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ISSN 1977-088X doi:10.3000/1977088X.C_2012.179.deu |
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Amtsblatt der Europäischen Union |
C 179 |
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Ausgabe in deutscher Sprache |
Mitteilungen und Bekanntmachungen |
55. Jahrgang |
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Informationsnummer |
Inhalt |
Seite |
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III Vorbereitende Rechtsakte |
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RECHNUNGSHOF |
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2012/C 179/01 |
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DE |
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III Vorbereitende Rechtsakte
RECHNUNGSHOF
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20.6.2012 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 179/1 |
STELLUNGNAHME Nr. 4/2012
zum Evaluierungsbericht zu den Finanzen der Union, den die Kommission gemäß Artikel 318 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse vorlegt
2012/C 179/01
EINLEITUNG
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1. |
Im Februar 2012 veröffentlichte die Kommission einen Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über die Evaluierung der Finanzen der Union auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse (1) (Evaluierungsbericht). Gemäß dem Vertrag ist die Kommission zur Vorlage eines solchen Berichts verpflichtet, der zu den Nachweisen gehört, auf deren Grundlage das Parlament der Kommission jedes Jahr Entlastung in Bezug auf den Haushaltsplan erteilt (2). |
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2. |
Zu den konkreten Vorstellungen des Gesetzgebers äußerte sich das Parlament im Mai 2011 in seinem Beschluss über die Entlastung für 2009 wie folgt: „ist der Auffassung, dass der Evaluierungsbericht so zu erstellen ist, dass die Relation zwischen den wesentlichen Leistungsindikatoren, ihrer Rechtsgrundlage bzw. politischen Grundlage, dem entsprechenden Ausgabenbetrag und den Ergebnissen deutlich und transparent wird (3).“ In demselben Dokument betonte das Parlament außerdem, dass für das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Haushalt der Union die Erbringung der geplanten Ergebnisse den gleichen Stellenwert einnimmt wie Fragen der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit und die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung. In diesem Zusammenhang forderte das Parlament die Kommission auf, „ihre Systeme zur Beurteilung der Effektivität der Ausgabenprogramme zu überprüfen, um festzustellen, inwiefern sie zu einem Mehrwert führen, einen realen Gegenwert bewirken und die Ziele verwirklichen, für die sie eingerichtet wurden“ (4). |
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3. |
Das Parlament forderte den Hof auf, seine Stellungnahme zum Evaluierungsbericht abzugeben (5). Mit der vorliegenden Stellungnahme wird diesem Ersuchen entsprochen. In Anbetracht der Vorläufigkeit des ersten Evaluierungsberichts der Kommission möchte der Hof jedoch nicht im Detail auf dessen Inhalt eingehen. |
Standpunkt des Hofes zum ersten Evaluierungsbericht und zu dessen künftiger Weiterentwicklung
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4. |
Der erste Evaluierungsbericht ist vage formuliert, enthält wenig Substanz und führt infolgedessen nur zu geringem Mehrwert. Es ist offensichtlich (6), dass sich die Kommission noch keine klare Meinung gebildet hat, wie sie die ihr im Vertrag zugewiesene Aufgabe wahrnehmen sollte. Die Kommission führt an, sie prüfe zurzeit, wie der Bericht inhaltlich weiterentwickelt werden könnte, und werde etwaige vom Parlament und vom Rat geäußerte Meinungen berücksichtigen. Nach Ansicht des Hofes sollte die Kommission noch weiter gehen und sich aktiv mit diesen beiden Organen austauschen. |
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5. |
Der Hof vertritt die Auffassung, dass der Evaluierungsbericht dazu beitragen könnte, die Rechenschaftspflicht der Kommission gegenüber der Entlastungsbehörde und damit den Unionsbürgern zu verstärken. Um dies wirksam zu gewährleisten, sollte die Kommission Überlegungen zum Zweck, zum Inhalt, zur Reichweite und zur Zeitplanung des Berichts anstellen. Auf diese Aspekte wird in den folgenden Ziffern genauer eingegangen. |
Zweck und Inhalt
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6. |
Die Vertragsbestimmungen, aufgrund deren der Evaluierungsbericht zu erstellen ist, sind ein weiterer Schritt hin zur allmählichen stärkeren Ausrichtung der Systeme der Berichterstattung und Rechenschaftslegung auf die Erzielung von Ergebnissen und nicht nur auf die Übereinstimmung mit den Vorschriften. Die Gesetzgeber wollen wissen, ob mit den Unionsausgaben tatsächlich Wirkungen erzielt werden. In seinen eigenen Sonderberichten und Stellungnahmen weist der Hof regelmäßig darauf hin, dass sich die Kommissionssysteme von der Konzeption her nicht sehr gut dafür eignen. |
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7. |
Es gibt eine Reihe potenzieller Quellen für Nachweise über erzielte Ergebnisse. Im Evaluierungsbericht selbst werden individuelle Evaluierungen bestimmter Programme, Folgenabschätzungen, jährliche Tätigkeitsberichte, der Synthesebericht, Tätigkeitsübersichten und der Bericht über die Folgemaßnahmen zur Entlastungsentschließung genannt, eine Auflistung, die noch um die Sonderberichte des Hofes ergänzt werden kann. Diese verschiedenen Quellen werden jedoch nicht kohärent zusammengeführt, und zu oft liegt der Schwerpunkt auf den im Rahmen abgeschlossener Mehrjahresprogramme erreichten Ergebnissen, wenn es für eine Anpassung der Programme zur Verstärkung ihrer Auswirkungen bereits zu spät ist. |
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8. |
Im Evaluierungsbericht wird darauf hingewiesen, dass es wegen der Art der Unionsausgaben oft nicht möglich ist, die Ergebnisse in jährlichen Abständen zu bewerten (7). Das trifft zwar zu, doch ließe sich die Berichterstattung über die voraussichtliche Erreichung langfristiger Ziele durchaus noch verbessern. Der Evaluierungsbericht bietet die Gelegenheit, hierauf einzugehen. |
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9. |
Angesichts dieser Sachverhalte schlägt der Hof der Kommission vor, den Evaluierungsbericht zum Anlass zu nehmen, ihre Systeme der Berichterstattung und Rechenschaftslegung von Grund auf zu überdenken. Im vorgelegten Evaluierungsbericht macht die Kommission geltend, dass sich ihr derzeitiges System der relativ seltenen Programmevaluierungen nicht gut für eine jährliche Analyse der erzielten Ergebnisse eignet (8). Der Hof ist der gleichen Meinung und sieht in den Evaluierungen lediglich einen Teil der Nachweise, auf die sich der Bericht in Zukunft stützen sollte. |
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10. |
Damit der Evaluierungsbericht den in den vorstehenden Ziffern genannten Erfordernissen gerecht werden und die Erwartungen der Entlastungsbehörde erfüllen kann, müssen einige neue, aber nicht unbedingt zusätzliche Berichterstattungsmodalitäten vorgesehen werden, die darauf abzielen, der Entlastungsbehörde und anderen interessierten Kreisen die von ihnen benötigten Informationen über die erzielten Ergebnisse zu liefern. Insbesondere sollte die Kommission im Rahmen der vorhandenen beschränkten Ressourcen systematisch damit beginnen, in ihre Mehrjahresprogramme Leistungsindikatoren und Etappenziele aufzunehmen, die es ihr ermöglichen, an wichtigen Zwischenpunkten zu bewerten, ob die festgelegten Ziele und die beabsichtigten Auswirkungen voraussichtlich erreicht werden (9). Dies wäre ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Wirksamkeitsmessung. Der in Ziffer 4 angesprochene Meinungsaustausch sollte es der Kommission außerdem ermöglichen, die Erwartungen in Bezug auf die Berichterstattung über Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit auszuloten. |
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11. |
Der Hof hat Stellungnahmen zu den Kommissionsvorschlägen für Verordnungen über die beiden wichtigsten EU-Ausgabenbereiche, Kohäsion und Landwirtschaft, für den Zeitraum 2014-2020 veröffentlicht (10). In beiden Fällen wies der Hof darauf hin, dass die Kommission es versäumt hat, für ihre Politik ergebnisorientierte Ziele festzulegen, also zu bestimmen, was mit den EU-Mitteln erreicht werden soll. Ohne klare Zielvorgaben für die erwarteten Ergebnisse wird die Kommission weiterhin nur schwer nachweisen können, dass ihre Ausgaben einen europäischen Mehrwert erbringen, und somit wird es ihr weiterhin schwerfallen, Gewähr für die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit ihrer Ausgaben zu bieten. |
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12. |
Zudem muss die Kommission besonderes Augenmerk auf die Qualität der in ihren jährlichen Evaluierungsberichten verwendeten Daten legen, einschließlich der von den Mitgliedstaaten übermittelten Daten. Hierzu stellte der Hof in Ziffer 39 seiner Stellungnahme Nr. 7/2011 Folgendes fest (11): „Die Kommission sollte (…) der Frage nachgehen, inwieweit sichergestellt werden kann, dass die von den Mitgliedstaaten vorgelegten Daten für das Monitoring, die Evaluierung und die Leistungsüberprüfung der Programme von ihrer Relevanz, Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit her ein annehmbares Qualitätsniveau aufweisen.“ |
Reichweite
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13. |
Der von der Kommission vorgelegte Evaluierungsbericht bezieht sich angeblich auf die in zwei Politikbereichen — Bildung und Kultur sowie Forschung — erzielten Ergebnisse. Die tatsächliche Reichweite ist jedoch noch geringer. Beispielsweise heißt es im Bericht, der Bereich Bildung und Kultur umfasse fünf allgemeine Ziele, woraufhin jedoch nur zum letztgenannten Ziel einige vage formulierte Evaluierungsinformationen geliefert werden. Es wird nicht erläutert, warum für die ersten vier Ziele keine Analyse vorgelegt wird. |
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14. |
Die Kommission weist darauf hin (12), dass der Versuch einer jährlichen Erfassung aller von der EU finanzierten Programme zu einem langen Bericht ohne klaren Fokus führen könnte. Dies ist einer der Punkte, die das Parlament und der Rat zusammen mit der Kommission betrachten könnten. Zu anderen Punkten gehört die Frage, ob sich die Evaluierung abgesehen von den Ergebnissen — und damit der Wirksamkeit — nicht auch auf Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit beziehen sollte. Die Evaluierung könnte themenbezogen sein und lediglich aufzeigen, wie sich bestimmte Themen im Laufe der Zeit entwickelt haben, oder aber eine breiter angelegte Analyse der von der Kommission im vergangenen Jahr erzielten Ergebnisse umfassen. Bei allen Überlegungen dieser Art ist zu berücksichtigen, inwieweit die im Evaluierungsbericht enthaltenen Informationen für das jährliche Entlastungsverfahren von Nutzen sind. |
Zeitplanung
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15. |
Der Evaluierungsbericht gehört zu den Unterlagen, die gemäß Artikel 319 AEUV im Rahmen des Entlastungsverfahrens vom Rat und vom Europäischen Parlament zu prüfen sind. Dementsprechend hat die Kommission ihre Absicht bekundet, den Bericht künftig jährlich bis spätestens Mitte November vorzulegen (13). Zur selben Zeit wird auch der Jahresbericht des Hofes veröffentlicht. Das Parlament (14) hat den Hof aber aufgefordert, seine Bemerkungen zum Evaluierungsbericht gleichzeitig mit seinem Jahresbericht bekannt zu geben. Um dieser Aufforderung nachkommen zu können, müsste der Hof den Evaluierungsbericht wesentlich früher erhalten. |
SCHLUSSFOLGERUNG
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16. |
Aufgrund der in Artikel 318 AEUV verankerten Verpflichtung hat die Kommission ihren ersten jährlichen Evaluierungsbericht vorgelegt. Der Bericht ist vage formuliert, enthält wenig Substanz und führt infolgedessen nur zu geringem Mehrwert. Nach Auffassung des Hofes bietet sich dem Parlament, dem Rat und der Kommission jedoch auf dieser Grundlage die Gelegenheit zur Diskussion und zur Einigung darüber, wie der Evaluierungsbericht der Entlastungsbehörde tatsächlich von Nutzen sein kann. Der Hof schlägt vor, bei einer solchen Diskussion u. a. folgende Fragen zu behandeln:
Sollte der Hof aufgefordert werden, seine Bemerkungen zum Evaluierungsbericht zeitgleich mit seinem Jahresbericht vorzulegen (wie vom Europäischen Parlament bereits gefordert), müsste ihm dieses Dokument wesentlich früher als von der Kommission vorgeschlagen zugehen. |
Diese Stellungnahme wurde von der CEAD-Kammer unter Vorsitz von Herrn Igors LUDBORŽS, Mitglied des Rechnungshofs, am 14. Mai 2012 in Luxemburg angenommen.
Für den Rechnungshof
Vítor Manuel da SILVA CALDEIRA
Präsident
(1) COM(2012) 40 final.
(2) Artikel 318 und 319 AEUV.
(3) Beschluss des Europäischen Parlaments vom 10. Mai 2011 betreffend die Entlastung zur Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2009, Einzelplan III — Kommission (SEK(2010)0963 — C7-0211/2010 — 2010/2142(DEC)), Ziffer 200.
(4) Beschluss des Europäischen Parlaments vom 10. Mai 2011 betreffend die Entlastung zur Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2009, Einzelplan III — Kommission (SEK(2010)0963 — C7-0211/2010 — 2010/2142(DEC)), Ziffern 71 und 72.
(5) Beschluss des Europäischen Parlaments vom 10. Mai 2011 betreffend die Entlastung zur Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2009, Einzelplan III — Kommission (SEK(2010)0963 — C7-0211/2010 — 2010/2142(DEC)), Ziffer 201.
(6) Siehe beispielsweise die beiden letzten Absätze auf S. 18 des Kommissionsberichts COM(2012) 40 final.
(7) COM(2012) 40 final, S. 3, zweiter und dritter Absatz.
(8) COM(2012) 40 final, S. 16, vorletzter Absatz.
(9) Der Hof weist darauf hin, dass dem Gesetzgeber hierbei eine wichtige Rolle zukommt, denn er muss sicherstellen, dass die Kommissionsvorschläge SMART-Ziele (d. h. Ziele, die konkret, messbar, erreichbar, sachgerecht und mit einem Datum versehen sind) enthalten, um die Messung der Leistung zu ermöglichen.
(10) Siehe auch Ziffer 10 der Stellungnahme Nr. 7/2011 (ABl. C 47 vom 17.2.2012, S. 1), Ziffer 8 und Ziffer 151 der Stellungnahme Nr. 1/2012 sowie Ziffer 8.54 des Jahresberichts des Hofes zum Haushaltsjahr 2010 (ABl. C 326 vom 10.11.2011, S.1).
(11) Diese Stellungnahme bezog sich zwar auf die Strukturfonds, doch gilt diese Feststellung allgemein für alle Bereiche der geteilten Verwaltung.
(12) COM(2012) 40 final, S. 4.
(13) COM(2012) 40 final, S. 2.
(14) Bericht des Haushaltskontrollausschusses A7-0098/2012 über die Entlastung zur Ausführung des Gesamthaushaltsplans für 2010.