiedene nationale Gegebenheiten zum Beispiel sein, dass die gleiche Zulassung in einem Land in verschiedenen Sprachen in den Verkehr gebracht wird und es zu dieser Zulassung hierdurch mehrere Einträge in der Datenbank gibt. Die meisten Pharmakovigilanz-Aktivitäten werden pro Wirkstoff und nicht auf Basis der "gebührenpflichtigen Einheiten" durchgeführt und sollten auch so honoriert werden. Der Ausschuss schlägt daher vor, dass sich die gebührenpflichtige Einheit auf eine europäische Verfahrensnummer bezieht. Nationale Zulassungen sollten nicht mehrfach gezählt werden.

Brüssel, den 16. Oktober 2013.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/96


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Durchgängig elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung

COM(2013) 453 final

2014/C 67/19

Berichterstatter: Paulo BARROS VALE

Die Europäische Kommission beschloss am 26. Juni 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 314 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Durchgängig elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung

COM(2013) 453 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 2. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 147 gegen 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hatte bereits Gelegenheit, sich zu diesem Thema zu äußern, und hat sich dabei für eine rasche Umsetzung der durchgängig (1) elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge (2) ausgesprochen. Er bekräftigt an dieser Stelle seine Unterstützung für eine umfassende Einführung dieses Verfahrens, das zu einer optimalen Ressourcennutzung beiträgt.

1.2

Die durchgängig elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge ist als Mittel zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung zu sehen, deren Effizienz durch die strikter und transparenter geregelte Auftragsvergabe verbessert wird.

1.3

Sie ist auch eine Chance für die Wirtschaft, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), denen sich in einem offeneren und transparenteren Markt neue Geschäftsmöglichkeiten bieten.

1.4

Der EWSA bringt jedoch seine Besorgnis über die bislang mageren Ergebnisse zum Ausdruck, die die Verwirklichung des ursprünglichen Ziels, bis 2016 den endgültigen Übergang zur elektronischen Auftragsvergabe zu vollziehen, gefährden.

1.5

Anlass zu Besorgnis gibt das schwache Engagement der Mitgliedstaaten in dieser Frage, die sich immer noch gegen die Einführung von Verfahren sträuben, deren Vorteile für die öffentliche Verwaltung und die Wirtschaftsteilnehmer doch bekannt sind. Die Kommission sollte hier weiter Überzeugungsarbeit leisten, damit die durchgängig elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge umgesetzt wird, und zwar sowohl durch Einführung dieses öffentlichen Vergabesystems in all ihren Verfahren als auch durch den Erlass entsprechender Rechtsvorschriften und die Verbreitung beispielhafter Vorgehensweisen. Der Ausschuss begrüßt im Übrigen die Tatsache, dass die Kommission den Mitgliedstaaten auf Wunsch ihre eigenen Lösungen zur elektronischen Auftragsvergabe zur Verfügung stellt.

1.6

Der Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe ist ein sehr heterogener Markt, auf dem zahlreiche Lösungen und Plattform koexistieren, die allerdings zumeist nicht auf Interoperabilität ausgelegt sind. Das Fehlen strategischer Leitlinien und auch der mangelnde Wille der Mitgliedstaaten zur Umsetzung gemeinsamer, für alle zugänglicher Lösungen erschwert den Zugang der Wirtschaftsbeteiligten aus dem In- und Ausland und beeinträchtigt damit den freien Wettbewerb. Hier kommt der Kommission die Aufgabe zu, normierend einzugreifen und die technischen Anforderungen auf der Grundlage der bereits geleisteten und geförderten (und einmütig unterstützten) Arbeiten zu vereinheitlichen, insbesondere im Rahmen des PEPPOL-Projekts. Diese Harmonisierung ist ein wichtiger Schritt hin zur Demokratisierung eines Marktes, der im Sinne einer sorgsamen Verwendung öffentlicher Mittel transparent und zugänglich sein muss.

1.7

Nach Ansicht des EWSA sollten die entsprechenden Lösungen für alle zugänglich sein, d.h. ohne Sprachbarrieren und auch für Menschen mit Behinderungen barrierefrei sein. Zugleich gilt es, die Kosten für die Einrichtung neuer oder die Anpassung bereits bestehender Plattformen sowie für ihre Wartung möglichst gering zu halten. Der Normung kommt daher größte Bedeutung zu.

1.8

Öffentliche Aufträge bleiben jedoch für KMU mit unzureichender Größe und zu geringen Human- und Finanzressourcen ein schwer zugänglicher Markt. Der EWSA bekräftigt seinen Standpunkt, dass die KMU durch die europäischen Rechtsvorschriften für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen dabei unterstützt werden sollten, die Anforderungen bezüglich des Kapitals und der Erfahrungen zu erfüllen, z.B. durch die Gründung von Konsortien oder befristeten Arbeitsgemeinschaften (3).

1.9

Der derzeit erörterte Richtlinienvorschlag über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen ist ein weiterer wichtiger Schritt hin zur Vollendung einer durchgängig elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe. Die Vereinheitlichung der Angaben auf der Rechnung, die eine Interoperabilität erlauben wird, dürfte erhebliche Vorteile bringen. Ungeachtet dieser Vorteile sind jedoch nach Einschätzung des EWSA die für die Einführung und Verbreitung vorgesehenen Fristen zu lang bemessen. In Zeiten fortwährender technischer Weiterentwicklungen sind Bemühungen um Normung und Vereinheitlichung wünschenswert und dringend notwendig, weil sonst die gefundenen Lösungen zu spät kommen könnten.

1.10

Dass die Kommission die Entwicklung der Infrastruktur für die elektronische Auftragsvergabe in ganz Europa über die Fazilität "Connecting Europe" finanziert, ist zwar durchaus begrüßenswert, wird aber durch die vom Rat vorgenommene drastische Kürzung der dafür bereit gestellten Beträge gefährdet. Der EWSA bedauert diese Kürzung, die erhebliche Einschnitte für die von der Kommission geförderten Projekte von gemeinsamem Interesse mit sich bringt, insbesondere für die Unterstützung der Entwicklung und Umsetzung der elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe.

1.11

Der EWSA betont, dass es in diesem Bereich wie bei allen Prozessen der Veränderung und des Wandels vor allem auf die Schulung der beteiligten Menschen ankommt. Die Möglichkeit, Ausbildungsmaßnahmen aus den Strukturfonds 2014-2020 zu finanzieren, ist eine lobenswerte Initiative. Aber auch die Schulung der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst darf nicht vergessen werden, ist sie doch für den Erwerb neuer technischer Kompetenzen und die Sensibilisierung für die neuen Arbeitsmethoden im virtuellen Umfeld von wesentlicher Bedeutung.

1.12

Der EWSA möchte diese Gelegenheit nutzen und den Rat ersuchen, an die Mitgliedstaaten zu appellieren, die diesbezüglichen Ideen umzusetzen, die in den von der Kommission und den beratenden Einrichtungen erarbeiteten Dokumenten vorgeschlagen werden, um so die Wirkung der geleisteten Arbeiten zu verbessern.

2.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments

2.1

In der Mitteilung wird eine Bilanz der Umsetzung der durchgängig elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge gezogen, so wie es in der Mitteilung "Eine Strategie für die e-Vergabe" (4) vorgesehen ist.

2.2

Die Reform der öffentlichen Auftragsvergabe, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, die Verringerung des Verwaltungsaufwands und die Steigerung der Transparenz sind Faktoren, die das Wirtschaftswachstum begünstigen, wobei die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung zu den fünf Prioritäten zählt, die die Kommission in ihren Jahreswachstumsberichten 2012 und 2013 gesetzt hat. 2011 machten die öffentlichen Ausgaben für Waren, Bauleistungen und Dienstleistungen 19 % des BIP der EU aus. Dies verdeutlicht die Bedeutung einer Reform der öffentlichen Auftragsvergabe, durch die öffentliche Mittel eingespart und dann für Investitionen in wachstumsfördernde Maßnahmen eingesetzt werden können.

2.3

Die Reform der öffentlichen Auftragsvergabe und die Einführung des Modells der durchgängig elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe bieten auch die Möglichkeit, die Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung grundlegend zu überdenken, um sie transparenter und rationeller zu gestalten. Dies kann zur Erreichung der in der Strategie Europa 2020 dargelegten Ziele in Bezug auf ein nachhaltiges Wachstum beitragen.

2.4

Die meisten KMU haben derzeit Zugang zum Internet: nur 4,6 % von ihnen hatten im Jahr 2012 keinen Zugang zum Internet (5). Somit ist die Mehrheit der KMU für eine durchgängig elektronische öffentliche Auftragsvergabe gerüstet, wobei die Unternehmen in den Ländern, in denen die e-Vergabe allgemein einsetzt wird, positive Erfahrungen gemacht haben. Dessen ungeachtet sollte die Förderung kostengünstiger und leicht zu nutzender elektronischer Rechnungsstellungs- und Vergabedienste einen besonderen Schwerpunkt bilden.

2.5

Ungeachtet der allgemein verbreiteten Nutzung des Internets steht die elektronische öffentliche Auftragsvergabe noch ganz am Anfang, wobei die Kommission die e-Vergabe bis Mitte 2016 verbindlich vorschreiben will. So wird der Anteil der elektronischen Angebotsabgabe in der EU im Jahr 2011 auf nur rund 10 % geschätzt. In der Mehrzahl der Mitgliedstaaten ist die elektronische Angebotsabgabe freiwillig, nur Portugal hat sie oberhalb einer bestimmten Schwelle verbindlich eingeführt. Auch die Anwendung der elektronischen Rechnungsstellung oberhalb einer bestimmten Schwelle ist für einige bereits Realität, allerdings verwenden nur schätzungsweise 12 % der Unternehmen elektronische Mittel, um Rechnungen an Behörden zu senden oder von diesen zu erhalten.

2.6

Das künftige Vorgehen bedingt zwangsläufig eine Normung der elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe, um die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen von der Ausnahme zur Regel zu machen, und Maßnahmen, um die Mitgliedstaaten zu ermutigen, nationale Strategien mit detaillierten Aktionsplänen zu erarbeiten, mit denen sichergestellt werden soll, dass die elektronische Vergabe und die elektronische Rechnungsstellung umgesetzt werden und ein Austausch beispielhafter Vorgehensweisen erfolgt.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Ausschuss bekräftigt seinen Standpunkt, wonach der Überprüfung des Rechtsrahmens für die öffentliche Auftragsvergabe große Bedeutung beizumessen ist. Diese Überprüfung sollte eine Dematerialisierung der Verfahren ermöglichen und die schrittweise Einführung der elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge verpflichtend vorschreiben. Er stellt jedoch fest, dass die erzielten Fortschritte unerwünschte Wirkungen haben, wie die Ergebnisse hinsichtlich des Einsatzes der elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge zeigen.

3.2

Die Fragmentierung des Marktes für die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge hat aufgrund der Alleingänge mehrerer Mitgliedstaaten zugenommen, womit es nun unterschiedliche Lösungen und Plattformen gibt, die aufgrund mangelnder strategischer Leitlinien nicht auf Interoperabilität ausgelegt sind, die doch eine wesentliche Voraussetzung für den Zugang aller zu diesem Markt ist. Während auf lokaler Ebene ein Anstieg der Zahl der Teilnehmer an den Ausschreibungen zu verzeichnen ist, was auf einen verbesserten Zugang zu diesem Markt hindeutet, kann dies für die Teilnahme an grenzüberschreitenden Ausschreibungen nicht behauptet werden. In diesem Bereich haben insbesondere KMU Schwierigkeiten nicht nur technischer Art, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. So haben KMU nur dann Zugang zu grenzüberschreitenden Ausschreibungen, wenn sie sich zu Konsortien zusammenschließen; diese Lösung könnte und sollte auf einzelstaatlicher Ebene angeboten und gefördert werden.

3.3

Der EWSA hält die Interoperabilität für eine wesentliche Frage und spricht sich für ein energischeres Voranschreiten in diese Richtung aus. Er befürwortet daher die eingeleiteten Normungsinitiativen und die Nutzung der Erfahrungen der Länder, in denen dieses System am meisten vorangeschritten ist.

3.4

Die durchgängig elektronische Vergabe von öffentlichen Aufträgen ist ein wichtiges Instrument, das für eine striktere Regelung und mehr Transparenz in einem Bereich sorgt, der uns alle angeht und daher in punkto Ehrlichkeit und Seriosität absolut beispielgebend sein sollte.

3.5

Dieser Prozess kann in vielerlei Hinsicht nutzbringend sein:

bei der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung;

durch mehr Markteffizienz bei einer erheblichen Verringerung der Transaktions- und Opportunitätskosten in den einzelnen Phasen der Auftragsvergabe sowohl für den Auftraggeber als auch für das Unternehmen, das den Zuschlag erhält;

in Form positiver Umweltauswirkungen durch elektronische Dokumente, sei es durch den geringeren Papierverbrauch oder die geringeren Umweltauswirkungen im Zusammenhang mit der Verbreitung der Unterlagen;

Verkürzung der Vergabe- und Zahlungsfristen;

einfachere Kontrolle des Prozesses;

Integration und Ausbau des Binnenmarktes;

Ausweitung des Marktes für öffentliche Aufträge auf nationale und grenzübergreifende KMU, da die Schwierigkeiten aufgrund der Distanz zum Ausschreibungsort verringert werden, was den Zugang zu Ausschreibungen im In- und Ausland erleichtert;

das elektronische Ausfüllen des Formulars durch den Bieter, das mit Prüfmechanismen versehen ist, verringert den Spielraum für Fehler und damit die Gefahr eines Ausschlusses wegen fehlender Konformität;

über die Plattformen können Anbieter über die Veröffentlichung von Ausschreibungen informiert werden;

Gelegenheit zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, was die Digitalisierung weiterer Behördenverfahren nach sich ziehen wird, wodurch der Verwaltungsaufwand verringert wird;

Verringerung der Kosten dank der Willenserklärungen zum Vertragsabschluss;

Geschäftschancen für Anbieter von Technologie- und Kommunikationsdienstleistungen;

Schaffung neuer Kompetenzen bei den Beamten der Behörden und Beschäftigten der Unternehmen.

3.6

Folgende potenzielle Nachteile sind zu nennen:

hohe Kosten für die Einrichtung und Pflege der Plattformen für die elektronische Auftragsvergabe, die mit hohen Investitionen verbunden sind, obgleich die daraus erwachsenden Vorteile dies aufwiegen;

in den Ländern, in denen die Investitionen in diese Plattformen bereits vorangeschritten sind, können sich für die Behörden wie auch für die Unternehmen erhebliche Kosten für die Anpassung der Software und sogar der Hardware ergeben;

Sicherheit der Daten auf den elektronischen Plattformen;

die Abhängigkeit von Dienstleistungen Dritter, z.B. von Telekommunikationsdienstleistern und Betreibern von Vergabeplattformen;

die Zunahme der Vorschriften für die erforderlichen Schritte im Rahmen der Auftragsvergabe (Abgabe von Geboten, Einreichung von Unterlagen und Ausfüllen von Formularen) könnte mehr Verfahrensfehler verursachen, die zur Ungültigkeit der Auftragsvergabe bzw. des Vertrags führen könnten.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der derzeit erörterte Richtlinienvorschlag über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen und zur Einführung einer europäischen Norm für diesen Bereich ist ein begrüßenswerter Schritt hin zur Verwirklichung einer durchgängig elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe. Allerdings befinden sich die Ausstellung und der Austausch elektronischer Rechnungen noch in einem frühen Anfangsstadium. Die Vereinheitlichung der Angaben auf der Rechnung wird der so sehr angestrebten Interoperabilität den Weg ebnen. Nach Einschätzung des EWSA sind jedoch die ins Auge gefassten Fristen zu lang bemessen und tragen nicht zum Ziel einer raschen Verbreitung der elektronischen Rechnungstellung im öffentlichen Auftragswesen bei. Die Einführung dieses Verfahrens dürfte jedoch eine Sogwirkung auf die anderen Märkte ausüben.

4.2

Dem Vorschlag mangelt es auch an ambitionierteren Zielen, beschränkt er sich doch darauf, dass die Behörden keine Rechnungsdokumente zurückweisen dürfen, wenn diese gemäß der europäischen Norm ausgestellt wurden.

4.3

Die Mitgliedstaaten haben bereits erhebliche Investitionen in die Infrastruktur getätigt, weshalb die Normung dringend abgeschlossen werden sollte, um bereits getätigte Investitionen gewinnbringend zu nutzen und neuerliche Investitionen in Infrastrukturen zu vermeiden, die mittlerweile möglicherweise nicht mehr der neuen Norm entsprechen.

4.4

Die Kommission wird das Europäische Komitee für Normung (CEN) mit den entsprechenden Normungsarbeiten beauftragen. Nach Auffassung des EWSA sollten die mittlerweile im Rahmen des CEN BII-Workshop erzielten Fortschritte einbezogen werden, darunter die sogenannten "interoperablen Standard-Profile" und die Erfahrungen im Rahmen von PEPPOL (Pan-European Public Procurement Online - Europaweite Online-Abwicklung des öffentlichen Auftragswesens), die Interoperabilitätsbrücken liefert, die zur Verknüpfung der in den Mitgliedstaaten bereits vorhandenen Plattformen erforderlich sind.

4.5

Angesichts der derzeit knappen Finanzmittel begrüßt der EWSA das Vorhaben der Kommission, die Entwicklung einer europaweiten Infrastruktur für die e-Vergabe über die Fazilität "Connecting Europe" (CEF) zu finanzieren und zu unterstützen (6). Angesichts der Kürzung der bereitgestellten Mittel von 9,2 Mrd. EUR auf nur 1 Mrd. EUR empfiehlt der EWSA, bei der Verteilung dieser knappen Mittel die Investitionen in den Ausbau der Verfahren zur elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe nicht zu vergessen.

4.6

Da die erfolgreiche Einführung der durchgängig elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge nicht nur von der Kommission abhängt, sollten die Mitgliedstaaten darauf hingewiesen werden, dass ihnen dabei auch eine Rolle zukommt, damit dieses Verfahren zur gängigen Praxis wird. Die Kommission sollte hier nicht nur mit gutem Beispiel vorangehen und ihre eigenen Vergabeverfahren elektronisch durchführen, sondern auch die Mitgliedstaaten auf diesem Weg unterstützen, indem sie ihre Befugnisse auf dem Gebiet der Normung wahrnimmt, beispielhafte Vorgehensweisen verbreitet und die Aufstellung nationaler Strategien zur Einführung eines öffentlichen Vergabesystems ohne irgendwelche Hindernisse für die Teilnahme unterstützt, d.h. eines interoperablen Systems, das allen offen steht. Der Kommission kommt auch die wichtige Aufgabe zu, bereits entwickelte Open-Source-Lösungen zur Verfügung zu stellen.

4.7

Die Europäische Kommission hat eine Studie angekündigt, in deren Rahmen festgestellt werden soll, welche Strategien für die e-Vergabe und die elektronische Rechnungsstellung in Europa am erfolgreichsten sind, um die Mitgliedstaaten bei der Bewertung ihrer eigenen Politiken zu unterstützen. Die Verbreitung bewährter Verfahren ist wichtig und wünschenswert. Dazu wurden bereits mehrere Studien durchgeführt und deren Ergebnisse veröffentlicht, beispielsweise die Empfehlungen der e-TEG-Expertengruppe, das "Golden Book of e-procurement" (Goldenes Buch zur Praxis der elektronischen Auftragsvergabe) (diese beiden Studien wurden zwar unabhängig voneinander durchgeführt, gelangen aber zu übereinstimmenden Ergebnissen) oder der Abschlussbericht des PEPPOL-Projekts. Die Gegebenheiten sind von Land zu Land unterschiedlich, weshalb die Aufstellung der einzelnen Strategien unterstützt werden sollte, aber nicht unbedingt durch die Veröffentlichung einer weiteren Studie, was sich als kontraproduktiv und unnötig herausstellen könnte.

4.8

Der Ausschuss begrüßt die Bestrebungen der Kommission, die Entwicklung und Verwendung elektronischer Zertifikate unter Verwendung von Instrumenten wie der virtuellen Unternehmensakte (Virtual Company Dossier, VCD) von PEPPOL zu fördern. Dadurch können die Beteiligten die erforderlichen Unterlagen an jeden öffentlichen Auftraggeber in Europa übersenden, der sie dann auswerten und annehmen kann.

4.9

Befürwortet wird auch die Absicht, die Ausgaben für die öffentliche Auftragsvergabe und die damit verbundenen Leistungsindikatoren auf nationaler Ebene zu überwachen. Ein Beispiel ist hier das portugiesische Portal "Base" (7), über das es bereits möglich ist, die Ausgaben für öffentliche Aufträge zu kontrollieren und verschiedene Statistiken abzurufen.

4.10

Der EWSA begrüßt die Möglichkeit, die Einrichtung von Schulungsprogrammen für Unternehmen aus den Strukturfondsmitteln 2014-2020 zu finanzieren, wobei den Maßnahmen für KMU hier größeres Augenmerk geschenkt werden sollte. Dabei sollten jedoch auch die Schulungsmaßnahmen für den öffentlichen Sektor nicht vernachlässigt werden, weshalb es Schulungsprogramme zu entwickeln gilt, die die effiziente Nutzung der neuen kostengünstigeren elektronischen Verfahren fördern. Wichtig ist auch die Möglichkeit, Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren, die nicht nur für die Behörden, sondern auch für die Unternehmen bestimmt sein sollten.

4.11

Der EWSA misst der Frage der Interoperabilität und des Zugangs für alle wie bereits erwähnt größte Bedeutung bei und begrüßt daher, dass die Kommission die wichtigsten Grundsätze veröffentlicht hat, denen elektronische Systeme für die öffentliche Auftragsvergabe entsprechen müssen. Dabei kommt es nicht nur auf die leichte Zugänglichkeit für grenzübergreifende Anbieter und KMU an, sondern der EWSA fordert auch die Berücksichtigung der sprachlichen Barrieren und der Hindernisse für den Zugang von Personen mit einer Behinderung. Gemäß den Bestimmungen von Art. 21 der Grundrechtecharta der Europäischen Union und des von der EU ratifizierten Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist nämlich die Diskriminierung aufgrund einer Behinderung verboten.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Die durchgängig elektronische Vergabe ist der Einsatz elektronischer Verfahren für Kommunikation und Vorgangsbearbeitung durch Einrichtungen des öffentlichen Sektors beim Einkauf von Waren und Dienstleistungen oder der Ausschreibung öffentlicher Arbeiten, der sich auf alle Phasen des Verfahrens erstreckt, von der Vorbereitung (Veröffentlichung der Ausschreibungen, Zugang zu den Unterlagen, Einreichung der Gebote, Bewertung der Gebote und Vergabe) bis zur Phase nach der Vergabe (Bestellung, Rechnungsstellung und Bezahlung).

(2)  ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 44.

(3)  ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 44.

(4)  COM(2012) 179 final

(5)  Daten: Eurostat 2013.

(6)  ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 116-119.

(7)  www.base.gov.pt


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/101


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Druckgeräten auf dem Markt (Neufassung)

COM(2013) 471 final — 2013/0221 (COD)

2014/C 67/20

Alleinberichterstatter: Antonello PEZZINI

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 4. Juli bzw. 16. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 und 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Druckgeräten auf dem Markt (Neufassung)

COM(2013) 471 final — 2013/0221 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 2. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 142 gegen 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) würdigt die Arbeit der Kommission zur Angleichung der europäischen Rechtsvorschriften für Druckgeräte an die internationalen Entwicklungen und an den neuen EU-Rechtsrahmen mit dem Ziel, die Effektivität und Effizienz des Marktes zu stärken und die Verfahren zu vereinfachen, indem die wesentlichen Sicherheitsanforderungen festgelegt werden, die Druckgeräte für das Inverkehrbringen auf dem Binnenmarkt erfüllen müssen.

1.2

Der Ausschuss ist mit der gewählten Rechtsetzungstechnik der Neufassung einverstanden, die "in der Annahme eines neuen Rechtsakts (besteht), der in einem einzigen Text die inhaltlichen Änderungen […] zusammenfasst", um die Richtlinie 97/23/EG (PED) an den neuen Rechtsrahmen anzupassen.

1.3

Der EWSA weist nochmals darauf hin, dass die umfassende Anwendung des Grundsatzes des freien Warenverkehrs gewährleistet sein muss, damit Produkte, die rechtmäßig in einem Mitgliedstaat vermarktet werden, problemlos im gesamten EU-Gebiet vermarktet werden können; dabei sind die uneingeschränkte Rückverfolgbarkeit der Produkte sowie eine einheitliche, wirkungsvolle und effiziente Marktüberwachung sicherzustellen.

1.4

Bei der Anwendung sämtlicher in der neuen Richtlinie vorgesehener Verpflichtungen und Verfahren muss nach Auffassung des Ausschusses der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Zulassungsverfahren und den damit verbundenen Aufwand gewahrt werden, insbesondere mit Blick auf kleinere Unternehmen sowie Erzeugnisse, die nicht in Serie oder in begrenzter Stückzahl hergestellt werden.

1.5

Ebenso wichtig sind nach Ansicht des EWSA eine wirksamere allgemeine Marktüberwachung sowie ein gleichwertigeres Kompetenzniveau der benannten Konformitätsbewertungsstellen, die verbindliche hohe Kriterien erfüllen und mit Ausbildungsmaßnahmen unterstützt werden müssen.

1.6

Die Anwendung der neuen PED-Richtlinie muss überwacht werden, und alle zwei Jahre sollte dem Rat, dem Parlament und dem Ausschuss ein diesbezüglicher Bericht unabhängiger Sachverständiger vorgelegt werden.

1.7

Nach Auffassung des Ausschusses müssen von RAPEX verstärkt Indikatoren erfasst werden, die es ermöglichen, die Verringerung nichtkonformer Produkte auf dem Markt sowie die Verbesserung der Qualität der von den benannten Stellen erbrachten Konformitätsbewertungsdienste zu überwachen.

1.8

Für die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse im Zusammenhang mit der neuen Richtlinie muss ein klar umrissener und transparenter Anwendungsbereich festgelegt werden, bei dem insbesondere das Recht des Parlaments, des Rates und jedes einzelnen Mitgliedstaats auf Information und ggf. auch Konsultation gewahrt wird.

2.   Wichtigste Fragen im Zusammenhang mit der Vermarktung von Druckgeräten

2.1   Harmonisierung der Rechtsvorschriften für Druckgeräte

2.1.1

Der innergemeinschaftliche Handel mit Konsumgütern hatte zwischen 2008 und 2010 ein Volumen von ca. 1 Billion EUR, und der Wert der harmonisierten Sektoren in der EU – sowohl für Konsumgüter als auch für Güter für die professionelle Verwendung – wird auf mehr als 2,1 Billionen EUR geschätzt.

2.1.2

Der freie Verkehr sicherer und konformer Produkte ist einer der Grundpfeiler der Union, und die Marktüberwachung ist ein wesentliches Instrument zum Schutz der Verbraucher und Benutzer vor dem Inverkehrbringen gefährlicher und nichtkonformer Produkte.

2.1.3

Die Einführung der Richtlinie 97/23/EG über Druckgeräte – die sogenannte "PED-Richtlinie" – hat sich als sehr wichtig erwiesen für:

das Funktionieren des Binnenmarktes in diesem Sektor, sowohl was die Effektivität als auch die Effizienz angeht;

die Beseitigung verschiedener Handelsschranken;

die Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus der Produkte.

2.1.4

Der Ausschuss hat die Anpassung des Rechtsrahmens an die neuen Vorschriften über die Vermarktung von Produkten auf dem Binnenmarkt (1) begrüßt; er hat die Verordnung Nr. (EG) 765/2008 (2) über die Akkreditierung und Marktüberwachung – die sogenannte NLF-Verordnung – ebenso gebilligt wie den Beschluss Nr. 2008/768/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten – den sogenannten NLF-Beschluss – gemäß dem Binnenmarktpaket für Waren, zu dem sich der Ausschuss positiv geäußert hat (3).

2.1.5

Zudem beabsichtigt die Kommission, die Richtlinie 97/23/EG an die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 vom 16. Dezember 2008 – die sogenannte CLP-Verordnung – über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (4) im Einklang mit der dort vorgesehenen neuen Einstufung anzupassen, um die von gefährlichen Fluiden ausgehenden Druckrisiken zu berücksichtigen.

2.2   Anpassung an den neuen Rechtsrahmen und rechtliche Kohärenz

2.2.1

Die Nichteinhaltung der Anforderungen der PED-Richtlinie wird von den Wirtschaftsakteuren des Sektors im Allgemeinen als Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit derjenigen Unternehmen, die sich an die Vorschriften halten, empfunden.

2.2.2

Es ist dies unlauterer Wettbewerb, der großteils auf Mängel und Ineffizienz der Marktüberwachungsmechanismen zurückgeht: unzureichende Rückverfolgbarkeit der Produkte aus Drittstaaten, mangelnde Kompetenz der benannten Stellen (5), auch in Bezug auf die nicht erfolgte direkte Anwendung des Beschlusses zum neuen Rechtsrahmen (NLF).

2.2.3

Außerdem haben die Folgenabschätzungen gezeigt, dass die Wirtschaftsakteure Schwierigkeiten haben, sich in einem immer komplexeren Regelungsumfeld zurechtzufinden.

2.2.4

Immer häufiger finden für ein und dasselbe Produkt zahlreiche Rechtsakte Anwendung, wie im Falle der CLP-Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen. Damit werden neue Gefahrenklassen und -kategorien eingeführt, die nur teilweise den bislang verwendeten entsprechen und die für den Sektor am 1. Juni 2015 in Kraft treten.

2.2.5

Der EWSA hatte bereits in seiner Stellungnahme zur NLF-Verordnung und dem entsprechenden Beschluss (6) betont, "dass die Konkretisierung und Modernisierung der Bedingungen für die Vermarktung sicherer Qualitätsprodukte für die Verbraucher, die Unternehmen und die Unionsbürger von zentraler Bedeutung sind".

2.2.6

Vor diesem Hintergrund begrüßt der EWSA die Anpassung der PED- Richtlinie an den NLF-Beschluss, um dank der Rechtsetzungstechnik der Neufassung größtmögliche rechtliche Klarheit zu erhalten, mittels "der Annahme eines neuen Rechtsakts, der in einem einzigen Text die inhaltlichen Änderungen, die an einem bisherigen Rechtsakt vorgenommen werden, und die unveränderten Bestimmungen dieses Rechtsakts zusammenfasst. Der neue Rechtsakt tritt an die Stelle des bisherigen Rechtsakts und hebt diesen auf" (7).

2.2.7

Der Ausschuss begrüßt auch die Anpassung der Richtlinie 97/23/EG an die CLP-Verordnung, um ab dem 1. Juni 2015, wenn die Richtlinie 67/548/EWG aufgehoben wird, Rechtskohärenz bezüglich der Einstufung von Druckgeräten nach den darin enthaltenen Fluiden zu gewährleisten. Mit dieser Angleichung wird das auf internationaler Ebene im Rahmen der Struktur der Vereinten Nationen verabschiedete weltweit harmonisierte System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien in der EU umgesetzt.

2.3   Verpflichtungen der Wirtschaftsakteure und Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit

2.3.1

Besonders wichtig sind für den Ausschuss die Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit der Produkte und die Verpflichtungen der Wirtschaftsakteure, vor allem in Bezug auf:

die Verpflichtung der Einführer, der Bevollmächtigten und der Händler, die CE-Kennzeichnung und die beigefügten erforderlichen Unterlagen und Informationen über die Rückverfolgbarkeit zu überprüfen;

die Verpflichtung der Hersteller, die Anweisungen und Sicherheitsinformationen in einer für die Verbraucher und Endnutzer leicht verständlichen Sprache beizufügen;

die Rückverfolgbarkeit über die gesamte Lieferkette hinweg: Hersteller, Bevollmächtigte und Einführer;

die Verpflichtung eines jeden Wirtschaftsakteurs, den Behörden zu benennen, von wem er ein Druckgerät bezogen oder an wen er eines abgegeben hat.

2.3.2

Bei der Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit aller in Verkehr gebrachter Druckgeräte muss voll und ganz der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Zulassungsverfahren und den damit verbundenen Aufwand gewahrt werden, insbesondere mit Blick auf kleinere Unternehmen sowie Erzeugnisse, die nicht in Serie oder in begrenzter Stückzahl hergestellt werden.

2.3.3

Ebenso wichtig sind nach Ansicht des EWSA eine wirksamere allgemeine Marktüberwachung sowie ein gleichwertigeres Kompetenzniveau der benannten Konformitätsbewertungsstellen mit angemessenen verbindlichen Anforderungen für alle, um maximale Unparteilichkeit und Wirksamkeit in der gesamten EU sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Hersteller sicherzustellen.

2.3.4

Die Indikatoren, die es ermöglichen, die Verringerung nichtkonformer Produkte auf dem Markt und die Verbesserung der Qualität der Bewertungsdienste zu überwachen, müssen sich auf die mithilfe des RAPEX-Systems und der Meldeverfahren gemäß der Schutzklausel (nach Maßgabe der Richtlinie) erfassten Informationen sowie auf die Datenbank des Informationssystems NANDO (8) stützen.

2.3.5

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Übertragung von Durchführungsbefugnissen an die Kommission im Zusammenhang mit der neugefassten Richtlinie nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 vom 16. Februar 2011 unter vollständiger Wahrung der Informationsrechte des Rates und des Parlaments sowie des ggf. betroffenen Mitgliedstaats zu erfolgen hat.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Ausschuss begrüßt die Neufassung der PED-Richtlinie aus dem Jahr 1997 und würdigt die Arbeit der Kommission zur Angleichung der europäischen Rechtsvorschriften für Druckgeräte an die internationalen Entwicklungen und an den neuen EU-Rechtsrahmen.

3.2

Der EWSA bekräftigt, dass die umfassende Anwendung des Grundsatzes des freien Warenverkehrs gewährleistet sein muss, damit Erzeugnisse, die rechtmäßig in einem Mitgliedstaat vermarktet werden, problemlos im gesamten EU-Gebiet vermarktet werden können; dabei sind die uneingeschränkte Rückverfolgbarkeit der Waren sowie eine einheitliche, wirkungsvolle und effiziente Marktüberwachung sicherzustellen.

3.3

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Zulassungsverfahren und den damit verbundenen Aufwand, insbesondere für kleinere Unternehmen sowie Erzeugnisse, die nicht in Serie oder in begrenzter Stückzahl hergestellt werden, muss stärker berücksichtigt werden. Nach Auffassung des Ausschusses hätte eine Überarbeitung von Vorschriften wie die vorgeschlagene eine spezielle Folgenabschätzung für KMU notwendig gemacht, die über die durchgeführten Folgenabschätzungen und Konsultationen hinausgeht.

3.4

Eine wirksamere allgemeine Machtüberwachung und ein gleichwertigeres Kompetenzniveau der benannten Konformitätsbewertungsstellen sollte nicht nur mittels Sanktionsmechanismen, sondern auch und vor allem durch die gezielte Förderung europäischer Ausbildungsmaßnahmen erreicht werden.

3.5

Die neugefasste Richtlinie sollte Gegenstand regelmäßiger Überprüfungen und Berichte an die EU-Organe sein, die untermauert werden durch die RAPEX-Indikatoren bezüglich der Entwicklung der Verstöße gegen die Konformitätssicherung und die allgemeine Sicherheit von in Verkehr gebrachten Druckgeräten.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 120 vom 16.5.2008, S. 1.

(2)  ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 30; ABl. C 120 vom 16.5.2008, S. 1.

(3)  ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 105.

(4)  ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1.

(5)  Benannte Stellen: von den Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission benannte Stellen, die für die Konformitätsbewertung verantwortlich sind und die die Produkte prüfen, untersuchen und zertifizieren.

(6)  ABl. C 120 vom 16.5.2008, S. 1.

(7)  ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 105.

(8)  Vgl.: http://ec.europa.eu/enterprise/newapproach/nando/.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/104


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Anpassung von Rechtsakten, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird, an Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

(COM(2013) 451 final — 2013/0218 (COD))

und dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Anpassung von Rechtsakten im Bereich Justiz, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird, an Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

COM(2013) 452 final — 2013/0220 (COD)

2014/C 67/21

Hauptberichterstatter: Jorge PEGADO LIZ

Der Rat der Europäischen und das Europäische Parlament beschlossen am 16. September 2013 bzw. am 4. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 33, Artikel 43 Absatz 2, Artikel 53 Absatz 1, Artikel 62, Artikel 64 Absatz 2, Artikel 91, Artikel 100 Absatz 2, Artikel 114, Artikel 153 Absatz 2 Buchstabe b), Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe b), Artikel 172, Artikel 192 Absatz 1, Artikel 207 und Artikel 338 Absatz 1 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Anpassung von Rechtsakten, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird, an Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

COM(2013) 451 final — 2013/0218 (COD).

Das Europäische Parlament beschloss am 4. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 81 Absatz 2 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Anpassung von Rechtsakten im Bereich Justiz, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird, an Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

COM(2013) 452 final — 2013/0220 (COD).

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober), Jorge PEGADO LIZ zum Hauptberichterstatter zu bestellen, und verabschiedete mit 110 Stimmen bei 6 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Ziel der zwei Verordnungsvorschläge COM(2013) 451 final und COM(2013) 452 final vom 27. Juni 2013, zu denen der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) um seine Stellungnahme ersucht wurde, ist die pauschale Anpassung von 165 Rechtsakten, die bislang unter das Regelungsverfahren mit Kontrolle fallen, an die neue Regelung für delegierte Rechtsakte.

1.2

Diese Anpassung wurde vom Europäischen Parlament mit Unterstützung des Rates gefordert und dient der Anpassung der alten Komitologieverfahren an das Verfahren der Befugnisübertragung nach Artikel 290 AEUV.

1.3

Der EWSA unterstützt die Initiative der Kommission, die für die Sicherheit der Rechtsquellen der Union erforderlich ist und der Vereinfachung und Erhöhung der Effizienz dient.

1.4

Der EWSA verweist darauf, dass er kürzlich einen detaillierten Bericht über das Verfahren der Befugnisübertragung verabschiedet hat, und empfiehlt, diesen für das Verständnis der Stellungnahme heranzuziehen.

1.5

Die pauschale Anpassung von 165 Rechtsinstrumenten (Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen) aus zwölf verschiedenen Politikbereichen wirft zahlreiche juristische und praktische Fragen auf.

1.6

Einige Aspekte des Verfahrens der Befugnisübertragung sind nach wie vor unklar. So steht eine Definition des Begriffs "nicht wesentliche Vorschriften" noch aus. Auch sollte die Funktionsweise des Verfahrens präzise bewertet werden.

1.7

Einige Verordnungsvorschläge enthalten Optionen, die nicht im Einklang mit dem durch den Basisrechtsakt abgesteckten Rahmen stehen, wobei sogar vorgeschlagen wird, dass die Befugnisübertragung auf unbegrenzte Zeit erfolgt oder dass Parlament und Rat nur sehr kurze Fristen für die Kontrolle haben.

1.8

Unter Hinweis auf seine allgemeinen und besonderen Bemerkungen empfiehlt der EWSA der Kommission, die von ihr vorgenommene pauschale Anpassung so zu gestalten, dass die Besonderheiten einiger Basisrechtsakte stärker berücksichtigt werden.

1.9

Der EWSA empfiehlt ferner dem Rat und dem Parlament, höchste Wachsamkeit an den Tag zu legen und alle Rechtsakte, die von dieser Anpassung betroffen sind, gründlich zu prüfen.

2.   Einleitung

2.1

In dem am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon wird eine Unterscheidung getroffen zwischen der der Kommission in Artikel 290 AEUV übertragenen Befugnis, Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes zu erlassen (Verfahren der Befugnisübertragung), sowie der Befugnis gemäß Artikel 291 AEUV, Durchführungsrechtsakte zu erlassen (Verfahren zur Wahrnehmung von Durchführungsbefugnissen).

2.2

Der rechtliche Rahmen ist in beiden Fällen völlig verschieden.

2.2.1

Die Befugnisübertragung ist in folgenden nicht verbindlichen Instrumenten vorgesehen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Umsetzung von Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (1);

Vereinbarung über delegierte Rechtsakte zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission;

Artikel 87 und 88 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments, geändert durch Beschluss vom 10. Mai 2012 (2).

2.2.1.1

Der EWSA hat kürzlich einen ausführlichen Informationsbericht über das Verfahren der Befugnisübertragung verabschiedet, dessen Lektüre zum Verständnis dieser Stellungnahme dringend empfohlen wird (3).

2.2.2

Die in Artikel 291 AEUV vorgesehene Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse wird durch rechtsverbindliche Instrumente geregelt:

Verordnung 182/2011 (4) (im Folgenden "Komitologieverordnung"), in der zwei Verfahren vorgesehen sind, das Beratungsverfahren und das Prüfverfahren;

Beschluss 1999/468/EG (5) (im Folgenden "Komitologiebeschluss"), zur Stärkung der Kontrollbefugnisse des Parlaments und des Rates 2006 geändert, der das Regelungsverfahren mit Kontrolle vorsieht.

2.2.3

Das Regelungsverfahren mit Kontrolle wurde zur Annahme von Durchführungsmaßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Vorschriften eines Gesetzgebungsaktes angewandt. Der Wortlaut von Artikel 5a des Komitologiebeschlusses (6) ähnelt weitgehend der Definition der delegierten Rechtsakte. Ein delegierter Rechtsakt gemäß der Definition von Artikel 290 AEUV ist ein quasi-legislativer Akt, der von der Kommission zur Ergänzung oder Änderung bestimmter "nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes" erlassen wird.

2.2.4

Auf Grund dieser Ähnlichkeit bleiben Artikel 5a des Komitologiebeschlusses und das Regelungsverfahren mit Kontrolle zwischen 2009 und 2014 vorläufig gültig, da der Kommission daran gelegen ist, die geltenden Bestimmungen, die ein Regelungsverfahren mit Kontrolle vorsehen, innerhalb dieses begrenzten Zeitraums an die Regelung für delegierte Rechtsakte anzupassen.

2.2.5

Als Reaktion auf eine "Forderung" des Europäischen Parlaments (7) hat die Kommission mit Unterstützung des Rates einige Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen angepasst (8).

Ziel der Vorschläge für "Omnibus"-Verordnungen, zu denen der EWSA um Stellungnahme ersucht wurde, ist eine pauschale Anpassung.

3.   Vorschläge der Kommission

3.1

Die Kommission hat zwei Verordnungsvorschläge vorgelegt:

Bei dem einen geht es um "Rechtsakte" COM(2013) 451 final,

beim anderen um "Rechtsakte im Bereich Justiz" COM(2013) 452 final.

Ein drittes Paket mit Vorschlägen wird derzeit noch erarbeitet und dürfte demnächst vorgelegt werden.

3.2

Im ersten Vorschlag geht es darum, bei 160 Rechtsakten (Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen) vom Regelungsverfahren mit Kontrolle en bloc zum Verfahren der Befugnisübertragung überzugehen. Diese Rechtsakte betreffen elf verschiedene Politikbereiche:

Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien

Beschäftigung, Soziales und Integration

Klimapolitik

Energie

Unternehmen und Industrie

Umwelt

Statistik

Binnenmarkt und Dienstleistungen

Mobilität und Verkehr

Gesundheit und Verbraucher

Steuern und Zollunion.

3.2.1

Der Vorschlag umfasst eine Begründung, den eigentlichen Verordnungsvorschlag und einen Anhang, in dem die Rechtsakte aufgeführt sind, bei denen statt des Regelungsverfahrens mit Kontrolle das Verfahren der Befugnisübertragung angewandt werden soll.

3.3

Der Vorschlag "zur Anpassung von Rechtsakten im Bereich Justiz" ist Gegenstand einer getrennten Vorlage, weil deren Rechtsgrundlage in Titel V des AEUV liegt und sie nicht alle Mitgliedstaaten betreffen. Gemäß den Artikeln 1 und 2 des Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks im Anhang zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist Dänemark nicht durch die Verordnung gebunden.

3.3.1

Der Verordnungsvorschlag zur Anpassung von Rechtsakten im Bereich Justiz an Artikel 290 AEUV betrifft fünf Verordnungen zu folgenden Themen:

Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen;

europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen;

europäisches Mahnverfahren;

europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen;

Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Statt eines Verordnungsvorschlags für jeden einzelnen Rechtsakt schlägt die Kommission "Omnibus"-Verordnungen zur pauschalen Anpassung mehrerer Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen vor.

4.1.1

Diese Vorgehensweise hat sie bereits 2006 bei der Einführung des Regelungsverfahrens mit Kontrolle gewählt. Sie veröffentlichte damals eine Mitteilung zur Anpassung von 25 Verordnungen und Richtlinien, darunter vor allem der Richtlinie 2005/1/EG vom 9. März 2005 zur Schaffung einer neuen Ausschussstruktur im Finanzdienstleistungsbereich (9). Zu nennen ist auch die Mitteilung der Kommission von 2007 zur Anpassung einer Reihe von in vier Anhängen genannten Rechtsakten an das Regelungsverfahren mit Kontrolle (10). Der EWSA hat dazu Bemerkungen und Empfehlungen abgegeben (11).

4.1.2

Eine Anpassung dieses Ausmaßes hat die Kommission jedoch bislang noch nicht vorgenommen.

4.1.3

Der EWSA stellt fest, dass die Verordnungsvorschläge den Umfang der Befugnisse der Kommission deutlich machen, da in ihnen Tragweite, Ausmaß sowie Fristen möglicher Einwände durch Rat oder Parlament vorgesehen sind.

4.1.4

Dies soll der Vereinfachung und der Beschleunigung der Verfahren dienen, wirft jedoch zahlreiche Fragen auf.

a)   Übertragung für einen unbefristeten Zeitraum

4.2

In Artikel 2 der beiden Verordnungsvorschläge ist festgelegt, dass die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte mit diesem Verfahren "für einen unbefristeten Zeitraum übertragen" wird.

4.2.1

Der EWSA verweist darauf, dass die Dauer der Befugnisübertragung nach Artikel 290 AEUV in den betreffenden Gesetzgebungsakten ausdrücklich festzulegen ist und die Übertragung bisher, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich für einen festgelegten Zeitraum erfolgte, der gegebenenfalls nach Vorlage eines Berichts über die Ausübung der Befugnisübertragung verlängert werden kann.

4.2.2

Er stellt fest, dass der Wunsch der Kommission nach zeitlich unbefristeter Befugnisübertragung (12) vom Parlament nicht geteilt wird (13). Darüber hinaus wird durch die "Omnibus"-Verordnung die Verpflichtung zur regelmäßigen Vorlage von Berichten über die Ergreifung der im Basisrechtsakt vorgesehenen Maßnahmen abgeschafft (14).

4.2.3

Der EWSA fragt sich daher, ob in den von der Kommission zur Anpassung vorgeschlagenen Verordnungen sogar festgelegt werden kann, dass die Befugnisübertragung in allen Fällen, unabhängig vom Politikbereich, für unbegrenzte Dauer erfolgt.

b)   Kontrolle durch EP und Rat

4.3

Wie der EWSA in seinem Informationsbericht über delegierte Rechtsakte bereits dargelegt hat, wird die Befugnisübertragung von Rat und Parlament kontrolliert, die diese jederzeit widerrufen, grundsätzlich innerhalb von zwei Monaten nach Übermittlung des delegierten Rechtsakts an Rat und Parlament Einwände gegen den von der Kommission erlassenen delegierten Rechtsakt erheben oder der Kommission innerhalb dieses Zeitraums mitteilen können, dass sie keine Einwände erheben werden. Dieser grundsätzlich festgelegte Zeitraum von zwei Monaten kann auf Initiative des Parlaments oder des Rates um zwei Monate verlängert werden.

4.3.1

In Artikel 5a Absätze 3 bis 6 des Komitologiebeschlusses ist eine komplexe Regelung mit unterschiedlichen Fristen vorgesehen, abhängig davon, ob die von der Kommission beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses im Einklang stehen oder nicht. Je nachdem, ob es um den Rat oder das Europäische Parlament geht, betragen die Fristen zwischen vier und zwei Monaten.

In Abweichung von dem beschriebenen Regelfall ist in Artikel 5a Absatz 5 Buchstabe b) festgelegt, dass diese Fristen "in wohlbegründeten Ausnahmefällen" "aus Gründen der Effizienz" verkürzt werden können, ohne dass jedoch konkrete Fristen angegeben werden.

Darüber hinaus ist in Absatz 6 eine Sonderregelung mit einer Frist von einem Monat vorgesehen, die jedoch im Basisrechtsakt bereits festgelegt sein muss. Diese Frist gilt für ganz konkrete Fälle, in denen das normale Verfahren "in Fällen äußerster Dringlichkeit" nicht eingehalten werden kann.

4.3.2

In Artikel 2 Absatz 6 des Vorschlags für eine Verordnung zur Anpassung von Rechtsakten an Artikel 290 AEUV wird eine solche Ausnahme zugelassen. Allerdings ist nur vorgesehen, dass die normale Frist, die Rat und Parlament zur Erhebung von Einwänden zur Verfügung steht, in ordnungsgemäß begründeten Ausnahmefällen auf einen Monat verkürzt werden kann (15).

4.3.3

Durch die vorgeschlagene neue Regelung wird der Spielraum, den Rat und Parlament zur Ausübung ihrer Kontrollbefugnisse haben, offenbar eingeschränkt.

4.3.4

Der EWSA wirft daher insbesondere die Frage auf, inwieweit Rat und Parlament noch die Möglichkeit haben, ihre Kontrollbefugnisse bei 165 delegierten Rechtsakten innerhalb so kurzer Fristen wahrzunehmen.

c)   Nicht wesentliche Bestimmungen

4.4

Wie in dem Informationsbericht bereits betont, verweist der EWSA darauf, dass es beim Verfahren der Befugnisübertragung um den Erlass delegierter Rechtsakte bezüglich nicht wesentlicher Vorschriften des gemeinsam von Rat und Parlament angenommenen Gesetzgebungsakts geht.

4.4.1

Die Verordnungsvorschläge der Kommission betreffen zwölf verschiedene Politikbereiche.

4.4.2

Da die genaue rechtliche Natur der delegierten Rechtsakte relativ unklar ist und die von den Verordnungsvorschlägen betroffenen Politikbereiche ebenso umfassend wie sensibel sind, ließe sich, wie weiter unten ausgeführt wird, nach der "nicht wesentlichen" Natur bestimmter Maßnahmen fragen.

4.4.3

Darüber hinaus wird die Formulierung "nicht wesentliche Maßnahme" vom Gerichtshof je nach Politikbereich unterschiedlich ausgelegt. So hat die Große Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union am 5. September 2012 festgestellt, dass das Gebiet der Grundrechte des Einzelnen Vorrecht des Gesetzgebers bleibt und nicht Gegenstand einer Befugnisübertragung an die Kommission sein darf (16).

4.4.4

Im Übrigen hatte der Gerichtshof der Europäischen Union noch keine Gelegenheit, Position zur Ausübung übertragener Befugnisse durch die Kommission an sich zu beziehen. Er wurde erst kürzlich von der Kommission erstmalig mit einer Nichtigkeitsklage gegen Artikel 80 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten befasst (17).

Die Klage wurde am 19. September 2012 eingereicht, und der Gerichtshof wird frühestens Ende 2013/Anfang 2014 entscheiden, nachdem er die Schlussfolgerungen des Generalanwalts gehört hat.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Bei der Mehrzahl der in dieser Stellungnahme geprüften Vorschläge passt die Kommission das Regelungsverfahren mit Kontrolle in angemessener und vernünftiger Form an die Regelung für delegierte Rechtsakte nach Artikel 290 AEUV an. Einige Fälle werfen jedoch Fragen auf und bringen besondere Schwierigkeiten mit sich.

a)   Ungenauigkeiten der Regelung

5.2

Die meisten betroffenen Rechtsakte enthalten einen ausdrücklichen Verweis auf Artikel 5a des Beschlusses des Rates vom 17. Juli 2006 (18), des Komitologiebeschlusses, mit dem das Regelungsverfahren mit Kontrolle eingeführt wurde und in dem festgelegt ist, dass bei Maßnahmen von allgemeiner Tragweite zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen eines Rechtsakts auf dieses Verfahren zurückzugreifen ist. Diese Änderung der Regelung, die mit Beschluss vom 28. Juni 1999 eingeführt wurde, trat erst am 24. Juli 2006 in Kraft.

5.2.1

So ist in keinem der von der Anpassung betroffenen Rechtsakte vor diesem Zeitpunkt angegeben, welche Maßnahmen dem Regelungsverfahren mit Kontrolle unterliegen. Erst mit dem Beschluss vom Juli 2006 wird in Artikel 2 des Beschlusses vom Juni 1999 ein neuer Absatz 2 eingeführt. Darin ist erstmals vorgesehen, dass Maßnahmen von allgemeiner Tragweite angenommen werden, die eine Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen des Basisrechtsakts bewirken.

5.2.2

All diese Rechtsakte enthalten deshalb nur Formulierungen (19) wie: "Die zur Durchführung dieser Richtlinie erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 beschlossen werden.", "Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt." und "Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 5 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG unter Beachtung von dessen Artikel 8."

5.2.3

Der EWSA verweist darauf, dass die Ablösung des Regelungsverfahrens mit Kontrolle durch das Verfahren der Befugnisübertragung dazu führt, dass die Stellungnahmen der im Rahmen des Regelungsverfahrens mit Kontrolle vorgesehenen Ausschüsse entfallen. Im Rahmen der Durchführungsmaßnahmen nach Artikel 291 AEUV werden solche Stellungnahmen jedoch weiterhin abgegeben.

5.2.4

Ein Schritt, bei dem geprüft wird, ob es sich wirklich um "nicht wesentliche Vorschriften" eines Gesetzgebungsakts handelt, wird also abgeschafft.

5.2.5

Die Liste im Anhang zum Verordnungsvorschlag der Kommission enthält insbesondere vor dem Komitologiebeschluss erlassene Rechtsakte. Da diese Rechtsakte veröffentlicht wurden, bevor das Komitologieverfahren systematisch griff, sind die Verweise auf die Maßnahmen ausgesprochen vage, beispielsweise "Anpassung an den technischen Fortschritt" (Richtlinie vom 20. Mai 1975 über Aerosolpackungen) (20).

b)   Bestimmung des Anwendungsbereichs

5.3

Die Bestimmung des Anwendungsbereichs von Artikel 5a auf "nicht wesentliche Bestimmungen" von Gesetzgebungsakten lässt bisweilen zu wünschen übrig. So ist beispielsweise die allgemeine Formulierung "Maßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung" in der Verordnung (EG) 661/2009 über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen ohne weitere Präzisierung nicht zufriedenstellend.

5.3.1

Bisweilen wird Artikel 5a auf Bestimmungen angewandt, bei denen mehr als zweifelhaft ist, ob sie wirklich "nicht wesentlicher" Natur sind. Dies betrifft beispielsweise

die Verordnung (EG) Nr. 715/2009 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen (Artikel 23);

die Verordnung (EG) Nr. 714/2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel;

die Artikel 23 Absätze 1 und 4 sowie 40 Absatz 3 der Richtlinie 2006/123 vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, nach denen festgestellt wird, ob eine Berufshaftpflichtversicherung im Hinblick auf die Art und den Umfang des Risikos angemessen ist;

die Artikel 12, 34 Absatz 1 und 35 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 vom 23. Oktober 2007, in denen die Haftpflichtversicherung für die Fahrgäste im Eisenbahnverkehr geregelt ist.

c)   Politikbereiche im Zusammenhang mit den Grundrechten

5.4

Auf den ersten Blick "nicht wesentliche" Maßnahmen wie die Anpassung des Anhangs einer Richtlinie können dennoch Fragen in Bezug auf ihre Auswirkungen auf den Schutz bestimmter Grundrechte aufwerfen.

5.4.1

Zu nennen wären hier beispielsweise

die Anhänge der Verordnung (EG) Nr. 1338/2008 vom 16. Dezember 2008 zu Gemeinschaftsstatistiken über öffentliche Gesundheit und über Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz (Artikel 9 und Artikel 10 Absatz 2);

Fragen im Zusammenhang mit Volks- und Wohnungszählungen (Verordnung (EG) Nr. 763/2008 vom 9. Juli 2008);

die Anhänge der Richtlinie 2006/126/EG vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein;

die Abweichungen von den Anhängen der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 vom 12. Januar 2005 mit Vorschriften für die Futtermittelhygiene (Artikel 28 und Artikel 31 Absatz 2);

die Anhänge der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (Artikel 13 Absatz 2 und Artikel 14);

die Änderung der Anhänge mit Formblättern zur Wahrnehmung bestimmter Rechte, beispielsweise im Falle des europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (Verordnung (EG) Nr. 805/2004 vom 21. April 2004), des europäischen Mahnverfahrens (Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 vom 12. Dezember 2006), des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (Verordnung (EG) Nr. 861/2007 vom 11. Juli 2007) und der Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke (Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13. November 2007).

5.4.2

Auch ist auf heiklere Fälle hinzuweisen, beispielsweise wenn ein grundlegender Teil der Verordnung über einen bestimmten Gegenstand durch delegierte Rechtsakte geregelt wird. Dies betrifft unter anderem

das Verfahren für Beschwerden gegen "den Schutz vor Schädigung der Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft durch Subventionierung und unlautere Preisbildungspraktiken bei der Erbringung von Flugverkehrsdiensten von Ländern, die nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaft sind", das in der Verordnung 868/2004 vom 21. April 2004 vorgesehen ist,

und die Definition der Elemente zur Ermittlung des effektiven Jahreszinses bei Verbraucherkreditverträgen (Richtlinie 2008/48/EG vom 23. April 2008, Artikel 19 Absatz 5 und Artikel 25 Absatz 2).

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2009) 673 final vom 9.12.2009.

(2)  Dok. A7-0072/2012.

(3)  Informationsbericht zum Thema "Bessere Rechtsetzung: Durchführungsrechtsakte und delegierte Rechtsakte" http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.en.int-opinions&itemCode=24245.

(4)  ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13.

(5)  ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

(6)  Beschluss des Rates vom 17. Juli 2006 (ABl. L 200 vom 22.7.2006, S. 11).

(7)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. Mai 2010 (P7-TA (2010) 0127), Ziffer 18.

(8)  Erklärungen der Kommission ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 19.

(9)  COM(2006) 900 bis 926 final.

(10)  COM(2007) 740 final, COM(2007) 741 final, COM(2007) 824 final, COM(2007) 822 final und COM(2008) 71 final.

(11)  ABl. C 161 von 13.7.2007, S. 45 und ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 35.

(12)  COM(2009) 673 final vom 9.12.2009, Ziffer 3.2.

(13)  Vereinbarung über delegierte Rechtsakte, Abschnitt IV.

(14)  Drei Jahre beispielsweise im Fall der Richtlinie 2006/21/EG vom 15. März 2006 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie.

(15)  In dem Verordnungsvorschlag zur Anpassung von Rechtsakten im Bereich Justiz an Artikel 290 AEUV ist diese Möglichkeit dagegen nicht vorgesehen.

(16)  Rechtssache C-355/10, Europäisches Parlament gegen Rat der Europäischen Union, Überwachung der Seeaußengrenzen und Befugnis der Grenzschutzbeamten, Zuwanderer in den Drittstaat auszuschiffen, von dem aus das Schiff mit den Personen in See gestochen ist.

(17)  Rechtssache C-427/12, Europäische Kommission/Europäisches Parlament gegen Rat der Europäischen Union. Dabei geht es um die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten, wobei der Erlass einer Durchführungsverordnung über die an die Europäische Chemikalienagentur zu entrichtenden Gebühren nach Artikel 291 AEUV anstelle eines delegierten Rechtsakts nach Artikel 290 AEUV vorgesehen ist. Nach Auffassung der Kommission müsste der Rechtsakt, den sie nach Artikel 80 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 annehmen soll, ein delegierter Rechtsakt im Sinne von Artikel 290 AEUV sein, da damit bestimmte nicht wesentliche Vorschriften des Gesetzgebungsakts ergänzt werden.

(18)  ABl. L 200 vom 22.7.2006, S. 11.

(19)  Siehe beispielsweise die Richtlinien 2006/25/EG, 89/391/EWG und 2003/10/EG.

(20)  Korrekte Verweise auf den "technischen und wissenschaftlichen Fortschritt" finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 vom 16. Dezember 2008 über die Kennzeichnung und Verpackung oder auch in der Richtlinie 2008/56/EG vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/110


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates für wirksame Maßnahmen zur Integration der Roma in den Mitgliedstaaten

COM(2013) 460 final — 2013/0229 (NLE)

2014/C 67/22

Berichterstatter: Ákos TOPOLÁNSZKY

Die Europäische Kommission beschloss am 26. Juni 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 19 Absatz 1 und 22 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Empfehlung des Rates für wirksame Maßnahmen zur Integration der Roma in den Mitgliedstaaten

COM(2013) 460 final — 2013/0229 (NLE).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 3. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 17. Oktober) mit 135 gegen 4 Stimmen bei 6 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Empfehlung des Rates und erkennt mit Bedauern die Notwendigkeit des darin enthaltenen Vorschlagspakets an, das auch als eine Art Mindestprogramm für die Umsetzung aufgefasst werden kann.

1.2

Der EWSA stellt mit Bedauern fest, dass – wie auch in der Begründung der Empfehlung festgestellt wird – bei der Verwirklichung der Ziele der Rahmenstrategie auf europäischer Ebene im Hinblick auf die Umsetzung und das politische Engagement auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene ständig ernste Schwierigkeiten auftreten.

1.3

Der EWSA weist auf die Mängel hin, die in den von den Organisationen der Zivilgesellschaft erstellten Dokumenten zur Bewertung der Rahmenstrategie und der nationalen strategischen Programme hervorgehoben werden. Sie müssen auf der Grundlage der von den Betroffenen gemachten Angaben unbedingt ernst genommen und behoben werden, indem innerhalb einer begrenzten Frist wirksame und umfassende politische Lösungen formuliert und umgesetzt werden.

1.4

Der EWSA hält den Teil des Vorschlags über horizontale politische Maßnahmen für oberflächlich und fordert den Rat auf, ihn stärker auszuformulieren, in den vier darin festgelegten Bereichen viel konkretere Anforderungen festzulegen und zugleich ihre Umsetzung zu fördern, indem die erwarteten bewährten Verfahren dargelegt werden.

1.5

Der EWSA ist der Ansicht, dass der Rat angesichts der in der Begründung des Vorschlags für eine Empfehlung (1) gezogenen Schlüsse und der Verschlechterung der sozioökonomischen Lage aufgrund der Krise, insbesondere auch zur Linderung lebensbedrohender Situationen von Not und extremer Armut und zur Minderung der extremsten Erscheinungen von Diskriminierung, Rassismus und romafeindlichem Verhalten (Antiziganismus), seine Befugnis zur Verabschiedung verbindlicher Rechtsakte nutzen sollte.

1.6

Der EWSA empfiehlt – vor allem im Falle extrem ungünstiger Lebenssituationen – die Festlegung eines präzisen Rahmens für die Durchsetzung der Menschenrechte und die längst überfällige Ausarbeitung der Indikatoren und Benchmarks zur Bewertung derartiger Situationen.

1.7

Der EWSA regt an, neben der Gewährleistung der Finanzierung und einer transparenten Mittelverwendung von Gruppen unabhängiger und mit den nötigen rechtlichen Mitteln und forschungsethischen Instrumenten ausgestatteter Forscher eine Bewertung der Umsetzung der Strategien vornehmen zu lassen.

1.8

Es muss dafür gesorgt werden, dass mittels rechtlicher und anderer Garantieinstrumente die Tätigkeit sowohl der für die Gleichbehandlung zuständigen Behörden, denen bei der Umsetzung der Antidiskriminierungspolitik eine Schlüsselrolle zukommt, als auch der für die Umsetzung der Strategie wesentlichen internationalen Anlaufstellen gestärkt sowie die Zusammenarbeit mit den betroffenen Bevölkerungsgruppen ausgebaut wird.

1.9

Um die Umsetzung der Strategien wirksamer zu gestalten und dem Vertrauensverlust unter den Betroffenen entgegenzuwirken, ist es grundlegend, für eine tatsächliche umfassende Beteiligung der Roma an sämtlichen Maßnahmenbereichen und ihre Einbeziehung in diese zu sorgen. Der EWSA empfiehlt und erwartet eine Ausweitung des konzeptuellen Rahmens der Zusammenarbeit und eine über die bloße Konsultation hinausgehende Konsenskultur und unterbreitet dementsprechende Vorschläge.

1.10

Der EWSA betont, dass die politischen Entscheidungsträger sich von den Besorgnis erregenden rassistischen, von Gewalt geprägten und schwer diskriminierenden Äußerungen über die Roma eindeutig distanzieren müssen und es wichtig ist, rassistische Gewalttätigkeit und Hassreden offen und konsequent aufzudecken und zu überwachen sowie Rechts-, Verwaltungs-, Propagierungs- und Regulierungsinstrumente auszuarbeiten, mit denen diese Phänomene wirksam bekämpft werden können.

2.   Hintergrund

2.1

Am 5. April 2011 nahm die Kommission einen EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020 (2) an, mit dem die längst überfällige Möglichkeit geschaffen wird, die auch die Roma betreffende extreme Armut und Segregation mit einem einheitlichen Vorgehen zu bekämpfen. Im Juni 2011 wurde dieses Dokument vom Europäischen Rat gebilligt (3), der die Mitgliedstaaten aufforderte, noch vor Ende 2011 nationale Roma-Integrationsstrategien zu verabschieden.

2.2

Gemäß den Bestimmungen dieses Rahmens erstattet die Europäische Kommission jährlich über den Stand der Umsetzung Bericht. 2012 bewertete sie erstmals die von den Mitgliedstaaten vorgelegten nationalen Strategien (4) und verabschiedete horizontale Schlussfolgerungen. In einem Begleitdokument analysierte sie die Stärken und Schwächen der Strategien der einzelnen Mitgliedstaaten (5).

2.3

Die Roma-Vereinigungen haben die Erarbeitung dieser Strategien sehr aufmerksam mitverfolgt, in zahlreichen Dokumenten ihre Standpunkte bzw. Vorbehalte geäußert und die Strategien auch selbst einer Bewertung unterzogen (6).

2.4

All diese Analysen haben bedeutende Mängel bei den einzelstaatlichen Strategien aufgedeckt. Nach Ansicht der Organisationen der Zivilgesellschaft stellen die horizontalen Inhalte und deren Mängel ein großes Problem dar. Beispiele für diese Mängel sind:

a)

unzureichende Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung;

b)

der Mangel an einen "uneingeschränkten Zugang" fördernden Maßnahmen;

c)

der Mangel an Maßnahmen zur Anerkennung und Stärkung der Menschenwürde der Roma und der Roma-Gemeinschaft;

d)

der Mangel an Maßnahmen zur Verringerung der Ungleichheiten und besonders schweren Benachteiligungen innerhalb der Roma-Gesellschaft (beispielweise der Mangel an Maßnahmen zur Verringerung der die Roma-Frauen und -Kinder betreffenden besonderen Benachteiligungen);

e)

der Mangel an Maßnahmen zur Mobilisierung und Dynamisierung der Roma, ihrer Gemeinschaften und ihrer Organisationen der Zivilgesellschaft für die Umsetzung der Strategie.

2.5

In den oben genannten Bewertungsdokumenten der Europäischen Kommission wird nicht auf die grundlegenden Mängel der Strategien der Mitgliedstaaten verwiesen. Die zahlreichen sozialen und gesellschaftlichen Benachteiligungen schwerwiegendster Art, die teilweise Menschenrechtsverletzungen darstellen, werden darin weder verboten noch wird dazu aufgerufen, diese einzudämmen oder ihnen ein Ende zu setzen. So werden beispielsweise folgende Menschenrechtsverletzungen nicht stark genug hervorgehoben:

a)

der als Begleiterscheinung der Prostitution auftretende illegale Menschenhandel und das Problem der "Sklavenarbeit";

b)

das grundlegende Recht der Roma-Frauen, über ihren Körper zu verfügen und auf freien Zugang zu Familienplanung sowie die zuweilen auftretenden Fälle von zwangsweise, ohne Einwilligung der Betroffenen durchgeführten Sterilisierungen;

c)

extreme Formen von Not und tiefster Armut, die den Menschenrechten entgegenstehen und die Nichtbefriedigung lebenswichtiger Bedürfnisse (z.B. fehlender Zugang zu gesundheitlich unbedenklichem Trinkwasser oder zu Hygieneinfrastrukturen für diejenigen, die am Ortsrand oder in Kolonien leben usw.);

d)

schließlich unzureichende Rassismusbekämpfungsziele und -maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit des Lebens und der Güter der Roma und der Roma-Gemeinschaften sowie der Wahrung ihrer Rechte sowie zur Stärkung des Schutzes vor rassistischen Übergriffen.

2.6

Der EWSA hat der Rahmenstrategie und den nationalen Strategien zur Integration der Roma zwei Stellungnahmen gewidmet. In der vorherigen Stellungnahme (7), in der es um die Verbesserung der gesellschaftlichen Stellung und die Integration der Roma geht, wird die Rahmenstrategie begrüßt, wird hinsichtlich der späteren Planung und Umsetzung auf die Notwendigkeit eines dreifachen Ansatzes (eine in Bezug auf Rasse und Ethnie neutrale Integrationspolitik, eine Politik zur Stärkung der Handlungskompetenz derjenigen, die sich selbst als Mitglied einer Roma-Gemeinschaft betrachten, und zur Würdigung der von ihnen erreichten sozialen Eingliederung sowie allgemeine Maßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit zur Bekämpfung von Rassismus) hingewiesen und werden weitere Vorschläge unterbreitet.

2.7

In der ergänzenden Stellungnahme (8) macht der EWSA im Zusammenhang mit einer im Jahr 2012 durchgeführten Studie auf das schwindende Vertrauen der Meinungsbildner der Roma-Gemeinschaft aufmerksam, woraufhin er Vorschläge unterbreitet, die insbesondere die Integration der Roma und die Förderung ihrer Einbeziehung betreffen.

3.   Allgemeine Erwägungen

3.1

Angesichts der Situation der Rom, der Auswirkungen der Krise und der so unterschiedlichen Verpflichtungen der einzelnen Mitgliedstaaten erkennt der EWSA – mit Bedauern – die Notwendigkeit der Ratsempfehlung an, deren Ziele er befürwortet; zugleich hält er das darin enthaltene Vorschlagspaket, das auch als eine Art Mindestprogramm für die Umsetzung aufgefasst werden kann, in einigen Fällen für zu oberflächlich und zu wenig operationell, um die im Dokument vorgesehenen Ziele erreichen zu können.

3.2

Der Begründung des Kommissionsvorschlags zufolge soll diese "die Fortschritte beschleunigen, indem das Augenmerk der Mitgliedstaaten auf eine Reihe konkreter Maßnahmen gelenkt wird, die für eine wirksamere Umsetzung ihrer Strategien entscheidend sind". Der EWSA stellt mit Bedauern fest, dass diese Zielsetzung zugleich auch bedeutet, dass bei der Verwirklichung der Ziele der Rahmenstrategie auf europäischer Ebene im Hinblick auf die Umsetzung und das politische Engagement auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene ständig ernste Schwierigkeiten auftreten.

3.3

Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass unter Einbeziehung der betroffenen relevanten Organisationen der Roma und der Zivilgesellschaft eine Liste mit Empfehlungen angenommen werden sollte, um nicht den günstigen politischen Moment für die Integration der Roma erneut ungenutzt verstreichen zu lassen, was sowohl die Ziele der Union als auch die Entwicklung der Lebensbedingungen der Betroffenen ernsthaft gefährden würde. Diese Liste sollte im Rahmen einer breit angelegten Konsultation erstellt werden, auf einem wirklich ehrgeizigen und tatsächlich überprüfbaren faktengestützten Bewertungssystem fußen, sich aus ausreichend konkreten und operationellen Elementen zusammensetzen und der Rechenschaftslegung unterzogen werden können.

3.4

Der EWSA hält die im Vorschlag ausgesprochenen politischen Empfehlungen, die seines Erachtens als begrenzte und unbedingt umzusetzende Maßnahmenliste weitgehend zu unterstützen ist, für nützlich. Zugleich stellt er auch fest, dass mit diesen Empfehlungen, von denen manche von zu wenig Ehrgeiz zeugen, ein viel zu eng gefasster Handlungsrahmen gesteckt wird; daher rät er dringend, die Empfehlungsliste weiter auszubauen und durch Kontroll- und Überwachungsinstrumente zu ergänzen.

3.5

Der EWSA hält den Teil des Vorschlags über horizontale politische Maßnahmen für oberflächlich und fordert den Rat auf, ihn stärker auszuformulieren und in den vier darin abgesteckten Bereichen (Antidiskriminierung, Schutz der Roma-Frauen und -Kinder, Verringerung der Armut und soziale Inklusion sowie Stärkung der Gestaltungs- und Entscheidungsmacht der Roma) viel konkretere Anforderungen festzulegen und zugleich in diesem Zusammenhang Hinweise zu den erwarteten vorbildlichen Verfahrensweisen zu geben.

3.6

Der EWSA hält die Argumentation des Dokuments nicht für zufrieden stellend, der zufolge "ein unverbindliches Rechtsinstrument gewählt [wurde], um den Mitgliedstaaten praktische Leitlinien in Bezug auf die Problematik der sozialen Inklusion der Roma an die Hand zu geben, ohne strikte verbindliche Regeln festzulegen", weil "[n]ach den Erkenntnissen der Kommission […] noch immer keine durchgreifenden, angemessenen Maßnahmen ergriffen [wurden], um die sozialen und wirtschaftlichen Probleme eines Großteils der Roma-Bevölkerung in der EU zu lösen." Ohne ein angemessenes und gezieltes Management der jetzigen Krise werden die Roma-Gruppen, die auch besonders von Segregation, Diskriminierung und extremer Armut betroffen sind, unverhältnismäßig stark unter ihren Folgen zu leiden haben, obwohl sie doch bereits jetzt eine unerträgliche und unzumutbare Belastung für sie bedeutet. Daher sind nach Erachten des EWSA auch unter dem Gesichtspunkt der sofortigen und rechtlichen Durchsetzbarkeit wirksame Lösungen und Maßnahmen seitens der Entscheidungsträger erforderlich.

3.7

Deshalb ist der EWSA der Ansicht, dass der Rat angesichts der in der Begründung seiner Empfehlung gezogenen Schlüsse (9), insbesondere auch zur Linderung lebensbedrohender Situationen von Not und extremer Armut und zur Minderung der extremsten Erscheinungen von Diskriminierung, Rassismus und romafeindlichem Verhalten (Antiziganismus), seine Befugnis zur Verabschiedung verbindlicher Rechtsakte nutzen sollte. Deren Notwendigkeit ergibt sich gerade aus den offensichtlichen Mängeln in Rechtsetzung und Rechtsprechung der Mitgliedstaaten (10).

4.   Spezifische Vorschläge

4.1

Der EWSA schlägt den zuständigen Stellen der Europäischen Union vor, ihre unmittelbar mit der Durchsetzung der Grundrechte der Roma und der Minderheitenrechte verbundenen und nicht unter die Methode der offenen Koordinierung fallenden Aufgaben erneut zu bewerten, insbesondere in Bezug auf die vorgenannten Fragen. In diesem Zusammenhang hält es der EWSA für erforderlich:

a)

dass die Union exakt und genau festlegt, auf welche Kriterien sie sich im Rahmen ihrer Befugnisse stützt, um eine Verletzung der von der UNO definierten Menschenrechte der zweiten und dritten Generation festzustellen, und zugleich klarstellt, in welchen Fällen sie bei einer vermuteten Rechtsverletzung innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs ein Rechtsverfahren einleitet;

b)

dass sie diese Minderheiten- und Menschenrechte je nach den Lebenssituationen und sozialen Benachteiligungen, die die Roma überdurchschnittlich stark zu berühren drohen, auslegt und anpasst;

c)

dass sie unter Einbeziehung von Eurostat und mittels Auswertung der EU-Statistiken über Einkommen und Lebensbedingungen (SILC) Einkommens- und Deprivationsindikatoren festlegt, die nicht nur die Schwellenwerte für extreme Armut und Not, sondern auch das Vorhandensein menschenunwürdiger und die Menschenrechte verletzender Bedingungen aufzeigen;

d)

die bislang nur in Ausnahmefällen auf diesen Bereich angewandten Techniken auszuweiten und beispielsweise neben der Analyse der Situation der "armen" Bevölkerung mit einem Einkommen, das 50 und 60 % unter dem medianen Einkommen liegt, auch die Situation der Bevölkerung mit einem Einkommensniveau von 30 % (25 %) zu analysieren oder über die gegenwärtig angewandten "aggregierten" Diskriminierungsindikatoren hinaus die "Messungen der marginalen Diskriminierung" zu verwenden, die dank besonders sensibler Indikatoren (wie Wohnkomfort oder überfüllter Wohnraum) einen besonders schwerwiegenden Rückstand in Form extremer Deprivation aufzeigen.

4.2

Der EWSA schlägt vor, infolge der Überprüfung der Strategien der Pflege der die Grundlage der Identität der Roma bildenden sprachlichen und kulturellen Traditionen und ihrer sozialen und finanziellen Unterstützung Vorrang einzuräumen.

4.3

Nach Ansicht des EWSA ist es für die Verwirklichung der nationalen Strategien zur Integration der Roma unerlässlich, dass die Mitgliedstaaten der Kontrolle der Gesetzgebung und der Rechtsprechung in den angrenzenden Politikbereichen sowie den im Hinblick auf ihre eventuellen Auswirkungen auf die Bekämpfung der Segregation vorzunehmenden Korrekturen besondere Aufmerksamkeit widmen und hierfür wirksame Mechanismen einrichten.

4.4

Zur Förderung der Integration und der materiellen Unabhängigkeit der Roma erwartet der EWSA insbesondere von den Mitgliedstaaten, dass sie eine den Bedürfnissen entsprechende Lösung finden und gezielte Programme zur Förderung von Beschäftigung und Unternehmertum sowie Berufsbildungsprogramme durchführen. Er fordert sie nachdrücklich auf, die Rechtsinstrumente zu stärken, mit denen Unternehmen wirksam dazu motiviert werden können, Roma einzustellen. Für die isoliert lebenden Roma-Gemeinschaften, in denen die Beschäftigungsrate seit langem extrem niedrig und die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt sehr hoch ist, müssen innovative Formen der Beschäftigungspolitik geschaffen werden, z.B. eine ausreichende Menge adäquater temporärer Arbeitsplätze, die durch die öffentliche Hand finanziert werden.

Überwachung und Bewertung

4.5

Der EWSA bedauert, dass die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und die Mitgliedstaaten bislang weder die Basisindikatoren und Benchmarks definieren konnten, die die Grundvoraussetzung für die Bewertung der Strategien und Maßnahmenprogramme bilden, noch die Methodik oder die Anforderungen, die die Grundlage für eine angemessene und unabhängige Datenerhebung und Bestandsaufnahme sind (11). Die aktuellen Überwachungs- und Bewertungspraktiken der Mitgliedstaaten beschränken sich häufig auf ohne wirkliche Bewertungsmethode, eventuell auf der Grundlage von Daten erstellte Berichte und nicht selten führen sie zu nicht fundierten Ergebnissen.

4.6

Der EWSA schlägt vor, die Bewertungsaufgaben im Wege offener Ausschreibungen ausgewählten professionellen und politisch neutralen Forschergruppen und Instituten zu übertragen, deren Unabhängigkeit auch mit Hilfe verschiedener Rechtsinstrumente (z.B. Einführung einer Erklärung über die Vereinbarkeit der Interessen, Regeln über finanzielle Transparenz und eine transparente Mittelverwendung, Kontrolle der wissenschaftlichen Gemeinschaft, Überwachung der Forschungsmethodik usw.) gestärkt werden muss (12).

Politische Empfehlungen

4.7

Über die planbare, transparente und angemessene Finanzierung der für die Gleichbehandlung zuständigen Behörden hinaus muss die rechtliche Situation dieser Institutionen außerdem so gestärkt werden, dass die politischen Machthaber so wenig wie möglich in der Lage sind, auf ihre Arbeitsweise Einfluss zu nehmen, aber dennoch für die Gewährleistung der erforderlichen Bedingungen sorgen. Darüber hinaus müssen die für die Gleichbehandlung zuständigen Behörden über die Anlaufstellen für die Roma hinaus ständige und enge Kontakte zu den einschlägigen die Roma vertretenden Gruppierungen unterhalten.

4.8

Die nationalen Anlaufstellen für die Roma müssen ihre Aufgabe in der Theorie und in der Praxis in voller Transparenz erfüllen. Ihre Tätigkeit ist von entscheidender Bedeutung für die Umsetzung der Rahmenstrategie. Die Rechte der Anlaufstellen wie diejenigen der mit der Planung und Umsetzung der sozialpolitischen Maßnahmen für die Roma beauftragten Regierungsstellen müssen rechtlich garantiert werden, damit sie wie eine Art "Wachhund" der Regierung ihre Meinung zu den Rechtsetzungsverfahren im Zusammenhang mit der auch die Roma betreffenden politischen Maßnahmen der Regierung abgeben können und diese beeinflussen können, damit sich ihre Wirkung nicht gegenseitig abschwächt. Die Anlaufstellen für die Roma haben die Pflicht, die Vereinigungen zur Vertretung der Roma-Zivilgesellschaft zu informieren, was beispielsweise durch die Veröffentlichung von Jahresberichten der unabhängigen mit der Bewertung beauftragten Sachverständigen, deren Inhalt frei von jeglichem politischem Einfluss ist, oder durch die Organisation von Fachkonferenzen geschehen kann.

4.9

Der EWSA hält das in Ziffer 5.1 des Empfehlungsvorschlags genannte Ziel für wenig klar, laut dem die "Mitgliedstaaten […] die Maßnahmen ergreifen [sollten], die für die Anwendung dieser Empfehlung bis spätestens 24 Monate nach der Veröffentlichung erforderlich sind, und der Kommission bis zu diesem Zeitpunkt alle gemäß dieser Empfehlung ergriffenen Maßnahmen mitteilen"; dafür müsste vermieden werden, dass die Mitgliedstaaten von der Pflicht zur Umsetzung der EU-Rahmenstrategie und ihrer eigenen Verpflichtungen befreit werden können. Der aktuelle Vorschlag ist nämlich inhaltsmäßig nur ein Teil des weiter gefassten Anforderungssystems, das in der EU-Rahmenstrategie in einem umfassenden Rahmen definiert wird und von der Kommission jährlich zu bewerten ist.

Integration und Einbeziehung der Roma

4.10

Zahlreiche Experten und Organisationen der Roma-Zivilgesellschaft sind – teilweise mit der einschlägigen Bewertung durch die Europäische Kommission übereinstimmend – der Meinung, dass sich die Frage der Integration der Roma mit den aktuellen Politiken und Fördermechanismen der Mitgliedstaaten, bei denen nicht immer ein auf die Menschenrechte gestützter Ansatz als Ausgangs- und Anhaltspunkt dient, in bestimmten Fällen nicht ausreichend wirksam behandeln lässt (13). Unterdessen ist leider in mehreren Ländern eine Verstärkung der Ausgrenzung der Roma zu beobachten. Hauptursache hierfür sind die Auswirkungen der ständigen Diskriminierung der Roma, der tief verwurzelte Antiziganismus, dem die für die Durchsetzung des Rechts zuständigen Stellen keine gebührende Aufmerksamkeit schenken. Wie es in der Begründung des Empfehlungsvorschlags heißt, "[besteht] das eigentliche Problem […] darin, dass Diskriminierung und soziale Ausgrenzung, die Roma erleben, eng miteinander verknüpft sind" (14).

4.11

Nach Ansicht des EWSA muss das Hauptziel jeglicher Inklusionspolitik die Beseitigung der wechselseitigen negativen Wirkungsmechanismen sein. In diesem Zusammenhang sind die wichtigsten Instrumente insbesondere die Integration der Roma und die Förderung ihrer Beteiligung sowie die stärkere Selbstbestimmung der Roma-Organisationen und die Entwicklung ihrer Kapazitäten. Dies ist nur im Rahmen einer offenen Kultur der Akzeptanz möglich, bei der sich die Roma-Politik auf diejenigen stützt, die auch tatsächlich betroffen sind, bei der die Roma nicht nur als Begünstigte, sondern auch als gleichwertige Akteure angesehen werden, deren Beteiligung unabdingbar ist. Der frühere paternalistische Ansatz, bei dem die Prozesse von den die gesellschaftliche Mehrheit vertretenden Meinungsbildnern und Entscheidungsträgern definiert wurden, muss geändert und die Roma müssen als verantwortliche Mitglieder anerkannt und akzeptiert werden, die in der Lage und bereit sind, aktiv über ihr Schicksal zu bestimmen.

4.12

Der EWSA verweist auf eine frühere Stellungnahme (15), in der er anhand einer Studie eine große Unzufriedenheit sowie eine gewisse Frustration und Unsicherheit unter vielen Sprechern der Gemeinschaft der Roma und Organisationen der Zivilgesellschaft und ihren Vertretern feststellte. In dieser Stellungnahme des EWSA heißt es, "dass die einschlägigen Organisationen trotz der erklärten Absichten nicht ausreichend in die Konzipierung der Strategien einbezogen, die einschlägigen Beteiligungsmechanismen nicht geschaffen wurden bzw. es nicht gelungen ist, mit den heutigen Prozessen aufgrund der oftmals jahrhundertelangen Erfahrungen der Vertreter der Betroffenen mit Diskriminierung und Segregation in entscheidendem Maße Vertrauen zu schaffen." In einer zur gleichen Zeit durchgeführten Studie kommt die ERPC zu einem ähnlichen Schluss (16).

4.13

Hinsichtlich des veränderten gesellschaftlichen und entscheidungspolitischen Ansatzes betont der EWSA, dass dieser Prozess ohne die Beteiligung der Roma und der mit ihnen zusammenarbeitenden Organisationen der Zivilgesellschaft an der Konzipierung, Umsetzung und Bewertung der Politiken auf allen Ebenen undenkbar ist. Der EWSA hält es für erforderlich, Indikatoren festzulegen, mit deren Hilfe sich auf angemessene Weise messen lässt, wie stark die Roma integriert und beteiligt werden (z.B. Anstellung in der lokalen oder zentralen Verwaltung, Daten über die Beschulung, Prozentsatz der Beteiligung an der Programmumsetzung usw.).

4.14

Der EWSA empfiehlt und erwartet eine Ausweitung des konzeptuellen Rahmens der Zusammenarbeit, eine über die bloße Konsultation hinausgehende Konsenskultur, die Einrichtung von Plattformen für den ständigen Dialog (auch auf lokaler Ebene), die Schaffung geeigneter Organisationsmechanismen für die Beteiligung, eine größere Transparenz der (lokalen) Regierungsentscheidungen und eine Rechtfertigung der Entscheidungen (einschließlich der Meinungsunterschiede und Abstimmungsergebnisse).

4.15

Der EWSA schlägt wie bereits gesagt vor, einen Hilfsfonds (z.B. als Teil des Programms "Europa für Bürgerinnen und Bürger") zu garantieren, der der Integration und stärkeren Selbstbestimmung der Roma und der Entwicklung der Kapazitäten der Organisationen der Zivilgesellschaft der Roma dient. Das operationelle Programm des ESF bzw. die Garantie der technische Hilfe vorsehenden Förderprogramme wäre ebenso wichtig für die Entwicklung der institutionellen Kapazitäten der Roma-Organisationen.

4.16

Die politischen Entscheidungsträger müssen sich von den Besorgnis erregenden rassistischen, von Gewalt geprägten und schwer diskriminierenden Äußerungen über die Roma eindeutig distanzieren und es ist wichtig, rassistische Gewalttätigkeit und Hassreden offen und konsequent aufzudecken und zu überwachen sowie Rechts-, Verwaltungs-, Propagierungs- und Regulierungsinstrumente auszuarbeiten, mit denen diese Phänomene wirksam bekämpft werden können. Die Meinungsbildner und insbesondere die politische und die Medienelite tragen hier eine besondere Verantwortung. Der EWSA schlägt vor, auf einheitliche Weise systematische Nachforschungen über Vorurteile durchzuführen und Rechtsinstrumente zu schaffen, die für den Fall, dass die Ergebnisse eine negative Tendenz aufzeigen, dazu anspornen, bei den einschlägigen öffentlichen Politiken und/oder ihrer Umsetzung Veränderungen vorzunehmen bzw. größere Anstrengungen zu unternehmen.

4.17

Der EWSA weist die Mitgliedstaaten nachdrücklich darauf hin, dass es bei einer seit Generationen bestehenden und alle Lebensbereiche der Betroffenen belastenden Segregation und Diskriminierung nicht ausreicht, auf etwaige oder nur vereinzelte Problembereiche konzentrierte Programme in Form von Projekten durchzuführen, sondern ganz im Gegenteil ein systematischer Ansatz bei der Verwirklichung der Strategieziele erforderlich ist.

Brüssel, den 17. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  "…die Mitgliedstaaten zwar rechtlich imstande gewesen wären, tätig zu werden, um die Frage der Roma-Integration anzugehen, die bislang geplanten Maßnahmen aber unzureichend sind. Mangels eines abgestimmten Vorgehens bei der Roma-Integration driften die Mitgliedstaaten immer mehr auseinander."

(2)  COM(2011) 173 final.

(3)  Schlussfolgerungen des Rates zum "EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020".

(4)  COM(2012) 226 final.

(5)  SWD(2012) 133 final.

(6)  Analysis of National Roma Integration Strategies (Analyse der nationalen Strategien zur Integration der Roma), ERPC, März 2012.

(7)  ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 16.

(8)  ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 21.

(9)  "…die Mitgliedstaaten zwar rechtlich imstande gewesen wären, tätig zu werden, um die Frage der Roma-Integration anzugehen, die bislang geplanten Maßnahmen aber unzureichend sind. Mangels eines abgestimmten Vorgehens bei der Roma-Integration driften die Mitgliedstaaten immer mehr auseinander."

(10)  "Die Ziele der vorgeschlagenen Maßnahme können auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden und lassen sich daher besser durch ein EU-weit abgestimmtes Vorgehen als durch einzelstaatliche Initiativen mit variablem Anwendungsbereich, Anspruch und Wirkungsgrad erreichen." 2013/0229 (NLE), Begründung.

(11)  Ziffer 4.4 des Empfehlungsvorschlags.

(12)  Der mit der Bewertung beauftragte Sachverständige muss eine Erklärung über die Vereinbarkeit der Interessen abgeben, aus der hervorgeht, dass er weder für eine Regierung tätig ist, noch öffentliche Gelder verwendet, was die Unabhängigkeit der Bewertungsergebnisse gefährden könnte.

(13)  COM(2012) 226 final, SWD(2012) 133 final, Analysis of National Roma Integration Strategies (Analyse der nationalen Strategien zur Integration der Roma), ERPC, März 2012.

(14)  Die European Roma Policy Coalition (ERPC) empfiehlt, die nationalen Strategien zur Integration der Roma auf ein Kernelement zur Beseitigung des Antiziganismus zu stützen. Eine Schließung der im Hinblick auf Einkommen, Gesundheit und Bildung bestehenden Lücken ist zwar wichtig, doch ist kein Fortschritt möglich, wenn die Beseitigung des Antiziganismus nicht eine Priorität der nationalen Strategien zur Integration der Roma wird. Abschlussanalyse der ERPC.

(15)  ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 21.

(16)  "[…] eine große Mehrheit der Teilnehmer in den verschiedenen Mitgliedstaaten [beschreibt] den Prozess der Konzipierung der NRIS als nicht transparent genug. In den meisten Fällen ist die Beteiligung der Akteure, insbesondere die Einbeziehung der Roma, im Hinblick auf die Umsetzung der NRIS nach wie vor unklar." Analysis of National Roma Integration Strategies (Analyse der nationalen Strategien zur Integration der Roma), ERPC, März 2012.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/116


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Arbeitsverwaltungen (ÖAV)

COM(2013) 430 final — 2013/0202 (COD)

2014/C 67/23

Berichterstatterin: Vladimíra DRBALOVÁ

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 1. Juli 2013 bzw. am 8. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 149 und 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Arbeitsverwaltungen (ÖAV)

COM(2013) 430 final — 2013/0202 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 3. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 17. Oktober) mit 174 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 1 Enthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) befürwortet den Vorschlag der Kommission zur Einrichtung eines Europäischen Netzes der öffentlichen Arbeitsverwaltungen (ÖAV), das eine Plattform für den Vergleich der Leistungen auf europäischer Ebene bieten, bewährte Verfahren ermitteln und das wechselseitige Lernen fördern soll, um die Kapazitäten und die Effizienz der Dienstleistungen zu verbessern. Dieses Netz sollte vor allem eine beratende und koordinierende Funktion haben.

1.2

Der EWSA weist darauf hin, dass es auf regionaler Ebene bereits gut funktionierende Strukturen, darunter auch Netze von Arbeitsmarktbeobachtungsstellen, gibt, die einen wirksamen Beitrag dazu leisten, die in der Europa-2020-Strategie festgelegten gemeinsamen beschäftigungspolitischen Ziele zu erreichen. Er empfiehlt der Kommission und den Mitgliedstaaten, unter Achtung des Subsidiaritätsprinzips und der Vielfalt innerhalb der EU kohärentere Beziehungen zwischen den ÖAV und den regionalen Beobachtungsstellen aufzubauen.

1.3

Im Zusammenhang mit den in der Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten genannten Maßnahmen erkennt der EWSA die wichtige Rolle der ÖAV für die Umsetzung der auf die Stärkung aller vier Flexicurity-Komponenten abzielenden Prioritäten an.

1.4

Der EWSA empfiehlt der Kommission, im Text deutlich zu machen, in welchem Verhältnis das neu geschaffene Europäische Netz der ÖAV zum Beschäftigungsausschuss steht, sowie klar anzugeben, wie die erarbeiteten Modernisierungskonzepte für die ÖAV, die keinesfalls verbindlichen Charakter haben sollten, aussehen und welchen Zweck sie haben.

1.5

Ein Vergleich der ÖAV unter Zugrundelegung quantitativer und qualitativer Indikatoren, mit denen die Leistungsfähigkeit der ÖAV ermittelt wird, ist nach Ansicht des EWSA eine nutzbringende Form der Zusammenarbeit. Der Ausschuss spricht sich vor allem dafür aus, zur Bewertung der Arbeitsverwaltungen und der aktiven Arbeitsmarktpolitik statistische Leistungs- und Effizienzindikatoren zu verwenden. Er weist jedoch darauf hin, dass ihre Wirkung letztendlich darin bestehen sollte, die Arbeitskräfte anpassungsfähiger und aktiver zu machen, damit sie dauerhaft in ein Beschäftigungsverhältnis zurückzukehren oder auf dem Arbeitsmarkt nahtlos eine neue Beschäftigung finden können.

1.6

Bezüglich der Annahme eines allgemeinen Rahmens und der delegierten Rechtsakte empfiehlt der EWSA der Kommission, in ihrem Dokument genau anzugeben, wie diese Akte aussehen sollen. Der EWSA empfiehlt, den Vorschlag, der eine Auflistung der Schlüsselindikatoren des gemeinsamen Rahmens enthalten sollte, präziser zu formulieren. Die delegierten Rechtsakte ihrerseits sollten zur Ergänzung dieser Schlüsselindikatoren in weniger wesentlichen Bereichen gemäß Art. 290 AEUV dienen.

1.7

Der Ausschuss fordert die Kommission auf, im Rahmen von Artikel 4 Zusammenarbeit die Rolle der einzelnen Partner genau festzulegen. Durch den Vorschlag sollte die Bedeutung der Sozialpartner nicht auf die Rolle "assoziierter Partner" reduziert werden; vielmehr sollte ihr Einfluss auf den Modernisierungsprozess der ÖAV erhöht werden. In dem Vorschlag sollte auch die Rolle der Zivilgesellschaft auf Grundlage des Prinzips der Partnerschaft zur Sprache kommen.

1.8

Gleichzeitig empfiehlt der EWSA, alle interessierten Kreise an der Verwirklichung der Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Europäischen Netzes der ÖAV zu beteiligen.

1.9

Der Ausschuss empfiehlt der Kommission, an die Mitgliedstaaten – sofern sie die Organisationsmodelle sowie die strategischen Ziele und Vorgehensweisen ihrer ÖAV erfolgreich an die sich rasch ändernden Bedingungen anpassen wollen – zu appellieren, die technischen, personellen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen, um die Kapazitäten der ÖAV zu stärken und sie in die Lage zu versetzen, ihre neue, multifunktionale Rolle zu erfüllen.

1.10

Der EWSA ist überzeugt, dass diese neuen Zuständigkeiten der ÖAV – insbesondere im Rahmen der aktiven Beschäftigungspolitik – in entsprechenden Kapazitäten und ausreichender finanzieller Unterstützung ihren Niederschlag finden müssen. Die aus dem Programm für sozialen Wandel und soziale Innovation (1) bereitgestellten Mittel sollten auch weiterhin fließen, und die Finanzierung sollte auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein.

1.11

Der Ausschuss begrüßt die Schlussfolgerungen sowie die Verpflichtungen, zu denen sich alle Teilnehmer der Konferenz zum Thema Jugendbeschäftigung am 2. Juli 2013 in Berlin bekannt haben.

2.   Einführung

2.1

In der Europa-2020-Strategie (2) wurde das für alle EU-Mitgliedstaaten ehrgeizige Ziel festgelegt, bis 2020 eine Beschäftigungsquote von 75 % für Männer und Frauen im Alter von 20-64 Jahren zu erreichen. Die öffentlichen Arbeitsverwaltungen spielen bei der Verwirklichung dieses Ziels eine zentrale Rolle.

2.2

In den beschäftigungspolitischen Leitlinien 2020 (3) werden die ÖAV als zentrale Akteure anerkannt, die eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung von Empfehlung 7 – Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und 8 – Heranbildung von qualifizierten Arbeitskräften spielen. Dieser Beitrag der ÖAV zur Umsetzung der Europa-2020-Strategie wurde am 23./24. Juni 2011 in Budapest auch von den Leitern der ÖAV in ihren Schlussfolgerungen unter dem Titel Making the employment guidelines work [Für eine erfolgreiche Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien] festgeschrieben.

2.3

Die Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik fällt immer noch in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten, die auch für die Organisation, die personelle Ausstattung und den Betrieb der ÖAV verantwortlich zeichnen. Die freiwillige Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten jedoch, die im Jahr 1997 durch die Einrichtung eines informellen beratenden Ausschusses (4) der ÖAV aufgenommen wurde, stößt mittlerweile an ihre Grenzen und entspricht nicht länger den heutigen Erfordernissen und Herausforderungen. Es fehlt ein Mechanismus, um Fälle unzureichender Leistungsfähigkeit und der daraus resultierenden strukturellen Probleme frühzeitig zu ermitteln, und es fehlen darüber hinaus systematische Informationen über die Ergebnisse der bestehenden Methoden für den Leistungsvergleich und das wechselseitige Lernen.

2.4

Daher kamen die Minister für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucher auf ihrer informellen Tagung am 7./8. Februar 2013 (5) in Dublin zu dem Schluss, dass eine stärkere und gezieltere Zusammenarbeit zwischen den ÖAV zu einem intensiveren Austausch bewährter Verfahren führen würde, und baten die Kommission um die Erarbeitung eines Vorschlags für eine Initiative zum vergleichenden Lernen ("Benchlearning-Initiative").

2.5

Die Europäische Kommission veröffentlichte am 17. Juni 2013 einen Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates, der unmittelbar an die Leitinitiative "Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten" (6) und an das Beschäftigungspaket (7) aus dem Jahr 2012 anknüpft und in dem vorgeschlagen wird, der Zusammenarbeit der ÖAV einen formalen Charakter zu geben und ein Europäisches Netz der ÖAV einzurichten.

2.6

Das Netz sollte in Anlehnung an die Europa-2020-Strategie für den Zeitraum 2014-2020 einsatzbereit sein. Nach vier Jahren wird die Funktionsweise des Netzes überprüft und bewertet. Die Finanzierung erfolgt aus den Mitteln des Programms für Beschäftigung und soziale Innovation, und das Sekretariat wird von der Europäischen Kommission aus den ihr derzeit zur Verfügung stehenden personellen Mitteln gestellt.

2.7

Die Anreizmaßnahmen des Netzes sollten beitragen zur:

Umsetzung der Europa-2020-Strategie und ihrer wichtigsten beschäftigungspolitischen Ziele;

Verbesserung der Funktionsweise der Arbeitsmärkte in der EU;

verstärkten Integration der Arbeitsmärkte;

Verbesserung der geografischen und beruflichen Mobilität;

Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und zur Integration von aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen.

2.8

In ersten Beratungen, die im Juli 2013 im Rat stattfanden, begrüßten die meisten Mitgliedstaaten den Kommissionsvorschlag und äußerten sich positiv über die festgelegten Ziele. Es wurden indes auch Zweifel laut, die sich vor allem auf das Verhältnis zum Beschäftigungsausschuss und mögliche Überschneidungen, auf die zu großen Befugnisse für die Kommission, den Inhalt der delegierten Rechtsakte und die Unklarheiten bei der Finanzierungen bezogen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der EWSA begrüßt im Großen und Ganzen die Initiativen, die die Europäische Kommission auf den Weg gebracht hat, um die in der Europa-2020-Strategie festgeschriebenen beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Ziele zu verwirklichen, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern, die Kompetenzen auszubauen und an die Bedürfnisse der Unternehmen und Beschäftigten anzupassen sowie die geografische und berufliche Mobilität zu fördern.

3.2

Angesichts der insbesondere in einigen Mitgliedstaaten dringlichen Lage und der steigenden Arbeitslosigkeit, vor allem der Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit, befürwortet der Ausschuss den Vorschlag der Kommission zur Einrichtung eines Europäischen Netzes der öffentlichen Arbeitsverwaltungen, das eine Plattform für den Vergleich der Leistungen auf europäischer Ebene bieten, bewährte Verfahren ermitteln und das wechselseitige Lernen fördern soll, um die Kapazitäten und die Effizienz der Dienstleistungen zu verbessern.

3.3

Unter dem Druck langfristiger Herausforderungen im Zusammenhang mit den weltweiten und technologischen Veränderungen sowie der Alterung der Arbeitskräfte, unter dem Druck dringend erforderlicher kurzfristiger Maßnahmen als Reaktion auf die wirtschaftliche Verlangsamung haben einige Mitgliedstaaten bereits damit begonnen, mit mehr oder weniger großem Erfolg die ÖAV zu modernisieren und ihre Strukturen zu zentralisieren oder aber zu dezentralisieren, ihren Tätigkeitsbereich auszuweiten und alles daranzusetzen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen.

3.4

Der EWSA erachtet die Anpassung der ÖAV an die neuen Erfordernisse des Arbeitsmarktes für unerlässlich. Dazu gehören: Alterung der Arbeitskräfte, Entstehung einer Seniorenwirtschaft und einer grünen Wirtschaft, neue Kompetenzen der jungen Generation und neue Anforderungen an junge Menschen, Entwicklung im IKT-Bereich und technologische Innovation sowie zunehmendes Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage.

3.5

Die ÖAV müssen sich gleichzeitig kurzfristigen und langfristigen Herausforderungen stellen. Sie müssen unmittelbar, flexibel und kreativ auf die Änderungen ihres Umfelds reagieren, kurzfristige Interventionen mit nachhaltigen Lösungen kombinieren und soziale Gefahren einschätzen.

3.6

Der EWSA ist überzeugt, dass diese neuen Aufgaben der ÖAV – insbesondere im Rahmen der aktiven Beschäftigungspolitik – in entsprechenden Kapazitäten und ausreichender finanzieller Unterstützung ihren Niederschlag finden müssen. In vielen Mitgliedstaaten sieht es in Zeiten knapper Haushaltsmittel und entsprechender Sparmaßnahmen danach allerdings nicht aus. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch sollten die Mittel für die ÖAV, insbesondere für ihre personelle Ausstattung, aufgestockt werden, um eine Qualitätskontrolle zu gewährleisten, was zu Beschäftigungsangeboten führt. Gut funktionierende ÖAV könnten sich in der Zukunft zu Kompetenzzentren weiterentwickeln.

3.7

2010 erarbeitete die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (EUROFOUND) auf Anfrage des EWSA ein Diskussionspapier über die Finanzierung und Durchführung von Programmen für eine aktive Arbeitsmarktpolitik in Zeiten der Krise (8). In diesem Dokument werden am Beispiel von zehn ausgesuchten Staaten die sich ändernden Interaktionen zwischen aktiver und passiver Beschäftigungspolitik und der Rückgang der Ausgaben für Aktivierungsmaßnahmen im Verhältnis zum BIP beschrieben, insbesondere in Ländern mit einer rasch ansteigenden Arbeitslosigkeit.

3.8

Der Kommissionsvorschlag zielt darauf ab, durch Anreizmaßnahmen (Art. 149 AEUV) die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern, die Integration und Funktionsweise der Arbeitsmärkte in der EU zu verbessern, zu einer besseren geografischen und beruflichen Mobilität beizutragen und die soziale Ausgrenzung zu bekämpfen.

3.9

Die Aufgabe des neuen Netzes wird darin bestehen, gesamteuropäische Systeme für einen Leistungsvergleich der ÖAV zu schaffen und einzurichten, für gegenseitige Hilfestellung zu sorgen, ein Konzept zur Modernisierung und Stärkung der ÖAV in wichtigen Bereichen zu erarbeiten und umzusetzen sowie Berichte über die Beschäftigungslage zu erstellen.

3.10

Der Kommissionsvorschlag knüpft an eine Reihe vorangegangener Aktivitäten und Untersuchungen an, die die Geschäftsmodelle der ÖAV und ihre Leistungsmesssysteme sowie die Rolle der ÖAV in Bezug auf die "Flexicurity", die Prognostizierung des Bedarfs bei der Qualifikation der Arbeitskräfte und die Vermittlung von Fähigkeiten für neue Arbeitsplätze zum Gegenstand hatten.

3.11

Der EWSA ist davon überzeugt, dass die künftige Tätigkeit der ÖAV alles andere als reine Routine sein wird (9). Die ÖAV müssen sich schrittweise zu multifunktionalen Agenturen entwickeln, die innerhalb der EU verschiedene Übergänge erleichtern – den Eintritt in den Arbeitsmarkt, den Übergang vom Studium zum Arbeitsplatz, den Übergang zu einer anderen beruflichen Laufbahn. Die ÖAV müssen Interaktionen zwischen den Akteuren des Arbeitsmarktes ermöglichen und sie zu Zusammenarbeit und Innovationen ermuntern, sie müssen enger mit öffentlichen und privaten Partnern (10) zusammenarbeiten und dafür Sorge tragen, dass die Akteure auf dem Arbeitsmarkt ihre Tätigkeit auf die Arbeitsmarktpolitik ausrichten.

3.12

Der EWSA ist der Ansicht, dass sich die ÖAV stärker auf die Nachfrageseite der Arbeit konzentrieren sollten – ohne dadurch allerdings ihre Aufgabe der Auszahlung von Leistungen zu vernachlässigen, denn die Arbeitgeber haben immer größere Schwierigkeiten, die Arbeitskräfte zu finden, die sie benötigen. Da insbesondere kleine und mittlere Unternehmen häufig eine intensivere Unterstützung seitens der ÖAV benötigen, muss die Zusammenarbeit zwischen den ÖAV und den Unternehmen ausgebaut werden.

3.13

Selbst in Zeiten hoher Beschäftigungslosigkeit ist das Qualifikationsangebot nicht auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes abgestimmt. Durch den informellen beratenden Ausschuss der Kommission HoPES (11) werden die ÖAV nunmehr in die Diskussion und Konsultation über die Bedeutung der Qualifikationen für Wirtschaft und Gesellschaft einbezogen. Es geht darum, die Arbeitswelt mit dem Bildungsbereich zu verknüpfen und zu einer gemeinsamen Sprache über Kompetenzen und Qualifikationen zu finden. Das bedeutet für die ÖAV, Partnerschaften mit verschiedenen Interessenträgern aufzubauen und eine Ausgewogenheit zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage auf den immer komplexer werdenden lokalen Arbeitsmärkten zu gewährleisten (12).

3.14

Der EWSA erkennt die einzigartige Rolle an, die die ÖAV in der Umsetzung aller Aspekte der Flexicurity spielt. Aus einer Studie über die Rolle der ÖAV für die Flexicurity auf den europäischen Arbeitsmärkten  (13) geht anhand von positiven Beispielen aus der Praxis hervor, dass die ÖAV sich über die notwendige Richtungsänderung ihrer Dienste im Klaren sind und dass sie bereits eine Reihe von Strategien erarbeitet und Maßnahmen zur Förderung der Flexicurity ergriffen haben. Die ÖAV sollten sich auch weiterhin darum bemühen, ihre Kapazitäten auszubauen, um ihrer Rolle bei der Förderung und Bewertung der Flexicurity gerecht zu werden.

3.15

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Arbeit der ÖAV in erster Linie auf die Personen oder Arbeitnehmergruppen ausgerichtet sein sollte, die auf dem Arbeitsmarkt am schwersten zu vermitteln sind und spezifische Bedürfnisse haben – Langzeitarbeitslose, ältere Arbeitnehmer, Frauen, Jugendliche, Menschen mit Behinderungen und Zuwanderer. Gleichzeitig sollten konsequent Maßnahmen gegen Diskriminierung durchgeführt und überwacht werden.

3.16

Im Zusammenhang mit der europaweiten Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit weist der EWSA auch auf die bedeutende Rolle der ÖAV für die Realisierung der Initiative Jugendgarantie hin und begrüßt die Verpflichtungen, zu denen sie die Leiter der ÖAV (HoPES) auf der Konferenz zum Thema Jugendbeschäftigung am 3. Juli 2013 in Berlin bekannt haben, nämlich eine Schlüsselrolle bei der Förderung der Jugendbeschäftigung in Europa zu spielen, die Effizienz ihrer Arbeit zu erhöhen und die Zusammenarbeit mit den übrigen Interessenträgern auszubauen (14).

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Das Europäische Netz der öffentlichen Arbeitsverwaltungen sollte gemäß dem Vorschlag für einen Beschluss eng mit dem Beschäftigungsausschuss zusammenarbeiten und ihn mit Informationen und Berichten über die Umsetzung der Beschäftigungspolitik versorgen. Der EWSA ist der Ansicht, dass die beratende Funktion des Netzes und sein Verhältnis zum Beschäftigungsausschuss im Kommissionsvorschlag klar zum Ausdruck kommen sollte. Das Netz wird lediglich eine beratende und koordinierende Funktion haben, und seine Einrichtung darf nicht als ein Schritt zur Harmonisierung der ÖAV-Strukturen oder der Sozialsysteme betrachtet werden.

4.2

Der EWSA kann nicht umhin darauf hinzuweisen, dass es auf regionaler Ebene bereits gut funktionierende Strukturen, darunter auch Netze von Arbeitsmarktbeobachtungsstellen, gibt, die einen wirksamen Beitrag dazu leisten, die in der Europa-2020-Strategie festgelegten gemeinsamen beschäftigungspolitischen Ziele zu erreichen.

Um die Beziehungen zwischen den ÖAV und diesen Beobachtungsstellen kohärenter zu gestalten, ist es nach Ansicht des EWSA nötig,

a)

die Modalitäten festzulegen, nach denen sich die direkt von den Regionen betriebenen regionalen Arbeitsmarktbeobachtungsstellen des öffentlichen Sektors am Europäischen Netz der ÖAV beteiligen können;

b)

bessere Beziehungen zwischen dem Europäischen Netz der regionalen Arbeitsmarktbeobachtungsstellen und dem Europäischen Netz der ÖAV aufzubauen;

c)

die Modalitäten festzulegen, nach denen die regionalen Arbeitsmarktbeobachtungsstellen des öffentlichen und privaten Sektors, die zwar nicht direkt von den Regionen eingerichtet wurden, aber unter deren Leitung agieren und deren Ziele verfolgen, Mitglied in diesem Europäischen Netz werden und Zugang zu ihm erhalten können;

d)

weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Funktionsweise aller bestehenden Strukturen und ihre Beziehungen zueinander zu verbessern mit dem Ziel, unter Nutzung aller verfügbaren Instrumente alle Regierungsebenen einzubinden und auf allen Ebenen – der nationalen, regionalen und lokalen Ebene – tätig zu werden.

4.3

Die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den ÖAV soll aus dem Einzelplan PROGRESS/EU-Programms für Beschäftigung und soziale Innovation (EaSI) im Zeitraum 2014-2020 finanziert werden, Der Legislativvorschlag ist haushaltsneutral und erfordert keine zusätzlichen Personalressourcen. Für Projekte, die von dem Netz entwickelt oder im Rahmen der Maßnahmen des wechselseitigen Lernens ermittelt und anschließend in den einzelnen öffentlichen Arbeitsverwaltungen umgesetzt wurden, können die Mitgliedstaaten Finanzmittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF), dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Rahmenprogramm "Horizont 2020" erhalten. Der EWSA hält es für ausgesprochen wichtig, dass die aus den Strukturfonds bereitgestellten Finanzmittel auch weiterhin fließen und die Finanzierung auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Die neuen Zuständigkeiten der ÖAV – insbesondere im Rahmen der aktiven Beschäftigungspolitik – müssen in entsprechenden Kapazitäten und ausreichender finanzieller Unterstützung ihren Niederschlag finden.

4.4

In Artikel 3 des Vorschlags werden die Initiativen des Netzes festgelegt.

In Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a) geht es um die Entwicklung und Umsetzung europaweiter evidenzbasierter Benchmarking-Systeme in den öffentlichen Arbeitsverwaltungen, die auf der Verwendung quantitativer und qualitativer Indikatoren zur Bewertung der Leistungen öffentlicher Arbeitsverwaltungen beruhen, und um die Sammlung von Daten zur Schaffung eines geeigneten Instruments für wechselseitiges Lernen.

Der EWSA stimmt dem Tenor dieses Textes grundsätzlich zu. Ein Vergleich der ÖAV unter Zugrundelegung quantitativer und qualitativer Indikatoren, mit denen die Leistungsfähigkeit der ÖAV ermittelt wird, ist nach Ansicht des EWSA eine nutzbringende Form der Zusammenarbeit. Der Ausschuss spricht sich vor allem dafür aus, zur Bewertung der Arbeitsverwaltungen und der aktiven Arbeitsmarktpolitik statistische Leistungs- und Effizienzindikatoren zu verwenden. Den "Input"-Indikatoren (z.B. dem Haushalt) sollte mehr Bedeutung beigemessen werden als den kontextbasierten Indikatoren. Unter den übrigen Indikatoren, die der EWSA für zweckdienlich hält, gehören beispielsweise die Zahl der gemeldeten Personen (nach Land), die Zahl der Vermittler insgesamt und je Arbeitssuchenden, die Erfolgsquote, d.h. die Zahl der Personen, die eine Beschäftigung gefunden haben und nach 3 bzw. 6 Monaten immer noch beschäftigt sind, die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit, das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt, die Dauer und die Art der Beschäftigung nach Beendigung des Programms der aktiven Beschäftigungspolitik, die Quote der an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmenden Beschäftigten, die aufgelaufenen Kosten und die Zahl der Arbeitnehmer aus der EU bzw. aus Drittländern.

Im Mittelpunkt der Bemühungen sollten diejenigen stehen, die dem Arbeitsmarkt am fernsten stehen, und die Arbeitsämter, in denen in Bezug auf Arbeitslosenquote und wirtschaftliche Dynamik vergleichbare Bedingungen herrschen, müssen analysiert und miteinander verglichen werden.

In Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c) geht es um die Annahme und Umsetzung eines Konzepts zur Modernisierung und Stärkung der ÖAV in Schlüsselbereichen.

Der EWSA empfiehlt eine Präzisierung des Wortlauts, um deutlich zu machen, dass das Netz der ÖAV lediglich beratende Funktion haben wird. Außerdem wäre es nützlich, unter diesem Punkt genau anzugeben, wie die erarbeiteten Modernisierungskonzepte für die ÖAV aussehen und welchem Zweck sie dienen. Nach Ansicht des Ausschusses dürften diese Konzepte in keinem Fall verbindlichen Charakter haben.

4.5

In Art. 4 Zusammenarbeit geht es um die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit den Interessenträgern des Arbeitsmarktes, auch mit anderen Anbietern von Arbeitsvermittlungsdiensten. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Rolle der einzelnen Akteure im Text genau eingegrenzt werden sollte:

4.5.1

Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Sozialpartner die wichtigsten Akteure des Arbeitsmarktes sind. Ihre Mitwirkung bei der Modernisierung der ÖAV ist unverzichtbar, und daher sollten sie in der neuen Struktur einen angemessenen Platz einnehmen. In ihrem Arbeitsdokument über die Rolle der Sozialpartner bei der Verwaltung der ÖAV, insbesondere in Zeiten der Krise, macht die Internationale Arbeitsorganisation ILO am Beispiel von vier EU-Mitgliedstaaten deutlich, dass sich mit der Veränderung der ÖAV-Strukturen auch die Rolle, die Beteiligung und der Einfluss der Sozialpartner verändert. Während in Österreich ihr Tätigkeitsbereich insbesondere auf regionaler Ebene ausgeweitet wird, nimmt ihr Einfluss in Deutschland und Dänemark ab, so dass sie eine eher beratende als mitentscheidende Funktion ausüben. Im Vereinigten Königreich fehlt es aus historischen Gründen an einer institutionellen Einbindung der Sozialpartner (15). Daher befürwortet der Ausschuss die Initiativen der europäischen Sozialpartner im Rahmen ihrer gemeinsamen Arbeitsprogramme (16).

4.5.2

In diesem Zusammenhang verweist der Ausschuss darauf, dass der neue Durchführungsbeschluss 2012/733/EU der Kommission zu EURES eine ungünstige Entwicklung in Gang gesetzt hat. In der Aprilsitzung des Beratenden Ausschusses für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (17) zeigten sich die Vertreter der Sozialpartner sehr besorgt darüber, dass die Rolle der Sozialpartner künftig auf die assoziierter Partner reduziert wird.

4.5.3

In mehreren Stellungnahmen hat der Ausschuss den Ruf der Kommission nach einer Partnerschaft aller interessierten Kreise unterstützt, die darauf abzielt, Arbeitsplätze zu schaffen, die Beschäftigung zu fördern, Kompetenzen zu entwickeln und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen. Insbesondere mit Blick auf die Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa weist der Ausschuss auf die große Bedeutung von Bildungs- und Beratungseinrichtungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen (Jugendorganisationen, Frauenbewegungen, Organisationen zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen usw.), von Familien und Einzelpersonen hin, denn dies ist der einzige Weg, um gemeinsam und umfassend eine Lösung für die Lage auf den europäischen Arbeitsmärkten zu finden.

4.5.4

Der Ausschuss begrüßt des Weiteren den Aufbau einer Partnerschaft zwischen den Arbeitsverwaltungen (PARES) (18), die den Dialog auf europäischer Ebene fördern und Übergänge auf dem Arbeitsmarkt erleichtern soll. Die Arbeitsmärkte werden immer komplexer, und alle Akteure in den Arbeitsvermittlungsdiensten müssen zusammenarbeiten. Der Ausschuss begrüßt ebenfalls das Programm der Kommission zur Unterstützung des wechselseitigen Lernens – den Dialog zwischen den öffentlichen Arbeitsverwaltungen.

4.6

Gemäß Art. 7 Annahme eines allgemeinen Rahmens wird die Kommission ermächtigt, gemäß Artikel 8 delegierte Rechtsakte zu erlassen, die einen allgemeinen Rahmen für die Durchführung von Leistungsvergleichen und Maßnahmen des wechselseitigen Lernens gemäß Art. 3 Abs. 1 betreffen. Der Ausschuss ist im Allgemeinen damit einverstanden, dass delegierte Rechtsakte genutzt werden, um einige Punkte zu überarbeiten, die den allgemeinen Rahmen für die Umsetzung des Leistungsvergleichs und der Maßnahmen des wechselseitigen Lernens betreffen. Es sind jedoch noch weitere Informationen erforderlich, um beurteilen zu können, welche Fragen durch die delegierten Rechtsakte konkret geklärt werden sollen. Der EWSA empfiehlt, den Text des Vorschlags präziser zu formulieren, um die Schlüsselindikatoren des gemeinsamen Rahmens festzulegen. Die delegierten Rechtsakte ihrerseits sollten zur Ergänzung dieser Schlüsselindikatoren in weniger wesentlichen Bereichen gemäß Art. 290 AEUV dienen.

4.7

Die neuen Initiativen werden im Kommissionsvorschlag als Ergänzung der Zusammenarbeit der öffentlichen Arbeitsverwaltungen im Rahmen von EURES auf der Grundlage von Artikel 45 und 46 AEUV bezeichnet. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Synergien zwischen dem neu geschaffenen Netz der ÖAV und EURES deutlicher aus dem Text hervorgehen sollten (19). Das neu geschaffene europäische Netz der ÖAV sollte eine Erweiterung des Mandats von EURES unterstützen und dessen Rolle als Schlüsselinstrument zur Abstimmung der Kompetenzen mit den Erfordernissen des Arbeitsmarktes sowie zur Förderung der Mobilität in der EU ausbauen. Das Netz kann überdies mit weiteren Organisationen zusammenarbeiten, beispielsweise mit Berufsberatungseinrichtungen.

Brüssel, den 17. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Programm für Beschäftigung und soziale Innovation, in dem drei bestehende Programme zusammengefasst und deren Anwendungsbereich ausgedehnt wurden: PROGRESS, EURES und das Europäische Progress-Mikrofinanzierungsinstrument.

(2)  COM(2010) 2020 final.

(3)  Beschluss 2010/707/EU des Rates vom 21. Oktober 2010 über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten.

(4)  Informeller beratender Ausschuss der Europäischen Kommission – HoPES (Heads of Public Employment Services – "Leiter der öffentlichen Arbeitsverwaltungen").

(5)  Informelle Tagung der Minister für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucher, Dublin, 7./8. Februar 2013.

(6)  COM(2010) 682 final.

(7)  COM(2012) 173 final.

(8)  John Hurly: Die Finanzierung und Durchführung von Programmen für eine aktive Arbeitsmarktpolitik in Zeiten der Krise. EUROFOUND 2010.

(9)  Der Beitrag der öffentlichen Arbeitsverwaltungen zu Europa 2020, Papier zur Strategie der ÖAV für 2020, 2012.

(10)  Mit ihrer Mitteilung "Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten" hat die Europäische Kommission 2011 die EU-Initiative PARES, die Partnerschaft zwischen öffentlichen und privaten Arbeitsverwaltungen, als vorrangige Maßnahme ins Leben gerufen.

(11)  "The Case for Skills: A Response to the Recommendations regarding the Future Role of Public Employment Services under the New Skills for New Jobs Agenda" ["Kompetenzen: Eine Antwort auf die Empfehlungen zur künftigen Rolle der öffentlichen Arbeitsverwaltungen im Rahmen der Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten"], Europäisches Netz der Leiter der öffentlichen Arbeitsverwaltungen, September 2011.

(12)  Wilson, R. A.: "Anticipating skills needs of the labour force and equipping people for new jobs: which role for public employment services in early identification of skill needs and labour up-skilling?" ["Antizipierung des Qualifikationsbedarfs und Vorbereitung der Menschen auf neue Beschäftigungen: Welche Rolle spielen die öffentlichen Arbeitsverwaltungen bei der frühzeitigen Erkennung des Qualifikationsbedarfs und der Höherqualifizierung der Arbeitskräfte?"], Bericht für die europäische Kommission. Coventry: Danish Technological Institute/ÖSB Consulting/Warwick Institute for Employment Research, 2010.

(13)  "The role of the Public Employment Services related to ‘Flexicurity’ in the European Labour Markets" ["Die Rolle der öffentlichen Arbeitsverwaltungen für die Flexicurity auf den europäischen Arbeitsmärkten"] – endgültiger Bericht, "Policy and Business Analysis", Danish Technological Institute/ ÖSB Consulting/Tilburg University/Leeds Metropolitan University, März 2009.

(14)  Konferenz für Jugendbeschäftigung am 3. Juli 2013 in Berlin, Beitrag der HoPES.

(15)  Weishaupt, J. Timo: "Labour Administration and Inspection Programme: Social Partners and the Governance of Public Employment Services: Trends and Experiences from Western Europe" [Arbeitsverwaltung und Inspektionsprogramm: Die Sozialpartner und die Verwaltung der öffentlichen Arbeitsverwaltungen – Trends und Erfahrungen aus Westeuropa], (2011).

(16)  Eigenständige Vereinbarung über integrative Arbeitsmärkte (2010) auf Grundlage der Gemeinsamen Analyse der wichtigsten Arbeitsmarktfaktoren (2009).

(17)  Sitzungsprotokoll des Beratenden Ausschusses für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer vom 12. April 2013, Brüssel.

(18)  PARES ist eine der begleitenden Maßnahmen der Kommission im Rahmen der Leitinitiative Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten und dient dazu, die Flexicurity zu fördern.

(19)  Siehe ABl. L 328 vom 28.11.2012, S. 21–26.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/122


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Stärkung der sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion

COM(2013) 690 final

2014/C 67/24

Hauptberichterstatter: Georgios DASSIS

Die Europäische Kommission beschloss am 4. Oktober 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Stärkung der sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion

COM(2013) 690 final.

Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft am 17. September 2013 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 17. Oktober) Georgios DASSIS zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 157 gegen 3 Stimmen bei 19 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Allgemeine Bemerkungen

1.1

Die beispiellose Wirtschafts- und Finanzkrise, von der die Mitgliedstaaten des Euroraums besonders schwer getroffen wurden, hat auch die strukturellen Schwächen Europas insgesamt ans Licht gebracht. Sie hat einen eindeutigen Zusammenhang zwischen hohen Arbeitslosenquoten, Druck auf nationale Haushalte, sozialem Rückschritt und sozialen Unruhen aufgezeigt. Die nationalen Haushalte müssen zwar ausgeglichen sein, aber die Einschnitte haben sich nachteilig auf Bildung, aktive Arbeitsmarktmaßnahmen und das soziale Wohlergehen ausgewirkt. Steigende Arbeitslosigkeit und Armut belasten die Kompetenzen und die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitskräfte. Sie beeinträchtigen auch das Potenzial der Unternehmen für Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen, was wiederum den Aufschwung untergräbt.

1.2

Die Union sieht in einigen der am härtesten getroffenen Länder bestätigt, dass die Wirtschafts- und Sozialkrise auch eine politische Krise geworden ist, in der extremistische und undemokratische politische Bewegungen im Aufwind sind. Dieser Tendenz muss dringlichst durch konkrete Maßnahmen auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene gegengesteuert werden.

1.3

Der Binnenmarkt sollte ein wirtschaftliches und ein soziales Projekt sein. Er hat in allen EU-Mitgliedstaaten zum Aufbau von Beschäftigung und Wohlstand beigetragen. Die Vollendung des Binnenmarkts und die Stärkung von Effizienz und sozialem Zusammenhalt im Kontext der Europa-2020-Strategie sind von wesentlicher Bedeutung, damit Europa die Krise rascher überwinden kann.

1.4

Vor diesem Hintergrund hat der Ausschuss die Mitteilung der Kommission als einen ersten Beitrag zu den bevorstehenden Diskussionen im Europäischen Rat und den Beschlüssen über die Stärkung der sozialen Dimension der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) mit großem Interesse geprüft.

1.5

Der Ausschuss fordert die Kommission auf, ihre Politik im Lichte dieser Diskussionen zu aktualisieren und zu intensivieren, um vor allem bei der proaktiven Verwendung von Indikatoren zu Beschäftigung und sozialer Inklusion weitere Fortschritte zu machen.

1.6

Der Ausschuss hat sich beharrlich für Maßnahmen zur Stärkung der sozialen Investitionen, eine bessere Zielausrichtung der europäischen Fonds auf solide beschäftigungs- und sozialpolitische Maßnahmen, eine spezielle Jugendbeschäftigungsinitiative und Jugendgarantie sowie bessere grenzüberschreitende Mobilität eingesetzt. Daher begrüßt er das erhöhte Augenmerk für diese Politikbereiche. Er befürwortet ebenfalls die vorgesehene Stärkung des sozialen Dialogs als Teil des Verfahrens des Europäischen Semesters.

1.7

Der Ausschuss teilt die Ansicht der Kommission, dass durch die Stärkung der sozialen Dimension alle Mitgliedstaaten in die Lage versetzt würden, ihr Wachstums- und Beschäftigungspotenzial auszuschöpfen, den sozialen Zusammenhalt zu verbessern und zunehmende Ungleichgewichte zu vermeiden. So unterstützt er insbesondere die Idee, die Überwachung der beschäftigungs- und sozialpolitischen Ungleichgewichte innerhalb der WWU durch eine systematische Überwachung der Arbeitslosenquoten, des Anteils der jungen Menschen, die weder in Arbeit noch in Ausbildung sind, des Einkommens der Haushalte sowie von Armut und Ungleichheiten zu verstärken.

1.8

Mithilfe des vorgeschlagenen Anzeigers (Scoreboard) für beschäftigungs- und sozialpolitische Ungleichgewichte, der auf Schlüsselindikatoren und -schwellenwerten beruht, sollten daher in proaktiver Weise asymmetrische Entwicklungen und Spillover-Effekte auf die allgemeine Wirtschaftsleistung ermittelt werden. Dieses Überwachungssystem sollte im Bedarfsfall einen zeitgerechten und wirksamen Anpassungs- und politischen Reaktionsmechanismus auslösen, wie dies bei vergleichbaren wirtschaftlichen und finanziellen Ungleichgewichten der Fall ist. Der Ausschuss teilt daher die vom Europäischen Rat am 27./28. Juni 2013 bekundete Sichtweise, dass der vorgesehene Rahmen der sozial- und beschäftigungspolitischen Indikatoren "ein erster Schritt" hin zu einer umfassenderen sozialen Dimension der WWU ist (1).

1.9

Der Ausschuss ist im Vorfeld der anstehenden Diskussionen im Europäischen Rat mit seiner Stellungnahme vom 22. Mai 2013 (2) seiner beratenden Funktion nachgekommen und bekräftigt seine Forderung nach einer weiteren Stärkung der sozialen Dimension der WWU.

2.   Besondere Bemerkungen

2.1

Die Europäische Kommission schlägt in ihrer Mitteilung eine Reihe von Initiativen zur Stärkung der sozialen Dimension der WWU vor, mit besonderem Schwerpunkt auf drei Punkten:

stärkere Überwachung der beschäftigungs- und sozialpolitischen Herausforderungen und intensivere politische Koordinierung;

größere Solidarität und verstärkte Maßnahmen für Beschäftigung und Arbeitskräftemobilität;

intensiverer sozialer Dialog.

2.2

Der Ausschuss stimmt zu, dass die soziale Dimension der WWU gestärkt werden muss, und möchte Folgendes hervorheben:

In puncto stärkere Überwachung der beschäftigungs- und sozialpolitischen Herausforderungen und intensivere politische Koordinierung

2.3

Die Finanzstabilität und die wirtschaftspolitische Steuerung der EU können ohne die entsprechenden Formen der sozialen Konsolidierung und sozialpolitischen Steuerung nicht aufrechterhalten werden. Die derzeitige "Streubreite" der sozialen Unterschiede in Europa untergräbt Aufschwung, Wachstum und Zusammenhalt. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass das Europäische Semester Benchmarks für Beschäftigung und soziale Inklusion enthalten muss, und zwar innerhalb desselben Überwachungsrahmens wie dem für die wirtschaftspolitische Koordinierung und Strukturreformen. Quantifizierbare beschäftigungs- und sozialpolitische Ziele müssen den Schulden- und Defizitzielen angeglichen sein, mit ähnlichen Anpassungs- und Solidaritätsmechanismen zur Behebung sozialer Ungleichgewichte und zur Förderung sozialer Investitionen.

2.4

Der Ausschuss erkennt an, dass wirtschaftliche Erneuerung und soziale Investitionen durch die EU und die Mitgliedstaaten mehr erfordern als formale Steuerungsstrukturen und Regelungsmechanismen. Deshalb haben die organisierte Zivilgesellschaft und die einzelnen Unionsbürgerinnen und -bürger ein ureigenes Interesse und ihren Part zu spielen. Die aktive Teilhabe am Projekt Europa ist von überragender Bedeutung.

2.5

Der Ausschuss unterstreicht jedoch auch, dass für nachhaltige soziale Verbesserungen die strukturellen Probleme in den Mitgliedstaaten an der Quelle angegangen werden müssen. Globale Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftswachstum und eine starke soziale Dimension sind die Schlüsselelemente, um Europa aus der Krise zu führen. Die unlängst vorgeschlagenen sozialpolitischen Indikatoren müssen eingesetzt werden, um die kurz- und langfristigen Reformen zu stärken.

In puncto größere Solidarität und verstärkte Maßnahmen für Beschäftigung und Arbeitskräftemobilität

2.6

Wie die Kommission in ihrer Mitteilung ins Feld führt, ist die grenzüberschreitende Mobilität von Arbeitskräften ein wichtiges Element, um Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit zu wahren und neue Arbeitsplätze zum Ersatz der infolge der wirtschaftlichen Umstrukturierung verloren gegangenen Stellen zu schaffen.

2.7

Um die vorhandenen Hemmnisse für die Arbeitskräftemobilität weiter abzubauen, sollten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, die darauf abzielen, für mobile Arbeitnehmer verständliche arbeits- und sozialrechtliche Informationen in den jeweiligen Landessprachen zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollte für Arbeitnehmer ein eigenständiges Recht auf Beratung etabliert werden. Die entsprechenden Beratungsstrukturen sollten eng mit den Sozialpartnern und EURES vernetzt arbeiten und gewährleisten, dass mobile Arbeitnehmer schon in den Herkunftsländern über die sozialen und rechtlichen Gegebenheiten in den Zielländern informiert werden.

2.8

Sozialinvestitionen helfen Bürgern. Sie stärken ihre Kompetenzen und Fähigkeiten und fördern ihre Teilhabe an der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt. Das führt zu mehr Wohlstand, kurbelt die Wirtschaft an und hilft der EU, gestärkt, geschlossener und wettbewerbsfähiger aus der Krise hervorzugehen.

2.9

Zielgerichtete soziale Investitionen bringen aber nicht nur sozialen und gesellschaftlichen Fortschritt und steigern gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit. Besonders in Zeiten einer nie gekannten, dramatischen Arbeitslosigkeit und zunehmender Armut kommt Investitionen in den Sozialstaat darüber hinaus für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts, für die soziale Eingliederung sowie für die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Armut eine zentrale Rolle zu. Solche Investitionsausgaben müssen Effizienz garantieren.

2.10

Der Ausschuss betont nachdrücklich, dass die soziale Dimension der WWU klare Instrumente, Indikatoren und qualitative und quantitative Ziele erfordert, die ebenso wirksam sind wie die wirtschaftlichen und finanziellen Verpflichtungen der WWU. Er gibt dem Europäischen Rat ferner zu verstehen, dass er im Falle eines unzureichenden Konsenses oder politischen Willens für eine solche neubelebte soziale Dimension der EU die Option einer verstärkten Zusammenarbeit innerhalb der WWU vorschlagen würde, mit eigenen Finanzmitteln, einem zusätzlichen Sozialfonds und einem Fonds für sozialen Fortschritt sowie mit sozialen Standards, Zielen und Stabilisierungsmechanismen, die den fiskal-, haushalts- und währungspolitischen Stabilisierungsmechanismen entsprechen.

In puncto intensiverer sozialer Dialog

2.11

Der Ausschuss befürwortet die Vorschläge der Kommission für eine bessere Einbindung der Sozialpartner in die Koordinierung der wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Strategien auf europäischer Ebene. Der soziale Dialog spielt auf allen Ebenen eine wichtige Rolle. Er trägt zu Lösungen bei, die sowohl die Ansichten der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer widerspiegeln, und baut das für die Reform der europäischen Arbeitsmärkte und zur Stärkung des sozialen Gefüges unverzichtbare Verständnis und Vertrauen auf.

2.12

Der Ausschuss nimmt ferner zur Kenntnis, dass die Zukunft des sozialen Dialogs, einschließlich der Frage des dreigliedrigen Dialogs, von den europäischen Sozialpartnern bereits erörtert wird.

Brüssel, den 17. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 27./28. Juni 2013, EUCO 104/13, Ziffer 14 Buchstabe c.

(2)  ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 1-7.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/125


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Auf dem Weg zu einem wettbewerbsfähigeren und effizienteren Verteidigungs- und Sicherheitssektor

COM(2013) 542 final

2014/C 67/25

Berichterstatter: Joost VAN IERSEL

Ko-Berichterstatterin: Monika HRUŠECKÁ

Die Europäische Kommission beschloss am 3. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Auf dem Weg zu einem wettbewerbsfähigeren und effizienteren Verteidigungs- und Sicherheitssektor

COM(2013) 542 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel nahm ihre Stellungnahme am 26. September 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 17. Oktober) mit 172 gegen 23 Stimmen bei 24 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt nachdrücklich den bevorstehenden Europäischen Rat Verteidigung im Dezember, der auf der Grundlage der Mitteilung der Europäischen Kommission (1) und des Berichts des Hohen Vertreters/Leiters der Europäischen Verteidigungsagentur (2) beruhen wird. Diese Initiativen sind eine äußerst dringliche und zeitnahe Antwort auf interne und externe Aufgabenstellungen und zielen darauf ab, die langfristige Vorhersehbarkeit und Glaubwürdigkeit der europäischen Verteidigung zu fördern.

1.2

Indem sie über traditionelle Tabus hinausgehen, rücken die Mitteilung und der (vorläufige) Standpunkt des Hohen Vertreters die derzeitige Situation und die zu ergreifenden Maßnahmen in die richtige Perspektive.

1.3

So wird insbesondere in dem Bericht des Hohen Vertreters überzeugend argumentiert, dass eine umfassende Strategie für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) erforderlich ist, um den europäischen Verteidigungs- und Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden. Der EWSA stimmt zu, dass eine GSVP den geeignetsten Rahmen für eine wirksame Zusammenarbeit im Bereich der militärischen Fähigkeiten bieten wird, unterstreicht jedoch, dass umgekehrt auch die Zusammenarbeit eine Vorbedingung für eine glaubwürdige GSVP ist.

1.4

Wenn diese Initiative gelingen soll, müssen günstige politische Bedingungen geschaffen werden. Da der Weg hin zu substanziellen Anpassungen in den europäischen (industriellen) Verteidigungsstrukturen lang und steinig sein und miteinander verwobene Politikbereiche einschließen wird, sieht der EWSA als wichtigste Bedingung für einen dringend notwendigen Durchbruch das fortgesetzte Engagement der Regierungschefs der EU.

1.5

Der EWSA fordert den Rat nachdrücklich auf, eine Reihe konkreter Maßnahmen und Tätigkeiten zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Zusammenarbeit im europäischen Verteidigungssektor zu beschließen, die ein klares Signal für die Zukunft sind.

1.6

Der EWSA unterstützt das Ziel, eine unabhängige europäische Verteidigung aufrechtzuerhalten, die Europas wirtschaftlichem Gewicht und sonstigen Interessen in der Welt gerecht wird. Langfristiges Ziel sollte der eigenständige Schutz der EU-Bürger sein, mit der Gewähr, dass das Militär laufend mit der modernsten Ausrüstung ausgestattet wird, sowie die Sicherung europäischer Werte (Menschenrechte, Demokratie) (3).

1.7

Die neue Phase des Übergangs hat auch Auswirkungen auf die Verteidigung und Sicherheit in Europa. Es vollziehen sich geopolitische Veränderungen in einer Zeit schwerwiegender wirtschaftlicher Stagnation und fortbestehender Arbeitslosigkeit in weiten Teilen Europas. Parallel dazu treten neue Akteure auf die Weltbühne. Globale Entwicklungen sind rasanter als die Entwicklungen in Europa. Die Kluft nimmt zu. Europa muss sich rascher anpassen, um mit anderen Ländern Schritt zu halten.

1.8

Zudem verlangt das Erfordernis einer wettbewerbsfähigen Industrie angesichts schwindender Finanzmittel nach Kosteneffizienz. Europäische Ansätze anstelle kontraproduktiver Überschneidungen, unkoordinierter Maßnahmen und Lücken müssen ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bringen und dadurch zu weniger Geldverschwendung und einem höheren Ertrag zugunsten des Steuerzahlers führen.

1.9

Der EWSA hält die in der Kommissionsmitteilung vorgenommene pointierte und präzise Analyse der relativen Position Europas für völlig zutreffend. Eine vergleichbare Analyse veranlasste den EWSA letztes Jahr dazu, für ein radikales Umdenken in Europa in Richtung gemeinsamer Verteidigungsfragen zu plädieren (4).

1.10

Der EWSA stimmt insbesondere Kapitel 9 der Kommissionsmitteilung über wesentliche Bestandteile der Agenda des Rates zu, namentlich ein strategisches europäisches Konzept, eine Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (5) und eine europäische Strategie für die Verteidigungsindustrie.

1.11

Europa braucht dringend eine "gemeinsame Sprache" im Verteidigungswesen. Dies erfordert in der Tat eine Abkehr von nationalen Ansätzen und eine Hinwendung zu einem europäischen Denken über strategische Erfordernisse, mit dem propagiert würde, dass nationale Interessen in der Verwirklichung europäischer strategischer Ziele aufgehen.

1.12

Es ist auch ein Engagement in Politik und Gesellschaft vonnöten, damit die Öffentlichkeit über die Bedeutung der strategischen globalen und industriellen Interessen Europas richtig informiert ist und die Bürger und Steuerzahler diesen Weg aktiv mitgehen. Der EWSA stimmt mit der Kommission darin überein, dass eine gesunde europäische Verteidigungsindustrie auch eine wichtige Stütze der verarbeitenden Industrie in Europa insgesamt sein wird (6).

1.13

Möglichst viele Mitgliedstaaten müssen sich zur Erreichung dieses weitreichenden Ziels bekennen. Sind nicht alle Mitgliedstaaten zur Mitwirkung bereit, sollte das Ziel mit denen angestrebt werden, die willens sind.

1.14

Der EWSA unterstreicht die Rolle der Kommission und der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA), von denen erwartet werden muss, dass sie bei der Umsetzung der Mitteilung eng zusammenarbeiten. Er schließt sich den von der Kommission geplanten Maßnahmen weitgehend an. In Kapitel 6 dieser Stellungnahme fügt er den Vorschlägen zusätzliche Bemerkungen und Empfehlungen hinzu.

1.15

In der Kommissionsmitteilung wird keine vorausschauende Industriepolitik thematisiert. Dahingegen verweist der EWSA auf die außergewöhnliche Stellung des Verteidigungssektors in Märkten, die überall auf der Welt zu einhundert Prozent institutionalisiert sind. Eine von den Mitgliedstaaten und/oder der Kommission durchgeführte vorausschauende Industriepolitik in ausgewählten Bereichen ist unerlässlich, um eine dem Stand der Technik entsprechende Produktion und Kosteneffizienz zu erreichen. Eine geteilte Zuständigkeit der EU und der Mitgliedstaaten sowie die wirkungsvolle Interaktion und Synergie zwischen zivilen und militärischen Projekten und Technologie werden sich als höchst nutzbringend und kosteneffizient erweisen.

1.16

Neue Projekte in einem multilateralen europäischen Rahmen müssen von der Entwurfsphase an unter Nutzung der EDA ermittelt werden. Es kann Jahrzehnte dauern, bevor solche Projekte voll einsatzbereit sind. Je früher sie beginnen, desto besser.

1.17

Öffentliche und private FuE ist das Kerngeschäft. In diesem Bereich liegen die Verteidigungsinvestitionen auf dem niedrigsten Niveau seit 2006 (7). Im Gesamtkonzept sollten Möglichkeiten zur Verbesserung der Bedingungen für Investitionen und deren Anwendung in konkreten Projekten vorgesehen sein.

1.18

Die größte Verantwortung kommt den wichtigsten Herstellerländern als treibenden Kräften zu. Zwischen diesen und den anderen Mitgliedstaaten muss ein harmonisches Verhältnis bestehen. KMU und Forschungseinrichtungen in allen Ländern müssen breit miteinander verflochten werden, um möglichst viele Mitgliedstaaten für eine europäische Strategie mit ins Boot zu holen.

1.19

Angesichts der Unruhe unter den Arbeitnehmern des Sektors, die auf unstrukturierte Reorganisationen zurückzuführen sind, ist eine vorhersehbare Politik notwendiger denn je. Es ist auch eine Koordination bei der Antizipierung des Wandels erforderlich, um angemessene Arbeitsverträge und -perspektiven zu gewährleisten. Es muss ein sozialer Dialog vorhanden sein.

1.20

In dieser Stellungnahme liegt der Fokus hauptsächlich auf politischen Grundsätzen, denn es geht um einen dringenden Durchbruch in einem strategischen Bereich, der keinen Aufschub duldet. Die ersten Schritte im Dezember sollten den Weg für erfolgreiche Folgearbeiten ebnen. Der Europäische Rat, die Regierungen sowie Kommission, EDA, Parlamente und Industrie (einschließlich Arbeitnehmervertreter) sollten alle an der Ausarbeitung einer strategischen Orientierung und konkreter Projekte beteiligt werden.

2.   Europa ist gefordert

2.1

Die Kommission weist zu Recht darauf hin, dass sich "das Machtgleichgewicht der Welt verschiebt […], da neue Schwerpunkte entstehen und die USA ihren strategischen Fokus nach Asien verlagern". Die BRIC-Länder stocken ihre Militärausgaben derzeit auf. Vor allem China und Russland erhöhen ihre Haushaltsmittel bis 2015 erheblich.

2.2

Der Druck der USA auf Europa, seine Rolle bei den Militärausgaben der westlichen Welt umfassend wahrzunehmen, nimmt beständig zu. Aufgrund von Sparzwängen rationalisieren die USA ihre Verteidigung, wovon auch die Vereinbarungen mit den Europäern betroffen sind.

2.3

Die Kluft zwischen den USA und Europa ist riesig. 2010 belief sich der europäische Verteidigungshaushalt (Dänemark nicht mitgerechnet) auf insgesamt 196 Mrd. EUR, der US-amerikanische hingegen auf 520 Mrd. EUR (8). Wichtiger noch: Der europäische Haushalt für FuE macht ein Siebtel des US-amerikanischen aus, was Folgen für die Ausrüstung und Verlegung der Streitkräfte hat.

2.4

Unterdessen gibt es vielfältige Bedrohungen. Die politischen und militärischen Spannungen nehmen nicht ab, neue Spannungen entstehen – einige davon vor Europas Haustür. Um mit den traditionellen Mächten auf Augenhöhe zu stehen, setzen neue, ambitionierte Weltakteure alles daran, dass ihre nationale Verteidigung ihren wirtschaftlichen und sonstigen Interessen entspricht.

3.   Europäische Ansätze

A.   Politik

3.1

Die Europäer stehen zwei miteinander verwobenen Arten von Problemen gegenüber:

einem substanziellen Rückgang der Verteidigungsausgaben, der Lücken und Schaden an der nationalen Verteidigungsfähigkeit und -wirksamkeit verursacht, insbesondere aufgrund der kontinuierlichen Verringerung der FuE-Ausgaben;

geopolitischen Veränderungen, die zu einer viel engeren europäischen Zusammenarbeit und einem höheren Maß an Unabhängigkeit in Verteidigung und Sicherheit führen sollten.

Die europäische Debatte über diese beiden miteinander verwobenen Bereiche steckt jedoch noch immer in den Kinderschuhen.

3.2

Einschlägige Regierungsunterlagen (9) spiegeln alle einen beträchtlichen Rückgang der Verteidigungsausgaben wider (10). Sie konzentrieren sich hauptsächlich auf Anpassungen innerhalb eines nationalen Rahmens: wie auf möglichst kosteneffiziente Weise weiterhin ausreichender Nutzertrag aus den Fähigkeiten gezogen werden kann. Die Mitgliedstaaten sind immer noch weit von einer Denkweise entfernt, die die nationalen Verteidigungsfähigkeiten auf natürliche Weise in eine europäische Perspektive rückt.

3.3

Der EWSA gelangte letztes Jahr zu dem Schluss: "Die Verteidigungspolitik wird durch die strategischen Interessen […] der Länder geprägt; in Europa sind diese hauptsächlich national definiert. Überholte Ansätze führen offenkundig zu zunehmender Zersplitterung, Lücken, Überkapazität und fehlender Interoperabilität der europäischen Verteidigungsfähigkeiten" (11).

3.4

Sechzig Jahre europäische Integration und der Binnenmarkt haben widerstandsfähige Wirtschafts- und Unternehmensstrukturen herausgebildet, die ein stark inlandsbasiertes Muster von Wirtschaftstätigkeiten entstehen lassen. Bei der Konzeption, geschweige denn der Organisation, im Bereich Militär und Verteidigung steht Europa jedoch immer noch am Anfang.

3.5

Verteidigung als eine Funktion der Außenpolitik – nach wie vor der Ausdruck der nationalen Souveränität schlechthin – wird nach nationalen Vorgaben konzipiert, aufgebaut und durchgeführt. Jede multinationale Kooperation, ob mit europäischen oder außereuropäischen Partnern, wird von dieser Warte aus gesehen.

3.6

Initiativen zur Überwindung der innewohnenden Hindernisse sind bislang größtenteils gescheitert. Der englisch-französische Militärpakt von Saint-Malo (Abkommen über die Verteidigungszusammenarbeit) von 1998 sollte signifikante Schritte in der militärischen Zusammenarbeit markieren. Nach fünfzehn Jahren sind die Ergebnisse trotz weiterer Verhandlungen nach wie vor mager.

3.7

Aus einer Sechs-Nationen-Initiative von 1998 entstand 2000 eine Absichtserklärung der sechs wichtigsten Herstellerländer – Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien, Spanien und Schweden, den sogenannten LoI-Ländern –, die in einen Vertrag über Umstrukturierung und Betrieb der Verteidigungsindustrie mündete. Dieser Vertrag über die Planung und Kooperation mit der Industrie sowie über Fähigkeiten und Forschung hat lange Zeit keine greifbaren Ergebnisse geliefert.

3.8

Es gibt noch andere Formen der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, wie die zwischen der niederländischen und belgischen Marine, die nordische Verteidigungskooperation (Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden) und die Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und niederländischen Heer. Diese dürfen jedoch nicht mit Industriezusammenarbeit verwechselt werden, an der es immer noch weitgehend fehlt.

3.9

2004 wurde die Europäische Verteidigungsagentur errichtet mit dem Ziel der strukturellen Verteidigungszusammenarbeit, auch mit der Unterstützung von Initiativen der Kommission. Bisher ist die strukturelle Zusammenarbeit trotz einiger Fortschritte aufgrund mangelnden Engagements seitens der Mitgliedstaaten nicht in Gang gekommen.

3.10

Zusammenfassend stellt der EWSA fest, dass fehlender politischer Wille, traditionalistische Ansichten und Einzelinteressen nennenswerten Fortschritt verhindert haben – trotz des zunehmenden Bewusstseins für die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit und einer europäischen Vision für die Verteidigung.

B.   Industrie

3.11

Die Reaktion der europäischen Verteidigungsindustrie auf internationale Entwicklungen war eine ganz andere:

Die Industrie arbeitet in einem weltweiten Kontext und ist zwangsläufig mit den nationalen Regierungen verbunden. Sie ist aber auch auf internationalen Märkten sehr aktiv, die zunehmend eine Grundlage für positive Ergebnisse bilden.

Überdies sind die größten Konzerne sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich tätig. Der dynamischere zivile Teil nimmt aufgrund schwindender militärischer Umsätze und Einnahmen insbesondere in Europa zu.

3.12

Die Verteidigungsindustrie sorgt sich schon seit Langem um ihre Wettbewerbsstellung. Die institutionelle Position der Industrie ist von Land zu Land sehr verschieden: von komplett staatseigenen Unternehmen bis hin zu Privatbetrieben und allen Varianten dazwischen. Der gemeinsame Nenner ist, dass die Regierungen überall eine ausschlaggebende Rolle spielen. Trotz einer (Teil-)Privatisierung ist und bleibt die Verbindung zwischen Industrie und Staat sehr stark, da sie von (monopolistischer) staatlicher Nachfrage und Regulierung sowie von Exportlizenzen abhängt.

3.13

Die Industrie würde eine Konsolidierung auf europäischem Maßstab vorziehen, doch der Markt ist zu begrenzt. BAE-Systeme, Finmeccanica und – in geringerem Umfang – Thales und EADS sind in den USA sehr aktiv. Sie können in Europa jedoch nicht frei operieren, da die nationalen Regierungen aufgrund der besonderen Beziehungen bei jeder strategischen Entscheidung in der Industrie das letzte Wort haben.

3.14

Die Dynamik der Märkte verstärkt weltweit den Wettbewerb. Die US-amerikanische Industrie intensiviert ihre Exportbemühungen, um den Rückgang in bestimmten Inlandsmärkten auszugleichen. Neue Weltakteure werden zunehmend ihren eigenen Bedarf decken. Sie werden ebenfalls auf Exporte abzielen und somit auf den Märkten von Drittstaaten mit der europäischen Industrie konkurrieren.

3.15

Schließlich vertritt die Industrie den Standpunkt, den der EWSA letztes Jahr eindringlich betonte, nämlich dass eine ausgereifte Verteidigungsindustrie ohne eine solide einheimische Basis niemals eine glaubwürdige internationale Stellung halten kann. Aufgrund der Hochtechnologie-Komponente der militärischen Ausrüstungen weist kein einzelner nationaler Markt und kein nationaler Verteidigungshaushalt mehr ein ausreichendes Volumen auf. Dem ist nun schon seit zwanzig Jahren so, und die Folgen werden immer akuter.

3.16

Auf dem Weg zu einer unabhängigen europäischen Verteidigung hebt der EWSA die große Priorität souveräner Fähigkeiten und Investitionen mit hoher Wertschöpfung hervor. Sie sind unverzichtbar, wenn Europa weltweit eine entscheidende Rolle spielen will, und werden auch zu einem neuen Denkansatz unter Europäern beitragen.

3.17

Unlängst hat die Industrie alle gängigen Argumente zugunsten stabiler und vorhersehbarer, langfristiger, von Europa angetriebener Technologie- und Produktionsprogramme in jedem wichtigen Bereich erneut bekräftigt.

3.18

Die Industrie schlägt Alarm. Will sie überleben und ihre Ertragskapazität und Arbeitsplätze beibehalten, so besteht die Alternative darin, die zivile Produktion zu erhöhen. In diesem Fall würde es Europa jedoch noch stärker an einer einheimischen Verteidigungsindustrie fehlen, was auch Einfluss auf seine Außenpolitik hätte.

3.19

Gewerkschaften, durch IndustriAll vertreten, äußern in ähnlicher Weise Unbehagen. 2011 waren 7330 00 qualifizierte Arbeitnehmer in Europa (12) direkt im Raumfahrt- und Verteidigungssektor beschäftigt, weitere zwei Millionen Menschen hingen von ihm ab. Im Laufe der letzten zehn Jahre wurde die Zahl der Arbeitskräfte erheblich reduziert, und weitere Haushaltskürzungen bringen Arbeitsplätze in Gefahr. Der Verteidigungssektor hat für junge Menschen aufgrund seiner unvorhersehbaren Zukunft nur geringe Anziehungskraft.

3.20

Der EWSA weist darauf hin, dass die Arbeitnehmer größtenteils für das Versagen der Staaten bezahlen, ihre Verteidigungsorganisationen umzustrukturieren. Indem sie die Rationalisierung ihrer Militärmacht hinausschieben, verpassen die Staaten die Chance, wirksam in die Erneuerung der Fähigkeiten zu investieren, und das wirkt sich negativ auf die Arbeitskräfte aus.

3.21

Die derzeitige Lage wird zunehmenden Widerstand hervorrufen, so lange die ungeplanten und unstrukturierten Reorganisationen weitergehen. Bei der Umsetzung vorausschauender politischer Veränderungen wird es der Teilnahme von Arbeitnehmervertretern auf betrieblicher und regionaler Ebene bedürfen, um abrupte Anpassungen zu vermeiden.

3.22

Für die Beschäftigung, möglicherweise auf niedrigerem Niveau, wird wesentlich mehr europäische Koordinierung in Technologie und Produktion erforderlich sein. Dabei müssen prekäre Beschäftigungsverhältnisse durch neue Qualifikationen und Kompetenzen verhindert werden, um nach Möglichkeit angemessene Arbeitsverträge und -perspektiven zu gewährleisten. Es muss ein wirksamer sozialer Dialog auf verschiedenen Ebenen zuwege gebracht werden.

3.23

Die Verschlankung der europäischen Produktion aufgrund von Haushaltskürzungen muss strukturiert gemanagt werden, mithilfe eines angemessenen sozialen Dialogs, der darauf abzielt, Arbeitsplätze zu erhalten und eine anderweitige Verwendung für die von Personalüberhängen betroffenen Arbeitnehmer zu finden. Sowohl die Industrie als auch den Arbeitnehmern geht es in einem vorhersehbaren, marktgetriebenen europäischen Kontext besser als in kurzfristigen, schlecht geplanten Reorganisationen auf rein nationaler Grundlage ohne klare Ziele (13).

4.   Politische Rahmenbedingungen und Aussichten

4.1

Die Aussichten der europäischen Verteidigungsindustrie werden allmählich so unsicher, dass unter den Europäern eine grundlegende Zukunftsdebatte geführt werden muss – wenn nicht unter allen, dann zumindest unter denen, die willens sind.

4.2

Es bedarf einer neuen Denkweise und der Entwicklung einer "gemeinsamen Sprache" unter den Mitgliedstaaten und in der EU, die auf drei Grundannahmen beruht:

Eine integrierte europäische Wirtschaft braucht einen gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitsansatz, um ihre Interessen, ihre Bürger und ihre Ansichten in der Welt zu wahren und zu schützen.

Es bedarf einer gemeinsamen Analyse der bestehenden und erwarteten (langfristigen) weltweiten Entwicklungen als Ausgangspunkt zur Erarbeitung von Ideen und konkreten Ansätzen, um die Stellung Europas in der Welt insgesamt zu stärken.

Es muss eine Verbindung hergestellt werden zwischen Außenpolitik, Bedrohungen, Verteidigung und Sicherheit, langfristigen Aussichten und einer – auch unter dem Aspekt der Beschäftigung – nachhaltigen Verteidigungsindustrie.

4.3

Der EWSA ist sich der weitreichenden Folgen dieser miteinander verbundenen Aussagen bewusst, die immer nur unzureichend diskutiert werden. Zahlreiche Initiativen, die im Laufe der letzten fünfzehn Jahre in gutem Glauben gestartet wurden, sind an der nationalen Souveränität gescheitert, d.h. die nationalen Wahrnehmungen von Bedrohungen und Positionen, die in der Außenpolitik der Mitgliedstaaten zum Ausdruck kamen, wurden nie in Frage gestellt. Folglich lebt Europa derzeit mit vielfältigen Standpunkten, die in gewisser Weise miteinander unvereinbar sind. Der EWSA ist der Ansicht, dass ein wirklicher Durchbruch ohne die Akzeptanz einer gemeinsamen Souveränität im Rahmen der EU illusorisch ist.

Sollen neue, vielversprechendere Prozesse in Gang kommen, so muss die Debatte auf einer neuen Grundlage starten.

4.4

Angesichts der vielfältigen, damit zusammenhängenden Politikbereiche sieht der EWSA dem Europäischen Rat Verteidigung im Dezember sehr erwartungsvoll entgegen. Bisher lag die Verantwortung für Verteidigung und Sicherheit hauptsächlich bei den Verteidigungsministern, prinzipiell im Einklang mit allgemeinen Leitlinien der Außenminister und unter strenger Überwachung der Finanzminister.

4.5

Mittlerweile verändert sich der Kontext jedoch vollständig, was neben drastischen Sparzwängen und der Notwendigkeit von Rationalisierung auch auf neue Paradigmen und somit neue Bedrohungen zurückzuführen ist. Aufgrund u.a. der Beziehung zwischen ziviler und militärischer Technik und Innovation sowie der Verbindung zwischen der Verteidigung und der Sicherheit der Bürger sind auch andere Teile der staatlichen Politik betroffen. Alle diese Faktoren verlangen nach einem holistischen, umfassenden Ansatz.

4.6

Viele Menschen, insbesondere Unternehmer und Arbeitnehmer, zählen darauf, dass von Dezember an strukturelles Denken und Handeln vorherrschen werden. Wenn die EU diese Chance verpasst, so kann es wieder Jahre dauern, bis ein positiver Prozess ins Rollen kommt.

4.7

Der Europäische Rat im Dezember wird die erste Ratstagung sein, auf der das Thema Verteidigung in seiner Gesamtheit behandelt wird. Angesichts der enormen Komplikationen, die mit einem Richtungswechsel verbunden sind, ist der EWSA überzeugt, dass nachfolgende Ratstagungen unerlässlich sein werden, um einen sichtbaren Wegverlauf, Glaubwürdigkeit und Vorhersehbarkeit zu ermöglichen.

5.   Industriepolitik

5.1

Der EWSA hat die Kommissionsmitteilung über Industriepolitik (14), mit der günstige Bedingungen, Maßnahmen und Programme für den Start, den Aufbau und die Stärkung der Industrietätigkeiten in Europa gefördert werden sollen, sehr positiv aufgenommen. Europa muss seine industrielle Zukunft in einem offenen Umfeld gewährleisten.

5.2

Die Verteidigung ist eine hervorstechende, außergewöhnliche Branche. Naturgemäß funktioniert sie weltweit in Märkten, die zu einhundert Prozent institutionalisiert sind. Sowohl der Industriezweig als auch die Forschungseinrichtungen sind in erster Linie nach nationalen Gesichtspunkten aufgebaut und organisiert. Kleinere Länder, denen es an einer eigenen Industrieproduktion fehlt, kaufen "von der Stange", d.h. im Endeffekt von den USA.

5.3

Aufgrund von Konsolidierungsprozessen innerhalb der Industrie (grenzübergreifende Zusammenschlüsse und Übernahmen) und von Internationalisierung (insbesondere mit dem US-amerikanischen Industriegefüge) sind Großunternehmen und KMU auf dem ganzen Kontinent miteinander verbunden. Die Exporte laufen nach wie vor gut. Größtes Hindernis ist das mühsame Verhältnis zu europäischen Regierungen, was auf das Fehlen eines gemeinsamen Horizonts zurückzuführen ist.

5.4

Neben den Maßnahmen der EDA hat die EU mit zwei Richtlinien zur Öffnung des innereuropäischen Marktes begonnen (15). Die Umsetzungsfrist lief im Sommer 2011 (16) aus, doch die tatsächliche Umsetzung schreitet nur langsam voran.

5.5

Der EWSA begrüßt mit Nachdruck die Kommissionsmitteilung (17), die zeigt, dass bei den Analysen und Vorschlägen beträchtliche Fortschritte gemacht worden sind. Im Rahmen einer Industriepolitik für den Verteidigungssektor betont die Kommission zu Recht die Bedeutung des Binnenmarkts für Verteidigungsprodukte, FuE, die Rolle der KMU, den potenziellen Beitrag der Regionalpolitik und die Entwicklung geeigneter Qualifikationen.

5.6

Als Kritikpunkt weist der EWSA jedoch darauf hin, dass die Kommission die außergewöhnliche Stellung des Verteidigungssektors und die Notwendigkeit einer vorausschauenden Industriepolitik nicht hinreichend betont. Es geht nicht nur um die Öffnung der Märkte, da dies aufgrund der spezifischen Merkmale des Verteidigungssektors, einschließlich Artikel 346 AEUV, ordnungsgemäß definiert werden muss.

5.7

Es geht auch darum, eine politische Grundlage in Europa zu schaffen, auf der die Staaten langfristig an ihrem gemeinsamen Schicksal arbeiten. Nur dann werden die Bedingungen erfüllt sein, um auf dem innereuropäischen Markt langfristig ernstzunehmende gemeinsame Programme für gezielte Forschung, Innovation und Produktion vom Konzeptionsstadium an zu lancieren.

5.8

Als Ausgangspunkt der Wertschöpfungskette, die europäisiert werden sollte, ist FuE von zentraler Bedeutung (18). Das waren auch die Gründe, weshalb bei der Errichtung der EDA, ihrer Vorläuferorganisationen (WEAG und IEPG) und in der NATO die Zusammenarbeit in den Bereichen FuT und FuE betont wurde. Wieder einmal fehlt es jedoch an der Umsetzung.

5.9

In den letzten 30 Jahren war das Versagen der Zusammenarbeit eher die Regel als die Ausnahme. Mit einigen Projekten, wie NH-90 und A400M, wurde zwar begonnen. Die Beispiele zeigen jedoch auch, dass die Systemanforderungen allzu häufig aus einer einfachen Addierung nationaler Anforderungen bestanden und dass die Entwicklungsphasen viel zu lang und die Endprodukte überteuert waren.

5.10

Mit Ausnahme einiger relativer Erfolge sind andere Kooperationsinitiativen, wie etwa NF-90, gescheitert. Parallel dazu wurden verschiedene konkurrierende Kampfflugzeugprogramme (Typhoon, Rafale, Gripen) umgesetzt, während sich viele Länder dem F-35-Programm der USA sowie einer großen Bandbreite von Raketenprogrammen angeschlossen haben.

5.11

Zurzeit werden keine bedeutenden, groß angelegten Programme umgesetzt, alldieweil die bestehenden Systeme altern und obsolet werden. Zur Veranschaulichung verweist der EWSA auf gepanzerte Fahrzeuge, U-Boote, Transporthubschrauber und tragbare Luftabwehrsysteme. Die neuen unbemannten Systeme wären eine ideale Gelegenheit für gemeinsame Initiativen, so könnte es scheinen, doch in der Praxis haben sich bislang keine derartigen Ziele abgezeichnet. Eine weitere Möglichkeit wäre eine weniger ambitionierte Zusammenarbeit, wie die Normung von Luftbetankungskapazitäten.

5.12

Der EWSA fordert die Lancierung europäischer Programme, insbesondere zur nächsten Generation ferngesteuerter Luftfahrtsysteme (RPAS), die auf Synergien mit der Kommission und auf sicherer Satellitenkommunikation beruhen. Geprüft werden können jedoch auch Bereiche der Zusammenarbeit (mit den USA) wie Luftbetankungskapazitäten, bei denen große Lücken bestehen und wo die EDA nach europäischen Lösungen sucht.

5.13

In der Kommissionsmitteilung werden Möglichkeiten genannt, die der vollen politischen Unterstützung bedürfen. Eine Schlüsselinitiative in diesem Zusammenhang wäre die Einrichtung einer hochauflösenden weltraumgestützten Beobachtungskapazität, die Nachfolgesysteme für Helios, RadarSat usw. bietet. Von zentraler Bedeutung ist hier die Bündelung der kombinierten Sachkenntnis in den Mitgliedstaaten, der ESA und den Gemeinsamen Forschungszentren, einschließlich finanzieller Ressourcen. Kein europäisches Land ist dazu allein in der Lage.

5.14

Verteidigungsprojekte müssen, wo immer dies sinnvoll ist, an FuE-Programme der EU geknüpft werden. Das RP 7 umfasst bereits Projekte mit doppeltem, d.h. zivilem und militärischem Verwendungszweck ("Dual Use"). Der Mehrwert besteht darin, dass es grenzübergreifende Projekte begünstigt. Der EWSA fordert eine systematischere Berücksichtigung von Dual-Use-Technologien im Programm Horizont 2020.

5.15

Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass sich die Industriepolitik für den Verteidigungssektor auch der Kluft zwischen den wichtigsten Herstellerländern und anderen Ländern annimmt. Die Beteiligung der Industrieunternehmen aller Länder muss aktiv gefördert werden, um möglichst viele Länder politisch mit ins Boot zu holen und wirtschaftlich zum Mitmachen zu bewegen. Auf diese Weise kann das Problem der Kompensationen, das normalerweise heftige Debatten und Kritik auslöst, allmählich verschwinden. Diese Elemente sollten fester Bestandteil einer allgemeinen europäischen Verteidigungsstrategie werden.

5.16

Der EWSA macht auf das heikle Thema des "Von-der-Stange-Kaufs" außerhalb der EU aufmerksam. Im Rahmen einer europäischen Verteidigungsstrategie muss eine derartige Politik überdacht werden. Diese wesentliche und sehr komplizierte Frage muss auf höchster Ebene angegangen werden.

5.17

Ein gut organisierter europäischer Verteidigungssektor bietet weit bessere Chancen für eine ausgewogene internationale Zusammenarbeit, insbesondere mit den USA. Angesichts dessen, dass die USA ihre strategischen Interessen schützen, fordert der EWSA im Zuge der Verhandlungen über das künftige Freihandelsabkommen die sorgfältige Erwägung des Verteidigungssektors als einer Branche, die auf beiden Seiten des Atlantiks eine außergewöhnliche Stellung einnimmt.

5.18

In diesem Zusammenhang muss auch die Kontinuität der Lieferung kritischer und sensibler Teile US-amerikanischer Provenienz in der europäischen Wertschöpfungskette gebührend gewährleistet werden. Eine gemeinsame Position Europas wird auch die Verhandlungen mit Drittstaaten über die Lieferung kritischer Ausgangsstoffe erleichtern.

5.19

Ebenso gilt es, europäische Rechte des geistigen Eigentums beim Export an Drittstaaten gebührend sicherzustellen.

5.20

Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Industrieunternehmen verschiedener Länder darf nicht durch unilaterale Entscheidungen der Mitgliedstaaten über Exportkontrollen unterminiert werden, die zu einer unterschiedlichen Anwendung von Exportkontrollkriterien gegenüber dem Gemeinsamen Standpunkt (19) und im Verhältnis zu den nationalen Kriterien der Mitgliedstaaten führen würden.

6.   Maßnahmen der Kommission

6.1

Der EWSA ist mit den vorgeschlagenen Maßnahmen der Kommission weitgehend einverstanden. Er erachtet sie als einen wesentlichen Schritt nach vorn. Zu einigen Themen möchte er allerdings Bemerkungen vorbringen.

6.2

Die Zusammenarbeit mit der EDA ist von entscheidender Bedeutung. Der EWSA erachtet die Koordinierung und Verzahnung zwischen Kommission und EDA, wie in mehreren der in der Mitteilung geplanten Maßnahmen vorgesehen, als eine unabdingbare Voraussetzung für Fortschritt und Erfolg. Der EWSA verweist auf die Förderung von Dual-Use-Fähigkeiten, wie Lufttransportkapazitäten.

6.3

Der EWSA betont, dass die EDA zur Verwirklichung ihres vollen Potenzials einer tragfähigeren Finanzgrundlage und des vollen Rückhalts bei den Mitgliedstaaten bedarf. Sie sollte bei der Verteidigungsplanung in Unterstützung der Mitgliedstaaten eine herausragendere Rolle bekommen.

6.4

Der EWSA befürwortet energisch die Vorschläge der Kommission zu Normen und Zertifizierung, die zu einer grenzübergreifenden Zusammenarbeit in der Industrie sowie zu einer regionalen Spezialisierung und Exzellenznetzen führen werden. Er unterstützt Synergien zwischen EDA und EASA, insbesondere bei der Zertifizierung.

6.5

KMU sind – auch in Verzahnung mit Großunternehmen – sehr wichtig für die Innovation und Produktion in der europäischen Verteidigungsindustrie. In Unterstützung der vorgeschlagenen Maßnahmen unterstreicht der EWSA die Notwendigkeit offener Netze. Durch weniger, aber stärker zielgerichtete (europäische) Projekte können sich neue Möglichkeiten auftun.

6.6

Die Beteiligung eines breiten Spektrums an KMU in ganz Europa wird auch dazu beitragen, dass so viele Länder wie möglich mitziehen. Ihre Einbeziehung kann auch eine Möglichkeit sein, Ländern beim Übergang vom "Kauf von der Stange" hin zu einer europäischen Orientierung einen Ausgleich zu bieten.

6.7

Der EWSA unterstützt entschieden die geplanten Maßnahmen im Bereich der Qualifikationen, die von ausschlaggebender Bedeutung sind. Er steht einem positiven Beitrag aus dem Europäischen Sozialfonds und den Strukturfonds äußerst befürwortend gegenüber und begrüßt die Arbeit der EDA, die Mitgliedstaaten zu sensibilisieren und den Entwurf konkreter Projekte in diesen Bereichen zu unterstützen.

6.8

Der EWSA bekräftigt erneut seine rückhaltlose Unterstützung für die Maßnahmen der Kommission, Technologien mit doppeltem Verwendungszweck aktiv zu nutzen.

6.9

Der EWSA betont die potenziell positive Verbindung zwischen Raumfahrtpolitik und Verteidigung für bestehende und neu konzipierte Projekte (20).

6.10

Der EWSA billigt die vorgeschlagenen Maßnahmen im Bereich Energie, die auch eine wachsende Zahl von KMU zum Mitmachen bewegen werden.

6.11

Der internationalen Dimension kommt größte Bedeutung zu, ebenso wie der geplanten Mitteilung über eine langfristige Vision für strategische Exportkontrollen der EU. Der EWSA weist darauf hin, dass externe Industriebeziehungen nur dann gelingen können, wenn es einen echten Binnenmarkt gibt.

6.12

Schließlich billigt der EWSA uneingeschränkt alle strategischen Erwägungen in Kapitel 9.2 der Mitteilung.

Brüssel, den 17. Oktober 2013.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Auf dem Weg zu einem wettbewerbsfähigeren und effizienteren Verteidigungs- und Sicherheitssektor, COM usw.

(2)  Dieses Dokument ist noch nicht veröffentlicht worden. Ein vorläufiger Standpunkt des Hohen Vertreters liegt vor.

(3)  ABl. C 299 vom 4.10.2012, S. 17.

(4)  ABl. C 299 vom 4.10.2012, S. 17.

(5)  Siehe Artikel 42 EUV.

(6)  Ein sehr anschauliches Beispiel in der Zivilindustrie ist in diesem Zusammenhang die erfolgreiche und dynamische Entwicklung von Airbus.

(7)  Siehe Verteidigungsdaten der EDA von 2011.

(8)  Quelle: EDA, Januar 2012.

(9)  Strategic Defence and Security Review (Überprüfung der strategischen Verteidigung und Sicherheit), Vereinigtes Königreich, Oktober 2010. Livre Blanc sur la Défense et la sécurité nationale (Weißbuch Verteidigung und nationale Sicherheit), Frankreich, Mai 2013.

(10)  Sehr offen bezüglich der Auswirkungen dieses Rückgangs waren die pointierten Bemerkungen des französischen Verteidigungsministers Jean-Yves Le Drian in einer Rede vor der École militaire in Paris am 29. April diesen Jahres.

(11)  Ebd., Ziffer 1.2.

(12)  Jahresbericht 2012 der AeroSpace and Defence Industries Association of Europe (ASD).

(13)  Siehe auch "Twelve demands for a sustainable industrial policy", IndustriAll Europe Executive Committee, 12./13. Juni 2013.

(14)  Mitteilung der Europäischen Kommission über Industriepolitik (COM(2012) 582 final) und EWSA-Stellungnahme zu dieser Mitteilung.

(15)  Verteidigungspaket, 2007.

(16)  Richtlinie 2009/43/EG (ABl. L 146 vom 10.6.2009) über die Verbringung von Verteidigungsgütern und Richtlinie 2009/81/EG (ABl. L 216 vom 20.8.2009) über die Auftragsvergabe in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit. Das Verteidigungspaket enthielt auch die Mitteilung "Eine Strategie für eine stärkere und wettbewerbsfähigere europäische Verteidigungsindustrie", COM(2007) 764 vom 5.12.2007.

(17)  Siehe Fußnote 1.

(18)  Im Einklang mit vielen Dokumenten. Siehe auch ABl. C 299 vom 4.10.2012, S. 17.

(19)  2008/944/CFSP.

(20)  Siehe EWSA-Stellungnahme zur Raumfahrt, September 2013.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/132


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Technologien und Innovationen im Energiebereich“

COM(2013) 253 final

2014/C 67/26

Berichterstatter: Gerd WOLF

Mitberichterstatter: Pierre-Jean COULON

Die Europäische Kommission beschloss am 2. Mai 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen "Technologien und Innovationen im Energiebereich"

COM(2013) 253 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 30. September 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 117 gegen 1 Stimme bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt die seitens der Kommission beabsichtigten Maßnahmen.

1.2

Der EWSA wiederholt sein Engagement für eine Europäische Energiegemeinschaft und einen europäischen Energiedialog.

1.3

Der Ausschuss unterstützt das Ziel eines gemeinsamen, abgestimmten, kohärenten und kooperativen Vorgehens der an der Energiepolitik beteiligten Akteure.

1.4

Der EWSA empfiehlt, bei der Umsetzung der Maßnahmen bürokratische Inflexibilität, Risikoscheu und Marktverzerrungen, also Innovationshemmnisse jedweder Art unbedingt zu vermeiden. Zu fördern sind die Treiber neuer Ideen und Konzepte.

1.5

Wichtigste Aufgabe ist die technisch-wissenschaftliche Entwicklung von Technologien und Innovationen im Energiebereich. Dies betrifft insbesondere die Fortführung und Weiterentwicklung des Europäischen Strategieplans für Energietechnologie (SET-Plan) in dem Förderzeitraum 2014-2020.

1.6

Durch geeignete Instrumente ist sicherzustellen, dass eine ausgewogene Balance zwischen einerseits durchgeplanter Projektentwicklung und andererseits Offenheit für vielfältige neue Ansätze und deren Wettbewerb gegeben ist.

1.7

Nur die Erfahrungen mit und das Zusammenwirken einer breiten Palette von Optionen und Konzepten mit einem dementsprechend breiten Energie-Mix werden gewährleisten, dass die vor uns stehende gewaltige Aufgabe langfristig gelingen kann.

1.8

Angesichts der zu erwartenden unzureichenden Finanzausstattung im Rahmen des F&E-Budgets der Kommission in "Horizont 2020" sowie der F&E-Budgets der Mitgliedstaaten ist es umso wichtiger, die EU-Strukturfonds, den Europäischen Investitionsfonds sowie die Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem zu nutzen, insbesondere aber auch das Investitionspotenzial der freien Wirtschaft auf diese enorme Herausforderung zu lenken.

1.9

Öffentliche Forschungs- und Entwicklungsmittel sind dort einzusetzen, wo dies für die Forschungsziele erforderlich ist, aber entsprechende Investitionen für die Industrie nicht zumutbar sind (siehe Ziffer 3.20).

2.   Kurzinhalt der Mitteilung der Kommission

2.1

Angesichts der Herausforderungen bis 2020 und darüber hinaus stellt die Kommission – als integralen Bestandteil ihrer Energiepolitik – ihre Strategie dar, mit der neue Technologien und Innovationen geschaffen werden sollen.

2.2

Dazu will die Kommission:

im Rahmen des SET-Plans bis Ende 2013 einen integrierten Fahrplan erstellen,

zusammen mit den Mitgliedstaaten einen Aktionsplan für Investitionen ausarbeiten,

gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Berichterstattung ausbauen,

die Europäischen Technologieplattformen auffordern, ihren Auftrag, ihre Struktur und ihre Zusammensetzung dem integrierten Fahrplan anzupassen,

im Rahmen der Lenkungsgruppe des SET-Plans eine Koordinierungsstruktur einrichten.

2.3

Dazu fordert die Kommission das Europäische Parlament und den Rat auf,

ihre Unterstützung für den SET-Plan zu bekräftigen,

die vorgeschlagenen Grundsätze und Entwicklungen zu billigen,

zu unterstützen, dass die EU-Mittel sowie die nationalen, regionalen und privaten Ressourcen dementsprechend verwendet werden.

2.4

Dazu fordert die Kommission die Mitgliedstaaten und Regionen auf,

ihre Forschungs- und Innovationsprogramme im Energiebereich stärker zu koordinieren, Mittel aus den EU-Strukturfonds, dem Europäischen Investitionsfonds und den Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem dafür zu nutzen und die einzelnen nationalen und regionalen Programme über das Europäische Energieforschungsbündnis verstärkt zusammenzuführen,

verstärkt im Rahmen gemeinsamer Maßnahmen und Cluster zusammen zu arbeiten,

eine raschere Markteinführung nachhaltiger Energietechnologien zu unterstützen.

3.   Allgemeine Anmerkungen des Ausschusses

3.1

Der Ausschuss hat in zahlreichen Stellungnahmen auf die enorme Aufgabe hingewiesen, angesichts des weltweit wachsenden Energiebedarfs, der kritischen Ressourcenlage und der Klimaproblematik eine nachhaltige, sichere, klimafreundliche und wirtschaftliche Energieversorgung für Europa zu gewährleisten.

3.2

Der Ausschuss sieht in der vorliegenden Mitteilung einen weiteren wichtigen Ansatz auf dem langen Weg, diesem Ziel näher zu kommen. Somit unterstützt er die seitens der Kommission dazu beabsichtigten Maßnahmen mit Nachdruck.

3.3

Nur durch ein gemeinsames, abgestimmtes und kooperatives Vorgehen aller beteiligten Akteure, nämlich insbesondere

Europäischer Rat,

Europäisches Parlament,

Europäische Kommission und deren verschiedene Politikfelder,

Mitgliedstaaten und deren Organe,

regionale und lokale Körperschaften,

Industrie einschließlich KMU,

Forschungsorganisationen und Universitäten,

politische Parteien, Vertreter der Zivilgesellschaft, Sozialpartner und Bürger

kann bewirkt werden, dass sich dieses Ziel überhaupt und mit vertretbarem Aufwand erreichen lässt.

3.4

Nach Meinung des Ausschusses gehen die von der Kommission angekündigten Maßnahmen in diese Richtung und werden dementsprechend voll unterstützt. Zugleich empfiehlt der Ausschuss, stets auch unter Beachtung der internationalen Situation sowie in Zusammenarbeit mit den diesbezüglichen Programmen der Staaten außerhalb der EU vorzugehen.

3.5

Der Ausschuss wiederholt sein Engagement für eine Europäische Energiegemeinschaft (1) als notwendigen Rahmen, um diese Ziele möglichst effizient zu erreichen. Ebenso wiederholt er sein Engagement für einen europäischen Energiedialog (2), um die Bürger als Betroffene und als Akteure der Zivilgesellschaft in die Willensbildung und in die Handlungsfelder einzubinden.

3.6

Dies erfordert aber auch bestmögliche Information und Transparenz bezüglich der jeweiligen Optionen, ihres Entwicklungsstands, ihrer Chancen, Risiken und Kosten samt deren Auswirkungen (3).

3.7

Aber so notwendig die von der Kommission vorgeschlagenen und vom Ausschuss unterstützten Maßnahmen und Voraussetzungen auch sind, so beinhalten sie in ihrer Umsetzung doch auch einige mögliche Problem- oder Konfliktfelder, die unbedingt zu vermeiden sind.

3.8

Dies gilt u.a. für die Tendenz einer zu zentralistischen, schwerfälligen und planwirtschaftlichen Vorgehensweise, deren typische Merkmale Überregulierung und formale Überadministration sind.

3.9

In seiner Warnung vor der Gefahr administrativer Schwerfälligkeit, Ineffizienz und Aufblähung verweist der Ausschuss u.a. auf seine Stellungnahme zur "Vereinfachung der Durchführung von Forschungsrahmenprogrammen" (4). Der Ausschuss begrüßt die diesbezüglichen Bemühungen der Kommission und empfiehlt daher dringend, diesen Ansatz auch beim hier behandelten Thema zu beherzigen.

3.10

Es kann aber noch ein weiteres unerwünschtes Merkmal auftreten, da seitens der fördernden und geförderten Einrichtungen und deren Akteuren die Tendenz besteht, Risiken zu vermeiden. Dies kann zur bevorzugten Förderung bereits bekannter Technologien führen. Dazu trägt im Übrigen auch bei, dass es in den Entscheidungsgremien häufig an erfahrenen und anerkannten Experten in den jeweiligen relevanten Fachgebieten mangelt.

3.11

Eine a priori durchgeplante Vorgehensweise ist aber bestenfalls dann angebracht, wenn dafür bereits eine ausreichende Wissens- und Technikbasis vorhanden ist, die weiteren Maßnahmen also klar definiert werden können und der weitere Weg voll überschaubar ist, sodass weitere Änderungen oder Innovationen nicht erforderlich, sondern sogar unerwünscht sind.

3.12

Dies aber ist nach Aussage der Kommission – welche vom Ausschuss voll unterstützt wird –auf dem Gebiet der Energietechnologien gerade nicht der Fall: " Wir benötigen eine wirksame und dynamische Technologie- und Innovationsstrategie ". Und diese sollte auch mit hohem Entwicklungsrisiko behaftete Technologien engagiert fördern, sofern deren Potential vielversprechend ist.

3.13

Also geht es darum, die unter Ziffer 3.3 dargelegten kooperativen Ansätze und Politiken zwar EU-weit wirksam werden zu lassen, um gemeinsame Kräfte freizusetzen und zu bündeln, aber gleichzeitig für eine breite Pluralität der Ansätze und Systemkonzepte, sowie für eine Offenheit gegenüber innovativen Konzepten und regionalen Gegebenheiten zu sorgen, also mit "trial and error"-Ideen zu stimulieren sowie Wettbewerb zuzulassen und zu fördern.

3.14

Diese Notwendigkeit muss also die Maßnahmen der Abstimmung und Koordinierung ergänzen. Dazu muss explizit durch geeignete Instrumente sichergestellt werden, dass eine ausgewogene Balance zwischen durchgeplanter Projektentwicklung und Offenheit für vielfältige neue Ansätze gegeben ist. Der Ausschuss stimmt folglich mit der Kommission überein, dass hierfür geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, die für Flexibilität, Innovation, Risikobereitschaft und auch neuartige Forschungsthemen sorgen. Dazu bedarf es spezifischer Instrumente und Governance-Strukturen.

3.15

Dies betrifft insbesondere auch die Förderung innovationsorientierter Projekte in der Industrie. Es gibt nämlich zahlreiche Beispiele, dass gerade die besonders bedeutenden Innovationen eben nicht aus den am Markt jeweils vorherrschenden Industriezweigen hervorgegangen sind, sondern von "Außenseitern" z.B. aus dem Bereich der KMU. Staatliche Innovationspolitik, die sich vor allem auf die Förderung "nationaler Champions" konzentrieren würde, liefe Gefahr, technische Entwicklungen falsch zu bewerten und in ihrer Bedeutung zu unterschätzen. Das Flugzeug wurde eben nicht von der Eisenbahnindustrie oder der Schiffsindustrie erfunden. Wie bereits von anderen Autoren formuliert wurde: "Das elektrische Licht entstand nicht aus einer stetigen Fortentwicklung der Kerze". Also darf auch nicht die "Kerzenindustrie" bevorzugt gefördert werden, sondern es muss Ausschau nach den Treibern grundsätzlich neuer Ideen und Konzepte gehalten werden, um diese besonders zu fördern.

3.16

Aber es gibt bei den Vorschlägen der Kommission noch ein weiteres potenzielles Konfliktfeld: nämlich zwischen Innovation und Markteinführung. Einerseits ist eine Innovation erst dann erfolgreich, wenn sie sich auf dem Markt bewährt und die häufig übliche anfängliche Durststrecke überwindet. Beihilfen zur Markteinführung (siehe auch Ziffer 3.26) oder gar erzwungene Tarife (z.B. Einspeisungs-Gesetze) können hier zwar große Wirksamkeit entfalten, aber auch zu langfristigen Marktverzerrungen zum Nachteil besserer Lösungen führen. Gerade die Erfahrung mit den Einspeiseregelungen zeigt, wie schwer es fällt, einmal entstandene Fehlentwicklungen rechtzeitig zu korrigieren. Dadurch werden bessere Lösungen oder wichtigere Maßnahmen behindert. Darum sollten Beihilfen für die Markteinführungen neuer Technologien grundsätzlich höchstens so lange gewährt werden, bis diese einen angemessenen Marktanteil errungen haben.

3.17

Der Ausschuss empfiehlt daher, diese Problematik sorgfältig zu analysieren. Die möglichen Förderinstrumente der Markteinführung sollten zwar unbedingt einen vorhersehbaren und verlässlichen Rahmen für Investitionen bieten, dabei aber – z.B. durch eine von Anbeginn fest eingebaute ausreichende Degression - sicherstellen, dass die geschilderten marktwidrigen und innovationsfeindlichen Nachteile vermieden werden (siehe auch Ziffer 3.25 und Ziffer 3.26).

3.18

Die wichtigste Aufgabe im Energiebereich ist nach Meinung der Kommission und des Ausschusses jedoch die technisch-wissenschaftliche Entwicklung von Technologien und Innovationen. Es handelt sich also um das Zusammenwirken und Spannungsfeld zwischen grundlegender Forschung, Entwicklung, Demonstration und Innovation zur erfolgreichen Markteinführung von jenen Techniken, Verfahren und Organisationsformen, welche für die Umstellung unserer derzeitigen Energieversorgung im Sinne des Energiefahrplans 2050 und darüber hinaus benötigt werden, aber meist noch nicht absehbar sind.

3.19

Dies betrifft insbesondere eine entsprechende Fortführung und Weiterentwicklung des bisher sehr erfolgreichen SET-Plans (5) in dem Förderzeitraum 2014-2020.

3.20

Hierbei ergibt sich bezüglich des Einsatzes öffentlicher Mittel – also jener Finanzmittel, welche aus den Steuergeldern (oder Zwangsabgaben) der Bürger oder der Wirtschaft stammen – die Grundsatzfrage, für welche Förderziele sie eingesetzt werden sollen oder dürfen und welche Mittel von der Privatwirtschaft aufgebracht werden sollen. Ohne hier auf die rechtliche Seite der Frage einzugehen, geht es dem Ausschuss an dieser Stelle um die inhaltliche und themenbezogene Seite. Er ist der Meinung, dass sich jedwede Förderung seitens der Kommission (welche ja aus öffentlichen Mitteln stammt) auf jene Aufgaben konzentrieren sollte, die für eine Förderung aus privaten Mitteln weniger in Frage kommen. Typische Gründe dafür können sein:

es besteht ein hohes Entwicklungsrisiko, dem bei Erfolg auch ein großer Nutzen gegenübersteht;

die entstehenden Kosten sind sehr hoch und können nur gebündelt aus vielen öffentlichen Quellen getragen werden;

die Zeitspanne, bis daraus ein verwertbarer Nutzen entstehen kann, ist zu lang;

es handelt sich um Querschnitts- oder Schlüsseltechnologien (z.B. neuartige Materialien);

das Ergebnis ist nicht ohne weiteres vermarktbar, aber es handelt sich um eine allgemeine soziale oder umweltbedingte Notwendigkeit.

3.21

Unter dem Vorbehalt seiner obigen Anmerkungen unterstützt der Ausschuss dementsprechend auch den Vorschlag der Kommission, "dass der SET-Plan hierzu stärker auf die Integration des Energiesystems, auf die Verzahnung von Aktivitäten entlang der Innovationskette und auf eine verstärkte Koordinierung der Europäischen Industrieinitiativen (EII) und der Europäischen Energieforschungsallianz (EERA) ausgerichtet werden muss" (6).

3.22

Der Ausschuss sieht in einer geeigneten Weiterentwicklung der EERA eine wichtige Organisationsform, um auf allen Energiegebieten jene europäische Gemeinsamkeit und Wirksamkeit zu erreichen, welche bisher z.B. das Erfolgsrezept der europäischen Fusionsforschung im Rahmen der bisherigen EURATOM-Programme war. Wichtig ist daher, der EERA eine für F&E geeignete Governance- Struktur zu geben, bei der z.B. die jeweiligen F&E-relevanten Fragenpakete zusammen behandelt und die europäischen Fachkompetenzen gebündelt werden. Hierfür mahnt der Ausschuss erneut an, jeweils eine qualifizierte, fachkundige und maßgebliche Beteiligung der Kommission an der Entscheidungsfindung und der Verteilung der jeweiligen Fördermittel vorzusehen.

3.23

Bezüglich der wirklichen Kosten und des seitens der Kommission dafür verfügbaren Budgets wiederholt der Ausschuss hier seine mehrfach vorgetragene Enttäuschung, dass innerhalb des Finanzrahmens 2014-2020 die für Horizont 2020 vorgesehene Mittelausstattung in keiner Weise dem Umfang der Aufgaben und der Bedeutung der Problematik entspricht.

3.23.1

Umso wichtiger ist es einerseits, die knappen F&E-Mittel aus Horizont 2020 bestmöglich so einzusetzen (Vergaberichtlinien!), dass sie als Hebel und Anreiz wirken, um die Mitgliedstaaten und die Privatwirtschaft ebenfalls zu deutlich größeren F&E-Investitionen zu bewegen.

3.24

Umso wichtiger ist es andererseits, wie von der Kommission vorgeschlagen, weitere Finanzierungsquellen zu erschließen, also die EU-Strukturfonds und den Europäischen Investitionsfonds sowie die (mittlerweile sehr geringen) Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem zu nutzen, insbesondere aber das Investitionspotenzial der freien Wirtschaft und ihrer Industrie freizusetzen und auf diese gewaltige Aufgabe zu lenken.

3.25

Wie vom Ausschuss ebenfalls bereits mehrfach angemahnt, ist es dazu aber erforderlich, endlich das Durcheinander national ausgerichteter wettbewerbsschädigender Markteingriffe zu beseitigen und stattdessen europaweit gültige und verlässliche Regelwerke zu schaffen (7), um Investoren Planungssicherheit und die nötigen Anreize zu geben.

3.26

Als besonders krasses Beispiel innovationshemmender Regelung seien noch einmal die Auswirkungen der in einigen Mitgliedstaaten bestehenden sog. Einspeisungsgesetze mit ihrer Überförderung intermittierender Energieträger erwähnt. Während diese anfänglich ein äußerst wirksames Instrument der Anschubförderung und Markteinführung waren, haben sie nach diesem anfänglichen Erfolg inzwischen zu unangemessener Überförderung geführt, welche zeitweise einen so starken Preisverfall auf dem Strommarkt zur Folge hat, dass es sich für die Unternehmen weder lohnt, Reservekapazitäten bereitzustellen und technologisch weiter zu entwickeln, noch die dringend benötigten Speichertechnologien zu entwickeln und in sie zu investieren.

3.26.1

Dies führt darüber hinaus zur paradoxen und grotesken Situation, dass die Endverbraucher von elektrischer Energie für die beachtliche Kostendifferenz aufkommen müssen, welche sich zwischen den niedrigen (ggf. sogar negativen) Marktpreisen und jener weit über dem durchschnittlichen Marktniveau liegenden Einspeisevergütung ergibt.

3.26.2

Die dadurch überhöhten Verbraucherpreise für Energie stellen nicht nur ein generelles Problem für die europäische Volkswirtschaft dar, sondern sind auch eine der Ursachen der gerade vom Ausschuss in einer Stellungnahme (TEN/516) behandelten Energiearmut.

3.27

Dieses Beispiel soll noch einmal die komplexe Verflechtung zwischen Innovationen und Marktgegebenheiten aufzeigen. Also wird vom Ausschuss erneut empfohlen, hier schnellstens Abhilfe zu schaffen, um für die dringend benötigten Investitionen zur Entwicklung innovativer Techniken und Verfahren seitens der Privatwirtschaft ausreichende Anreize und eine wirtschaftliche Erfolgschance zu bieten. Ansonsten werden diese unterbleiben, denn selbst die innovativste Firma wird bei Konkurrenz durch staatlich bevorzugte und hoch subventionierte Technologien Verluste machen, unvermeidlich bankrottgehen und vom Markt verschwinden.

4.   Besondere Anmerkungen des Ausschusses

4.1

Unter Berücksichtigung seiner bisherigen Bemerkungen unterstützt der Ausschuss auch die seitens der Kommission dargelegten zentralen Grundsätze, insbesondere:

Schaffung eines Mehrwerts auf EU-Ebene,

Betrachtung des gesamten Energiesystems (Erzeugung, Infrastrukturen, Dienstleistungen etc.) bei Festlegung von Prioritäten,

Bündelung von Ressourcen und Nutzung einer Vielzahl von Finanzierungsinstrumenten,

Offenhalten der Optionen und Fokussierung auf die vielversprechendsten Technologien für die Zeit nach 2020.

Denn nur die Erfahrungen aus einer breiten Palette von Optionen und Konzepten und deren Zusammenwirken im Rahmen eines dementsprechend breiten Energie-Mix werden gewährleisten, dass die vor uns stehende gewaltige Aufgabe langfristig gelingen kann. Dazu wird Pragmatismus, Realitätssinn und langer Atem benötigt.

4.2

Unter Berücksichtigung seiner bisherigen Bemerkungen unterstützt der Ausschuss auch die in der Mitteilung dargelegten Ziele von Entwicklungen zur:

Erschließung des gesamten Energieeffizienzpotenzials,

Bereitstellung wettbewerbsfähiger Lösungen,

Förderung von Innovationen unter realen, marktgetriebenen Bedingungen.

4.3

Insbesondere angesichts der in seiner jüngsten thematischen Sondierungsstellungnahme (8) dargelegten Schwächen intermittierender erneuerbarer Energien unterstützt der Ausschuss die Absicht der Kommission, stärkeres Gewicht auf die Entwicklung umweltfreundlicher Systeme für Grundlastbetrieb bzw. für ein am Kundenbedarf orientiertes Energieangebot zu legen, wozu neben erneuerbaren Energien wie der Geothermie u.a. auch die Fusionsenergie mit ITER und dem ergänzenden Forschungsprogramm gehört.

4.4

Desgleichen werden die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Nutzung der Kernspaltung vom Ausschuss voll unterstützt, aber hier nicht weiter kommentiert, da sich der Ausschuss bereits aktiv an einer diesbezüglichen Konferenz (Symposium zu "Nutzen und Grenzen der Kernspaltung für eine CO2-arme Wirtschaft", Brüssel, Februar 2013) beteiligt hatte.

4.5

Und dazu gehört selbstverständlich auch die Entwicklung geeigneter Techniken und Verfahren für CCS – selbst wenn dadurch die begrenzten fossilen Ressourcen noch schneller verbraucht werden – um erst einmal möglichst rasch zu einer Absenkung der CO2-Emissionen zu kommen.

4.6

Zudem wiederholt der Ausschuss seine Empfehlung, beim Ausbau der intermittierenden erneuerbaren Energien stärker jene Entwicklungen hervorzuheben und prioritär zu behandeln, welche auf die noch fehlenden Elemente des Gesamtsystems gerichtet sind, und mit denen erst eine besser kundenorientierte und brauchbare Energieversorgung ermöglicht werden kann.

4.7

Dies betrifft in erster Linie die Entwicklung von möglichst effizienten und preiswerten Energiespeichern ausreichender Kapazität. Einen besonderen Nachholbedarf sieht der Ausschuss dabei in der geeigneten Weiterentwicklung und großtechnischen Anwendung der Elektrochemie und Elektrolyse-Technik samt dazugehöriger Materialien. Damit könnte zudem, ähnlich wie bei Konzepten der batteriegetriebenen Elektromobilität, auch bei (durch Gas oder Flüssigkeiten) treibstoffgetriebener Mobilität (Verbrennung oder Brennstoffzelle) eine systemische Verknüpfung mit den intermittierenden Erneuerbaren aufgebaut werden.

4.8

Der Ausschuss verweist hierzu auch auf seine von der irischen Ratspräsidentschaft erbetenen Stellungnahme (9), in welcher die Besorgnis über steigende Energiepreise und deren Auswirkungen auf Bürger und Wettbewerbsfähigkeit formuliert wird. Um hier mehr marktbezogenen Wettbewerb zu ermöglichen, hat der Ausschuss dort vorgeschlagen, als einzige Maßnahme zur Marktunterstützung von Erneuerbaren einen angemessenen Preis (angemessener Emissionshandel, Steuer oder Ähnliches) für Kohlenstoff einzuführen. Dies führt zwar zu einer Verteuerung von fossiler Energie und damit auch von Elektrizität aus kohle-, öl- oder gasbefeuerten Kraftwerken, erlaubt aber gleichzeitig auf die anderen vielfältigen, kostentreibenden und marktverzerrenden Subventionen oder Zwangsmaßnahmen für Erneuerbare zu verzichten. Einnahmen aus der Allokation von Emissionsrechten sollten daher keinesfalls in den allgemeinen Finanztopf der Mitgliedstaaten als zusätzliche allgemeine Einnahme fallen, sondern ausschließlich dazu verwendet werden, zukünftige effiziente Energiesysteme zu entwickeln und zur Anwendung zu bringen. Der diesbezügliche Vorschlag der Kommission geht also in die richtige Richtung und verdient volle Unterstützung.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 68 vom 6.3.2012, S. 15.

(2)  ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 1.

(3)  ABl. C 198 vom 10.7.2013, S. 1.

(4)  ABl. C 48 vom 15.2.2011 S. 129.

(5)  ABl. C 21 vom 21.1.2011, S. 49.

(6)  COM(2013) 253 final; Ziffer 2.8.

(7)  ABl. C 198 vom 10.7.2013, S. 1.

(8)  ibid.

(9)  ABl. C 198 vom 10.7.2013, S. 1.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/137


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Leitlinien für transeuropäische Telekommunikationsnetze und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1336/97/EG

COM(2013) 329 final — 2011/0299 (COD)

2014/C 67/27

Berichterstatter: Jacques LEMERCIER

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 10. Juni 2013 bzw. 14. Juni 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 172 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Leitlinien für transeuropäische Telekommunikationsnetze und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1336/97/EG

COM(2013) 329 final — 2011/0299 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 30. September 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 121 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

Die vorliegende Stellungnahme knüpft an die sechs Stellungnahmen des EWSA zur Fazilität "Connecting Europe" (CEF) und zu den von der Europäischen Kommission im Oktober 2011 veröffentlichten diesbezüglichen Leitlinien an, d.h. die Stellungnahmen TEN/468  (1) zur Fazilität "Connecting Europe" (Berichterstatter: Raymond HENCKS), TEN/469  (2) zu den Leitlinien für Telekommunikationsnetze (Berichterstatter: Antonio LONGO), TEN/470  (3) zu den Leitlinien für die Energieinfrastruktur (Berichterstatter: Egbert BIERMANN), TEN/471  (4) zu den Verkehrsnetzen (Berichterstatter: Stefan BACK) und TEN/472  (5) zur Projektanleiheninitiative (Berichterstatter: Armin DUTTINE).

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Wie er bereits in mehreren Stellungnahmen bekräftigt hat, ist der EWSA überzeugt, dass der Zugang aller zu Breitbandnetzen ein Schlüsselfaktor für die Entwicklung der europäischen Wirtschaft und nunmehr ein wesentliches Element für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist.

1.2

Darüber hinaus ist der EWSA der Ansicht, dass der zu den vorrangigen EU-Zielen gehörende Aufbau eines digitalen Binnenmarktes den Verbund und die Interoperabilität der nationalen Netze voraussetzt. Dies ist auch ein wesentlicher Faktor für die Anbindung zahlreicher wirtschaftlich und kulturell benachteiligter Gebiete.

1.3

Am 8. Februar 2013 kürzte der Rat jedoch im Wege des neuen mehrjährigen Finanzrahmens die Haushaltsmittel für den digitalen Teil der CEF auf 1 Mrd. EUR. Der geänderte Vorschlag trägt den jüngsten vom Rat und vom zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments vertretenen Standpunkten Rechnung.

1.4

Der EWSA bedauert daher, dass in dem überarbeiteten Vorschlag der Kommission die ursprünglich vorgesehenen Mittel (9,2 Mrd. EUR) radikal auf 1 Mrd. EUR gekürzt werden und die Kommission gezwungen ist, bei den Vorhaben von gemeinsamem Interesse für die Entwicklung von Breitbandnetzen und digitaler Dienste tiefgreifende Änderungen vorzunehmen. Nach Ansicht des EWSA könnte die EU aufgrund des unvermeidlichen Einfrierens zahlreicher Projekte infolge dieser Entscheidung den technischen Vorsprung einbüßen, den sie in vielen strategischen Bereichen erzielt hat.

1.5

Der EWSA unterstreicht, dass die Kommission angesichts der drastischen Reduzierung des ursprünglichen Finanzrahmens mit enormen Schwierigkeiten bei der wirksamen und ausgewogenen Zuweisung der in der Verordnung vorgesehenen Mittel zu kämpfen hat.

1.6

Gleichwohl begrüßt der EWSA, dass das Prinzip der Technologieneutralität, die eine Grundvoraussetzung für ein wahrhaft offenes Internet ist, bekräftigt wird. Der EWSA weist darauf hin, dass die Ressourcen so genutzt werden müssen, dass offene und den Bürgern und Unternehmen zu erschwinglichen Preisen diskriminierungsfrei zugängliche Netzlösungen gefördert werden.

1.7

Der EWSA äußert erneut den Wunsch nach einer Kartierung Europas, der einzelnen Mitgliedstaaten und der Regionen, dank derer Versorgungslücken ermittelt werden können und neue öffentliche und private Initiativen erleichtert werden. Die Kommission erkennt an, dass kein Mitgliedstaat oder Investor bereit ist, grenzübergreifende Dienstleistungen zu finanzieren.

1.8

Darüber hinaus ist eine Öffnung für die Zusammenarbeit mit Drittstaaten und internationalen Organisationen wichtig, um die Interoperabilität zwischen den jeweiligen Telekommunikationsnetzen zu stärken.

1.9

Nach Einschätzung des EWSA wurden durch die Vielzahl alternativer Betreiber zwar die Innovation vorangetrieben und die Preise für die Verbraucher gesenkt, aber auch die Margen der traditionell etablierten öffentlichen und privaten Betreiber stark beschnitten, wodurch bei einigen die Investitionskapazitäten eingeschränkt wurden oder gar ganz verloren gingen. Der EWSA ist der Auffassung, dass eine neue EU-Politik im Bereich der Netzregulierung – ein positiver Wettbewerbskreislauf – erforderlich ist, die in eine starke und konzertierte Einbindung der großen europäischen Betreiber münden sollte, um nach der Überwindung der Krise den Rückstand bei der Entwicklung der Breitband- und Ultrabreitbandtechnik wieder aufzuholen und Lücken im digitalen Netz zu schließen.

1.10

Der EWSA bedauert, dass der Rat, das Parlament und die Kommission in einer derart wichtigen Frage keine Einigkeit erzielen können. In Anbetracht des Umfangs des neuen Finanzrahmens sollten seines Erachtens auch weiterhin der Zugang aller Bürger zum Internet sowie die Entwicklung der Breitbandnetze und der gesamteuropäischen Dienstleistungsplattformen Vorrang haben.

1.11

Der EWSA nimmt konsterniert zur Kenntnis, dass die Kommission dem Vertreter der Kommission zufolge auf Wunsch des Rates in dem überarbeiteten Text in Artikel 8 den Verweis auf den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen gestrichen hat. Dem Ausschuss wäre indes sehr daran gelegen, den fraglichen Bericht zu erhalten.

1.12

Schließlich bekräftigt der EWSA erneut, dass es fortan absolut unerlässlich ist, die Internetanbindung dem Universaldienst zuzuordnen.

2.   Wesentlicher Inhalt des überarbeiteten Vorschlags der Kommission

2.1

Mit der Digitalen Agenda der EU wird u.a. die Einführung grenzübergreifend erbrachter öffentlicher Online-Dienste angestrebt, um die Mobilität der Unternehmen und Bürger zu fördern. Der Aufbau eines Binnenmarkts setzt also die Interoperabilität dieser neuen digitalen Dienste voraus.

2.2

Die EU hat sich ehrgeizige Ziele für die Einführung und Verbreitung der Breitbandtechnik bis 2020 gesetzt. In der am 29. Juni 2011 veröffentlichten Mitteilung "Ein Haushalt für Europa 2020" über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) (2014-2020) schlägt die Kommission insbesondere vor, eine Fazilität "Connecting Europe" (CEF) zu schaffen und 9,2 Milliarden auf digitale Netze und Dienste zu verwenden.

2.3

Am 8. Februar 2013 kürzte der Rat jedoch im Wege des neuen mehrjährigen Finanzrahmens die Haushaltsmittel für den digitalen Teil der CEF auf 1 Mrd. EUR. Auf dieser neuen Grundlage trägt der geänderte Vorschlag – soweit möglich – den jüngsten vom Rat und vom zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments vertretenen Standpunkten Rechnung. Er zielt darauf ab, die CEF-Maßnahmen nach strikten Kriterien für die Prioritätensetzung und auf der Grundlage eines begrenzten Beitrags zum Breitbandausbau durch Finanzierungsinstrumente auf eine kleinere Zahl digitaler Dienstinfrastrukturen zu konzentrieren, um private Investitionen wie auch öffentliche Investitionen aus anderen Quellen als der CEF zu mobilisieren.

2.4

Trotz dieses begrenzten finanziellen Beitrags zum Breitbandausbau schafft der Vorschlag einen Rahmen, der umfangreichere Beiträge seitens der Unternehmen und institutionellen Akteure wie der Europäischen Investitionsbank ermöglicht.

2.5

Die Verordnung bezweckt im Wesentlichen eine reibungslosere digitale Übertragung und die Beseitigung von Engpässen. Den Leitlinien ist eine Liste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse für den Aufbau von Infrastrukturen für digitale Dienste und Breitbandnetze beigefügt. Diese Vorhaben werden dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), zu erhöhen, den Verbund und die Interoperabilität der nationalen, regionalen und lokalen Netze sowie den Zugang zu diesen Netzen zu fördern und den Aufbau eines digitalen Binnenmarkts zu begünstigen.

2.6

Angesichts der schwierigen Marktbedingungen hält sich das wirtschaftliche Interesse von Investitionen in Breitbandnetze und in die Erbringung wesentlicher Dienste von öffentlichem Interesse trotz des beträchtlichen Wachstumspotenzials des digitalen Binnenmarkts in Grenzen.

2.7

In digitalen Dienstinfrastrukturen wird den Engpässen beim Aufbau von Diensten innerhalb interoperabler Rahmen mit direkten Finanzhilfen entgegengetreten. In den meisten Fällen werden diese Plattformen auf EU-Ebene finanziert, da es keine natürlichen Eigentümer einer europäischen interoperablen Dienstinfrastruktur gibt.

2.8

Es ist mittlerweile klar, dass kein Mitgliedstaat oder Investor bereit ist, grenzübergreifende Dienstleistungen zu finanzieren. Der europäische Mehrwert ist daher hoch.

2.9

Entsprechend den zur Verfügung stehenden Mitteln und den festgelegten Prioritäten werden gleichwohl jährlich bestimmte digitale Dienstinfrastrukturen eingerichtet. Angesichts der Haushaltslage in der EU wird die öffentliche Unterstützung aus anderen Quellen als der CEF kommen, insbesondere aus nationalen Quellen oder aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds. Die CEF wird selbst zwar nur eine begrenzte Anzahl von Breitbandprojekten finanzieren können, sie wird aber darüber hinaus die effiziente Zuweisung der Mittel der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) erleichtern, insbesondere dank der Verwendung der für die operativen Programme vorgesehenen Mittel. Allerdings sind diese Beiträge der Verwendung in den betreffenden Mitgliedstaaten vorbehalten. Im Breitbandbereich beschränkt sich der vorliegende Vorschlag darauf, Mechanismen vorzusehen, die die Zuteilung insbesondere von Strukturfondsmitteln ermöglichen.

2.10

Es gilt der Grundsatz der Technologieneutralität.

3.   Allgemeine Bemerkungen des EWSA

3.1

Die Projekte betreffend "transeuropäische Hochgeschwindigkeits-Backboneverbindungen für öffentliche Verwaltungen" sowie die "IKT-Lösungen für intelligente Energienetze und für die Erbringung intelligenter Energiedienstleistungen" wurden gestrichen.

3.2

Die Entwicklung neuer digitaler Dienstinfrastrukturen, die den Umzug von einem europäischen Land in ein anderes, die "europäische Plattform für die Verknüpfung von Beschäftigungs- und Sozialversicherungsdiensten" und die "Plattformen für die Online-Verwaltungszusammenarbeit" erleichtern, ist verworfen worden.

3.3

Der Ausschuss des Europäischen Parlaments für Industrie, Forschung und Energie fügte zusätzliche digitale Dienstinfrastrukturen für den "Ausbau von Infrastrukturen im öffentlichen Verkehr, der den Einsatz von sicheren und interoperablen mobilen Nachbarschaftsdiensten ermöglicht", eine "Plattform für die Online-Streitbeilegung", eine "europäische Plattform für den Zugang zu Bildungsressourcen" und "interoperable grenzüberschreitende Dienste für die elektronische Rechnungsstellung" hinzu.

3.4

Das Europäische Parlament hat jedoch sehr ehrgeizige Geschwindigkeitsvorgaben eingefügt ("möglichst 1 Gbit/s und mehr").

3.5

Das Ziel der digitalen Strategie für Europa, unter Einsatz von Festnetz- als auch Mobiltechnologien eine digitale Hochleistungs-Breitbandinfrastruktur für alle einzuführen, erfordert Maßnahmen zur Beseitigung "digitaler Engpässe". Aufgrund der äußerst starken Kürzung der ursprünglich vorgesehenen Mittel (9,2 Mrd. EUR) auf 1 Milliarde, war die Kommission gezwungen, bei den Vorhaben von gemeinsamem Interesse für die Entwicklung von Breitbandnetzen und Infrastrukturen für digitale Dienste tiefgreifende Änderungen vorzunehmen.

3.6

Wie er bereits in mehreren Stellungnahmen bekräftigt hat, ist der EWSA überzeugt, dass der Zugang aller zu Breitbandnetzen ein Schlüsselfaktor für die Entwicklung moderner Volkswirtschaften, aber auch zu einem wesentlichen Element für die Schaffung neuer Arbeitsplätze, einen besseren Zusammenhalt, den Wohlstand und die digitale Integration von Menschen und ganzer Gebiete, die wirtschaftlich und kulturell benachteiligt sind, geworden ist.

3.7

Die Festlegung von Zielen und Prioritäten für die zur Verwirklichung dieser Ziele entwickelten Vorhaben von gemeinsamen Interesse erfüllt eine grundlegende Forderung: optimale Nutzung der finanziellen Ressourcen und Erreichung genau festgelegter Ziele unter Vermeidung einer Verteilung nach dem Gießkannenprinzip.

3.8

Der EWSA begrüßt, dass das Prinzip der Technologieneutralität, die eine Grundvoraussetzung für ein wahrhaft offenes Internet ist, bekräftigt wird.

3.9

Der EWSA weist darauf hin, dass die Ressourcen so genutzt werden müssen, dass offene und den Bürgern und Unternehmen zu erschwinglichen Preisen diskriminierungsfrei zugängliche Netzlösungen gefördert werden. Der EWSA unterstreicht jedoch, dass die Kommission angesichts der drastischen Mittelkürzung mit enormen Schwierigkeiten bei der ausgewogenen Zuweisung der in der Verordnung vorgesehenen Mittel zu kämpfen hat.

3.10

Es ist mittlerweile klar, dass kein Mitgliedstaat oder Investor bereit ist, grenzübergreifende Dienstleistungen zu finanzieren. Der europäische Mehrwert ist daher hoch. Der EWSA äußert erneut den Wunsch nach einer Kartierung Europas, der einzelnen Mitgliedstaaten und der Regionen, dank derer Versorgungslücken ermittelt werden können und neue öffentliche und private Initiativen erleichtert werden. Darüber hinaus ist eine Öffnung für die Zusammenarbeit mit Drittstaaten und internationalen Organisationen wichtig, um die Interoperabilität zwischen den jeweiligen Telekommunikationsnetzen zu stärken.

3.11

Nach Einschätzung des EWSA wurden durch die Vielzahl alternativer Betreiber zwar der Wettbewerb angeregt und die Preise für die Verbraucher gesenkt, aber auch die Margen der traditionell etablierten Betreiber stark reduziert, wodurch bei einigen die Investitionskapazitäten beschnitten wurden. Daher sollte über eine neue EU-Politik im Bereich der Netzregulierung nachgedacht werden, die eine starke und konzertierte Einbindung sämtlicher europäischer Akteure des Sektors ermöglicht, um nach der Überwindung der Krise den Rückstand bei der Entwicklung der Breitband- und Ultrabreitbandtechnik Netze wieder aufzuholen.

4.   Besondere Bemerkungen des EWSA

4.1

Der EWSA bedauert, dass der Rat, das Parlament und die Kommission in einer so wichtigen Frage derart gegensätzliche Vorstellungen haben.

4.2

Als die Telekommunikation (Breitbandnetze und Dienstleistungsplattformen) noch 9 Mrd. EUR vorgesehen waren, standen beachtliche Mittel zur Verfügung. In Anbetracht des Umfangs des neuen Finanzrahmens erscheint es gerechtfertigt, die verfügbaren Mittel für die Finanzierung von Projekten vorzusehen, die die "Fundamente" künftiger Projekte bilden werden, die derzeit aus Haushaltsgründen verschoben werden müssen.

4.3

Voraussetzung für den Aufbau eines digitalen Binnenmarktes sind der Verbund und die Interoperabilität der nationalen Netze. Angesichts dieser neuen Situation der Mittelkürzungen muss die Kommission bei den Kriterien für die Auswahl der zu finanzierenden Vorhaben größte Strenge an den Tag legen, dergestalt dass sie sie kontinuierlich verfolgt und bewertet.

4.4

Der EWSA weist darauf hin, dass diese Vorhaben den KMU helfen können, Zugang zur digitalen Wirtschaft zu bekommen und letztlich neue, stabile Arbeitsplätze zu schaffen. Der EWSA fordert die Veröffentlichung eines regelmäßigen Berichts über die Verwendung dieser Mittel.

4.5

Schließlich bekräftigt der EWSA erneut, dass es fortan absolut unerlässlich ist, die Internetanbindung dem Universaldienst zuzuordnen.

4.6

Im Lichte der interinstitutionellen Beziehungen hat der EWSA zunächst verwundert, dann aber konsterniert festgestellt, dass die Kommission in Artikel 8 des überarbeiteten Textes den Verweis auf den EWSA und den AdR gestrichen hat. Der Vertreter der Kommission gab bei der Erörterung im Ausschuss als Grund an, dass dies auf Wunsch des Rates geschehen sei.

Möglicherweise war die Formulierung "übermittelt" hierfür der Auslöser. Gleichwohl möchte der Ausschuss betonen, dass ihm sehr daran gelegen wäre, den fraglichen Bericht zu erhalten.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 116-119.

(2)  ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 120-124.

(3)  ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 125-129.

(4)  ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 130-133.

(5)  ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 134-138.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/141


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission: Der „Blaue Gürtel“ — ein einheitlicher europäischer Verkehrsraum für die Schifffahrt

COM(2013) 510 final

2014/C 67/28

Berichterstatter: Jan SIMONS

Die Europäische Kommission beschloss am 8. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission: Der "Blaue Gürtel" — ein einheitlicher europäischer Verkehrsraum für die Schifffahrt

COM(2013) 510 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 30. September 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 124 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die in dieser Mitteilung enthaltenen Vorschläge der Europäischen Kommission, mit denen die Funktionsweise des Seeverkehrsmarkts verbessert und der Verwaltungsaufwand für den Seeverkehrssektor verringert und somit seine Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden sollen. Er hatte eigentlich auf eine frühzeitigere Vorlage dieser Vorschläge gehofft.

1.2

Seiner Meinung nach hängt es von der Haltung der Zollbehörden, einem der wichtigsten Akteure in diesem Bereich, ab, ob die Kommissionsvorschläge auch verwirklicht werden können. Daher fordert er die Europäische Kommission auf, ihre Vorschläge baldmöglichst im Zollausschuss zu debattieren.

1.3

Eine Grundvoraussetzung für den Erfolg der Kommissionsvorschläge, und zwar sowohl der Vorschläge für den Linienverkehr als auch für das eManifest, ist die vollständige Interoperabilität zwischen den IT-Systemen der Mitgliedstaaten für die Einführung des eManifest. Der Ausschuss betont, dass dies erfahrungsgemäß nicht gerade ein leichtes Unterfangen ist, auch wenn auf bestehenden Systemen aufgebaut wird.

1.4

In Bezug auf das eManifest ist klar und deutlich darauf hinzuweisen, dass es ausdrücklich für alle Seeverkehrsdienste bestimmt ist.

1.5

Die Frist, die der Europäischen Kommission für die Einführung des eManifests vorschwebt, sprich Juni 2015, ist zwar optimistisch, aber durchaus gut gewählt. Denn die Mitgliedstaaten sind – auf eigenen Beschluss hin – verpflichtet, bis zu eben diesem Datum so genannte "nationale einzige Fenster" einzurichten. Ein derartiger Dienst ist zur Gewährleistung eines guten Funktionierens des eManifests unabdingbar; weswegen übrigens mit den technischen Vorbereitungsarbeiten auch kein Jahr mehr gewartet werden darf.

1.6

Der Ausschuss unterstreicht, dass alle Akteure, insbesondere die Zollbehörden, angemessen informiert werden müssen. Es hat sich in der Praxis nämlich gezeigt, dass Zollbehörden nicht wussten, dass die Unternehmer ein Manifest in Papierform verwenden, was rechtlich erlaubt ist, von den Zollbehörden aber weder validiert noch akzeptiert wurde.

1.7

Neben der Aufmerksamkeit für die "harte Komponente", sprich die reinen IT-Aspekte, müssen die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auch der "weicheren Komponente", sprich der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter der Zollbehörden, Beachtung schenken. Dieses Element bleibt in den Kommissionsvorschlägen leider völlig außen vor.

1.8

Glücklicherweise ist sich die Europäische Kommission der Bedeutung effizienter Informations- und Überwachungssysteme bewusst, die für eine gute Entscheidungsfindung unverzichtbar sind. Der Ausschuss betont, dass die EMSA in diesem Zusammenhang weiterhin eine wichtige Rolle spielen kann.

1.9

Der Ausschuss teilt die Sichtweise der Europäischen Kommission, dass bei der Überarbeitung der Richtlinie über die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs- und Informationssystems für den Schiffsverkehr die Anforderungen des eManifest berücksichtigt werden müssen.

1.10

Abschließend betont der Ausschuss, dass nach Beschlussfassung über die Kommissionsvorschläge ein regelmäßiger Dialog mit den Zollbehörden sowie mit Vertretern des Seeverkehrssektors, der Verlader und der Arbeitnehmer gepflegt werden muss, um diese zu konsultieren und über Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Vorschläge zu informieren.

2.   Einleitung

2.1

In der Schifffahrt kann von Binnenmarkt keine Rede sein, obwohl in Artikel 28 AEUV ausdrücklich der freie Warenverkehr in der EU verankert ist.

2.2

Dies ist umso problematischer, als die EU in Bezug auf den Handel weltweit wie auch im Binnenmarkt sehr stark auf den Seeverkehr angewiesen ist: 74 % der von der Union ein- und ausgeführten Waren und 37 % des Warenaustauschs innerhalb der Union werden über Seehäfen abgewickelt.

2.3

Im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern kann der Seeverkehr wie übrigens auch die Binnenschifffahrt zu niedrigeren Kosten pro Frachteinheit arbeiten und ist außerdem pro Ladungseinheit auch weniger umweltbelastend. Aufgrund unnötiger Verwaltungsauflagen kann dieser Verkehrsträger jedoch noch immer nicht seine optimale Leistung erbringen.

2.4

Ein Beispiel hierfür ist folgende, häufig vorkommende Situation: Schiffe verkehren zwischen zwei EU-Häfen, verlassen dabei jedoch die nationale 12-Meilen-Grenze und müssen daher die Zollformalitäten zweimal durchlaufen, sofern sie nicht unter die Linienverkehrsregelung fallen. Sämtliche an Bord befindliche Waren werden als Nichtunionswaren deklariert und unterliegen Zollkontrollen.

2.5

Auch wenn diese Verfahren aus Gründen der Sicherheit und Gefahrenabwehr sowie finanziellen Überlegungen zur Anwendung kommen, verursachen sie doch Kosten und führen zu Verzögerungen.

2.6

Ein Lösungsansatz für die an Bord befindlichen Waren könnte sein, zwischen Unionswaren, die ohne weitere Zollformalitäten auf den Binnenmarkt gebracht werden können, und Nichtunionswaren, die die üblichen Zollverfahren durchlaufen müssen, zu unterscheiden.

2.7

Daher hat die Europäische Kommission mit Unterstützung des Rates 2010 die Idee des "Blauen Gürtels" vorgebracht (auch bekannt unter dem englischen Terminus "Blue Belt"), um die Wettbewerbsfähigkeit des Seeverkehrs zu verbessern, indem Schiffen der ungehinderte Verkehr innerhalb des EU-Binnenmarktes mit minimalem bürokratischem Aufwand ermöglicht wird, einschließlich Maßnahmen zur Vereinfachung und Harmonisierung der Bestimmungen für den Seeverkehr aus Drittlandshäfen.

2.8

Die Idee des "Blauen Gürtels" wurde 2011 in Form eines Pilotprojekts konkret ausgestaltet, das die Europäische Kommission in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) in die Wege geleitet hat; dabei wurde SafeSeaNet, das von der EMSA verwaltete Überwachungs- und Informationssystem für den Schiffsverkehr, genutzt.

2.9

Dieses Pilotprojekt brachte zwar viele nützliche Informationen, gleichwohl wiesen die Zollbehörden darauf hin, dass diese Informationen durch Angaben zu den beförderten Waren, insbesondere zu deren Status (Unions- oder Nichtunionsware) ergänzt werden müssten.

2.10

Denn gerade aufgrund dieser Unterscheidung können die Verfahren für Unionswaren vereinfacht werden.

3.   Inhalt der Kommissionsmitteilung

3.1

Die Europäische Kommission hat am 8. Juli 2013 die Mitteilung "Der 'Blaue Gürtel' – ein einheitlicher europäischer Verkehrsraum für die Schifffahrt" veröffentlicht.

3.2

Ziel dieses "Blauen Gürtels", der aus dem 2011 unter Leitung der EMSA durchgeführten Blue Belt-Pilotprojekt hervorging, ist:

die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Schifffahrt durch den Abbau von bürokratischem Aufwand;

die Förderung der Beschäftigung in der Schifffahrt;

die Verringerung der ökologischen Auswirkungen des Seeverkehrs.

3.3

Mit dieser Mitteilung will die Europäische Kommission einen politischen Rahmen für die Verwirklichung der oben genannten Zielsetzungen schaffen, der zwei erforderliche Legislativmaßnahmen zur Änderung der Durchführungsvorschriften für den Zollkodex (ZK-DVO) enthält; die erste Maßnahme wurde im Juni 2013 bereits dem zuständigen Ausschuss unterbreitet, und die zweite wird die Kommission gegen Ende dieses Jahres vorlegen.

3.4

Mit der ersten Maßnahme soll das Verfahren für den Betrieb von Linienverkehrsdiensten innerhalb der EU weiter vereinfacht werden, und zwar durch eine Zollregelung für Schiffe, die regelmäßig dieselben EU-Häfen anlaufen und hauptsächlich Unionswaren befördern.

3.5

Die Vereinfachung beinhaltet die Verkürzung der Konsultationsphase für die Mitgliedstaaten von 45 auf 15 Tage. Darüber hinaus können die Verkehrsunternehmer vorab eine Zulassung für Mitgliedstaaten beantragen, mit denen sie regen Handelsverkehr unterhalten, um im Falle eines Gütertransports in den betreffenden Mitgliedstaat Zeit zu sparen.

3.6

Die zweite Maßnahme hat viel größere Auswirkungen, sprich die Vereinfachung der Zollformalitäten für Schiffe, die Drittlandshäfen anlaufen. Die Europäische Kommission möchte ein System einrichten, mit dem die Zollverfahren durch die Unterscheidung zwischen Unionswaren und Nichtunionswaren an Bord eines Schiffes (die sehr wohl die normalen Zollverfahren durchlaufen müssen) erheblich verbessert werden können.

3.7

Sie schlägt die Erstellung einer harmonisierten elektronischen Ladungserklärung (das sogenannte eManifest) vor, anhand dessen die Schifffahrtsunternehmen den Zollbehörden sämtliche Angaben zum Status der Waren sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU zur Verfügung stellen können. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass das eManifest ab Juni 2015 uneingeschränkt funktionsfähig sein wird.

3.8

Die von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung dargelegten Vorschläge stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der am 23. Mai 2013 veröffentlichten "Überprüfung der Hafenpolitik", zu der sich der Ausschuss bereits am 11. Juli 2013 positiv geäußert hat.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der Ausschuss befürwortet ausdrücklich den Abbau von Hürden, die ein gutes Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen, insbesondere auch für die Schifffahrt, die – wie von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung betont – von entscheidender Bedeutung für die Union ist. Er hatte gehofft, dass die Vorschläge, wie bereits in der Vergangenheit zum Ausdruck gebracht (1), schon zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegt werden.

4.2

In ihrem Bemühen, den Binnenmarkt für den Seeverkehr so schnell wie möglich zu verwirklichen, weist die Europäische Kommission darauf hin, dass dieser für alle anderen Verkehrsträger bereits Wirklichkeit ist. Der Ausschuss muss an dieser Stelle bedauerlicherweise festhalten, dass die Europäische Kommission diesbezüglich zu optimistisch ist. Sowohl im Güterkraftverkehr (Kabotagebeschränkungen) als auch im Schienenverkehr (nationaler Personenverkehr) ist der Binnenmarkt noch nicht vollendet.

4.3

Für den Ausschuss liegt es auf der Hand, dass Maßnahmen zur Verringerung der Zollformalitäten und Verwaltungsauflagen ergriffen werden müssen, um den Seeverkehr zu einer interessanten Alternative gegenüber anderen Verkehrsträgern zu machen; diese aber nicht zu Lasten der Sicherheit und der Gefahrenabwehr gehen dürfen.

4.4

Der Ausschuss erachtet einen effizienteren und kostengünstigeren Seeverkehr als wichtiges Ziel und unterstützt die Kommissionsvorschläge zur Verringerung der Zollformalitäten und Verwaltungsauflagen.

4.4.1

Er betont, dass darauf zu achten ist, dass die Vorschläge der Kommission auch für die Zollbehörden der Mitgliedstaaten, die diesbezüglich wichtigsten Akteure, annehmbar sein müssen. Außerdem könnte versuchsweise eine bestimmte Unternehmerkategorie, und zwar die Unternehmer mit Status eines zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO – Authorised Economic Operator), bei der Einführung eine Vorreiterrolle übernehmen.

4.5

In Bezug auf das Verfahren für den Linienverkehr innerhalb der EU begrüßt der Ausschuss die Verkürzung der Konsultationsphase von 45 auf 15 Tage und die Einführung der Möglichkeit, Zulassungen vorab zu beantragen.

4.6

Da die Europäische Kommission den rein innereuropäischen Seeverkehr gegenüber dem Anlaufen von Nicht-EU-Häfen nicht diskriminieren will, soll das eManifest für den gesamten Seeverkehr gelten.

4.6.1

Denn genau wie Verkehre zwischen EU-Häfen und Drittlandshäfen müssen auch Liniendienste und Nichtliniendienste ausschließlich zwischen EU-Häfen auf Wunsch zusätzlich zu der bestehenden angepassten Regelung auch das eManifest verwenden können.

4.6.2

Gleichwohl erachtet der Ausschuss es als sinnvoll, den Anwendungsbereich des eManifests in den zukünftigen diesbezüglichen Vorschlägen klar und deutlich anzugeben.

4.6.3

Mit Blick auf die Auswirkungen der Kommissionsvorschläge weist der Ausschuss darauf hin, dass insbesondere das eManifest, d.h. die harmonisierte elektronische Ladungserklärung mit Angaben zum Status der an Bord mitgeführten Waren, nach Konsultation des zuständigen Zollausschusses schnellstmöglich eingeführt werden sollte.

4.6.4

Daher fordert er die Europäische Kommission auch nachdrücklich auf, nach Beschluss über die Einführung der vorgenannten Maßnahmen sich vorranging mit der Harmonisierung in der EU zu befassen: Die IT-Systeme der Mitgliedstaaten müssen für die Verwendung des eManifests vollständig interoperabel gemacht werden.

4.6.5

Vor diesem Hintergrund betont der Ausschuss, dass die von der Europäischen Kommission festgelegte Frist für die Einführung des eManifest, namentlich Juni 2015, zwar optimistisch anmutet, seiner Meinung nach aber unbedingt eingehalten werden muss.

4.6.6

Die Mitgliedstaaten sind nämlich bereits aufgrund Richtlinie 2010/65/EG verpflichtet, bis Juni 2015 so genannte "nationale einzige Fenster" einzurichten. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung des eManifests. Der Ausschuss fordert alle Mitgliedstaaten, vor allem aber Mitgliedstaaten mit Seehäfen, auf, sich an die von ihnen selbst beschlossene Frist zu halten; andernfalls steht bereits von vornherein fest, dass das System nicht funktionieren wird.

4.6.7

Außerdem müssen die technischen Vorbereitungsarbeiten für die Einführung des eManifests in spätestens sechs Monaten in Angriff genommen werden.

4.6.8

Der Ausschuss unterstreicht, dass die im eManifest enthaltenen Informationen allen Interessenträgern zugänglich sein müssen, d.h. Behörden, Reedern und Verladern.

4.7

Der Ausschuss weist allerdings darauf hin, dass auf Grundlage einer IMO-Empfehlung bereits ein Manifest in Papierform besteht, das jedoch nicht harmonisiert ist und nicht in allen Mitgliedstaaten verwendet wird. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass einige Zollbehörden dieses Manifest nicht einmal kennen und/oder nicht zu seiner Validierung oder Akzeptanz beitragen wollen. Daher ist unbedingt eine angemessene Information aller Zollbehörden notwendig.

4.8

Der Ausschuss betont, dass bei der Ausweitung der vereinfachten Verfahren für Fahrten nach Drittlandhäfen schnelle und zuverlässige Überwachungs- und Berichterstattungsmechanismen eingerichtet werden müssen.

4.8.1

Diesbezüglich kann sich die Schifffahrt glücklich schätzen, dass es die EMSA gibt, die ihren Mehrwert für die Transportseite des eManifests bereits unter Beweis gestellt hat; jetzt sind die europäischen und nationalen Zollbehörden dran im Hinblick auf eine rasche Abwicklung des Bereichs "Status der Waren".

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Laut Informationen des europäischen Reederverbands ECSA würde die Vereinfachung der Verwaltungsverfahren Einsparungen in Höhe von 25 EUR pro Container mit sich bringen, ganz abgesehen von dem damit verbundenen Zeitgewinn, der noch weitaus größere Auswirkungen hätte.

5.2

Dies zeigt nach Meinung des Ausschusses jedenfalls deutlich, dass ausgewogene Vorschläge notwendig sind, damit auch die wichtigsten Akteure, und zwar die europäischen und nationalen Zollbehörden, die Reeder und die Verlader, diese Vorschläge gutheißen können.

5.3

Der Ausschuss unterstreicht, dass sich die Situation keinesfalls verschlechtern darf. Dies könnte passieren, wenn beispielweise die Erstattung der Mehrwertsteuer bei Ausfuhr von der Gewähr abhängig gemacht wird, dass die Waren das Unionsgebiet auch tatsächlich verlassen haben.

5.3.1

Da der Mehrwertsteuersatz hierfür derzeit 0 % beträgt, könnte die Einführung dieser Konditionalität einen höheren Mehrwertsteuersatz zeitigen, der nur mit hohen Kosten und Zeitverlust zurückgefordert werden kann. Glücklicherweise ist seitens der Europäischen Kommission zu hören, dass sich die Situation in Sachen Mehrwertsteuer nicht verändern soll, d.h. dass der Nullsatz beibehalten werden soll.

5.4

Die Europäische Kommission betont, dass sie keinesfalls ein ganz neues System entwickeln will, was mit außergewöhnlich hohen Kosten verbunden wäre, sondern bestehende bzw. derzeit im Aufbau befindliche Systeme wie das System des nationalen einzigen Fensters ausbauen will. Der Ausschuss befürwortet diesen Ansatz der Europäischen Kommission.

5.5

Darüber hinaus weist der Ausschuss auf die Bedeutung einer guten Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter der Zollbehörden und die diesbezüglich bestehenden Möglichkeiten hin. Er hat dies auch bereits in einer früheren Stellungnahme (2) betont.

5.6

Der Ausschuss stimmt mit der Europäischen Kommission überein, dass bei der Überarbeitung der Richtlinie über die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs- und Informationssystems für den Schiffsverkehr die Anforderungen des eManifests berücksichtigt werden müssen.

5.7

Sollten die von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung enthaltenen Vorschläge angenommen werden, weist der Ausschuss darauf hin, dass die wichtigsten Akteure, wie etwa die Zollbehörden, das Seeverkehrsgewerbe, die Verlader und die Arbeitnehmer, regelmäßig konsultiert und über den Stand der Umsetzung und etwaige Schwierigkeiten informiert werden müssen.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  EWSA-Stellungnahme zum Thema Hochgeschwindigkeitsseewege und ihre Einbindung in die Logistikkette, ABl. C 151 vom 16.6.2008, S. 20;

EWSA-Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union, ABl. C 211 vom 19.8.2008, S. 31;

EWSA-Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Meldeformalitäten für Schiffe beim Einlaufen in oder Auslaufen aus Häfen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Richtlinie 2002/6/EG und zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Mitteilung und Aktionsplan zur Errichtung eines europäischen Seeverkehrsraums ohne Grenzen, ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 131;

EWSA-Stellungnahme zu dem Weißbuch: Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem, ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 146;

Stellungnahme des EWSA zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Blaues Wachstum – Chancen für nachhaltiges marines und maritimes Wachstum, ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 87;

EWSA-Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für den Zugang zum Markt für Hafendienste und für die finanzielle Transparenz der Häfen, noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

(2)  EWSA-Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über den Zustand der Zollunion, ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 66.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/145


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Das internationale Klimaschutzübereinkommen von 2015: Gestaltung der Weltklimapolitik für die Zeit nach 2020

COM(2013) 167 final

2014/C 67/29

Berichterstatter: Josef ZBOŘIL

Die Europäische Kommission beschloss am 8. Mai 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Das internationale Klimaschutzübereinkommen von 2015: Gestaltung der Weltklimapolitik für die Zeit nach 2020

COM(2013) 167 final.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 1. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493.Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 120 gegen 3 Stimmen bei 9 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss plädiert für ein proaktives und ehrgeiziges Engagement der EU, für eine realistische Einschätzung dessen, was erreicht werden kann – im Sinne der EWSA Stellungnahme zum Fahrplan für eine CO2-arme Wirtschaft bis 2050' (1)– sowie für Anpassungsfähigkeit an Veränderungen der globalen Umwelt. Voraussetzung für den Erfolg eines künftigen Klimaschutzübereinkommens ist, dass es auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit sowie auf Transparenz und Rechenschaftspflicht gründet. Eine EU, die externe Herausforderungen bewältigen kann, ist auch in der Lage, ihren Bürgern ein neues motivierendes Narrativ zu bieten.

1.2

Das Kommissionsdokument bietet eine umfassende Diskussionsgrundlage für die Vorbereitung der anstehenden Klimaschutzverhandlungen im Hinblick auf den Abschluss eines tragfähigen Weltklimaübereinkommens 2015.

1.3

Der Ausschuss begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission, die grundlegenden Prinzipien - allgemeingültig, ehrgeizig, wirksam, fair und ausgewogen, transparent und rechtsverbindlich - des anhängigen Weltklimaübereinkommens zu thematisieren, und unterstützt ihre weiteren Vorbereitungsarbeiten zur Sicherstellung der erforderlichen Rahmenbedingungen. Die internationalen Klimaschutzverhandlungen sollten ein Forum für Länder bieten, um sich gegenseitig zu weiteren Fortschritten anzuspornen – nicht um einander zu bremsen.

1.4

Indes muss die allgemeine Akzeptanz des Weltklimaübereinkommens 2015 gefördert werden, da sich innerhalb kurzer Zeit die globalen geopolitischen und wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse verschoben haben. Diese tiefgreifenden Veränderungen müssen berücksichtigt und es muss sorgfältig geprüft werden, wie sich die Rezession auf die EU-Klima- und -Energiepolitik ausgewirkt hat und in den kommenden Jahren weiter auswirken wird. Der EWSA erinnert an seine in seiner Stellungnahme zum 7. Umweltaktionsprogramm (2) vertretene Position, dass die Ursache sowohl für die finanzielle und ökonomische Krise als auch für die ökologische Krise, die unter anderem in der Klimabelastung zum Ausdruck kommt, in einer Überbeanspruchung der finanziellen und natürlichen Ressourcen liegt, und dass die Bewältigung dieser Krisen ein gänzlich neues Denken erfordert, wie es u.a. in der Nachhaltigkeitsstrategie der EU verankert ist. Die Wirtschaft der Zukunft wird weitgehend auf nicht-fossilen Energieträgern beruhen müssen. Die EU-Politik ist nach wie vor ehrgeizig, doch sollten die Ziele stufenweise in Abstimmung auf das globale Umfeld und unter genauer Festlegung aller Bedingungen aufgestellt werden.

1.5

Die internationale Wirtschaftslandschaft und ein allgemein anerkannter Governance-Prozess werden letztlich die weiteren Diskussionen über ein künftiges Weltklimaübereinkommen prägen. Der Verhandlungsprozess wird von den Wirtschaftsmächten beeinflusst werden. Die EU muss ihrem Anspruch gerecht werden, weltweit mit gutem Beispiel voranzugehen. Die EU muss allerdings auch aufpassen, dass sie ihre bisherige, unbestrittene Führungsrolle in Sachen Klimaschutz und Technologieentwicklung nicht verliert. Das Kyoto-Protokoll muss noch weitergehend objektiv unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile analysiert und global bewertet werden, damit die entsprechenden Erfahrungswerte bei der Ausarbeitung des Weltklimaübereinkommens 2015 berücksichtigt werden können. Auch der Fünfte Sachstandsbericht des IPCC (Weltklimarat) wird die Weichen stellen.

1.6

Die Wissenschaft ist sich nach wie vor darin einig, dass eine Erderwärmung von mehr als 2 °C gegenüber dem Stand von 1990 völlig untragbar wäre und dass die Klimagaskonzentration in der Atmosphäre auf dem derzeitigen Stand stabilisiert werden muss. Um dies zu erreichen ist eine starke Verringerung klimaschädlicher Emissionen erforderlich. Jedoch steigt die Klimagaskonzentration von Jahr zu Jahr weiter an. Die Emissionssenkungsmaßnahmen nehmen zwar erfreulicherweise stark zu, aber reichen bei weitem nicht aus, um eine Stabilisierung zu erreichen. Allgemein muss die neue Verhandlungsrunde darauf abheben, dem ganzen Prozess eine neue Dringlichkeit zu verleihen und alle Staaten und Teile der Gesellschaft zu wesentlich ehrgeizigeren Verpflichtungen und Maßnahmen zu bewegen.

1.7

Schon im Vorfeld müssen die Interessen der Verhandlungsparteien genau analysiert und Synergien aufgezeigt werden, um potenzielle Konflikte auszuräumen und ein sinnvolles Zusammenwirken zu ermöglichen. Ehrgeizige und realistische Maßnahmen und Ziele sollten in Konsens und Zusammenarbeit mit denjenigen Akteuren ausgearbeitet werden, die die Maßnahmen anschließend in die Praxis umsetzen müssen. Neben der Empfehlung von Maßnahmen und Zielen könnten positive Anreize die allgemeine Akzeptanz fördern und eine umfassende Umsetzung sicherstellen.

1.8

Dies ist nur durch eine transparente und eingehende Bewertung der Wirksamkeit, Kosten und konkreten Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen auf die Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt möglich. Der Ausschuss stimmt der Kommission darin zu, dass das Weltklimaübereinkommen 2015 "inklusiv" sein muss, indem es Verpflichtungen vorsieht, die für alle Länder – Industrie- und Entwicklungsländer gleichermaßen – gelten.

1.9

Tätigkeiten und Maßnahmen, die ohne neues Klimaschutzübereinkommen an der Basis (Gemeinschaften, Sektoren) durchgeführt werden, veranschaulichen den proaktiven Ansatz der Zivilgesellschaft im Allgemeinen. Tatsächlich muss die Zivilgesellschaft insbesondere bei der Umsetzung der im Weltklimaübereinkommen 2015 festgelegten Maßnahmen und Ziele eine Hauptrolle übernehmen. Sie muss auch die Politik zu verstärkten Engagement auffordern und überwachen, ob die politischen Versprechungen zum verstärkten Klimaschutz (wie z.B. die Zusage, die Subventionen fossiler Energieträger zu beenden) auch eingehalten werden. Deshalb müssen die angenommenen Maßnahmen die von der Zivilgesellschaft erwarteten Transparenz- und Rechenschaftsanforderungen erfüllen, um soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit zu vermeiden. Das Weltklimaübereinkommen 2015 wäre der erste Schritt hin zu einer globalen Energiewende.

1.10

Die EU muss sich entschieden zu ehrgeizigeren Zielen für 2020 und 2030 verpflichten und aufzeigen, wie deren Verwirklichung integraler Bestandteil ihrer Konjunkturprogramme und ihrer Pläne für eine wirtschaftliche Erholung und eine nachhaltigere Zukunft ist, um in den internationalen Klimaschutzverhandlungen eine Führungsrolle spielen und mehr Einfluss nehmen zu können. Der Ausschuss bekräftigt daher seine Forderung, die umfassende Umsetzung aller bestehenden CO2-Ziele für 2020 sicherzustellen und zu prüfen, ob das für 2020 gesetzte Klimagasminderungsziel im Hinblick auf die Erreichung der vereinbarten Reduzierung um 80 bis 95 % bis 2050 nicht auf 25 % erhöht werden sollte. Er fordert nochmals, dass die EU Reduktionsrichtziele für Klimagasemissionen von 40 % bis 2030 und 60 % bis 2040 festsetzen und diese mit rechtsverbindlichen Maßnahmen flankieren sollte, um diese Verringerung auch wirklich zu erreichen. Derartige langfristige Richtziele sind notwendig, um Vorhersehbarkeit und Stabilität für Investoren und Entscheidungsträger in Europa zu gewährleisten. Sie wären außerdem eine gute Messlatte für die Ambitioniertheit der internationalen Klimaschutzverhandlungen.

1.11

Es ist schwer vorstellbar, wie die verschiedenen Interessen von auch nur den Hauptakteuren im bisherigen, auf Emissionsrechtehandel ausgerichteten Verhandlungsformat miteinander vereinbart werden sollen. Viele Interessenträger melden Vorbehalte an und schlagen Alternativen für das künftige Verhandlungsformat vor. Es sollten zumindest Alternativkonzepte für ein Übereinkommen geprüft werden, die bspw. auf einem Kohlenstoffbudget oder der Erhebung einer Kohlenstoffsteuer oder dem von Indien in die Diskussion gebrachten Vorschlag eines Emissionsrechts pro Weltbürger oder einer Kombination solcher Ansätze aufbauen.

1.12

Der Ausschuss stimmt der Kommission nachdrücklich darin zu, dass wir nicht mehr warten können, bis das 2015 geschlossene Übereinkommen dann 2020 in Kraft tritt, denn die Schritte, die wir zwischen heute und 2020 unternehmen, werden dafür ausschlaggebend sein, dass die Politik in die richtige Richtung geht. Diese Schritte müssen wohldurchdacht sein, auf realen, greifbaren Ergebnissen aus Wissenschaft, Technologie und Entwicklung gründen, wie sie der EWSA in seiner Stellungnahme zum Fahrplan für eine CO2-arme Wirtschaft bis 2050 (3) aufgegriffen hat.

2.   Das Kommissionsdokument

2.1

2011 hat die internationale Staatengemeinschaft Verhandlungen über ein neues internationales Klimaschutzübereinkommen aufgenommen. Dieser Vertrag, der bis Ende 2015 vorliegen und ab 2020 gelten soll, wird im Rahmen des als "Durban-Plattform für verstärktes Handeln" (Durban Platform for Enhanced Action, ADP) bekannten Prozesses ausgehandelt.

2.2

Das Übereinkommen von 2015 soll bis 2020 den bisherigen Flickenteppich aus verbindlichen und unverbindlichen Vereinbarungen im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (im Folgenden: "die Rahmenkonvention") zu einem einheitlichen und umfassenden Regelwerk zusammenschweißen.

2.3

Der unilaterale oder Bottom-up-Charakter des Zusicherungsprozesses von Kopenhagen bzw. Cancún machte einen stärker inklusiven internationalen Ansatz möglich.

2.4

Um das Übereinkommen von 2015 ausrichten zu können, müssen wir aus den Erfolgen und Misserfolgen der Rahmenkonvention, des Kyoto-Protokolls und des Kopenhagen-Cancún-Prozesses lernen. Wir müssen uns vom Nord-Süd-Paradigma der 1990er Jahre lösen und zu einer auf gegenseitiger Abhängigkeit und gemeinsamer Verantwortung beruhenden Weltanschauung übergehen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der EWSA hat bereits in seiner Stellungnahme zum 7. Umweltaktionsprogramm (4) betont, dass es Parallelen zwischen Finanzkrise und ökologischer Krise gibt; beide resultieren aus einem nicht nachhaltigen Umgang mit den ökonomischen bzw. natürlichen Ressourcen. Er forderte damals "eine ähnliche Reaktion auf die Umweltkrise wie die mit dem Fiskalpakt beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzkrise: klare Vorgaben, klare Indikatoren, Kontrollen und Sanktionen". Dies gilt nun auch für die anstehenden Klimaverhandlungen, von denen klare Signale zum Aufbau einer globalen ressourcenschonenden "low carbon economy" ausgehen müssen.

3.2

Bei der Konzipierung der Verhandlungsstrategie müssen wichtige geopolitische Veränderungen berücksichtigt werden. Innerhalb kurzer Zeit haben sich die globalen geopolitischen und wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse verschoben. Diese tiefgreifenden Veränderungen sind zum Teil durch die Finanzkrise ausgelöst worden, zu der in der EU auch noch eine Wirtschaftskrise hinzugekommen ist – die Investitionsquote der Unternehmen sank von 23 % im Jahr 2008 auf 18,3 % im ersten Quartal 2013 (Eurostat). Bei der Vorbereitung der kommenden Verhandlungen muss sorgfältig geprüft werden, wie sich die Rezession auf die EU-Klima- und Energiepolitik ausgewirkt hat.

3.3

Diese Anstrengungen sind noch immer nicht hinreichend. Die internationale Wirtschaftslandschaft wird letztlich die weiteren Diskussionen über ein künftiges Weltklimaübereinkommen prägen, und dabei werden die ausschlaggebenden Wirtschaftsmächte den Ton angeben: China und die USA sowie Indien und die übrigen BRICS-Staaten (die 2012 zusammen 61,8 % der weltweiten Emissionen verursachten). Bis 2020 werden neue Kohlekraftwerke mit insgesamt 400-600 GW Leistung gebaut werden. Die EU steckt tief in einer Rezession, durch die 3,8 Mio. Arbeitsplätze verloren gegangen sind und die Industrieproduktion um ca. 20 % gesunken ist, wohingegen die Zahl der Beschäftigten im Erneuerbare-Energien-Sektor und im Bereich Energiesparmaßnahmen gestiegen ist.

3.4

Allerdings gibt es auch sehr positive Signale im Bereich Klimaschutz:

So waren 2011 71,3% aller neuen Kraftwerke Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (d.h. 32,0 GW der 44,9 GW neuen Stromerzeugungskapazitäten insgesamt); 2012 lag dieser Anteil bei 69 % (d.h. 31,0 GW der 44,6 GW neuen Stromerzeugungskapazitäten insgesamt). 2011 wurden Kohlekraftwerke mit 2,1 GW Gesamtleistung neu in Betrieb genommen, gleichzeitig jedoch Kohlekraftwerke mit 840 MW Gesamtleistung abgeschaltet. 2012 lag die Leistung der abgeschalteten Kohlekraftwerke (5,4 GW) sogar über den Erzeugungskapazitäten der neu in Betrieb genommenen Kohlekraftwerke (3,0 GW), d.h. sie betrug beinahe das Doppelte.

Die hohen Gesamtemissionen aus China (26,7 % des weltweiten Klimagasausstoßes) müssen im Verhältnis zum Anteil Chinas an der Weltbevölkerung (19 %) gesehen werden. Verglichen mit der EU (7 % der Weltbevölkerung, 11,5 % der globalen THG-Emissionen) oder den USA (4,4 % der Weltbevölkerung und 16,8 % der globalen THG-Emissionen) liegt der Pro-Kopf-Klimagasausstoß in China immer noch auf einem relativ niedrigen Niveau. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass China sich zur Förderung von Windkraft und weiterer erneuerbarer Energien verpflichtet hat, indem es den Anteil nichtfossiler Brennstoffe in seinem Gesamtenergiemix erhöhen und seine CO2-Emissionen pro BIP-Einheit auf 40 bis 50 % bis 2020 senken will.

In den USA entwickeln sich erneuerbare Energien rasant. So war die Windkraft 2012 zum ersten Mal die führende Energiequelle für neue Stromerzeugungskapazitäten (43 % der neuen Stromerzeugungskapazitäten insgesamt und mehr als 13 GW Netzeinspeisung).

3.5

Die Welt ist nicht auf dem richtigen Kurs, um das internationale vereinbarte Ziel, die langfristige durchschnittliche Erderwärmung auf 2 °C zu begrenzen, zu erreichen. Die weltweiten Klimagasemissionen nehmen rasch zu, und im Mai 2013 überschritt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre 400 ppm.

3.6

Nach den bisher umgesetzten bzw. derzeit verfolgten Politikmaßnahmen zu urteilen ist von einem langfristigen durchschnittlichen Temperaturanstieg zwischen 3,6 °C und 5,3 °C (im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter) auszugehen, wobei der größte Teil der Erwärmung Klimamodellen zufolge in diesem Jahrhundert erfolgen wird.

3.7

Um eine realistische Chance zu wahren, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, müssen bis zum Jahr 2020, in dem ein neues Klimaabkommen in Kraft treten soll, wirksame Maßnahmen ergriffen werden. Energie steht im Zentrum dieser Herausforderung: Der Energiesektor ist für ca. zwei Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich, da über 80 % des weltweiten Energieverbrauchs aus fossilen Quellen gedeckt werden.

3.8

Trotz positiver Entwicklungen in einigen Ländern sind die energiebezogenen CO2-Emissionen im Jahr 2012 um 1,4 % gestiegen und erreichten mit 31,6 Gigatonnen (Gt) ein Rekordhoch. Der Anteil der Nicht-OECD-Länder an den weltweiten Emissionen ist von 45 % im Jahr 2000 auf derzeit 60 % angestiegen. China trug 2012 zwar am stärksten zur Erhöhung der weltweiten CO2-Emissionen bei, die Zuwachsrate war jedoch eine der niedrigsten in den letzten zehn Jahren, was zum einen auf den Ausbau der erneuerbaren Energien und zum anderen auf eine deutlich verbesserte Energieintensität der Wirtschaft zurückzuführen ist.

3.9

Eine Umstellung von Kohle auf Gas in der Stromerzeugung half, die Emissionen in den USA um 200 Millionen Tonnen (Mt) zu senken, so dass wieder das Emissionsniveau aus der Mitte der 1990er Jahre erreicht wurde. Trotz eines erhöhten Kohleverbrauchs gingen die Emissionen in Europa infolge der Wirtschaftskrise, des Ausbaus der erneuerbaren Energien sowie einer Emissionsobergrenze für Industrie- und Stromsektor um 50 Mt zurück. Die Emissionen in Japan stiegen um 70 Mt an, da die Bemühungen zur Verbesserung der Energieeffizienz den zusätzlichen Einsatz fossiler Brennstoffe zum Ausgleich der verringerten Stromerzeugung aus Kernenergie nicht vollständig kompensieren konnten. Selbst wenn man die Maßnahmen mitberücksichtigt, die derzeit verfolgt werden, wird erwartet, dass die energiebezogenen Treibhausgasemissionen im Jahr 2020 fast 4 Gt CO2-Äquivalente höher sein werden, als zur Erreichung des Zwei-Grad-Ziels erforderlich wäre. Dies weist auf die schwere Aufgabe hin, die es in diesem Jahrzehnt noch anzugehen gilt.

3.10

Die internationalen Klimaverhandlungen haben zu der Zusicherung geführt, dass bis 2015 ein neues Weltklimaübereinkommen ausgehandelt wird, das 2020 in Kraft treten soll. Jedoch hat die Wirtschaftskrise die Einführung sauberer Energietechnologien gehemmt und die Entwicklung des Kohlenstoffmarkts gestört. Derzeit unterliegen werden 8 % des weltweiten CO2-Ausstoßes einem CO2-Preis, während 15 % mit 110 USD pro Tonne in Form von Subventionen für fossile Brennstoffe gefördert werden (außerhalb der EU). Der EWSA fordert die Staatengemeinschaft auf, mit dem Klimaübereinkommen 2015 das bereits im Jahr 2012 im Abschlussdokument der Rio+20 Konferenz der Vereinten Nationen 2012 in Rio abgegebene Versprechen verbindlich umzusetzen, die Subventionen auf die umweltschädlichen fossilen Energieträger, die sich nach Schätzungen der Weltbank auf 780 Mrd. USD pro Jahr summieren, einzustellen.

3.11

In einigen Regionen werden Emissionssenkungen durch die Preisentwicklung von Erdgas und Kohle gefördert, in anderen jedoch unterlaufen; die Nutzung von Kernkraft ist problematisch, und CCS im Großmaßstab liegt noch in weiter Ferne. Trotz der wachsenden Bemühungen gibt es im Bereich der Verbesserung der Energieeffizienz noch ein riesiges unausgeschöpftes Potenzial. Die installierte Leistung staatlich geförderter erneuerbarer Energien (ohne Wasserkraft) verzeichnet zweistellige Wachstumsraten. Investitionen in erneuerbare Energieträger erfordern stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen hinsichtlich Kohlenstoffpreis und ggf. – wo diese eingeführt ist – Kohlenstoffsteuer.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Wie kann das Übereinkommen von 2015 gestaltet werden, damit gewährleistet ist, dass die Staaten eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung verfolgen können und gleichzeitig einen ausgewogenen und fairen Beitrag zur Minderung der globalen THG-Emissionen leisten, um die globalen Emissionen in eine Richtung zu lenken, bei der das 2 °C-Ziel erreicht werden kann? Es ist schwer vorstellbar, wie die verschiedenen Interessen von auch nur den Hauptakteuren im bisherigen, auf Emissionsrechtehandel ausgerichteten Verhandlungsformat miteinander vereinbart werden sollen, doch ist ein ausgewogener und fairer Beitrag aller die grundlegende Voraussetzung für ein künftiges Übereinkommen. Deshalb sollten zumindest ein Alternativkonzept für ein Übereinkommen entwickelt und Governanceaspekte bedacht werden. Es muss sichergestellt werden, dass Klimaschutzmaßnahmen dem Wachstum und der Entwicklung von Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt förderlich sind. Dies ist nur durch eine transparente und umfassende Bewertung der Wirksamkeit, Kosten und konkreten Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen auf die Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt möglich. Wir sollte Lehren aus dem Kyoto-Protokoll in seiner ganzen Vielschichtigkeit und mit all seinen Schlupflöchern ziehen. Es sollte als sinnvoller Ausgangspunkt für die Ausarbeitung eines neuen Konzepts herangezogen werden. Das verlängerte Kyoto-Protokoll (Kyoto II) und die Verteilung der Emissionsreduktionen rufen nach neuen Ansätzen.

4.2

Wie kann das Übereinkommen von 2015 den Beitrag aller großen Wirtschaftsmächte und Wirtschaftssektoren sichern und das potenzielle Risiko einer Verlagerung von CO 2 -Emissionsquellen zwischen stark konkurrierenden Wirtschaftssystemen minimieren? CO2-Verlagerung findet nicht nur in Verbindung mit von wirtschaftlichem Rückgang bedrohten energieintensiven Industriezweigen statt, sondern ist durch die allgemeinen Bedingungen für Unternehmenstätigkeit in den einzelnen Wirtschaftsgebieten bedingt. Unterschiedliche Regelungen für CO2-Emissionen, vor allem zwischen den am stärksten miteinander konkurrierenden Wirtschaftsregionen, haben zu einem Rückgang der Investitionen in der EU geführt. Ehrgeizige und realistische Maßnahmen und Ziele sollten in Konsens und Zusammenarbeit mit denjenigen Akteuren ausgearbeitet werden, die die Maßnahmen anschließend in die Praxis umsetzen müssen. Ein einfaches, gerechtes und faires Weltklimaübereinkommen 2015 ist somit Voraussetzung für ein gerechtes Wirtschaftsumfeld in allen Regionen der Weltwirtschaft.

4.3

Wie kann das Übereinkommen von 2015 die Einbeziehung des Klimawandels in relevante Politikbereiche am wirksamsten fördern? Wie kann es ergänzende Prozesse und Initiativen fördern, auch solche, die von nichtstaatlichen Akteuren durchgeführt werden? Es liegt auf der Hand, dass die Berücksichtigung des Übereinkommens von 2015 in alle relevanten Politikbereiche am wirksamsten gefördert werden kann, wenn es einfach gehalten wird. Ein Übermaß an organisatorischen Vorschriften würde seine Umsetzung erschweren. Es ist auch wichtig, die Einbeziehung des Klimawandels in andere Politikbereiche einer transparenten Folgenabschätzung zu unterziehen. Die Einbeziehung des Klimawandels in andere Politikbereiche muss so kosteneffizient und berechenbar wie möglich und ohne unnötigen Verwaltungsaufwand für die Betroffenen vollzogen werden. Marktbasierten Lösungen sollte der Vorzug gegeben werden.

4.4

Nach welchen Kriterien und Grundsätzen sollten die Klimaschutzlasten der Vertragsparteien des Übereinkommens von 2015 verteilt werden, um ein Spektrum an Verpflichtungen zu gewährleisten, die nationalen Umständen Rechnung tragen, weithin als gerecht und angemessen angesehen werden und zusammengenommen ausreichen, um Handlungsdefizite zu vermeiden? Wenn der Emissionsrechtehandel beibehalten wird, müssen Kriterien und Grundsätze festgelegt werden, und es würde immer der Vorwurf der Ungerechtigkeit laut. In jedem Fall sollte jedoch geprüft werden, wie sich die Marktentwicklung sowie geltende bzw. vorgeschlagene Klimaschutzvorschriften auf einen Sektor auswirken und welches Potenzial es in dem betreffenden Sektor noch für die Senkung des Klimagasausstoßes und den Einsatz energieeffizienter Technologien gibt. Um Erfolg und Nachhaltigkeit zu sichern, müssen allen Beteiligten Anreize geboten werden, um auf die Ziele hinzuarbeiten, wie Emissionssenkungen, Effizienzverbesserungen, Forschungszusammenarbeit, Austausch bewährter Verfahren usw. Die Erhebung einer Kohlenstoffsteuer kann auf die am besten koordinierte und wirksamste Weise Emissionssenkungen bewirken und Mittel für Forschung, Entwicklung und Anpassung generieren.

4.5

Welche Rolle sollte das Übereinkommen von 2015 bei der Lösung des Anpassungsproblems spielen und inwieweit sollten die laufenden Arbeiten im Rahmen der Rahmenkonvention berücksichtigt werden? In welcher Form kann das Übereinkommen von 2015 weitere Anreize für die Einbeziehung der Klimaanpassung in relevante Politikbereiche geben? Die Anpassung erfolgt relativ zielgerichtet und stützt sich weitgehend auf vorhandene Risikomanagementprogramme. Anpassungsmaßnahmen können zwar nicht alle durch den Klimawandel verursachten Bedrohungen beseitigen, jedoch in vielen Gebieten die Risiken begrenzen. Eine Verbesserung der Anpassungsfähigkeit erfordert weitere Analysen, Prioritätensetzung, Planung sowie Maßnahmen auf allen Regierungsebenen und die Einbindung der lokalen Gemeinschaften und Unternehmen. Es steht zu recht zu erwarten, dass die Anpassung eine der vier Säulen des künftigen Weltklimaübereinkommens 2015 sein wird. Den Unternehmen kommt durch den Technologietransfer und Austausch bewährter Praktiken eine wichtige Rolle zu.

4.6

Welche künftige Rolle sollten die Rahmenkonvention und vor allem das Übereinkommen von 2015 in der Dekade vor 2030 bei der Finanzierung, bei marktbasierten Mechanismen und bei der Technologieentwicklung spielen? Wie können die bisherigen Erfahrungen genutzt und Rahmenregelungen weiter verbessert werden? Die Rahmenkonvention sollte für die Koordinierung wichtiger Klimaschutzmaßnahmen sowie für die Überwachung der Leistung der Unterzeichnerstaaten, der wichtigsten Finanzströme und des Technologieaustauschs sorgen. Technologien und ihr Einsatz sind weitgehend Zuständigkeit der Unternehmen. Durch den Technologie-Exekutivausschuss und das Zentrum und Netzwerk für Klimaschutztechnologie kann die Rahmenkonvention Technologie-Gutachten erstellen und die Staaten umfassend informieren, so dass diese die am besten geeigneten Technologien aussuchen können.

4.7

Wie könnte das Übereinkommen von 2015 die Transparenz und Rechenschaftspflicht von Staaten global weiter verbessern? Inwieweit wird ein Rechnungslegungssystem weltweit einheitlich sein müssen? Wie sollten Staaten zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen? Egal wie, das Rechnungslegungssystem muss in jedem Fall weltweit einheitlich sein, da korrekte Informationen wesentlich sind, wenn es um Geld geht. Ein einheitliches Rechnungslegungssystem ermöglicht auch eine Rechenschaftspflicht im Rahmen des Weltklimaübereinkommens 2015.

4.8

Wie könnten die UN-Klimaverhandlungen dahingehend verbessert werden, dass bis 2015 ein inklusives, ambitiöses, wirksames und faires Klimaschutzübereinkommen erreicht wird und seine Durchführung gewährleistet ist? Damit das Klimaschutzübereinkommen auf zufriedenstellende Weise erreicht und umgesetzt werden kann, sind eine umfassende Einbindung aller Interessenträger und Transparenz notwendig. Die Unternehmen können ihren eigenen Sachverstand zu wirksamen Emissionssenkungsverfahren und Konzepten für nachhaltige Entwicklung in die Klimaverhandlungen einbringen. Durch eine allgemeine Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft können die Vergleichbarkeit der Anstrengungen und gleiche Ausgangsbedingungen sichergestellt werden. Das neue Weltklimaübereinkommen 2015 ist nur der erste Schritt, seine umfassende Umsetzung hängt von der Zivilgesellschaft insgesamt ab. Deshalb müssen das Verfahren und die praktischen Ergebnisse transparent und überzeugend sein, um das Vertrauen der Menschen in der ganzen Welt zu gewinnen.

4.9

Wie kann die EU am besten in Prozesse und Initiativen außerhalb der Rahmenkonvention investieren und diese fördern, um den Weg für ein ehrgeiziges und wirksames Übereinkommen für 2015 zu bereiten? Der Ausschuss begrüßt die durch dieses Kommissionsdokument eingeleitete Debatte. Unabhängige Sachverständigenanalysen aller Aspekte der Klimapolitik sind unabdinglich, zumal sich die globale geopolitische Landschaft verändert hat und weiter verändert. Es gibt bereits Analysen, so dass nicht von Null angefangen werden muss. Ein Beispiel ist das Schreiben des Wissenschaftsrats des Weißen Hauses an den US-Präsidenten, in dem die Belange des Klimawandels zusammengefasst werden. Die Erfahrungen mit dem Kyoto-Protokoll und die sich hinziehenden UN-Verhandlungen machen deutlich, dass Veränderungen vonnöten sind, bevor es zu spät ist. Außerdem sollten und könnten die Erkenntnisse und Empfehlungen von Sachverständigenorganisationen wie der IEA unverzüglich in die Praxis umgesetzt werden. Der World Energy Outlook - Sonderbericht der IEA "Neuentwurf der Energie-Klima-Landkarte" bietet einen pragmatischen und machbaren Ansatz. In dem Bericht werden vier grundlegende und praktisch durchführbare Maßnahmen dargelegt: die Verbesserung der Energieeffizienz in Gebäuden, in der Industrie und im Verkehr; die Begrenzung des Baus und der Nutzung ineffizienter Kohlekraftwerke; die Minimierung der Methan-Emissionen bei der Öl- und Gasförderung; und die Beschleunigung der teilweisen Einstellung von Subventionen für die Nutzung fossiler Brennstoffe.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 110.

(2)  ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 77.

(3)  ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 110.

(4)  ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 77.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/150


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Strategische Leitlinien für die nachhaltige Entwicklung der Aquakultur in der EU

COM(2013) 229 final

2014/C 67/30

Berichterstatter: José María ESPUNY MOYANO

Die Europäische Kommission beschloss am 29. April 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Strategische Leitlinien für die nachhaltige Entwicklung der Aquakultur in der EU

COM(2013) 229 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 1. Oktober 2013 an.

Der EWSA verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 122 gegen 3 Stimmen bei 6 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist der Ansicht, dass die Aquakultur der Europäischen Union wirkungsvoll dazu beitragen kann und muss, die wachsende Abhängigkeit Europas von der Einfuhr von Aquakulturerzeugnissen zu verringern.

1.2

Der EWSA empfiehlt der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten, weitreichende Maßnahmen zu fördern, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Aquakulturunternehmen wiederherzustellen.

1.3

Der EWSA erachtet die Zeiträume für die Erteilung von Zulassungen für Aquakulturunternehmen, die in vielen Mitgliedstaaten zurzeit bei über zwei oder drei Jahren liegen, für nicht hinnehmbar. Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der europäischen Aquakultur hält es der EWSA für wesentlich, die Verwaltungsverfahren zu beschleunigen und kostengünstiger zu machen.

1.4

Der EWSA nimmt die Schätzung, der zufolge jeder intern durch die Aquakultur der EU erzeugte Prozentpunkt des Verbrauchs zwischen 3 000 und 4 000 Vollzeitarbeitsplätze schaffen würde, besonders positiv entgegen, denn diese Arbeitsplätze wären einerseits qualifiziert und würden andererseits an Orten mit sehr wenigen Beschäftigungsalternativen angeboten.

1.5

Die unzureichende Umsetzung der Etikettierungsvorschriften für Aquakulturerzeugnisse (insbesondere unverpackte) mit Informationen für die Verbraucher an den Verkaufsstellen beunruhigt den EWSA nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Betrugs, sondern auch des unlauteren Wettbewerbs gegenüber den europäischen Erzeugern. Er fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten deshalb auf, wirksame Maßnahmen in die strategischen Pläne aufzunehmen, um diesen hartnäckig fortbestehenden Mangel zu beseitigen.

1.6

Der EWSA hält es für zweckmäßig, Kommunikationskampagnen durchzuführen, um den europäischen Verbrauchern die hohen Produktions- und Qualitätsstandards der in der Union praktizierten Aquakultur vor Augen zu führen. Diese Kampagnen sollten durch den nächsten Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) finanziert werden.

1.7

Der EWSA fordert erneut mit Nachdruck, die Einfuhrkontrollen von Aquakulturerzeugnissen in die EU zu verstärken, um ihre lückenlose Rückverfolgbarkeit und die Einhaltung der Vorschriften zu garantieren.

1.8

Der EWSA hält es für vorrangig, die Finanzierung für F+E+I-Projekte in der Aquakultur aufzustocken und dafür zu sorgen, dass sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Kommission ihre Programme und Pläne für Investitionen in Forschung und Innovation in der Aquakultur auf die Erreichung der Ziele ausrichten, die in dem 2012 veröffentlichten Strategiepapier der Technologie- und Innovationsplattform der europäischen Aquakultur (EATiP) festgelegt wurden.

1.9

Die wirtschaftliche Diversifizierung der Aquakultur (z.B. das Anbieten von Tourismusdienstleistungen) muss für die Erzeuger sowohl von Binnen- als auch von Meeresaquakultur und insbesondere für mittelständische Unternehmen (KMU) als Chance gefördert und erleichtert werden.

1.10

Der EWSA hebt hervor, wie wichtig es ist, den europäischen Charakter des Beirats für Aquakultur im Vergleich zum regionalen Aktionsradius der übrigen Beiräte anzuerkennen. Er vertritt diesbezüglich die Ansicht, dass die darin vertretenen Stellen (die eine direkte Beziehung zur Aquakultur haben müssen) europäisch oder in jedem Fall supranational aufgestellt sein müssen. Das muss sich in seiner Struktur und Finanzierung widerspiegeln.

1.11

Der EWSA stellt fest, dass die Europäische Kommission aufgrund der Multidisziplinarität der Aquakultur gewährleisten muss, dass der Beirat für Aquakultur eine direkte und vorrangige Beziehung zu den verschiedenen Generaldirektionen der Kommission unterhält.

1.12

Da die ersten Aufgaben, die dem Beirat für Aquakultur gemäß den strategischen Leitlinien der Europäischen Kommission übertragen wurden, in den ersten Monaten des Jahres 2014 erfüllt werden müssen, fordert der EWSA die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass es bei seiner Einrichtung und der Aufnahme seiner Tätigkeit nicht zu Verzögerungen kommt.

2.   Hintergrund

2.1

Im Zuge der laufenden Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) wird der Aquakultur eine besondere Rolle zuerkannt und die Förderung dieser Aktivität als eine der Prioritäten der GFP festgelegt.

2.2

In ihrem Vorschlag zur Gemeinsamen Fischereipolitik schlägt die Europäische Kommission vor, in Sachen Aquakultur eine Methode der offenen Koordinierung mit den Mitgliedstaaten einzurichten. Diese Methode besteht aus einem freiwilligen Prozess der Zusammenarbeit auf der Grundlage strategischer Leitlinien und mehrjähriger nationaler Strategiepläne, durch die das Subsidiaritätsprinzip gewahrt wird.

3.   Zusammenfassung des Vorschlags der Kommission

3.1

Die strategischen Leitlinien für die nachhaltige Entwicklung der Aquakultur in der EU wurden am 29. April 2013 von der Europäischen Kommission veröffentlicht (COM(2013) 229 final). Sie sind zwar unverbindlich, bilden jedoch die Grundlage der mehrjährigen nationalen Strategiepläne. Mit den strategischen Leitlinien sollen die Mitgliedstaaten dabei unterstützt werden, ihre eigenen nationalen Ziele unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Ausgangslage, ihrer nationalen Gegebenheiten und ihrer institutionellen Strukturen festzulegen.

3.2

Die strategischen Leitlinien beziehen sich auf vier vorrangige Bereiche:

Verwaltungsverfahren,

koordinierte Raumordnung,

Wettbewerbsfähigkeit und

gleiche Ausgangsbedingungen.

3.3

In den mehrjährigen nationalen Strategieplänen, die jeder der Mitgliedstaaten mit einem Interesse an Aquakultur aufzustellen hat, müssen gemeinsame Ziele und Indikatoren zur Messung der Fortschritte festgelegt werden. Die Strategiepläne sind der Kommission von den Mitgliedstaaten bis spätestens Ende 2013 vorzulegen.

3.4

Die mehrjährigen nationalen Strategiepläne müssen dazu dienen, die Wettbewerbsfähigkeit des Aquakultursektors zu fördern, seine Entwicklung und Innovation zu unterstützen, die Wirtschaftstätigkeit anzuregen, die Diversifizierung zu erhöhen, die Lebensqualität in den Küstengebieten und im ländlichen Raum zu verbessern sowie den Aquakulturbetreibern gleiche Bedingungen für den Zugang zu Gewässern und Gebieten zu garantieren.

3.5

Der Vorschlag zur Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik beinhaltet die Schaffung eines Beirats für Aquakultur, der zur Aufgabe hat, den EU-Organen Empfehlungen und Vorschläge zu Fragen im Zusammenhang mit dem Management der Aquakultur vorzulegen und über die Probleme der Branche zu informieren.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Auf dem EU-Markt werden jährlich ca. 13,2 Mio. Tonnen Aquakulturerzeugnisse konsumiert, von denen 65 % eingeführt werden, 25 % aus der extraktiven Fischerei der EU und nur 10 % aus der europäischen Aquakultur stammen. Der EWSA teilt die Meinung, dass dieses Ungleichgewicht weder wirtschaftlich (wegen des damit einhergehenden Handelsdefizits) noch sozial (aufgrund der mangelnden Ausnutzung von Beschäftigungsmöglichkeiten) nachhaltig ist.

4.2

Der EWSA nimmt die Angabe der Kommission, der zufolge jeder intern durch die Aquakultur der EU erzeugte Prozentpunkt des Verbrauchs zwischen 3000 und 4000 Vollzeitarbeitsplätze schaffen würde, befürwortend entgegen.

4.3

Deshalb stimmt der EWSA mit Rat, Parlament und Europäischer Kommission darin überein, dass die Aquakultur eine der Säulen der EU-Strategie für blaues Wachstum sein muss und ihre Entwicklung zur Europa-2020-Strategie beitragen kann. Die Aquakultur bietet Entwicklungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten in jenen Küsten- und Flussgebieten der Europäischen Union, in denen es wenige wirtschaftliche Alternativen gibt.

4.4

Aquakulturerzeugnisse werden von den europäischen Verbrauchern immer stärker nachgefragt. Die europäische Aquakultur bietet ihnen hochwertige Erzeugnisse an, die strengen Vorschriften hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit, Tiergesundheit und Verbraucherschutz genügen. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Versorgung mit sicheren, gesunden und nachhaltigen Nahrungsmitteln in der Europäischen Union als eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte angesehen werden muss.

4.5

Trotz dieser offensichtlichen Vorteile stagniert die Aquakulturerzeugung in der EU seit 2000. Indessen verzeichnet dieselbe Tätigkeit in anderen Weltregionen, die einen Teil ihrer Erzeugung in die Union ausführen, ein erhebliches Wachstum.

4.6

Der EWSA erkennt an, dass die europäischen Rechtsvorschriften im Bereich öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz und Umwelt zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören. Diese Vorschriften können sich jedoch spürbar auf die Produktionskosten der europäischen Aquakulturerzeuger auswirken, und die Mehrkosten können sich bisweilen im Preis der Erzeugnisse niederschlagen, die mit Einfuhren auf dem Markt konkurrieren müssen, die solchen Anforderungen nicht unterliegen.

4.7

Der EWSA ist der Ansicht, dass der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Wiedererlangung gleicher Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaftsteilnehmer der EU gegenüber denen von Drittstaaten bei Weitem nicht ausreicht. Die Wiederherstellung dieses Gleichgewichts ausschließlich auf Maßnahmen zu beschränken, um die Sicherheit und Nachhaltigkeit der Aquakulturerzeugnisse der EU zu zertifizieren und die Allgemeinheit hierüber zu informieren, ist eindeutig unbefriedigend und entbindet die Behörden keinesfalls von der Pflicht, von Einfuhren dieselbe Gesundheitssicherstellung zu fordern, die für die europäische Produktion verlangt wird – mit einer umfassenden Rückverfolgbarkeit "vom Meer bis auf den Tisch".

4.8

Das auf dem Markt der Europäischen Union herrschende Ungleichgewicht zwischen den Produktionsbedingungen der Aquakulturerzeugnisse, die in Europa erzeugt werden, und denen, die in Drittstaaten erzeugt und dann in die Union ausgeführt werden, ist nach Ansicht des EWSA wesentlich mehr als eine simple Frage der Aufklärung und Entscheidung der Verbraucher. Es müssen noch weitere Problemkreise berücksichtigt werden, wie die Verringerung überflüssiger Verwaltungskosten, der Zugang zu den Küsten- und Meeresgebieten oder die Mängel des Rückverfolgungssystems.

4.9

In der Praxis ist die Pflichtinformation, die den Verbrauchern an den Endverkaufsstellen stets zur Verfügung stehen sollte, häufig unvollständig oder irreführend und hat beispielsweise zur Folge, dass frische europäische Erzeugnisse durch aufgetaute Einfuhrprodukte ersetzt werden, ohne dass sich die Käufer dessen bewusst sind. Dadurch sind die Verbraucher nur bedingt in der Lage, verantwortungsvoll einzukaufen, und gleichzeitig bedeutet es unlauteren Wettbewerb gegenüber den Erzeugern aus der EU.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Der EWSA stimmt der Kommission zu, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen der Aquakultur und der Aquakulturerzeugnisse verarbeitenden Industrie Arbeitsplätze schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit beider Wirtschaftszweige erhöhen kann.

5.2

Der EWSA geht mit der Kommission in ihrer Einschätzung konform, dass die Information verbessert werden muss, die über den Stand der Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Zeiträume und Kosten für die Zulassung neuer Aquakulturanlagen in den Mitgliedstaaten zur Verfügung steht.

5.3

Der EWSA stimmt mit der Europäischen Kommission darin überein, dass die Umsetzung von Raumordnungsplänen im Bereich der Aquakultur dazu beitragen kann, Unsicherheiten abzubauen, Investitionen zu erleichtern, die unternehmerische Entwicklung zu beschleunigen und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern.

5.4

Nach Ansicht des EWSA wird der Binnenaquakultur in der Mitteilung der Europäischen Kommission nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet, vor allem in Bezug auf die Raumordnung.

5.4.1

Der EWSA schlägt der Europäischen Kommission vor, das Thema des für Sommer 2014 geplanten Seminars über bewährte Praktiken auf die koordinierte Ordnung des Flussraums (und nicht nur des Meeresraums) auszuweiten, um die Mitgliedstaaten bei ihrer Raumordnung zu unterstützen.

5.5

Der EWSA erkennt an, wie wichtig es ist, die Produktionstätigkeit der Aquakultur sachgemäß zu planen und zu kontrollieren, um unangemessene Umweltauswirkungen zu vermeiden. Er vertritt den Standpunkt, dass die Verwaltung der Aquakultur als Wirtschaftszweig nach einem ökosystembezogenen Ansatz erfolgen muss.

5.6

Der EWSA ist sich bewusst, dass die Entwicklung der Aquakultur auf einer engen Beziehung zu Wissenschaft und Forschung konsolidiert werden muss.

5.7

Der EWSA teilt die Meinung der Kommission in Bezug auf die Anerkennung der von der extensiven teichwirtschaftlichen Aquakultur erbrachten Umweltleistungen, denn sie ist ein Beispiel für eine Wirtschaftstätigkeit, die den Anforderungen an den Erhalt eines Lebensraums oder einer Art entsprechen kann.

5.8

Der EWSA hält die Initiative der Kommission, den nationalen und regionalen Verwaltungen Orientierungshilfe für eine bessere und einheitliche Umsetzung europäischer Rechtsvorschriften (z.B. im Umweltbereich) zu leisten, für angemessen.

5.9

Der EWSA billigt die Rolle des Beirats für Aquakultur und meint, dass dieser dazu beitragen kann, die Ziele der nationalen Strategiepläne zu erreichen und ihre angemessene Umsetzung zu überprüfen. Er möchte jedoch die Unterscheidungsmerkmale dieses Beirats im Vergleich zu denen der übrigen Beiräte hervorheben: Erstens umfasst sein Tätigkeitsbereich anders als bei der Fischerei, deren Bestände öffentliche natürliche Ressourcen sind, eine private Ressource, die Eigentum von Aquakulturunternehmen ist, und zweitens ist sein Aktionsradius nicht regional, sondern erstreckt sich auf die gesamte EU.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/153


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Grüne Infrastruktur (GI) — Aufwertung des europäischen Naturkapitals

COM(2013) 249 final

2014/C 67/31

Berichterstatter: Adalbert KIENLE

Die Europäische Kommission beschloss am 3. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Grüne Infrastruktur (GI) – Aufwertung des europäischen Naturkapitals

COM(2013) 249 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 1. Oktober an 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 134 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme.

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA begrüßt die Mitteilung der Kommission zur Grünen Infrastruktur (GI) und ihre Absicht, GI-Projekte durch ein Bündel von Maßnahmen zu fördern.

1.2

Der Ausschuss empfiehlt, die Erfahrungen bei der Umsetzung dieses Maßnahmenpaketes zu nutzen, um es zu der in der Biodiversitätsstrategie 2020 angekündigten Strategie für GI fortzuentwickeln.

1.3

Der EWSA unterstützt das Ziel, über Projekte zur GI ökologischen mit wirtschaftlichem und sozialem Nutzen zu verbinden. Angestrebt wird eine Infrastruktur mit natürlichen, naturnahen, genutzten oder urbanen Landschaftsstrukturen, die zur Erhaltung von Biodiversität und anderer Umweltfaktorenbeiträgt und zugleich kostengünstige und nachhaltige Leistungen für die Gesellschaft erbringt. Im Unterschied zu Natura 2000 handelt es sich bei der Förderung von GI nicht um ein Rechtsinstrument; es ist nicht Ziel der GI-Initiative, ein zusätzliches Naturschutz-Netzwerk über Natura 2000 hinaus zu schaffen.

1.4

Der EWSA stellt fest, dass die maßgebliche Verantwortung für GI Projekte bei den Mitgliedstaaten, insbesondere bei den Trägern der regionalen und lokalen Planung liegt. Der EU kommt bei der Förderung von GI in erster Linie eine unterstützende Rolle zu. Insbesondere ist das Konzept der GI in Politikbereiche wie Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Gewässer-, Meeres-, Fischerei-, Regional- und Kohäsionspolitik, Stadtplanung, Klimapolitik, Verkehrs- und Energiepolitik, Katastrophenschutz und Landnutzung sowie in die entsprechenden EU-Finanzierungsinstrumente unverzüglich wirkungsvoll zu integrieren.

1.5

Bei GI-Projekten von europaweiter Bedeutung muss die EU unmittelbar Verantwortung übernehmen. Der EWSA unterstützt den Vorschlag, analog zu den Transeuropäischen Netzwerken Verkehr, Energie und Telekommunikation – ein TEN-G zur Finanzierung grüner Infrastruktur einzuführen, mit einer Liste kartografisch dargestellter GI-Projekte von europaweiter Bedeutung.

1.6

Bei GI Projekten auf regionaler und lokaler Ebene sind Hauptakteure die Träger regionaler und lokaler Planung, die Städte und Gemeinden, die Träger von Infrastrukturprojekten in Bereichen wie Straßenbau, Bahn, Wasserbau und Hochwasserschutz, Land- und Forstwirte, Unternehmen und Bauherren, zivilgesellschaftliche Umweltschutzorganisationen und Gewerkschaften. Diese Akteure gilt es zu stärken. Denn der Erfolg von GI-Projekten hängt entscheidend davon ab, dass sie von diesen Akteuren initiiert, akzeptiert und getragen werden.

1.7

Der EWSA hält es für unabdingbar, der frühzeitigen Beteiligung der Zivilgesellschaft in GI-Projekte deutlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen, als dies in der Mitteilung der Kommission der Fall ist. Partizipative Planungsprozesse mit frühzeitiger Beteiligung der Bürger und zivilgesellschaftlichen Organisationen haben entscheidende Bedeutung.

1.8

Dabei ist zu beachten, dass GI-Projekte auch Konflikte zwischen den legitimen Interessen verschiedener Beteiligter hervorrufen können und daher geeignete Mechanismen zur Lösung von Konflikten, zum Interessenausgleich und zur Projektoptimierung vorgesehen werden müssen. Richtig gehandhabt, könnte GI dazu beitragen, die traditionellen Konfliktlinien im Naturschutz zwischen Schutz und Nutzung zu entschärfen oder zu überwinden. Der EWSA betont, dass zur Mobilisierung der erforderlichen privaten Investitionen ausreichende Anreize geschaffen werden müssen.

2.   Einleitung

2.1

Die Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt ist aufgrund des Eigenwertes der Biodiversität sowie aufgrund der von ihr – als Naturkapital – erbrachten Dienstleistungen von grundlegender Bedeutung für das menschliche Wohlergehen, den wirtschaftlichen Wohlstand und humane Lebensbedingungen. In ihrer Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020 (1) hat sich die Europäische Kommission daher das Ziel gesetzt, bis 2020 den Verlust an biologischer Vielfalt und die Verschlechterung der Ökosystemleistungen in der EU aufzuhalten und sie weitest möglich wiederherzustellen. Insbesondere sollen durch eine europäische GI-Strategie grüne Infrastrukturen gefördert werden.

2.2

Die von der Kommission am 6. Mai 2013 angenommene Mitteilung "Grüne Infrastruktur (GI) – Aufwertung des europäischen Naturkapitals" umfasst folgende Schwerpunkte:

Förderung von GI in wesentlichen Politikbereichen wie Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Gewässer-, Meeres-, Fischerei-, Regional- und Kohäsionspolitik, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, Verkehrs- und Energiepolitik, Katastrophenschutz und Landnutzung durch die Veröffentlichung von Leitlinien zur Integration des GI-Konzeptes in die Durchführung dieser Politiken im Zeitraum 2014 bis 2020;

Verbesserung der Forschung zu GI, der Daten- und Wissensgrundlage und Förderung innovativer Technologien;

Verbesserung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln für grüne Infrastrukturprojekte - bis 2014 Errichtung einer speziellen Fazilität der EU zur Unterstützung grüner Infrastrukturprojekte gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank;

Förderung grüner Infrastrukturprojekte auf EU-Ebene – bis Ende 2015 Prüfung der Entwicklung eines Netzes von Projekten grüner Infrastruktur mit EU-weiter Bedeutung im Rahmen einer TEN-G Initiative durch die Kommission.

2.3

In seiner Stellungnahme zur Biodiversitätsstrategie vom 26. Oktober 2011 (2) hatte der EWSA die Biodiversitätsstrategie im Grundsatz begrüßt, aber das Fehlen einer Analyse der Ursachen für die Verfehlung der Biodiversitätsziele kritisiert. Insbesondere der mangelnde politische Wille in den Mitgliedstaaten verhindere deren effektive Umsetzung.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Eine anschauliche Definition von GI wird von David Rose in "Green Infrastructure. A Landscape Approach" verwendet: "Als Grüne Infrastruktur werden Elemente bezeichnet, die die natürliche mit der baulichen Umwelt verbinden und Städte lebenswerter machen, wie z.B. Parks, Fußwege, begrünte Dächer, begrünte Straßen und der städtische Baumbestand. Auf der regionalen Ebene umfasst die grüne Infrastruktur das Netz aus natürlichen Gebieten, Grünflächen, grünen Wegen, (forst- und landwirtschaftlichen) Nutzflächen und weiteren Elementen, die allesamt einen vielfältigen Nutzen für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen und der Ökosysteme erbringen, (…)".

3.2

Beispiele für GI sind:

Die Schaffung oder Erhaltung natürlicher Überschwemmungsgebiete: Während ein Deich allein Überschwemmungen vorbeugt, filtern Überschwemmungsgebiete darüber hinaus das Wasser, stabilisieren den Grundwasserspiegel, bieten Erholungsmöglichkeiten, speichern CO2, liefern Nutzholz und tragen zur Vernetzung natürlicher Lebensräume bei.

Wälder, die eine gute Mischung von Art, Alter und Struktur aufweisen, absorbieren große Mengen Wasser und schützen den Boden, vermeiden Überschwemmungen und Erdrutsche bzw. verringern deren Folgen.

GI als integraler Bestandteil der Entwicklung von Siedlungsräumen: Richtig gestaltete Parks, Alleen, Wanderwege, begrünte Dächer und Wände stellen eine kosteneffiziente Verbesserung des Stadtklimas dar und steigern generell die städtische Lebensqualität. Überdies tragen sie zur biologischen Vielfalt und Bekämpfung des Klimawandels bei.

3.3

82 % der Flächen in der EU befinden sich außerhalb des Natura-2000-Netzes. Damit liegt es auf der Hand, dass die Erhaltung und Wiederherstellung von biologischer Vielfalt durch Förderung grüner Infrastruktur auch außerhalb von Natura 2000 sowohl für die Funktionsfähigkeit des Schutzgebietsnetzes als auch für die Bereitstellung von Ökosystemleistungen insgesamt unentbehrlich ist. Im Unterschied zu Natura 2000 handelt es sich bei der Förderung von GI nicht um ein Rechtsinstrument. Sie kann daher nicht die Umsetzung von Natura 2000 ersetzen, sondern ergänzt sie um eine weitere Komponente. Auf der anderen Seite ist es nicht Ziel der GI-Initiative, ein zusätzliches Naturschutz-Netzwerk über Natura 2000 hinaus zu schaffen. Der EWSA plädiert dafür, die GI-Initiative insbesondere auch dazu zu nutzen, den kooperativen Natur- bzw. Umweltschutz zu fördern und in allen Mitgliedstaaten deutlich voranzubringen.

3.4

Der EWSA unterstreicht die Dringlichkeit einer frühzeitigen und aktiven Beteiligung der Zivilgesellschaft an GI-Projekten, wie sie auch in dem Aarhus-Übereinkommen zur Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten vorgesehen ist. Zahlreiche Beispiele belegen, wie sehr der Erfolg von Projekten von der Zustimmung oder Ablehnung der Zivilgesellschaft abhängt. Deshalb sollte der Bottom-up-Ansatz sowie der Aufbau von Partnerschaften mit Beteiligten der Kommunen, Trägern von Infrastrukturprojekten, der Wirtschaft und Gewerkschaften, der Land- und Forstwirtschaft, der Wasserwirtschaft und des Küstenschutzes sowie von Umwelt-NGO in der Strategie der Europäischen Kommission sehr viel deutlicher zum Ausdruck kommen.

3.5

Der EWSA stellt mit Bedauern fest, dass es sich bei der Mitteilung der Kommission zur GI nicht um die in der Strategie zur Biodiversität 2020 angekündigte Europäische Strategie zur GI handelt. Der EWSA begrüßt gleichwohl die in der Mitteilung angekündigten Aktionen als Schritte in die richtige Richtung. Die Erfahrungen bei der Umsetzung dieser Maßnahmen sollten genutzt werden, um diese zu einer Strategie für GI fortzuentwickeln.

3.6

Der EWSA hält es für notwendig, noch mehr als in der Mitteilung geschehen Schwerpunkte bei der Umsetzung der GI zu setzen. Wie in der Biodiversitätsstrategie fehlt auch in der Mitteilung eine klare Analyse der Ursachen, warum sich grüne Infrastruktur nicht in ausreichendem Maße durchsetzt. Einem Mangel an politischem Willen in einzelnen Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Konzepte wird mit den vorgesehenen technischen Leitlinien und der Verbesserung der Informations- und Wissensgrundlage allein nicht beizukommen sein. Eine wirksame GI-Strategie setzt nach Meinung des EWSA ein stringentes Monitoring, eine kritische Analyse der Maßnahmen in den Mitgliedstaaten sowie erforderlichenfalls gezielte Folgemaßnahmen zur Unterstützung von Mitgliedstaaten oder Regionen mit deutlichen Defiziten voraus.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Rolle der EU bei der Förderung von GI

4.1.1

Die maßgebliche Verantwortung für GI Projekte liegt bei den Mitgliedstaaten, insbesondere bei den Trägern der regionalen und lokalen Planung. Der EU kommt hier in erster Linie eine unterstützende Rolle zu durch die öffentliche Verbreitung des Konzepts der GI sowie, wie in der Mitteilung der Kommission vorgesehen, durch die Bereitstellung geeigneter und gut zugänglicher Informations- und Wissensgrundlagen. Darüber hinaus haben die EU-Finanzierungsinstrumente erheblichen Einfluss auf die regionale und lokale Planung, weshalb die Integration des GI Konzeptes in diese Finanzierungsinstrumente hohe Priorität haben muss.

4.1.2

Bei bestimmten GI-Projekten von europaweiter Bedeutung muss die EU unmittelbar Verantwortung übernehmen. Solche Projekte beruhen typischerweise auf grenzüberschreitenden Landschaftseinheiten wie Gebirgszügen, Flüssen oder Waldgebieten. Als gelungenes Beispiel wird in der Mitteilung das europäische Grüne Band erwähnt. Besonderes Augenmerk sollte auch grenzüberschreitenden Flusstälern als Basis einer europäischen GI gewidmet werden. Gerade bei Flüssen wie der Donau oder Elbe, die in diesem Jahr erneut ernste Hochwasserschäden zu beklagen hatten, kann über GI Konzepte eine Verbesserung des Hochwasserschutzes mit der Erhaltung sensibler, für die Biodiversität europaweit bedeutsamer Gewässerzonen sowie der wirtschaftlichen und touristischen Entwicklung verbunden werden.

4.1.3

Der EWSA befürwortet die Förderung eines strategisch geplanten europäischen Netzwerks von GI-Projekten europaweiter Bedeutung mit einer Liste kartographisch dargestellter Projekte. Diesem Vorhaben muss im Rahmen einer TEN-G Initiative ein ähnlicher Stellenwert wie den europäischen Infrastrukturinitiativen in den Bereichen Verkehr, Energie und Telekommunikation eingeräumt werden.

4.2   Verbreitung des Konzepts der GI

Eine wesentliche Ursache für die unzureichende Verbreitung und Förderung von GI sieht der EWSA in dem mangelnden Wissen um das Konzept der GI und seine praktischen Vorteile, einschließlich möglicher Kostenvorteile. Richtigerweise setzt sich die Kommission daher zum Ziel, wichtige Interessenträger stärker für GI zu sensibilisieren, den Informationsaustausch zu bewährten Praktiken zu fördern und die Wissensgrundlage zur GI zu verbessern. Hierfür bieten insbesondere die sozialen Medien eine gute Plattform. Der EWSA hält den Gebrauch einer anschaulichen und für die Öffentlichkeit verständlichen Definition von GI für eine wesentliche Voraussetzung dieser Öffentlichkeitsarbeit. Die von der Kommission verwendete Definition erfüllt diese Anforderung nicht (3).

4.3   Berücksichtigung der spezifischen Situation in den jeweiligen Mitgliedstaaten

4.3.1

Die Situation in Bezug auf die Verfügbarkeit naturbelassener, naturnaher oder urbaner Flächen ist in den einzelnen Mitgliedstaaten und Regionen sehr unterschiedlich. Während in einigen dichtbesiedelten Regionen und Städten die Flächennutzung mit "grauer Infrastruktur" extrem hoch ist, verfügen andere Regionen über große naturbelassene Flächen. Bei europäischen Maßnahmen zur Förderung von GI muss differenziert werden zwischen solchen Regionen, in denen es um die Schaffung neuer GI geht, und anderen Gebieten, wo der Schwerpunkt eher bei der Erhaltung und Pflege der Landschaften liegt.

4.4   Integration in Schlüsselpolitikbereiche und deren Finanzierungsinstrumente

4.4.1

Richtigerweise wird der effektiven Integration von GI-Aspekten in eine große Brandbreite von Politikbereichen in der Mitteilung oberste Priorität eingeräumt.

4.4.2

Der EWSA begrüßt die Erarbeitung technischer Leitlinien mit Grundsätzen und Rahmenbedingungen für die Einbeziehung von GI-Aspekten in die Regional- und Kohäsionspolitik, die Klima- und Umweltpolitik, die Gesundheits- und Verbraucherpolitik sowie die Gemeinsame Agrarpolitik, einschließlich der dazugehörigen Finanzierungsmechanismen. Diese sollten rasch veröffentlicht werden, damit die Mitgliedstaaten, die schon jetzt an den operationellen Plänen arbeiten, die Leitlinien für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 nutzen können.

4.4.3

GI ist nicht nur auf öffentliche, sondern auch auf private Investitionen angewiesen. Der EWSA betont, dass private Investitionen in GI ausreichender Anreize bedürfen. Der EWSA begrüßt das Vorhaben der Errichtung einer speziellen EU-Finanzierungsfazilität gemeinsam mit der EIB.

4.5   Effektive Beteiligung der Zivilgesellschaft in der regionalen und lokalen Planung

4.5.1

Die Notwendigkeit der Integration von GI in die regionale Raumplanung und lokale Planung wird in der Mitteilung zwar erkannt, der EWSA vermisst aber diesbezüglich konkrete Maßnahmen im Aktionsplan. Gerade die Raum-, Landschafts- und Bauleitplanung vor Ort hat erhebliche Auswirkungen auf die Umsetzung der GI, kann aber aufgrund des Subsidiaritätsprinzips nur begrenzt von der europäischen Ebene beeinflusst werden.

4.5.2

Der EWSA fordert, besonders die frühzeitige Beteiligung der regionalen und lokalen zivilgesellschaftlichen Akteure sicherzustellen, ohne die Projekte zur GI nicht zu realisieren sein bzw. mangels Akzeptanz scheitern werden. Erforderlich sind partizipative Planungsprozesse, die diesen Akteuren eine aktive und gestaltende Rolle geben. Dabei sollte beachtet werden, dass es auch bei der Entscheidung über GI nicht nur Win-win-Konstellationen gibt, sondern einzelne Beteiligte gegebenenfalls auch Nachteile in Kauf nehmen müssen (z.B. wenn die Erhaltung von GI an Fluss- oder Seeufern Bauverbote zur Folge hat). Zielkonflikte aus konkurrierenden Nutzungsansprüchen (z.B. Nahrungsmittelerzeugung, Siedlungs- und Infrastruktur, Biotopverbund, Biodiversität) müssen klar angesprochen und Lösungswege aufgezeigt werden.

4.6   GI in urbanen Gebieten

4.6.1

Der EWSA sieht ein enormes Potenzial für GI-Maßnahmen in den städtischen Räumen. Dort bringen sie gesundheitliche Vorteile, verbessern das Stadtklima, schaffen Arbeitsplätze und erhöhen die Attraktivität der Städte. Gerade in den Städten kommt es darauf an, das Verständnis für GI-Lösungen – angefangen in den Schulen – zu verbessern und die aktive Mitarbeit der Zivilgesellschaft zu verstärken. Das derzeit große Interesse an urbanem Gartenbau und urbaner Landwirtschaft sieht der EWSA als starkes Zeichen für die Bereitschaft vieler Bürger, selbst zu intakten Ökosystemen beizutragen und neue Formen von Gemeinschaft und Gemeinsinn zu erproben.

4.7   Integration in Landwirtschaft und ländliche Entwicklung

4.7.1

Art und Umfang der Integration von GI hängen hier wesentlich von den Ergebnissen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und des mehrjährigen Finanzrahmens der EU für 2014-2020 (MFR) ab. Für beide Bereiche sind politische Übereinkommen erzielt worden. Der EWSA hat sich wiederholt für eine multifunktionale Landwirtschaft sowie für funktionsorientierte Direktzahlungen eingesetzt. Bei der jetzt anstehenden Agrarreform wurde im Sinne einer stärkeren Ökologisierung der europäischen Landwirtschaft u.a. die Gewährung der Direktzahlungen an die Erfüllung höherer Umweltstandards und an die Ausweisung ökologischer Vorrangflächen gebunden. Der EWSA wird die Beschlüsse zur GAP-Reform eingehend prüfen und mit seinen Positionen abgleichen.

4.7.2

Der EWSA erwartet, dass im Rahmen des Europäischen Fonds für die ländliche Entwicklung und insbesondere bei den Agrarumweltmaßnahmen weitere Leistungen im Sinne einer ökologischen Konnektivität erbracht werden. Wiederholt hat der EWSA darauf verwiesen, dass bei einem Großteil der Land- und Forstwirte eine positive Affinität zum Natur- und Biotopschutz besteht. Viele Modellprojekte belegen eindrucksvoll, dass in einem partnerschaftlichen Miteinander Positives bewirkt werden kann. Der EWSA regt an, dass sowohl extensiv als auch intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen, die ressourcenschonend bewirtschaftet werden, in GI-Projekte einbezogen werden. Freiwillige, produktionsintegrierte Maßnahmen sollten hier bevorzugt werden. Auch gilt es, die Potenziale von GI für die ländliche Entwicklung in sozialer und demografischer Hinsicht zu erschließen.

4.8   Verbindung GI zu anderen Politikbereichen

4.8.1

Integriertes Management von Gewässern und Küsten sollte die Potenziale der GI möglichst effektiv nutzen (4).

4.8.2

Die Verschlechterung der Ökosysteme in der EU ist vor allem eine Folge des zunehmenden Flächenverbrauchs, der Flächenfragmentierung und intensiveren Flächennutzung. GI kann dieser Entwicklung begegnen. Sie sollte durch verstärkte Maßnahmen in der europäischen Bodenschutzpolitik zur Reduktion des Flächenverbrauchs, einschließlich legislativer Schritte, unterstützt werden (5).

4.8.3

GI fungiert insbesondere durch den Schutz natürlicher Böden als CO2-Senke. Angesichts des generellen Ziels der Klimapoltik, die europäische Wirtschaft in Richtung einer kohlenstoffarmen und bio-basierten Wirtschaft zu entwickeln, werden gut funktionierende Ökosysteme umso wichtiger. Der vielfältige Nutzen von GI sollte in den Strategien der Mitgliedstaaten zur Anpassung an den Klimawandel besonders berücksichtigt werden.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2011) 0244 final.

(2)  Stellungnahme des EWSA "Eine Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 2020". ABI. C 24 vom 28.1.2012 S. 111-116.

(3)  COM(2013) 249 final, S. 3.

(4)  EWSA Stellungnahme zur "maritimen Raumplanung und zum integrierten Küstenzonenmanagement" (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(5)  EWSA Stellungnahme zum "7. Umweltaktionsprogramm" (Punkt 4.2.2) ABI. C 161 vom 6.6.2013, S. 77-81.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/157


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 302/2009 über einen mehrjährigen Wiederauffüllungsplan für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer

COM(2013) 250 final — 2013/133 (COD)

2014/C 67/32

Berichterstatter: Gabriel SARRÓ IPARRAGUIRRE

Das Europäische Parlament beschloss am 12. Mai 2013 und die Europäische Kommission am 28. Mai 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 43 Absatz 2 und Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 302/2009 des Rates über einen mehrjährigen Wiederauffüllungsplan für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer

COM(2013) 250 final — 2013/0133 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 1. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 137 gegen 2 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt diese Änderung der Verordnung (EG) Nr. 302/2009, denn sie macht deutlich, dass die Wiederauffüllung der Bestände des Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer tatsächlich Ergebnisse fruchtet.

1.2

Der Ausschuss bekräftigt seine Forderung an die Europäische Kommission, diese Verordnung konsequent auf alle Mitgliedstaaten und ICCAT-Vertragsparteien anzuwenden.

1.3

Der EWSA würdigt erneut die Anstrengungen, die die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und die Fischer in den letzten Jahren unternommen haben, um den anspruchsvollen Wiederauffüllungsplan zu erfüllen, mit allen sich daraus ergebenden sozialen und wirtschaftlichen Folgen, denen Rechnung zu tragen ist.

1.4

Der Ausschuss forderte die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Tätigkeiten auf dem Gebiet der Information und Sensibilisierung in Bezug auf den tatsächlichen Zustand des Roten Thun und die bei der Umsetzung des Wiederauffüllungsplans erzielten Ergebnisse zu verstärken.

1.5

Für eine erfolgreiche Erholung der Rot-Thun-Bestände ist es aus Sicht des EWSA unbedingt erforderlich, dass im Anschluss an Artikel 7 Absatz 6 ausdrücklich aufgezählt wird, welche Fanggeräte die Europäische Union für den ganzjährigen Einsatz zulässt.

2.   Einleitung

2.1

Die vorliegende Stellungnahme bezieht sich auf den Vorschlag COM(2013) 250 final, mit dem die Verordnung (EG) Nr. 302/2009 des Rates über einen mehrjährigen Wiederauffüllungsplan für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer erneut geändert wird.

2.2

Roter Thun gehört zu den wichtigsten, in der Internationalen Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik ("ICCAT") regulierten Arten. Die Europäische Union ist Vertragspartei der entsprechenden Konvention.

2.3

Die ICCAT führte 2006 einen Wiederauffüllungsplan für Roten Thun ein, der Anlass für die Verordnung (EG) Nr. 1559/2007 war. Darin wurde ursprünglich ein mehrjähriger Wiederauffüllungsplan für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer aufgestellt.

2.4

Infolge der von der ICCAT auf ihrer 16. Sondertagung 2008 angenommenen Empfehlung 08-05, mit der ein neuer Wiederauffüllungsplan für Roten Thun eingeführt wurde, wurde die Verordnung (EG) Nr. 1559/2007 durch die Verordnung (EG) Nr. 302/2009 abgeändert.

2.5

Auf ihrer 17. Sondertagung 2010 hat die ICCAT die Empfehlung 10-04 zur Änderung des bis dahin geltenden Wiederauffüllungsplans angenommen, in der sie eine weitere Verringerung der zulässigen Gesamtfangmengen (TAC) und eine Verstärkung der Maßnahmen zur Reduzierung der Fangkapazitäten sowie der Fischereikontrolle vorsieht. Daraufhin erfolgte eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 302/2009 durch Erlass der Verordnung (EU) Nr. 500/2012, um diese internationalen Erhaltungsmaßnahmen auf EU-Ebene umzusetzen.

2.6

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hatte zu diesen beiden Verordnungen sowie zu der letzten Änderung zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission jeweils eine befürwortende Stellungnahme abgegeben. Darin würdigte er die Anstrengungen der Mitgliedstaaten wie auch der Fischer, um den anspruchsvollen Wiederauffüllungsplan für Roten Thun der ICCAT zu erfüllen, und forderte die Fortsetzung der wissenschaftlichen Forschung.

3.   Wissenschaftlicher Standpunkt

3.1

Seit der 16. Sondertagung der ICCAT im Jahr 2008 ist eine Erholung der Biomasse an Rotem Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer zu beobachten.

3.2

Der Ständige Ausschuss für Forschung und Statistik (SCRS) - der wissenschaftliche Beirat der ICCAT - trifft in seinem zusammenfassenden Bericht 2012 (1) unter anderem folgende Aussage:

3.2.1

Seit 1998 gelten für die Wirtschaftseinheiten Ostatlantik und Mittelmeer Fangbeschränkungen. 2002 legte die Kommission eine zulässige Gesamtfangmenge (TAC) für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer von 32 000 t für die Jahre 2003-2006 und von 29 500 t bzw. 28 500 t für 2007 bzw. 2008 fest. Später wurden dann die TAC für die Jahre 2009, 2010 und 2011 auf 22 000 t, 19 950 t und 18 500 t festgelegt. Für 2010 wurde die TAC jedoch noch einmal auf 13 500 t abgeändert und zudem wurde ein Rahmen für künftige TAC (ab 2011) vorgegeben. Dieser Rahmen gab TAC in einer Größenordnung vor, die ein Wiederauffüllen der Biomasse im Zeitraum 2010-2022 erlauben soll, die mit mindestens 60 %iger Wahrscheinlichkeit dem höchstmöglichen Dauerertrag (MSY) entspricht. Die TAC für 2011 und 2012 wurden auf 12 900 t festgesetzt.

3.2.2

Die ICCAT-Empfehlung 10-04 aus dem Jahr 2010 war ein wichtiger Impuls für die Wiederauffüllung der Bestände des Roten Thun, denn darin wurde nicht nur eine weitere Verringerung der zulässigen Gesamtfangmenge (TAC) auf 12 900 t für 2011 und 2012 festgelegt, sondern auch entschlossen auf die Verringerung der Fangkapazitäten und auf Kontrollmaßnahmen hingewirkt. Im Ergebnis verringerte sich die Zahl der Fischereifahrzeuge erheblich und erfolgte eine wirksame Kontrolle der Fänge.

3.2.3

Schätzungen der Fangmengen anhand der Bemessung der Kapazität sind zwar mit Vorsicht zu genießen, doch nach Ansicht des SCRS ist es infolge der Umsetzung des Wiederauffüllungsplans, der Überwachungsmaßnahmen und der Kontrolle der Umsetzung zu einem spürbaren Rückgang der Fangmengen im Ostatlantik und im Mittelmeer gekommen.

3.2.4

Zudem wurden bei Prospektionen aus der Luft häufigere Vorkommen und größere Konzentrationen von kleineren Roten Thunfischen festgestellt, was ebenfalls Ausdruck dafür sein kann, dass die Bestimmungen über eine größere Mindestgröße positive Ergebnisse zeitigen. Die Empfehlung 06-05 führte zu besseren Erträgen pro Fisch im Vergleich zum Beginn der 2000er Jahre sowie zu einer stärkeren Nachwuchsgeneration für die Laicherbiomasse, da mehr Jungfische überleben.

3.2.5

Die Umsetzung der jüngsten Verordnungen und der älteren Empfehlungen hat sich eindeutig in einer Verringerung der Fangmengen und der fischereilichen Sterblichkeit niedergeschlagen. Alle CPUE-Indizes (Fang pro Aufwandseinheit) zeigten in den letzten Jahren eine steigende Tendenz. Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Beibehaltung der Fangmengen in Höhe der derzeit geltenden TAC (12 900 t) bzw. der TAC von 2010 (13 500 t) gemäß dem derzeitigen Ausrichtungsprogramm eine Vergrößerung der Bestände in diesem Zeitraum ermöglichen dürfte. Dies steht im Einklang mit dem Ziel, bis zum Jahr 2022 mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 60 % die Sterblichkeit und die Biomasse des höchstmöglichen Dauerertrags zu erreichen.

3.3

Der EWSA begrüßt den Bericht des wissenschaftlichen Beirats der ICCAT, der eine klare Tendenz zur Erholung der Bestände des Roten Thun deutlich macht, denn darin wurden alle legislativen Vorschläge der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit dem mehrjährigen Wiederauffüllungsplan für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer unterstützt.

4.   Änderungen in der ICCAT-Empfehlung

4.1

Die ICCAT-Kommission hatte 2012 eine neue Empfehlung (Nr. 12-03) in Bezug auf ihren mehrjährigen Wiederauffüllungsplan für den Zeitraum von 15 Jahren (2007-2022) angenommen.

4.2

In dieser Empfehlung wird die TAC ab 2013 auf 13 500 t pro Jahr festgelegt, und zwar so lange, bis die TAC auf Anraten des SCRS wieder geändert wird. Von diesen 13 500 t sind 7 548,06 t der Europäischen Union zugeteilt. Nach mehreren Jahren mit immer neuen Kürzungen der TAC und zahlreichen Anstrengungen zur Erholung des Roten Thun hat sich in diesem Jahr dieser Trend umgekehrt und wurde die TAC entsprechend den wissenschaftlichen Empfehlungen um 600t erhöht.

4.3

Zur besseren Anpassung der Fangzeiten an die jeweilige Flottentätigkeit sieht die Empfehlung überdies eine Änderung der Fangzeiten vor, die nun im Unterschied zu den bislang in den ICCAT-Empfehlungen festgelegten Schonzeiten als erlaubte Fangzeiten festgelegt sind.

4.4

Zudem wurden die Zeiten geändert, zu denen der Fang mit Ringwadenfängern, Köderschiffen und Schleppanglern erlaubt ist.

4.5

Um Unklarheiten bezüglich der Fanggeräte auszuschließen, die keinerlei spezifischen Vorschriften bezüglich der Fangsaison unterliegen, war es schließlich erforderlich, eine Bestimmung aufzunehmen, nach der die Befischung mit allen anderen Fanggeräten ausdrücklich ganzjährig erlaubt ist.

4.6

Hinsichtlich der Aufteilung der der EU zugewiesenen Fangquoten in ICCAT-Gewässern für das Jahr 2013 hat der Rat bereits die entsprechende Verordnung für die TAC und Quoten erlassen (2), in der die Quoten für die einzelnen Mitgliedstaaten sowie die Fangzeit für Ringwadenfänger auf den Zeitraum vom 26. Mai bis 24. Juni 2013 festgesetzt werden, damit die Mitgliedstaaten ausreichend Zeit für die Planung der Fangzeit haben.

4.7

Die EWSA kann alle in der ICCAT-Empfehlung 12-03 vorgenommenen Änderungen nachvollziehen, würdigt das Engagement der Europäischen Kommission, der Mitgliedstaaten und der Fischer zur Umsetzung des mehrjährigen Wiederauffüllungsplans für Roten Thun und fordert die Europäische Kommission auf, ihre diesbezüglichen Anstrengungen fortzusetzen.

5.   Änderung der Verordnung (EG) Nr. 302/2009

5.1   Unter Berücksichtigung der bisherigen Darlegungen ist festzustellen, dass mit dem Verordnungsvorschlag Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 302/2009 geändert wird, in dem die Fangzeiten für Roten Thun für die einzelnen zugelassenen Arten von Fischereifahrzeugen festgelegt werden.

5.2   Artikel 7 erhält folgende Fassung:

"Fangzeiten

1)

Der Fang von Rotem Thun mit großen pelagischen Langleinenfängern von über 24m Länge ist im Ostatlantik und im Mittelmeer in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai erlaubt, ausgenommen in dem Gebiet westlich 10° W und nördlich 42° N, wo dieser Fang vom 1. August bis 31. Januar erlaubt ist.

2)

Der Fang von Rotem Thun mit Ringwadenfängern ist im Ostatlantik und im Mittelmeer in der Zeit vom 26. Mai bis 24. Juni erlaubt.

3)

Der Fang von Rotem Thun mit Köderschiffen und Schleppanglern ist im Ostatlantik und im Mittelmeer in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Oktober erlaubt.

4)

Der Fang von Rotem Thun mit pelagischen Trawlern ist im Ostatlantik in der Zeit vom 16. Juni bis 14. Oktober erlaubt.

5)

Der Fang von Rotem Thun im Rahmen der Freizeitfischerei und der Sportfischerei ist im Ostatlantik und im Mittelmeer in der Zeit vom 16. Juni bis 14. Oktober erlaubt.

6)

Der Fang von Rotem Thun mit anderen als den in den Absätzen 1 bis 5 genannten Fanggeräten ist ganzjährig erlaubt."

5.3   Der EWSA hält diese Änderung der Verordnung (EG) Nr. 302/2009 für logisch und befürwortet sie deshalb, denn in Artikel 7 der geänderten Fassung werden nunmehr mit größerer Klarheit "erlaubte Fangzeiten" festgelegt, im Unterschied zur früheren Fassung dieses Artikels, wo von "Schonzeiten" die Rede war. Zugleich wurden die Zeiten geändert und angepasst, zu denen der Fang mit Ringwadenfängern, Köderschiffen und Schleppanglern erlaubt ist, und die Fanggeräte aufgeführt, die keinerlei spezifischen Vorschriften bezüglich der Fangsaison unterliegen und deshalb ganzjährig verwendet werden können. In diesem Zusammenhang hält es der Ausschuss für angezeigt, Artikel 7 Absatz 6 um folgende Formulierung zu ergänzen: "in Übereinstimmung mit den in der Empfehlung 12-03 festgelegten Erhaltungs- und Planungsmaßnahmen".

5.4   In Bezug auf die zulässigen Fanggeräte ist es nach Ansicht des Ausschusses zur Gewährleistung der Erholung der Rot-Thun-Bestände unbedingt erforderlich, im Anschluss an Artikel 7 Absatz 6 ausdrücklich aufzuzählen, welche Fanggeräte die Europäische Union für den ganzjährigen Einsatz zulässt.

6.   Allgemeine Bemerkungen

6.1

Der EWSA begrüßt diese Änderung der Verordnung (EG) Nr. 302/2009, denn sie macht deutlich, dass die in den einzelnen Jahren jeweils angewandten Vorschriften und eingeführten Änderungen in den ersten sechs Jahren des auf 15 Jahre angelegten mehrjährigen Plans zur Wiederauffüllung der Bestände des Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer tatsächlich Ergebnisse fruchten.

6.2

Der Ausschuss bekräftigt seine Forderung an die Europäische Kommission, diese Verordnung konsequent auf alle Mitgliedstaaten und ICCAT-Vertragsparteien anzuwenden.

6.3

Der EWSA würdigt erneut die Anstrengungen, die die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und die Fischer in den letzten Jahren unternommen haben, um den anspruchsvollen Wiederauffüllungsplan zu erfüllen, mit allen sich daraus ergebenden sozialen und wirtschaftlichen Folgen, denen Rechnung zu tragen ist.

6.4

Der Ausschuss würdigt auch ausdrücklich die Arbeit und Anstrengungen der wissenschaftlichen Einrichtungen sowohl in den Mitgliedstaaten als auch der anderen Vertragsparteien, der Europäischen Kommission und der ICCAT, um den mehrjährigen Wiederauffüllungsplan für Roten Thun genau umzusetzen. Er zollt auch der Europäischen Fischereiaufsichtsagentur Anerkennung für ihre Tätigkeit.

6.5

Der Ausschuss fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten schließlich auf, ihre Tätigkeiten auf dem Gebiet der Information und Sensibilisierung in Bezug auf den tatsächlichen Zustand des Roten Thun und die bei der Umsetzung des Wiederauffüllungsplans erzielten Ergebnisse zu verstärken.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  http://www.iccat.es/Documents/SCRS/ExecSum/BFT_ES.pdf

(2)  Verordnung (EU) Nr. 40/2013, ABl. L 23 vom 25.1.2013.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/160


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel

COM(2013) 216 final

2014/C 67/33

Berichterstatterin: Isabel CAÑO AGUILAR

Die Europäische Kommission beschloss am 16. April 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel

COM(2013) 216 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 1. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 134 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 8 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss befürwortet die von der Kommission vorgeschlagene Strategie zur Anpassung an den Klimawandel und betont in Anbetracht der negativen Auswirkungen des Klimawandels, die sich in Europa bereits bemerkbar gemacht haben, dass Eindämmungsmaßnahmen von vorrangiger und grundlegender Bedeutung sind.

1.2

Bei der Umsetzung der neuen Anpassungsstrategie muss berücksichtigt werden, dass aufgrund des Temperaturanstiegs in Europa und womöglich häufigerer Extremereignisse mehr Personen-, Wirtschafts- und Umweltschäden auftreten können als zunächst erwartet.

1.3

In der Anpassungsstrategie müssen spezifische Maßnahmen für die städtischen Gebiete, in denen drei Viertel der europäischen Bevölkerung leben, sowie für die ländlichen Gebiete, die für Klimaschwankungen besonders anfällig sind, vorgesehen werden.

1.4

Da die Anstrengungen der Mitgliedstaaten ausschlaggebend sind, müssen die in einigen Bereichen nur unzureichenden Fortschritte seit der Veröffentlichung des Weißbuchs 2009 moniert werden. Die Kommission muss in Betracht ziehen, im Einklang mit den ihr durch den AEUV übertragenen Zuständigkeiten eine aktivere Rolle zu übernehmen.

1.5

Nach Meinung des Ausschusses ist es von großer Bedeutung, dass im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 20 % des Gesamtbudgets für klimarelevante Maßnahmen vorgesehen sind. Der Betrag von insgesamt 192 Milliarden EUR für diese Maßnahmen stellt eine umfangreiche Aufstockung dar.

1.6

Sowohl in der neuen Anpassungsstrategie als auch im MFR sind Fortschritte erkennbar, was die bereichsübergreifende Verankerung der Klimaschutzmaßnahmen in den verschiedenen Politiken und Finanzinstrumenten der Union angeht.

1.7

Die Kommission sollte ausführlicher die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten darlegen und auch auf die unerlässlichen Beiträge der Mitgliedstaaten, der Unternehmen und der Familien eingehen.

1.8

Der Ausschuss fordert diejenigen Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, schleunigst nationale Anpassungsstrategien aufzustellen und konsequent umzusetzen.

1.9

Vorbehaltlich seiner in dieser Stellungnahme vorgetragenen Bemerkungen ist der Ausschuss generell mit den von der Kommission vorgeschlagenen Aktionen einverstanden.

1.10

Der Ausschuss schlägt vor, gezielt zu untersuchen, welche strukturellen Veränderungen die Anpassungsstrategie in bestimmten politischen Bereichen sowie bei der Herstellung von Gütern und der Erbringung von Dienstleistungen erforderlich machen wird, wobei u.a. die Auswirkungen auf die Beschäftigung, die Industrie, das Baugewerbe sowie auf F+E+I zu bedenken sind.

2.   Inhalt der Kommissionsmitteilung

2.1

In dem 2009 veröffentlichten Weißbuch über die Anpassung an den Klimawandel (1) schlug die Kommission eine Rahmenregelung vor, die in zwei Phasen umgesetzt werden sollte. In der ersten Phase (2009-2012) sollte eine 33 Aktionen umfassende Anpassungsstrategie festgelegt werden.

2.2

In der neuen Mitteilung nun geht es um eine zweite, an drei Zielen ausgerichtete Phase:

Förderung von Maßnahmen der Mitgliedstaaten;

Besser fundierte Entscheidungsfindung;

EU-Maßnahmen zur Klimasicherung: Förderung der Anpassung in vulnerablen Schlüsselsektoren.

Zu diesen Zielen werden insgesamt 8 Aktionen vorgeschlagen.

2.3

Wenn kohärente, flexible und partizipatorische Ansätze in den Vordergrund gestellt werden, ist es der Kommission zufolge billiger, frühe, durchdachte Anpassungsmaßnahmen zu treffen, als den Preis dafür zu bezahlen, dass keine Anpassung erfolgte. Verschiedenen Schätzungen zufolge wird der sich abzeichnende fortschreitende Klimawandel, zumal bei Eintritt seiner ungünstigsten Auswirkungen, hohe wirtschaftliche Kosten für die EU verursachen, wenn keine geeigneten Maßnahmen ergriffen werden (2).

2.4

Die Anpassungsmaßnahmen müssen ebenso auf lokaler wie auch auf regionaler und nationaler Ebene durchgeführt werden.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Ausschuss befürwortet die von der Kommission vorgeschlagene Strategie zur Anpassung an den Klimawandel und unterschreibt ihre Aussage, dass Unsicherheit nicht als Vorwand für Untätigkeit angeführt werden darf. Gleichzeitig betont er, dass Eindämmungsmaßnahmen von vorrangiger und grundlegender Bedeutung sind, da sämtliche vorliegenden Daten hinreichend veranschaulichen, dass sich der Klimawandel in Europa bereits negativ ausgewirkt hat und sich seine Folgen künftig noch verschlimmern werden.

3.2

Mitte der 90er Jahre begann die EU, dafür zu werben, den globalen Temperaturanstieg auf 2 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, ein Ziel, das schließlich auf der UN-Klimakonferenz 2010 in Cancún festgeschrieben wurde. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine einschneidende Senkung der Klimagasemissionen vonnöten, doch scheint die Entwicklung eher in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Bei der Umsetzung der neuen Anpassungsstrategie muss berücksichtigt werden, dass die Temperatur in Europa schneller steigt als im globalen Durchschnitt, sodass aufgrund womöglich häufigerer Extremereignisse mehr Personen-, Wirtschafts- und Umweltschäden auftreten können als zunächst erwartet.

3.3

Der Ausschuss betont, dass in den städtischen Gebieten, in denen drei Viertel der europäischen Bevölkerung leben, die Versiegelung der Landschaft dazu führt, dass die durch bestimmte Naturereignisse verursachten Schäden zunehmen. U.a. Hitzewellen und Hochwasser gefährden Familien – insbesondere schutzbedürftige Personen wie Kinder und ältere Menschen – Wirtschaft, Fremdenverkehr sowie Infrastrukturen und wirken sich negativ auf Beschäftigung und Lebensqualität aus. Die ländlichen Gebiete ihrerseits sind besonders anfällig für Klimaschwankungen, die sich negativ auf die Land-, Vieh- und Forstwirtschaft auswirken und zu Landflucht und Verarmung führen können.

3.4

Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Anpassung an den Klimawandel ist die sich in Abhängigkeit von Zeit und Mikroregion verändernde Variabilität der Klimaindikatoren. Dabei geht es vor allem um Temperaturen, Schnee und Regen, Wind und Feuchtigkeit. Stadtentwicklungs- und Bauleitplanungsvorschriften müssen an künftige Höchst- und Niedrigstwerte angepasst werden. Wälder bspw. müssen resistent genug sein, um dem stärksten Sturm standzuhalten, der in ihrem zumeist 100-jährigen Wachstumszyklus auftritt.

3.5

Die Anpassung an den Klimawandel wird unvermeidlich Kosten verursachen, die je nach den Berechnungsgrundlagen der Staatsverschuldung unter die implizite Staatsverschuldung fallen. Wenn dadurch ein zusätzliches öffentliches Haushaltsdefizit entsteht, werden aus den impliziten explizite Schulden. Indes können kostspielige Schäden bspw. durch Hochwasserschutzmaßnahmen vermieden werden. Die Ergebnisse der Investitionen in Anpassungsmaßnahmen fallen je nach Finanzierungsquelle - EU, Mitgliedstaat, Unternehmen oder Familie - sehr unterschiedlich aus. In der Mitteilung werden nur die EU-Finanzierungsmöglichkeiten einigermaßen ausführlich erläutert. Es wird jedoch notwendig sein, über wirksame Strukturen auf alle diese Quellen im gebotenen Umfang zuzugreifen.

3.6

Bislang haben 15 EU-Mitgliedstaaten nationale Anpassungsstrategien angenommen, doch nur 13 haben spezifische Aktionspläne aufgestellt. Trotz der gebotenen Dringlichkeit befindet sich der Anpassungsprozess der Kommission zufolge vier Jahre nach Veröffentlichung des Weißbuchs "in den meisten Fällen (…) noch im Anfangsstadium, und es gibt noch relativ wenige konkrete Maßnahmen vor Ort". Der Ausschuss fordert deshalb diejenigen Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, schleunigst nationale Anpassungsstrategien aufzustellen und konsequent umzusetzen.

3.7

Im Rahmen der EU-Anpassungsstrategie nimmt die Kommission bislang eine unverzichtbare Rolle wahr und unterstützt, fördert und koordiniert die Entscheidungen der Mitgliedstaaten, die letztlich die Hauptverantwortung für die Annahme wirksamer und koordinierter Klimaschutzmaßnahmen tragen. Die Anstrengungen der Mitgliedstaaten sind ausschlaggebend, und deshalb müssen die nur unzureichenden Fortschritte moniert werden, die seit der Veröffentlichung des Weißbuchs in einigen Bereichen erzielt wurden. Die Kommission muss darum in Betracht ziehen, im Einklang mit den ihr durch den AEUV übertragenen Zuständigkeiten eine wesentlich aktivere Rolle im Klimaschutz zu übernehmen.

3.8

In ihrem Vorschlag für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2014-2020 (3) sprach die Kommission sich dafür aus, 20 % des Gesamtbudgets für klimarelevante Maßnahmen vorzusehen. Nach Meinung des Ausschusses ist es von großer Bedeutung, dass Rat und Europäisches Parlament dem zugestimmt haben. Im neuen MFR machen die klimarelevanten Maßnahmen insgesamt (Eindämmungs- und Anpassungsmaßnahmen) ca. 192 Mrd. EUR aus. Dies stellt eine umfangreiche Aufstockung gegenüber dem MFR 2007-2013 dar, in dem für Anpassungsmaßnahmen lediglich 6 Mrd. EUR vorgesehen waren.

3.9

Der Ausschuss erachtet es als wesentlich, die Klimaschutzmaßnahmen bereichsübergreifend in den verschiedenen Politiken und Finanzinstrumenten der Union (Kohäsionsfonds, Strukturfonds, FuE, GAP, TEN usw.) zu verankern. Sowohl in der neuen Klimastrategie als auch im MFR 2014-2020 sind diesbezüglich Fortschritte erkennbar.

3.10

Die Verschlimmerung der Auswirkungen des Klimawandels und die Eindämmungs- und Anpassungsmaßnahmen der EU bedeuten einen erhöhten Arbeitsaufwand für die Europäische Umweltagentur, und deshalb schlägt der Ausschuss vor, eine Aufstockung ihrer personellen und finanziellen Mittel in Betracht zu ziehen.

3.11

Nach Meinung des Ausschusses muss eine Anpassungsstrategie den Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit Rechnung tragen, die bereits in Studien untersucht worden sind (u.a. Impacts of climate change in human health in Europe. PESETA-Human health study, 2009), sowie einer angemessenen Notdienstversorgung bei extremen Wetterereignissen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Aktion 1: Sensibilisierung der Mitgliedstaaten für umfassende Anpassungsstrategien

4.1.1

Die Kommission will bis 2014 einen Anzeiger für Anpassungsvorsorge entwickeln. 2017 wird sie auf der Grundlage der Berichte gemäß der Monitoring-Verordnung (die derzeit umgesetzt wird) und dieses Anzeigers prüfen, ob die Maßnahmen ausreichen, und erforderlichenfalls ein rechtsverbindliches Instrument vorschlagen.

4.1.2

Der Ausschuss befürwortet eine mögliche Anwendung von Artikel 192 AEUV hinsichtlich Gesetzgebungsverfahren in Umweltangelegenheiten. In eventuellen europäischen Rechtsvorschriften müssten spezifische Maßnahmen, Durchführungsfristen, Überwachungsverfahren und ggf. Nichterfüllungsstrafen vorgesehen werden. Aufgrund der gebotenen Dringlichkeit sollten die vorgeschlagenen Fristen überdacht werden.

4.2   Aktion 2: Bereitstellung von LIFE-Mitteln zur Förderung des Kapazitätsaufbaus und zur Beschleunigung von Anpassungsmaßnahmen in Europa (2013-2020)

4.2.1

Der Ausschuss hat die vorgeschlagene LIFE-Verordnung bereits begrüßt und die Mittelaufstockung auf 3,2 Mrd. EUR für den Zeitraum 2014-2020 als positives Signal gewertet (4). Das Teilprogramm Klimapolitik, das dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag zufolge mit 904,5 Mio. EUR ausgestattet werden soll, deckt im Prinzip wie folgt drei prioritäre Bereiche ab: Klimaschutz (45 %), Anpassung an den Klimawandel (45 %) und Verwaltungspraxis und Information im Klimabereich (10 %).

4.2.2

Die Kommission hat fünf vulnerable Gebiete ermittelt, auf die die Mittel ausgewogen verteilt werden sollen:

grenzübergreifendes Hochwassermanagement;

grenzüberschreitendes Küstenmanagement;

Einbindung von Anpassungsbelangen in die städtische Raumplanung;

Berg- und Inselgebiete;

nachhaltige Wasserwirtschaft (Bekämpfung von Desertifikation und von Waldbränden in dürregefährdeten Gebieten).

4.3   Aktion 3: Berücksichtigung von Anpassungsbelangen beim Konvent der Bürgermeister (2013/14)

4.3.1

Der auf Initiative der Kommission gegründete Bürgermeisterkonvent hat sich zum Ziel gesetzt, die von der EU für 2020 vorgegebene 20 %ige Senkung des Klimagasausstoßes zu übertreffen, was zweifelsohne Unterstützung verdient.

4.3.2

Die Kommission bedeutet nur kurz, dass sie die Klimaanpassung in den Städten "fördern" wird, ohne dies näher zu erläutern. Da der Konvent auf Freiwilligkeit beruht, könnte es sinnvoll sein, dass die Unterzeichner mit Unterstützung der Kommission quantifizierbare Ziele aufstellen und Mechanismen zur Überwachung der praktischen Anpassungsmaßnahmen konzipieren. Nach Meinung des Ausschusses sollte die Kommission diese Aspekte konkret ausgestalten, um so eine echte EU-Anpassungspolitik für die städtischen Gebiete zu begründen, wobei es in einigen Mitgliedstaten bereits diesbezügliche Erfahrungen gibt (bspw. den National Indicator (NI) 188 "Adapting to Climate Change" im Vereinigten Königreich).

4.4   Aktion 4: Überbrückung von Wissenslücken

4.4.1

Die Kommission nennt vier Wissenslücken und will mit den Mitgliedstaaten und Interessenvertretern "weiterhin (…) daran arbeiten", diese zu schließen:

Informationen über die Kosten von Schäden und die Kosten und Vorteile von Anpassungsmaßnahmen;

Analysen und Risikobewertungen auf regionaler und lokaler Ebene;

Rahmenregelungen, Modelle und Instrumente zur Unterstützung der Entscheidungsfindung und zur Bewertung der Wirksamkeit der verschiedenen Anpassungsmaßnahmen;

die Mittel der Überwachung und Bewertung früherer Anpassungsmaßnahmen.

4.4.2

Im Rahmen des Programms Horizont 2020 (Laufzeit 2014-2020) werden der gemeinsamen Forschungsstelle 1 962 Mio. EUR zugewiesen, zu denen noch 656 Mio. EUR für Euratom hinzuzurechnen sind. Horizont 2020 ist im Vergleich zum vorhergehenden 7. Forschungsrahmenprogramm um stattliche 17 Mrd. EUR aufgestockt worden.

4.4.3

Der Ausschuss möchte betonen, dass fehlende spezifische Daten zu einigen Aspekten nicht als Entschuldigung dafür dienen dürfen, dass Entscheidungen verschoben werden, denn es gibt zahlreiche Belege für die negativen Auswirkungen des Klimawandels.

4.5   Aktion 5: Weiterer Ausbau der Plattform Climate-ADAPT als einzige Anlaufstelle für Informationen zur Klimaanpassung in Europa und Einbindung der künftigen Klimadienste von Copernicus (2014)

4.5.1

Der Ausschuss unterstützt die Entscheidung, die Sammlung und Verbreitung von Informationen über den Klimawandel in Climate-ADAPT zu zentralisieren. Die Zusammenarbeit zwischen Climate-ADAPT und den nationalen Plattformen setzt zusätzliche Anstrengungen der Mitgliedstaaten voraus, da es erst in sechs Mitgliedstaaten umfassende einschlägige Portale gibt. Die bislang von Regionalbehörden und Privatwirtschaft bereitgestellten Informationen sind unzureichend.

4.5.2

Der Ausschuss erachtet die Klimadienste des Copernicus-Programms (Sammlung von Informationen über das europäische Satellitennetz und landgestützte Systeme) als wesentlich für die Festlegung von Maßnahmen. Zusammen mit den Beobachtungen anderer Dienste, insbesondere der NASA, tragen die europäischen Beobachtungen zu den globalen Klimaschutzbemühungen bei.

4.6   Aktion 6: Die Klimasicherung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), der Kohäsionspolitik und der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) erleichtern

4.6.1.1

GAP: Allgemein verursacht die Landwirtschaft unmittelbar oder mittelbar ca. 30 % des Klimagasausstoßes und verfügt somit über ein umfangreiches Emissionsreduktionspotenzial durch Einsatz klimaschonenderer Anbaumethoden. Im Unterschied zu anderen Sektoren sind die Direktemissionen dem Produktionsverfahren inhärent, und deshalb sollte ihr spezifisches Wesen anerkannt werden.

4.6.1.2

In seiner Stellungnahme zum Thema "Die Beziehungen zwischen dem Klimawandel und der Landwirtschaft in Europa" (5) wies der Ausschuss auf die Auswirkungen der Dürreperioden in Südeuropa hinwies und u.a. betonte, dass "die Landwirtschaft (…) nicht nur Opfer des Klimawandels [ist], sondern (…) auch zur Emission von Treibhausgasen bei[trägt]". Er forderte daher die Kommission auf, "genauer zu analysieren, wie sich die unterschiedlichen landwirtschaftlichen Nutzungsformen in ihrer Klimarelevanz unterscheiden, um daraus politische Handlungsoptionen, z.B. im Rahmen der Förderpolitik, abzuleiten".

4.6.1.3

Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass der politischen Einigung über die GAP vom 26. Juni 2013 zufolge zwischen 2014 und 2020 mehr als 100 Mrd EUR investiert werden, um der Landwirtschaft bei der Bewältigung der Herausforderungen von Bodenqualität, Wasser, Biodiversität und Klimawandel zu helfen. Dazu werden 30 % der Direktzahlungen an die Einhaltung von umweltfreundlichen Bewirtschaftungsmethoden gebunden, und mindestens 30 % der Mittel der Programme für die ländliche Entwicklung müssen in "grüne Landwirtschaft" fließen.

4.6.1.4

Kohäsion: Wenn gar nicht oder erst später gehandelt wird, kann dies dem Zusammenhalt der EU abträglich sein. Die Auswirkungen des Klimawandels dürften außerdem die sozialen Unterschiede innerhalb der EU vertiefen. Deshalb muss das Augenmerk insbesondere auf die sozialen Gruppen und die Regionen gerichtet werden, die am stärksten exponiert und bereits jetzt benachteiligt sind (z. B. schlechter Gesundheitszustand der Bevölkerung, niedrige Einkommen, unangemessene Wohnbedingungen, Mobilitätsmangel).

4.6.1.5

Für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 muss die Kommission entschieden darauf hinwirken, dass Anpassungs- und Eindämmungsmaßnahmen in alle EU-Politikbereiche einbezogen werden. Die Anpassung muss ausdrücklich in jeden nationalen strategischen Rahmenplan sowie in die Operationellen Programme aufgenommen werden. Der Ausschuss schlägt in diesem Kontext vor, die Genehmigung der Projekte an die Erfüllung der Umweltziele zu binden. Die Vorhaben, die sich negativ auf das Klima auswirken, müssen auf ein Minimum beschränkt oder ganz ausgeschlossen werden. In dem von der Kommission vorgeschlagenen Gesetzespaket zur Kohäsionspolitik, das 2014 in Kraft tritt, wird auch die Anpassung an den Klimawandel erwähnt, nach Meinung des Ausschusses aber nicht mit dem gebotenen Nachdruck.

4.6.1.6

GFP: Die Kommission nennt keine bereichsspezifischen Maßnahmen. Der FAO zufolge müssen die Anpassungsmaßnahmen grundsätzlich auf die nachhaltige Nutzung der aquatischen Ökosysteme abheben, von denen die Fischerei abhängt.

4.6.1.7

Die Wälder, die eine wichtige Funktion als natürlicher Kohlenstoffspeicher haben, werden schwer vom Klimawandel betroffen sein. (Wirbel-)Stürme mit sehr hohen Windgeschwindigkeiten werden Waldgebiete zerstören und eine vorzeitige Ersetzung der Bestände notwendig machen. Die Häufigkeit von zerstörerischen Waldbränden wird in heißen und trockenen Perioden zunehmen. All dies wird sich tiefgreifend auf die Wald- und Forstwirtschaft und auf die verschiedenen Funktionen des ländlichen Raums auswirken.

4.7   Aktion 7: Gewährleistung resilienterer Infrastrukturen

4.7.1

Hierin liegt wahrscheinlich die größte Herausforderung einer öffentlichen Klimawandelanpassungsstrategie. Bedrohungen für Infrastrukturen sind in der Hauptsache Schäden oder Zerstörungen aufgrund von extremen Wetterereignissen, die durch den Klimawandel verstärkt werden können; Küstenhochwässer, Flusshochwässer sowie Überflutungen aufgrund des Meeresspiegelanstiegs; Probleme bei der Versorgung mit Strom und Trinkwasser und Auswirkungen des Temperaturanstiegs auf die Betriebskosten der Unternehmen. Einige Infrastrukturen sind womöglich nicht direkt betroffen, aber mangels physischer Zugänglichkeit nicht operationell (bspw. IKT).

4.7.2

Öffentliche und private Investoren müssen die durch die Erderwärmung verursachten, absehbaren Auswirkungen in der Finanzplanung der Infrastrukturvorhaben berücksichtigen. Für bestimmte Infrastrukturen sind Investitionsanstrengungen der Mitgliedstaaten erforderlich, denen in vielen Fällen durch die Wirtschaftskrise Grenzen gesetzt sind.

4.7.3

Auf der Grundlage des Auftrags zur Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Eurocodes plant die Kommission, in Zusammenarbeit mit den europäischen Normungsgremien (CEN, CENELEC und ETSI), Finanzinstituten und wissenschaftlichen Organisationen zu prüfen, welche Änderungen an den Standardisierungsprogrammen für Gebäude und öffentliche Infrastrukturen vorgenommen werden müssen. Der Ausschuss betont in diesem Zusammenhang, dass bei den Standardisierungsmodellen der Robustheit und Zuverlässigkeit der Infrastrukturen mehr Gewicht beigemessen werden muss als rein wirtschaftlichen Kriterien wie Investitionserträgen. Da in Europa Flussbegradigungen oder die Trockenlegung von Sumpfgebieten erfahrungsgemäß die Hochwassergefahren verschlimmert haben, sollten Modelle für städtebauliche Vernunft entworfen werden. Beispielsweise könnten auch Maßnahmen wie die Begrünung von Dächern und Fassaden, wo dies möglich ist, empfohlen werden.

4.7.4

Bei der Anpassungsstrategie muss die Bevölkerungsalterung berücksichtigt werden, da ältere und vor allem alte Menschen an Tagen mit extrem hoher Temperatur und Luftfeuchte stark gefährdet sind. So wäre zu überlegen, Gesundheitsdienste und Betreuungseinrichtungen mit ausreichend leistungsfähigen, emissionsarmen und zuverlässigen Klimaanlagen auszustatten.

4.7.5

Der Ausschuss hat schon in früheren Stellungnahmen (ces1607-2011 und ces492-2012) ein Zwei-Ebenen-Konzept für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) und die Ausweisung von europäischen Verkehrskorridoren unterstützt, um ein kohärentes Verkehrsnetz für die wichtigsten Waren- und Personenverkehrsflüsse aufzubauen. Dies ist ein sinnvolles Ziel und trägt der Notwendigkeit Rechnung, bei der Begebung der begrenzten Finanzmittel Prioritäten zu setzen. Allerdings erhöht eine Konzentration der Infrastrukturinvestitionen auf diese Verkehrskorridore auch die Störanfälligkeit des EU-Verkehrssystems. Der Ausschuss hebt hervor, dass dieser Aspekt bei der Planung und Finanzierung der Verkehrskorridorinvestitionen berücksichtigt werden muss. Neben hoher Resilienz von Baukonstruktionen müssen bei solchen europäischen Verkehrskorridoren auch von vornherein Umleitungs- und Umgehungsstrecken vorgesehen werden.

4.8   Aktion 8: Förderung von Versicherungs- und anderen Finanzprodukten

4.8.1

In der Studie über den Versicherungsschutz bei Naturkatastrophen in der EU (Gemeinsame Forschungsstelle, Europäische Kommission (2012): Naturkatastrophen: Risikorelevanz und Versicherungsdeckung in der EU) werden bessere Statistiken gefordert. Ausgehend von den verfügbaren Informationen jedoch ist die Durchdringungsrate (private Versicherungsdeckung und ex ante- oder ex post-staatliche Leistungen in Prozent des BIP) allgemein niedrig. Beispielsweise sind die Durchdringungsraten bei Hochwasserversicherungen in den meisten Mitgliedstaaten nicht besonders hoch, außer wenn eine Versicherung gegen Hochwasser in einer anderen Versicherung inbegriffen ist. Auch bei Versicherungen gegen Sturm und Dürre sind die Durchdringungsraten niedrig, obwohl Dürren in den Mitgliedstaaten durchaus auftreten.

4.8.2

Der Ausschuss begrüßt die Entscheidung der Kommission, ein Grünbuch über die Versicherung gegen Naturkatastrophen und von Menschen verursachte Katastrophen (6) vorzulegen, um den Versicherungsmarkt zu fördern und die Überlastung der öffentlichen Haushalte zu reduzieren, und hebt in diesem Zusammenhang folgende Aspekte hervor:

Durch geeignete Anpassungsmaßnahmen können die Versicherungskosten gesenkt werden;

Eine geeignete, auf die Situation der Erzeuger ausgerichtete Versicherungspolitik ist für den Agrarsektor besonders wichtig;

In Anbetracht der Größenordnung der Risiken muss der Staat immer als Versicherer letzter Instanz auftreten;

Es ist notwendig, über geeignete sozialpolitische Maßnahmen den Versicherungsschutz der schwächsten Gruppen sicherzustellen, die nicht über die notwendigen Mittel verfügen, um eine Versicherung abzuschließen.

5.   Der Ausschuss schlägt vor, gezielt zu untersuchen, welche strukturellen Veränderungen die Anpassungsstrategie in bestimmten politischen Bereichen sowie bei der Herstellung von Gütern und der Erbringung von Dienstleistungen erforderlich machen wird. Auch wenn der Klimawandel in erster Linie die Land- und Forstwirtschaft sowie den Hoch- und Tiefbau betreffen wird, können Anpassungsmaßnahmen in vielen anderen Wirtschaftsbereichen erforderlich werden. Folgende Aspekte wären zu bedenken:

Beschäftigung: Bislang gibt es noch keine ausführlichen Untersuchungen über die Auswirkungen der Anpassungsmaßnahmen auf die Berufsbildung und Beschäftigung;

Industrie: Aufgrund der Branchenvielfalt wirkt sich der Klimawandel unterschiedlich aus. Anpassungsmaßnahmen, so sie notwendig sind, erfordern Investitionen, und in bestimmten Bereichen wie bspw. der Eisen- und Stahlindustrie wird für die Emissionssenkung bereits ein hoher technologischer und finanzieller Aufwand betrieben. Die dafür notwendigen Investitionen müssen in der Finanzplanung und in den Informationen für Investoren berücksichtigt werden;

Baugewerbe: Wohnbau und Infrastrukturbau werden umfassend von den Anpassungsmaßnahmen betroffen sein, was voraussichtlich zu Kostensteigerungen führen wird. Im Rahmen der Eurocodes sind bislang noch keine einschlägigen Anforderungen aufgestellt worden, was zweifelsohne nachgeholt werden muss (7);

F+E+I: Der Klimawandel hat in den letzten Jahrzehnten bereits die Mittelverteilung beeinflusst (ein anschauliches Beispiel hierfür ist die neue Finanzplanung der EU) sowie bei den Forschungsprogrammen von Hochschulen und Forschungszentren geführt. Neue berufliche Laufbahnen und Profile sind entstanden. Es ist absehbar, dass sich diese Entwicklung noch ausweiten wird.

Brüssel, den 16. Oktober 2013.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2009) 147 final.

(2)  Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD(2013) 132 final.

(3)  COM(2011) 500 final.

(4)  ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 111.

(5)  ABl. C 27 vom 3.2.2009, S. 59.

(6)  COM(2013) 213 final.

(7)  ABl. C 198 vom 11.1.2012, S. 45.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/166


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit, Pflanzenvermehrungsmaterial und Pflanzenschutzmittel sowie zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 999/2001, (EG) Nr. 1829/2003, (EG) Nr. 1831/2003, (EG) Nr. 1/2005, (EG) Nr. 396/2005, (EG) Nr. 834/2007, (EG) Nr. 1069/2009, (EG) Nr. 1099/2009 und (EG) Nr. 1107/2009, der Verordnungen (EU) Nr. 1151/2012 und (EU) Nr. […]/2013 und der Richtlinien 98/58/EG, 1999/74/EG, 2007/43/EG, 2008/119/EG, 2008/120/EG und 2009/128/EG (Verordnung über amtliche Kontrollen)

(COM(2013) 265 final — 2013/0140 (COD))

und dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit Bestimmungen für die Verwaltung der Ausgaben in den Bereichen Lebensmittelkette, Tiergesundheit und Tierschutz sowie Pflanzengesundheit und Pflanzenvermehrungsmaterial, zur Änderung der Richtlinien des Rates 98/56/EG, 2000/29/EG und 2008/90/EG, der Verordnungen (EG) Nr. 178/2002, (EG) Nr. 882/2004 und (EG) Nr. 396/2005, der Richtlinie 2009/128/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und zur Aufhebung der Entscheidungen des Rates 66/399/EWG, 76/894/EWG und 2009/470/EG

COM(2013) 327 final — 2013/0169 (COD)

2014/C 67/34

Berichterstatter: José María ESPUNY MOYANO

Das Europäische Parlament beschloss am 23. Mai und 13. Juni 2013 und der Rat am 7. und 21 Juni 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 43 Absatz 2, Artikel 114 und 168 Absatz 4 Buchstabe b) und Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgenden Vorlagen zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit, Pflanzenvermehrungsmaterial und Pflanzenschutzmittel sowie zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 999/2001, (EG) Nr. 1829/2003, (EG) Nr. 1831/2003, (EG) Nr. 1/2005, (EG) Nr. 396/2005, (EG) Nr. 834/2007, (EG) Nr. 1069/2009, (EG) Nr. 1099/2009 und (EG) Nr. 1107/2009, der Verordnungen (EU) Nr. 1151/2012 und (EU) Nr. […]/2013 und der Richtlinien 98/58/EG, 1999/74/EG, 2007/43/EG, 2008/119/EG, 2008/120/EG und 2009/128/EG (Verordnung über amtliche Kontrollen)

COM(2013) 265 final — 2013/0140 (COD) und dem

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit Bestimmungen für die Verwaltung der Ausgaben in den Bereichen Lebensmittelkette, Tiergesundheit und Tierschutz sowie Pflanzengesundheit und Pflanzenvermehrungsmaterial, zur Änderung der Richtlinien des Rates 98/56/EG, 2000/29/EG und 2008/90/EG, der Verordnungen (EG) Nr. 178/2002, (EG) Nr. 882/2004 und (EG) Nr. 396/2005, der Richtlinie 2009/128/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und zur Aufhebung der Entscheidungen des Rates 66/399/EWG, 76/894/EWG und 2009/470/EG

COM(2013) 327 final — 2013/0169 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 1. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 133 gegen 2 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

Kontrollen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss unterstützt grundsätzlich den Vorschlag bezüglich amtlicher Kontrollen, der zum Ziel hat, ein hohes Niveau der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen sowie das Funktionieren des EU-Binnenmarkts zu garantieren.

1.2

Der EWSA begrüßt sowohl die Einrichtung eines gemeinsamen Analysensystems als auch die Existenz von Referenzlaboratorien in jedem Mitgliedstaat.

1.3

Der EWSA hält es allerdings für problematisch, dass die Kontrollgebühren von jedem Mitgliedstaat nach eigenem Ermessen festgelegt werden, denn ihre Umsetzung könnte auf uneinheitliche Weise geschehen. Deshalb spricht er sich für eine Harmonisierung der Kriterien und Methoden ihrer Verwaltung, nicht aber ihres finanziellen Betrags aus, der je nach den Gegebenheiten eines jeden Landes festzulegen ist.

1.4

Der EWSA spricht sich dagegen aus, dass die amtlichen Kontrollen in jedem Mitgliedstaat zu 100 % nur über diese Gebühren finanziert werden, da die Gefahr besteht, dass die zuständigen Behörden einer Erhöhung der Wirksamkeit ihrer Kontrollen nicht die gebührende Wichtigkeit beimessen.

1.5

Hinsichtlich der Ausnahmen von der Zahlung der Gebühren durch Kleinstunternehmen unterstreicht der EWSA das Risiko von Marktverzerrungen durch mögliche Unterschiede bei der Anwendung der Gebührenregelungen durch die Mitgliedstaaten. Dieses Risiko würde dadurch verringert, dass im Legislativvorschlag (oder seiner späteren Ausgestaltung) Kriterien zur Anerkennung von Ausnahmen von den Zahlungsbestimmungen unionsweit einheitlich festgelegt würden, die genauer und umfassend genug sein sollten, um der Vielgestaltigkeit der Branche Rechnung zu tragen sowie die Erfordernisse der KMU und Kleinstbetriebe besonders zu berücksichtigen.

1.6

Ergänzend dazu sollte die Anerkennung von Unternehmen ermöglicht werden, in denen qualifizierte Mitarbeiter effektive Selbstkontrollen durchführen. Dies könnte in einer Ermäßigung der "öffentlichen Kontrollgebühren" für die genannten Unternehmen resultieren, denn die Beamten hätten weniger Arbeit mit diesen Unternehmen und könnten ihre Kontrollaufgaben in jenen Unternehmen wahrnehmen, die für eine derartige Selbstkontrolle nicht genügend Personal haben.

1.7

Der EWSA hält es für wichtig, für die künftige Ausgestaltung der Anwendung des Rechtsakts der mangelnden Homogenität bei der Durchführung der Kontrollen in den verschiedenen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen und stärker zu berücksichtigen, dass die unterschiedlichen personellen und finanziellen Inspektionskapazitäten der einzelnen Länder zu Verzerrungen bei den Kontrollen der jeweiligen Agrar- und Viehmärkte führen könnten - mit schädlichen Folgen für alle.

Ausgaben

1.8

Der EWSA unterstützt grundsätzlich den Verordnungsvorschlag bezüglich der Ausgabenverwaltung mit dem Ziel, ein hohes Sicherheitsniveau von Lebensmitteln und Lebensmittelproduktionssystemen zu gewährleisten, den Tiergesundheitszustand und den Tierschutz zu verbessern, Schadorganismen zu erkennen und zu tilgen und auf die wirksame Durchführung amtlicher Kontrollen zu achten.

1.9

Der EWSA begrüßt, dass die gegenwärtig in zahlreichen Rechtsgrundlagen verankerten Finanzbestimmungen durch einen einzigen, klaren und modernen Finanzrahmen ersetzt werden, der die Durchführung und das Funktionieren der finanziellen Verwaltung von Ausgaben im Bereich Lebensmittel und Futtermittel optimiert.

1.10

Der EWSA begrüßt auch, dass der Vorschlag eine "bessere Schulung für sicherere Lebensmittel" mittels eines harmonisierten Ansatzes zur Verbesserung der Funktionsweise der Kontrollsysteme der Mitgliedstaaten und der EU fördert.

1.11

In Bezug auf die Festsetzung eines bestimmten Höchstbetrags und angesichts der Tatsache, dass dieser Betrag nicht nach oben angepasst werden kann, weil er einem bereits festgelegten Mehrjahresplan entspricht, ist der EWSA der Ansicht, dass der Verordnungsvorschlag in vielen Aspekten der Ausgabenverwaltung ungenau ist, weshalb nicht eingeschätzt werden kann, ob dieser Betrag ausreichend ist oder nicht.

1.12

In Bezug auf die Reserve für bestimmte Krisenbedingungen im Agrarsektor hält es der EWSA für notwendig klarzustellen, wie die Mitgliedstaaten im Notfall über diese Reserve verfügen können. Weil diese Reserve in Notsituationen im Zusammenhang mit der Gesundheit von Tieren und Pflanzen gewährt wird, sollte nach Auffassung des EWSA darüber hinaus der Begriff "Krise im Agrarsektor" durch "Krise in der Agrar- und Ernährungswirtschaft" ersetzt werden.

1.13

Schließlich fordert der EWSA die Europäische Kommission auf, hinsichtlich der Studienprogramme zur Ermittlung der Existenz von Schadorganismen und Gesundheitsvorkehrungen in den Gebieten der Mitgliedstaaten in äußerster Randlage ebenso die möglichen Schadorganismen zu berücksichtigen, die aus Drittstaaten stammen: Diese liefern für die EU erhebliche Mengen an Rohstoffen und Verarbeitungserzeugnissen, die in der Lebensmittelwirtschaft verwendet werden. Deshalb sollten Ausgaben für die Harmonisierung der Pflanzenschutz- und Produktionsbestimmungen mit diesen Ländern teilweise mitberücksichtigt werden.

2.   Zusammenfassung des Vorschlags bezüglich der Kontrollen

2.1

Der Kommissionsvorschlag hat zum Ziel, die Rechtsvorschriften über amtliche Kontrollen zu überarbeiten, um die in der bisherigen Verordnung bezüglich Wortlaut und Anwendung festgestellten Schwächen auszuräumen. Es geht darum, einen belastbaren, transparenten und nachhaltigen Rechtsrahmen einzuführen, der bedarfsgerechter ist. Die Ratio legis des Vorschlags bezieht sich auf Mängel, die in den Kontrollsystemen einiger Mitgliedstaaten bestehen und vom Lebensmittel- und Veterinäramt (FVO) ermittelt wurden.

2.2

Der Vorschlag umfasst drei bedeutsame Änderungen zur Aktualisierung des Acquis in den Bereichen Tiergesundheit, Pflanzengesundheit und Pflanzenvermehrungsmaterial, um das System der amtlichen Kontrollen zu modernisieren und zu integrieren, so dass es zu der verbesserten Politik der EU in diesen Bereichen passt.

2.3

Was die amtlichen Kontrollen von Waren anbelangt, die aus Drittländern eintreffen, gelten die Bestimmungen der bisherigen Verordnung zurzeit parallel zu sektoralen Bestimmungen über Einfuhren von Tieren und tierischen Erzeugnissen, von Pflanzen und pflanzlichen Erzeugnissen bzw. über die Kontrolle von Lebens- und Futtermitteln.

2.4

Die Kommission bekräftigt, dass die EU mit ihren derzeit geltenden Rechtsvorschriften sich abzeichnende Risiken oder Notsituationen bewältigen kann, ohne dass es zu ernsthaften Handelsverzerrungen kommt, betont aber auch, dass das Einfuhrkontrollsystem der EU durch die Überprüfung und Konsolidierung der bestehenden sektoralen Vorschriften kohärenter gestaltet werden könnte.

2.5

Bezüglich der Finanzierung der amtlichen Kontrollen werden in der Verordnung zum einen der allgemeine Grundsatz, wonach die Mitgliedstaaten angemessene eigene Finanzmittel für amtliche Kontrollen bereitstellen müssen, und zum anderen die Verpflichtung der Mitgliedstaaten bekräftigt, in bestimmten Bereichen sog. Kontrollgebühren zu erheben.

2.6

Im Vorschlag wird an der Verpflichtung der Mitgliedstaaten festgehalten, für jedes von der Kommission benannte EU-Referenzlaboratorium ihrerseits nationale Referenzlaboratorien zu benennen.

2.7

Schließlich wird eine neue Bestimmung über die Ahndung von Verstößen aufgenommen, der zufolge die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Höhe der Geldbußen für vorsätzliche Zuwiderhandlungen dem mit der Zuwiderhandlung angestrebten wirtschaftlichen Vorteil entspricht.

3.   Zusammenfassung des Vorschlags bezüglich der Ausgaben

3.1

Ziel des Verordnungsvorschlags der Kommission ist es, in allen Teilen der Lebensmittelkette zu einem hohen Gesundheitsschutzniveau für Menschen, Tiere und Pflanzen beizutragen, ein hohes Schutz- und Informationsniveau für die Verbraucher und ein hohes Umweltschutzniveau zu fördern und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu begünstigen.

3.2

Zur Verwirklichung dieser Ziele sind angemessene Finanzmittel erforderlich; im Hinblick auf einen effizienten Mitteleinsatz sollten spezifische Ziele und Indikatoren festgelegt werden, mit denen das Erreichen dieser Ziele bewertet wird.

3.3

Diese Finanzierung durch die EU erfolgt in Form von Finanzhilfen, öffentlichen Aufträgen und Zahlungen an auf diesem Gebiet tätige internationale Organisationen. In dieser Verordnung werden die für einen EU-Beitrag in Betracht kommenden Maßnahmen sowie die förderfähigen Kosten und geltenden Fördersätze festgelegt.

3.4

Entsprechend dem Entwurf für den mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2014-2020 schlägt die Kommission einen Höchstbetrag von 1 891 936 000 EUR für Ausgaben im Bereich Lebens- und Futtermittel vor. Darüber hinaus schlägt sie vor, einen Notfallmechanismus für die Reaktion auf Krisensituationen einzurichten.

3.5

In Bezug auf den festzulegenden endgültigen Prozentsatz für die Erstattung der förderfähigen Kosten und aufgrund der Bedeutung der Ziele dieses Rechtsakts wird im Verordnungsvorschlag festgelegt, die förderfähigen Kosten bestimmter Maßnahmen zu 100 % zu erstatten, sofern bei deren Durchführung auch Kosten entstehen, die nicht förderfähig sind.

3.6

Hinsichtlich der nationalen Programme zur Tilgung, Bekämpfung und Überwachung der Tierseuchen und Zoonosen mit dem Ziel einer geringeren Zahl von Ausbrüchen von Tierseuchen und Zoonosen, die eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier darstellen, sieht der Verordnungsvorschlag vor, dass die nationalen Programme durch die EU finanziert werden sollen.

3.7

In Bezug auf die dringlichen Maßnahmen zur Tilgung von Schadorganismen der Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse ("Schädlinge") sieht der Verordnungsvorschlag vor, dass die EU Finanzhilfen zur Ausrottung von Schädlingen gewähren und Mittel für Sofortmaßnahmen gegen das Vordringen etwaiger Schädlinge zur Verfügung stellen muss. Um das Auftreten bestimmter Schädlinge rechtzeitig zu ermitteln, wird darüber hinaus festgelegt, dass die EU geeignete Untersuchungen finanziert.

3.8

Bezüglich der Finanzierung der amtlichen Kontrollen bleibt es in der Verordnung bei der finanziellen Unterstützung durch die EU. Insbesondere soll EU-Referenzlaboratorien finanziell dabei geholfen werden, die Kosten zu tragen, die sich aus der Durchführung der von der Kommission genehmigten Arbeitsprogramme ergeben. Auch sollen Finanzhilfen für die Einrichtung und den Betrieb von Datenbanken und EDV-gestützten Informationsmanagementsystemen gewährt werden.

3.9

Um einen verantwortungsvollen und wirksamen Einsatz der EU-Finanzmittel zu gewährleisten, wird der Kommission in der Verordnung die Befugnis übertragen, die wirksame Nutzung dieser Finanzhilfen bei der Durchführung förderfähiger Maßnahmen zu kontrollieren.

4.   Allgemeine Bemerkungen

Kontrollen

4.1

Der EWSA begrüßt den Verordnungsvorschlag und die Absicht der Kommission, den Binnenmarkt zu schützen und ein EU-weit einheitlich hohes Gesundheitsniveau zu gewährleisten, indem sie zur Vermeidung rechtlicher Lücken beiträgt.

4.2

Der EWSA befürwortet das Ziel der Modernisierung und Verbesserung der Kontrollinstrumente und der amtlichen Kontrollen im Interesse ihrer verstärkten Verwendung und Wirksamkeit.

4.3

Der EWSA ist besorgt über die Einführung von Kontrollgebühren seitens der einzelnen Mitgliedstaaten, ohne eine bestimmte Höhe vorzugeben, was zu Unterschieden zwischen einzelnen Ländern führen und die Wettbewerbsfähigkeit einiger Marktteilnehmer im Vergleich zu anderen schmälern kann.

4.4

Der EWSA begrüßt die Bestimmungen über Proben und Analysen, denen zufolge die Analysen in amtlichen Laboratorien durchzuführen sind, wodurch ein gemeinsames System für die Anfertigung von Gegenuntersuchungen geschaffen wird.

4.5

Der EWSA hält die Koordinierung zwischen Ländern wie auch zwischen Laboratorien für sehr positiv, weshalb er das Vorhandensein eines Referenzlaboratoriums in jedem Mitgliedstaat befürwortet.

Ausgaben

4.6

Der EWSA begrüßt den Verordnungsvorschlag und die Absicht der Kommission, ein hohes Sicherheitsniveau von Lebensmitteln und Lebensmittelproduktionssystemen zu gewährleisten, den Tiergesundheitszustand und den Tierschutz zu verbessern, Schadorganismen zu erkennen und zu tilgen und auf die wirksame Durchführung amtlicher Kontrollen zu achten.

4.7

Der EWSA unterstützt das Ziel, Maßnahmen und förderfähige Kosten festzulegen.

4.8

Er begrüßt, dass in der Verordnung die Finanzierungssätze rationalisiert werden - mit einer durchschnittlichen Finanzierung von 50 % der förderfähigen Kosten, wobei dieser Satz unter bestimmten Bedingungen auf 75 oder 100 % erhöht werden könnte.

4.9

Der EWSA begrüßt, dass in der Verordnung ein Mindestbetrag von 50 000 EUR pro Finanzhilfe festgelegt wird, um bürokratischen Aufwand zu vermeiden.

4.10

Der EWSA hält den Zugang zu einer Finanzierungsreserve im Falle einer Krise in der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie die finanzielle Unterstützung der Erforschung und Ermittlung von Schadorganismen für sehr positiv.

4.11

In Bezug auf die amtlichen Kontrollen begrüßt der EWSA schließlich, dass die Verordnung die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung der EU-Referenzlaboratorien und der Projekte zur Verbesserung dieser Kontrollen vorsieht.

5.   Besondere Bemerkungen

Kontrollen

5.1

Der Vorschlag der Kommission ist zu vage, was die Festlegung der Höhe der Gebühren oder der Wahl eines Modells mit einer variablen Höhe oder basierend auf Modulen (je nach nationalen oder europäischen Kriterien) oder aber eines festen Satzes betrifft. Auf operativer Ebene kann das Fehlen einer einheitlichen Verwaltungskultur bei der Erhebung von Gebühren durch die zuständigen Dienststellen in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten in der Praxis zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Staaten führen, je nachdem, ob sie die Gebühren umsetzen oder nicht bzw. ob sie dies nach unterschiedlichen Zeitplänen tun.

5.2

Der Kommissionsvorschlag wird, was die Gründe für die Ausnahmen von den Gebührenvorschriften betrifft, u.U. nicht der Vielgestaltigkeit der Wirtschaftsteilnehmer in der EU gerecht. Wünschenswert wären vielmehr eine größere Präzision oder sogar die Festlegung unterschiedlicher Ermäßigungskategorien zur Vermeidung nicht gerechtfertigter, zu Verzerrungen im Binnenmarkt führender Beeinträchtigungen im Vergleich zwischen den Unternehmen.

5.3

Der EWSA vermisst im Kommissionsvorschlag eine stärkere Konkretisierung oder genauere inhaltliche Beschreibung der Aufgaben, die die für Veterinäruntersuchungen und Kontrollen zuständigen Personen in den Betrieben durchführen sollen.

Ausgaben

5.4

Die im Verordnungsvorschlag angestrebte Verringerung der Anzahl der Beschlüsse der Kommission, z.B. hinsichtlich der finanziellen Erstattung, erscheint unklar, da in diesem Vorschlag nicht erwähnt wird, welche Stelle für die Durchführung zuständig sein soll.

5.5

Im Kommissionsvorschlag wird zwar festgelegt, dass die EU einen finanziellen Beitrag zu Sofortmaßnahmen im Falle des Auftretens oder der Ausbreitung bestimmter Tierkrankheiten oder Zoonosen leisten muss, aber nicht gesagt, um welche spezifischen Finanzierungsmaßnahmen es sich handelt.

5.6

Bei den Sofortmaßnahmen im Bereich der Pflanzengesundheit hält es der EWSA für wichtig, dass dem Kommissionsvorschlag zufolge die EU einen finanziellen Beitrag zur Schaffung und Verwaltung von Studienprogrammen für die Ermittlung von Schadorganismen und Pflanzengesundheitsmaßnahmen zur Unterstützung von Drittstaaten leisten kann, die in der EU allen interessierten Nutzern zur Verfügung stehen.

5.7

In Bezug auf die Schulung der Verwaltungsbediensteten der Mitgliedstaaten begrüßt der EWSA zwar die diesbezügliche Absicht der Kommission, hält es aber für unabdingbar, dass zuvor die Rechtsvorschriften, die sich auf den Geltungsbereich dieser Verordnung beziehen, harmonisiert werden, um die praktische Funktionsweise der Kontrollsysteme zu verbessern.

5.8

Was die Drittstaaten betrifft, die für die EU erhebliche Mengen an von der Lebensmittelwirtschaft verwendeten Rohstoffen und Verarbeitungserzeugnissen liefern, vermisst der EWSA die Erwähnung einer möglichen Harmonisierung der Rechtsvorschriften über Pflanzen- und Tiergesundheit in diesen Ländern.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident of the des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/170


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Überwachung von, Berichterstattung über und Prüfung von Kohlendioxidemissionen aus dem Seeverkehr und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013

COM(2013) 480 final — 2013/0224 (COD)

2014/C 67/35

Berichterstatter: Stefan BACK

Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 16. Juli bzw. 4. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 192 Absatz 1 und Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Überwachung von, Berichterstattung über und Prüfung von Kohlendioxidemissionen aus dem Seeverkehr und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013

COM(2013) 480 final — 2013/0224 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 1. Oktober 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 134 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 9 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Vorschlag für eine Verordnung über ein System zur Überwachung, Berichterstattung und Prüfung (MRV-System) von CO2-Emissionen aus dem Seeverkehr als ersten Schritt zur Verwirklichung der im Verkehrs-Weißbuch 2011 (1) dargelegten Maßnahmen zur Verringerung eben dieser Emissionen.

1.2

Der Ausschuss begrüßt das MRV-System als erste Etappe in einem schrittweisen Vorgehen zum Abschluss eines Übereinkommens über verpflichtende Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen aus dem Seeverkehr im Rahmen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) und unterschreibt die von der Einführung dieses Systems erwartete Energieeffizienzsteigerung und Emissionssenkung (2).

1.3

Der Ausschuss hält fest, dass der Vorschlag als solches zur Verwirklichung dieser Ziele zwar nicht ausreicht, aber bezüglich der Maßnahmen, die auf einzelstaatlicher oder regionaler Ebene betreffend Drittländer getroffen werden können, angemessene Reichweite besitzt. Seiner Meinung nach weist der Vorschlag in dieser Hinsicht die gebotene Ausgewogenheit auf.

1.4

Der Ausschuss begrüßt, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung für diesen Vorschlag für die betroffenen Schiffsbetreiber vorteilhaft ist. Er erwartet, dass die Europäische Kommission die Auswirkungen der Umsetzung ihres Vorschlags in diesem Punkt überwacht und geeignete Maßnahmen ergreift, falls sich herausstellt, dass die prognostizierten Kosten und Vorteile negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit haben.

1.5

Der Ausschuss stellt die Notwendigkeit und den Mehrwert von über treibstoffverbrauch- und emissionsbezogene Angaben hinausgehenden Informationen in Frage, wie sie in Artikel 9 Buchstabe (d) bis (g), in Artikel 10 Buchstabe (g) bis (j) und Anhang II vorgesehen sind und gemäß dem Vorschlag überwacht und berichtet werden müssen, weil sie von der Schifffahrtindustrie zumindest teilweise als kommerziell sensibel angesehen werden. Außerdem scheinen die Meinungen über den Wert der Bereitstellung dieser Informationen in aggregierter Form auseinanderzugehen.

1.6

Der Ausschuss verweist auf die Initiative "Blauer Gürtel" (3), mit der die Europäische Kommission die Verwaltungslasten für den Kurzstreckenseeverkehr abbauen möchte, und betont, dass dieser Ansatz auch für diesen Vorschlag gelten sollte.

1.7

Der Ausschuss merkt an, dass weitere Maßnahmen zur Verwirklichung der im Verkehrs-Weißbuch enthaltenen Ziele erforderlich sind, und hält es für äußerst wichtig, dass derartige Maßnahmen im Rahmen der IMO ausgearbeitet werden, um einem etwaigen Konflikt mit Drittländern und/oder negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Schifffahrt vorzubeugen.

2.   Einleitung

2.1

Emissionen aus dem internationalen Seeverkehr machen derzeit 3 % der globalen Treibhausgasemissionen und 4 % dieser Emissionen auf EU-Ebene aus. Prognosen zufolge wird dieser Prozentsatz bis 2050 weltweit auf 5 % steigen; auch in der EU ist eine beträchtliche Zunahme zwischen 51und 86 % je nach Vergleichsjahr (2005 bzw. 1990) zu erwarten (4).

2.2

Das Energie- und Klimapaket der EU aus dem Jahr 2008, die EU-2020-Strategie (5) und das Verkehrs-Weißbuch aus dem Jahr 2011 enthalten allesamt ehrgeizige Ziele für die Verringerung der THG-Emissionen. Das übergeordnete EU-Ziel ist eine Emissionsminderung um 20 % gegenüber den Werten von 1990, wobei dieses Ziel im Falle eines internationalen Übereinkommens auf 30 % erhöht wird (6). Für den internationalen Seeverkehr ist im Verkehrs-Weißbuch eine Senkung der Emissionen um 40 % bis 2050 gegenüber den Werten von 2005 vorgesehen.

2.3

Es gibt allerdings keine rechtliche Verpflichtung für die Schifffahrt zur Senkung ihrer THG-Emissionen mit Ausnahme der von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) festgelegten Schwefelgrenzwert-Regelung, die mit der Richtlinie 2012/33/EU in EU-Recht umgesetzt wurde. Der internationale Seeverkehr ist der einzige Verkehrsträger, der bislang nicht in das EU-Emissionsreduktionsziel eingebunden ist.

2.4

Indes haben sich sowohl der Europäische Rat als auch das Europäische Parlament dafür ausgesprochen, dass alle Sektoren zur Emissionssenkung beitragen sollten.

2.5

Im Verkehrsbereich wurden Ziele für die Zivilluftfahrt festgelegt, die in das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) einbezogen wurde; diese Ziele gelten für alle Flüge zu und ab EU-Flughäfen. Die Anwendung dieser Maßnahme wurde in Bezug auf Nicht-EU-Flüge allerdings vorrübergehend ausgesetzt, um den Weg für ein globales Übereinkommen im Rahmen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO zu ebnen (7).

2.6

In der Schifffahrt wurden keine verbindlichen Ziele auf EU-Ebene festgelegt, da es angemessener erschien, international in der IMO koordinierte Maßnahmen abzuwarten.

2.7

Der Rat und das Europäische Parlament hielten 2009 jedoch fest, dass, sollte bis 31. Dezember 2011 kein internationales Abkommen im Rahmen der IMO von der EU oder ihren Mitgliedstaaten geschlossen worden sein, die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Aufnahme der Emissionen der internationalen Seeschifffahrt in die Emissionsreduzierungsverpflichtung der EU vorlegen sollte, der 2013 in Kraft treten würde und mit dem negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU möglichst gering gehalten werden sollten (8). Die Europäische Kommission reagierte darauf im Oktober 2012 mit einer Ankündigung.

2.8

Die IMO hat zwar kein internationales Abkommen als Antwort auf die Feststellung aus dem Jahr 2009 zustande gebracht, es wurden jedoch Beschlüsse zur Verbesserung der Energieeffizienz neuer Schiffe gefasst und weitere Vorschläge zur Verbesserung der Energieeffizienz ganz allgemein vorgelegt; ein erster Schritt in diesem Bereich könnte die Überwachung, Berichterstattung und Kontrolle von Emissionen sein. Vor diesem Hintergrund ist die Europäische Kommission der Ansicht, dass die laufenden Arbeiten in der IMO in Beschlüssen über marktbasierte Maßnahmen zur Emissionsreduktion münden könnten. Die Verpflichtung, Maßnahmen auf regionaler EU-Ebene auszuarbeiten, sollte daher im Einklang mit den laufenden Arbeiten der IMO stehen. Die Europäische Kommission hat sich ausdrücklich für einen globalen Ansatz unter Federführung der IMO ausgesprochen und wird auch weiterhin in diesem Sinne handeln, ungeachtet der zögerlichen Fortschritte bei den entsprechenden IMO-Maßnahmen. Sie wird die Fortschritte kontinuierlich im Auge behalten und sämtliche künftige Maßnahmen im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) und der IMO berücksichtigen.

2.9

Der erste Schritt in diese Richtung sollte die Einführung eines Systems für die Überwachung von, Berichterstattung über und Prüfung der Treibhausgasemissionen (MRV-System) sein, mit dem Entwicklungen überwacht und eine höhere Energieeffizienz auf Unternehmensebene gefördert werden könnte; dies könnte wiederum zu einer Kostensenkung führen, die die Kosten für den Betrieb des MRV-System mehr als wettmachen. Dabei könnten Erfahrungen mit bestehenden Systemen in Unternehmen genutzt werden. In Zusammenarbeit mit der IMO sollte ein regionales MRV-System für die EU eingeführt werden, das etwaigen künftigen IMO-Maßnahmen entsprechend angepasst werden könnte. Dies könnte auch eine erste Etappe in einem schrittweisen Vorgehen zur Einbeziehung der Treibhausgasemissionen aus dem Seeverkehr in die Emissionsminderungsverpflichtungen auf europäischer oder internationaler Ebene durch Energieeffizienzanforderungen und/oder markbasierte Maßnahmen sein.

3.   Der Vorschlag der Europäischen Kommission

3.1

Die Europäische Kommission hat eine Verordnung vorgeschlagen, die einen Rahmen für ein MRV-System für CO2-Emissionen von Schiffen über 5 000 Bruttoraumzahl (BRZ) bietet. Das System gilt für den Aufenthalt in einem EU-Hafen, alle Fahrten zwischen EU-Häfen sowie alle ausgehenden Fahrten von einem EU-Hafen zum nächsten Anlaufhafen außerhalb der EU und alle eingehenden Fahrten aus dem letzten Hafen außerhalb der EU zum ersten EU-Anlaufhafen. Es findet auf alle Schiffe unabhängig von ihrer Flagge mit Ausnahme von Kriegsschiffen, staatlichen Schiffen und Freizeitschiffen Anwendung. Laut dem Verordnungsvorschlag werden aufgrund der BRZ-Obergrenze somit zwar ca. 40 % der Flotte nicht erfasst, die allerdings nur für 10 % der CO2-Emissionen verantwortlich sind.

3.2

Aufgrund der in Ziffer 2 erläuterten Gründe muss das System in enger Zusammenarbeit mit der IMO und weiteren internationalen Organisationen eingeführt werden; außerdem muss es im Einklang mit künftigen IMO-Konzepten stehen.

3.3

Das von der Europäischen Kommission vorgeschlagene MRV-System bietet einen Rahmen für die Erhebung relevanter Daten seitens der Schiffseigner bzw. -betreiber für jedes Schiff und jede Fahrt, die unter den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, auch den Aufenthalt in einem Hafen. Es ist eine jährliche Berichterstattung vorgesehen. Die Emissionsberichte werden von akkreditierten Prüfstellen bewertet, und die bewerteten Jahresberichte werden der Europäischen Kommission und dem Flaggenstaat vorgelegt und auch veröffentlicht. Von den Prüfstellen ausgestellte Konformitätsbescheinigungen müssen an Bord der Schiffe, die von dem System erfasst werden, mitgeführt werden. Die Konformität wird vom Flaggenstaat und durch das Kontrollsystem des Hafenstaates geprüft. Bei Nichtkonformität sind Sanktionen vorgesehen, die in einigen Fällen bis zur Ausweisung eines Schiffes reichen können, d.h. das Schiff darf EU-Häfen solange nicht anlaufen, bis das Konformitätsproblem gelöst ist.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der Ausschuss nimmt die strategischen Ziele dieses Vorschlags zur Kenntnis; diese sind ehrgeizig und gehen weit über den Inhalt des Vorschlags hinaus, da eine faktische Grundlage für weitere Verhandlungen und Fortschritte betreffend Maßnahmen zur deutlichen Senkung von CO2-Emissionen aus dem Seeverkehr geschaffen werden soll. Er begrüßt diese strategischen Ziele und den Kommissionsansatz, die Situation bei CO2-Emissionen und ihre Entwicklung durch das mit diesem Verordnungsvorschlag einzurichtende Berichterstattungs- und Überprüfungssystem auf transparente und glaubwürdige Wiese unter Kontrolle zu bringen. Er teilt ferner die Meinung der Europäischen Kommission, dass diese Informationen die laufenden Arbeiten in der IMO zur Vereinbarung verpflichtender Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen aus dem Seeverkehr voranbringen könnten. Diesbezüglich verweist der Ausschuss auf seine Stellungnahme (9) zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen, der nunmehrigen Verordnung (EU) Nr. 525/2013.

4.2

Der Ausschuss begrüßt außerdem den in diesem Vorschlag teilweise verfolgten Bottom-up-Ansatz, d.h. die auf Unternehmensebene erfassten Informationen sollen Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz in den Unternehmen anregen, die wiederum zu einem niedrigeren Kraftstoffverbrauch und Emissionsreduktionen von jährlich 2 % pro Frachteinheit führen sollen. Darüber hinaus würden laut Folgenabschätzung, die dem Vorschlag beigefügt ist, Nettokosteneinsparungen von 1,2 Mrd. EUR jährlich bis 2030 erzielt, wobei die Kosten für die Einführung des MRV-System berücksichtigt werden, die zum Großteil von der Schiffsindustrie getragen werden.

4.3

Der Ausschuss verweist jedoch auf die Notwendigkeit, die mit diesem Vorschlag verbundene Kosten-Nutzung-Rechnung für die Schiffsindustrie und die Gesellschaft kontinuierlich zu überprüfen. Er fordert die Europäische Kommission auf, umgehend Korrekturmaßnahmen vorzuschlagen, sollten die der Schiffsindustrie im künftigen MRV-System auferlegten Anforderungen sich als Belastung erweisen und sich negativ auf ihre Wettbewerbsfähigkeit auswirken.

4.4

Der Ausschuss äußert Zweifel an dem Vorschlag, die Überwachungs- und Berichterstattungspflichten auf kommerzielle und operative Aspekte auszuweiten. Die Verhältnismäßigkeit dieser zusätzlichen Informationsanforderungen ist zweifelhaft, da sie weit über das grundlegende Ziel des Vorschlags, nämlich die Erhebung von Emissionsdaten, hinausgeht. Außerdem wird ihre Zweckdienlichkeit auch von der Schifffahrtsindustrie in Frage gestellt. Diese Informationen könnten auch kommerziell sensibel sein. Vor diesem Hintergrund würde die Auferlegung zusätzlicher Verwaltungslasten auch im Widerspruch zu den Vereinfachungsbemühungen stehen, die ein Schlüsselaspekt der Kommissionsinitiative für den "Blauen Gürtel" zur Erleichterung des Seeverkehrs in der EU ist. Diesbezüglich führt der Ausschuss auch ins Treffen, dass die verpflichtende Bereitstellung von derartigen Informationen insbesondere für den Kurzstreckenseeverkehr mit kurzen Fahrten und mehreren Destinationen eine Belastung wäre.

4.5

Der Ausschuss schließt sich der Folgenabschätzung an, dass die mit dem Vorschlag voraussichtlich erreichbaren Emissionssenkungen bei weitem nicht ausreichen werden, um die im Verkehrs-Weißbuch 2011 für den Seeverkehr festgelegten Ziele zu erreichen. Es sind dringend weitreichendere und effizientere Maßnahmen erforderlich.

4.6

Diesbezüglich verweist der Ausschuss auch auf seine früheren Stellungnahmen (10) zur Seeverkehrspolitik und Umweltanforderungen, in denen er die Initiativen zur Verbesserung der Umwelt stets begrüßt, gleichzeitig jedoch ins Treffen geführt hat, dass aufgrund der globalen Natur des Seeverkehrs derartige Maßnahmen auf internationaler Ebene im Rahmen der IMO ausgearbeitet werden sollten.

4.7

In diesem Zusammenhang weist der Ausschuss darauf hin, dass dieser Vorschlag auch für Schiffe unter Flagge von Drittländern gilt. Dies ist keineswegs ein Problem für den Warenverkehr innerhalb der EU, könnte bei der Verbringung von Waren zwischen EU-Häfen und Drittlandhäfen Schwierigkeiten aufwerfen. Nach Ansicht des Ausschusses ist dies eher ein praktisches und politisches denn ein rechtliches Problem mit Blick auf mögliche "Vergeltungsmaßnahmen" oder Komplikationen, da mehrere derartige Systeme nebeneinander bestehen. Er hofft, dass das geplante System für alle Schiffe, die in seinen Anwendungsbereich fallen, ausreichend "attraktiv" ist und keine Schwierigkeiten in Bezug auf Betreiber aus Drittländern wie beim ETS in der Zivilluftfahrt entstehen.

4.8

Der Ausschuss teilt die Meinung, dass verpflichtende Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen, die über den Inhalt des Vorschlags hinausgehen, im Rahmen der IMO vereinbart werden sollten, um die Chancen für ihre erfolgreiche Durchführung zu erhöhen. Eine regionale EU-Regelung wird wahrscheinlich mit zahlreichen Durchführungsproblemen, insbesondere in Bezug auf Drittländer, zu kämpfen haben.

4.9

Der Ausschuss hält fest, dass laut der Folgenabschätzung für diesen Vorschlag marktbasierte Maßnahmen am effizientesten sind, um eine angemessene Senkung der CO2-Emissionen auf ein Niveau zu erreichen, mit dem die im Verkehrs-Weißbuch 2011 festgelegten Emissionsziele für den Seeverkehr verwirklicht werden können.

4.10

Der Ausschuss weist auf das Risiko hin, dass verpflichtende regionale Maßnahmen zur Emissionsminderung, insbesondere marktbasierte Maßnahmen, negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Schifffahrtsindustrie haben könnten.

4.11

Der Ausschuss begrüßt daher die im Kommissionsvorschlag enthaltene Verpflichtung, eng mit der IMO und weiteren einschlägigen internationalen Organisationen zur Einführung eines EU-MRV-Systems für CO2-Emissionen aus dem Seeverkehr zusammenzuarbeiten, sowie die Bereitschaft der Europäischen Kommission, das EU-System einem künftigen in der IMO vereinbarten MRV-System anzupassen.

4.12

Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, weiterhin Druck innerhalb der IMO auszuüben, um zügig Entscheidungen für angemessene, vorzugsweise marktbasierte Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen aus dem Seeverkehr zu erreichen.

4.13

Der Ausschuss merkt an, dass die Europäische Kommission zwar einer Lösung unter Einbeziehung der IMO große Bedeutung beimisst, gleichzeitig jedoch regionale Maßnahmen auf EU-Ebene nicht ausschließt, sollten die aktuellen Entwicklungen in der IMO keine Ergebnisse zeitigen. Er begrüßt, dass offenbar keinerlei Frist für derartige regionale Maßnahmen festgelegt wurde, und warnt davor, Maßnahmen zu ergreifen, die nur wenig Auswirkungen im Sinne einer Emissionsminderung haben könnten, gleichzeitig aber höhere Kosten in Bezug auf eine geringere Wettbewerbsfähigkeit oder Probleme in den Beziehungen zu Drittländern verursachen könnten, da derartige Maßnahmen unter Drittlandsflagge fahrende Schiffe, zumindest bei Fahrten in Nicht-EU-Hoheitsgewässer, betreffen.

4.14

Der Ausschuss begrüßt des Weiteren die Verbindung zwischen dem sektorspezifischen MRV und dem allgemeinen Überwachungssystem, für Treibhausgasemissionen, das mit der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 eingerichtet wurde (11).

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Der Ausschuss hält fest, dass mit dem für das MRV-System gewählten Konzept die Verantwortung für die Durchführung zum größten Teil bei den Schiffseignern bzw. -betreibern und den akkreditierten Prüfstellen liegt, wohingegen die Mitgliedstaaten, die Europäische Kommission und die EMSA meistens nur Überwachungsaufgaben wahrnehmen und Berichte erhalten. Damit sollen die Erfahrungen bestehender Unternehmenssysteme genutzt und der Verwaltungsaufwand für die EU-Institutionen verringert werden.

5.2

Nach Ansicht des Ausschusses sollten zur Verbesserung der Qualität der Emissionsberichte einschlägige spezifische Informationen wie die Eisklasse eines Schiffes oder spezielle Navigationsbedingungen (z.B. bei winterlichen Verhältnissen) in dem Bericht anerkannt werden.

5.3

Der Ausschuss hält einige Aspekte des vorgeschlagenen MRV-Systems für unnötig komplex und ressourcenintensiv. So ist beispielsweise nur schwer nachvollziehbar, warum ein formaler Prüfbericht für die Jahresberichte erstellt werden muss, da eine Konformitätsbescheinigung für genehmigte Jahresberichte ausgestellt wird und die wichtigsten Elemente dieser Bescheinigung ebenfalls veröffentlicht werden. Eine Konformitätsbescheinigung sollte ausreichen, möglicherweise in Verbindung mit einem begründeten Prüfbericht in Fällen, in denen die Bescheinigung verweigert wurde.

5.4

Der Vorschlag zur Berichterstattung an die für die Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 über die Überwachung von, Berichterstattung über und Prüfung von Kohlendioxidemissionen aus dem Seeverkehr zuständigen Kommissionsstellen ist sicherlich zweckdienlich, allerdings stellt sich die Frage, warum die Mitgliedstaaten einen eigenen Bericht an die Europäische Kommission senden müssen, der den Zwecken dieser Verordnung angepasst ist, wo doch alle relevanten Informationen einfach in einem Bericht zusammengefasst werden könnten, der dann an alle betreffenden Stellen übermittelt werden könnte.

5.5

Der Ausschuss zweifelt außerdem daran, ob die Reichweite der in Artikel 20 Absatz 3 des Vorschlags enthaltenen Ausweisungsanordnung sinnvoll ist, da Schiffe damit daran gehindert werden, einen EU-Hafen anzulaufen, selbst einen Hafen ihres Flaggenstaates. Es wäre angemessen, eine Art "Notliegeplatz" bereitzustellen, um die Probleme bei der Einhaltung der Vorschriften lösen zu können.

5.6

Der Ausschuss wirft ferner die Frage auf, ob nicht eine unnötig lange Frist für die Umsetzung gewählt wurde und es nicht möglich wäre, das Zeitschema um ein Jahr zu verkürzen. So soll zwar der Vorschlag am 1. Juli 2015 in Kraft treten, die Monitoringkonzepte müssen jedoch erst bis 30. August 2017 an die Europäische Kommission übermittelt werden, und das Monitoringverfahren selbst soll gar erst am 1. Januar 2018 beginnen. Dies bedeutet einen Übergangszeitraum von rund 2,5 Jahren, der dem Ausschuss ziemlich lang erscheint, zumal auch eine Reihe von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten erlassen werden müssen.

5.7

Der Ausschuss erachtet das geplante "European Sustainable Shipping Forum – ESSF" (Europäisches Forum für nachhaltige Schifffahrt) als potenzielles zweckdienliches Forum für derartige Durchführungsfragen.

5.8

Der Ausschuss möchte darüber hinaus eine Reihe technischer Anmerkungen zum Vorschlag vorbringen. In Artikel 14 Absatz 1 wird sowohl auf "Schifffahrtsunternehmen" als auch "Schiffsbetreiber" verwiesen, wohingegen laut der Begriffsbestimmung in Artikel 3 unter "Schifffahrtsunternehmen" sowohl Eigner als auch Betreiber zu verstehen sind. In Artikel 15 Absatz 5 und Artikel 16 Absatz 3 wird die Europäischen Kommission zur Erlassung delegierter Rechtsakte u.a. zu dem "Verfahren für die Akkreditierung von Prüfstellen" ermächtigt. Der Ausschuss schlägt vor, den Verweis auf "Verfahren für die Akkreditierung von Prüfstellen" aus Artikel 15 Absatz 5 zu Prüfverfahren herauszunehmen und ihn in Artikel 16 zur Akkreditierung von Prüfstellen beizubehalten.

5.9

Artikel 23 enthält Bestimmungen zur weitreichenden Übertragung von Befugnissen zur Ergänzung und Änderung der Bestimmungen der Anhänge I und II, um eine Reihe von Elementen zu berücksichtigen, u.a. wissenschaftliche Erkenntnisse, einschlägige, an Bord der Schiffe vorliegende Daten, internationale Vorschriften und international anerkannte Normen, "um die genauesten und effizientesten Methoden für die Überwachung von Emissionen zu bestimmen und um die Genauigkeit der (…) darüber verlangten Angaben zu verbessern". Nach Auffassung des Ausschusses geht diese Übertragung von Befugnissen weit über die Anpassung an technische Entwicklungen hinaus und dürfte Änderungen wie die Ermittlung von Überwachungsmethoden zu ermöglichen, die ein grundlegendes Element des Vorschlags sind. Die Übertragung derart weitreichender Befugnisse könnte daher im Widerspruch zu Artikel 260 AEUV stehen. In Bezug auf die in Artikel 15 Absatz 3 verankerte Übertragung von Befugnissen betreffend Prüfmethoden stellt sich die gleiche Frage.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2011) 144 final, EWSA-Stellungnahme zu dem Weißbuch: Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem, ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 146, insbesondere Ziffer 1.2, 3.7, 3.8 und 3.11.

(2)  COM(2013) 480 final.

(3)  COM(2013) 510 final – Mitteilung der Kommission: Der "Blaue Gürtel" – ein einheitlicher europäischer Verkehrsraum für die Schifffahrt.

(4)  COM(2013) 479 final.

(5)  COM(2010) 2020 final.

(6)  COM(2013) 479 final.

(7)  Richtlinie 2008/101/EG und Beschluss Nr. 377/2013/EU.

(8)  Erwägungsgrund 2 der Entscheidung 406/2009/EG und Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2009/29/EG.

(9)  EWSA-Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen, ABl. C 68 vom 6.3.2012, S. 70.

(10)  Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen, ABl. C 68 vom 6.3.2012, S. 70; Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Blaues Wachstum – Chancen für nachhaltiges marines und maritimes Wachstum, ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 87; Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018, ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 103; Stellungnahme zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die vorübergehende Abweichung von der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, ABl. C 133 vom 9.5.2013, S. 30; Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für die Überwachung von Treibhausgasemissionen sowie für die Berichterstattung über diese Emissionen und über andere klimaschutzrelevante Informationen auf Ebene der Mitgliedstaaten und der EU, ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 169; Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union, ABl. C 211 vom 19.8.2008, S. 31; Stellungnahme zum Thema Eine umweltfreundliche See- und Binnenschifffahrt, ABl. C 277 vom 17.11.2009, S. 20.

(11)  Verordnung (EU) Nr. 525/2013 über ein System für die Überwachung von Treibhausgasemissionen sowie für die Berichterstattung über diese Emissionen und über andere klimaschutzrelevante Informationen auf Ebene der Mitgliedstaaten und der Union und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 280/2004/EG.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/175


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine europäische Strategie für mikro- und nanoelektronische Komponenten und Systeme

COM(2013) 298 final

2014/C 67/36

Berichterstatterin: Laure BATUT

Die Europäische Kommission beschloss am 3. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine europäische Strategie für mikro- und nanoelektronische Komponenten und Systeme

COM(2013) 298 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 30. September 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 112 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 1 Enthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA unterstützt die Absicht der Kommission, eine europäische Führungsposition bei den mikro- und nanoelektronischen Komponenten und Systemen aufzubauen und für dieses Vorhaben umgehend und grenzübergreifend die Mitgliedstaaten, die Forschung, die Investitionen und die Energien zu mobilisieren, um Europas Spitzenleistung in Produktion und Beschäftigung umzusetzen.

1.2

Die mikro- und nanoelektronischen Komponenten und Systeme können nach Ansicht des EWSA die Grundlage für eine neue industrielle Revolution bilden, weshalb dieser Bereich statt einer europäischen Industriepolitik eher eine wirkliche "gemeinsame Industriepolitik" von allgemeinem Interesse erfordert, die von der Kommission koordiniert werden sollte, damit die europäischen Unternehmen eine führende Rolle in der Produktion und auf den Märkten übernehmen können. Dieses Element fehlt im Vorschlag der Kommission.

1.3

Nach Auffassung des EWSA müssen die bestehenden Exzellenzcluster, die für die Förderung der Anstrengungen Europas unabdingbar sind, weiter ausgebaut und entwickelt werden. Es den weniger fortgeschrittenen Unternehmungen in der gesamten EU zu ermöglichen, in den Genuss des umfangreichen öffentlich-privaten Finanzierungsprogramms zu kommen, das in der Mitteilung vorgeschlagen wird, würde eine Stärkung des Potenzials bedeuten. In diesem Zusammenhang sind die Regelungen für staatliche Beihilfen und Subventionen zu überarbeiten, denn das Problem, dem die europäischen Spitzentechnologieunternehmen gegenüberstehen, ist nicht der Wettbewerb zwischen europäischen Unternehmen, sondern eher die Abwesenheit wettbewerbsfähiger und führender Unternehmen im Weltmaßstab in vielen Bereichen der Spitzentechnologie. Diese Politik sollte für diesen Spitzentechnologiesektor gelockert werden, und zwar nicht nur zugunsten der vorgeschlagenen gemeinsamen Technologieinitiative, sondern auch, um den Unternehmen dabei zu helfen, Weltklasseniveau zu erreichen, wie es in Asien und den Vereinigten Staaten anzutreffen ist.

1.4

Die in der hier erörterten Mitteilung behandelte Strategie sollte nach Auffassung des EWSA darauf abzielen, den Rückstand Europas aufzuholen und die gesamte Wertschöpfungskette (Marktführer bei Produkten und Märkten, Unterauftragnehmer, Plattformen, Hersteller grundlegender Technologien und Unternehmen, die selbst Entwürfe produzieren) mit wiedererlangten europäischen Kompetenzen abzudecken. Der EWSA spricht sich dafür aus, dass die EU im Rahmen aller derzeit ausgehandelten Freihandelsabkommen (Japan, USA) die Interessen ihrer Unternehmen verteidigt. Der EWSA unterstützt den europazentrierten Ansatz der Europäischen Kommission und hat Bedenken hinsichtlich seiner Umsetzung im Rahmen der globalen Wertschöpfungskette. Europas wirkliche Schwächen sind die fehlende Produkt- und Marktpräsenz und der Mangel an marktführenden Unternehmen. Der EWSA empfiehlt jedoch der Kommission, die Entwicklung starker Mitgliedstaaten als Grundvoraussetzung für grenzübergreifende Synergien nicht zu vernachlässigen.

1.5

Der EWSA betrachtet die neue Strategie im Bereich der mikro- und nanoelektronischen Komponenten und Systeme als höchst begrüßenswert; sie muss jedoch im Einklang mit Artikel 3 Absatz 3 EUV sowie Artikel 9 und 11 AEUV stehen. Da der (für Ende 2013 vorgesehene) Strategieplan noch nicht festgelegt ist, empfiehlt der EWSA, die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf Lebewesen und vor allem auf die nachhaltige Entwicklung zu berücksichtigen, da mikro- und nanoelektronische Komponenten und die dabei verwendeten Materialien im täglichen Leben zunehmenden Einfluss auf die Forschung, die Beschäftigung, die Bildung, die grundlegende Entwicklung der Qualifikationen und Kompetenzen sowie auf die Gesundheit der Bürger und der in diesem Sektor tätigen Arbeitnehmer haben.

1.6

Angesichts der erheblichen angestrebten öffentlichen Investitionen in Höhe von 5 Mrd. EUR über einen Zeitraum von 7 Jahren sowie der strategischen Bedeutung der Branche rät der EWSA, neben der "Electronics Leaders Group" neue Formen der bürgernahen Entscheidungsfindung zu schaffen.

1.7

Der EWSA empfiehlt eine Halbzeitüberprüfung der Strategie.

2.   Einleitung

2.1

In Rahmen ihrer Politik zur Wiederankurbelung der Investitionen für die Stärkung der europäischen Industrie, die zur wirtschaftlichen Erholung und zu neuem Wachstum beitragen soll (COM(2012) 582 final), veröffentlicht die Kommission eine Mitteilung zu mikro- und nanoelektronischen Komponenten und Systemen, die sie bereits in einer früheren Mitteilung (COM(2012) 341 final) als "Schlüsseltechnologien" definiert hat und die der sechsten Leitinitiative der Strategie Europa 2020 entsprechen, die über das Programm "Horizont 2020" umgesetzt wird.

2.2

Mikro- und nanoelektronische Komponenten und Systeme sind als Grundlagentechnologien die Basis eines inzwischen für alle Bereiche unverzichtbaren Spektrums von Produktkategorien, die zu Innovation und Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Die wesentlichen neun Produktkategorien sind (1) Computer, (2) Computerperipheriegeräte und Bürogeräte, (3) Unterhaltungselektronik, (4) Server und Speichergeräte, (5) Netzwerkkomponenten, (6) Automobilelektronik, (7) elektronische medizinische Geräte, (8) Industrieelektronik und (9) Militär- und Luftfahrtelektronik.

2.3

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission mit dieser neuen Mitteilung auf einige Vorschläge aus seinen früheren Stellungnahmen eingeht (1) und dass sie echte Handlungsbereitschaft zeigt, um Märkte zurückzuerobern. Voraussetzungen für den Erfolg sind dabei, dass die Forschungsergebnisse besser genutzt werden und mehr Gewicht auf führende Produkte und Unternehmen gelegt wird.

2.4

Laut Kommission lag der weltweite Gesamtumsatz allein dieses Sektors im Jahr 2012 bei ungefähr 230 Mrd. EUR, und der Gesamtwert der Produkte, die mikro- und nanoelektronische Komponenten und Systeme enthalten, beläuft sich auf etwa 1,6 Billionen EUR weltweit. Ausgehend von der Feststellung, dass die EU-Unterstützung für die Forschung, Entwicklung und Innovation seit 10 Jahren stagniert (Abschnitt 5.2 der Mitteilung) und andererseits in den letzten 15 Jahren eine bedeutende Verlagerung des Produktionsvolumens nach Asien – wo es Patente und qualifizierte Arbeitskräfte gibt – stattgefunden hat (Abschnitt 3.3 der Mitteilung), schlägt die Kommission vor, eine neue europäische industriepolitische Strategie für die Elektronik zu entwickeln. Dabei sollen durch koordinierte öffentliche Investitionen und öffentlich-private Partnerschaften neue öffentliche und private Investitionen in Höhe von 10 Mrd. EUR in "hochentwickelte Technologien" mobilisiert werden.

3.   Zusammenfassung der Mitteilung

3.1

Um diesen Rückstand bei der Produktion mikro- und nanoelektronischer Komponenten und Systeme gegenüber den Vereinigten Staaten und Asien aufzuholen, schlägt die Kommission vor:

die Investitionen in FuE und Innovation zu verstärken und zu koordinieren sowie die Anstrengungen der Mitgliedstaaten und der EU grenzüberschreitend zu bündeln;

die bestehenden Exzellenzcluster zu stärken, um die Spitzenposition zu halten;

darauf hinzuarbeiten, dass in der EU leistungsfähigere, billigere (hin zu Wafergrößen von 450 mm – "More Moore") und intelligentere ("More than Moore") digitale Datenträger (Siliziumchips) hergestellt werden;

über einen Zeitraum von 7 Jahren 10 Mrd. EUR zur Hälfte aus öffentlichen Finanzierungsquellen auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene und zur Hälfte aus öffentlich-privaten Partnerschaften zu mobilisieren, um die Wertschöpfungs- und Innovationskette auch im Rahmen von Horizont 2020 (2) abzudecken.

Das Anliegen der Kommission geht denn auch dahin:

die europäischen Schlüsselindustrien mit mehr mikro- und nanoelektronischen Komponenten und Systemen aus europäischer Produktion zu versorgen;

die Versorgungskette und das Umfeld für diese Technologien zu verbessern und dabei mehr Chancen für KMU zu schaffen;

die Investitionen in hochentwickelte Fertigungstechniken zu steigern;

die Innovation in allen Bereichen, auch beim Entwurf, zu stimulieren, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu erhöhen.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Unter Nanotechnologien fallen alle Elektronik- und Optoelektronikprodukte. Sie stehen für die sogenannten "Top-down"-Technologien, bei denen von Werkstoffen ausgegangen wird, die feiner strukturiert werden (im Mikrobereich), um Bauteile wie Transistoren, Kondensatoren oder elektrische Leiterbahnen zu schaffen. Die neuesten Forschungen gehen in Richtung "Bottom-up"-Technologie, d.h. die Anordnung von Nanoteilchen (1 bis 100 nm) wie Molekülen in integrierten Strukturen, den Nanoröhren, die bereits inhärente elektrische Eigenschaften besitzen, die die Leistung erhöhen und die die Kapazität von Silizium zusätzlich erweitern.

Wie in Ziffer 2.2 ausgeführt sind die Einsatzbereiche elektronischer Komponenten und Systeme sehr vielfältig und berühren sowohl fast jedes industrielle und gewerbliche Tätigkeitsfeld als auch beinahe jeden Aspekt unseres alltäglichen Lebens. Eine erschöpfende Aufzählung ist inzwischen nicht mehr möglich.

4.2

Der Ausschuss begrüßt, dass der Schwerpunkt auf einer echten industriepolitischen Strategie für die Elektronik liegt, die für die Innovationsfähigkeit aller Wirtschaftssektoren sowie für die Wettbewerbsfähigkeit und die künftige Entwicklung Europas entscheidend ist, und dass die Kommission die Absicht hat, diesen Bereich zu einem gemeinsamen Motor für die Mitgliedstaaten zu machen, um eine europäische Führungsposition aufzubauen. Auf dem Weltmarkt der Schlüsseltechnologien herrscht ein erbitterter Wettbewerb, und das Kapital macht einen Bogen um Europa. Um ihre internationale Position wiederherzustellen, muss die EU den Mitgliedstaaten geeignete Bedingungen für die betreffenden Branchen bieten.

4.3

Die von der Kommission vorgeschlagene Strategie ist sehr auf Europa und die Schließung der Lücken in der Wertschöpfungskette der europäischen Elektronikindustrie ausgerichtet. Die Wertschöpfungsketten in der Elektronikindustrie sind aber nicht regional, sondern global. Die drei Hauptakteure sind: Marktführer, Unterauftragnehmer und führende Unternehmer der Plattformen. Dutzende anderer Akteure spielen eine wichtige Rolle im größeren Kontext dieser Branche, z.B. Softwarehändler, Hersteller von Produktionsanlagen, Zwischenhändler sowie Hersteller generischer Komponenten und Subsysteme.

Der von den mächtigsten Firmen in den globalen Wertschöpfungsketten – d.h. Marktführern mit globalen Marken und Komponentenhersteller, die auf ihren jeweiligen Plattformen führende Positionen behaupten – abgeschöpfte Wert kann außerordentlich hoch sein. Die Mitteilung enthält keine genauen Angaben dazu, auf welche Glieder der globalen Wertschöpfungskette die Kommission ihr Engagement auszurichten beabsichtigt und ob ihre Ambitionen über den Bereich der generischen Komponenten und Subsysteme hinausreichen.

4.4

Um die notwendigen erheblichen Mittel in diesen Sektor zu lenken, will die Kommission die Zusammenarbeit und gemeinsame Aktionen begünstigen, und sie erwartet von den Forschern sowie den führenden Kräften der Elektronikindustrie (Mitgliedern des Lenkungsausschusses von AENEAS und CATRENE, "Nanoelectronics beyond 2020") deren Unterstützung bei der Festlegung des Fahrplans für die Strategie Ende 2013.

4.5

Der EWSA begrüßt diesen ausgeprägten Willen, Fortschritte zu erzielen, und ist der Auffassung, dass die Strategie von breiter Unterstützung getragen sein muss. Dieser Bereich würde statt einer europäischen Industriepolitik eher eine wirkliche "gemeinsame Industriepolitik" erfordern, die den Forschern eine umfassende kurz- und langfristige politische Vision bietet. Für die Zukunft Europas ist dieser Bereich enorm wichtig. Das Ziel ist es, einen Masseneffekt zu nutzen, um Forschung in Produkte und dann in marktgängige Produkte umzusetzen. Es ist somit unverzichtbar, zum einen die industrielle Entwicklung für mindestens 5 Jahre zu antizipieren, wie das die Konkurrenzunternehmen der Drittländer tun, und zum andern Brücken zur Zivilgesellschaft zu schlagen.

Die Spitzenleistungen der Fachunternehmen manifestieren sich in Nischen, und zwischen der Entwicklung und dem Verkauf des Endprodukts fehlt es den Hightech-KMU an Mitteln, Kompetenzen und der notwendigen öffentlichen Aufmerksamkeit. Die EU braucht Strategien, Produkte und Markführer. Dieser Aspekt wird in der Mitteilung nicht ausreichend berücksichtigt.

4.6

In den ersten vier der in Ziffer 2.2 aufgeführten Produktkategorien kommt nur ein einziger der globalen Marktführer aus Europa. In den anderen Branchen ist Europa stärker vertreten, aber eine europäische Dominanz ist in keiner der Branchen festzustellen. Der EWSA bedauert, dass die Kommission in ihrer Strategie nicht ausdrücklicher auf diese Hindernisse für den Zugang zur globalen Wertschöpfungskette eingeht. Ein erster Schritt wäre die Rückführung der Unteraufträge nach Europa.

4.7

Der EWSA stellt erfreut fest, dass die Kommission es für dringend notwendig erachtet, sämtliche Anstrengungen der öffentlichen Stellen in diesem Bereich zu intensivieren und vor allem zu koordinieren, damit diese Technologien auch dann, wenn sie in die ganze Welt verkauft werden, Eigentum der EU bleiben.

4.8

Nach Auffassung des EWSA müssen unbedingt grenzüberschreitende Synergien gefördert werden. Ebenso wichtig ist es, in den Mitgliedstaaten eine Dynamik als Grundlage für diese Synergien zu fördern. Europa kann nicht mehr sein als die Summe seiner Teile. Die Mitgliedstaaten selbst verfügen über das geistige Kapital für eine globale Präsenz. Worum es hier – neben den grenzübergreifenden Synergien – geht, sind Tatkraft, Weitblick und Ehrgeiz in den einzelnen Ländern.

4.8.1

Es wird eine stark strukturierte Koordinierung erforderlich sein, damit nicht zusätzlich zu der zwischen den Mitgliedstaaten zu beobachtenden Fragmentierung eine Fragmentierung auf regionaler Ebene bzw. Hochschulebene stattfindet (Exzellenzcluster). Es muss sichergestellt werden, dass die Strategie an die inhärente Dynamik der Mikro- und Nanotechnologiebranche angepasst ist.

4.8.2

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass es ein Gleichgewicht geben muss zwischen einer auf der Nachfrage des Marktes basierenden Strategie und einer notwendigen gemeinsamen Industriepolitik. Der Markt darf nicht der einzige Bezugspunkt sein (Mitteilung, Abschnitt 5.3, zweiter Absatz; Anhang Ziffer 4). Dennoch darf die EU die Entdeckungsfunktion des Marktes keineswegs ignorieren.

4.9

Eine stärkere europäische Industrie und eine neue Strategie im Bereich der elektronischen Komponenten und Systeme sind zwar höchst willkommen, müssten jedoch im Einklang mit Artikel 3 EUV sowie Artikel 9 und 11 AUEV stehen. Trotz der Komplexität aller genannten Faktoren müssen die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Entwicklung der Nanotechnologien und der Entwicklung durch die Nanotechnologien abgeschätzt werden.

4.9.1

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Daten bezüglich der Zahl der Arbeitsplätze in dieser Branche sowie bezüglich der erforderlichen Ausbildungsgänge, Qualifikationen und Kompetenzen analysiert und quantifiziert werden sollten. Die Zahl der Arbeitsplätze nimmt gegenwärtig zu, während es bei den Kompetenzen hapert. Gegen das festgestellte Missverhältnis muss etwas unternommen werden. Dafür sind langfristige Investitionen erforderlich, die sich berechnen lassen. Das Ziel besteht letztendlich darin, dass alle dazu beitragen, die Position der EU in der Welt der elektronischen Komponenten und Systeme zu festigen. Der EWSA bemängelt, dass die Kommission diese Aspekte, die doch in ihrer vorhergehenden Mitteilung aus dem Jahr 2012 (COM(2012) 582 final) breiten Raum einnahmen, in dieser Mitteilung ausgespart und die dafür notwendigen Beträge nicht aufgeführt hat.

4.9.2

Zu den Produkten, die Nanopartikel enthalten und die den Verbrauchern derzeit und künftig angeboten werden, gehören elektronische Geräte. Nanopartikel finden sich in Komponenten aus dem Bereich der Hybridmolekularelektronik, Halbleitern, Nanoröhren und Nanodraht sowie in der fortgeschrittenen Molekularelektronik. Im Bereich der Nieder- und Kleinspannung ist die Nanoelektronik ein wichtiges Forschungs- und Entwicklungsthema und führt zur Entwicklung neuer Schaltkreise, die sich an der theoretischen Grenze des Energieverbrauchs pro Bit bewegen. Die EU muss die Auswirkungen von Verschleiß, Qualitätseinbußen oder das Ende des Lebenszyklus von Nanomaterialien in den elektronischen Geräten, die derzeit genutzt oder in Zukunft entwickelt werden, mit Blick auf die nachhaltige Entwicklung zur Bewahrung der Umwelt und zum Schutz des Lebens berücksichtigen, auch wenn die geltende Definition des Begriffs Nanomaterialien durch die Europäische Kommission nicht dazu führt, dass die Gesundheit ein wesentlicher zu beachtender Aspekt der Mikro- und Nanoelektronik ist. Hier ist das Vorsorgeprinzip anzuwenden.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1   Eine echte industriepolitische Strategie

5.1.1

Der EWSA erachtet die Strategie der Kommission für angemessen, bei der es darum geht, die Lücken in der Wertschöpfungskette der Produktion zu schließen und eine Trendwende herbeizuführen, um die fehlenden Glieder der Wertschöpfungskette im Bereich der mikro- und nanoelektronischen Technologien nach Europa zurückzuholen. Er fragt jedoch nach den Gründen für die (in Abschnitt 5.2 der Mitteilung ausdrücklich eingeräumte) zehn Jahre währende Stagnation bei den EU-Mitteln für Forschung, Entwicklung und Innovation in Europa, einen Bereich, der doch weltweit einen guten Ruf genießt. Diese Stagnation hat die EU daran gehindert, den ihr gebührenden Platz auf den Weltmärkten einzunehmen, und dies zu einem entscheidenden Zeitpunkt, da China sich zum Sprung an die Weltspitze anschickt. Durch eine Analyse der Gründe sowie der der Dynamik der in Abschnitt 4 dieser Stellungnahme behandelten globalen Wertschöpfungskette ließen sich künftige Fehler vermeiden; dabei sollte man sich möglicherweise an den Strategien der anderen Weltregionen orientieren und hilfreiche Anreize für die Rückverlagerung bestimmter Produktionsbereiche nach Europa finden.

5.1.2

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Wettbewerbsfähigkeit- über die Höhe der Arbeitskosten ganzen Branchen den Garaus gemacht hat (Textilindustrie, Fertigung von Schuhen und Reifen, Metallurgie usw.). Auf die gleiche Weise hat sich die Einbindung von Unterauftragnehmern auf die Elektronikindustrie ausgewirkt. Im Rahmen der Strategie für die Elektronik sollten diese Fakten einbezogen werden, und es sollten neue Parameter für die Wettbewerbsfähigkeit herangezogen werden, und zwar auf der Grundlage der Kompetenzen, der Exzellenz und der Schaffung von mehr Clustern, der Verbreitung des Knowhows auf eine größere Zahl von Unternehmen, der internen Flexibilität usw.

5.1.3

Der EWSA ist der Auffassung, dass die europäischen KMU und ihre Marken über die finanzielle Unterstützung hinaus durch einen koordinierten Schutz seitens der EU gefördert werden könnten. Patente, der Schutz von Betriebsgeheimnissen sowie die Bekämpfung von Cyberkriminalität und Patentdiebstahl sollten in diese Strategie einbezogen werden.

Der multilaterale Freihandel öffnet über die koordinierte Regulierung, die die WTO vornehmen könnte, alle Grenzen. Der EWSA hält es für wünschenswert, die in dieser Mitteilung behandelte Strategie im Rahmen sämtlicher derzeit ausgehandelter Freihandelsabkommen (Japan, USA) zu berücksichtigen. Im Unterschied zu dem, was die Gründungsväter der Europäischen Union beabsichtigten, öffnen die Freihandelsabkommen Märkte, wo die Partner a priori nicht die gleichen Regeln haben.

5.2   Finanzierung

5.2.1

Um beim Wettlauf um die Märkte mitmischen zu können, sind Investitionen erforderlich, die die Mitgliedstaaten wegen der Krise und der von der EU geforderten Haushaltskürzungen nicht mehr aufbringen können. Die Kommission appelliert an das Engagement des Privatsektors. Mit der Krise ist es für KMU jedoch schwieriger geworden, an Kredite zu gelangen. Dies gilt insbesondere für innovative KMU, denen im schlimmsten Falle von den Banken die Luft abgedrückt wird.

5.2.2

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission auch ihre Finanzierung ins Visier nimmt und sich bemüht, die Schlinge etwas zu lockern.

5.2.3

Die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Geber ist aufgrund ihrer Defizite und der Staatsverschuldung, einschließlich der Sozialsysteme, eingeschränkt. Die ihnen zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente, mit denen sie die Verpflichtung der Unternehmen zur Erhaltung und zum weiteren Ausbau ihrer Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten in Europa überprüfen können (siehe Ende des Abschnitts 7.1), erscheinen nicht ausgereift genug.

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Regelungen für staatliche Beihilfen und Subventionen gelockert werden könnten, um

1.

die Reaktionsfähigkeit der Unternehmen des Sektors auf diesem globalen Zukunftsmarkt zu verbessern,

2.

einen Austausch bewährter Vorgehensweisen zwischen allen Forschern sicherzustellen,

3.

neue Exzellenzzentren in den Städten, die dafür bereit sind, aufbauen zu können,

4.

innereuropäisches Dumping durch entsprechende Solidaritätsregeln zu verhindern,

5.

die Verfahren und Kriterien für den Zugang zu den Mitteln zu vereinfachen und die Banken entsprechend zu informieren.

5.2.3.1

Der EWSA wünscht, dass klarere Aussagen zur Verknüpfung mit den Strukturfonds sowie der EIB getroffen werden, insbesondere für die Mitgliedstaaten, die auf Grund der tiefen Finanzkrise in einer extrem schwierigen Lage sind und in denen die massiven Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben zusätzlich zum Einfrieren der privaten Investitionen jegliche Hilfe illusorisch werden lassen und auch die Strukturfonds keine Wunder mehr wirken können. Der EWSA schlägt vor, dass die EU für die betroffenen Forscher in diesen Ländern die Möglichkeit schafft, in den besten europäischen Forschungszentren mitzuarbeiten.

5.2.3.2

Der EWSA ist der Auffassung, dass private Mittel durchaus einen Beitrag leisten können, es jedoch riskant wäre, eine langfristige Strategie darauf zu gründen.

5.3   Koordinierung

5.3.1

Der EWSA begrüßt die Aufgabe, die die EU im Bereich der Koordination übernehmen will, sowie die Entscheidung der Kommission, auf der Grundlage von Artikel 187 AEUV ein gemeinsames Unternehmen (neue gemeinsame Technologieinitiative) vorzuschlagen. Der Markt selbst leistet hier keinen Beitrag, er zeigt keinen politischen Willen, Leitlinien vorzugeben.

5.3.2

Die EU-Ebene ist der geeignete Rahmen, um eine bereichsübergreifende Gestaltung zu gewährleisten, Überschneidungen bei Forschungsarbeiten zu verhindern, die Wertschöpfungsketten zu mobilisieren und die Ergebnisse unter den bestmöglichen Bedingungen zu vermarkten. Der EWSA weist darauf hin, dass der unterschiedliche Entwicklungsstand der Forschung in den einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigt werden muss, damit nicht nur die Exzellenzcluster aufgewertet werden, sondern die neuen Mittel für alle zugänglich sind. Wenn nicht überall das gleiche "Geschäftsmodell" angewandt werden kann, müssen auch die kleinen Start-up-Unternehmen unterstützt werden können.

5.3.3

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die vertikale Integration der IT-Systeme (ehemaliges Programm Artemis) und der Nanoelektronik (ehemalige gemeinsame Technologieinitiative ENIAC) durch die bereichsübergreifende Zusammenarbeit von Unternehmen und Universitäten, und zwar auf transnationaler Ebene, ein ehrgeiziges Ziel ist. Der EWSA würde Klarstellungen zu den Besonderheiten von Regionen und Exzellenzclustern begrüßen, zumal das Zustandekommen wissenschaftlicher Entdeckungen zunehmend einen fächerübergreifenden Ansatz erfordert, um die besonderen Eigenschaften von Nanowerkstoffen zu erfassen. Zudem wünscht der EWSA Klarstellungen zum Datenschutz in Bezug auf die Informationen, die zugänglich gemacht werden sollten, und auf die angemeldeten Patente.

5.4   Soziale und wirtschaftliche Auswirkungen

5.4.1   Obwohl gerade in diesem Bereich die Humanressourcen unbedingt berücksichtigt werden müssen (Artikel 3 Absatz 3 EUV sowie 9 und 11 AEUV), wird in der Mitteilung der Kommission, in der es vor allem um Effizienz geht, zu diesem Thema nichts ausgeführt.

5.4.1.1   Beschäftigung

Nach Aussage der Kommission wurden in der Mikro- und Nanoelektronik in Europa 200 000 direkte und eine Million indirekte Arbeitsplätze geschaffen. Die Nachfrage nach Fachkräften nimmt ständig zu.

Die Unternehmen, die am Ende der Wertschöpfungskette stehen, müssen ihre Investitionen erfolgreich in (qualitative, finanzielle, kommerzielle) Leistung umwandeln. Die EU muss erreichen, dass sich ihre Spitzenposition in der weltweiten Forschung in Arbeitsplätzen niederschlägt.

Es ist an der Zeit, dass die EU das hohe Qualifikationsniveau, das in einigen Nischen bereits anzutreffen ist, zum allgemeinen Standard macht, indem sie Information, Ausbildung und Qualifikation usw. ausbaut.

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Finanzierung der Projekte nicht zu Lasten der Förderung der sozialen Inklusion und der Bekämpfung der Armut gehen sollte, und weist darauf hin, dass gut ausgebildete, qualifizierte und ordentlich bezahlte Arbeitskräfte eine Qualitätsgarantie für das Endprodukt sind.

5.4.1.2   Ausbildung

Die Kommission sollte in diesem Zusammenhang auf ihre Mitteilung COM(2012) 582 final (Kapitel III-D) verweisen. Humanressourcen, Qualifikationen und frühzeitige Erkennung des Bedarfs sind mehr denn je unabdingbar für den Erfolg jeglicher Maßnahmen im Bereich der mikro- und nanoelektronischen Komponenten, der seinem Wesen nach in ständiger Entwicklung begriffen ist. Die Kommission hat bereits eine Vergleichstabelle vorgesehen, die der innereuropäischen Mobilität zugutekommen soll.

Aufgrund fehlender Harmonisierung ist die Situation in Bezug auf Steuern, Bildung, Zugang zu Kapital und Arbeitskosten in allen Mitgliedstaaten unterschiedlich. Der EWSA unterstützt den Ansatz der Kommission, die den Schwerpunkt auf die Qualifikationen legt. Es sollte alles Erdenkliche getan werden, um in der Union die Konvergenz bei den Ausbildungsgängen, Qualifikationen, Kenntnissen und Abschlüssen zu fördern, die für die Abdeckung der Wertschöpfungskette der europäischen Mikro- und Nanoelektronikindustrie erforderlich sind.

5.4.1.3   Gesundheit

5.4.1.3.1

Der Definition der OECD zufolge sind Nanotechnologien jene Technologien, die die Veränderung, Erforschung oder Nutzung sehr kleiner Strukturen und Systeme ermöglichen (2009). Diese Werkstoffe, ob sie nun in der Natur vorkommen oder technisch hergestellt werden, sind für Nanotechnologien unabdingbar und werden von Menschen, Bürgern wie Arbeitnehmern, verändert und genutzt.

5.4.1.3.2

Nach Auffassung des EWSA muss in einer Mitteilung, mit deren Hilfe die EU in diesem Bereich auf Weltniveau gebracht werden soll, auch vor den bestehenden Gefahren gewarnt, die Risiken für die menschliche Gesundheit benannt und auf das Vorsorgeprinzip verwiesen werden, damit die Vorteile allen zugutekommen und die Risiken so gering wie möglich gehalten werden, so dass sich die Probleme wie seinerzeit bei Asbest nicht wiederholen. Einige aktuelle und künftige Komponenten nanoelektronischer Systeme machen nicht an der Lungen-, Blut- Hirn- oder Plazentaschranke Halt. Sie haben eine beachtliche Interaktionsoberfläche.

5.4.1.3.3

Im Übrigen setzt das Gesundheitswesen nanoelektronische Systeme ein und trägt damit zur Förderung der Forschung bei: Man darf nicht vergessen, dass dies derzeit den Sozialsystemen zu verdanken ist, die als Absatzmarkt für die Forschung dienen, solange die Krise, die Arbeitslosigkeit und die Defizite dies zulassen.

5.4.1.4   Nachhaltige Entwicklung

5.4.1.4.1

Der EWSA verweist auf die von der Kommission angeregte Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum (Europa 2020, COM(2010) 2020 final) und ist der Auffassung, dass die europäische Strategie für mikro- und nanoelektronische Komponenten und Systeme dabei ein zentrales Element ist.

5.4.1.4.2

Bei letzterer sollte von Anfang an berücksichtigt werden, dass die Industrie, die gefördert werden soll, bereits Sonderabfälle produziert und dies auch weiter tun wird und dass der gesamte Lebenszyklus von Mikro- und Nanomaterialien bereits ab der Forschungsphase gesteuert und finanziert werden muss, insbesondere für die technisch hergestellten Materialien und die Systeme, in denen sie eingesetzt werden (Bottom-up-Prinzip). Dies ist ganz besonders wichtig, weil die Risiken noch nicht vollständig bekannt sind. Vielleicht sollte erwogen werden, die Richtlinie über die Besteuerung von Energieerzeugnissen (3) diesbezüglich zu ergänzen.

5.4.1.4.3

Der EWSA ist der Auffassung, dass die vorgeschlagene industriepolitische Strategie einer Politik der "Großvorhaben" gleichgestellt werden kann und die Anforderungen in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung erfüllen muss.

5.4.1.5   Entscheidungsfindung

Einige Mitgliedstaaten haben Bürgerdebatten über diese industrielle Revolution organisiert. Am Ende der Wertschöpfungskette gilt es, das Vertrauen der Bürger bzw. Verbraucher zu gewinnen, damit diese europäische Produkte kaufen.

Zu diesem Zweck befürwortet der EWSA die Einbindung der Beteiligten und die Debatte über das Risikomanagement sowie eine Definition des Begriffs verantwortungsbewusste Innovation. Es ist notwendig, das allgemeine Interesse und die Verantwortlichkeiten der Akteure in die richtige Perspektive zu rücken und die Fragen und Interessenskonflikte aufzuzeigen – dies wird mit Sicherheit dazu beitragen, aus Sicht der Bürger, die sich der geforderten Investitionen und der strategischen Bedeutung des Sektors bewusst sind, sozial vertretbare Lösungen zu finden.

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 88; ABl. C 54 vom 19.2.2011, S. 58.

(2)  COM(2011) 808 final; "Horizont 2020 – das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation".

(3)  COM(2011) 169 final.


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/181


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und 2008/118/EG bezüglich der französischen Regionen in äußerster Randlage, insbesondere Mayotte

COM(2013) 577 final — 2013/0280 (CNS)

2014/C 67/37

Der Rat beschloss am 12. September, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und 2008/118/EG bezüglich der französischen Regionen in äußerster Randlage, insbesondere Mayotte

COM(2013) 577 final — 2013/0280 (CNS).

Da der Ausschuss dem Vorschlag zustimmt und keine Bemerkungen zu dieser Thematik vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 149 gegen 3 Stimmen bei 6 Enthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

 

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/182


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 in Bezug auf die Mittelzuweisungen aus dem Europäischen Sozialfonds für bestimmte Mitgliedstaaten

COM(2013) 560 final — 2013/0271 (COD)

2014/C 67/38

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 10. September bzw. 6. September 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 177 und 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 in Bezug auf die Mittelzuweisungen aus dem Europäischen Sozialfonds für bestimmte Mitgliedstaaten

COM(2013) 560 final – 2013/0271 (COD).

Der Ausschuss beschloss auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 149 gegen 3 Stimmen bei 6 Enthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

 

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/183


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungs- und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation Vorlage eines Entwurfs gemäß Artikel 31 Euratom-Vertrag zur Stellungnahme durch den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss

COM(2013) 576 DRAFT

2014/C 67/39

Die Europäische Kommission beschloss am 6. August 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 40 des Euratom-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungs- und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation

COM(2013) 576 DRAFT.

Da der Ausschuss dem Vorschlag zustimmt und keine Bemerkungen zu dieser Thematik vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 149 gegen 3 Stimmen bei 6 Enthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

 

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


6.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 67/184


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Eröffnung und Verwaltung autonomer Gemeinschaftszollkontingente für die Einfuhr bestimmter Fischereierzeugnisse auf die Kanarischen Inseln im Zeitraum 2014-2020

COM(2013) 552 final — 2013/0266 (CNS)

2014/C 67/40

Der Rat beschloss am 16. September 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 349 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Eröffnung und Verwaltung autonomer Gemeinschaftszollkontingente für die Einfuhr bestimmter Fischereierzeugnisse auf die Kanarischen Inseln im Zeitraum 2014-2020

COM(2013) 552 final — 2013/0266 (CNS).

Da der Ausschuss dem Vorschlag zustimmt und keine Bemerkungen zu dieser Thematik vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 149 gegen 3 Stimmen bei 6 Enthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

 

Brüssel, den 16. Oktober 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE