ISSN 1725-2407

doi:10.3000/17252407.C_2011.132.deu

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 132

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

54. Jahrgang
3. Mai 2011


Informationsnummer

Inhalt

Seite

 

I   Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

 

ENTSCHLIESSUNGEN

 

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

 

470. Plenartagung am 15. und 16. März 2011

2011/C 132/01

Entschließung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses: Die Situation in den südlichen Mittelmeerländern

1

 

STELLUNGNAHMEN

 

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

 

470. Plenartagung am 15. und 16. März 2011

2011/C 132/02

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Verbraucher und grenzüberschreitende Möglichkeiten im Binnenmarkt(Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des ungarischen Ratsvorsitzes)

3

2011/C 132/03

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Die Zukunft des Europäischen Sozialfonds nach 2013(Sondierungsstellungnahme)

8

2011/C 132/04

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Energieversorgung: Wie muss eine Nachbarschaftspolitik aussehen, die die Versorgungssicherheit der EU gewährleistet?(Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des ungarischen Ratsvorsitzes)

15

2011/C 132/05

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Innovative Arbeitsplätze als Grundlage für Produktivität und hochwertige Beschäftigung (Initiativstellungnahme)

22

 

III   Vorbereitende Rechtsakte

 

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

 

470. Plenartagung am 15. und 16. März 2011

2011/C 132/06

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Jahreswachstumsbericht: Das Gesamtkonzept der EU zur Krisenbewältigung nimmt weiter Gestalt anKOM(2011) 11 endg.

26

2011/C 132/07

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Leitinitiative der Strategie Europa 2020 — InnovationsunionKOM(2010) 546 endg.

39

2011/C 132/08

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte — Für eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft — 50 Vorschläge, um gemeinsam besser zu arbeiten, zu unternehmen und Handel zu treibenKOM(2010) 608 endg.

47

2011/C 132/09

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2000/25/EG in Bezug auf die Anwendung von Emissionsstufen bei SchmalspurzugmaschinenKOM(2011) 1 endg. — 2011/0002 (COD)

53

2011/C 132/10

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Jugend in Bewegung — Eine Initiative zur Freisetzung des Potenzials junger Menschen, um in der Europäischen Union intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zu erzielenKOM(2010) 477 endg.

55

2011/C 132/11

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die GAP bis 2020: Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und ländliche Gebiete — die künftigen HerausforderungenKOM(2010) 672 endg.

63

2011/C 132/12

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung (EU) Nr. …/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 648/2004 in Bezug auf die Verwendung von Phosphaten und anderen Phosphorverbindungen in HaushaltswaschmittelnKOM(2010) 597 endg. — 2010/0298 (COD)

71

2011/C 132/13

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Halbzeitbilanz der LIFE+-VerordnungKOM(2010) 516 endg.

75

2011/C 132/14

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Überprüfung der Gemeinschaftsstrategie für QuecksilberKOM(2010) 723 endg.

78

2011/C 132/15

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der kleineren Inseln des Ägäischen MeeresKOM(2010) 767 endg. — 2010/0370 (COD)

82

2011/C 132/16

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 378/2007 des Rates hinsichtlich der Regeln für die Anwendung der fakultativen Modulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen AgrarpolitikKOM(2010) 772 endg. — 2010/0372 (COD)

87

2011/C 132/17

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung Einheitliche GMO)KOM(2010) 799 endg. — 2010/0385 (COD)

89

2011/C 132/18

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2000/75/EG hinsichtlich der Impfung gegen die BlauzungenkrankheitKOM(2010) 666 endg. — 2010/0326 (COD)

92

2011/C 132/19

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020KOM(2010) 389 endg.

94

2011/C 132/20

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines einheitlichen europäischen EisenbahnraumsKOM(2010) 475 endg. — 2010/0253 (COD) und Mitteilung der Kommission über die Entwicklung eines einheitlichen europäischen EisenbahnraumsKOM(2010) 474 endg.

99

2011/C 132/21

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Integrität und Transparenz des EnergiemarktsKOM(2010) 726 endg.

108

2011/C 132/22

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (Neufassung) KOM(2011) 29 endg. — 2011/0011 (COD)

113

DE

 


I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

ENTSCHLIESSUNGEN

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

470. Plenartagung am 15. und 16. März 2011

3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/1


Entschließung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses: „Die Situation in den südlichen Mittelmeerländern“

2011/C 132/01

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verabschiedete auf seiner Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 149 gegen 11 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen die folgende Entschließung.

1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) bringt seine Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern der südlichen Mittelmeerländer zum Ausdruck, die friedlich für ihre Grundrechte und –freiheiten kämpfen, und unterstützt sie in ihrem legitimen Ziel, in ihren Heimatländern eine stabile Demokratie aufzubauen.

2.

Der EWSA fordert die Beendigung der Gewalt gegen Zivilisten und die vollständige Achtung des Strebens der Bürgerinnen und Bürger nach demokratischem Wandel sowie ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung und friedfertige Kundgebung.

3.

Der EWSA fordert einen unverzüglichen friedlich-demokratischen Transformationsprozess zur Schaffung von Rechtstaatlichkeit und einer stabilen Demokratie, die auf freien und fairen Wahlen, dem uneingeschränkten Versammlungsrecht sowie der Wahrung der Menschenrechte beruht.

4.

In Zeiten eines solchen historischen Umbruchs sind die seit Langem oder erst seit Kurzem bestehenden, sich klar zur Demokratie bekennenden Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und andere Vertreter der Zivilgesellschaft, insbesondere aus dem wirtschaftlichen und sozialen, staatsbürgerlichen, berufsständischen und kulturellen Bereich, in den Mittelmeerländern für einen Wandel des politischen Systems von grundlegender Bedeutung und spielen eine Schlüsselrolle für die Zukunft ihrer Heimatländer. Um durch und durch demokratische Systeme zu erreichen, bedarf es eines konstruktiven und zielorientierten Dialogs zwischen diesen Organisationen und den politischen Institutionen, die den Transformationsprozess lenken. Ebenso wichtig ist der Beitrag der Zivilgesellschaft zur Stärkung der nachbarschaftlichen Beziehungen einschließlich unmittelbarer Kontakte zwischen den Bevölkerungen.

5.

Der EWSA begrüßt die jüngsten Aufrufe der Hohen Vertreterin für Außenpolitik zugunsten dieser demokratischen Prozesse und die Ankündigung eines Plans für humanitäre Hilfe für die Region. Der EWSA dringt auf ein klares europäisches Engagement zugunsten der Zivilgesellschaft im südlichen Mittelmeerraum im Anschluss an diese Bekundungen. Der Auswärtige Dienst der EU hat erklärt, dass bereits Maßnahmen ergriffen wurden, um dieses politische Engagement zu konkretisieren. Seinerseits ist der EWSA bereit, dieses politische Bemühen durch den Kapazitätenaufbau sowie die Förderung der Konsensbildung und der Entwicklung eines strukturierten, repräsentativen Dialogs seitens der Zivilgesellschaft der verschiedenen Länder des südlichen Mittelmeerraums zu unterstützen. Der EWSA begrüßt den Beschluss, diesen neuen Ansatz weiterzuentwickeln: Die zivilen Aufstände in den südlichen Mittelmeerländern führen die Schwächen der bisherigen Außenbeziehungen der EU zu diesen Ländern klar vor Augen.

6.

Zu diesem Zweck ist der EWSA bestrebt, seinen bestehenden und neuen Ansprechpartnern, wie den Organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und den anderen Organisationen der Zivilgesellschaft, die Beziehungen zu entsprechenden Partnerorganisationen der europäischen Zivilgesellschaft unterhalten, und der Plattform nichtstaatlicher Organisationen Europa-Mittelmeer zu helfen. Der EWSA regt ein gemeinsames Vorgehen zur Unterstützung eines friedlichen Übergangs hin zur Demokratie in der Region an.

7.

Der EWSA ruft alle demokratischen Kräfte auf, sich an dem Transformationsprozess zu beteiligen. Wesentlich ist in dieser Übergangsphase die Einbindung demokratischer, unabhängiger Organisationen der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und anderer Organisationen der Zivilgesellschaft.

8.

Der EWSA ruft die EU auf, durch eine Überarbeitung des Auftrags der Mittelmeerunion weitreichende Maßnahmen zu ergreifen, um die Mittelmeeranrainerstaaten, die sich bereits auf dem Weg des Übergangs hin zur Demokratie befinden, in politisch-institutioneller, wirtschaftlicher, sozialer, technischer und humanitärer Hinsicht zu unterstützen. Er bedauert den Mangel an Abstimmung zwischen den EU-Organen und den Mitgliedstaaten bei der Behandlung dieser Fragen. Er fordert die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten deshalb nachdrücklich auf, ihre Maßnahmen in der Region abzustimmen und ihre Mittelmeer-Strategie grundlegend zu überarbeiten. Ein strategisches Kernelement dieses neuen Ansatzes muss die Unterstützung der Zivilgesellschaft sein, damit die Hilfe der EU für die Länder der Region eine möglichst große Wirkung entfaltet. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen (AdR) sind bereit, sich an diesen Maßnahmen zu beteiligen.

9.

Der EWSA und der AdR haben vereinbart, ihre künftigen Maßnahmen im Hinblick auf die demokratischen Transformationsprozesse der südlichen Mittelmeeranrainerstaaten zu koordinieren. Sie fordern einen gemeinsamen Aktionsplan der Organe und Einrichtungen der EU, in dem der Beitrag der einzelnen Institutionen zu der übergeordneten EU-Strategie für die Region festgelegt ist.

10.

Der EWSA begrüßt die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates auf seinem außerordentlichen Gipfeltreffen am 11. März zur Unterstützung der demokratischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Mittelmeerländer.

11.

Der EWSA fordert die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten auf, rasch und effektiv auf ein koordiniertes Tätigwerden der internationalen Gemeinschaft in Libyen hinzuarbeiten, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, humanitäre Hilfe bereitzustellen und alle für den Übergang zur Demokratie notwendigen Maßnahmen einzuleiten.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


STELLUNGNAHMEN

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

470. Plenartagung am 15. und 16. März 2011

3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/3


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Verbraucher und grenzüberschreitende Möglichkeiten im Binnenmarkt“

(Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des ungarischen Ratsvorsitzes)

2011/C 132/02

Berichterstatter: Jorge PEGADO LIZ

Mit Schreiben vom 15. November 2010 ersuchte Péter GYÖRKÖS im Namen des ungarischen Ratsvorsitzes den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Erarbeitung einer Sondierungsstellungnahme zum Thema

Verbraucher und grenzüberschreitende Möglichkeiten im Binnenmarkt“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 4. März 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 175 gegen 2 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen an den ungarischen Ratsvorsitz

1.1

Der EWSA dankt dem ungarischen Ratsvorsitz, dass er ihm die Gelegenheit gegeben hat, zu den wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit den Entwicklungen der Möglichkeiten der europäischen Verbraucher im Rahmen des Binnenmarkts Stellung zu nehmen und auf diese Weise zu den Arbeiten des EU-Ratsvorsitzes im ersten Halbjahr 2011 beizutragen.

1.2

Der EWSA hält es für unverzichtbar, die Debatte über die Grundlagen eines neuen Ansatzes der Verbraucherpolitik mit Blick auf 2030 wieder aufzugreifen, und hofft, dass der ungarische Ratsvorsitz, die anderen Institutionen und die Sozialpartner daran mitwirken.

1.3

Der Ausschuss ist erfreut darüber, dass der Rat am 24. Januar 2011 einen gemeinsamen Ansatz zum Verbraucherrecht genehmigt hat, betrachtet jedoch mit Sorge die darauf folgenden Entwicklungen im Europäischen Parlament und ruft deshalb den ungarischen Ratsvorsitz auf, an dem vom Rat vorgegebenen Weg festzuhalten, damit das Vertrauen der Verbraucher durch das Endergebnis wiederhergestellt werden kann.

1.4

In Bezug auf die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken empfiehlt der EWSA dem ungarischen Ratsvorsitz, eingehendere Überlegungen zum Prinzip der vollständigen Harmonisierung anzustellen, und zwar von Beginn der Debatten an, jedoch nach einer Folgenabschätzung und der Berücksichtigung der erheblichen Schwächung des Verbraucherschutzniveaus in denjenigen Mitgliedstaaten, die sie umgesetzt haben.

1.5

Bezüglich eines Rechtsinstruments für eine Sammelklage auf EU-Ebene fordert der EWSA den ungarischen Ratsvorsitz auf, politischen Mut zu zeigen, damit es unverzüglich angenommen wird, zumal in zahlreichen Studien bereits die Relevanz und Machbarkeit eines solchen Vorhabens aufgezeigt wurde.

1.6

Betreffend die Revision der Richtlinie „Pauschalreisen“ und der Rechtsvorschriften über die Fluggastrechte empfiehlt der EWSA dem ungarischen Ratsvorsitz, diese gemeinsam zu behandeln und die Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten im Fall von Konflikten oder mangelhafter Erbringung bzw. Irreführung festzulegen.

1.7

Im Rahmen des Binnenmarkts der Privatkunden-Finanzdienstleistungen empfiehlt der EWSA dem ungarischen Ratsvorsitz, folgende Dossiers weiter voranzubringen: Mindestbankdienstleistungen für alle europäischen Bürger, zuverlässiges und in allen Mitgliedstaaten identisches elektronisches Zahlungssystem, strenge Definition der Verantwortung der Banken bei der Kreditvergabe, einheitliches gesamteuropäisches Versicherungssystem, Typologie missbräuchlicher Klauseln und unlauterer Geschäftspraktiken konkret im Bereich der Finanzdienstleistungen, Vergleichbarkeit der Bankgebühren, Einlagensicherung und stärkere Verpflichtung zur Beratung über komplexe Finanzprodukte. Die Verstärkung der Finanzaufsicht ist angesichts der fortdauernden Finanzkrise eine Mindestforderung.

1.8

Im Rahmen der digitalen Agenda wird der ungarische Ratsvorsitz dringende Entscheidungen über eine genaue Definition der Grundrechte der Verbraucher in der digitalen Welt und die Revision der Rahmenrichtlinie über den Schutz von Daten und den Schutz des Urheberrechts im digitalen Raum zu treffen haben.

1.9

Bezüglich der Umsetzung der neuen Bestimmungen des Vertrags und der Charta der Grundrechte über die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI) schließlich fordert der EWSA den ungarischen Ratsvorsitz auf, den durch die Schlussfolgerungen des Rates vom 6./7. Dezember 2010 eröffneten Weg weiter zu beschreiten, damit die DAI bei der Umsetzung der Europa-2020-Strategie nicht auf der Strecke bleiben.

1.10

Der ungarische Ratsvorsitz hat insbesondere den Fall des grenzüberschreitenden örtlichen oder Nachbarschaftshandels ausgewählt, zu dem bisher keine Studie vorliegt, in der die Auswirkungen auf die Mitgliedstaten bewertet werden. Der EWSA empfiehlt dem ungarischen Ratsvorsitz: erstens die Kommission um eine genaue statistische Analyse dieser Transaktionen zu ersuchen, zweitens diejenigen Studien in Auftrag zu geben, die unerlässlich sind um zu bestimmen, ob diese Art des Handels eine Besonderheit aufweist, die einen rechtlichen Ansatz auf europäischer Ebene rechtfertigt, und drittens die Bedürfnisse der Verbraucher bei dieser Art des Handels einzuschätzen (Information, Vertragssprache, Vergleichbarkeit der Preise, wenn eine der Währungen nicht der Euro ist, Wechselkurse, Bankkommissionen und -gebühren usw.) und die wirksamste Möglichkeit der Erfüllung dieser Bedürfnisse auf lokaler Ebene zu beurteilen.

2.   Einleitung

2.1

Der EWSA ist erfreut darüber, dass ihn der ungarische EU-Ratsvorsitz um eine Sondierungsstellungnahme zu einem seiner am häufigsten wiederkehrenden Vorzugsthemen der letzten zwanzig Jahre ersucht hat. So fasste der EWSA in seiner Initiativstellungnahme zum Thema „Binnenmarkt und Verbraucherschutz: Chancen und Hemmnisse des einheitlichen Marktes“ vom 7. November 1995 (1) alle vorherigen Stellungnahmen zu diesem Thema zusammen. Er ging darin auf diese Problematik sowie die wichtigsten Bedenken in Bezug auf die Hemmnisse und Schwierigkeiten ein, die die Verbraucher daran hindern, umfassend vom Binnenmarkt zu profitieren. Bedauerlicherweise sind die meisten der in jener Stellungnahme aufgeworfenen Fragen auch heute noch aktuell.

2.2

Die Verwirklichung des Binnenmarkts, einem der größten strategischen Vorhaben für Europa, das von Jacques Delors mit einem genauen Vollendungsdatum auf den Weg gebracht wurde, ist noch nicht abgeschlossen - und das, obwohl seither schon über 30 Jahre vergangen sind. Die jüngste Veröffentlichung der „Binnenmarktakte“ bezeugt dies. Der Ausschuss hat sich stets für einen Binnenmarkt als „Instrument“ zum Nutzen des Bürgers als Verbraucher eingesetzt. Die Annahme einer klaren, kohärenten und umfassenden europäischen Verbraucherpolitik steht im Übrigen noch immer aus.

2.3

Das Ersuchen des ungarischen Ratsvorsitzes, das den EWSA ehrt, ist somit durchaus berechtigt. Es ermöglicht dem Ausschuss, im Einklang mit den von den letzten Ratsvorsitzen (und insbesondere dem belgischen Ratsvorsitz) durchgeführten Arbeiten zu den im Rahmen des Programms der Kommission für das erste Halbjahr 2011 vorgesehenen Maßnahmen beizutragen.

2.4

Diese Sondierungsstellungnahme wird dem EWSA auch Gelegenheit bieten, das ehemalige EWSA-Mitglied István Garai, Leiter einer angesehenen ungarischen Verbraucherschutzorganisation, zu ehren - einen großen Verfechter der Interessen und Rechte der Verbraucher und Berichterstatter für wichtige Stellungnahmen zu diesem Thema, der 2008 in Ausübung seines Amtes verstarb.

3.   Ein wichtiges Ziel

3.1

Die Dauer eines einzigen EU-Ratsvorsitzes ist zu kurz, um die transparente und partizipative Erarbeitung der Leitlinien eines Politikbereichs, die Ex-ante-Bewertung ihrer Auswirkungen, ihre demokratische Verabschiedung durch die EU-Institutionen, ihre Umsetzung durch die Mitgliedstaaten und ihre Ex-post-Bewertung zu ermöglichen.

3.2

Auch die strategischen Fünfjahresprogramme (im Übrigen zumeist von rein konjunkturbedingten Erwägungen beeinflusst) sind unzureichend, wenn sie nicht einer politischen Vision folgen. Die Strategie 2007/2013, die am 13. Juli 2007 verabschiedet wurde und sich derzeit in der Ausführung befindet, ist ein gutes Beispiel für den vom EWSA bereits angeprangerten Missstand.

3.3

Auch die Europa-2020-Strategie selbst sollte zum Hauptziel die Förderung und den Schutz der Verbraucher haben, was jedoch nicht der Fall ist.

3.4

Die einzige Skizzierung eines politischen Ansatzes dieser Art geht auf das Jahr 1985 zurück - der sog. „neue Impuls“, der von Jacques Delors ins Leben gerufen und vom damaligen Kommissionsmitglied Emma Bonino (1995/1999) aufgegriffen und weiterentwickelt wurde. Aufgrund mangelnden politischen Willens wurden die anvisierten Ziele mit Ausnahme einiger emblematischer Vorhaben jedoch leider nicht erreicht.

3.5

Eine der wichtigsten Aufgaben eines EU-Ratsvorsitzes wäre es gerade, Grundlagen und Leitlinien für eine Politik zur Förderung und zum Schutz der Verbraucher mit Blick auf 2030 nach dem Beispiel des González-Berichts zu schaffen, wohl wissend, dass gegenüber anderen strategischen Initiativen (Europa-2020-Strategie, Binnenmarktakte, intelligente Regulierung usw.) schon jetzt Verzug besteht.

3.6

Die Schwerpunkte dieser mittel- und langfristigen Politik lägen insbesondere darin,

a)

daranzugehen, die im Vertrag vorgesehene Rechtsgrundlage in Frage zu stellen und neu zu definieren (Artikel 169 mit Blick auf Artikel 12 AEUV) (2);

b)

die Verbraucherpolitik als eine Politik für die Bürger wieder in den Mittelpunkt der EU-Politik zu rücken und sie zum Kernstück und letztendlichen Endzweck aller anderen Politikbereiche zu machen;

c)

die Rechte der Verbraucher vor dem Hintergrund dieser Rückzentrierung unter systematischem Verweis auf die Verträge und die Charta der Grundrechte neu zu definieren;

d)

den Schwerpunkt auf den Querschnittscharakter der Verbraucherpolitik zu legen und daraus alle Konsequenzen zu ziehen, die die Wirksamkeit dieses Querschnittscharakters gewährleisten, sei es in den internen Dienststellen der Kommission oder in ihren Beziehungen zu den anderen Institutionen sowie auf sämtlichen Ebenen der Mitgliedstaaten;

e)

eine echte Kodifizierung des Verbraucherrechts der EU unter Nutzung der ausgezeichneten wissenschaftlichen Arbeit im Rahmen des Gemeinsamen Referenzrahmens in Angriff zu nehmen und daraus nach einem proaktiven Rechtsansatz alle Konsequenzen (einschließlich einer vernünftigen und angemessenen Anwendung der fakultativen Regelungen) zu ziehen;

f)

den instrumentellen Charakter und die subsidiäre Rolle der Binnenmarktpolitik klar und eindeutig zu vertreten und sie unmissverständlich in den Dienst der Bürger als Verbraucher, an die sie sich letztendlich richtet, zu stellen;

g)

die gemeinsamen Grundsätze für die Organisation und partizipative Vertretung der Verbraucher in der EU als unverzichtbaren und entscheidenden Faktor für die Durchführung der sie betreffenden Maßnahmen festzulegen.

3.7

Dieser letzte Punkt hat besondere Überlegungen verdient, da er auf europäischer Ebene bisher noch nicht systematisch angegangen wurde. Die Festlegung allgemeiner Grundsätze und Leitlinien für die Organisation und partizipative Vertretung der Verbraucher wird denn auch seit langem gefordert, sei es von den mit dem Schutz der Verbraucher befassten Behörden der Mitgliedstaaten oder von Verbraucherschutzorganisationen und -verbänden. Eine systematische Einteilung für die Vertretung der Verbraucher nach einheitlichen Grundsätzen in allen Mitgliedstaaten, insbesondere in den Regulierungsbehörden der verschiedenen Branchen, würde sowohl zur Glaubwürdigkeit der betreffenden Organisationen als auch der Effizienz des Verbraucherschutzes beitragen.

4.   Aktuelle Fragen im Bereich der Verbraucherschutzpolitik

4.1

In einem erfolgreich vollendeten Binnenmarkt sollte der Verbraucher die ihm im Rahmen des „Acquis communautaire“ zuerkannten Rechte in vollem Umfang ausüben können - egal, wo in der EU er sich befindet, und unter denselben Bedingungen wie in seinem eigenen Land. Doch weder die verschiedenen Verbraucherschutzmaßnahmen noch die laufenden Initiativen können die legitimen Erwartungen der Verbraucher auf zufriedenstellende Weise erfüllen.

4.2

Die politische Agenda des ungarischen Ratsvorsitzes umfasst wichtige Ziele, von denen einige natürlich während der kommenden Ratsvorsitze weiterverfolgt werden.

4.3

Bezüglich des RichtlinienvorschlagsVerbraucherrechte“ hatte der EWSA argumentiert (3), er sollte dahingehend umformuliert werden, dass er sich nur auf bestimmte Grundprinzipien bezüglich des Rechts auf Information und des Widerrufsrechts bei außerhalb von Geschäftsräumen getätigten Verkäufen und Fernverkäufen beschränkt und die Abschnitte zu den missbräuchlichen Klauseln und dem Verkauf von Gütern und den Garantien für Güter gestrichen werden.

4.4

Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Denkweise der Kommission, die sich an den jüngsten öffentlichen Auftritten von Kommissarin Reding zeigt, nimmt der EWSA zur Kenntnis, dass der Rat am 24. Januar 2011 einen Standpunkt annahm, der genau seiner Stellungnahme entspricht, was er begrüßt. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in dieser Frage auf Ebene des Europäischen Parlaments, der widersprüchlichen Positionen des Ausschusses Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) und des Rechtsausschusses (JURI) sowie der für die nächsten Monate erwarteten Ergebnisse fordert der EWSA den ungarischen Ratsvorsitz jedoch eindringlich dazu auf, an dem vom Rat AGRI vorgegebenen Weg entschlossen festzuhalten und diesen in realistischer Weise mit dem künftigen Gemeinsamen Referenzrahmen für ein europäisches Vertragsrecht zu verbinden, wie der Ausschuss in seiner Stellungnahme vorschlug (4).

4.5

Zur Revision der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken stellt der EWSA fest, dass in den meisten Mitgliedstaaten ihre verspätete Umsetzung zu beklagen war, wie er dies in seiner Stellungnahme vorhergesagt hatte (5). Auch der Gerichtshof hat sich in diesem Sinne geäußert.

4.6

Der EWSA empfiehlt dem ungarischen Ratsvorsitz deshalb, auf der Grundlage derjenigen Studien, aus denen die erhebliche Schwächung des Verbraucherschutzniveaus und die wettbewerbsspezifischen Folgen für die Mitgliedstaaten, die die Richtlinie über unlauteren Wettbewerb umgesetzt haben, hervorgehen, eingehendere Überlegungen zum Prinzip der vollständigen Harmonisierung anzustellen, und zwar von Beginn der Debatten über die Revision dieser Richtlinie an.

4.7

In Bezug auf ein Rechtsinstrument für eine Sammelklage auf EU-Ebene nimmt der EWSA die Absicht der Kommission zur Kenntnis, die Debatte mittels einer neuerlichen Konsultation der Beteiligten wieder in Gang zu bringen. Er fragt sich jedoch, inwiefern echter politischer Wille besteht, zu einem konkreten Ergebnis zu gelangen - nach rund dreißig Jahren Debatten, Konsultationen, Berichten, Stellungnahmen, Grün- und Weißbüchern, Mitteilungen und Entschließungen, Studien, Konferenzen und Symposien jeglicher Art.

4.8

Der EWSA hat sich in mehreren älteren und neueren Stellungnahmen ganz klar zugunsten eines europäischen Rechtsinstruments ausgesprochen, das es Verbrauchern, die sich als Opfer einer kollektiven Schädigung erachten, ermöglicht, gemeinsam eine Klage auf Schadenersatz einzureichen. Es würde sich nahtlos in das europäische Prozessrecht einfügen und müsste einen effektiven Ersatz der den Verbrauchern gleich welchen Mitgliedstaats entstandenen kollektiven materiellen und/oder moralischen Schäden (Opt-out-System) unter identischen Bedingungen ermöglichen. Würde der ungarische Ratsvorsitz diesen Standpunkt annehmen, so würden die Verbraucher, aber auch andere Inhaber kollektiver Rechte erheblich davon profitieren. Dies würde auch der Verwirklichung des Binnenmarkts und einem lauteren Wettbewerb zugutekommen.

4.9

Zur Revision der RichtliniePauschalreisen“ wurde der EWSA noch nicht um Stellungnahme ersucht. Die Kommission beabsichtigt, Anfang 2011 einen Vorschlag vorzulegen, und hat bereits mit der Sammlung von Ideen für die mögliche Revision der Rechtsvorschriften über Fluggastrechte begonnen.

4.10

Ohne seinen Stellungnahmen zu diesen beiden Themen vorgreifen zu wollen, empfiehlt der Ausschuss dem ungarischen Ratsvorsitz, sie gemeinsam zu behandeln, um einen kohärenten Ansatz zu gewährleisten, den Anwendungsbereich der Richtlinie auf Verträge für kollektive oder individuelle Verkehrsdienstleistungen (mit oder ohne zugehörige Dienstleistungen) auszuweiten sowie die Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten im Fall von Konflikten oder mangelhafter oder irreführender Erbringung festzulegen. Die für diese Branche spezifischen missbräuchlichen Klauseln und unlauteren Geschäftspraktiken haben zudem besondere Aufmerksamkeit verdient. Auch die Folgen eines Bankrotts von Reiseagenturen, Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften sollten in einen sehr strengen Regelungsrahmen eingebettet werden.

4.11

Die Verwirklichung des Binnenmarkts der Finanzdienstleistungen im Privatkundengeschäft hat einige Fortschritte erzielt - man denke an die SEPA-Richtlinie nach der Einführung des Euro, die MiFID-Richtlinie, die CAD-Richtlinie sowie die jüngsten Vorschläge der Kommission vom 12. Juli 2010 über Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssysteme (6) - doch gibt es noch einiges zu tun: Es fehlt an einer politischen Gesamtorientierung, die den Verbrauchern und den KMU im Binnenmarkt auch wirklichen Nutzen bringen kann. Die Kommission selbst hat die Privatkunden-Finanzdienstleistungen charakterisiert als eine Branche, in der die Verbraucher mit einer erheblichen Anzahl von Problemen konfrontiert sind  (7).

4.12

Der EWSA hat sich zu dieser Frage bereits mehrmals geäußert, entweder aufgrund von Befassungen und/oder in Initiativstellungnahmen. Dauerhafte, praktische und wirksame Lösungen stehen jedoch noch aus. Zur Erinnerung seien erwähnt: verantwortlicher Kredit und Überschuldung (8), auf die die Richtlinie „Verbraucherkredit“ keine Antwort finden konnte; das Scheitern der Vorschläge zum Hypothekarkredit, obgleich die Idee der Harmonisierung schon seit Jahren besteht; die Anfälligkeit von Bestimmungen über grenzüberschreitende Zahlungen und die Verwendung von Debit-/Kreditkarten; das Fehlen einer echten Mobilität von Bankkonten und universellen Mindestbankdienstleistungen; die Schwäche der Regelungen zur Bewältigung von Finanzkrisen und die Gewährleistung einer unmittelbaren Ausgleichs der Verluste und Schäden von Bankkunden.

4.13

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat nach wie vor gravierende Auswirkungen auf Verbraucher und Kleinanleger. Ins Auge gefasst werden könnten auch die Erarbeitung von praktischen Maßnahmen wie die Schaffung eines universellen Bankkontos, Mindestbankdienstleistungen für alle europäischen Bürger, ein zuverlässiges und in allen Mitgliedstaaten identisches elektronisches Zahlungssystem und eine strenge Definition der Verantwortung der Banken bei der Kreditvergabe, ebenso wie ein einheitliches gesamteuropäisches Versicherungssystem, eine Typologie missbräuchlicher Klauseln und unlauterer Geschäftspraktiken konkret im Bereich der Finanzdienstleistungen, die Vergleichbarkeit der Bankgebühren und die stärkere Verpflichtung zur Beratung über komplexe Finanzprodukte. Ferner sollte die Bankaufsicht auf die Bedürfnisse der Verbraucher ausgerichtet werden, und es sollten wirksame Streitbeilegungs- und Ausgleichsmechanismen im Fall von Verlust oder Schaden aufgrund von Mängeln der Finanzsysteme (Banken und Versicherungen) eingerichtet werden.

4.14

Der EWSA begrüßt den Ansatz der Kommission bezüglich der Rechte der Verbraucher im digitalen Umfeld, wie er durch die „Digitale Agenda“ im Rahmen der Strategie 2020 veranschaulicht wird (9), auch wenn noch einiges zu tun ist, um jedem Einzelnen die Nutzung eines universellen Telekommunikations- und Informationsdienstes zu ermöglichen; die rasche Verabschiedung einer neuen Mitteilung der Kommission wäre zu begrüßen und würde dem ungarischen Ratsvorsitz die Gelegenheit geben, einen dezidierten Standpunkt zur Neutralität des Internets und zur Aufnahme der „Hochgeschwindigkeitsverbindungen“ in den Rahmen der Universaldienste zu formulieren, wie dies der EWSA bereits in der Vergangenheit forderte.

4.15

Der EWSA schenkt der Anerkennung und dem Schutz der Verbraucherrechte in einem digitalen Umfeld insgesamt (und nicht nur im Rahmen des elektronischen Handels) besondere Aufmerksamkeit. Es sollte daher nicht nur schleunigst an eine Revision der Richtlinie über rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs gedacht, sondern auch eine Lösung für die schleppende Entwicklung des E-Handels gefunden werden.

4.16

Der ungarische Ratsvorsitz wird zudem dringende Entscheidungen über eine genaue Definition der Grundrechte der Verbraucher in der digitalen Welt und die Revision der Rahmenrichtlinie über den Datenschutz und den Schutz des Urheberrechts im digitalen Raum zu treffen haben.

4.17

Schließlich fordert der EWSA den ungarischen Ratsvorsitz eindringlich auf, an die Schlussfolgerungen des Rates (Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO)) vom 6./7. Dezember 2010 zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse anzuknüpfen, sodass die Empfehlungen des am 26./27. Oktober vom belgischen Ratsvorsitz organisierten dritten Forums der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse (SDAI) umfassend berücksichtigt werden und so zur Umsetzung der neuen Bestimmungen des Lissabon-Vertrags und der Charta der Grundrechte zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse beitragen.

5.   Sonderfall: grenzüberschreitender örtlicher Handel

5.1

Der ungarische Ratsvorsitz hat den EWSA um Stellungnahme zu einer Frage ersucht, die trotz ihrer Bedeutung auf europäischer Ebene noch nicht eingehend untersucht wurde. Es handelt sich dabei um den grenzüberschreitenden örtlichen oder Nachbarschaftshandel, d.h. den Erwerb von Gütern und Dienstleistungen durch Verbraucher auf beiden Seiten der Staatsgrenze ihres Landes, entweder zwischen EU-Mitgliedstaaten oder mit Drittstaaten.

5.2

Einige Mitgliedstaaten waren diesem Phänomen sogar schon vor Einführung des Euro nachgegangen, um die Art des Handels, den Devisenfluss, die Preise, die Auswirkungen der Preise auf die Grenzregionen und den Wettbewerb usw. zu untersuchen.

5.3

Auf europäischer Ebene liegt jedoch keine Studie vor, die es ermöglicht, das Volumen und die Auswirkungen des interregionalen grenzüberschreitenden Handels auf die Mitgliedstaaten zu bewerten. Diese Art des Geschäftsverkehrs wird weder in der Mitteilung der Kommission von 1991 (10) noch im Grünbuch über den Handel von 1996 (11) noch im Weißbuch von 1999 (12) erwähnt. An erster Stelle müsste die Kommission daher um eine genaue Topografie und statistische Analyse dieser Transaktionen ersucht werden.

5.4

Anfang der 90er Jahre hatten die Kommission und ausgewählte regionale Verbraucherverbände ein Netz von Informations- und Beratungszentren gegründet, um die Verbraucher bei Schwierigkeiten mit dem grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr zu unterstützen: die europäischen Verbraucherberatungsstellen („Euroguichets“). Sie konzentrierten sich vor allem auf die Information der Verbraucher und waren in Grenzstädten angesiedelt.

5.5

2001 eröffnete die Kommission das Europäische Netz für die außergerichtliche Streitbeilegung (EEJ-Net). Damals waren elf Euroguichets in neun Mitgliedstaaten neben ihren herkömmlichen Zuständigkeiten auch damit beauftragt, den Verbrauchern Rechtsbeistand zu leisten.

5.6

2005 wurde aus der Verschmelzung von EEJ Net und Euroguichets das heutige Netz der Europäischen Verbraucherzentren (EEC Net) geschaffen.

5.7

Die Verschmelzung der beiden Netze war die logische Folge der Einführung des Euro und der erwarteten Weiterentwicklung von elektronischem Handel und Fernverkäufen. Diese Fusion hat jedoch dazu geführt, dass die regionale Ansiedlung der Euroguichets und ihre Aufgaben im Zusammenhang mit dem grenzüberschreitenden lokalen Handel entfielen.

5.8

Es stellt sich auch die Frage, ob diese Art des Handels heute noch eine Besonderheit aufweist, die Sondermaßnahmen der Union rechtfertigt.

5.9

Es stellt sich ebenfalls die Frage nach den Bedürfnissen der Verbraucher bei dieser Art des Geschäftsverkehrs (Information, Vertragssprache, Vergleichbarkeit der Preise, wenn eine der Währungen nicht der Euro ist, Wechselkurs, Bankkommissionen und -gebühren usw.) und nach der wirksamsten Möglichkeit, diese auf lokaler Ebene zu erfüllen.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  ABl. C 39 vom 12.2.1996, S. 55.

(2)  ABl. C 185 vom 8.8.2006, S. 71.

(3)  ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 9.

(4)  Stellungnahme ABl. C 84 vom 17.3.2011, S. 1.

(5)  ABl. C 108 vom 30.4.2004, S. 81.

(6)  KOM(2010) 368 endg.

(7)  SEC(2009) 1251 fin vom 22.9.2009.

(8)  ABl. C 149 vom 21.6.2002, S. 1-4.

(9)  ABl. C 54 vom 19.2.2011, S. 58.

(10)  KOM 1991/0041 endg. vom 11. März 1991.

(11)  KOM(96) 530 endg. vom 20. November 1996.

(12)  KOM(1999) 6 endg. vom 27. Januar 1999.


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/8


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Zukunft des Europäischen Sozialfonds nach 2013“

(Sondierungsstellungnahme)

2011/C 132/03

Berichterstatter: Xavier VERBOVEN

Mitberichterstatter: Miguel Ángel CABRA DE LUNA

Die Europäische Kommission beschloss am 7. Oktober 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen:

Die Zukunft des Europäischen Sozialfonds nach 2013

(Sondierungsstellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 24. Februar 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 172 gegen 1 Stimme bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss vertritt folgende Position:

1.1

Der Grundsatz des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts ist ebenso wie der Grundsatz der Solidarität im Vertrag verankert und zusammen sind diese beiden Grundsätze zwei der bedeutendsten Säulen für die Integration sowohl der Bürgerinnen und Bürger als auch der Regionen. Folglich müssen diese Grundsätze im Mittelpunkt der Diskussion über den künftigen Haushalt der Europäischen Union stehen.

1.2

Zweck der Kohäsionspolitik ist nicht allein die Verringerung von Ungleichheiten zwischen den Regionen, sondern auch - über die Förderung der Vollbeschäftigung in der Gesellschaft, der Chancengleichheit, der sozialen Einbindung und des sozialen Zusammenhalts und somit allgemein des europäischen Sozialmodells - die sozialen Ungleichheiten abzubauen, die bestimmte Bevölkerungsgruppen betreffen. Der Europäische Sozialfonds (ESF) muss als Strukturfonds ein Teil der Kohäsionspolitik der Europäischen Union bleiben.

1.3

Der ESF ist das wesentliche Instrument für die Förderung der Umsetzung der europäischen Beschäftigungsstrategie, und er muss auch zukünftig im Rahmen der Europa-2020-Strategie ein effektives Instrument für Investitionen in die Humanressourcen sowie zur Anhebung der Zahl qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze und zur Verbesserung der sozialen Integration bleiben. Auch in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage muss der ESF ein Instrument von strategischer und finanzieller Bedeutung bleiben und sollte daher angesichts der gestiegenen Herausforderungen, vor denen er steht (Anstieg der Arbeitslosigkeit), mit mehr Mitteln ausgestattet werden, wobei die Erhöhung dem Anstieg des Gesamthaushaltes der EU entsprechen sollte, d.h. mindestens 5,9 %, wie von der Europäischen Kommission für die Aufstockung des Jahreshaushaltes der EU für 2011 insgesamt vorgeschlagen.

1.4

In der gegenwärtigen Wirtschaftskrise ist der Beschluss des Europäischen Rates zur Stärkung der Rolle des ESF von besonderer Bedeutung. Die Arbeitsmarktpolitik und die Sozialpolitik sollten nach wie vor der umfassende Rahmen für den ESF sein. Die Investitionen sollten auf die Entwicklung der Humanressourcen, die Verbesserung der Kompetenzen und auf die Wiedereingliederung entlassener Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt zielen. Zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU und zur Umsetzung der Ziele der Europa-2020-Strategie sollte der Schwerpunkt jedoch auf der Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, dem nachhaltigen Wachstum und der Eingliederung schutzbedürftiger Bevölkerungsgruppen in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft liegen, das heißt unter anderem der jungen Menschen, der Frauen, der Migranten, der Langzeitarbeitslosen, der auf dem Arbeitsmarkt am schwierigsten zu vermittelnden Personen, der älteren Menschen, der Behinderten und der Angehörigen ethnischer Minderheiten.

1.5

Die Erfahrungen bei der Nutzung des ESF sollten nutzbar gemacht werden: für den Erhalt und die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze wie auch mit Blick auf eine soziale Integration, insbesondere über die Arbeit, sowohl zur Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs als auch des Wirtschaftswachstums in der Europäischen Union, durch eine Verbesserung der Unterstützung der KMU, der Kleinstunternehmen und der im Einklang mit den Zielen des ESF handelnden Akteure der Sozialwirtschaft sowie durch soziale Verbesserungen.

1.6

Als Instrument der EU für Investitionen in die Humanressourcen sollte der ESF die drei Prioritäten der Europa-2020-Strategie unterstützen: intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. Beschäftigung, berufliche und allgemeine Bildung, aktive Eingliederung und die Politik der Chancengleichheit sind die zentralen Elemente, die durch eine Verbesserung der Kenntnisse und Qualifikationen der Menschen, die Förderung einer Kultur der Innovation, die Erhöhung der Beschäftigungsquote und die Begünstigung eines integrativen Arbeitsmarktes den Menschen wieder festen Grund unter den Füßen geben.

1.7

Das Partnerschaftsprinzip, das sowohl für die Sozialpartner als auch für andere Organisationen der organisierten Zivilgesellschaft gilt, ist der wesentliche Garant für ein gutes Funktionieren der Maßnahmen im Rahmen der Strukturfonds und insbesondere des Europäischen Sozialfonds.

1.8

Die Erfahrungen hinsichtlich der Rolle der Sozialpartner im Rahmen des sozialen Dialoges und der Nichtregierungsorganisationen im Rahmen der Partnerschaft müssen festgehalten werden, um den Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu begegnen und Ergebnisse zu erzielen.

1.9

Das Partnerschaftsprinzip sowie die Grundsätze des Diskriminierungsverbots, der Zugänglichkeit und der nachhaltigen Entwicklung (1) müssen weiterhin gelten und noch gestärkt werden, um die Errungenschaften zu bewahren, die im letzten Programmplanungszeitraum erzielt worden sind.

1.10

In den Verordnungen über die Strukturfonds müssen das Partnerschaftsprinzip und die weiteren oben genannten Grundsätze klar definiert und dabei die Rolle jedes einzelnen Partners eindeutig festgelegt werden, anstatt auf die „gegenwärtigen nationalen Vorschriften und Praktiken“ Bezug zu nehmen. Die Position der Begleitausschüsse gegenüber den zuständigen nationalen und regionalen Stellen muss hinsichtlich ihrer Funktionen bei der Planung, Umsetzung und Nachbereitung entschieden gestärkt werden.

1.11

Der EWSA teilt die Ansicht, dass es erforderlich ist, die Bewertung, die Leistungsfähigkeit und die Ergebnisse der Nutzung des Fonds zu verbessern. Zu diesem Zwecke ist es jedoch erforderlich, in einem umfassenderen Rahmen, der das gesamte Verfahren der Umsetzung der Kohäsionspolitik berücksichtigt, Indikatoren und sowohl quantitative als auch qualitative Bewertungselemente festzulegen.

1.12

Die auf den unterschiedlichen Ebenen (europäische, nationale, regionale und lokale Ebene) festgelegten Prioritäten müssen kohärent sein.

1.13

Gemeinsam mit dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und anderen Fonds, in deren Rahmen das Partnerschaftsprinzip, das Diskriminierungsverbot und das Konzept der Nachhaltigkeit zu stärken sind, müssen mehr Synergien geschaffen werden. Überschneidungen zwischen dem ESF und dem Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) sind zu vermeiden, und die Kohärenz muss insoweit sichergestellt werden, als die Maßnahmen des ESF hinsichtlich des industriellen Wandels einen präventiven Charakter haben, wohingegen mit den Maßnahmen des EGF auf Probleme reagiert wird.

1.14

Hinsichtlich der Anwendung der Verfahren und der praktischen Aspekte für den Zugang zur Finanzierung durch den ESF sind zahlreiche Verbesserungen vorzunehmen, vor allem ein deutlicher Bürokratieabbau, insbesondere durch ein schnelleres Zahlungssystem zur Minimierung der finanziellen Belastung derjenigen, die die Programme ausführen, sowie eine Vereinfachung der Rechnungslegung und der Kontenbereinigung z.B. durch die Auszahlung von Pauschalbeträgen.

1.15

Innovative Finanzierungsformeln (2) wie die direkte Zuweisung von Mitteln zur gezielten Unterstützung in den Bereichen Beschäftigung und soziale Eingliederung zugunsten der schutzbedürftigsten Gruppen oder der von Ausgrenzung bedrohten Personen müssen sicherstellen, dass der zukünftige ESF über ausreichende Mittel zur Umsetzung der Europa-2020-Strategie verfügt.

1.16

Den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft kommt eine wesentliche Rolle bei der Reform, der Umsetzung und der Bewertung des ESF zu. Dementsprechend wird der EWSA in Zukunft die Nutzung des ESF ständig beobachten und so zur Verbesserung der für den Entscheidungsprozess so wesentlichen Kommunikation zwischen den europäischen Institutionen, den Sozialpartnern und der Gesamtheit der Akteure der Zivilgesellschaft beitragen.

2.   Hintergrund: Die von der Kommission angestoßene Debatte über die Zukunft des Europäischen Sozialfonds

2.1   Die Umsetzung der vom ESF finanzierten Programme für den Zeitraum 2007-2013 ist zur Hälfte abgeschlossen.

2.2   Hinsichtlich des zukünftigen EU-Haushalts hat die Kommission die wichtigsten Grundzüge in dem Dokument „Überprüfung des EU-Haushalts“ (KOM(2010) 700) dargelegt, und hinsichtlich der Strukturfonds in den Schlussfolgerungen aus dem Fünften Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt (KOM(2010) 642).

2.3   Die Überlegungen zur Zukunft des ESF müssen unter Berücksichtigung des Vertrags von Lissabon erfolgen. Gemäß dem neuen Artikel 9 muss die Union „den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung“ tragen.

2.4   Der geänderte Artikel 175 betrifft nunmehr den territorialen Zusammenhalt. Als wichtigstes europäisches Finanzinstrument zur Förderung der Humanressourcen wird der ESF weiterhin zum Erreichen des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts beitragen, wie in Artikel 162 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehen.

2.5   Der neue politische Rahmen für das kommende Jahrzehnt, das heißt die Europa-2020-Strategie ist vom Europäischen Rat am 17. Juni 2010 gebilligt worden. Damit hat sich die EU verpflichtet, eine Beschäftigungsrate von 75 % in der Altersgruppe von 20 bis 64 Jahren zu erreichen, den Prozentsatz der Schulabbrecher unter 10 % abzusenken, sicherzustellen, dass mindestens 40 % der jüngeren Generation einen Hochschulabschluss erhalten, die Zahl der armutsgefährdeten Personen um 20 Millionen zu reduzieren und die privaten und öffentlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung auf 3 % des BIP anzuheben (3).

2.6   Im Jahr 2011 wird die Kommission einen Vorschlag für einen neuen Haushaltsrahmen für den Zeitraum nach 2013 und damit einhergehend Legislativvorschläge in Bezug auf die Strukturfonds, einschließlich des Europäischen Sozialfonds vorlegen. In diesem Zusammenhang hat die Kommission am 19. Oktober 2010 eine Mitteilung über die „Überprüfung des EU-Haushalts“ vorgelegt. Diese Gelegenheit sollte dazu genutzt werden, dem ESF neuen Schwung zu verleihen und Änderungen vorzunehmen. In dem neuen Haushaltsrahmen der EU sollten die Öffentlichkeitswirkung des ESF gestärkt und seine Einzigartigkeit stärker herausgestellt werden.

2.7   In dem am 10. November 2010 veröffentlichten fünften Kommissionsbericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt wird auf verschiedene Optionen für die Zukunft der Kohäsionspolitik eingegangen.

2.8   Was im Einzelnen die Zukunft des ESF betrifft, wurden die Überlegungen mit Hilfe spezifischer Studien angestoßen.

2.9   Darüber hinaus hat der ESF-Ausschuss am 3. Juni eine Stellungnahme verabschiedet, und die Kommission hat am 23./24. Juni 2010 eine Konferenz veranstaltet.

2.10   Diesbezüglich hat die Kommission den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss am 7. Oktober 2010 um eine Sondierungsstellungnahme ersucht, in der die in der Stellungnahme des ESF-Ausschusses aufgeworfenen Fragen analysiert werden.

2.11   Die einzelnen Überlegungen sind auf fünf Themenschwerpunkte konzentriert:

Welchen zusätzlichen Nutzen hat der ESF gegenüber rein einzelstaatlichen Finanzierungsinstrumenten?

Wie sollten die Ziele und Prioritäten des ESF im Rahmen der Europa-2020-Strategie aussehen?

Wie kann die geografische und thematische Schwerpunktsetzung im Rahmen des ESF gewährleistet werden?

Wie können größtmögliche Synergie-Effekte mit den anderen Fonds, insbesondere dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, erreicht werden?

Welches System soll der Durchführung zugrunde gelegt werden, um zu einer effizienteren und gleichzeitig einfacheren Verwaltung zu gelangen?

2.12   Weiterhin sollte der ESF angesichts der gegenwärtigen Tendenz eines Abbaus von Arbeitsplätzen in der Europäischen Union verstärkt im Rahmen der Europäischen Kohäsionspolitik tätig werden. Aus diesen Gründen sollten seine Haushaltsmittel deutlich aufgestockt werden, d.h. entsprechend dem Vorschlag der Europäischen Kommission für den Anstieg des Gesamthaushaltes der EU für 2011 um mindestens 5,9 %.

3.   Allgemeine Bemerkungen zur Zukunft des Europäischen Sozialfonds

3.1   Die Grundsätze des Zusammenhalts und der Solidarität sind im Vertrag verankert und stellen zwei der bedeutendsten Säulen für die Integration sowohl der Bürgerinnen und Bürger als auch der Regionen dar. Folglich müssen diese Grundsätze im Mittelpunkt der Diskussion über den künftigen Haushalt der Europäischen Union stehen.

3.2   Im Vertrag von Lissabon werden diese Grundsätze bekräftigt; in Artikel 174 ist festgelegt, dass die „Union … weiterhin ihre Politik zur Stärkung ihres wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts [entwickelt und verfolgt], um eine harmonische Entwicklung der Union als Ganzes zu fördern“.

3.3   Vor allem wird im Vertrag hervorgehoben, dass die „Union … sich insbesondere zum Ziel [setzt], die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete zu verringern“. Dieses Ziel ist seit den letzten zwei Erweiterungsrunden der Europäischen Union noch wichtiger geworden.

3.4   Darüber hinaus ist in der durch ihre Aufnahme in den Vertrag rechtsverbindlich gewordenen Charta der Grundrechte der EU festgelegt, dass die EU gleichzeitig mit dem territorialen Zusammenhalt auch den sozialen Zusammenhalt fördert und die sozialen Rechte aller Bürger, unabhängig von ihrer Region oder Nationalität, garantiert, Diskriminierung untersagt und sich unter anderem im Bereich Chancengleichheit engagiert.

3.5   Der Zweck der Kohäsionspolitik ist nicht allein die Verringerung von Ungleichheiten zwischen den Regionen, sondern auch, dass sie den Menschen in den Mittelpunkt stellt, wodurch eine Gesellschaft der Vollbeschäftigung, die Chancengleichheit, die soziale Einbindung und der soziale Zusammenhalt in der EU, und damit, allgemein gesprochen, das europäische Sozialmodell gefördert werden soll.

3.6   Die Strukturfonds waren laut Beschluss des Europäischen Rates die notwendigen finanziellen Instrumente zur Umsetzung der Lissabonstrategie, wobei die beruflich am geringsten qualifizierten Menschen und diejenigen, die beim Zugang zur aktiven nationalen Beschäftigungspolitik die größten Schwierigkeiten zu überwinden haben, im Mittelpunkt stehen sollten (4). In diesem Zusammenhang ist der Europäische Sozialfonds das vorrangige Instrument zur Förderung der Umsetzung der europäischen Beschäftigungsstrategie, und er muss auch zukünftig im Rahmen der Europa-2020-Strategie ein effektives Instrument zur Sicherstellung einer großen Zahl qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze und eines hohen Niveaus der sozialen Integration bleiben.

3.7   Ebenso muss der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt weiterhin im Zentrum der Europa-2020-Strategie stehen, um sicherzustellen, dass alle Fähigkeiten und Kräfte mobilisiert und für die Umsetzung der Strategie eingesetzt werden. Die Strukturfonds sind die zentralen Instrumente für die Verwirklichung der als „intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ bezeichneten Prioritäten in den Mitgliedstaaten, Regionen und Gebieten. In diesem Zusammenhang muss der ESF im Hinblick auf eine Anhebung der Beschäftigungsquote und eine Verbesserung der sozialen Eingliederung nach wie vor ein Instrument von strategischer und finanzieller Bedeutung sein.

3.8   Das Partnerschaftsprinzip, das sowohl für die Sozialpartner als auch für andere Organisationen der organisierten Zivilgesellschaft (5) gilt, ist der wesentliche Garant für ein gutes Funktionieren der Maßnahmen im Rahmen der Strukturfonds und insbesondere des Europäischen Sozialfonds.

3.9   Die Erfahrungen hinsichtlich der Rolle der Sozialpartner im Rahmen des sozialen Dialoges und der Nichtregierungsorganisationen im Rahmen der Partnerschaft müssen festgehalten werden, um den Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu begegnen und Ergebnisse zu erzielen.

3.10   Es ist notwendig, die Bewertung, die Leistungsfähigkeit und die Ergebnisse der Nutzung des Fonds zu verbessern. Zu diesem Zwecke ist es jedoch erforderlich, in einem umfassenderen Rahmen, der das gesamte Verfahren der Umsetzung der Kohäsionspolitik berücksichtigt, Indikatoren und sowohl quantitative als auch qualitative Bewertungselemente festzulegen. Gegenwärtig liegt der Schwerpunkt auf der Sicherstellung der Regelmäßigkeit und nicht der Effektivität der Ausgaben. Diese beiden Ansätze sollten miteinander in Einklang gebracht werden, und gleichzeitig sollte der Verwaltungsaufwand abgebaut und auf ein Niveau gebracht werden, das unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angemessen erscheint.

3.11   Angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftskrise muss die europäische Beschäftigungsstrategie wieder ins Zentrum der EU-Prioritäten rücken, und für die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen für alle und den Erhalt dieser Arbeitsplätze müssen mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Arbeitsmarktpolitik sollte nach wie vor der umfassende Rahmen für den ESF sein.

3.12   Der Beschluss des Europäischen Rates bezüglich des Beitrages der Kohäsionspolitik zum Plan zur Wiederankurbelung der Wirtschaft ist ein positives Signal. Die Strukturfonds, in die mehr als ein Drittel der Mittel des EU-Haushalts fließen, können sich tatsächlich als eine Finanzierungsquelle zur Bewältigung kurz-, mittel- und langfristiger Herausforderungen erweisen.

3.13   Die länderübergreifende Dimension, die frühere Gemeinschaftsinitiativen (insbesondere EQUAL) ausgezeichnet hat, sollte wieder als grundsätzliches Prinzip in die Kohäsionspolitik aufgenommen werden, um sicherzustellen, dass der Ansatz nicht nur europäischen, sondern auch und vor allen Dingen solidarischen Gesichtspunkten entspricht, und dies umso mehr, da diese Dimension entsprechend dem neuen Querschnittsansatz (mainstreaming) im Programmplanungszeitraum 2007-2013 keine ausreichende Berücksichtigung gefunden hat. Daher muss die Finanzierung europäischer Projekte, insbesondere innovativer Projekte im Bereich der transnationalen Netze, wieder ermöglicht werden.

4.   Konkrete Anmerkungen und Vorschläge zu den angesprochenen Themen

4.1   Mehrwert des ESF

4.1.1   Bereits seit der Errichtung des ESF, aber gerade auch im Lichte der gegenwärtigen Wirtschaftskrise hat sich der Mehrwert dieses Fonds in Europa, auch zur Förderung des Wirtschaftswachstums der EU, erwiesen.

4.1.2   Der ESF ist der Strukturfonds, der die Menschen unmittelbar betrifft: Arbeitnehmer, Arbeitslose, aus der Gesellschaft ausgeschlossene Menschen, Personen, die beim Zugang zum Arbeitsmarkt mit enormen Problemen zu kämpfen haben, Jugendliche, ältere Menschen und andere Gruppen schutzbedürftiger Menschen.

4.1.3   Der ESF ist das vorrangige Instrument zur Förderung der Umsetzung der europäischen Beschäftigungsstrategie. Dementsprechend sollte er ebenso wie die vom ESF angestrebten Ziele konkret in die nationale, regionale und lokale Arbeitsmarktpolitik eingebunden werden.

4.1.4   Europa muss massiv in die Humanressourcen investieren, die zweifellos für die Wettbewerbsfähigkeit jeder Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sind. Diese Investitionen sollten unter Berücksichtigung des zu erwartenden sozialen Wandels vorgenommen werden, und zugleich sollten die Probleme des Erhalts und der Schaffung von Arbeitsplätzen berücksichtigt werden. Dabei sollten die Qualifikationen und Kompetenzen der Arbeitnehmer verbessert, die Produktivität europäischer Unternehmen angehoben, mittels echter Investitionen in die Kompetenzentwicklung der Arbeitnehmer und die soziale Integration nach innovativen und effizienteren Möglichkeiten der Arbeitsorganisation gesucht und die Chancengleichheit sowie die Initiativen der Sozialwirtschaft gefördert werden.

4.1.5   In der gegenwärtigen Wirtschaftskrise ist der Beschluss des Europäischen Rates zur Stärkung der Rolle des ESF von besonderer Bedeutung.

4.1.6   Die Investitionen müssen sowohl auf die Entwicklung der Humanressourcen und die Wiedereingliederung entlassener Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt als auch auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und das nachhaltige Wachstum zielen, damit Synergien und Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Prozessen entstehen können. Daher sollte der Beitrag eines echten sozialen Zusammenhalts zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt werden. Über den ESF tragen die für die Integration der auf dem Arbeitsmarkt am schwierigsten zu vermittelnden Gruppen eingesetzten Mittel entscheidend zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU und mittelfristig zur Umsetzung der Ziele der Europa-2020-Strategie bei (zu diesen Gruppen zählen Menschen mit Behinderungen, junge Menschen mit besonderen Problemen hinsichtlich einer Anstellung, ältere Menschen mit geringer Hoffnung auf einen neuen Arbeitsplatz und andere sozial ausgegrenzte Menschen).

4.1.7   Das Partnerschaftsprinzip ist der wesentliche Garant für ein gutes Funktionieren der Maßnahmen im Rahmen der Strukturfonds.

4.1.8   In den Verordnungen über die Strukturfonds müssen das Partnerschaftsprinzip klar definiert und dabei die Rolle jedes einzelnen Partners eindeutig festgelegt werden, anstatt auf die „gegenwärtigen nationalen Vorschriften und Praktiken“ Bezug zu nehmen.

4.1.9   Den Partnern einschließlich der sozialwirtschaftlichen Organisationen muss es möglich sein, technische Unterstützung zu erhalten, und der Aufbau ihrer Kapazitäten muss von branchenspezifischen Organisationen über den ESF gestärkt werden.

4.1.10   Es müssen qualitativ hochwertige Partnerschaften geschaffen werden, wobei die Sozialpartner und die organisierte Zivilgesellschaft insbesondere aufgrund ihrer Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der Folgen der Wirtschaftskrise in jede Phase einer Intervention der Fonds einzubinden sind.

4.1.11   Die anderen grundlegenden Prinzipien zur Maximierung des Mehrwertes des ESF sind nachhaltiges Wachstum zum Erhalt und Schutz der Umwelt ebenso wie die Gleichbehandlung von Männern und Frauen und das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Rasse, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung oder der sexuellen Ausrichtung; dies gilt sowohl für das Tätigwerden des Fonds als auch für seine Zugänglichkeit, insbesondere für Behinderte und Personen am Rande der Gesellschaft (6).

4.2   Aufgaben und Prioritäten des ESF im Rahmen der Europa-2020-Strategie

4.2.1   Wie vom Europäischen Rat beschlossen muss der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt ein zentrales Element der Europa-2020-Strategie bleiben.

4.2.2   Der Grad der Abstimmung zwischen dem ESF und der Europa-2020-Strategie muss sich in dem Vorhandensein strategischer Leitlinien zur Umsetzung der strategischen Prioritäten der EU in den operationellen Programmen oder anders niederschlagen.

4.2.3   In diesem Rahmen muss der ESF auch in Zukunft das Instrument für die Umsetzung der Beschäftigungsstrategie der EU sein und in diesem Sinne zur Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze beitragen, die ein wesentliches Element zur Sicherung des wirtschaftlichen Wachstums der EU sind. Zwar liegt der Schwerpunkt auf der Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze, aber auch das nachhaltige und integrative Wachstum ebenso wie die Schaffung weiterer Arten von Arbeitsplätzen müssen Berücksichtigung finden, zu denen aufgrund des Wandels des Produktionsmodells auch die grünen Arbeitsplätze zählen.

4.2.4   Der ESF ist das Hauptfinanzierungsinstrument der EU für Investitionen in die Humanressourcen zur Förderung der Umsetzung von Maßnahmen zur aktiven Integration sowie von Eingliederungs-, Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen.

4.2.5   Die Erfahrungen bei der Nutzung des ESF sollten zur Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs der Europäischen Union nutzbar gemacht werden.

4.2.6   Dabei handelt es sich zum Beispiel um folgende Maßnahmen und Prioritäten:

Förderung der aktiven Eingliederung und Unterstützung insbesondere der Jugend, älterer Arbeitnehmer, behinderter Menschen und weiterer schutzbedürftiger Gruppen wie der Migranten bei der Integration in den Arbeitsmarkt, außerdem Bekämpfung der Diskriminierung;

Erhöhung der Beschäftigungsquote der Frauen und Bekämpfung des Lohngefälles;

Einsetzung von Arbeitsmarktbeobachtungsstellen und Nutzung der Strukturfonds;

Förderung der Umschulung und Neuorientierung von Arbeitnehmern im Hinblick auf die Innovation und den Übergang zu einer kohlenstoffemissionsarmen Wirtschaft;

Verbesserung der Unterstützung der KMU, der Kleinstunternehmen und der Akteure in der Sozialwirtschaft, die 80-90 % der Industrie der Europäischen Union ausmachen und in denen qualitativ hochwertige Arbeitsplätze entstehen;

Festlegung einer „Ausbildung in Zeiten der Krise“ auf Grundlage der Diskussionen über die Entwicklung der einzelnen Wirtschaftszweige und Regionen;

bessere Verbreitung bewährter Verfahrensweisen wie Investitionen in eine Verringerung der Arbeitszeit bei einer Weiterbildung der Arbeitnehmer;

Stärkung des sozialen Dialogs über gemeinsame Weiterbildungsmaßnahmen der Sozialpartner;

Förderung der lebenslangen Aus- und Weiterbildung;

Förderung der direkten Teilnahme an der Planung, Verwaltung und Bewertung der Fonds in Übereinstimmung mit Artikel 11 der Verordnung (EG) 1083/2006, insbesondere durch eine Stärkung des Aufbaus von Kapazitäten;

Sicherstellung der Qualität der Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen;

Förderung der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz;

Bereitstellung von sowohl räumlich zugänglichen als auch erschwinglichen Betreuungsmöglichkeiten und Schritte zur „Deinstitutionalisierung“ von Menschen, die Dienstleistungen von Betreuungseinrichtungen in Anspruch nehmen, einschließlich, zum Beispiel, Menschen mit Behinderungen;

Modernisierung der öffentlichen Arbeitsvermittlung.

4.3   Geografische und thematische Ausrichtung des ESF

4.3.1   In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten sind die Strukturfonds das Hauptinstrument der Europäischen Union zur Unterstützung ihrer am stärksten benachteiligten Gebiete und der schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen, um die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen unterschiedlichen Mitgliedstaaten bzw. unterschiedlichen Gebieten zu verringern. Und dies sollen sie auch bleiben.

4.3.2   Des Weiteren muss dem wirtschaftlichen ebenso wie dem sozialen und territorialen Zusammenhalt mittels des Abbaus sozioökonomischer Ungleichheiten sowohl zwischen verschiedenen Regionen als auch innerhalb einzelner Regionen (ebenso wie von Ungleichheiten zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen) im Hinblick auf eine erfolgreiche Umsetzung der Europa-2020-Strategie für den zukünftigen ESF eine vorrangige Bedeutung zugemessen werden. Alle Mitgliedstaaten weisen in unterschiedlichen Bereichen Defizite auf. Folglich muss der ESF allen Regionen zugute kommen, deren Arbeitslosigkeit über dem gemeinschaftlichen Durchschnitt liegt und auf deren Arbeitsmärkten Ungleichgewichte zu beobachten sind, die insbesondere die schutzbedürftigsten Gruppen betreffen. Das schließt auch die Regionen mit einem höheren BIP wie zum Beispiel Metropol- oder Grenzregionen ein.

4.3.3   In seiner Ausrichtung auf die Beschäftigung, die Entwicklung der Humanressourcen und die Förderung der sozialen Integration muss der ESF auch weiterhin das Instrument sein, das die einzelnen Menschen unmittelbar betrifft, insbesondere Arbeitnehmer, Arbeitslose, aus der Gesellschaft ausgeschlossene Menschen, Jugendliche, ältere Menschen und andere schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen.

4.3.4   Die auf den unterschiedlichen Ebenen (europäische, nationale, regionale und lokale Ebene) festgelegten Prioritäten müssen kohärent sein.

4.3.5   Diese Kohärenz muss sich auch bei der Ausarbeitung und der Umsetzung operationeller Programme niederschlagen.

4.3.6   Jeder Mitgliedstaat muss Prioritäten und Ansätze festlegen, die den Bedingungen und dem besonderen Potenzial seiner Regionen angemessen sind. Zu berücksichtigen sind dabei auch die entsprechenden nationalen Reformpläne sowie die Bedingungen und das Potenzial der jeweiligen Mitgliedstaaten, also in Verbindung mit der Europa-2020-Strategie, insbesondere in den Bereichen Beschäftigung, Bildung und soziale Eingliederung.

4.3.7   Außerdem müssen angemessene Mechanismen zur finanziellen Unterstützung, wie direkte Mittelzuweisungen zur gezielten Unterstützung schutzbedürftiger Gruppen, erwogen werden, so z.B. im Falle Behinderter (7), um die Kohäsionspolitik auf eine begrenzte Zahl von Prioritäten zu konzentrieren (8). Der EWSA hat sich in der Vergangenheit bereits dafür ausgesprochen, im Rahmen der sozialen Eingliederung Mittel für besondere Ziele zur Verfügung zu stellen (9).

4.4   Synergien mit den anderen Strukturfonds

4.4.1   Der Europäische Sozialfonds ist das wesentliche Instrument für die Umsetzung der europäischen Beschäftigungsstrategie und muss es auch zukünftig bleiben.

4.4.2   Es ist aber auch danach zu streben, die Synergie-Effekte mit dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung zu vergrößern, in dessen Rahmen das Partnerschaftsprinzip, der Grundsatz der Gleichheit und das Diskriminierungsverbot sowie das Konzept der Nachhaltigkeit und die Ziele in den Bereichen Beschäftigung und soziale Eingliederung gestärkt werden sollen. Daher wäre mit dem Ziel einer besseren Ergänzung und stärkeren gegenseitigen Abstimmung des ESF, des EFRE und der anderen Fonds untereinander (wie z.B. des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, EAGFL) der Grundsatz der Flexibilität zu stärken, um so die Finanzierung einander ergänzender Initiativen sicherzustellen, wie der Initiativen zur Förderung des Zugangs zu einer Berufsausbildung für Menschen mit Behinderungen und solcher zur Förderung des Zugangs zu Einrichtungen für diese gesellschaftliche Gruppe.

4.4.3   Überschneidungen zwischen dem ESF und dem Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung sind zu vermeiden, und die Kohärenz muss insoweit sichergestellt werden, als die Maßnahmen des ESF hinsichtlich des industriellen Wandels einen präventiven Charakter haben, wohingegen mit den Maßnahmen des EGF auf Probleme reagiert wird.

4.5   Verwaltung

4.5.1   Hinsichtlich des Ablaufs der Verfahren und der praktischen Aspekte für den Zugang zur Finanzierung des ESF sind zahlreiche Verbesserungen vorzunehmen.

4.5.2   Um diese Verbesserungen auch tatsächlich zu erreichen, sollte das Partnerschaftsprinzip im ESF zukünftig aufrechterhalten und gestärkt werden. Es ist wichtig zu zeigen, dass das Partnerschaftsprinzip ein grundlegendes Instrument für ein effektives Funktionieren des ESF ist, da es die Aufbringung zusätzlicher Mittel ermöglicht, was angesichts des Rückgangs der allgemeinen öffentlichen Ausgaben in der gesamten Europäischen Union von entscheidender Bedeutung ist.

4.5.3   Derartige Verbesserungen bestehen vor allen Dingen in Folgendem:

Bürokratieabbau vor und während der Umsetzung des operationellen Programms, d.h. Lockerung der Verfahren für den Zugang zu Finanzmitteln, insbesondere Beschleunigung des Zahlungssystems zur Minimierung der finanziellen Belastung derjenigen, die die Programme ausführen, und Vereinfachung der Rechnungslegung und der Kontenbereinigung, z.B. durch die Auszahlung von Pauschalbeträgen und eine vereinfachte Projektabrechnung, indem eher konkrete Ergebnisse als Finanzbelege zugrunde gelegt werden

Einschränkung der Möglichkeiten, seitens der Behörden der Mitgliedstaaten zusätzliche, den Zugang zur Finanzierung des ESF erschwerende verwaltungstechnische Mechanismen oder Bedingungen einzuführen

bessere Verbreitung von Informationen über Fördermöglichkeiten u. a. durch die Einführung EU-weiter Mindeststandards für die Transparenz und die Zugänglichkeit von Informationen über die Förderung durch den ESF, insbesondere durch den Gebrauch einer einfachen Sprache

Verbesserung der Transparenz und Effizienz von Auswahlverfahren für die Förderung von Projekten auf Ebene der Mitgliedstaaten und der Regionen unter besonderer Berücksichtigung innovativer Projekte

besondere Beachtung des baulichen Umfelds, neuer Technologien und des Verkehrs (einschließlich Waren, Dienstleistungen und Infrastruktur) zur Beseitigung der Hindernisse für einen uneingeschränkten Zugang zu allen vom ESF geförderten Maßnahmen.

4.5.4   Die effektive Nutzung der Fonds sollte sichergestellt und sowohl in Hinsicht auf ihre quantitativen als auch auf ihre qualitativen Ergebnisse bewertet werden.

4.5.5   Es sollten Finanzierungsindikatoren festgelegt werden.

4.5.6   Den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft kommt dabei eine wesentliche Rolle zu.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Wie in den Artikeln 11, 16 und 17 der Verordnung (EG) 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds festgelegt.

(2)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die nationalen Parlamente vom 19. Oktober 2010 zum Thema „Überprüfung des EU-Haushalts“, KOM(2010) 700.

(3)  Mitteilung der Kommission vom 3. März 2010: „Europa 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“, KOM(2010) 2020 endg.

(4)  Vgl. Stellungnahme des EWSA zum Thema „Beschäftigung für vorrangige Bevölkerungsgruppen (Lissabon-Strategie)“ (ABl. C 256 vom 27.10.2007).

(5)  Wie in Art. 11 der Verordnung (EG) 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds festgelegt.

(6)  Wie in den Artikeln 11, 16 und 17 der Verordnung (EG) 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds festgelegt.

(7)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 15. November 2010 zum Thema „Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010-2020: Erneuertes Engagement für ein barrierefreies Europa“, KOM 2010(636).

(8)  Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Sozialfonds“, (ABl. C 234 vom 22.9.2005).

Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Rates über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (gemäß Artikel 128 EG-Vertrag)“, (ABl. C 162 vom 25.6.2008, S. 92).

Stellungnahme des EWSA zum Thema „Menschen mit Behinderungen: Beschäftigung und schrittweise Erreichung der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen in der EU. Lissabon-Strategie nach 2010“, (ABl. C 354, vom 28.12.2010, S. 8).

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 15. November 2010 zum Thema „Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010-2020: Erneuertes Engagement für ein barrierefreies Europa“, KOM 2010(636).

(9)  Stellungnahme des EWSA zum „Vierten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt“, (ABl. C 120 vom 16.5.2008, S. 73, § 4.5.2)


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/15


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Energieversorgung: Wie muss eine Nachbarschaftspolitik aussehen, die die Versorgungssicherheit der EU gewährleistet?“

(Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des ungarischen Ratsvorsitzes)

2011/C 132/04

Berichterstatter: Edgardo Maria IOZIA

Der künftige ungarische EU-Ratsvorsitz beschloss am 15. November 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen:

Energieversorgung: Wie muss eine Nachbarschaftspolitik aussehen, die die Versorgungssicherheit der EU gewährleistet?

(Sondierungsstellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 1. März 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 86 gegen 4 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) plädiert für:

1.1.1

eine rasche und progressive Stärkung einer gemeinsamen mit der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Union in Korrelation stehende und in diese eingebettete Außenpolitik der Europäischen Union im Bereich Energie, Versorgungssicherheit, Zusammenarbeit mit den Erzeuger-, Transit- und Verbraucherländern im Sinne einer Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten, wobei der strategischen Bedeutung der Energieversorgung Rechnung getragen werden sollte;

1.1.2

die Ernennung eines Hohen Vertreters für Energiepolitik, der die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik unterstützen würde, wobei zu berücksichtigen ist, dass diese Politik die Energiesicherheit einschließen sollte. Das für Energie zuständige Kommissionsmitglied könnte offiziell mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe beauftragt werden;

1.1.3

eine Verzahnung der Innen- und Außenpolitik sowie der damit zusammenhängenden Politikfelder, wie der Nachbarschaftspolitik und der Umweltschutzpolitik;

1.1.4

die Überwindung des Unilateralismus im Energiebereich, der das Prinzip der Solidarität unter den Mitgliedstaaten untergräbt und denjenigen, die nicht über eine entsprechende Verhandlungsmacht verfügen, eine ganze Reihe von Problemen bei der Energieversorgung zu fairen und erschwinglichen Preisen verursachen;

1.1.5

die Entwicklung der Energiegemeinschaft unter Ausweitung dieses Partnerschaftsmodells auf die südlichen Mittelmeeranrainerstaaten, insbesondere mit der Aufgabe, die Steigerung der Energieeffizienz, die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energieträger, den Ausbau des Energienetzverbundes und eine stärkere Interoperabilität der Netze zu fördern. Ziel der neuen Gemeinschaft muss die Förderung einer neuen Energiecharta und eines neuen Protokolls über die Energieeffizienz sein;

1.1.6

den Zugang des EWSA zur Plattform 3 „Energiesicherheit“ der Östlichen Partnerschaft und die systematische Einbindung von Vertretern der Arbeitsgruppe 3 „Umwelt, Klimawandel und Energiesicherheit“ des zivilgesellschaftlichen Forums der Östlichen Partnerschaft in diese Plattform, weil die Stimme der Zivilgesellschaft, einschließlich der Sozialpartner, noch immer allzu oft an den Rand gedrängt oder gar unterdrückt wird;

1.1.7

eine neue institutionelle Verankerung der Energiefragen, die in den geltenden Verträgen, durch die zweifellos die Zuständigkeit der Union gefestigt wurde, nach wie vor als Ergänzung zur nationalen Politik behandelt werden, die jedoch ihre Zuständigkeit im Bereich der Wahl des internen Energiemixes beibehalten sollte. Deswegen fordert der Ausschuss die Kommission auf zu untersuchen, ob ein Energievertrag der Union nach dem Vorbild des Euratom-Vertrags abgeschlossen werden könnte;

1.1.8

die Betreibung eines umfassenden multilateralen Abkommens mit Russland zur Verteidigung der allgemeinen Interessen der Europäischen Union. Hierbei sollten auch die Kaukasusstaaten ins Visier genommen werden, die in Zukunft bei der Energieversorgung Europas eine immer wichtigere Rolle spielen werden.

1.1.9

die Entwicklung strategischer Partnerschaften mit den USA, Japan, Brasilien, Indien und China im Bereich der Effizienz und der Sicherheit der Energieversorgung und bei der Bekämpfung der Treibhausgasemissionen mit dem Ziel des Abschlusses eines weltweiten Post-Kyoto-Übereinkommens; Erneuerung der bestehenden Abkommen mit den jungen Demokratien in Nordafrika und im Nahen Osten, die ihrem Entwicklungsbedarf Rechnung tragen.

1.1.10

die Prüfung der Möglichkeit, eine einschlägige internationale Konferenz zu organisieren, die der Formulierung einer Energiecharta und eines Protokolls über eine wirksamere, partizipativere, stärker verbreitete und mit der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung im Energiebereich im Einklang stehende Energieeffizienz dienen soll;

1.1.11

eine stufenweise Reduzierung der Energieabhängigkeit Europas mit Hilfe konsequenterer und zwingenderer Maßnahmen im Bereich der Energieeffizienz, der Förderung der Entwicklung alternativer und nachhaltiger Energiequellen mit geringem CO2-Ausstoß;

1.1.12

eine prioritäre Behandlung der in den Nachbarländern durchgeführten Projekte zur Energiediversifizierung, wie z.B. des Energiekorridors EU/Kaspisches Meer/Schwarzes Meer, insbesondere der Nabucco-Erdgas-Pipeline, der Flüssigerdgasinfrastruktur (LNG), des Ausbaus des Stromnetzverbundes und der Erweiterung des europäischen Verbundnetzes für Strom (MEDRING) und Gas in Richtung Mittelmeerraum sowie der Durchführung neuer Erdölinfrastrukturprojekte von europäischen Interesse wie Odessa–Danzig und Constanța–Triest und der Nord-Stream-Gasleitung, die für Finnland sehr wichtig ist und bezüglich derer die Möglichkeit der Vernetzung mit den baltischen Staaten und Polen neu ausgehandelt werden sollte;

1.1.13

ein Engagement der europäischen Institutionen zur ernsthaften Bewältigung des Problems der Energieversorgung im Geist der Solidarität; der EWSA fordert den Rat, das Parlament und die Kommission auf, alle denkbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die Energiediplomatie als Instrument zum Schutz und zur Sicherung der Arbeitnehmer, der Unternehmen und der Lebensqualität der EU-Bürger einzusetzen.

2.   Einleitung

2.1   Das vom EU-Ratsvorsitz an den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gerichtete Ersuchen betrifft einen der sensibelsten und grundlegendsten Aspekte der Energiestrategie der EU-27: die Sicherstellung der Energieversorgungssicherheit mit Hilfe eines der Kooperationsinstrumente der Union, und zwar der Nachbarschaftspolitik.

2.2   In den letzten Jahren hat sich die Energiefrage zu einem wesentlichen und vorrangigen Thema der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik entwickelt. Die nachhaltige Entwicklung hängt gegenwärtig und auch künftig von der Verfügbarkeit von Energie, der umsichtigen und bewussten Energienutzung und der Forschung im Bereich neue Energiequellen in Verbindung mit dem Ziel einer emissionsarmen Gesellschaft ab.

2.3   Der gesetzliche Rahmen

2.3.1   Mit dem Vertrag von Lissabon über die Arbeitsweise der Union (AEUV) wurde ein neuer Artikel eingeführt, Artikel 194, in dem die Zuständigkeiten der Union im Bereich der Energiepolitik festgelegt werden, mit der im Geist der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten folgende Ziele verfolgt werden:

Sicherstellung des Funktionierens des Energiemarkts;

Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit in der Union;

Förderung der Energieeffizienz und von Energieeinsparungen sowie Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen und

Förderung der Interkonnektion der Energienetze.

2.3.2   Art. 4 Abs. 2 Buchstabe i) AEUV sieht eine geteilte Zuständigkeit der Union im Energiebereich vor.

2.3.3   Für internationale Übereinkünfte überträgt Art. 216 AEUV der Union die zum Abschluss von Übereinkünften zur Verwirklichung ihrer Ziele erforderlichen Befugnisse.

2.4   Die Abhängigkeit der Union von Drittlandslieferanten

2.4.1   Die Union ist bei der Energieversorgung in hohem Maße von Drittstaaten abhängig. Im Zeitraum 1997-2007 (Eurostat, Energy, transport and environment indicators, Ausgabe 2009) ist die Abhängigkeit von Drittlandslieferungen trotz eines Rückgangs der Energieintensität um 17 Prozentpunkte von 45 % auf 53,1 % gestiegen. Nur Dänemark bleibt auch weiterhin ein Nettoenergieexporteur und zwar in Höhe von 25,4 % seines Bedarfs. Polen hatte einen Anstieg seiner Abhängigkeit von 6,4 % im Jahr 1997 auf 25,5 % im Jahr 2007 zu verzeichnen.

2.4.2   Malta, Luxemburg, Zypern, Irland, Italien und Portugal weisen mit Prozentsätzen von 82 % bis 100 % den höchsten Abhängigkeitsgrad auf.

2.4.3   Hinsichtlich der Energiequellen ist die Abhängigkeit der EU-27 beim Erdöl von 75,8 % auf 82,6 % gestiegen. Dänemark konnte als einziges Land seine Ausfuhren merklich steigern, während alle anderen Länder Nettoimporteure sind.

2.4.4   Bei Erdgas ist die Abhängigkeit deutlich gestiegen, von 33 % über 45,2 % bis auf 60,3 %. Dänemark und die Niederlande sind die einzigen Exportländer, während in Irland der Abhängigkeitsgrad am stärksten gewachsen ist, nämlich von 31,2 % auf 91,4 % im Zeitraum 1997 bis 2007.

2.4.5   Die Primärenergieerzeugung ist in Europa von 962 384 ktRÖE im Jahr 1997 auf 849 592 ktRÖE im Jahr 2007 gesunken, bei folgender Aufteilung auf die verschiedenen Energiequellen: 10 % Steinkohle, 12 % Braunkohle, 14 % Erdöl, 20 % Erdgas und 28 % Kernenergie. Der Anteil an erneuerbaren Energien beträgt 16 %.

2.4.6   Der Bruttoinlandsverbrauch ist um 6 % von 1 704 473 ktRÖE auf 1 806 378 ktRÖE gestiegen, wobei auf Steinkohle 13 %, Braunkohle 6 %, Erdöl 36 %, Erdgas 24 %, die Kernenergie 13 % und die erneuerbaren Energien 8 % entfallen. Während der Anteil von Erdgas, Kernenergie und Braunkohle in diesem Jahrzehnt im Wesentlichen unverändert blieb und der Steinkohleverbrauch um 7 % sank, nahm der Verbrauch an Erdgas um 20 % und der an erneuerbaren Energien um 50 % zu, die aber nach wie vor nur einen sehr geringen Teil des Gesamtverbrauchs, nämlich 8 %, ausmachen.

2.5   Einfuhren nach Herkunftsland

2.5.1   Die wichtigsten Lieferanten von Energierohstoffen sind (Stand 2007):

Erdgas

Erdöl

Steinkohle

Uran (2009)

Russland 39 %

Russland 33 %

Russland 25 %

Australien 22 %

Norwegen 26 %

Norwegen 15 %

Südafrika 21 %

Russland 21 %

Algerien 16 %

Libyen 10 %

Australien 13 %

Kanada 19 %

Libyen 5 %

Saudi-Arabien 7 %

Kolumbien 13 %

Niger 11 %

 

Iran 6 %

USA 9 %

Kasachstan 9 %

 

 

Indonesien 8 %

Südafrika - Namibia 5 %

2.5.2   Aus dieser Tabelle geht eine äußerst hohe Konzentration der Einfuhren auf einige wenige Länder hervor. So werden 86 % des Erdgases aus 4 Ländern importiert, 71 % des Erdöls aus 5 Ländern, 89 % der Steinkohle aus 6 Ländern und 87 % des Urans aus ebenfalls 6 Ländern.

2.5.3   Der wichtigste Partner bei nahezu allen Brennstoffen ist Russland, woher die EU ca. 30 % seines Energiebedarfs importiert, wobei die Einfuhren ständig zunehmen. Die anderen Partner, die den größten Teil der Energie in die EU liefern, sind Norwegen, Algerien und Libyen bei den flüssigen Kohlenwasserstoffen sowie Australien, Kanada, Kolumbien und Niger bei Steinkohle und Uran.

2.5.4   Beim Strom sind erhebliche Fluktuationen zu verzeichnen. Im Laufe der zehn im Eurostat-Bericht von 2009 betrachteten Jahre gab es drei Jahre mit Nettoexporten, drei Jahre lang befanden sich Nachfrage und Angebot auf dem Markt weitgehend im Gleichgewicht und fünf Jahre lang war ein explosionsartiger Anstieg der Nachfrage nach Drittlandslieferungen zu beobachten. Italien ist mit 46 283 GWh der größte Importeur und Frankreich mit 56 813 GWh der größte Exporteur. 2007 betrug der Anteil des von der EU-27 importierten Stroms 10,5 TWh.

3.   Die Politik der Union

3.1   Im Zuge des steten Anstiegs des Preises für Erdöl und die daran gekoppelten Kohlenwasserstoffe wurde 2008 im Februar die 90-Dollar-Marke überschritten und am 11. Juli ein historischer Höchststand von 147,27 erreicht. Zuvor hatte die Gaskrise, die im Januar 2006 darin gipfelte, dass Gazprom die Gaslieferungen an sein ukrainisches Pendant Naftogaz einstellte, das Thema Energie und Versorgungssicherheit wieder in den Mittelpunkt der politischen Debatte gerückt. Die Krise im Jahr 2009 war für die osteuropäischen Staaten noch schlimmer. Das für Energie zuständige Kommissionsmitglied Andris PIEBALGS reagierte entschlossen und geschickt auf die Krise und es gelang ihm, eine regelmäßige Versorgung sicherzustellen, auch wenn in dieser Zeit infolge einer Reduzierung des Drucks in den Gasleitungen die Lieferungen in die EU-Mitgliedstaaten um ca. 30 % zurückgingen.

3.2   Die Energie stand sowohl bereits beim EGKS-Vertrag (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) (1952) als auch beim Euratom-Vertrag (1957) im Vordergrund, und bei den Diskussionen im Vorfeld des Vertrags vom Rom waren einige der Ansicht, dass die Energiefrage ein integraler Bestandteil der Tätigkeiten des Gemeinsamen Marktes sein und fest an eine Zuständigkeit der europäischen Ebene gekoppelt sein sollte.

3.3   Erst Jahre später ist sich Europa angesichts einer äußerst schweren Krise der Tatsache bewusst geworden, dass die Energieabhängigkeit der Union nicht nur vom wirtschaftlichen Standpunkt aus von enormer Bedeutung ist, sondern vor allem die Energieversorgung ganz einfach als politisches Druckmittel dienen kann.

3.4   Die zunehmende Angewiesenheit der EU auf Energieeinfuhren aus nicht demokratischen und instabilen Gebieten und Ländern, in denen häufig die Menschenrechte und die sozialen Rechte missachtet werden, und die Abhängigkeit von russischen Lieferungen, insbesondere bei der Gasversorgung, ist eindeutig sehr beunruhigend und könnte auf lange Sicht für die Mitgliedstaaten, aber auch vor allem für die Sicherheit der Union insgesamt große Probleme schaffen.

3.5   Die internationale Landschaft hat sich grundlegend geändert. Die wirtschaftliche und politische Rolle Chinas, Indiens und Brasiliens, die langfristigen Strategien der USA, um ihre internen Reserven möglichst lang zu erhalten, wodurch ihre Energienachfrage auf den internationalen Märkten steigt, und die zunehmende Instabilität und Radikalisierung der Konflikte in den Exportregionen machen einen tiefgreifenden Wandel bei der EU-Politik unerlässlich. Die Energieversorgungssicherheit ist zu einem unabdingbaren Faktor der nationalen Sicherheit und der wirtschaftlichen Entwicklung geworden.

4.   Die neuen Szenarien

4.1   Angesichts der strategischen Bedeutung der Energieversorgungssicherheit müssen bei dem neuen Szenario sämtliche alternativen Möglichkeiten unter den Nachbarländern im Osten, Süden, Mittelmeerraum und Nahen Osten in die Überlegungen einbezogen werden. Es gilt, die vollständige Verwirklichung der Energiepartnerschaft zwischen der EU und Afrika voranzutreiben und die Vorbereitung einer großen internationalen Konferenz über den Zugang zu Energie und die Energieversorgungssicherheit mit dem Ziel der Festlegung neuer einvernehmlicher Regeln in Angriff zu nehmen. Sollte ein neuer weltweiter Pakt über die Energieversorgungssicherheit geschlossen werden, sollten die spezialisierten internationalen Agenturen mit der Überwachung von dessen Umsetzung beauftragt werden. Angesichts der wesentlichen Bedeutung dieser Frage sollten die großen internationalen Institutionen hierbei Schlüsselakteure sein.

4.2   Die EU sollte die Energieversorgungssicherheit als eine ihrer außen- und sicherheitspolitischen Prioritäten betrachten und in Schaffung eines neuen Amtes der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik einen Hohen Vertreter für Energiepolitik an die Seite zu stellen. Zwar wurden in Bezug auf eine gemeinsame Energiepolitik gewisse Fortschritte erzielt, doch wollen die Mitgliedstaaten nach wie vor lieber mit Hilfe bilateraler Beziehungen mit den Erzeugerländern selbst die Zügel in der Hand zu behalten.

4.3   Trotz der Änderungen des Vertrags und trotz des neuen Artikels 194 AEUV ist noch nicht klar, wie die Union ihre Zuständigkeiten ausüben und vor allem welche konkrete Form der „Geist der Solidarität“ annehmen soll. Es wurden einige Fortschritte erzielt, beispielsweise bei der strategischen Gasreserve, bei der erstmals ein solidarisches Engagement zu beobachten ist. Die Kommission versucht derzeit, eine ernst zu nehmende Außenpolitik zu betreiben. Im Laufe dieses Jahres wird eine Mitteilung über die internationale Politik und die Energieversorgungssicherheit veröffentlicht werden. Einige Mitgliedstaaten entwickeln gleichwohl derzeit eine eigenständige Außenpolitik im Bereich der Energieversorgung, insbesondere gegenüber Russland und einigen Mittelmeerländern, was andere Länder in ernsthafte Schwierigkeiten bringt und zugleich die kollektive Verhandlungsmacht der Union schwächt.

4.4   Ganz offensichtlich handelt es sich bei der aktuellen Formulierung des Vertrags um einen nützlichen Kompromiss, der aber nicht ausreicht, um den künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein Die Energiepolitik sollte in ihrer Gesamtheit im Rahmen eines spezifischen Vertrags nach dem Vorbild des Euratom-Vertrags neu überdacht werden, wobei der Sicherheitspolitik ein ausgeprägtes institutionelles Profil verliehen werden sollte, das auch die Politik der Energieversorgungssicherheit umfassen sollte. Der Unilateralismus im Energiebereich muss mit Hilfe einer soliden gemeinsamen Politik der Solidarität in Energiefragen überwunden werden, deren Grundlage eine Diversifizierung sowie ein auf die Bedingungen und Merkmale der einzelnen Mitgliedstaaten zugeschnittener Energiemix, aber vor allem die ökologische Nachhaltigkeit bildet, da die wichtigsten mit dem Energiebedarf in Verbindung stehenden Bereiche wie die Produktion, die Stromübertragung und -verteilung, der Verkehr und das Heiztechnik bei Weitem den größten Anteil an den Treibhausgasemissionen haben.

4.5   Östliche Dimension der EU-Außenpolitik

4.5.1   Im Bereich der Nachbarschaftspolitik, beispielsweise gegenüber östlichen Ländern wie Moldau, Ukraine und Belarus, sollten trotz der bekannten politischen Schwierigkeiten die Zusammenarbeit mit diesen Ländern und deren Beteiligung an gemeinsamen politischen Maßnahmen intensiviert werden, wobei natürlich demokratische Regeln und die Menschenrechte zu garantieren und zu beachten sind, die in letzter Zeit von Belarus durch die gewaltsame Unterdrückung der Regierungsgegner auf eine harte Probe gestellt wurden. Mit der Energiegemeinschaft mit den Balkanländern und den östlichen Ländern wurden positive Erfahrungen gesammelt. Dieses Konstrukt, das lanciert worden war um den Weg für eine mögliche Integration der Länder des ehemaligen Jugoslawiens zu bahnen, wurde allmählich erweitert. Vor Kurzem hat sich auch die Ukraine diesem Vorhaben angeschlossen, wodurch es noch stärker an die EU-Nachbarländer und zentralasiatischen Staaten wie Usbekistan und Kirgisistan angekoppelt wird.

4.5.2   Im Jahre 2008 regten Polen und Schweden an, die Östliche Partnerschaft als an sechs östliche Nachbarstaaten (Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und Ukraine) gerichtete EU-Initiative ins Leben zu rufen, mit dem Anliegen, die politische Zusammenarbeit zu vertiefen, die Wirtschaftsintegration voranzutreiben und multilaterale Kooperationsstrukturen in der Region zu schaffen. Das erste offizielle Gipfeltreffen der Länder der Östlichen Partnerschaft, mit der die Partnerschaft ihre Tätigkeit aufnahm, fand am 7. Mai 2009 in Prag statt.

4.5.3   Der EWSA ist bereits an drei der vier thematischen Plattformen der Östlichen Partnerschaft beteiligt und fordert dringlichst seinen Zugang zur Plattform 3 „Energiesicherheit“, die sich mit der Stärkung der Energiegemeinschaft und der Energiecharta, der Steigerung der Energieeffizienz und der Rolle der erneuerbaren Energieträger beschäftigt. Zu den Leitthemen der Partnerschaft müssen die Entwicklung einer energieeffizienten Wirtschaft und die Förderung der Nutzung erneuerbarer Energieträger in den östlichen Partnerstaaten der EU gehören. Notwendig sind weitere Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit, zur Modernisierung der Infrastruktur der Energiewirtschaft und zur Stärkung anderer wechselseitiger Beziehungen zwischen Energieerzeugern und -verteilern.

4.5.4   Diese Themen sind für die Zivilgesellschaft von vitaler Bedeutung, und deswegen sollte die Beschäftigung mit diesen Fragenkomplexen nicht ausschließlich den Behörden und Finanzinstituten überlassen werden. Der EWSA fordert, in die Plattform 3 der Östlichen Partnerschaft systematisch und nicht nur ad hoc auch Vertreter der Arbeitsgruppe 3 „Umwelt, Klimawandel und Energiesicherheit“ des zivilgesellschaftlichen Forums der Östlichen Partnerschaft einzubinden, weil die Stimme der Zivilgesellschaft, einschließlich der Sozialpartner, noch immer allzuoft an den Rand gedrängt oder gar unterdrückt wird. Mit der Initiative zur Schaffung eines Wirtschaftsforums im Rahmen der Östlichen Partnerschaft soll der soziale Dialog im Bereich der Wirtschaft und somit auch der Energieversorgung gestärkt werden.

4.6   Euromed-Dimension der EU-Außenpolitik

4.6.1   Wegen der derzeitigen politischen Veränderungen in einigen Staaten des südlichen Mittelmeerraums müssen die politischen Entscheidungsträger die Zivilgesellschaft auf beiden Seiten des Mittelmeers bei künftigen gemeinsamen energiepolitischen Maßnahmen anhören und in das Geschehen einbinden, um dafür zu sorgen, dass diese politischen Weichenstellungen nicht als von oben oder von außen aufoktroyiert aufgefasst, sondern von der breiten Öffentlichkeit wirklich mitgetragen werden. Der EWSA möchte bis zum Spätjahr 2011 eine Versammlung der Wirtschafts- und Sozialräte des Mittelmeerraums errichten, die ein entscheidendes Forum für den Austausch innerhalb der Zivilgesellschaft zum Thema Energiepolitik darstellen könnte.

4.6.2   Die Union sollte auch den südlichen Mittelmeerländern den Zusammenschluss in einer spezifischen Energiegemeinschaft mit vorschlagen. Die Schließung des Mittelmeerrings (MEDRING), des Stromverbundnetzes im Mittelmeergebiet, die in Vorbereitung befindlichen Projekte wie Desertec, der Mittelmeer-Solarplan sowie die Zusammenarbeit im Mittelmeerraum selbst sollten zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Energieübertragung, Ausbau des Energienetzverbundes und Modernisierung der Energieerzeugungs- und -verteilungssysteme, z.B. im Maghreb, führen.

4.6.3   Die sich daraus für die Union ergebenden Vorteile liegen auf der Hand. Die Verbesserung der Infrastruktur unserer Partner im Mittelmeerraum wird diesen die Verwirklichung zahlreicher gemeinsamer Ziele erleichtern: nachhaltige Entwicklung und Senkung der Gesamtenergienachfrage, wodurch zur Stabilisierung der Energieversorgungssicherheit und der Rohstoffpreise sowie zur Reduzierung der Emissionen beigetragen wird.

4.6.4   Diese Unterstützung -,auch finanzieller Art – durch die EIB im Falle der Mittelmeerländer und die EBWE bei einigen ihrer Einsatzländer könnte Teil der Wirtschaftshilfe sein, zu deren Bereitstellung für weniger weit entwickelte Volkswirtschaften sich die Union verpflichten sollte, um ihnen eine nachhaltige und emissionsarme Entwicklung zu ermöglichen.

4.7   In absehbarer Zukunft werden Programme zur erheblichen Verbesserung der Energieeffizienz die strategische Achse für die Unterstützung der Partnerländer der Gemeinschaft bilden. Dieses Vorhaben knüpft auch an die Zusammenarbeit im Umweltschutzbereich und die neuen Post-Kyoto-Ziele an.

4.8   Die Ziele einer neuen „Energiediplomatie“ gegenüber den Erzeuger-, Transit- und Verbraucherländern sollten in einen neuen europäischen institutionellen Rahmen eingebettet und in Übereinkommen und Verträge nach dem Vorbild des Vertrags über die Energiecharta und des Protokolls über die Energieeffizienz aufgenommen werden; diese Instrumente für die Zusammenarbeit und die Schlichtung internationaler Streitigkeiten gibt es seit mittlerweile zwanzig Jahren, allerdings haben sie sich als nicht sonderlich wirkungsvoll erwiesen.

4.9   Die Europäische Union sollte die Unterzeichnung einer neuen Charta und eines neuen Protokolls mit den südlichen Mittelmeeranrainerstaaten vorantreiben und eine Überprüfung und Verbesserung der aktuellen Charta einleiten und die Mitgliedstaaten zu einer Politik der Solidarität in Energiefragen verpflichten. In diesem Zusammenhang sind die Fortschritte bei der Integration der baltischen Staaten von besonderer Bedeutung.

4.10   Der Arktische Ozean und die Barentssee werden eines der EU-Gebiete mit der dynamischsten wirtschaftlichen Entwicklung und eine Region von grundlegender Bedeutung für Norwegen, Russland, die USA und Kanada sein. Die Interessen dieser Region, sowohl auf lokaler als auch internationaler Ebene, stellen eine europäische Frage dar, die sich nur im Rahmen einer soliden und realistischen EU-Politik bewältigen lässt.

4.11   Durch den Unilateralismus wurde die Verhandlungsmacht der Union drastisch geschmälert, und faktisch wurden die Lieferländer, insbesondere Russland, in die Lage versetzt, entscheidenden Einfluss auf die demokratischen Entscheidungen einiger seiner Nachbarländer zu nehmen. Über 67 % der Energieausfuhren Russlands gehen in die Europäische Union, sie könnten aus offensichtlichen geografischen und politischen Gründen nicht ohne weiteres andere so leicht zugängliche Märkte wie die Europäische Union finden.

4.12   Russland sollte in die WTO aufgenommen werden, unter der Voraussetzung, dass es genaue Garantien für das Verhalten der russischen Monopolunternehmen gibt, die sich häufig von den politischen Machthabern leiten lassen und von diesen unterstützt werden, und natürlich unter der Bedingung, dass es seine Konflikte mit Georgien im Wege eines bilateralen Abkommens beigelegt.

5.   Strategische Partnerschaften mit den USA, Japan, Brasilien, Indien und China

5.1   Der Aufbau strategischer Partnerschaften mit den Schlüsselakteuren des Energieweltmarkts, den USA, Japan, Brasilien, Indien und China, wird von grundlegender Bedeutung sein. Die Partner sollten besonders im Bereich Energieversorgungssicherheit und gerechte Energiepreise zusammenarbeiten und eine Einigung erzielen, wobei sie der Energieeffizienz Vorrang einräumen und für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen sorgen sollten.

5.2   Die Frage der Energieversorgungssicherheit, die offensichtliche Folgen für die allgemeine Sicherheit, die nachhaltige Entwicklung und die Eindämmung des Klimawandels hat, erfordert einen breiten multilateralen Konsens. Die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit darf nicht die Stabilität und den Frieden gefährden, und es muss eine mögliche Verschärfung der internationalen Spannungen verhindert werden, die bereits heute zahlreiche Gebiete prägen, aus denen Kohlenwasserstoffe geliefert werden.

5.3   Die Energiefrage steht schon seit langem auf der Tagesordnung der G20. Die diesbezüglichen Diskussionen, die häufig nicht über eine Liste guter Absichten hinausgehen, sollten in Verträge und strategische Partnerschaften münden. Bilaterale Abkommen sind wahrscheinlich der realistischste Ansatz. Die EU vergisst oft, dass sie das wichtigste Wirtschaftsgebiet der Welt ist, und schafft es nicht, bei ihren Partnern ihre Agenda durchzusetzen. Diese Agenda zielt darauf ab, die wichtigsten Leitlinien ihrer Außenpolitik zu stärken, mit deren Hilfe sie auch weiterhin demokratische Prinzipien, die Wahrung der Menschenrechte und des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung sowie die Ablehnung des Kriegs als Mittel zur Lösung von Konflikten unter den Völkern, für deren Beilegung die internationalen Institutionen gestärkt werden müssen, fördern muss.

5.4   Die neuen Schwellenländer sind gleichermaßen an einem internationalen Rahmen für eine stabile und sichere Energieversorgung zu angemessenen Preisen interessiert wie die Union. Die EU sollte ihre Maßnahmen auch darauf ausrichten, mit diesen Ländern strategische Partnerschaften einzugehen, und dabei ein Regelwerk im Rahmen einer Marktwirtschaft fördern, mit denen die Zusammenarbeit gestärkt und ein unnützes und kostspieliges Wettrennen zum Hamstern von Rohstoffen vermieden wird.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


ANHANG

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgender abgelehnter Änderungsantrag erhielt mindestens ein Viertel der Stimmen:

Ziffer 1.1.12

Folgendes streichen:

„eine prioritäre Behandlung der in den Nachbarländern durchgeführten Projekte zur Energiediversifizierung, wie z.B. des Energiekorridors EU/Kaspisches Meer/Schwarzes Meer, insbesondere der Nabucco-Erdgas-Pipeline, der Flüssigerdgasinfrastruktur (LNG), des Ausbaus des Stromnetzverbundes und der Erweiterung des europäischen Verbundnetzes für Strom (MEDRING) und Gas in Richtung Mittelmeerraum sowie der Durchführung neuer Erdölinfrastrukturprojekte von europäischen Interesse wie Odessa–Danzig und Constanța–Triest und der Nord-Stream-Gasleitung“

Begründung

Die Beurteilung der Bedeutung dieser Projekte für die jeweiligen Länder sollte insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass der Verlauf der Nord-Stream-Gasleitung nach wie vor hinsichtlich des Zugangs zum Hafen in Swinemünde/Świnoujście strittig ist, den nationalen Politikern und Ökonomen überlassen werden.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen

:

33

Nein-Stimmen

:

46

Stimmenthaltungen

:

17


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/22


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Innovative Arbeitsplätze als Grundlage für Produktivität und hochwertige Beschäftigung“ (Initiativstellungnahme)

2011/C 132/05

Berichterstatterin: Leila KURKI

Mitberichterstatter: Mihai MANOLIU

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 16. September 2010, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Innovative Arbeitsplätze als Grundlage für Produktivität und hochwertige Beschäftigung“.

Am 20. Oktober 2010 beschloss der EWCA, die Studiengruppe in einen Unterausschuss umzuwandeln.

Der mit den Vorarbeiten beauftragte Unterausschuss „Innovative Arbeitsplätze“ nahm seine Stellungnahme am 23. Februar 2011 an. Berichterstatterin war Leila KURKI, Mitberichterstatter Mihai MANOLIU.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 94 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Empfehlungen

1.1

Nach Auffassung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) ist es Aufgabe der Europäischen Union, alle Mitgliedstaaten und Unternehmen in ihrem Bestreben um mehr Innovation am Arbeitsplatz zu unterstützen. Durch Innovation am Arbeitsplatz wird danach gestrebt, die Tätigkeit von Organisationen auf nachhaltige Weise zu modernisieren und dabei die Produktivität und zugleich auch die Qualität des Arbeitslebens zu verbessern. Mögliche Bereiche für die Entwicklung sind z.B. die Arbeitsprozesse, die Arbeitsorganisation, die Arbeitsmethoden und -mittel, die physische Arbeitsumgebung, die beruflichen Fähigkeiten und Arbeitspraktiken der Mitarbeiter sowie die Anleitung durch mittleres und leitendes Management.

1.2

Der Ausschuss regt an, den grundlegenden Begriff des „innovativen Arbeitsplatzes“ klar zu definieren. Ein fehlendes allgemein anerkanntes Konzept könnte einer der Gründe sein, warum Innovationen am Arbeitsplatz bislang in den meisten Strategiepapieren der EU nur einen geringen Stellenwert einnehmen. Die EU-Organe, die Mitgliedstaaten, die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft müssen die Bedeutung sowie die Mittel und Wege zur Innovation – insbesondere auf Ebene der Unternehmen und Organisationen - erkennen.

1.3

Nach Auffassung des Ausschusses wird das das Konzept „Innovationen am Arbeitsplatz“ zwar nicht ausdrücklich im Kommissionsdokument erwähnt, ist aber zum Kernbereich der Europa-2020-Strategie zu zählen, denn es gehört zu den Grundvoraussetzungen für den Erfolg dieser Strategie. Der Ausschuss regt an, den Begriff des „innovativen Arbeitsplatzes“ mit in die Strategie aufzunehmen.

1.4

Um die Ausgewogenheit der Europa-2020-Strategie zu verbessern, regt der Ausschuss an, dass die Europäische Kommission ein Pilotprojekt zu innovativen Arbeitsplätzen im Rahmen ihrer Leitinitiative „Innovationsunion“ in Gang setzt. Im Mittelpunkt dieses Vorhabens sollte die qualitative Verbesserung des Arbeitslebens stehen. Nach Auffassung des Ausschusses müssen unverzüglich weitere Untersuchungen darüber eingeleitet werden, wie sich Qualität des Arbeitsleben, Innovationsfähigkeit und Produktivität zueinander verhalten; zudem sollte ein europäischer Index eingeführt werden, der die Qualität des Arbeitslebens sowie deren Auswirkungen auf Innovation und Produktivität beschreibt. Der erzielte Fortschritt ist mit zuverlässigen Indikatoren zu messen, die nicht nur den Einsatz erfassen, sondern auch und insbesondere die Ergebnisse.

1.5

Der Ausschuss zeigt sich besorgt, dass im Rahmen der EU-Förderung bevorzugt Spitzentechnologie- und Produktinnovationen finanziert werden, während der Innovation am Arbeitsplatz nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird. Nach Auffassung des Ausschusses muss in der Innovationspolitik stärker als bisher danach gefragt werden, wie die jeweiligen Partner wirksamer zusammenarbeiten können, um innovative Arbeitsplätze zu fördern und damit die Wettbewerbsfähigkeit der EU und das Wohlbefinden seiner Bürger verbessern zu können. Der Ausschuss unterstreicht, dass die EU-Förderung die Innovation am Arbeitsplatz beschleunigen kann. Der Ausschuss schlägt vor, dass die Europäische Kommission ihr Förderinstrumentarium überprüft und unverzüglich die erforderlichen Änderungen daran vornimmt (z.B. bei den Strukturfonds, insbesondere dem Sozialfonds, dem Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung sowie den Bildungsvorhaben).

1.6

Nach Auffassung des Ausschusses ist es bei der innovationspolitischen Betrachtung wichtig, eher die Möglichkeiten der Nutzung und Weiterentwicklung von Fähigkeiten als ausschließlich das Angebot an Fachkräften in den Mittelpunkt zu rücken. Genauso wichtig ist es, den Zustand der Arbeit- und Beschäftigungsbedingungen sowie des Arbeitsumfelds zu erfassen. In Unternehmen und Organisationen wird eine neue, interdisziplinäre Denkweise zur Entwicklung der Tätigkeit benötigt. Der Ausschuss regt an, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten ernsthaft darüber nachdenken, welche politischen Maßnahmen und welche Form der Arbeitsorganisation durch Kompetenzinitiativen zu Erfolgen in der Innovationsförderung geführt haben. Um Kenntnis darüber zu erlangen, was auf Ebene der Unternehmen und Organisationen funktioniert, muss die Kommission die Forschung sowie die Verbreitung von Ergebnissen fördern. Zudem hält es Ausschuss für unumgänglich, dass die Kommission die derzeitigen Innovationsstrategien bewertet und sicherstellt, dass sie alle eine Definition des „innovativen Arbeitsplatzes“ enthalten.

1.7

Der Ausschuss hält es für wichtig, dass der EU-Binnenmarkt in seiner Funktionsweise ein Handlungsumfeld ermöglicht, in dem Unternehmen und Organisationen zur Entwicklung ihrer Innovationsfähigkeit stimuliert werden. Der Wettbewerb zwischen den Unternehmen muss auf der Grundlage der Produkt- und Dienstleistungsqualität sowie der Umweltfreundlichkeit geführt werden und darf kein ausschließlicher Preiswettbewerb sein. Diesbezüglich kommt dem öffentlichen Auftragswesen ein starker Beispiel- und Steuerungseffekt zu.

1.8

Der Ausschuss erinnert daran, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten eine strategische Rolle haben, sind doch Investitionen in Innovationsvorhaben und verschiedene wirtschaftliche Anreize überaus bedeutsam. Voraussetzung für einen effizienten Mitteleinsatz bei der Förderung von Innovationen sind Langfristigkeit, Planung, sowie Beratung und Anleitung bei der Ingangsetzung und Durchführung von Entwicklungsvorhaben. Diesbezüglich kommt den Sozialpartnern eine besondere Verantwortung bei der Vorbereitung, Umsetzung und Bewertung der Vorhaben zu. Außerdem ist die Rolle der Organisationen der Zivilgesellschaft in der Berufsbildung und bei der Propagierung bewährter Praktiken zu verstärken.

1.9

Zu berücksichtigen ist der unterschiedlich weit entwickelte innovationspolitische Rahmen in den jeweiligen Mitgliedstaaten. Nach Auffassung des Ausschuss sollte die Kommission Möglichkeiten für die Schaffung einer neuen Wissensgrundlage (beispielsweise durch bewährte Praktiken und Projekte des gegenseitigen Lernens) für die Länder bieten, die erst wenig Erfahrung mit der Schaffung von Innovationen in Unternehmen und Organisationen haben. In den Innovations- und Bildungsinitiativen der Union sollten Innovationen am Arbeitsplatz, neuartige Berufskenntnisse (neben technischen und beruflichen Fähigkeiten auch z.B. kommunikative Fähigkeiten, Kreativität und Innovationsvermögen) und neue Managementformen herausgestellt werden. Bei dieser Arbeit könnte sich die Kommission auch die Arbeit von Entwicklungszentren in einer Reihe von Mitgliedstaaten zunutze machen, die sich darauf konzentrieren, die Qualität und die Produktivität zu verbessern.

1.10

Der Ausschuss betont, dass ein kontinuierlicher Dialog über innovative Arbeitsplätze in den verschiedenen Foren, Mitgliedstaaten, Unternehmen und Organisationen Europas wichtig ist. Dem Ausschuss kommt die zentrale Rolle dabei zu, die Aufmerksamkeit der Sozialpartner, der zivilgesellschaftlichen Organisationen und ganz allgemein der politischen Entscheidungsträger darauf zu lenken, dass für stärkere Innovationstätigkeit am Arbeitsplatz eine politische Marschroute entwickelt werden muss. Seine Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass das Thema innovative Arbeitsplätze in den Dokumenten des Ausschusses und allgemein in den Strategiepapieren der EU durchgehende Berücksichtigung findet, und zwar insbesondere indem er in wirtschafts-, beschäftigungs- und innovationspolitischen Stellungnahmen seinen Standpunkt zur Innovationspolitik formuliert und seine engen Verbindungen mit den Wirtschafts- und Sozialräten in den Mitgliedstaaten einsetzt.

2.   Innovative Arbeitsplätze und ihre Bedeutung für Wirtschaftswachstum, nachhaltige Produktivität und hochwertige Beschäftigung

2.1

Die EU-Mitgliedstaaten und Institutionen haben sich verpflichtet, eine Strategie zu verfolgen, die es Europa ermöglicht, gestärkt aus der Krise hervorzugehen und die EU zu einer intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wirtschaft zu machen, die durch ein hohes Beschäftigungs- und Produktivitätsniveau sowie einen ausgeprägten sozialen Zusammenhalt gekennzeichnet ist. Die Europa-2020-Strategie skizziert eine Vision der europäischen sozialen Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts (1).

2.2

Die Stellungnahme ist ein Teil des Beitrags des Ausschusses zur Europa-2020-Strategie und bezieht sich insbesondere auf die Leitinitiativen „Innovationsunion“ und „Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten“ (2) sowie auf die Förderung von Arbeitsqualität und lebensbegleitendem Lernen (3).

2.3

Dieser Stellungnahme liegt eine breit gefasste Definition des Begriffs „Innovation“ zugrunde: Innovation ist ein angewandter kompetenzbasierter Wettbewerbsvorteil, der aus wissenschaftlicher Forschung, Technologien, Geschäftsmodellen, Dienstleistungslösungen, Design, Marken oder Methoden der Arbeits- und Produktionsorganisation entstehen kann. Normalerweise gehen Innovationen aus einer Kombination verschiedener Kompetenzen hervor und fördern den Fortschritt der Wirtschaft, der Gesellschaft und des Wohlergehens.

2.4

Das Konzept „Innovation“ umfasst Produkt- und Dienstleistungsinnovationen sowie technische, soziale und funktionale Innovationen in allen Branchen und allen Arten von Organisationen. Bei diesem Ansatz werden Unternehmen, gemeinnützige Einrichtungen und Organisationen des öffentlichen Sektors als Innovatoren gesehen.

2.5

Durch Innovation am Arbeitsplatz wird danach gestrebt, die Produktivität der Organisationen auf nachhaltige Weise zu verbessern und zugleich die Qualität des Arbeitslebens zu heben. Innovative Arbeitsplätze begünstigen den sozialen und organisatorischen Wandel und bei ihnen finden integrierte und nachhaltige Herangehensweisen Anwendung, die die Leistungsfähigkeit der Unternehmen verbessern und langfristig die Betriebskosten senken. Mögliche Bereiche für die Entwicklung sind z.B. die Arbeitsprozesse, die Arbeitsorganisation, die Arbeitsmethoden und die Arbeitsmittel, die beruflichen Fähigkeiten und Arbeitspraktiken der Mitarbeiter sowie die Anleitung durch mittleres und leitendes Management.

2.6

Innovationspolitische Investitionen sollten gemäß der oben aufgeführten Definition von Innovation auf arbeitsplatztechnische Innovationen und von den Mitarbeitern ausgehende Praktiken gerichtet sein, um die Leistungsfähigkeit von Unternehmen sowie öffentlicher und anderer Organisationen zu verbessern, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, mehr und bessere Arbeitsplätze (neue Arten von Beschäftigung in existierenden Branchen und neue Stellen in neuen Branchen) zu schaffen sowie den nachhaltigen Produktivitätszuwachs und die Qualität der Beschäftigung zu steigern. Investitionen dieser Art werden den Arbeitgebern, den Arbeitnehmern und der Gesellschaft als Ganzes zum Erfolg gereichen.

3.   Neue Wachstumsfaktoren und Wandel der Arbeitskultur

3.1

Für die Wirtschaft und den Wohlstand in Europa sind neue Wachstumsimpulse und eine Produktivitätssteigerung in allen Bereichen erforderlich. Wird dies auf nachhaltige Weise erreicht, können die Innovationsfähigkeit gefördert und hochwertigere Beschäftigung geschaffen werden. Zentrale Quelle der Verbesserung der Produktivität und der Qualität des Arbeitslebens ist die Zusammenführung von Beherrschung der Technologie und Mitarbeiterqualifikationen, Identifikation und Motivation der Mitarbeiter sowie Führungskompetenz, die in neuen Produkten, Dienstleistungen und Methoden münden. Die verbesserte Innovationsfähigkeit der Organisation setzt eine Aufwärtsspirale in Gang, bei der Innovationskraft Produktivität hervorbringt, die wiederum eine Rückinvestition in das Unternehmen zur Innovationsförderung ermöglicht (4).

3.2

Das Arbeitsleben wird in den kommenden Jahren einen tiefgreifenden kulturellen Wandel erfahren. Die Hintergrundfaktoren hierfür sind unter anderem die Veränderungen in der Zahl der Arbeitnehmer aufgrund der demografischen Entwicklung, das steigende Bildungsniveau, der Fortschritt in der Forschung (insbesondere in der Medizin) und die damit einhergehende Zunahme der Lebenserwartung und Verlängerung des Erwerbslebens, der Siegeszug der Digitalisierung in der Produktion und im Dienstleistungsbereich, der globale Wettbewerb sowie die Erfordernisse der nachhaltigen Entwicklung.

3.3

Ein wesentlicher Punkt für die künftige nationale und europäische Wettbewerbsfähigkeit wird sein, wie die Arbeit organisiert und die Mitarbeiterführung am Arbeitsplatz gestaltet werden. Die Menschen beginnen zunehmend, der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit und der sinnstiftenden Wirkung der Arbeit für ihr Leben Bedeutung beizumessen. Sie fordern immer nachdrücklicher die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit. Gefordert wird, dass Arbeitszeiten und Entlohnungssysteme die individuellen Bedürfnisse berücksichtigen. Die Arbeitsplätze werden immer vielgestaltiger, so dass Arbeitnehmer verschiedenen Alters und unterschiedlicher Nationalitäten und Minderheiten geführt werden müssen. Der technische Fortschritt wirkt sich entscheidend auf das Arbeitsumfeld und die Arbeitsmittel aus. Im Jahre 2020 wird sich der Arbeitsplatz am besten durch folgende Schlagworte charakterisieren lassen: Zusammenarbeit, authentisch, persönlich, Innovation, soziale Kontakte (5).

3.4

Der Wandel der Arbeitskultur erzeugt Veränderungsdruck bei Arbeitsmethoden und Management. Das Wesen der Arbeit wird in dem Maße immer mehr durch die Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsaspekte beeinflusst, wie die Unternehmen wirtschaftliche, soziale und ökologische Indikatoren zur Messung des Erfolgs und zur Entscheidungsfindung heranziehen. Die Richtschnur für die Planung nachhaltiger Arbeitsplätze ist die Schaffung solcher Arbeitsplätze, die nicht nur ergonomisch und produktiv sind, sondern auch die Menschen inspirieren und das Wohlbefinden verbessern.

4.   Innovative Arbeitsplätze

4.1

Grundlage der Innovationsfähigkeit einer Organisation ist die Motivation und die Begeisterung des Managements und der Mitarbeiter für Neuerungen in der eigenen Arbeit und der Organisation. Im Ergebnis entstehen Produkt- oder Dienstleistungsmodelle oder funktionale Abläufe, die dem Kunden einen Mehrwert bringen. Je fortschrittlicher die Arbeitsweisen einer Organisation bei ihrer Innovationstätigkeit, desto größer ihre Fähigkeit zur Umsetzung von Innovationen (6).

4.2

Studien zufolge sind Arbeitsplatzinnovationen zu einem größeren Teil auf geglückte organisatorische Innovationen als auf technische Innovationen zurückzuführen (7). Es ist auch wichtig, die verschiedenen Elemente des Neuerungsprozesses zu verstehen: oft steht und fällt eine Produkt- oder Dienstleistungsinnovation mit einer Innovation funktionaler Art oder eine Innovation im Arbeitsumfeld (8).

4.3

Auch für die Forschung und die Technologieentwicklung müssten Ressourcen eingesetzt werden. Über den Erfolg entscheidet nicht die neueste, sondern die produktivste Technik, die für zahlreiche Anwendungen genutzt werden kann. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist auch die Nutzung der Möglichkeiten extern entwickelter Technologien (z.B. IKT und Digitalisierung) und der rechtlichen Rahmenbedingungen (z.B. der Normung). Forschungsergebnisse und Technologien lassen sich jedoch nicht automatisch in neue Geschäftstätigkeiten oder Produktivität umsetzen. Die Anwendung von Technologien erfordert oft ein hohes Niveau an innerbetrieblichen Kompetenzen. Geistiges Kapital (9) und dessen Förderung durch Investitionen müssen effizienter genutzt werden. Dies sind gewöhnlich die schwächsten Glieder bei der Umsetzung neuer Technologien.

4.4

Bei der Betrachtung der Innovationskapazität von Unternehmen kommt es auf die Nutzung und Entwicklung der vorhandenen organisationsinternen Kompetenzen an; es darf nicht nur auf das Angebot an qualifizierten Mitarbeitern geschaut werden. Es gibt Belege dafür, dass der Anteil solcher Organisationen, deren Management auf das Lernen der einzelnen Mitarbeiter als auch der ganzen Organisation ausgerichtet ist, auch ein besonders deutlicher Indikator für die Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist (10)  (11).

4.5

Der Innovationsnutzen aus der Verbesserung der fachlichen Qualifikationen der Mitarbeiter ist den Unternehmen noch nicht aufgegangen. Einer Untersuchung der Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) (12) und einer Untersuchung des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop) zufolge (13) investieren die Unternehmen leider immer noch viel zu wenig in das geistige Kapital. Hier ist in naher Zukunft auch keine Besserung abzusehen. Nur 26 % der Unternehmen, die ihre Mitarbeiter weiterbilden, antizipieren zudem die vom Unternehmen in der Zukunft benötigten beruflichen Qualifikationen.

4.6

In der Praxis gründen alle Innovationen auf bereits bestehende Innovationen, kumulative Erfahrungen, Lernen und Fachkompetenzen. Bedenkt man, welch wichtige Rolle den Beschäftigten in einem Unternehmen als Wissens- und Ideenquelle zukommt, so ist es erstaunlich, wie wenig diese Quelle bisher genutzt oder in der Innovationspolitik bzw. bei Diskussionen darüber berücksichtigt wurde (14).

4.7

Vom Arbeitsplatz ausgehende Innovation steht für das Potenzial, die Ideen, die Kompetenzen und das auf Erfahrung beruhende Wissen aller Beschäftigtengruppen zu integrieren. Erfahrungswerte zeigen, dass gute Arbeitsbeziehungen, ein gutes Arbeitsumfeld und gute Beschäftigungsbedingungen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von Arbeitsplatzinnovation einhergehen (15)  (16). Fallstudien (17) zeigen, dass Maßnahmen in diesen Bereichen zahlreiche Vorteile haben und sich positiv auf die allgemeine Gewinnerzielungsfähigkeit von Unternehmen auswirken. Zu den positiven Nebeneffekten gehören eine höhere Zufriedenheit am Arbeitsplatz und weniger krankheitsbedingte Fehlzeiten. Durch vom Arbeitsplatz ausgehende Innovationen können auch effektive Wege zur Einsparung von Energie, Ressourcen u.a. gefunden und die Funktionsweise der physischen Arbeitsumgebung verbessert werden. Die getätigten Investitionen zahlen sich für das Unternehmen bzw. die Organisation um ein Vielfaches aus.

4.8

Einen entscheidenden Anteil (80 %) am Erfolg und der Wertschöpfung der Unternehmen und Organisationen haben die Arbeitseinstellung, die Kreativität und die Initiative der Arbeitnehmer. Das Verständnis dieser Eigenschaften und ihre Nutzung als Wettbewerbsvorteil befinden sich noch im Anfangsstadium, da die Führungsebenen nicht genügend über ihre Bedeutung informiert sind. Zwar ist die Bedeutung traditioneller Arbeitnehmertugenden wie Gehorsam, Fleiß und Intelligenz verstanden worden, in einer globalisierten und immer stärker vom technischen Fortschritt geprägten Welt ist jedoch ihre Rolle als Wettbewerbstrumpf verblasst (18).

4.9

Studien zufolge ist fehlende Motivation im Management, das die Notwendigkeit von Entwicklungstätigkeit nicht sieht, das häufigste Hindernis für Arbeitsplatzinnovationen. Weitere Hindernisse sind das Fehlen der richtigen Informationen, ein schlechtes Know-how bei der Förderung des Wandels und die möglichen betriebswirtschaftlichen Risiken (19). Die Angst der Beschäftigten vor Veränderungen ist eine weitere Hürde, insbesondere wenn die Arbeitsplatzkultur nicht partizipativ geprägt ist.

4.10

Den Wandel zu steuern und innovative Prozesse in Gang zu setzen, ist demnach für die meisten Unternehmen und Organisationen noch eine große Herausforderung - wie damit umzugehen ist, wird noch viel zu wenig gelehrt (20). Das Personalwesen sollte als strategischer Teilbereich des Managements betrachtet werden. Solche Fähigkeiten könnten zu einem neuen Katalysator eigener Art für das Wirtschaftswachstum werden. Die Organisationen brauchen neuartige Anreize zur Einbeziehung der Manager und Arbeitnehmer in Entwicklungsmaßnahmen und in die Entscheidungsfindung sowie eine Unternehmenskultur, die dazu anspornt, an einem Strang zu ziehen und sich in die Entwicklung ihrer Organisation einzubringen.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Die Strategie Europa 2020 beinhaltet drei sich gegenseitig verstärkende Prioritäten:

Intelligentes Wachstum: Entwicklung einer auf Wissen und Innovation gestützten Wirtschaft

Nachhaltiges Wachstum: Förderung einer ressourcenschonenden, ökologischeren und wettbewerbsfähigeren Wirtschaft

Integratives Wachstum: Förderung einer Wirtschaft mit hoher Beschäftigung und ausgeprägtem sozialen und territorialen Zusammenhalt.

(2)  EWSA-Stellungnahme zum Thema „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen“ (ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 74).

(3)  EWSA-Stellungnahme zum Thema „Beschäftigungsleitlinien“ (ABl. C 107 vom 6.4.2011, S. 77).

(4)  EWSA-Stellungnahme zum Thema „Nachhaltige Arbeitsproduktivität in Europa“ (ABl. C 10 vom 15.1.2008, S. 72-79).

(5)  Max Mickelsson, Workshop-Beitrag, 25.1.2011, Helsinki.

(6)  Bessant, John (2003): High-Involvement Innovation (Innovative capability’s eight dimensions) [„Hochintegrative Innovation (Acht Dimensionsen der Innovationsfähigkeit)“].

(7)  Frank Pot, Radboud University and European Association of National Productivity Centres, „Workplace innovation for better jobs and performance“, November 2010, Antalya.

(8)  Z.B. Terhi Arvonen / Lumene, Workshop-Beitrag, 25. Januar 2011, Helsinki, sowie Laura Seppänen und Annarita Koli / Soziale Dienstleistungen der Stadt Helsinki, Workshop-Beiträge 25. Januar 2011, Helsinki.

(9)  Investitionen in geistiges Kapital sind zumeist Investitionen in Innovation, vor allem FuE. Ebenso wichtig sind Investitionen in Markenzeichen, Humanressourcen, Organisationsstrukturen, Software und digitale Kompetenzen, Aufbau eines Firmenimage, Geschäftsmethoden und Design. Beim geistigen Kapital stehen die Kompetenzen der Beschäftigten und die Bedeutung der Schaffung, Anwendung und Nutzung neuen Wissens für die Wirtschaft und Produktivität im Vordergrund.

(10)  Dirk van Damme, Zentrum für Forschung und Innovation im Bildungswesen (CERI) der OECD bei einer Anhörung der Arbeitsmarktbeobachtungsstelle am 15.12.2010.

(11)  OECD, „Innovative workplaces“, 2010, wonach Innovationen durch eine Arbeitsorganisation unterstützt werden, bei der den Mitarbeitern Autonomie und Entscheidungsfreiräume gewährt werden, ergänzt durch Bildungs- und Weiterbildungsangebote.

(12)  Eurofound, „Euopean working conditions survey 2010“.

(13)  Cedefop, „Encouraging continuing training by enterprises – time for a rethink?“, Vermerk, März 2010.

(14)  Tarmo Lemola, Innovaation uudet haasteet ja haastajat („Die neuen Herausforderungen der Innovation“), WSOYpro Oy 2009.

(15)  U.a. Andreas Crimmann, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (Deutschland) bei einer Anhörung der Arbeitsmarktbeobachtungsstelle am 15.12.2010.

(16)  Tuula Eloranta, Workshop-Beitrag, 25.01.2011, Helsinki.

(17)  LO (Dänischer Gewerkschaftsverband), Employee-driven innovation („Mitarbeitergestützte Innovationen“), 2008.

(18)  Tuomo Alasoini (basierend auf den Gedanken von Hamel 2007), Workshop-Beitrag, 25. Januar 2011, Helsinki.

(19)  Tuomo Alasoini, Workshop-Beitrag, 25. Januar 2011, Helsinki.

(20)  Dirk Ameel, Ameel D & C bvba, Anhörung der Arbeitsmarktbeobachtungsstelle am 15. Dezember 2010.


III Vorbereitende Rechtsakte

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

470. Plenartagung am 15. und 16. März 2011

3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/26


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Jahreswachstumsbericht: Das Gesamtkonzept der EU zur Krisenbewältigung nimmt weiter Gestalt an“

KOM(2011) 11 endg.

2011/C 132/06

Hauptberichterstatter: Michael SMYTH

Die Europäische Kommission beschloss am 12. Januar 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Jahreswachstumsbericht: Das Gesamtkonzept der EU zur Krisenbewältigung nimmt weiter Gestalt an

KOM(2011) 11 endg.

Am 18. Januar 2011 beauftragte das Präsidium den Lenkungsausschuss Europa 2020 mit den Vorarbeiten zu diesem Thema.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) Michael SMYTH zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 164 gegen 8 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

TEIL I:   MIT DEM JAHRESWACHSTUMSBERICHT WURDE DIE CHANCE VERTAN, POLITISCHE VORSCHLÄGE ZUR UNMITTELBAREN FÖRDERUNG EINES INTELLIGENTEN, NACHHALTIGEN UND INTEGRATIVEN WACHSTUMS VORZULEGEN

1.   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet nachdrücklich die Europa-2020-Strategie sowie die Fortschritte bei der Ex-ante-Koordinierung der Finanzpolitik während des Europäischen Semesters. Er hofft, dass die aktuellen Legislativvorschläge zur Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik zumindest für die Länder der Eurozone ein erster Schritt in Richtung einer echten gemeinsamen Wirtschaftspolitik und einer vollständigen finanzpolitischen Koordinierung sein werden.

2.   Der Ausschuss sieht mit Sorge einen Trend zu begrenzten, nicht zielgerichteten zwischenstaatlichen Vorschlägen anstelle der Gemeinschaftsmethode.

3.   Daher fordert der Ausschuss die Europäische Kommission auf, sich für den europäischen Integrationsprozess starkzumachen und mutige, ausgewogene und umfassende Vorschläge vorzulegen, um die Europäische Union im Geiste der noch jungen Europa-2020-Strategie auf den Weg eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums zu führen.

4.   In diesem Zusammenhang unterstreicht der Ausschuss, dass dem Jahreswachstumsbericht eine äußerst wichtige Rolle zukommen sollte, um in den Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene die integrative Reformpolitik voranzutreiben. Der Ausschuss begrüßt, dass die Kommission sich in der Absicht, eine eingehende Diskussion über die relevanten Themen ins Leben zu rufen, dazu entschieden hat, einen ausführlichen, in drei große Themenbereiche mit zehn Prioritäten gegliederten Jahreswachstumsbericht vorzulegen.

5.   Der Ausschuss bedauert jedoch, dass die Europäische Kommission in diesem ersten Jahreswachstumsbericht die Chance vergibt, im Geiste der Europa-2020-Strategie unmittelbar die Förderung eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums in Angriff zu nehmen, und sich stattdessen aus einem engen Blickwinkel heraus auf die finanzpolitische Konsolidierung konzentriert und Vorschläge bezüglich der Arbeitsmärkte unterbreitet, die häufig unausgewogen sind und die europäische Dimension des Binnenmarktes mit seinen zukunftsorientierten Wachstumsmotoren vermissen lassen.

6.   Bezüglich der finanzpolitischen Konsolidierung stellt der Ausschuss mit Bedauern fest, dass die Konsolidierungsvorschläge ausschließlich auf die Ausgabenseite ausgerichtet sind, ergänzt durch den Vorschlag, gegebenenfalls die Bemessungsgrundlage in einigen Mitgliedstaaten auszuweiten. Angesichts der Tatsache, das die derzeitige Staatsverschuldungskrise auf eine Finanzkrise und die damit im Zusammenhang stehenden umfassenden öffentlichen finanziellen Unterstützungsmaßnahmen zurückgeht, die mobilisiert werden mussten, um diesen Sektor davor zu bewahren, einen totalen Zusammenbruch des Systems zu verursachen, hätte der Ausschuss eine Reihe von Vorschlägen erwartet, die auf einen Beitrag des Finanzsektors zur nachhaltigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte abzielen. Darüber hinaus sind konkrete und ehrgeizige Vorschläge zur Kontrolle der Finanzmärkte unabdingbar, um Vertrauen aufzubauen und weitere Turbulenzen zu vermeiden.

7.   Der Ausschuss weist nachdrücklich darauf hin, dass eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ohne eine ausreichend hohe Wirtschaftswachstumsrate unmöglich sein wird. Er bedauert, dass die Kommission kein Wachstumsszenario entwirft, in dem dem Potenzial des Binnenmarktes ein möglichst hoher Stellenwert eingeräumt wird, sondern sich stattdessen auf eine drastische finanzpolitische Konsolidierung als Voraussetzung für das Wachstum konzentriert. Den Wachstumsmotoren, die es den Mitgliedstaaten erlauben, ihre Haushalte zu konsolidieren und gleichzeitig den Weg eines nachhaltigen Wachstums zu beschreiten, sollte stärkere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Ein ausgewogener makro-ökonomischer Mix, der angebotsorientierte und nachfrageorientierte Aspekte in einer ausgewogenen Art und Weise miteinander verknüpft, muss aus Sicht des EWSA zu einem integralen Bestandteil einer jeden zukunftsorientierten Wirtschaftsstrategie werden. Das würde auch bedeuten, dass Mitgliedstaaten mit Leistungsbilanzüberschüssen ermutigt werden sollten, auch weiterhin eine exportorientierte Politik zu betreiben, gleichzeitig jedoch ihre schwache Binnennachfrage anzugehen.

8.   Ein zukunftsorientiertes Konzept für die Bereiche Arbeitsmarkt, Rentenreform, Arbeitslosigkeit und Flexicurity beruht auf der Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze und neuer Beschäftigungsmöglichkeiten unter gleichzeitiger Nutzung des Potenzials, das neue Wirtschaftsbereiche und saubere Energie bieten. Der EWSA vertritt die Ansicht, dass der soziale Dialog in jeglicher arbeitsmarktbezogenen Politik eine grundlegende Rolle spielt. Auch die sozialen Sicherungssysteme sind als automatisch greifende Stabilisatoren für Gesellschaft und Wirtschaft von großer Bedeutung, denn sie tragen dazu bei, die Entwicklung und Produktivität voranzubringen, die Armut zu bekämpfen und den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zu fördern. All dies ist erforderlich, um die Unterstützung der Öffentlichkeit für das Projekt Europa zu gewinnen. Im Hinblick auf ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum sollte auf diesen Kerngrößen aufgebaut werden, die die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft in Europa bilden. Der EWSA ist daher der Meinung, dass Kommissionsvorschläge, die den Tarifverhandlungssystemen der Mitgliedstaaten und den von ihnen getroffenen Vorkehrungen zur Arbeitsplatzsicherheit zuwiderlaufen, völlig fehl am Platze sind.

9.   Darüber hinaus ist der EWSA der Ansicht, dass die Kommission ihren Standpunkt hinsichtlich der Quoten oder Pflichtmitgliedschaften klarmachen muss, die auf den freien Berufen lasten. Es sollte unterschieden werden zwischen dem, was in den Aufgabenbereich der diskriminierungsfrei zugänglichen öffentlichen Dienstleistungen und der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gehört, und dem, was sich als echtes Hindernis für das Potenzial des Binnenmarktes erweisen könnte. Was die Regelungen für den Handel angeht, so müssen alle ihre Auswirkungen auf die Beschäftigungslage des Sektors genau untersucht werden, und für Themen wie Gebietseinteilung oder Öffnungszeiten, die in erster Linie zu den lokalen, kulturellen, klimatischen u.ä. Besonderheiten gehören, muss das Subsidiaritätsprinzip Anwendung finden.

10.   Gleichzeitig hat der Ausschuss den Eindruck, dass das europäische Wachstumspotential des Binnenmarktes im Jahreswachstumsbericht nicht genügend berücksichtigt wird: Die wichtige Binnenmarktakte wird nur beiläufig erwähnt, und so gelingt es auch nicht, grundlegende Aspekte dieser Akte herauszuarbeiten, die einem intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstum zuträglich sind, beispielsweise bezüglich der Themen EU-Patente, europäischer „Berufsausweis“, europäische Infrastrukturprojekte, grenzüberschreitende Darlehensaufnahme, Integration der Hypothekenmärkte, soziales Unternehmertum und soziale Investitionsfonds.

11.   Im Folgenden werden im Einzelnen die Vorschläge des EWSA zu den zehn von der Europäischen Kommission vorgelegten Prioritäten erläutert. Dadurch soll die Diskussion stärker auf die Themen gelenkt werden, die wirklich wichtig sind.

TEIL II:   VORSCHLÄGE DES EWSA ZU DEN ZEHN VON DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION VORGELEGTEN PUNKTEN

1.   Die Haushalte konsequent konsolidieren

1.1   Der EWSA ist der Ansicht, dass es darum geht, die öffentlichen Finanzen wieder ins Gleichgewicht zu bringen und gleichzeitig eine geringere Nachfrage zu vermeiden, die zu einer Rezession und damit zu weiteren Defiziten führen würde, durch die die europäische Wirtschaft in eine Abwärtsspirale geraten würde.

1.2   Damit die Ziele des Europäischen Konjunkturprogramms nicht gefährdet werden, plädiert der EWSA dafür, Schuldenabbauprogramme einzuleiten, die auf die in der Europa-2020-Strategie genannten Zielsetzungen für den wirtschaftlichen Aufschwung sowie die sozialen und beschäftigungspolitischen Ziele abgestimmt sein müssen (1).

1.3   Es bedarf einer Stärkung der Steueraufkommensbasis der Mitgliedstaaten, unter anderem mittels Schließung von Steueroasen, einer Beendigung des Steuersenkungswettlaufs sowie durch Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und -betrug (2).

1.4   Um die Steuerlast zu tragen, müssen neue Finanzierungsquellen aufgetan werden; hierzu zählen etwa Steuern auf Finanztransaktionen, Energiesteuer, Bankenabgaben, Abgaben auf CO2-Emissionen (denkbar ist eine Umorganisierung des Marktes für Emissionszertifikate) etc. Diese Art von Besteuerung würde dazu beitragen, die öffentlichen Haushalte zu entlasten und die Mittel auf nachhaltige Investitionen in die Realwirtschaft umzulenken. Diese Steuerform könnte auch von Nutzen sein, um den Haushalt der Europäischen Union mit Eigenmitteln auszustatten. (3) Eine Steuer auf Finanztransaktionen bedeutet auch, dass die Finanzbranche einen Teil der öffentlichen Finanzhilfen zurückerstatten wird (4).

1.5   Nach Auffassung des EWSA müssen Sanktionen mit größerer europäischer Solidarität in Bezug auf die Verwaltung von Staatsschulden einhergehen (5).

2.   Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte

2.1   Ein ausgewogener makro-ökonomischer Mix, der angebotsorientierte mit nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik in einer ausgewogenen Art und Weise miteinander verknüpft, muss aus Sicht des EWSA zu einem integralen Bestandteil einer jeden zukunftsorientierten Wirtschaftsstrategie werden. Der EWSA unterstreicht, dass die großen Leistungsbilanzunterschiede abgebaut werden müssen. Er hofft, dass die Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik zumindest für die Länder der Eurozone ein erster Schritt hin zu einer echten gemeinsamen Wirtschaftspolitik und einer Koordinierung der Haushaltspolitik sein wird (6).

2.2   Der EWSA hebt die Bedeutung der nicht-preislichen Faktoren für die Entstehung makroökonomischer Ungleichgewichte hervor. Dazu gehören die Differenzierung der Erzeugnisse, der Technologiegehalt der produzierten Güter, die Qualität der angebotenen Erzeugnisse, die Qualität der damit verbundenen Dienstleistungen (Kundendienst) usw. Geeignete Messgrößen sollten ermittelt werden, um das Niveau und die Entwicklung dieser Faktoren in den Mitgliedstaaten der WWU feststellen zu können.

2.3   Einer angemessenen Lohnpolitik kommt eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der Krise zu. Gesamtwirtschaftlich betrachtet gewährleistet eine Orientierung des Lohnzuwachses am jeweils nationalen gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs die Balance zwischen ausreichender Nachfrageentwicklung und Wahrung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Die Sozialpartner müssen daher bemüht sein, Lohnmäßigungen im Sinne einer Beggar-thy-neighbour-Politik zu vermeiden und die Lohnpolitik vielmehr an der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung zu orientieren (7).

2.4   Wenn es im Rahmen einer engeren wirtschaftpolitischen Koordinierung neben der Finanz- und Geldpolitik zu einer Verstärkung der lohnpolitischen Koordinierung in der Eurozone kommt, muss die Tarifautonomie geachtet werden – staatliche Zielvorgaben für die Tarifverhandlungen oder gar staatlich verordnete Lohnkürzungen sind in diesem Zusammenhang abzulehnen und inakzeptabel (8).

3.   Stabilisierung des Finanzsektors

3.1   Nach Auffassung des EWSA muss intensiver an der Vorbereitung des Finanzsystems für die Zeit nach der Krise gearbeitet werden, das transparent, sozial und ethisch verantwortlich, besser kontrolliert und innovativ sein und ein ausgewogenes Wachstum aufweisen muss, das mit dem Rest des Wirtschaftssystems kompatibel und auf mittel- und langfristige Wertschöpfung sowie nachhaltiges Wachstum ausgerichtet ist (9).

3.2   Der EWSA schlägt vor, die Harmonisierung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zum Schutz der Nutzer von Finanzprodukten und Finanzdienstleistungen (Verbraucher, Unternehmen usw.) zu erleichtern, ohne die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten zur Beibehaltung höherer nationaler Standards zu beeinträchtigen. Ferner könnten auf Vorschlag der Sozialpartner und der Verbraucherschutzverbände ein oder mehrere Verbrauchervertreter in die europäischen Aufsichtsbehörden (nunmehr Europäisches Finanzaufsichtssystem – ESFS) entsandt werden (10).

3.3   Der EWSA regt an, das System der Erstellung von Finanzinformationen umfassend zu fördern und dabei eine Vielzahl von Akteuren sowie neue Bestimmungen für erhöhte Transparenz und Wirksamkeit der Bewertungsverfahren – insbesondere für Derivate – anzustreben (11).

3.4   Der EWSA empfiehlt, das derzeitige System der Selbstregulierung auch auf internationaler Ebene zu überwinden. Es bedarf eines Prozesses der Koordinierung der verschiedenen zuständigen Behörden, strikter Vorschriften, die für alle zu gelten haben, sowie der Gewissheit, dass die Vorschriften auch angewendet werden. Die EU muss sich voll und ganz dafür einsetzen, dieses Ziel in den internationalen Institutionen zu erreichen. (12)

3.5   Der EWSA begrüßt die Legislativvorhaben zur Verbesserung der Regulierung und Transparenz des Finanzmarktes einschließlich einer verbesserten Aufsicht über die Ratingagenturen, Corporate Governance und Vergütungspolitik der Geschäftsführer (13).

3.6   EWSA begrüßt den Vorschlag für eine Verordnung über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, durch die miteinander kollidierende Regelungen beseitigt und Klarheit für diesen Bereich der Finanzmärkte geschaffen wird (14).

3.7   Der EWSA begrüßt, dass angesichts der Rolle der Ratingagenturen in der jüngsten Krise der Wertpapier- und Finanzmärkte ein dreistufiges Programm zur Regulierung der Aufgaben dieser Agenturen, die sie für Investoren und Verbraucher verfolgen, gestartet wurde. Der EWSA begrüßt, dass staatliche Schuldtitel Gegenstand der laufenden öffentlichen Konsultation sind (15).

3.8   Der EWSA regt die regelmäßige Veröffentlichung eines Monitoringberichts über staatliche Beihilfen an, der ein detailliertes Bild über den Fortgang der Maßnahmen zeichnet und ihre Auswirkungen auf die Märkte quantifiziert. Dabei soll ein Plan zur Ausschöpfung der Potenziale des Industriesektors erstellt werden, der für die wirtschaftliche Erholung der EU – mittels Stärkung der Unternehmen, vor allem von KMU, und Erhöhung der Beschäftigungsrate – erforderlich ist (16).

3.9   Der EWSA ist der Ansicht, dass Steuergelder nicht erneut zur Deckung der Verluste von Banken aufgewendet werden, und befürwortet vom Grundsatz her die Schaffung eines harmonisierten Netzes nationaler Ex-ante-Bankensanierungsfonds (BSF), das seinerseits an koordinierte nationale Krisenmanagementvereinbarungen geknüpft ist. Damit eine praktikable Regelung für Bankensanierungsfonds zustande kommt, sollten sich die Mitgliedstaaten im Vorfeld auf die Einführung einheitlicher Methoden und Regeln einigen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

3.10   Es könnte ein wirkungsvoller Aspekt einzelstaatlicher Finanzpolitik sein, einen Teil des Bankkapitals in öffentlicher Hand zu halten, um Einblicke in den Bankensektor zu bekommen (17).

4.   Arbeit attraktiver machen

4.1   Nach Ansicht des EWSA sollte darauf hingewirkt werden, dass sich Übergänge bezahlt machen und der Zugang zu Beschäftigung insbesondere für spezifische Problemgruppen erleichtert wird. Dies könnte dadurch erreicht werden, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden, Negativanreize für die Aufnahme einer Beschäftigung beseitigt werden, das Steuer- und Sozialleistungssystem einschließlich der Besteuerung von Zweitverdienern verbessert wird, so dass sich Arbeit lohnt, und der Zugang zu den für die Eingliederung erforderlichen Dienstleistungen sichergestellt werden muss. Für Arbeitsunfähige müssen eine entsprechende Einkommensunterstützung und der Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gewährleistet sein (18).

4.2   Der EWSA unterstützt eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung als Möglichkeit zur Steigerung der Lebensqualität und als Beitrag zur Vereinbarung von Berufs-, Privat- und Familienleben. Außerdem wird dadurch die Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt gestärkt und das Familieneinkommen erhöht (19).

4.3   Eurostat sollte sich stärker auf die durch die besondere Lage in den einzelnen Staaten bedingte Schwarzarbeit, die Maßnahmen seitens der Mitgliedstaaten erfordert, sowie auf kriminelle Kreise im Zusammenhang mit der illegalen Zuwanderung konzentrieren, die eine größere justizielle Zusammenarbeit und eine stärkere Rolle der EU rechtfertigen könnte, da diese Arbeitsformen den Binnenmarkt und den Wettbewerb betreffen. Durch Maßnahmen auf Unionsebene sollten die Sozialpartner der Mitgliedstaaten angeregt werden, gemeinsam sowie in Zusammenarbeit mit den Behörden nationale und branchenbezogene Projekte zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und zur Eindämmung der Schattenwirtschaft zu entwickeln. Die Sozialpartner könnten auf Unionsebene zusammenarbeiten, um bewährte Vorgehensweisen aus den Mitgliedstaaten zu analysieren und stärker bekannt zu machen. Die Bekämpfung der Schwarzarbeit setzt eine effiziente grenzübergreifende Zusammenarbeit der einzelstaatlichen Behörden, die Überwachung und die Informierung über die Strafmaßnahmen voraus (20).

4.4   Es muss nicht nur die Struktur der in der EU zu entrichtenden Steuern und Abgaben auf Arbeit koordiniert werden, sondern es müssen auch die verschiedenen Aspekte im Zusammenhang mit dem Handelsaustausch zwischen der EU und dem Rest der Welt in die Analyse einbezogen werden (21).

5.   Reform der Rentensysteme

5.1   Der EWSA ist die Ansicht, dass demografische Prognosen regelmäßig analysiert und kontrolliert werden sollten, um die Pensions- und Rentensysteme angemessen und rechtzeitig an die veränderten Bedingungen anpassen zu können. Allerdings müssen diese Prognosen – auch bezüglich der künftigen öffentlichen Ausgaben für Pensionen und Renten – mit Vorsicht verwendet und betrachtet werden, da sie zahlreiche Prämissen enthalten könnten, die langfristig nur schwer vorherzusehen sind (22).

5.2   Automatische Anpassungsmechanismen für das Ruhestandsalter, die entweder auf langer Lebenserwartung oder auf demografischem Wandel beruhen, werden vom EWSA abgelehnt. Die meisten dieser Mechanismen bewirken eine automatische Erhöhung des Ruhestandsalters im Zusammenhang mit einer höheren Lebenserwartung und anderen wirtschaftlichen oder arbeitsmarktbezogenen Parametern. Solche grundlegenden Entscheidungen zu den Lebensbedingungen sollten nicht von Computern, sondern von Parlamenten – nach einer breit angelegten öffentlichen Debatte, an der auch die Sozialpartner und andere wichtige Akteure beteiligt sind – getroffen werden. Außerdem sollte jeder Mitgliedstaat, der diesen Mechanismus einführt, bedenken, dass dieser zwar den öffentlichen Druck gegen Reformen vermindert, aber in Ermangelung echter Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer eine Verlagerung der finanziellen Unterstützung für diese Personen auf andere Säulen der sozialen Sicherheit bewirken könnte. Somit könnten die bei der Anwendung eines solchen Mechanismus in den Pensions- und Rentensystemen mit dem Ziel, diese angemessen und nachhaltig zu gestalten, die versprochenen Vorteile ausbleiben. Die Heraufsetzung des Ruhestandsalters sollte keine selbständige Maßnahme sein, sondern durch Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten für kurz vor dem Ruhestand stehende Personen flankiert werden (23).

5.3   Der EWSA unterstützt die Förderung der Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer, ist jedoch der Auffassung, dass der Abbau der Vorruhestandsregelungen einer intensiven Diskussion über Rahmenbedingungen, Reichweite, flankierende politische Maßnahmen etc. bedarf, um nicht erst recht soziale Probleme im Alter zu schaffen (24).

5.4   Der EWSA bezweifelt, dass eine reine Anhebung des gesetzlichen Ruhestandsalters Probleme im Zusammenhang mit demografischen Herausforderungen lösen kann. Vielmehr ist er der Ansicht, dass dies dazu führen könnte, dass Millionen älterer Menschen (insbesondere Frauen) unter die Armutsgrenze fallen. Hier geht es darum, unter Rückgriff auf Initiativen zur Förderung einer längeren Lebensarbeitszeit – flankiert durch eine effiziente Wachstum- und Beschäftigungspolitik – das faktische Renteneintrittsalter anzuheben. Nur eine echte Politik für „aktives Altern“, die auf ein stärkeres Engagement im Bereich Bildung und lebenslanges Lernen abzielt, kann zu einem deutlichen Anstieg der Beschäftigungsraten älterer Menschen beitragen, die ihre Tätigkeit wegen gesundheitlicher Probleme, der Arbeitsintensität, vorzeitiger Entlassung oder mangelnder Möglichkeiten der Ausbildung oder des Wiedereintritts in den Arbeitsmarkt aufgeben. Darüber hinaus kann nach den Erfahrungen einiger Mitgliedstaaten eine Anhebung des gesetzlichen Ruhestandsalters den Druck auf andere Säulen des Sozialsystems, z.B. Invalidenrenten oder Mindesteinkommen, erhöhen, was die Fortschritte bei der Sanierung der öffentlichen Finanzen unterminiert. Neben lebenslanger Berufsbildung, aktiven Arbeitsmarktmaßnahmen, finanziellen Anreizen für das Verbleiben im Berufsleben (auch für Selbständige) und die Veränderung der Einstellung von Unternehmern gegenüber älteren Arbeitnehmern sollten folgende Initiativen gefördert werden, um älteren Arbeitnehmern neue Wahlmöglichkeiten zu eröffnen:

Änderung der Rechtsvorschriften, die in einigen Mitgliedstaaten die Verknüpfung von Gehältern und Pensionen/Renten von arbeitswilligen Personen im Ruhestand oder Empfängern von Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit nicht zulassen;

Einführung eines Bonus-Systems, um Arbeitnehmer zu ermutigen, auch über das gesetzliche Pensions- bzw. Rentenalter hinaus weiter zu arbeiten: Die nach Erreichen des Pensions- bzw. Rentenalters erworbenen Leistungen sollten attraktiver sein als die vorher erworbenen Ansprüche;

Aufforderung an die Mitgliedstaaten, sich gemeinsam mit den Sozialpartnern mit dem Thema der belastenden Berufstätigkeit zu befassen;

umfassende Beratung und Begleitung Arbeitsuchender und Maßnahmen zur langfristigen Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt;

Schaffung sozial verträglicher Anreize für ein späteres Ausscheiden aus dem Berufsleben sowie im Bedarfsfalle Ausbau attraktiver Modelle zum gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in Ruhestand;

Maßnahmen zur Verringerung der körperlichen und geistigen Belastung von Arbeit, um Arbeiternehmer länger im Arbeitsleben zu halten;

Ermutigung älterer Arbeitnehmer, sich weiterzubilden;

Schärfung des Bewusstseins älterer Arbeitnehmer sowie der Unternehmen, insbesondere der KMU, bezüglich innovativer Personalverwaltung und altersgerechter Arbeitsorganisation (25).

5.5   Der EWSA ist der Auffassung, dass umlagefinanzierte Pflichtsysteme weiterhin eine grundlegende Rolle bei der Sicherung der künftigen Altersversorgung spielen und daher besondere Aufmerksamkeit erhalten müssen, um die in vielen Mitgliedstaaten beobachtete Tendenz zur Abnahme der Lohnersatzleistungen umzukehren (26).

5.6   Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass neben den derzeitigen Pensions- und Rentensystemen die Möglichkeit zusätzlicher freiwilliger privater Altersvorsorge besteht. In diesem Zusammenhang sollte die Möglichkeit europäischer Garantien geprüft werden, um Vorteile für Grenzgänger zu schaffen Besonderes Augenmerk sollte den privaten Rentensystemen in einigen Ländern gelten, da die Voraussetzungen für die künftigen Renten auf der Grundlage des individuellen Einkommens und der Lebenserwartung festgelegt werden, wodurch insbesondere Frauen ins Hintertreffen geraten (27).

5.7   Der EWSA ersucht die Kommission, die Richtlinie 2003/41/EG über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung zu überprüfen, um zu gewährleisten, dass

Arbeitnehmer und Gewerkschaftsvertreter zu den Geldanlagen zur Altersversorgung und den damit verbundenen Risiken angehört und ihre Standpunkte respektiert werden;

die Mitgliedstaaten bewährte Verfahrensweisen anwenden, damit die von Arbeitnehmern erworbenen Betriebsrenten und Betriebsrentenansprüche vor dem Insolvenzfall geschützt werden (28).

5.8   Der EWSA hält eine Überwachung des allgemeinen Niveaus der Verbindlichkeiten der Pensions- und Rentensysteme für grundlegend. Dementsprechend könnte der derzeitige Rahmen durch die Überwachung und Berichterstattung bezüglich impliziter Renten- und Pensionsverpflichtungen auf der Grundlage einer zuvor gebilligten Methode ergänzt werden. Es sollte auch erwogen werden, die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu überarbeiten, um die Ergebnisse von Reformen (einschließlich des Wechsels von vollkommen umlagefinanzierten zu teilweise kapitalgedeckten Pensions- und Rentensystemen) angemessen zu berücksichtigen, die zu Veränderungen bei der Finanzierung der Systeme führen, welche wiederum die expliziten Verpflichtungen erhöhen und die impliziten Verpflichtungen verringern. In diesem Falle würden solche Reformen, die auf die Lösung langfristiger Nachhaltigkeitsfragen abzielen, wegen der höheren expliziten Staatsschuld kurzfristig nicht bestraft. Sich heute für Reformen einzusetzen, die auf Prognosen für das Jahr 2060 beruhen, kann dazu führen, dass das Ziel der Angemessenheit und der Nachhaltigkeit der Pensionen und Renten verfehlt wird. Der EWSA empfiehlt, die obligatorischen umlagefinanzierten Pensions- und Rentensystemen im Einzelfall durch Pufferfonds zu ergänzen, um durch rasche Anpassungen hervorgerufene Risiken für besonders gefährdete Personen zu vermeiden (29).

6.   Arbeitslose wieder in Arbeit bringen

6.1   Nach Ansicht des EWSA sollte die Mobilisierung der Menschen zur Arbeitssuche vor allem durch das Angebot leistungsfähiger Dienstleistungen seitens der Arbeitsvermittlungsagenturen gewährleistet werden und weniger durch sogenannte Anreize bei den Arbeitslosenunterstützungen. Gerade im Zeichen der Krise hält der EWSA eine Verschärfung der Vorschriften für die Arbeitslosenversicherung für entbehrlich. Bei der aktuellen Rekordarbeitslosigkeit ist das Problem auf den Arbeitsmärkten nicht der Mangel an Arbeitskräften generell, sondern in einigen Mitgliedstaaten eher der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften sowie der massive Mangel an verfügbarer Beschäftigung. Eine stärkere Berücksichtigung muss der Entwicklung einer intelligenten Nachfragepolitik geschenkt werden, die künftiges Wachstum und Innovation fördert und zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze beiträgt (30).

6.2   Die Sozialleistungen müssen als produktive Investition aufgefasst werden, von der alle etwas haben. Eine an eine dynamische Arbeitsmarktpolitik gekoppelte Arbeitslosenunterstützung ermöglicht es, die Wirtschaft zu stabilisieren und dank einer Verbesserung der Qualifikationen und effizienter Initiativen in den Bereichen Beschäftigungssuche und Umschulung die aktive Anpassung an den Wandel zu fördern. Bezüglich der Maßnahmen, die auf eine Straffung der Kriterien für die Förderungswürdigkeit abzielen, ist Umsicht geboten Es besteht die Gefahr, dass ausgegrenzte Personen noch mehr an den Rand gedrängt werden, was ihre berufliche (Wieder-) Eingliederung erheblich erschwert. Dieser Verdrängungsprozess könnte zudem noch den nachteiligen Nebeneffekt haben, dass andere Bereiche des sozialen Netzes wie die Sozialhilfe oder die Berufsunfähigkeitsunterstützung stärker belastet werden, was nicht wünschenswert erscheint (31).

6.3   Da Arbeit nicht immer vor Armut schützt, sollten ein Zuwachs an sicheren Arbeitsplätzen und eine angemessene Entlohnung für die geleistete Arbeit im Mittelpunkt des Interesses stehen. Es ist von großer Bedeutung, die Attraktivität der Arbeit zu erhöhen und dafür zu sorgen, dass Arbeit sich für alle Menschen lohnt, auch für Menschen mit Behinderungen. Es muss also ein Weg gefunden werden, zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen den Steuersystemen und den Systemen der sozialen Sicherheit zu gelangen (32).

6.4   DerAnwendungsbereich des Europäischen Fonds zur Anpassung an die Globalisierung (EGF) wurde zu Recht auf Arbeitnehmer ausgedehnt, die aufgrund der derzeitigen Weltwirtschaftskrise entlassen wurden (33).

6.5   Der EWSA hat die auf dem Beschäftigungsgipfel in Prag unternommenen Anstrengungen zur Festlegung von Aktionslinien unterstützt, die auf der Grundlage eines sozialen Dialogs, der Schaffung von Arbeitsplätzen und der erforderlichen Maßnahmen zur Belebung der Nachfrage auf nationaler und auf europäischer Ebene umzusetzen sind (34).

6.6   Der EWSA hat darauf hingewiesen, wie wichtig die Förderung der Unternehmertätigkeit und der unternehmerische Initiative ist, um das zur Erhaltung des Europäischen Sozialmodells notwendige Wirtschaftswachstum zu fördern. Dabei sollte allerdings zwischen echtem Unternehmertum und der Tätigkeit wirtschaftlich abhängiger Selbstständiger unterschieden werden. In vielen Fällen stellt der Wechsel in eine durch wirtschaftliche Abhängigkeit geprägte Selbstständigkeit vielfach keine im engeren Sinne freiwillige Wahl dar, sondern ist durch äußere Faktoren bedingt, wie etwa die Auslagerung von Produktionsbereichen oder die Umstrukturierung eines Unternehmens und die daraus resultierende Aufhebung von Arbeitsverträgen (35).

6.7   Die Sozialschutzsysteme haben die Europäer nicht nur vor den schlimmsten Folgen dieser Finanzkrise bewahrt, sie haben sich auch als kontrazyklische Stabilisatoren der Wirtschaft erwiesen. Wegen des Fehlens einer ehrgeizigen Konvergenzpolitik könnten diese Systeme gerade durch die Wettbewerbspraktiken bestimmter Mitgliedstaaten in Gefahr geraten, die in der Absenkung der Sozialausgaben einen Weg sehen, um ausländische Investitionen anzulocken. Auch im sozialen Bereich wirkt sich diese Tendenz, die bei Steuern und Löhnen bereits zu beobachten ist, immer stärker aus (36).

6.8   Der Ausschuss begrüßt, dass viele EU-Länder zu Beginn der aktuellen Arbeitsmarktkrise öffentlich geförderte Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik eingeführt haben, um Beschäftigte im Unternehmen zu behalten und weiter zu qualifizieren, anstatt ihnen zu kündigen. In der Nutzung solcher Modelle, die es Unternehmen ermöglichen, Beschäftigte während der Krise zu halten, verbunden mit robusten Einkommensunterstützungen bei Kurzarbeit, sieht der EWSA eine weit intelligentere Antwort, die Krise zu meistern, als qualifizierte Beschäftigte beim ersten Auftragseinbruch einfach zu kündigen, bleiben doch so beim Erstarken der Wirtschaft ausreichend ausgebildete Fachkräfte erhalten. Diese Modelle sollten auch auf jene EU-Länder, in denen sie derzeit nicht existieren, und unbedingt auch auf Beschäftigte mit nicht standardisierten Arbeitsverträgen ausgeweitet werden (37).

7.   Ausgewogenes Verhältnis von Sicherheit und Flexibilität

7.1   Die Flexicurity darf weniger denn je als Bündel von Maßnahmen zur Erleichterung von Entlassungen oder zur Aushöhlung des Sozialschutzes im Allgemeinen oder des Sozialschutzes von Arbeitslosen verstanden werden. Maßnahmen, die den Sicherheitsaspekt der Flexicurity verstärken, müssen gegenwärtig oberste Priorität haben (38).

7.2   Die Nutzung von Kurzarbeitsmodellen zeigt, dass die bestehende Flexibilität auf den Arbeitsmärkten in den meisten EU-Ländern ausreicht, um Unternehmen bei Einbrüchen der Auftragslage kurzfristiges Reagieren zu ermöglichen. Appelle zur Reduktion bestehender Arbeitsschutzregelungen entbehren einer realen Grundlage (39).

7.3   Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt haben zu einer Zunahme der Arbeitsverhältnisse auf Teilzeitbasis oder mit befristeten Verträgen geführt. Derartige Arbeitsverhältnisse haben möglicherweise zur Erleichterung der Integration in den Arbeitsmarkt und zur Erhöhung der Erwerbsquoten in Europa beigetragen. Allerdings sind Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen tendenziell weniger produktiv, erhalten weniger vom Arbeitgeber finanzierte Bildungsmaßnahmen und sind häufiger Opfer von Unfällen am Arbeitsplatz. Sie laufen auch Gefahr, in einen Teufelskreis befristeter Arbeitsverhältnisse zu geraten. Neue Risiken sollten berücksichtigt und Übergänge bei der Umsetzung der Flexicurity belohnt, unbefristete Arbeitsverträge allerdings nicht systematisch abgeschafft werden. Die europäischen Sozialpartner haben angemessene Sicherheit für Arbeitnehmer in allen Vertragsverhältnissen gefordert (40).

7.4   Flexicurity kann nur dann funktionieren, wenn die Arbeitnehmer über eine gute Ausbildung verfügen. Neue Kompetenzen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze hängen eng miteinander zusammen. Es liegt im ureigensten Interesse der Unternehmen, in die Fortbildung ihrer Arbeitnehmer investieren. Gleichzeitig muss auch jeder Arbeitnehmer für seine kontinuierliche Fortbildung Sorge tragen (41).

7.5   Eine Beschäftigungsstrategie zum Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft kann sich Kenntnisse und Know-how zu Nutze machen, die in den Mitgliedstaaten bereits weit entwickelt sind. Die EU braucht qualifizierte Arbeitsplätze und sollte diese Kompetenzen daher fördern. Dementsprechend müssen die Mitgliedstaaten stärker in ihre Aus- und Weiterbildungssysteme investieren und nicht zuletzt die Wissenschaft, Technologie und das Engineering fördern. Die derzeitige Höhe öffentlicher Investitionen in die Bildung, die in eine kohärente lebenslange Lernstrategie eingebettet werden muss, ist völlig unzureichend (42).

7.6   Mit zeitlich befristeten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen muss sichergestellt werden, dass kurzfristige Beschäftigung mit einer angemessenen Aus- und Weiterbildung insbesondere bezüglich des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit am Arbeitsplatz und mit der Sicherstellung des Lohnniveaus einhergeht (43).

7.7   Es ist unerlässlich, auf allen Ebenen der allgemeinen und beruflichen Bildung die Jugendlichen wieder für technische und naturwissenschaftliche Fächer zu interessieren und dafür zu sorgen, dass die Produktionsaktivitäten im Vergleich zu den Finanztätigkeiten und der Spekulation keinen Ansehensverlust erleiden (44).

7.8   Der EWSA begrüßt die Initiative der Kommission zur Verbesserung der Validierung nichtformalen Lernens und zur Steigerung der Sichtbarkeit von außerhalb des formalen Bildungssystems erworbenen Kompetenzen, beispielsweise durch den Europäischen Qualifikationspass.

7.9   Der EWSA dringt auf ein professionelleres Management von Bildungsinnovationen. Der Verbesserung der Bildungs- und Weiterbildungssysteme in der EU kommt entscheidende Bedeutung im Hinblick auf die Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit und die Verringerung von Ungleichheiten zu. Der institutionelle Wandel im Bildungsbereich hinkt den Bedürfnissen der Gesellschaft hinterher. Bildungseinrichtungen müssen der Notwendigkeit einer engen Verflechtung zwischen Veränderungen, Innovation sowie allgemeiner und beruflicher Bildung Rechnung tragen (45).

7.10   Der EWSA ruft dazu auf, die allgemeine und berufliche Bildung wieder stärker an der Realität auszurichten und sie sowohl enger an die gesellschaftlichen Bedürfnisse als auch die Gewohnheiten der neuen Generation von Lernenden anzulehnen (46).

7.11   Der Ausschuss befürwortet die Einsetzung von Branchenräten für Beschäftigung und Qualifikationen auf europäischer Ebene, um auf diese Weise die Akteure in die Bewältigung des Wandels in den einzelnen Wirtschaftszweigen einzubinden und an der Antizipierung neuer Beschäftigungen und auf Angebot und Nachfrage abgestimmter Qualifikationen zu beteiligen (47).

7.12   Europäische Branchenräte können die Bewältigung des Wandels in den einzelnen Industriezweigen unterstützen und dazu beitragen, die Ziele der Initiative „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen“ zu erreichen. Sie wären im Rahmen der Beschlussfassung auf europäischer Ebene in Fragen des industriellen Wandels hilfreich (48).

8.   Ausschöpfung des Binnenmarktpotenzials

8.1   Ein dynamischer Binnenmarkt ist sowohl Voraussetzung als auch Stütze für eine erfolgreiche Europa-2020-Strategie. Der Ausschuss fordert daher die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die erforderlichen wichtigen und entschiedenen Schritte zur Vollendung des Binnenmarktes zu unternehmen und dabei Wirtschafts-, Sozial- und Umweltstandards aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. Der EWSA ist der Ansicht, dass Berufsregeln der freien Berufe verbraucherschützende Vorschriften sind, die sowohl den europäischen Binnenmarkt als auch die internationalen Märkte funktionsfähig halten und Marktstörungen - insbesondere solche, die zur internationalen Finanzkrise geführt haben – verhindern (49).

8.2   Es ist wichtig, dass die Dienstleistungsrichtlinie voll und ganz im Sinne des Binnenmarktes und seiner Vorschriften umgesetzt wird. Es sind wirksame und klare Durchführungsvorschriften erforderlich, um die Arbeitnehmerentsenderichtlinie ordnungsgemäß anzuwenden und deren Ziele zu erreichen, insbesondere einen fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen, die Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer und die Verhinderung von Sozialdumping (50).

8.3   Die Bedeutung des Dienstleistungssektors für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist unbedingt anzuerkennen. Die Prioritäten sollten wie folgt festgelegt werden:

Maßnahmen im Bereich der Unternehmensdienstleistungspolitik und Einsetzung einer Hochrangigen Gruppe – Es sollte eine hochrangige Gruppe zum Thema Unternehmensdienstleistungen eingesetzt werden, die eine vertiefte Analyse des Sektors vornimmt.

Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Bereich der Unternehmensdienstleistungen – Aus sozialpolitischer Sicht muss auf sektoraler Ebene eingehend geprüft werden, welche Probleme sich im Zusammenhang mit den neuen Beschäftigungsformen ergeben, die im Rahmen der Interaktionen zwischen dem Unternehmensdienstleistungssektor und der Fertigungsindustrie entstehen. Dabei sind sowohl die Bereiche Bildung, Weiterbildung und lebenslanges Lernen als auch die Beschäftigungsbedingungen für Arbeitnehmer einschließlich der von Auslagerungsprozessen Betroffenen zu berücksichtigen. Zur Erreichung dieses Ziels sollte die Agenda für den sozialen Dialog ausgeweitet werden, um die Veränderungen im Bereich der Arbeitsbedingungen und der Beschäftigungsmöglichkeiten zu untersuchen, die sich aufgrund des Strukturwandels im Bereich der Unternehmensdienstleistungen ergeben.

Unternehmensdienstleistungen im Zusammenhang mit innovationspolitischen Maßnahmen – FuE und Innovationsprogramme sowie Maßnahmen zur Förderung innovativer Dienstleistungen sollten nachdrücklich unterstützt werden.

Entwicklung von Standards für Unternehmensdienstleistungen – Unternehmen sollten dazu ermuntert werden, durch Selbstregulierung nach eingehender Konsultation der Nutzer von Unternehmensdienstleistungen zur Entwicklung von Standards beizutragen.

Förderung der „Dienstleistungswissenschaft“ als neue Disziplin in der allgemeinen und beruflichen Bildung.

Der Binnenmarkt und die Vorschriften, die Unternehmensdienstleistungen betreffen – Bislang wurde keine Abschätzung der Folgen der Dienstleistungsrichtlinie auf Unternehmensdienstleistungen durchgeführt. Zur Bewältigung dieser Aufgabe bedarf es großer Anstrengungen, insbesondere nach erfolgter Umsetzung der Richtlinie in nationale Rechtsvorschriften.

Weitere Verbesserungen im Bereich der statistischen Erfassung von Daten zu Unternehmensdienstleistungen – Unter den Mitgliedstaaten ist eine stärkere Zusammenarbeit erforderlich, um bessere Statistiken über Unternehmensdienstleistungen zu erhalten (51).

8.4   Verbraucherschutzanliegen im Dienstleistungsbinnenmarkt müssen eine größere Rolle spielen. Der offensichtlichen Verunsicherung bezüglich der Rechtslage bei grenzüberschreitenden Diensten muss mit einer Informationsstrategie auf nationaler und europäischer Ebene begegnet werden. Die Forderung nach genauen Angaben zu Dienstleistung und Anbieter ist nicht zu unterschätzen (52).

8.5   Im Hinblick auf den Einzelhandel ist es wichtig, dass kommerzieller Erfolg gestärkt wird, sofern nicht Praktiken ausgeübt werden, die gegen die Verwirklichung des Binnenmarktes verstoßen, insbesondere bei eindeutigen Beweisen für den Missbrauch einer Marktposition oder bei Schädigung der Verbraucher unter Verstoß gegen Artikel 81 des EG-Vertrags (53).

8.6   Hinsichtlich eines europäischen Rahmens für geistiges Eigentum befürwortet der Ausschuss die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für Marken- und Produktpiraterie, die nützliche Informationen über die Praktiken der Produktfälscher sammeln und verbreiten soll und insbesondere den KMU und KMI Unterstützung zuteil lassen würde. Die Kommission sollte regelmäßig einen Bericht über die von der Beobachtungsstelle erhobenen Daten und ihre Tätigkeit veröffentlichen (54).

8.7   Der Ausschuss lehnt in Bezug auf die Wahrnehmung der Urheberrechte im Internet eine solche gesonderte, möglicherweise in die Privatsphäre eingreifende Regelung ab, wie sie in die Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten aufgenommen wurde. Er empfiehlt vielmehr aktive Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Verbraucher, insbesondere Jugendliche (55).

8.8   Der Ausschuss spricht sich insbesondere bei verwaisten Werken für ein harmonisiertes System zur Eintragung des Urheberrechts und verwandter Rechte aus, das regelmäßig aktualisiert werden sollte, damit die verschiedenen Anspruchsberechtigten leicht ausfindig gemacht werden können. Dieses System könnte über Art und Titel des Werks und die verschiedenen Inhaber der Rechte Auskunft geben. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, die Durchführbarkeit eines solchen Vorschlags zu prüfen (56).

8.9   Der Ausschuss drängt auf die Schaffung des EU-Patents und seine effektive Einführung in allen Mitgliedstaaten (57).

8.10   Die globale Dimension des Binnenmarkts macht weitere gemeinsame Anstrengungen erforderlich. Ein angemessener Aktionsplan der EU sollte auf Folgendes abzielen:

Ausbau der außenpolitischen Tätigkeiten der EU und der externen Aspekte der anderen Politikbereiche der Union nach strukturellen Gesichtspunkten, um dadurch ihre Gesamtkohärenz zu stärken und die Einheitlichkeit der Maßnahmen in den Mitgliedstaaten zu verbessern;

Gewährleistung einer ausgewogenen Öffnung der Märkte, einschließlich der Einhaltung der Kernarbeitsnormen der ILO, durch den Abschluss der Doha-Runde und durch einen strukturierten Dialog mit den wichtigsten Partnern;

Ausbau der eigenen Rolle als internationale Regulierungsmacht und in diesem Sinne Weiterverfolgung einer internationalen Politik zur Förderung der Rechte;

Wahrung der Interessen der Arbeitnehmer, Verbraucher und Hersteller vor Ort auf den Märkten der Handelspartner;

Stärkung der internationalen Verwendung des Euro;

Schaffung eines weiten Raumes für Entwicklung und wirtschaftliches Wachstum, der eine rasche Vollendung der Erweiterung der Union, die Nachbarschaftspolitik und die Mittelmeerunion sowie eine stärkere Partnerschaft mit Afrika umfasst (58).

8.11   Für die Entwicklung der elektronischen Erbringung von Dienstleistungen bestehen nach wie vor Hindernisse, die genau untersucht und für die Lösungen gefunden werden müssen, damit europäische Unternehmensdienstleister offensiver agieren und außerhalb der EU stärker expandieren können. Diese Hindernisse sind u.a. die mangelhafte Standardisierung und Interoperabilität, fehlendes Vertrauen in den elektronischen Handel und seine Sicherheit, die fehlenden Investitionen in die mobile und festnetzgestützte Breitbandinfrastruktur sowie die noch immer zu geringe Akzeptanz von IKT durch die KMU (59).

8.12   Die bedeutenden Hindernisse, die der digitalen Integration (eInclusion) im Wege stehen, müssen durch Internet-Hochgeschwindigkeitsanschlüsse, Qualifikationen im IKT-Bereich, die Entwicklung von IKT-Produkten und -Dienstleistungen, die den Bedürfnissen einer alternden Gesellschaft und der Menschen mit Behinderungen entsprechen, die Aufstockung der Mittel für eine bessere Koordinierung der Innovationen im IKT-Bereich, die Förderung von auf offenen Standards beruhenden IKT-Produkten und -Dienstleistungen, ein in die Digitale Agenda für Europa aufgenommenes Galileo-Programm, die Entwicklung und Verfügbarkeit nützlicher Online-Inhalte und -Dienste unter Gewährleistung des Schutzes der Privatsphäre und die Sicherheit der Datenspeicherung überwunden werden (60).

8.13   Die Mitgliedstaaten müssen wirkungsvolle eigene FuE-Programme im IKT- und FET-Bereich aufstellen, um starke Partner für die europäische und internationale Zusammenarbeit zu werden. In diese Bemühungen sollten auch mehr Mittel aus den Strukturfonds fließen (61).

8.14   In Bezug auf KMU bekräftigt der Ausschuss seinen Vorschlag für einen ehrgeizigen europäischen „Small Business Act“ (SBA). Dazu gehören:

ein verbindliches Rechtsinstrument für die Anwendung des Prinzips „Vorfahrt für KMU“, um durch ein Höchstmaß an Rechtsverbindlichkeit eine effektive und konkrete Umsetzung der diesbezüglichen Governance-Grundsätze sowohl auf Gemeinschaftsebene als auch in den Mitgliedstaaten und Regionen sicherzustellen;

ein Fahrplan mit genauen Fristen und angemessenen Mitteln für die Umsetzung konkreter und weitreichender Bestimmungen des SBA;

klare Verpflichtungen bezüglich der Verringerung des Verwaltungsaufwands und insbesondere das Prinzip der einzigen Anlaufstelle für alle administrativen Formalitäten;

eine Reorganisierung der Kommissionsdienststellen, so dass für die KMU ein echter Ansprechpartner und geeignete Instrumente zur Unterstützung der „Europäisierung“ der Unternehmen zur Verfügung stehen;

europäische Instrumente mit Hebelwirkung, um die Kapitalisierung und Vernetzung sowie die Investitionstätigkeit und das lebenslange Lernen in kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern;

ein kohärenter politischer Rahmen für alle Gemeinschaftspolitiken, damit kleine und mittlere Unternehmen als die Regel und nicht als Ausnahme betrachtet werden;

eine spezifische Ausgestaltung der Zielsetzungen des europäischen SBA auf nationaler Ebene, auch in legislativer Hinsicht und

die Wiederaufnahme der Praxis der ständigen Konsultation der Verbände und der Sozialpartner (62).

8.15   Der Ausschuss fordert die Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) (63) nach den Grundsätzen der Vereinfachung, Gerechtigkeit und Transparenz der Steuerpraktiken der Mitgliedstaaten. Es ist wichtig, eine Ausweitung der Zusammenarbeit und Koordinierung im Rahmen der Körperschaftsteuer zu erwägen (64).

8.16   Der EWSA plädiert für ein einfaches, harmonisiertes System der indirekten Besteuerung mit reduziertem Verwaltungsaufwand und offensichtlichen Vorteilen für die Unternehmen und Bürger, das eine gerechte Besteuerung und den öffentlichen Finanzen ein sicheres Steueraufkommen garantiert, mit dem die Risiken des Steuerbetrugs gesenkt werden und das zur Vollendung und Entwicklung des Binnenmarktes beiträgt (65).

8.17   Im Hinblick auf MwSt-Betrug hat der Widerstand gegen Veränderung gravierende Auswirkungen auf die Finanzen der Mitgliedstaaten und der EU; Partikularinteressen werden vor das Gemeinwohl gestellt (66).

9.   Beschaffung von privatem Kapital zur Finanzierung des Wachstums

9.1   Die Vorschläge der Kommission, privates Kapital zu beschaffen, um das Wachstum zu finanzieren, sind eher zaghaft. In Zeiten einer äußerst angespannten Lage oder von Kürzungen bei den öffentlichen Finanzen in den meisten Mitgliedstaaten sollte der Suche nach alternativen Finanzierungsquellen zur Förderung des Wachstums deutlich größeres Gewicht eingeräumt werden. Der Vorschlag, projektbezogene EU-Bonds einzuführen, wird zwar bei einigen wichtigen Investitionen in die Infrastruktur helfen, doch sollten systematischere Anstrengungen unternommen werden, um Investitionen in europäische Pensionsfonds zu mobilisieren. Dies könnte erreicht werden, indem die Mitgliedstaaten dazu angehalten werden, Anreize dafür zu schaffen, dass ihre Pensionsfonds in nationale Infrastruktur investieren und diese mitfinanzieren.

9.2   Durch die Ausgabe von Eurobonds – oder besser EU-Bonds unter Einbeziehung aller 27 Mitgliedstaaten – durch die EIB könnte für den öffentlichen Sektor neues Kapital ohne völlige Abhängigkeit vom privaten Finanzsektor aufgebracht werden. Die Finanzierungsquellen sollten vorgelagert sein, z.B. in Form von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EBAV); damit würde die EIB zu einer Schnittstelle zwischen diesen neuen Kapitalquellen und ihren Investitionen. Eurobonds sind ebenfalls mögliche Instrumente für langfristige private Sparanlagen. Der Ausschuss begrüßt die rasche Einführung projektbezogener Bonds, diese sollten jedoch keine Alternative oder ein Ersatz für die Schaffung von Eurobonds sein (67).

9.3   Was die Finanzierungsstrukturen für KMU vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzsituation anbelangt, ist der Vorschlag, Risikokapitalfonds zu liberalisieren, damit sie in der gesamten Union tätig sein können, ist begrüßenswert, aber längst überfällig. Außerdem sollte überlegt werden, wie im Zuge der Erweiterung des europäischen Marktes mehr Risikokapital zur Verfügung gestellt werden kann. So wären regionale Miniplattformen, die durch ein europäisches Netz koordiniert würden, ein neues Instrument, mit dem neues Kapital für kleine und mittlere Unternehmen beschafft werden könnte. Dies würde die Finanzierung durch weiteres Risikokapital und durch „Business angels“ ermuntern. Es könnte auch dazu verhelfen, dass kleine Wagniskapitalgeber Kleinunternehmen unterstützen (68).

9.4   Es ist eine anerkannte Tatsache, dass der Markt bei der Bereitstellung von Startkapital für Spin-off- und Start-up-Unternehmen im Technologiebereich in der Frühphase ihrer Entwicklung versagt. Initiativen zur Lösung dieses Problems wie „Business angels“ und Startkapitalfonds haben diesen Unternehmen zwar geholfen, doch haben die Forschungszentren und Universitäten in Europa noch immer Schwierigkeiten mit der Weitergabe von Erkenntnissen an den Markt. Die Nachfrage nach diesem Startkapital für die Anfangsphase steigt, aber das Angebot bleibt relativ unverändert. Es sollten größere Anstrengungen unternommen werden, um Privatpersonen und Institutionen mit großem Kapitalvermögen dazu zu bewegen, mehr Risikokapital für die Finanzierung von technologischen Start-up-Unternehmen und die Entwicklung von Prototypen bereitzustellen.

9.5   Praktische Methoden zur Unterstützung der KMU wie Mediation, Steuervergünstigungen, unverzügliche Zahlungen und Maßnahmen, die die schnelle Mittelverteilung durch Ausnahmeregelungen bei Staatsbeihilfen gewährleisten, müssen vorangetrieben werden. Insbesondere gilt dies für Branchen, die den Folgen der Globalisierung sowie den fortwährenden Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise am stärksten ausgesetzt sind (69).

10.   Kostengünstige Energieversorgung

10.1   Die im dritten Energiepaket vorgesehenen Maßnahmen müssen auch wirklich umgesetzt werden, um einen echten Energiemarkt zu schaffen, der auf der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, einem stärkeren Ausbau des Energienetzverbundes, einer besseren Vernetzung der Betreiber und einer Stärkung der Befugnisse der einzelstaatlichen Regulierungsbehörden beruht (70).

10.2   Die Energieeffizienz ist die Voraussetzung für den technologischen Wandel, der die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft ermöglichen wird. Zwar wurden Fortschritte erzielt, doch müssen die Mitgliedstaaten größere Anstrengungen unternehmen, um die erneuerbaren Energien in ihren Investitionsplänen mehr Gewicht beizumessen und sicherzustellen, dass die Privatunternehmen, die in den Bereichen energieeffiziente Produkte und Dienstleistungen tätig sind, einen geeigneten und stabilen Rahmen aus Rechtsvorschriften und Anreizen vorfinden (71).

10.3   Der Ausschuss hat dem Energie-Sondergipfel des Europäischen Rates am 4. Februar 2011 einen Vorschlag vorgelegt, in dem er dafür plädiert, Energieeffizienzziele für spezifische Schlüsselsektoren wie den Verkehrs- und den Gebäudesektor festzulegen. Diese umfassen Maßnahmen wie beispielsweise:

die Internalisierung der externen Kosten bei sämtlichen Energieträgern, damit sich automatisch die kohlenstoffärmsten Energieformen auf dem Markt durchsetzen;

die Verbesserung der Informationen und der Schulung im Umgang mit den neuen Energieeffizienztechnologien, insbesondere im Gebäudebereich, im öffentlichen Beschaffungswesen und im Verkehrssektor, und

eine bessere Ausschöpfung des IKT-Potenzials zur Erhöhung der Energieeffizienz auf allen Produktions- und Verbrauchsstufen.

10.4   Der Ausschuss verweist darauf, dass 40 % des Endenergieverbrauchs in der Europäischen Union auf Gebäude entfallen und diese der größte Einzelenergieverbraucher sind. Bis zu 50 % der Energieeffizienzgewinne können im Gebäudebereich erzielt werden, und zwar unter Verringerung der wirtschaftlichen Kosten. Schon mit derartigen Einsparungen allein könnte die EU ihre Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll einhalten. Außerdem können diese Energieeinsparungen mit der heute bereits vorhandenen Technologie erreicht werden. Die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden hat überdies ausschließlich positive Auswirkungen wie die Schaffung nutzbringender Arbeitsplätze, niedrigere Betriebskosten, ein verbesserter Komfort und eine sauberere Umwelt. Dies sollte eine absolute Priorität für die Europäische Union sein. Der Ausschuss betont ferner, wie wichtig neue und weiterentwickelte Grundstoffe für Haushalts- und Bürogeräte und andere Sektoren wie den Verkehrs- oder Energiesektor sind (72).

10.5   Auch die energieintensiven Industriezweige müssen natürlich einen Beitrag zur Erreichung der politischen Ziele im Energiebereich und bei der Bekämpfung des Klimawandels leisten. Bei der Planung energie- und umweltschutzpolitischer Maßnahmen muss eingehend geprüft werden, inwiefern sie sich auf die Wettbewerbsfähigkeit der Grundstoffindustrie auswirken, und sie müssen entsprechend konzipiert werden (73).

10.6   Die hervorragende Umweltleistung vieler Glas- und Keramikprodukte (Isoliermaterial, Doppelglasfester usw.) sollte als Energiesparbenchmark für das Baugewerbe in der EU gefördert werden. Außerdem sollte diese Technologie in eventuelle Technologietransfers in Drittstaaten mit einem hohen Energiesparpotenzial aufgenommen werden (74).

10.7   Der Ausschuss schlägt vor, einerseits zu untersuchen, ob vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Krise und im Hinblick auf Dauerhaftigkeit die derzeit geltenden Bestimmungen (in den Bereichen Telekommunikation, Postdienste, Stromversorgung) ausreichend sind, um eine Verschlechterung der Qualität der angebotenen Dienstleistungen und die Ausbreitung von Phänomen wie Ausgrenzung, soziale Verwerfungen und Armut zu verhindern. Andererseits muss untersucht werden, ob für neue Bereiche nicht „ein hohes Niveau in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Bezahlbarkeit, Gleichbehandlung und Förderung des universellen Zugangs und der Nutzerrechte“ gewährleistet werden muss gemäß den im Protokoll Nr. 26 zum Vertrag von Lissabon definierten gemeinsamen Grundsätzen (75).

10.8   Es sollten Studien darüber durchgeführt werden, ob die Energieversorgung als europäische DAI, die in den Dienst der gemeinsamen Energiepolitik gestellt werden könnte, machbar ist. Es ist jedoch festzustellen, dass es den Gemeinschaftsinstitutionen und einzelstaatlichen Regierungen bzw. den Mitgliedstaaten im Spannungsfeld zwischen nationalen Unterschieden und gemeinsamen Erfordernissen im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes schwer fällt, sich an den Gedanken einer Gemeinschaftsdienstleistung von allgemeinem Interesse – sei es nun eine DAWI oder eine NDAI – zu gewöhnen. So wurde der Gedanke, europäische Energiedienstleistungen einzuführen, von den politischen Entscheidungsträgern bisher nicht aufgegriffen. Dennoch sind Gemeinschaftsdienstleistungen von allgemeinem Interesse notwendig, um den europäischen Integrationsprozess gemeinsam voranzutreiben. Solche Dienstleistungen werden bei der Bewältigung der Herausforderungen, die sich der Union stellen, Ausdruck der europäischen Solidarität sein. Es gilt, ein europäisches Verbundnetz, gemeinsame Vorhaben sowie Planungs- und Managementstrukturen zu schaffen. Dieses Netz muss ein intelligentes Management und einen intelligenten Betrieb auf allen Ebenen ermöglichen, um Angebot und Nachfrage optimal in Einklang zu bringen (76).

10.9   Die energieintensiven Industriezweige brauchen eine verlässliche Energieversorgung im Rahmen eines geeigneten europäischen Energiemixes, der keinen Energieträger ausschließt (Kohle, erneuerbare Energieträger, Kernenergie) und sich auf einen effizienten Wettbewerb auf den Strom- und Gasmärkten stützt – letztendlich der Garant für vernünftige Energiepreise. Die nationalen energiepolitischen Interessen sollten stärker auf ein integriertes europäisches Konzept ausgerichtet werden, denn der Energiemarkt bleibt hinter dem Binnenmarkt für Industrieerzeugnisse zurück. Ungeachtet der Entscheidung einiger Mitgliedstaaten, auf die Kernenergienutzung zu verzichten, impliziert die Beibehaltung der Energieerzeugung durch Kernspaltung in Europa, dass das entsprechende technologische Fachwissen in Europa aufrechterhalten werden muss. Eine weitere Nutzung der Kernenergie würde selbstredend ein hohes Sicherheitsniveau und gut ausgebildete Fachkräfte erfordern (77).

10.10   Hinsichtlich der Entwicklung EU-weiter Normen für energieeffiziente Produkte verweist der Ausschuss auf Initiativen der Kommission wie etwa die Energy Star-Verordnung (106/2008/EG), deren Normen nunmehr bei öffentlichen Ausschreibungen für Bürogeräte verbindlich sind, die vereinheitlichten Normen für den Energieverbrauch von Gebäuden und die gestärkten einzelstaatlichen Regulierungskompetenzen im Bereich der Energieeffizienz. Der EWSA hält „freiwillige Vereinbarungen“ mit den einzelstaatlichen Akteuren im Energiebereich für sinnvoll, aber in ihnen muss deutlich gemacht werden, dass bei Nichterreichen der festgelegten Ziele verbindliche Regelungen eingeführt werden (78).

10.11   In diesem Zusammenhang erachtet es der Ausschuss als wichtig, die Folgen hoher Energiepreise für einkommens- und sozial schwächere Haushalte sorgfältig zu bewerten und die Maßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten dementsprechend zu konzipieren. Diese Haushalte sollten bei der Einführung von Energieeffizienzmaßnahmen vorrangig unterstützt werden (79).

10.12   Der EWSA unterstützt die Bemühungen zur Schaffung einer effizienten Ko-Modalität sowie der Optimierung und Vernetzung der einzelnen Verkehrsträger, um ein integriertes Verkehrssystem zu errichten und ein reibungsloses und flüssiges Zusammenspiel zwischen den Verkehrsträgern sicherzustellen (80).

10.13   Der Ausschuss verweist auf die Abhängigkeit des Verkehrssektors von fossilen Kraftstoffen; dies wirkt sich sowohl auf den Schadstoffausstoß wie auch die Versorgungssicherheit und -unabhängigkeit aus. In dem Wissen um die Endlichkeit der Ressourcen, insbesondere des Erdöls, muss die EU in ihrer künftigen Verkehrspolitik unter Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Sektors im Rahmen der Europa-2020-Strategie vier Ziele verfolgen: Förderung CO2-armer Verkehrsträger, Energieeffizienz, Versorgungssicherheit und -unabhängigkeit sowie Bekämpfung der Verkehrsüberlastung (81).

10.14   Die wichtigsten Probleme, die im Rahmen einer nachhaltigen Verkehrspolitik gelöst werden müssen, sind (i) die zunehmende Verstädterung und die Forderung nach „Komfort“ in der täglichen Fortbewegung, (ii) der Schutz der öffentlichen Gesundheit (dies impliziert die Verringerung der CO2- und sonstigen Schadstoffemissionen), (iii) die Aufrechterhaltung einer Handelswirtschaft, die den Emissionssenkungserfordernissen Rechnung trägt, (iv) die Auszeichnung homogener Gebiete für eine echte integrierte Verkehrspolitik sowie (v) die Sensibilisierung und Gewinnung der Bürger und Unternehmer für die Durchführung neuer Mobilitätsmaßnahmen und die Förderung eines Umdenkens in Sachen Mobilität (82).

10.15   Darüber hinaus hat der Ausschuss EU-Initiativen für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge unterstützt und weitere Maßnahmen empfohlen. Er betont, dass sich die Kfz-Hersteller, die Batterieproduzenten und die Energieversorger einen intensiven Wettbewerb um die besten Technologien zu den besten Preisen liefern. Durch diesen Wettbewerb wird die Innovation vorangetrieben, weshalb er nicht behindert werden sollte. Allerdings bedarf es Marktanreizen, um entschieden auf die nächste Generation von Plug-in-Hybrid- und Vollelektrofahrzeugen zuzugehen (83).

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Vgl. die EWSA-Stellungnahme zum Thema „Die Auswirkungen der Staatsverschuldungskrise auf das europäische Regieren“, ABl. C 51 vom 17.2.2011, S. 15.

(2)  Vgl. die EWSA-Broschüre „Ein Programm für Europa: die Vorschläge der Zivilgesellschaft“, CESE 593/2009, Fiche 1, Ziffer 2.

(3)  Weitere politische Vorschläge zur Besteuerung in Ziffer 8.

(4)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Steuer auf Finanztransaktionen“, ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 81.

(5)  ABl. C 51 vom 17.2.2011, S. 15, a.a.O.

(6)  Vgl. die Stellungnahmen des EWSA zu den Themen „Die Lissabon-Strategie nach 2010“, ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 3, und „Neubelebung der Wirtschaft: aktueller Stand und konkrete Initiativen“, ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 57.

(7)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Ergebnisse des Beschäftigungsgipfels“, ABl. C 306 vom 16.12.2009, S. 70.

(8)  Siehe die Stellungnahme des EWSA zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung für Stabilität, Wachstum und Beschäftigung – Instrumente für bessere wirtschaftspolitische Steuerung der EU“, ABl. C 107 vom 6.4.2011, 7.

(9)  Siehe die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Nach der Krise - ein neues Finanzsystem innerhalb des Binnenmarktes“, ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 38.

(10)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen“, ABl. C 54 vom 19.2.2011, S. 37.

(11)  ABl. C 54 vom 19.2.2011, S. 37, a.a.O.

(12)  ABl. C 54 vom 19.2.2011, S. 37, a.a.O.

(13)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Nach der Krise – ein neues Finanzsystem innerhalb des Binnenmarktes“, ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 38.

(14)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps“, ABl. C 84 vom 17.3.2011, S. 34.

(15)  ABl. C 54 vom 19.2.2011, S. 37, a.a.O.

(16)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum „Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 2009“, ABl. C 84 vom 17.3.2011, S. 7.

(17)  ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 57, a.a.O.

(18)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Soziale Eingliederung“, ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 10.

(19)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Frühkindliche Betreuung und Bildung“, ABl. C 339 vom 14.12.2010, S. 1.

(20)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum „Grünbuch – Ein moderneres Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“, ABl. C 175 vom 27.7.2007, S. 65.

(21)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Auswirkungen der Territorialität der Steuervorschriften auf den industriellen Wandel“, ABl. C 120 vom 16.5.2008, S. 51.

(22)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu dem „Grünbuch – Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme“, ABl. C 84 vom 17.3.2011, S. 38.

(23)  ABl. C 84 vom 17.3.2011, S. 38, a.a.O.

(24)  ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 10, a.a.O.

(25)  ABl. C 84 vom 17.3.2011, S. 38, a.a.O.

(26)  ABl. C 84 vom 17.3.2011, S. 38, a.a.O.

(27)  ABl. C 84 vom 17.3.2011, p. 38, a.a.O., und vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Gleichstellungsfahrplan (2006-2010) und Follow-up-Strategie“, ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 1.

(28)  Vgl. Stellungnahme des EWSA zum Thema „Auswirkungen der Tätigkeit von Beteiligungsfonds, Hedge-Fonds und Staatsfonds auf den industriellen Wandel in Europa“, ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 56.

(29)  ABl. C 84 vom 17.03.2011, S. 38, a.a.O.

(30)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Rates über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten – Teil II der integrierten Leitlinien zu Europa 2020“, ABl. C 21 vom 21.1.2011, S. 66.

(31)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Entwicklungen im Bereich der Sozialleistungen“, ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 28; CESE 977/2010.

(32)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Arbeit und Armut: die Notwendigkeit eines umfassenden Ansatzes“, ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 52.

(33)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1927/2006 zur Einrichtung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung“, ABl. C 228 vom 22.9.2009, S. 103.

(34)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die Auswirkungen der globalen Krise auf die wichtigsten europäischen Produktions- und Dienstleistungssektoren“, ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 43.

(35)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Umsetzung des Lissabon-Programms der Gemeinschaft: Förderung des Unternehmergeistes in Unterricht und Bildung“, ABl. C 309 vom 16.12.2006, S. 110, und die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Neue Trends bei der selbstständigen Erwerbstätigkeit: der Sonderfall der wirtschaftlich abhängigen selbstständigen Erwerbstätigkeit“, ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 44.

(36)  ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 28, a.a.O.

(37)  ABl. C 306 vom 16.12.2009. S. 70, a.a.O.

(38)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Einsatzmöglichkeiten der Flexicurity für die Umstrukturierung im Zuge der globalen Entwicklung“, ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 1.

(39)  ABl. C 306 vom 16.12.2009. S. 70, a.a.O.

(40)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Gemeinsame Grundsätze für den Flexicurity-Ansatz herausarbeiten: Mehr und bessere Arbeitsplätze durch Flexibilität und Sicherheit“, ABl. C 211 vom 19.08.2008, S. 48.

(41)  ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 1, a.a.O.

(42)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die Auswirkungen des durch die Umwelt-, Energie- und Klimaproblematik ausgelösten industriellen Wandels auf die Beschäftigung“, ABl. C 44 vom 11.02.2011, S. 40.

(43)  ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 43, a.a.O.

(44)  ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 43, a.a.O.

(45)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Abstimmung der Qualifikationen auf die Erfordernisse sich wandelnder Industriezweige und Dienstleistungen – Beitrag der etwaigen Einsetzung europäischer Branchenräte für Beschäftigung und Qualifikationen“, ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 1

(46)  ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 1, ibid.

(47)  ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 1, ibid.

(48)  ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 1, ibid.

(49)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die Lissabon-Agenda und der Binnenmarkt“, ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 8.

(50)  ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 8, ibid.

(51)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Entwicklung des Unternehmensdienstleistungssektors in Europa“, ABl. C 27 vom 3.2.2009, S. 26.

(52)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Binnenmarkt für Dienstleistungen – Anforderungen des Arbeitsmarktes und Erfordernisse des Verbraucherschutzes“, ABl. C 175 vom 27.7.2007, S. 14.

(53)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Entwicklung großer Einzelhandelsunternehmen und Auswirkungen auf ihre Zulieferer und die Verbraucher“, ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 57.

(54)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss: Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums im Binnenmarkt“, ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 105.

(55)  ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 105, ibid.

(56)  ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 105, ibid.

(57)  ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 105, a.a.O.

(58)  ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 8, a.a.O., und Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die externe Dimension der erneuerten Lissabon-Strategie“, ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 41.

(59)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Wechselwirkungen zwischen Dienstleistungen und Industrie in Europa sowie Auswirkungen auf Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität“, ABl. C 318 vom 23.12.2006, S. 26.

(60)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine Digitale Agenda für Europa“, CESE 1628/2010.

(61)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Neue Horizonte für die IKT: eine Strategie für die europäische Forschung auf dem Gebiet der neuen und künftigen Technologien“, ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 54.

(62)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Vorfahrt für KMU in Europa – Der ‚Small Business Act‘ für Europa“, ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 30.

(63)  Vgl. die jüngste Mitteilung der Kommission zur „Umsetzung des Programms der Gemeinschaft für mehr Wachstum und Beschäftigung und eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen: Weitere Fortschritte im Jahr 2006 und nächste Schritte zu einem Vorschlag einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) “, KOM(2007) 223 endg. vom 2.5.2007.

(64)  ABl. C 120 vom 16.8.2008, S. 51, a.a.O.

(65)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf die Dauer der Verpflichtung, einen Mindestnormalsatz einzuhalten“, ABl. C 51 vom 17.2.2011, S. 67.

(66)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer“, ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 73.

(67)  ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 57, a.a.O.

(68)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Finanzierungsstrukturen für KMU vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzsituation“, ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 33.

(69)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Unterstützung der KMU bei der Anpassung an die weltweiten Marktveränderungen“, ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 24.

(70)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Energiearmut im Kontext von Liberalisierung und Wirtschaftskrise“, ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 53.

(71)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Energiestrategie 2011-2020“, CESE 1627/2010.

(72)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die Auswirkungen der aktuellen Entwicklung auf den Energiemärkten auf die industriellen Wertschöpfungsketten in Europa“, ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 88.

(73)  ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 88, ibid.

(74)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Glas- und Keramikindustrie unter besonderer Berücksichtigung des Energie- und Klimapakets der EU“, ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 7.

(75)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Welche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse brauchen wir zur Bewältigung der Krise?“, ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 77.

(76)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse: Wie sollte die Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten aussehen?“, ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 65.

(77)  ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 88, a.a.O.

(78)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die erste Bewertung der durch die Richtlinie 2006/32/EG über Energieeffizienz und Energiedienstleistungen vorgeschriebenen nationalen Energieeffizienz-Aktionspläne – Gemeinsame Fortschritte bei der Energieeffizienz“, ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 54.

(79)  CESE 1627/2010, a.a.O.

(80)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die europäische Verkehrspolitik im Rahmen der Lissabon-Strategie nach 2010 und der Strategie für nachhaltige Entwicklung“, ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 23.

(81)  ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 23, ibid.

(82)  ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 23, ibid.

(83)  Vgl. die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Hin zu einer starken Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen“, ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 47.


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/39


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Leitinitiative der Strategie Europa 2020 — Innovationsunion“

KOM(2010) 546 endg.

2011/C 132/07

Berichterstatter: Gerd WOLF

Mitberichterstatter: Erik SVENSSON

Die Europäische Kommission beschloss am 6. Oktober 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Leitinitiative der Strategie Europa 2020 — Innovationsunion

KOM(2010) 546 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 4. März 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 184 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung

1.1   Innovationen führen zu Fortschritt, Wachstum, Wohlstand, sozialer Sicherheit, internationaler Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung. Sie müssen helfen, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen. Sie benötigen und unterstützen ein gesellschaftliches Klima der Zuversicht und des Selbstvertrauens, das angesichts der globalen Wettbewerbssituation zu weiterem Fortschritt und konstruktiver Dynamikführen kann. Damit Innovationen gut gedeihen, sind ein europäisches Konzept und ein europäischer Binnenmarkt erforderlich, wobei der Europäische Forschungsraum mit einem starken FuE-Rahmenprogramm eine maßgebliche Rolle spielt.

1.2   Daher begrüßt und unterstützt der Ausschuss ausdrücklich die Mitteilung der Europäischen Kommission und ihre Ziele sowie die einschlägigen Schlussfolgerungen des Rates (Wettbewerbsfähigkeit) vom 25./26. November 2010 und vom 4. Februar 2011. Die „Innovationsunion“ ist ein wesentlicher Baustein der Europa-2020-Strategie.

1.3   Der Ausschuss begrüßt insbesondere, dass Innovation in einem umfassenden, vernetzten Sinn verstanden und definiert werden, dass sie sich also sowohl auf Forschung, Technologie und Produkte erstreckt als auch auf alle zwischenmenschlichen Beziehungen und Organisationsformen wie z.B. soziale Leistungen Betriebsabläufe, Geschäftsmodelle, Design, Markenpolitik, Produktionsprozesse und Dienstleistungen sowie deren vielfältige Wechselbeziehungen. In Bezug auf „soziale Innovation“ empfiehlt der Ausschuss, bei der Ausgestaltung auch die Sozialpartner einzubinden.

1.4   Der Ausschuss befürwortet das Konzept von Innovationspartnerschaften, sofern diese – bei genau festgelegter Governance – mit bereits bestehenden Verfahren und Instrumenten vereinbar sind und auf diesen aufbauen, und soweit sie im Einklang mit einer Harmonisierung und Vereinfachung der Verwaltungsverfahren stehen. Er empfiehlt, zunächst mit der besonders wünschenswerten Innovationspartnerschaft „Aktives und gesundes Altern“ zu beginnen und damit Erfahrungen zu sammeln. Diese wäre zudem ein gutes Beispiel für das Zusammenwirken von gesellschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Innovationen.

1.5   Der Ausschuss empfiehlt, flankierende Maßnahmen, finanzielle Unterstützung und Bewertungskriterien auf beide Arten von Innovationen auszurichten: sowohl auf jene eher inkrementellen Innovationen, die auf herrschende Marktkräfte und gesellschaftliche Bedürfnissen reagieren, als auch auf die mehr radikalen Innovationen, die ihrerseits die Marktkräfte beeinflussen und neue gesellschaftliche Bedürfnisse schaffen, aber häufig zunächst eine besonders schwierige Durststrecke überwinden müssen.

1.6   Angesichts des dringenden Bedarfs an einem EU-Patent begrüßt und unterstützt der Ausschuss nachdrücklich den jüngsten diesbezüglichen Vorschlag der Europäischen Kommission. Dieser ermöglicht es, die Patentkosten in den teilnehmenden Mitgliedstaaten drastisch zu senken und auf dem Weg zum endgültigen EU-Patent eine entscheidende Etappe voranzukommen.

1.7   Der Ausschuss betont die wichtige Rolle von KMU und Kleinstunternehmen im Innovationsprozess und empfiehlt, Förderprogramme und -maßnahmen insbesondere auch auf ihre spezifischen Anforderungen zuzuschneiden. Er empfiehlt zudem, in Überlegungen einzutreten, ob und wie Neugründungen für eine angemessene Karenzzeit von einem Großteil der ansonsten üblichen Auflagen und Vorschriften entlastet werden könnten, und ob zudem spezielle weitere Anreize geschaffen werden könnten. Dies gilt auch für Unternehmen der Sozialwirtschaft.

1.8   Politische Hauptaufgabe ist es, europaweit zuverlässige und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen und ausreichend Freiraum zu schaffen, um so potenzielle Erfinder und Innovationsprozesse von der Behinderung zu befreien, welche durch die derzeitige Fragmentierung und Überladung der Regelwerke und die vielfältigen bürokratischen Hürden – aufgeteilt auf 27 Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission – aufgebaut ist. Die dadurch bewirkte Entmutigung und Verzögerung, aus neuen und guten Ideen tatsächlich Innovationen zu schaffen, ist ein Nachteil Europas im globalen Wettbewerb und muss dringend beseitigt werden. Darum benötigen wir eine Geisteshaltung, in der Fortschritt und Innovation nicht als Risiko, sondern als Chance und Notwendigkeit gesehen werden, die es mit allen gesellschaftlichen Kräften zu fördern und durchzusetzen gilt.

1.9   Daher empfiehlt der Ausschuss, sich noch viel stärker auf den Abbau von Hindernissen zu konzentrieren, welche der raschen Implementierung von Innovationen und einer Realisierung der Innovationsunion entgegenstehen. Erfreulicherweise scheinen sich zwar echte Fortschritte in der Patentfrage abzuzeichnen, doch sind die verbleibenden Hürden genau diejenigen, die auch der Vollendung des Binnenmarktes und des Europäischen Forschungsraums im Wege stehen. Die EU darf hier keinesfalls resignieren, sondern muss ihre Anstrengungen in Sachen Vereinfachung und Harmonisierung sowie Zuverlässigkeit und Freiraum unbedingt fortführen. Der Ausschuss begrüßt die im kürzlich vorgelegten Grünbuch der Kommission (1) dazu erkennbaren Bemühungen, zu denen er gesondert Stellung nehmen wird. Der Ausschuss appelliert dazu aber vor allem auch an die Mitgliedstaaten und die Akteure der organisierten Zivilgesellschaft, sich ihrerseits dieser Aufgabe anzunehmen und ihren Beitrag zur Lösung zu erbringen.

2.   Inhalt der Kommissionsmitteilung

2.1   Im Rahmen der Europa-2020-Strategie schlägt die Europäische Kommission als eine der sieben Leitinitiativen die sogenannte „Innovationsunion“ als Gesamtkonzept vor. Bei dieser Initiative soll die EU die kollektive Verantwortung für eine integrative und unternehmensorientierte Forschungs- und Innovationsstrategie übernehmen, mit der die großen gesellschaftlichen Herausforderungen angegangen und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert und Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese Leitinitiative ergänzt weitere Leitinitiativen wie die Leitinitiative „Eine Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung“, mit der für eine starke, wettbewerbsfähige und breitgefächerte Wertschöpfungskette im verarbeitenden Gewerbe gesorgt werden soll, wobei der Schwerpunkt auf kleinen und mittleren Unternehmen liegt.

2.2   Die verschiedenen Handlungsnotwendigkeiten werden in einer 10-Punkte-Liste umrissen, die u.a. Maßnahmen in folgenden Bereichen umfasst: Stärken der Wissensbasis, guten Ideen auf den Markt verhelfen, den sozialen und territorialen Zusammenhalt maximieren, der Politik nach außen mehr Gewicht verleihen, die Forschungs- und Innovationssysteme bewerten und reformieren, sowie Europäische Innovationspartnerschaften schaffen.

2.3   Um diese Ziele zu erreichen, werden in einem 34-Punkte-Programm – dem Hauptteil der Mitteilung – die Selbstverpflichtungen der Mitgliedstaaten vorgeschlagen sowie geplante Maßnahmen der Europäischen Kommission dargelegt.

2.4   In drei Anhängen werden folgende Themen angesprochen und Maßnahmen vorgeschlagen:

Merkmale funktionierender nationaler und regionaler Systeme für Forschung und Innovation;

Leistungsindikatoren für Forschung und Innovation;

Europäische Innovationspartnerschaften.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1   Bedeutung des Themas: Innovationen führen zu Fortschritt, Wachstum, sozialer Sicherheit, Wohlstand, internationaler Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung. Sie müssen helfen, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen. Sie benötigen und unterstützen ein gesellschaftliches Klima der Zuversicht und des Selbstvertrauens, das angesichts der globalen Wettbewerbssituation zu weiterem Fortschritt und konstruktiver Dynamik führen kann. Daher ist das Konzept der „Innovationsunion“ ein wesentlicher Baustein der Europa-2020-Strategie, die von grundlegender Bedeutung für die Zukunft Europas ist. Diese Strategie soll zur Verwirklichung des Ziels beitragen, das sich die EU in der Lissabon-Strategie gesetzt hat: „Wenn wir unser Ziel erreichen, bis 2020 3 % des Bruttoinlandsprodukts der EU für Forschung und Entwicklung auszugeben, könnten wir jüngsten Schätzungen zufolge bis 2025 3,7 Millionen Arbeitsplätze schaffen und unser BIP um fast 800 Mrd. EUR steigern.“ Daher müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten selbst in Zeiten knapper Kassen mehr in Bildung, Forschung, Entwicklung und Innovation investieren.

3.2   Innovationen und ihr Umfeld: Innovationen, in ihrer vollen Breite, erstrecken sich auf alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, bildungspolitischen, wissenschaftlichen, technischen, beschäftigungsbezogenen, organisatorischen und kulturellen Aspekte und Aktivitäten. Dieses erweiterte Innovationskonzept umfasst Produkt- und Dienstleistungsinnovationen sowie technische, soziale und funktionale Innovationen in allen Branchen und allen Arten von Organisationen einschließlich der Unternehmen, gemeinnützige Einrichtungen, Stiftungen und Organisationen des öffentlichen Sektors. Innovationen sind nicht notwendig Folge eines linearen Prozesses, sondern entstehen aus der Vernetzung und Verflechtung verschiedener Ausgangssituationen; sie gedeihen also in einem gesunden „wirtschaftlichen und sozialen Ökosystem“ aus einer Mischung und Verbindung verschiedener Konzepte und Kompetenzen.

3.3   Ratsarbeitsgruppen Wettbewerbsfähigkeit und Forschung: Darum ist es wichtig, dass die Ratsarbeitsgruppen Wettbewerbsfähigkeit und Forschung gemeinsam agieren und zu einer gemeinsamen Schlussfolgerung kommen werden, mit Abstimmung zu angrenzenden Politikbereichen wie Industrie, Bildung, Energie und Informationsgesellschaft. Außerdem bedarf es einer engen Verknüpfung mit anderen Leitinitiativen, insbesondere in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung und Beschäftigung.

3.4   Grundsätzliche Zustimmung und Unterstützung: Folglich begrüßt und unterstützt der Ausschuss im Wesentlichen die Mitteilung der Europäischen Kommission und ihre Ziele sowie die einschlägigen Schlussfolgerungen des Rates vom 25./26. November 2010 und vom 4. Februar 2011.

Dies gilt insbesondere für:

die Festlegung einer Definition von Innovation (2), die sich sowohl auf Wissenschaft und Technik als auch auf Geschäfts- und Organisationsmodelle und -verfahren, Designlösungen, Marken und Dienstleistungen bezieht;

die Beseitigung ungünstiger Rahmenbedingungen, den Abbau von Hindernissen, die Vereinfachung von Prozessen und die Erleichterung der europäischen Zusammenarbeit;

die Einbeziehung aller einschlägigen Akteure und Regionen in den Innovationszyklus;

die Einbeziehung des öffentlichen Auftragswesens als weiterer Bereich mit erheblichem Potenzial für Innovationen;

die Ausschöpfung des europäischen Regional- und Strukturfonds zum Aufbau von Forschungs- und Innovationskapazitäten;

die Ausschöpfung des europäischen Sozialfonds zur Unterstützung sozialer Innovationen;

die Erleichterung des Zugangs von KMU und Kleinstunternehmen zum Rahmenprogramm und zu Finanzierungsmitteln;

die Förderung von Spitzenleistungen in Bildung und beim Erwerb von Fähigkeiten;

die Schaffung von Hochschulen von Weltrang;

die Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums bis 2014, die Förderung offener, hervorragender und attraktiver Forschungssysteme;

die Schaffung eines Binnenmarkts für Innovation;

eine Einigung über das EU-Patent;

die Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen.

3.4.1   Schwerpunkt der Stellungnahme: Die Kommissionsmitteilung ist zu umfangreich, um hier in allen Aspekten behandelt zu werden. Daher werden in dieser Stellungnahme in erster Linie jene Punkte aufgegriffen, die spezielle Aufmerksamkeit oder weitere Klarstellungen erfordern. Dies soll aber nicht von der grundsätzlichen Zustimmung des Ausschusses zum Gesamtziel und zu vielen der vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen ablenken.

3.5   Bisherige Prozesse und Erfolge einbeziehen: In der Mitteilung sind neue Elemente und Vorschläge enthalten, und es wird auch die Brücke zu den verschiedenen Politikbereichen geschlagen. Kurz, es wird auf eine umfassende und kohärente Politik abgezielt. Allerdings handelt es sich bei vielen Situations-Analysen und Zielen um seit langem in vielen Kommissionsmitteilungen, EWSA-Stellungnahmen und Ratsbeschlüssen (z.B. dem Ljubljana-Prozess) formulierte Probleme und Zielsetzungen. Dazu wurden bereits umfassende Maßnahmen und Verfahren auf den Weg gebracht (3). Diese sollten deutlicher berücksichtigt, weitergeführt und anerkannt werden, um die bisherigen Leistungen der Europäischen Kommission und der sonstigen beteiligten Akteure nicht zu schmälern, sondern vielmehr zu nutzen und auf ihnen aufzubauen. Die vorgeschlagenen neuen Maßnahmen und Instrumente sollten mit bereits bestehenden Verfahren harmonisiert werden, um zusätzliche Komplikationen und Doppelarbeit zu vermeiden und die notwendige Kontinuität, Rechtssicherheit und Beständigkeit zu gewährleisten (4).

3.6   Harmonisieren: Daher sollten die neu vorgeschlagenen Maßnahmen wie Innovationspartnerschaften (siehe Ziffer 4.4) einen Mehrwert im Vergleich zu bestehenden Maßnahmen bringen. Das heißt, dass Forschungs- und Innovationsförderinstrumente harmonisiert und vereinfacht werden müssen (siehe Ziffer 3.8.2) und der Zugang zu den Programmen erleichtert werden muss. Gleichzeitig muss Exzellenz nach wie vor das Leitprinzip sein. Forschungsergebnisse sollten besser zugänglich und verfügbar gemacht werden, und zwar durch die Verbesserung des Transfers von Wissen und Know-how (5) (siehe Ziffer 3.8.3 und Fußnote 12).

3.7   Freiräume ermöglichen: Die Ideen, Konzepte und Erkenntnisse, die den Boden für Innovationen bereiten, sind schon per definitionem nicht vorhersehbar. Darum sind für ihr Gedeihen und das Entstehen von Innovationen ausreichende Freiräume sowie stimulierende und verlässliche Rahmenbedingungen erforderlich; Freiraum, Förderung und Anerkennung sind der Nährboden für Kreativität und Innovation, zudem selbständiges Handeln, Unternehmergeist, Risikobereitschaft und Risikoakzeptanz. Politische Hauptaufgabe ist es demzufolge, ein innovationsfreundliches „wirtschaftliches und soziales Ökosystem“ zu schaffen, diese Rahmenbedingungen europaweit sicherzustellen, und somit potenzielle Erfinder und Innovationsprozesse nicht durch unüberschaubare unterschiedliche Regelwerke und bürokratische Hürden abzuschrecken (siehe Ziffer 3.12 und 3.13).

3.7.1   Konzentration und Breite: Es gibt bestimmte, klar definierbare Entwicklungsziele wie den Bereich Energie und Klimaschutz (6), die ggf. eine Konzentration der eingesetzten Mittel erfordern. Aber ebenso wichtig ist ein ausreichend breit gefächertes „wirtschaftliches Ökosystem“ vielfältiger Entwicklungslinien und deren mögliche Vernetzung. Ansonsten besteht das Risiko, dass a priori ausgerechnet jene Lösungen ausgeschlossen werden, die zwar grundlegend neuartig und innovativ sind, deren Potenzial aber anfänglich nicht einmal in Fachkreisen erkannt wird. Dann könnte Europa Gefahr laufen, anstatt als Vorreiter aufzutreten und selbst die jeweils führende „Modelinie“ zu formen, anderen Akteuren hinterherzulaufen und im internationalen Wettbewerb den Kürzeren zu ziehen. Letzteres ist ein typisches Kennzeichen zentralistischer Planwirtschaft. Daher sollten Merkmale derartiger Wirtschaftsform unbedingt vermieden und zugleich das Subsidiaritätsprinzip beachtet werden.

3.7.2   Marktkräfte: Normalerweise orientieren sich Innovationsprozesse an den herrschenden Marktkräften und Verbraucheranforderungen, auf deren Erfüllung sie abstellen. Demgegenüber zeichnen sich die wirklich großen Innovationen dadurch aus, dass sie die Marktkräfte selbst formen und neue Verbraucheranforderungen und Marktsegmente schaffen (7). Diese Innovationen benötigen während der kritischen Anlaufphase besondere Unterstützung, ehe sie anerkannt werden, den wirtschaftlichen Durchbruch schaffen und ihr enormes wirtschaftliches Potenzial unter Beweis stellen können.

3.8   Fragmentierung: Die Europäische Kommission argumentiert erneut, die Europäische Forschungs- und Innovationslandschaft sei fragmentiert. Diese Aussage trifft zwar auf mehrere wichtige Aspekte zu, stimmt allerdings nur teilweise und sollte präzisiert werden.

3.8.1   Bestehende Kooperationsnetze: Sowohl in Wirtschaft und Wissenschaft (8) als auch in der Sozialwirtschaft und Kreativwirtschaft gibt es seit langem europäische – und in vielen Fällen sogar globale – Verbindungen und Kooperationsnetze (9), die ihre Grenzen im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Wettbewerb kontinuierlich neu anpassen und festlegen. Dies sind maßgebliche Prozesse der Selbstorganisation der jeweiligen Akteure und ihrer Organisationen. Sie bedürfen der Kenntnisnahme, Anerkennung und Förderung durch die Europäische Kommission, die auf ihnen aufbauen sollte. Und genau für solcherart Prozesse sollten die noch bestehenden Hindernisse des Binnenmarkts für einen Europäischen Innovationsraum beseitigt werden.

3.8.2   Regelwerke – Vereinfachung und Harmonisierung: Anzustreben ist eine schrittweise Vereinfachung und Harmonisierung der rechtlich-administrativen und finanziellen Regelwerke (10) sowohl zwischen den Mitgliedstaaten untereinander als auch mit der Europäischen Kommission als wichtiger Schritt zur Vollendung des Europäischen Binnenmarkts, des Europäischen Forschungsraums und des von der Europäischen Kommission angestrebten Europäischen Innovationsraums. Falls die derzeit noch bestehende Verschiedenheit, Überbestimmung, Überlappung und Komplexität dieser Regelwerke als Fragmentierung gemeint sein sollte, findet die Europäische Kommission hier die uneingeschränkte Unterstützung des Ausschusses.

3.8.3   Frühere Stellungnahmen: Allerdings existieren Fragmentierung sowie unübersichtliche Vorschriften und Instrumente nicht nur in den Mitgliedstaaten, sondern auch in der Europäischen Kommission selbst. Der Ausschuss hat sich bereits in einer früheren Stellungnahme eben dieses Themas angenommen und bekräftigt die darin ausgesprochenen Empfehlungen (11). Er hat diese wichtigen Ziele außerdem in seinen Stellungnahmen zur gemeinsamen Planung der Forschungsprogramme (12), zum FuE-Rahmenprogramm, zur Innovationspolitik in einer Welt im Wandel (13) und zur Zusammenarbeit zwischen Forschungsorganisationen, Industrie und KMU (14) unterstützt. Er verweist auf seine Empfehlungen zu Verbreitung, Transfer und Nutzung von Forschungsergebnissen, insbesondere durch die Entwicklung eines Internet-Such-Systems zu diesem Zweck (15).

3.8.4   Forschungsinfrastrukturen: Aufwendige Infrastrukturen können ebenfalls als Beispiel für Fragmentierung herangezogen werden, wenn sie nicht von einer internationalen Gemeinschaft genutzt und finanziert werden. Einige dieser Infrastrukturen können sowohl bezüglich der erforderlichen Investitionen und Betriebsmittel als auch bezüglich einer optimalen Auslastung und Nutzung den Aufgabenbereich eines einzelnen Mitgliedstaates übersteigen. Der Ausschuss stimmt mit dem in der Fußnote angeführten Standpunkt der Europäischen Kommission (16) überein. Aus diesem Grund könnte ein gemeinsames Vorgehen gerade in diesem Bereich einen besonders hohen Mehrwert schaffen (17); folglich sollte hier eine gemeinsame Gesamtfinanzierung durch Mitgliedstaaten und EU erfolgen.

3.9   EU-Patent: Das Fehlen eines EU-Patents ist eine nicht akzeptable, teure und schädliche Fragmentierung, die überwunden werden muss, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu steigern und ein positives Signal an alle anderen Bereiche der Innovationsunion zu senden. Die Europäische Kommission hat wiederholt den Versuch unternommen, eine annehmbare Lösung für diese Achillesferse der europäischen Industrie- und Innovationspolitik zu finden. Der Ausschuss begrüßt daher den jüngsten Vorschlag der Europäischen Kommission (vom 14. Dezember 2010) für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen teilnehmenden Mitgliedstaaten, um im Einklang mit den Verträgen ein entscheidendes Zwischenziel auf dem Weg zu einem endgültigen (von allen Mitgliedstaaten anzuwendenden) EU-Patent zu erreichen. Er fordert das Europäische Parlament (18) und den Rat auf, das vorgeschlagene Verfahren als entscheidende und wichtige Etappe auf dem Weg zu dem endgültigen EU-Patent anzunehmen. Er schließt sich der Meinung (19) an, dass diese Vorgehensweise „wirtschaftlich unverzichtbar und politisch vertretbar ist“.

3.10   Zwischenmenschliche Beziehungen und Organisationsformen: Ein großes Potenzial für Innovationen liegt in der gesamten Bandbreite der zwischenmenschlichen Beziehungen und Organisationsformen. Der Ausschuss befürwortet das Ziel der Europäischen Kommission, derartige Innovationen in ihrer alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, technischen, ökologischen, organisatorischen, beschäftigungspolitischen und kulturellen Aspekte und Aktivitäten umfassenden Breite zu fördern. Dies betrifft neuartige Geschäfts- und Organisationsmodelle und -verfahren, private Dienstleistungen, öffentliche Dienstleistungen und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, Aus- und Weiterbildung, Medien, Kunst und Unterhaltung, letztlich alle Aspekte menschlichen Handelns und Zusammenlebens.

3.10.1   Unternehmen und Arbeitsplätze Rolle der Arbeitnehmer: Eine optimale Arbeitsorganisation ist ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Darum tragen innovative Arbeitsplätze zur Verbesserung der Leistung der Arbeitsnehmer und der Unternehmensperformance bei. Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter zeigt sich als die Fähigkeit, Produkt- oder Dienstleistungskonzepte bzw. soziale oder funktionale Konzepte zu entwickeln oder zu verbessern, die dem Kunden Mehrwert bringen. Hierbei spielen lebenslanges Lernen und kumulative Erfahrungen eine wichtige Rolle. Dabei kommt den Arbeitnehmern eine wichtige Rolle als Wissens- und Ideenquelle zu; dieses Potenzial sollte besser genutzt werden. Eine erhöhte Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen hierarchischen Ebenen könnte die Verbreitung neuer Ideen und Vorschläge erleichtern.

3.10.2   Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern: Auf Unternehmensebene sind Vertrauen und Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern, Weitsicht, Kompetenz, Motivation, Engagement und effizientes Innovationsmanagement die wichtigsten Komponenten.

3.10.3   Dienstleistungen und öffentliches Beschaffungswesen: Der öffentliche Sektor kann ebenfalls als Impulsgeber für Innovationen auftreten. Der Ausschuss unterstützt die Aussage der Europäischen Kommission (siehe Anlage I), dass der öffentliche Sektor Anreize zur Verfügung stellt, um Innovationen innerhalb seiner Einrichtungen und bei öffentlichen Dienstleistungen zu fördern. Dies umfasst sowohl den (privaten und öffentlichen) Dienstleistungssektor als auch das verarbeitende Gewerbe, das mithilfe dieser Dienstleistungen neue Wettbewerbsvorteile zu finden hofft. Von der Innovationsunion müssen klare Signale ausgehen, dass die EU dieses (private und öffentliche) Potenzial zu nutzen gedenkt.

3.10.4   Soziale Innovationen: Soziale Innovationen sollten jenen Bedürfnissen Rechnung tragen, die vom Markt oder dem öffentlichen Sektor nicht angemessen berücksichtigt werden. Dies betrifft neue Verhaltensweisen, Interaktionen, institutionelle Vereinbarungen und Netze. Soziale Innovationen, technologische und nichttechnologische Innovationen greifen häufig ineinander und können die Wechselwirkung zwischen Herstellern und Nutzern, die Entwicklung von Strukturen sowie unterstützenden Methoden und Technologien verstärken. Durch die vielseitige Verwendung von Technologien (z.B. IKT) werden neuartige Kooperationsmethoden, Vorgehensweisen und Managementmethoden möglich. Der Ausschuss begrüßt, dass die Europäische Kommission zusammen mit den Sozialpartnern nach Wegen zur Verbreitung der Wissenswirtschaft auf allen beruflichen Ebenen und in allen Wirtschaftszweigen suchen will.

3.11   Konzept der Innovationsunion: Nach Meinung des Ausschusses eignet sich das Konzept der Innovationsunion sehr gut, um die in der Kommissionsmitteilung dargelegten Ziele zusammenzufassen und zu verkörpern. Dieses Konzept sollte gemeinsam und gleichwertig mit den bestehenden Konzepten des Binnenmarktes und des Europäischen Forschungsraums umgesetzt werden. In diesem Sinne wird auch Abschnitt 2.2 der Kommissionsmitteilung vom Ausschuss vorbehaltlos unterstützt. Der Ausschuss begrüßt, dass viele seiner nachfolgenden Empfehlungen dort angesprochen sind.

3.12   Abbau von Hindernissen: Eines der erklärten Ziele der Europäischen Kommission ist der Abbau von Innovationshindernissen auf europäischer Ebene. Der Ausschuss ist sich zwar bewusst, dass dies eine umfangreiche und schwierige Aufgabe ist, die eng mit der weiteren Vollendung des Binnenmarktes verknüpft ist, betont hier aber dennoch, dass es in der Kommissionsmitteilung an detaillierten Informationen darüber mangelt, was die Europäische Kommission in dieser entscheidenden Frage konkret beabsichtigt. Darum begrüßt der Ausschuss die im kürzlich vorgelegten Grünbuch der Kommission (20) dazu erkennbaren Bemühungen, zu denen er gesondert Stellung nehmen wird.

3.13   Politische Hauptaufgabe und vorrangige Empfehlung. Politische Hauptaufgabe und vorrangige Empfehlung ist es darum, europaweit zuverlässige und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen und ausreichend Freiraum zu schaffen, um so potenzielle Erfinder und Innovationsprozesse von der Behinderung zu befreien, welche durch die derzeitige Fragmentierung, Reglementierung und Überladung der Regelwerke sowie die vielfältigen bürokratischen Hürden – aufgeteilt auf 27 Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission – aufgebaut ist. Dadurch werden Initiativen entmutigt und der notwendige Prozess, aus neuen und guten Ideen tatsächlich Innovationen zu schaffen und zu implementieren, spürbar verzögert und beeinträchtigt. Dies ist ein gravierender Nachteil Europas im globalen Wettbewerb, der dringend beseitigt werden muss. Darum benötigen wir eine Geisteshaltung, in der Fortschritt und Innovation nicht als Risiko, sondern als Chance und Notwendigkeit gesehen werden, die es mit allen gesellschaftlichen Kräften zu fördern und durchzusetzen gilt. Der Ausschuss appelliert dazu aber auch an die Mitgliedstaaten und die Akteure der organisierten Zivilgesellschaft, sich ihrerseits dieser Aufgabe anzunehmen und ihren Beitrag zur Lösung zu erbringen.

3.14   Bessere Ausbildung und Anerkennung: Der Ausschuss unterstützt die Kommission in ihrem Ziel, unser Bildungswesen auf allen Stufen zu modernisieren. Dazu benötigen wir mehr Hochschulen von Weltrang und müssen das Qualifikationsniveau heben. Das Verständnis für naturwissenschaftliche und technische Berufe muss wirksam gefördert und diese Berufe müssen stärker anerkannt werden.

3.15   Knapper Zeitplan: Angesichts der vielfältigen und komplexen Teilaspekte der Mitteilung, der Bedeutung der Problemlage, und den hier vorgebrachten Gesichtspunkten ist der von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Zeitplan eher knapp bemessen. Darum empfiehlt der Ausschuss eine Vorgehensweise, bei der zwischen der Dringlichkeit der grundsätzlichen Ziele und der Ausarbeitung der einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen und Instrumente unterschieden werden sollte.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   KMU als Hauptakteure: Der Ausschuss stimmt mit der Europäischen Kommission überein, dass die kleinen und mittleren Unternehmen als Hauptakteure der Volkswirtschaft von der Innovations-Initiative und ihren Fördermaßnahmen besonders begünstigt werden sollten. Dabei sollten die Definitionen von KMU und deren Gewichtung allerdings noch weiter überdacht werden, denn gerade angesichts der neuen Vernetzungsmöglichkeiten durch die Instrumentarien der IKT gewinnen auch Mikro-Unternehmen, möglicherweise sogar Ein-Mann-Unternehmen zunehmend an Bedeutung – gegebenenfalls sollte sogar die Grenzziehung zu den freien Berufen überdacht werden. Der Ausschuss verweist auf die Bedeutung von Innovationen im Dienstleistungssektor und am Arbeitsplatz, insbesondere für die Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität von KMU (siehe Ziffer 3.10.1 und 3.10.2).

4.1.1   Benachteiligungen von KMU: Viele der obengenannten bürokratischen Innovationshindernisse benachteiligen insbesondere KMU und Neugründungen gegenüber den großen, dafür aber notwendig auch schwerfälligeren Unternehmen mit ihren wohlausgestatteten Rechtsabteilungen, Auslandsbüros etc. Dies mag z.B. nicht zuletzt eine der Ursachen dafür sein, dass die EU die Marktführerschaft innovativer IKT-Produkte (21) inzwischen fast vollständig an die USA verloren hat.

4.2   Bewertungsindikatoren: Der Ausschuss hatte bereits in einer vorangegangenen Stellungnahme (22) darauf hingewiesen, dass die EU gleich über mehrere diesbezügliche Analyseinstrumente verfügt; dementsprechend hatte er aus Gründen der Kohärenz empfohlen, eine einzige „Europäische Beobachtungsstelle für Innovation“ zu schaffen welche die bestehenden Instrumente übernimmt, zugleich aber besser aufeinander abstimmt. Darüber hinaus gibt der Ausschuss zu bedenken, dass

viele gesellschaftliche und wirtschaftliche Kriterien Nachhaltigkeit beinhalten;

gerade die Krise gezeigt hat, dass zu kurzfristige Planungsziele und Bewertungskriterien zu unerwünschten Entwicklungen und sogar zu Krisen führen können;

langsames, dafür aber stetiges Wachstum oft den größeren Gesamterfolg und volkswirtschaftlichen Nutzen ergibt;

gerade kleine Start-up-KMU im Erfolgsfall häufig von großen Firmen aufgekauft bzw. übernommen werden und so ggf. aus der Statistik fallen;

bedeutende Innovationen oftmals eine eher lange Anlaufzeit benötigen, ehe sie den wirtschaftlichen Durchbruch schaffen und ihr umfassendes wirtschaftliches Potenzial unter Beweis stellen;

die Mitgliedstaaten und Regionen der EU jeweils unterschiedliche Voraussetzungen für Innovationen (z.B. Klima, Verkehrwege, Ressourcen) aufweisen und daher nach ihren spezifischen Stärken und Schwächen zu bewerten sind.

4.2.1   Daher sollte die Europäische Kommission ihre Zusammenarbeit mit der OECD fortführen und ein einziges, aber konsistentes Paket aus umfassenden und ausgewogenen Indikatoren entwickeln, welche auch die obigen Gesichtspunkte sowie den langfristigen Erfolg von Innovationen berücksichtigen. Der Ausschuss betrachtet die von der Europäischen Kommission in Anhang I beschriebenen „Merkmale funktionierender nationaler und regionaler Systeme für Forschung und Innovation“ hierfür als hilfreich.

4.3   Barrierefreiheit: Ein weiteres Beispiel für ein großes Innovationspotential sind barrierefreie Produkte und Dienstleistungen, durch die Menschen mit Behinderungen als Bürger und als Verbraucher vollständig in die Gesellschaft integriert werden können. Dabei handelt es sich um einen weitgehend unerschlossenen Markt von beachtlichem gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Potenzial.

4.4   Innovationspartnerschaften: Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Europäischen Innovationspartnerschaften (EIP) könnten attraktive Merkmale anbieten. Trotz der Ungewissheit über ihre detaillierte Ausgestaltung und der in Ziffer 3.5 und 3.6 geäußerten Vorbehalten könnten Innovationspartnerschaften neue Möglichkeiten eröffnen, um die gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen. Wenn die EU ihre innovationspolitischen Instrumente gleichzeitig sowohl angebots- als auch nachfrageorientiert einsetzt und die von Forschung und Technologie ausgehende Schubkraft mit der entsprechenden Zugkraft des Marktes gepaart wird, kann die EU neue Wettbewerbsvorteile erzielen. Um dieses Potenzial zum Tragen zu bringen, muss sich die EU allerdings auf jene Aspekte konzentrieren, bei denen Innovationspartnerschaften einen Mehrwert im Vergleich zu bestehenden Maßnahmen erbringen. Innovationspartnerschaften sollten darum nicht zu einem allseitig verpflichtenden, starren Handlungsrahmen der europäischen Innovationsakteure (einschl. der beteiligten Förderorganisationen auf regionaler und nationaler Ebene) werden. Die Prinzipien der Freiwilligkeit, der variablen Geometrie, der Transparenz und einer klaren, einfach handhabbaren Governance sind sicherzustellen. Nach Festlegung der erforderlichen Governance-Struktur wäre es daher ratsam, mit einer sorgfältig ausgewählten Innovationspartnerschaft zu beginnen und die dabei gesammelten Erfahrungen bei der Auswahl der nächsten Partnerschaft zu nutzen.

4.4.1   Aktives und gesundes Altern: Der Ausschuss empfiehlt daher, zunächst mit der besonders geeigneten und wünschenswerten Innovationspartnerschaft „Aktives und gesundes Altern“ zu beginnen. Diese wäre zudem ein gutes Beispiel für das komplexe Zusammenwirken von gesellschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Innovationen. Der Ausschuss möchte gerade für diesen Bereich die Bedeutung des vor-wirtschaftlichen und öffentlichen Beschaffungswesens für innovative Dienstleistungen betonen. Dieses kann eine entscheidende Rolle spielen, um hier neue Märkte zu erschließen und die Leistungsfähigkeit und Güte des öffentlichen Dienstes zu verbessern.

4.4.2   Wassersparendes Europa: Als eine weitere der ins Auge gefassten Innovationspartnerschaften wird in Anhang III der Mitteilung „Wassersparendes Europa“ vorgeschlagen. Hier empfiehlt der Ausschuss eine differenziertere Betrachtungsweise, in der besser zwischen solchen Regionen in der EU, in denen Wasserknappheit ein dominierendes Problem ist, und Regionen, in denen ausreichende Regenfälle und eine ausreichende Wasserversorgung vorhanden sind, unterschieden wird. Darum empfiehlt der Ausschuss hier einen anderen Titel, nämlich „Nachhaltiges Wassermanagement“.

4.5   „Ergebnisorientiertes“ Konzept: Der Ausschuss gibt zu bedenken, dass die Innovationspartnerschaften der Europäischen Kommission zufolge ergebnisorientiert gefördert werden sollen. Da der Ausschuss in Abhängigkeit von der Definition dieses Begriffs bereits stärkste Bedenken gegen seine Anwendung formuliert hat, nämlich in seiner Stellungnahme zur Vereinfachung der Durchführung von Forschungsrahmenprogrammen (siehe dort Ziffer 1.8 und 4.8) (23), empfiehlt er klarzustellen, was aus verfahrenstechnischer Sicht hier wirklich gemeint ist. Er betont erneut, dass für wichtige Erfindungen die langfristige Tragfähigkeit von grundlegender Bedeutung sein kann.

4.6   Zentrale Rolle des FuE-Rahmenprogramms: Die FuE-Rahmenprogramme der EU haben erheblich zu den bislang erzielten Erfolgen beigetragen und sollten in Zukunft weiter gestärkt und in ihrer eigenständigen Bedeutung betont werden. Unbeschadet der Notwendigkeit weiterer Vereinfachungen bietet das FuE-Rahmenprogramm ein erfolgreiches, weltweit bekanntes, von den Innovationsakteuren intensiv genutztes und in seinen Verfahren verstandenes, akzeptiertes Instrumentarium zur Gestaltung des Europäischen Forschungsraums. Das Forschungsrahmenprogramm und – in Ergänzung dazu – das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) müssen daher in ihrer eigenständigen Bedeutung für das Ziel „Innovationsunion“ deutlicher herausgestellt werden. Die Instrumente der Verbundforschung haben zur Bildung leistungsfähiger europäischer Konsortien beigetragen und sind beizubehalten, um die benötigte Kontinuität sicherzustellen (24). Im Hinblick auf die hier erörterte Innovationspolitik sollte auch die sozioökonomische Forschung stärker gefördert werden.

4.7   Zentrale Rolle des Europäischen Forschungsraums – ein Binnenmarkt für Forscher: Die zentrale Rolle des Europäischen Forschungsraums (siehe auch Ziffer 3.11) und die Anforderungen für seine Vollendung waren Gegenstand zahlreicher früherer Stellungnahmen. Der Ausschuss bekräftigt hierzu erneut, dass die Mobilität von Forschern sowie die Anerkennung von akademischen und Forschungsqualifikationen von grundlegender Bedeutung sind, wie auch die Aspekte Sozialversicherung, angemessene Entlohnung und Rentensysteme. Die derzeitige Situation ist insbesondere für junge Wissenschafter und Forscher nach wie vor in hohem Maße unbefriedigend und entmutigend. Der Ausschuss begrüßt und unterstützt daher ausdrücklich die Schlussfolgerungen des Rates (25) (am 2. März 2010) zur Mobilität und zu den Karrieremöglichkeiten europäischer Forscher; die EU benötigt einen attraktiven und funktionierenden Binnenmarkt für Forscher!

4.8   Risiko-Kapital: Trotz positiver Entwicklungen seitens der EIB – und hier begrüßt der Ausschuss ganz besonders die zwischen der Europäischen Kommission und der EIB gegründete Fazilität für Finanzierungen auf Risikobasis (RSFF) – besteht immer noch ein Mangel an ausreichendem und genügend rasch verfügbarem Risiko-Kapital für innovative Unternehmensgründungen und deren anfängliches Überleben. Dies gilt sowohl während deren Gründungsphase als auch besonders während der Durststrecke bis zum ersten wirtschaftlichen Erfolg. Hier werden zudem auch Klein- und Mikro-Kredite benötigt, die es erlauben, Risiken abzufedern aber am Erfolg zu partizipieren.

4.9   Cluster: Der Ausschuss betont erneut die innovationsfördernde Ausstrahlung von regionalen, grenzüberschreitenden Clustern und Innovations-Polen. Dabei geht es nicht nur um die bereits „klassische“ Verknüpfung von Forschungseinrichtungen und Unternehmen, sondern auch um das ergänzende, fruchtbare Netzwerk, welches sich zwischen den entstandenen Spezialfirmen entwickelt. Der Ausschuss empfiehlt, dies mit den Mitteln des Strukturfonds weiter fördernd zu unterstützen.

4.10   Erleichterungen und Anreize bei Neugründungen: Der Ausschuss regt an zu bedenken, ob man bei Neugründungen nicht eine Ausnahmeklausel entwerfen könnte, welche letztere für eine ausreichende Frist von den meisten der sonst üblichen jeweiligen administrativen Auflagen und Vorschriften aller Arten befreit und zudem weitere Anreize (z.B. Steuererleichterungen) schafft. Damit wären eine Karenzzeit und ein Freiraum verfügbar, während der zunächst die wirtschaftlich-technische Erfolgschance demonstriert werden könnte. Der Ausschuss ist sich bewusst, dass dieser Vorschlag eine delikate und differenzierte Risiko- und Interessenabwägung erfordert, die es aber wert sein könnte, tatsächlich vorgenommen zu werden.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  KOM(2011) 48 endg. vom 9.2.2011.

(2)  KOM(2009) 442 endg. vom 2.9.2009.

(3)  Das Thema „Innovation“ wurde ausführlich im Aho-Bericht (Bericht der unabhängigen Expertengruppe „FuE und Innovation“, die im Anschluss an das Gipfeltreffen in Hampton Court unter dem Vorsitz von Esko Aho eingesetzt wurde, Januar 2006, EUR 22005) sowie in der EWSA-Stellungnahme zum Thema „Investitionen in Wissen und Innovation (Lissabon-Strategie)“ (ABl. C 256 vom 27.10.2007, S. 17) erörtert. Koordiniertes Vorgehen der Mitgliedstaaten und partnerschaftliche Maßnahmen sind Thema des Ljubljana-Prozesses (RECH 200 COMPET 216 – „The Ljubljana Process is an enhanced partnership between the Member States, associated countries, stakeholders and the Commission to make European research more effective.“), zahlreicher ERA-NET-Initiativen (gemäß Artikel 181), der „Gemeinsamen Technologieinitiativen“, der Wissens- und Innovationsgemeinschaften (KIC) des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT), der „Gemeinsamen Programmplanung“ und der EWSA-Stellungnahme zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Gemeinsame Planung der Forschungsprogramme: Bessere Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen durch Zusammenarbeit“ (ABl. C 228 vom 22.9.2009, S. 56). Die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie wird in der EWSA-Stellungnahme zum Thema „Zusammenarbeit und Wissenstransfer zwischen Forschungsorganisationen, Industrie und KMU - eine wichtige Voraussetzung für Innovation“ (ABl. C 218 vom 11.9.2009, S. 8) behandelt, internationale Zusammenarbeit in der EWSA-Stellungnahme zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Europäischer Strategierahmen für die internationale wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit“ (ABl. C 306 vom 16.12.2009, S. 13) und Vereinfachung in der EWSA-Stellungnahme zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Vereinfachung der Durchführung von Forschungsrahmenprogrammen“ (ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 129).

(4)  ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 129.

(5)  ABl. C 218 vom 11.9.2009, S. 8 (Ziffer 1.2).

(6)  ABl. C 21 vom 21.1.2011, S. 49.

(7)  Als Beispiel seien das Flugzeug oder andere revolutionäre Erfolge genannt wie Fernsehen, Radar, Laser, PC, Mikroelektronik, Glasfaserkabel, Internet/E-Mail (einschl. Suchmaschinen, elektronischer Geschäftsverkehr usw.), Digitalkameras, raketengestartete Satelliten und GPS, die allesamt miteinander verbunden sind und sich gegenseitig neue Impulse verleihen.

(8)  Z.B. durch die Instrumente der Verbundforschung, Ziffer 4.6.

(9)  Z.B. „Forschung und Lehre 11/10“, S. 788-796, Mitteilungen des Deutschen Hochschulverbands, November 2010.

(10)  ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 129 (Ziffer 3.5 und 3.7).

(11)  ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 129 (Ziffer 1.4).

(12)  ABl. C 228 vom 22.9.2009, S. 56.

(13)  ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 80.

(14)  ABl. C 218 vom 11.9.2009, S. 8.

(15)  ABl. C 218 vom 11.9.2009, s. 8 (Ziffer 3.2.4).

(16)  Siehe KOM(2010) 546 endg. vom 6.10.2010.

(17)  ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 40.

(18)  In der Zwischenzeit vom EP positiv verabschiedet: Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Februar 2011 zu dem Entwurf für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (05538/2011 – C7-0044/2011 – 2010/0384(NLE).

(19)  Mitteilung von Präsident NILSSON (7. Januar 2011) über sein Gespräch mit Kommissionsmitglied Barnier.

(20)  Siehe Fußnote 1.

(21)  Google, Apple, Facebook, … Mobile Phones.

(22)  ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 80 (Ziffer 3.2.2).

(23)  ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 129.

(24)  ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 129 (Ziffer 3.12).

(25)  2999. Tagung des Rates (Wettbewerbsfähigkeit), 2. März 2010, Brüssel.


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/47


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte — Für eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft — 50 Vorschläge, um gemeinsam besser zu arbeiten, zu unternehmen und Handel zu treiben“

KOM(2010) 608 endg.

2011/C 132/08

Berichterstatter: Benedicte FEDERSPIEL, Martin SIECKER und Ivan VOLEŠ

Die Europäische Kommission beschloss am 27. Oktober 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte – Für eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft – 50 Vorschläge, um gemeinsam besser zu arbeiten, zu unternehmen und Handel zu treiben

KOM(2010) 608 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 4. März 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 108 Ja-Stimmen bei 12 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Allgemeine Bemerkungen

1.1   Der EWSA begrüßt die Initiative der Kommission, den Binnenmarkt neu anzuregen und zu beleben, stellt jedoch fest, dass sie die Berichte von MONTI, LAMASSOURE und GONZÁLEZ nicht angemessen und zusammenfassend berücksichtigt und damit auch den Binnenmarkt nicht wirklich in den Dienst der Verbraucher und Bürgerinnen und Bürger gestellt hat, so wie es das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 10. Mai 2010 gefordert hat.

1.2   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) verfolgt den Binnenmarkt eingehend und von der zivilgesellschaftlichen Warte aus. Zu diesem Zweck hat er 1994 die Binnenmarktbeobachtungsstelle (BBS) geschaffen. Er ersucht die Europäische Kommission, die BBS als wichtigen Interessenträger bei Initiativen wie dem Binnenmarktforum einzubinden.

1.2.1   Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, den Dialog mit der Zivilgesellschaft und deren Anhörung bei der Vorbereitung und Umsetzung neuer Maßnahmen als Priorität zu betrachten. Er hofft deshalb, als institutioneller Vertreter der Zivilgesellschaft an den Frühphasen der Konzipierung und Erarbeitung dieser Maßnahmen sowie an der Ex-ante- und Ex-Post-Folgenabschätzung beteiligt zu werden.

1.3   Für die gezielte Ausrichtung der zur Modernisierung des Binnenmarktes erforderlichen Maßnahmen ist der Beitrag der zivilgesellschaftlichen Organisationen von grundlegender Bedeutung, da sie die Interessenvertreter der Binnenmarktnutzer sind. Die 50 Vorschläge, die derzeit auf dem Prüfstand stehen, markieren lediglich den Ausgangspunkt eines langen Prozesses zur Modernisierung des Binnenmarktes. Dieser Prozess sollte als ein Prozess mit offenem Ende angelegt sein, da sich der Binnenmarkt stetig weiterentwickelt.

1.4   Der EWSA hat eine Reihe von Maßnahmen ermittelt, die in der Binnenmarktakte fehlen. Zu gegebener Zeit wird er Vorschläge unterbreiten, die auch dazu gedacht sind, das Vertrauen der Verbraucher zu stärken. In folgenden Bereichen stehen noch Maßnahmen aus: Urheberrechtsabgaben, Überarbeitung der Richtlinie zum Urheberrecht, Netzneutralität, Datenschutzvorschriften, Anlegerschutz, Protokoll über den sozialen Fortschritt, Satzung der Europäischen Privatgesellschaft, elektronische Beschaffung, europäische Ratingagenturen, Gleichstellung der Geschlechter, Mikro- und Familienunternehmen, Maßnahmen zur Förderung von Unternehmensgründungen bzw. die Ausdehnung bestehender Förderungsregelungen, Kredit- und Debitkarten, elektronischer Zahlungsverkehr, Verbraucherkredit und Überschuldung, Überweisungen zwischen Banken, Jugend sowie Maßnahmen zur Vollendung der Umsetzung der gemeinsamen Währung und zur Konsolidierung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (SEPA) u.a.

1.5   In der vorliegenden Stellungnahme des EWSA soll keine eingehende Untersuchung sämtlicher Vorschläge der Binnenmarktakte durchgeführt werden. Tatsächlich wurden einige von ihnen bereits in Stellungnahmen des Ausschusses behandelt. Erst nach dem Erscheinen der Mitteilung wird der Ausschuss genauer zu den Initiativen der Europäischen Kommission Stellung beziehen, darunter auch zu den EU-Leitinitiativen im Zusammenhang mit der Europa-2020-Strategie. Der EWSA führt die Prioritäten ins Feld, auf die sich die Mitglieder des EWSA als Vertreter der wichtigsten Bereiche der europäischen Zivilgesellschaft verständigt haben. Der EWSA bedauert, dass die Kommission den Anmerkungen und Schlussfolgerungen des „Berichts über die Unionsbürgerschaft 2010 – Weniger Hindernisse für die Ausübung von Unionsbürgerrechten“ nicht hinreichend Rechnung getragen hat (1). Diese Prioritäten sollten alle Teilnehmer am Binnenmarkt vor Ort in die Lage versetzen, sein Potenzial voll auszuschöpfen. Der EWSA ist davon überzeugt, dass ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich ist, der über die künstliche Einteilung des Binnenmarktes in drei Pfeiler hinausgeht. Der EWSA möchte die eklektisch anmutende Zusammenstellung der Vorschläge verbessern und vorschlagen, die einzelnen Maßnahmen kohärenter zu gestalten und stärker miteinander zu verknüpfen. Die Vorschläge ergänzen sich gegenseitig, und sie wirken sich gleichermaßen auf die gesamte Gesellschaft aus: auf Arbeitnehmer, Verbraucher, Unternehmen und die Bürger. Es gibt keinen eigenen Binnenmarkt für jede dieser drei Kategorien. Im Vertrag über die Europäische Union heißt es Artikel 3 Absatz 3: „Die Union errichtet einen Binnenmarkt. Sie wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin. Sie fördert den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt.“ Der Ausschuss besteht auf der Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus.

1.6   Eine offene Kommunikation über den Mehrwert und die anstehenden Herausforderungen ist von grundlegender Bedeutung, um den erforderlichen Rückhalt in der Öffentlichkeit zu erhalten. Kurzfristige politische Zielsetzungen, die oft mit fehlender Kohärenz und/oder unausgewogenen Vorschlägen einhergehen, sowie finanzielle, wirtschaftliche, politische und soziale Krisen tragen nicht dazu bei, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die EU zu erhöhen. Den Gegebenheiten vor Ort und den wirklichen Sorgen der Menschen muss unbedingt Rechnung getragen werden.

1.7   Die Europäische Kommission kann nicht allein dafür verantwortlich sein, das Bewusstsein der Menschen über Fragen des Binnenmarktes zu schärfen und die Öffentlichkeit über Instrumente (2) zu informieren, die allen offen stehen. Der Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft ist genauso unverzichtbar wie die Einbindung der einzelstaatlichen Regierungen, die sich der Tatsache bewusst sein müssen, dass der Binnenmarkt ein untrennbarer Bestandteil unserer Volkswirtschaften ist. Politische Parteien, Medien, Bildungseinrichtungen und alle weiteren Interessenträger tragen eine historische Verantwortung: Sie müssen dafür Sorge tragen, dass die EU auf Grundlage der Werte, die bislang Kennzeichen unserer sozialen und marktwirtschaftlich orientierten Volkswirtschaften waren, die Herausforderungen einer globalisierten Welt erfolgreich bewältigt. Die Welt wartet nicht auf uns. Ein durch Zersplitterung, Protektionismus, Nationalismus und fehlende Visionen gekennzeichnetes Europa wird den neuen globalen Kräften nichts entgegensetzen können.

1.8   Der Binnenmarkt ist ein Dreh- und Angelpunkt des europäischen Einigungswerks und der EU-2020-Strategie. Die Überwachung, Handhabung und Stärkung der Binnenmarktrechtsetzung ist entscheidend. Zu diesem Zweck sollte die Europäische Kommission eng mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und den Binnenmarktanzeiger nutzen.

2.   Besondere Bemerkungen

Die folgenden Prioritäten werden ohne besondere Rangfolge aufgeführt. Die Nummerierung der Vorschläge der Binnenmarktakte ist in Klammern angegeben.

2.1   Die Charta der Grundrechte als integraler Bestandteil des Binnenmarktes (29)

Die Kommission will darüber wachen, dass den durch die Charta garantierten Rechten, einschließlich des Rechts auf Kollektivmaßnahmen, Rechnung getragen wird. Sie bestätigt noch einmal die den EU-Institutionen auferlegten Pflichten sowie die Tatsache, dass die Charta der Grundrechte mittlerweile rechtsverbindlich ist. Wie oben erwähnt wird in Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union mehr als deutlich, dass eine Ausgewogenheit zwischen den wirtschaftlichen Freiheiten und der Achtung der sozialen Grundrechte gewährleistet sein muss. Prof. Monti sieht dieses Problem und schlägt vor, den Binnenmarkt durch grundlegende gewerkschaftliche Rechte wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Der EWSA empfiehlt der Kommission, die Charta der Grundrechte vollständig in den Binnenmarkt zu integrieren und Mitgliedstaaten, die sich für einen Opt-out entschieden haben, zu ihrer Annahme zu bewegen.

2.2   Dienstleistungen (4 und 43)

Durch eine weitere Ausgestaltung des Binnenmarkts für Dienstleistungen sollte das volle Potenzial der Dienstleistungen mobilisiert werden, damit der Verbraucher von Wachstum und Beschäftigung, Wahlfreiheit und Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt profitieren kann. Davon würden dank der rechtlichen Vereinfachungen und der Beseitigung der Marktzugangsbeschränkungen auch alle Dienstleister profitieren, insbesondere die kleinen und mittelgroßen Dienstleistungsbetriebe, ob sie nun im Binnenmarkt insgesamt oder nur lokal tätig sind. Daher fordert der EWSA sichere, bessere und erschwingliche Dienstleistungen für Verbraucher und Unternehmen. Darüber hinaus ist es wichtig, die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie zu verbessern, die Tätigkeiten der zentralen Anlaufstellen weiterzuentwickeln, das Informationsangebot in anderen Sprachen auszubauen und gleichzeitig die administrative Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern und das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass auch grenzüberschreitende Dienstleistungen angeboten werden können.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse und einer einschlägigen EuGH-Rechtsache begrüßt er außerdem den lange erwarteten Vorschlag für eine Verordnung über die Rechte der Reisenden.

2.2.1   Finanzdienstleistungen für Privatkunden (40, 41)

Finanzdienstleistungen für Privatkunden sind einer der Bereiche, in denen die größten Mängel bei der Verwirklichung des Binnenmarkts festgestellt wurden. Neben dem Immobilienkredit sollten weitere Aspekte, die in den Stellungnahmen des EWSA und von der Kommission herausgestellt wurden, als Themen von vorrangiger Bedeutung behandelt werden.

Der EWSA begrüßt die Initiative zur Verbesserung der Basisbankdienstleistungen und zur Verbesserung der Transparenz und Vergleichbarkeit von Bankgebühren.

2.3   Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI) (25)

Die Kommission verpflichtet sich, noch 2011 eine Mitteilung mit einem Maßnahmenpaket zu Diensten von allgemeinem Interesse vorzulegen. Der EWSA begrüßt die Initiative, die Bewertung öffentlicher Dienstleistungen zu fördern und die Hindernisse für den universellen Zugang zu den Dienstleistungen zu beseitigen (3). Das Ziel der Mitteilung und weiterer Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen sollte darin bestehen, den Mitgliedstaaten bei der Entwicklung und Verbesserung ihres Dienstleistungsangebots im Einklang mit dem Protokoll über die DAI Hilfestellung zu leisten. Die Bewertung öffentlicher Dienstleistungen sollte auch eine kritische und eingehende Beurteilung früherer Liberalisierungen umfassen und unter Beteiligung aller wichtigen Interessenträger durchgeführt werden. Dem EWSA liegt insbesondere am Herzen, dass die Qualitätsstandards aufrechterhalten werden und die Zugänglichkeit weiter gegeben ist, einschließlich der Möglichkeit, zur Belebung des Wettbewerbs ohne größeren Aufwand den Dienstleistungsanbieter zu wechseln. Die EU sollte in Übereinstimmung mit dem Protokoll über die DAI ihre Fähigkeit zur Beurteilung der Auswirkungen aller Binnenmarktinitiativen und anderer EU-Initiativen auf die öffentlichen Dienstleistungen weiterentwickeln.

2.4   Nachhaltige Entwicklung (10, 11 und 27)

Der EWSA begrüßt das Konzept eines Aktionsplans für Energieeffizienz mit dem Ziel, das Potenzial für beträchtliche Energieeinsparungen auszuloten. Die EU benötigt einen reibungslos funktionierenden Binnenmarkt für Energie, um eine erschwingliche, sichere und nachhaltige Energieversorgung ihrer Bürger zu gewährleisten. Ein gut funktionierender Binnenmarkt für Energie bietet den Verbrauchern mehr Wahlmöglichkeiten und niedrigere Preise, wobei jedoch gemeinsame Mindeststandards eingehalten werden müssen. Die Entwicklung einer so genannten „intelligenten Energieverbrauchsmessung“ zur Steigerung des Bewusstseins für Verbrauchsmuster und die damit verbundenen Kosten erfordern weitere Rechtsetzungsmaßnahmen, um die rasche Übernahme neuer Technologien und eine größere Effizienz durch mehr Wettbewerb in den Energiedienstleistungen zu gewährleisten. Darüber hinaus ist der EWSA gespannt auf die Ergebnisse der Prüfung, inwieweit eine Initiative zum ökologischen Fußabdruck (4) von Produkten machbar ist.

2.5   Kleine und mittlere Unternehmen und andere Formen des Unternehmertums  (5) (12, 13, 14 und 37)

2.5.1   Das wichtigste Thema für KMU ist – insbesondere nach der Wirtschaftskrise – ihr Zugang zu Finanzmitteln. KMU sind in erster Linie auf Bankkredite angewiesen, da sie keinen Zugang zu den Kapitalmärkten oder anderen Finanzierungsquellen haben. Daher begrüßt der EWSA den Vorschlag, den Zugang der KMU zu den Kapitalmärkten zu erleichtern. Eine Öffnung des Binnenmarktes für Risikokapitalfonds kann auch zu einer besseren Finanzierung der KMU beitragen, insbesondere im Bereich der Innovation und der neuen Technologien.

2.5.2   Der Zugang zu Finanzmitteln ist jedoch nur ein Teil des Problems. KMU und Sozialwirtschaft sind auch darauf angewiesen, dass die unnötigen Verwaltungslasten, unter denen sie aufgrund ihrer geringeren Größe unverhältnismäßig stark zu leiden haben, wesentlich reduziert werden. Zu diesem Zweck ist es unbedingt erforderlich, die Binnenmarktakte effizienter umzusetzen, damit endlich die erwarteten Ergebnisse erzielt werden; hierzu gehört beispielsweise auch die Satzung der Europäischen Privatgesellschaft. Aus demselben Grund sollte auch der Vereinfachung der Rechnungslegungsrichtlinien für KMU vorrangige Bedeutung beigemessen werden. Die zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und zum Schutz der Umwelt erforderlichen Maßnahmen sollten bei ihrer Konzipierung auch den „KMU-Test“ als Teil der Folgenabschätzung durchlaufen.

2.5.3   Der EWSA begrüßt die Bemühungen der Kommission, eine Verordnung über die Satzung der Europäischen Stiftung zu erlassen und eine Studie über Gegenseitigkeitsgesellschaften durchzuführen. Aus Sicht des EWSA sollte eine derartige Studie zu einer Satzung für eine Europäische Gesellschaft auf Gegenseitigkeit führen. Überdies fordert der EWSA die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die notwendigen Schritte zur Schaffung einer Europäischen Vereinssatzung einzuleiten.

2.6   Wettbewerbsfähigkeit (19, 20 und 21)

Die Förderung des Unternehmergeists ist die wichtigste Quelle für Wachstum und Beschäftigung. Sie muss im Einklang mit den Grundsätzen der besseren Rechtsetzung erfolgen. Die Verknüpfung von Unternehmensregistern könnte ein erster Schritt zur Verbesserung des Geschäftsklimas sein und zu einem reibungsloseren Funktionieren des Binnenmarktes beitragen. Der EWSA begrüßt ferner weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Geschäftsklimas, der Ordnungspolitik im Binnenmarkt sowie der Kommunikationsmethoden. Durch die rasche Umsetzung der gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) und die Überarbeitung der Mehrwertsteuerrichtlinien sollten die grenzüberschreitenden Tätigkeiten der Unternehmen verbessert werden.

2.7   Normung (6)

Normen sind ein wichtiger Baustein des Binnenmarkts, und der EWSA unterstützt die Maßnahmen zu einer effizienteren Gestaltung des Normungsprozesses. Gleichzeitig weist er darauf hin, wie wichtig es ist, Verbraucher und KMU stärker einzubinden und dabei unablässig und in nachhaltiger Weise zu gewährleisten, dass die Kostenfaktoren, die ihrer Teilnahme an diesem Prozess im Wege stehen, gesenkt werden. Es darf nicht sein, dass Normen von Einzelakteuren diktiert werden. Die EU-Normen müssen im weltweiten Handel eine größere Rolle spielen und sollten in den anstehenden Handelsverhandlungen auf bilateraler und multilateraler Ebene stärker vertreten werden.

2.8   Digitaler Binnenmarkt (2, 5 und 22)

2.8.1   Der elektronische Geschäftsverkehr leidet offenbar am stärksten unter der Fragmentierung des Binnenmarktes, die sich zeigt in der fehlenden Harmonisierung der Regeln, dem Mangel an Interoperabilität der Informationssysteme und ungelösten Fragen des geistigen Eigentums. Der EWSA ist daher der Meinung, dass eine Lösung dieser Probleme rasch dazu führen kann, die Tätigkeitsbereiche der Unternehmen auszudehnen, die Produkt- und Dienstleistungsauswahl für die Verbraucher und somit die Zufriedenheit der Bürger mit dem Funktionieren des Binnenmarktes ohne Beeinträchtigung des Verbraucherschutzes zu erhöhen. Der Vorschlag über den elektronischen Handel ist aus diesem Grund von ausschlaggebender Bedeutung.

2.8.2   Die elektronische Interoperabilität ist einer der wichtigsten Punkte, um alle Tätigkeiten im Binnenmarkt zu erleichtern. Die Schaffung eines echten digitalen Binnenmarktes muss auf der gegenseitigen Anerkennung elektronischer Unterschriften, elektronischer Zertifikate, elektronischer Authentifizierungen und elektronischer Formulare basieren. Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Binnenmarkt-Informationssystems (IMI) würde zu einer intensiveren administrativen Zusammenarbeit und zu einem vermehrten Datenaustausch führen, der der Verwaltung, den Unternehmen und den Bürgerinnen und Bürgern zugute käme (6).

2.8.3   Notwendig sind außerdem die Abgeltung von Urheberrechten und ihre Verwaltung, indem eine europaweite Lizenzierung und die Entwicklung europaweit gültiger Urheberrechtsbestimmungen unter Berücksichtigung aller Interessen erleichtert werden. Auf diesem Gebiet ist die Binnenmarktakte nicht ambitioniert genug – es könnte mehr für die Verbraucher getan werden.

2.9   Corporate Governance und die Beteiligung der Arbeitnehmer (36, 37, 38)

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, eine öffentliche Konsultation zum Thema soziale Verantwortung der Unternehmen („Corporate Governance“) und ihre positiven Auswirkungen auf innovative Sozialprojekte einzuleiten. Die Kommission muss dafür Sorge tragen, dass die EU sich stärker für den Ausbau der sozialen Verantwortung der Unternehmen einsetzt, damit die Einbindung der Arbeitnehmer weiter vorangetrieben und die Transparenz der von den Unternehmen bereitgestellten Informationen erhöht wird. Das Recht des Arbeitnehmers auf Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung ist im Vertrag als Bestandteil verschiedener Formen der Einbindung der Arbeitnehmer als Grundrecht festgeschrieben worden: Art. 151 Abs. 1 „Dialog zwischen den Sozialpartnern“ und Art. 153 Abs. 1, wo es unter Punkt f) heißt, dass die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf folgenden Gebieten unterstützen und ergänzen soll: „Vertretung und kollektive Wahrnehmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen, einschließlich der Mitbestimmung“. Mit Hilfe der öffentlichen Konsultation sollte daher untersucht werden, wie die Transparenz der von Unternehmen bereitgestellten Informationen über soziale und ökologische Aspekte sowie über die Achtung der Menschenrechte erhöht werden kann. Wenn dem EWSA ein konkretes Stellungnahmeersuchen zugeht, wird er die Initiative für soziales Unternehmertum eingehend prüften, einschließlich der Möglichkeit, auch weiterhin am freiwilligen Charakter der sozialen Verantwortung der Unternehmen festzuhalten.

2.10   Freizügigkeit von Arbeitnehmern und die wirtschaftlichen Freiheiten (30)

Die Kommission plant die Annahme eines Legislativvorschlags, der auf eine bessere Umsetzung der Entsenderichtlinie abzielt. Eine Klarstellung zur Ausübung der sozialen Grundrechte im Kontext der wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarkts könnte in diesen Vorschlag aufgenommen werden bzw. den Vorschlag ergänzen. Damit wird keine Änderung vorgeschlagen, sondern ein weiterer Rechtsakt zur verbesserten Umsetzung der Richtlinie. Die bei der Anwendung dieser Richtlinie auftretenden Widersprüche sollten geklärt werden, und die Befugnisse der Mitgliedstaaten zum Ausbau ihrer Arbeitsnormen und ihrer Systeme der Arbeitsbeziehungen einschließlich der wichtigen Funktion von Tarifverhandlungen in unterschiedlicher Form sollten ganz klar definiert werden. Das Ergebnis dieser Klärung sollte Aufschluss darüber geben, ob eine Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern erforderlich ist. Dies sollte nicht zu Lasten der Wettbewerbsregeln und des Grundsatzes des Verbots jeglicher Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit erfolgen. Änderungen des bestehenden Rechts und neue Rechtsakte sollten erst nach Konsultation mit den Sozialpartnern und unter Wahrung eines Gleichgewichts zwischen hohen Standards bei den Arbeitsnormen und wirtschaftlichen Freiheiten durchgeführt werden (7).

2.11   Rechtsvorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesen (17)

2.11.1   Die Kommission wird 2012 Legislativvorschläge zur Vereinfachung und Modernisierung der europäischen Vorschriften für das öffentliche Vergabewesen vorlegen. Sie dienen dem Ziel, eine reibungslosere Auftragsvergabe und eine stärkere Nutzung des öffentlichen Vergabewesens für die Unterstützung anderer Politikbereiche zu ermöglichen. Durch das öffentliche Auftragswesen kann innerhalb des derzeitigen Rechtsrahmens das innovative und ökologische Wachstum unterstützt werden. Keiner der neuen Vorschläge sollte Konkurrenten aus anderen Mitgliedstaaten daran hindern, sich auf Grundlage der 2004 genehmigten Regeln an einer Ausschreibung zu beteiligen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung sollte beachtet werden

2.11.2   Die Kommission sollte im Rahmen ihrer Initiative zum öffentlichen Auftragswesen den nach wie vor zwischen der EU und ihren wichtigsten Handelspartnern bestehenden Ungleichgewichten bei der Öffnung der Märkte für das öffentliche Auftragswesen größere Aufmerksamkeit schenken. Es stellt sich die Frage, inwieweit die europäischen Märkte für das öffentliche Beschaffungswesen grundsätzlich offen sein sollten, während in Drittländern weiterhin ungleiche Bedingungen vorzufinden sind. Hier geht es darum, dass die IAO-Übereinkommen und die Menschenrechte von allen Beteiligten sowohl in den Mitgliedstaaten als auch in Drittländern respektiert werden.

2.11.3   Seit das Projekt Binnenmarkt Mitte der 80er Jahre eingeleitet wurde, wird über die Integration einer grundsätzlichen Sozialklausel in das Regelwerk diskutiert. Diese Forderungen wurden durch die Änderung der Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen im Jahr 2004 erfüllt. Die Änderung der EU-Richtlinien über das öffentliche Auftragswesen sollte zu einer erschöpfenden Nutzung des gültigen Rechtsrahmens durch die Aufnahme sozialer und ökologischer Kriterien in öffentliche Aufträge führen, wobei derartige Kriterien im Einklang mit den grundlegenden Prinzipien des EU-Rechts stehen müssen (8).

2.12   Externe Dimension (24)

Der EWSA hält den Vorschlag zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen auf dem Weltmarkt für eine der wichtigsten Prioritäten, denn der Binnenmarkt kann nicht getrennt vom globalen Wettbewerb betrachtet werden. Die EU muss in den Verhandlungen mit ihren wichtigsten Handelspartnern stärker als bisher eindeutig Stellung beziehen, um eine stärkere Regelungskonvergenz zu erzielen und die Einführung internationaler, auf den EU-Standards beruhender Normen voranzutreiben. Die externe Dimension des Binnenmarktes und die Anwendung der Grundsätze des fairen Handels sind nicht nur für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen von ausschlaggebender Bedeutung, sondern sie dienen auch dazu, das europäische Sozial- und Umweltschutzmodell vor Wettbewerbsverzerrung zu schützen. Der Ausbau der globalen Wettbewerbsfähigkeit sollte jedoch nicht auf Kosten der Grundrechte von Verbrauchern und Bürgern erfolgen.

2.13   Zugang zum Recht / Sammelklagen (46)

Der Zugang zum Recht ist entscheidend für das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt. Die derzeit laufenden Konsultationen zu alternativen Streitbeilegungsverfahren gehen auf die Forderungen des Europäischen Parlaments (9) und des Berichts von Mario MONTI zurück und müssen zur Vorlage von Vorschlägen durch die Kommission führen. Der EWSA begrüßt die angekündigten Legislativvorschläge zu alternativen Streitbeilegungsverfahren im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2011 und plädiert für ihre zügige Verabschiedung. Dies bietet aber an sich keine Garantie dafür, dass Vorschläge rechtzeitig vorgelegt werden bzw. dass so die effektive Umsetzung angemessen konzipierter und wirksamer Mechanismen sichergestellt wird, um Verbrauchern und Unternehmen ein Bündel adäquater Instrumente zur Verfügung zu stellen und unbegründete Streitsachen zu vermeiden.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  KOM(2010) 603 endg.

(2)  Beispielsweise SOLVIT, EURES, Europäische Verbraucherzentren, das Netz „Enterprise Europe Network“.

(3)  ABl. C 221 vom 8.9.2005, S. 17.

(4)  Beim ökologischen Fußabdruck geht man davon aus, dass Verbrauch umgerechnet werden kann in die Fläche, die erforderlich ist, um die konsumierten Güter zu produzieren. Im Jahr 2008 standen pro Kopf 1,8 ha zur Verfügung – der Verbrauch lag jedoch bei 2,2 ha pro Kopf.

(5)  Das Konzept der KMU und der Verweis auf Unternehmen muss so erweitert werden, dass sämtliche Formen des Zugangs zum Binnenmarkt (mit Gewinnorientierung oder ohne) erfasst werden. Dadurch ergibt sich ein umfassenderes und differenzierteres Verständnis des Binnenmarkts und der ganzen Vielfalt seiner Akteure. Maßnahmen im Bereich KMU sind immer auch für alle Arten von sozialwirtschaftlichen Akteuren relevant, man denke etwa an die Notwendigkeit des Bürokratieabbaus und des Abbaus nicht notwendiger Hemmnisse und Verwaltungsvorschriften.

(6)  ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 103.

(7)  ABl. C 44, vom 11.2.2011, S. 90.

(8)  Siehe die Erwägungsgründe Nr. 1 und 4 der Richtlinie 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge.

(9)  „Bericht über die Schaffung eines Binnenmarktes für Verbraucher und Bürger“ (Louis Grech, MdEP).


ANHANG

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgender abgelehnter Änderungsantrag erhielt mindestens ein Viertel der Stimmen:

Ziffer 2.3   Text ändern:

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI) (25)

Die Kommission verpflichtet sich, noch 2011 eine Mitteilung mit einem Maßnahmenpaket zu Diensten von allgemeinem Interesse vorzulegen. Der EWSA begrüßt die Initiative, die Bewertung öffentlicher Dienstleistungen zu fördern und die Hindernisse für den universellen Zugang zu den Dienstleistungen zu beseitigen  (1). Das Ziel der Mitteilung und weiterer Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen sollte darin bestehen, den Mitgliedstaaten bei der Entwicklung und Verbesserung ihres Dienstleistungsangebots im Einklang mit dem Protokoll über die DAI Hilfestellung zu leisten. Die Bewertung öffentlicher Dienstleistungen sollte auch eine kritische und eingehende Beurteilung früherer Liberalisierungen umfassen und unter Beteiligung aller wichtigen Interessenträger durchgeführt werden. Dem EWSA liegt insbesondere am Herzen, dass die Qualitätsstandards aufrechterhalten werden und die Zugänglichkeit weiter gegeben ist, einschließlich der Möglichkeit, zur Belebung des Wettbewerbs ohne größeren Aufwand den Dienstleistungsanbieter zu wechseln. Die EU sollte in Übereinstimmung mit dem Protokoll über die DAI ihre Fähigkeit zur Beurteilung der Auswirkungen aller Binnenmarktinitiativen und anderer EU-Initiativen auf die öffentlichen Dienstleistungen weiterentwickeln.“

Begründung

Effiziente, kostenwirksame und qualitativ hochwertige öffentliche Dienstleistungen sind für die Gesellschaft in Europa von ausschlaggebender Bedeutung. Sie steigern unsere Lebensqualität und tragen in hohem Maße zur Förderung des territorialen und sozialen Zusammenhalts in Europa bei.

Aufgrund des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon im Jahre 2009 erübrigt sich ein neuer horizontaler Rechtsrahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Form einer verbindlichen Rahmenrichtlinie, denn damit wurde Protokoll Nr. 26 über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse dem EU-Vertrag als Anhang beigefügt und somit ist der Verweis auf die EWSA-Stellungnahme aus dem Jahre 2005 nicht mehr aktuell.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

:

42

Nein-Stimmen

:

53

Stimmenthaltungen

:

19


(1)  


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/53


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2000/25/EG in Bezug auf die Anwendung von Emissionsstufen bei Schmalspurzugmaschinen“

KOM(2011) 1 endg. — 2011/0002 (COD)

2011/C 132/09

Hauptberichterstatter: Brendan BURNS

Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 2. Februar 2011 bzw. am 20. Januar 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2000/25/EG in Bezug auf die Anwendung von Emissionsstufen bei Schmalspurzugmaschinen

KOM(2011) 1 endg. — 2011/0002 (COD).

Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch am 18. Januar 2011 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 16. März), Brendan BURNS zum Hauptberichterstatter zu bestellen, und verabschiedete mit 147 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist davon überzeugt, dass die Reduzierung der schädlichen Kohlenmonoxid-, Stickstoffoxid-, Kohlenwasserstoff- und Partikelemissionen aus Motoren in land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen als Beitrag zur Erreichung der von der EU festgelegten Luftqualitätsziele unerlässlich ist.

1.2

Nach Meinung des Ausschusses müssen Rechtsvorschriften, die die Verbesserung der Gesundheit und der Umwelt zum Ziel haben, auf soliden technischen, wirtschaftlichen und sozialen Analysen fußen.

1.3

Die unabhängigen Studien und die von der Kommission zusammengetragenen Daten belegen dem Ausschuss zufolge schlüssig die Notwendigkeit, dass mehr Zeit für die Entwicklung geeigneter Abgas-Nachbehandlungseinrichtungen und ihren Einbau in Spezialzugmaschinen, die für besonders anspruchsvollen Landbau, namentlich Weinbau, ausgelegt sind, zugestanden werden muss.

1.4

Der Ausschuss unterstützt den Vorschlag der Kommission, die in Artikel 4 der Richtlinie 2000/25/EG festgesetzten Termine für die Typgenehmigung und die erste Inbetriebnahme in Bezug auf die Stufen IIIB und IV für Zugmaschinen der Kategorien T2, C2 und T4.1 um drei Jahre zu verschieben.

1.5

Allerdings bezweifelt der Ausschuss, dass die Untersuchungen, die diesem Vorschlag zugrundeliegen, den sicheren Schluss zulassen, dass diese Zugmaschinen die Anforderungen der Stufe IV erfüllen können.

1.6

Der Ausschuss schlägt vor, dass die Kommission nach einer angemessenen Vorlaufzeit (zu empfehlen wäre Ende 2014) erneut überprüft, inwieweit die Stufe IV bei entsprechendem technischem Fortschritt realisierbar ist, und erforderlichenfalls weitere Änderungen der Anforderungen oder Fristen für die Durchführung von Stufe IV für Schmalspurzugmaschinen vorschlägt.

1.7

Der Ausschuss empfiehlt, dass für künftige Entwicklungen im Zusammenhang mit den Abgasvorschriften für Motoren mobiler Maschinen und Geräte und Zugmaschinen gemeinsame detaillierte Folgenabschätzungen erstellt werden und dass Rechtsvorschriften nicht ohne angemessene Prüfung und ggf. Überarbeitung auf andere Gerätetypen übertragen werden.

1.8

Da alle Entwicklungen der Abgas-Rechtsvorschriften für Motoren mobiler Maschinen und Geräte in Richtlinie 97/68/EG automatisch in die entsprechende Zugmaschinen-Richtlinie 2000/25/EG übernommen werden, empfiehlt der Ausschuss der Kommission, bei jeder Folgenabschätzung die besonderen Merkmale von Zugmaschinen im Allgemeinen und von Schmalspurzugmaschinen im Besonderen zu berücksichtigen, auch wenn sie nicht von der Richtlinie 97/68/EG erfasst werden.

2.   Einleitung

2.1

Die Richtlinie 2000/25/EG gilt für Motoren mit Kompressionszündung und einer Leistung von 18 kW bis 560 kW, die für den Einbau in land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen bestimmt sind. Darin werden die Grenzwerte für Kohlenstoffmonoxid-, Stickstoffoxid-, Kohlenwasserstoff- und Partikelemissionen festgelegt. Es werden nach einem Stufenplan mit bestimmten Fristen immer strengere zulässige Höchstgrenzen für Abgas- und Partikelemissionen vorgesehen. Als nächstes sind die Grenzwerte der Stufen IIIB (ab 1. Januar 2011) und IV (ab 1. Januar 2014) umzusetzen.

2.2

Die Grenzwerte für die Abgasemissionen aus Motoren in land– und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen wurden 2005 geändert. Damals wurden die für Motoren mobiler Maschinen und Geräte geltenden Vorschriften (Richtlinie 97/68/EG, geändert durch Richtlinie 2004/26/EG) auf landwirtschaftliche Zugmaschinen übertragen, ohne dass eine Folgenabschätzung, insbesondere im Hinblick auf die technische Machbarkeit der Anforderungen, durchgeführt worden wäre. Dagegen wurde in Artikel 4 Absatz 8 der Richtlinie 2000/25/EG eine weitere Untersuchung der Machbarkeit der vorgesehenen Emissionsgrenzwerte vor der verpflichtenden Umsetzung der Stufen IIIB und IV erforderlich gemacht.

2.3

In den letzten 40 Jahren wurden in Europa Spezialzugmaschinen entwickelt, um mechanisierte Betriebsverfahren auch bei schwierigen Geländeverhältnissen und besonderer Bepflanzung wie im Wein- und Obstbau u.ä., vor allem in Mittel- und Südeuropa, zu ermöglichen. Die damit verbundenen Anforderungen stellen sich ausschließlich bei Anbauverfahren in Europa, und die betreffenden Spezialzugmaschinen werden auch nur für diesen Markt entwickelt. Die bei diesen Anbauverfahren eingesetzten land– und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen werden in der Zugmaschinen-Typgenehmigungsrichtlinie 2003/37/EG als sog. Schmalspurzugmaschinen den Klassen T2, C2 und T4.1 zugeordnet.

2.4

Parallel zur Weiterentwicklung der Traktoren fanden Umstrukturierungen (1) statt, um Ertrag und Qualität der Spezialkulturen zu verbessern. Diese strukturellen Veränderungen waren nur aufgrund der Schmalspurzugmaschinen möglich, und deshalb sind einige der qualitativ hochwertigsten und ertragreichsten Anbaugebiete in der EU vollkommen auf Schmalspurzugmaschinen angewiesen – und umgekehrt.

2.5

Die strengen Grenzwerte der Stufen IIIB und IV erfordern den Einbau von Abgas-Nachbehandlungseinrichtungen, die im Verhältnis zum Motor vergleichsweise groß und mit den Einsatzanforderungen der Schmalspurzugmaschinen kaum vereinbar sind. Zwar werden Schmalspurzugmaschinen durch die gleichen Motoren angetrieben wie andere Zugmaschinen auch, doch ist der Platz innerhalb und außerhalb des Motorraums begrenzt.

2.6

Die Zugmaschinenhersteller können nicht die Motoren mitsamt den Abgas-Nachbehandlungseinrichtungen einbauen und gleichzeitig weiterhin den grundlegenden Betriebsanforderungen in Bezug auf Größe und Manövrierfähigkeit, für die diese Zugmaschinen ausgelegt sind, gerecht werden.

2.7

Zu diesem Schluss gelangten auch mehrere im Auftrag der Kommission erstellte Studien, in denen vorgeschlagen wurde, Schmalspurzugmaschinen entweder von den Anforderungen der Stufen IIIB und IV ganz zu befreien oder mindestens fünf zusätzliche Jahre für die Umsetzung zu bewilligen.

2.8

Mit einem Jahresumsatz von 26 000 Einheiten haben Schmalspurzugmaschinen einen Anteil von 16 % auf dem Markt für neue Zugmaschinen. Ohne geeignete Maßnahmen würden neue Zugmaschinen, die die Grenzwerte der Stufe IIIA erfüllen, nicht mehr zugelassen. Damit ginge zum einen der durch sie bewirkte Umweltvorteil verloren und zum anderen würden ca. 80 000 Beschäftigte in der Landwirtschaft erhöhten Sicherheitsrisiken ausgesetzt, da die älteren Zugmaschinen kaum mit den neuen Sicherheitsvorkehrungen ausgerüstet sind. 3 000 Arbeitsplätze könnten in der Schmalspurzugmaschinen produzierenden Branche und ihren Zulieferbetrieben in der EU verloren gehen.

3.   Die vorgeschlagene Änderung der Richtlinie

3.1

Es wird vorgeschlagen, durch eine Änderung der Richtlinie 2000/25/EG die Erfüllung aller Anforderungen der Stufen IIIB und IV für Zugmaschinen der Kategorien T2, C2 und T4.1 um drei Jahre zu verschieben.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der Ausschuss befürwortet das Konzept der Kommission und bekräftigt im Einklang mit dem sechsten Umweltaktionsprogramm (KOM(2001) 31 endg.) (2) die Notwendigkeit, die Luftqualität durch Emissionsminderungen an der Quelle zu verbessern und sich bei der Festsetzung der Grenzwerte auf solide wissenschaftliche Kenntnisse und wirtschaftliche Analysen sowie zuverlässige und aktuelle Umweltdaten und –informationen zu stützen.

4.2

Der Ausschuss unterstützt den Vorschlag der Kommission, der zum Ziel hat, diese Grundsätze auf die Stufen IIIB und IV anzuwenden.

4.3

Nach Meinung des Ausschusses ist es aber fraglich, ob es wirklich möglich sein wird, Motoren, die den Grenzwerten der Stufe IV genügen, in Schmalspurzugmaschinen einzubauen, und diese weiterhin ihren Betriebsanforderungen gerecht werden können. Die Kommission hält es für wichtig, die technischen Fortschritte in der Industrie im Zeitverlauf zu überwachen, um feststellen zu können, wie weit der Übergang zu den Grenzwerten der Stufen IIIB und IV fortgeschritten ist.

4.4

Der Ausschuss empfiehlt, dass im Rahmen des von der Kommission vorgeschlagenen Überwachungsprozesses vor der verpflichtenden Einführung der Grenzwerte von Stufe IV ein Bericht über die Durchführbarkeit von Stufe IV für Schmalspurzugmaschinen und eventuell notwendige Änderungen der Richtlinie vorgelegt werden sollte.

4.5

Der Ausschuss geht davon aus, dass bei der Übertragung der Emissionsstufen IIIB und IV von mobilen Maschinen und Geräten auf Zugmaschinen im Allgemeinen und Spezialzugmaschinen im Besonderen über die Änderung der Richtlinie 2000/25/EG im Jahr 2005 keinerlei Folgenabschätzung vorgenommen wurde und dass deshalb jetzt diese nachträgliche Änderung erforderlich geworden ist.

Brüssel, den 16. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  U.a. durch umfangreiche Förderung im Rahmen der GAP.

(2)  ABl. C 154 E vom 29.5.2001, S. 218.


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/55


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: ‚Jugend in Bewegung‘ — Eine Initiative zur Freisetzung des Potenzials junger Menschen, um in der Europäischen Union intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zu erzielen“

KOM(2010) 477 endg.

2011/C 132/10

Berichterstatter: Pavel TRANTINA

Mitberichterstatter: Juan MENDOZA CASTRO

Die Kommission beschloss am 15. September 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: ‚Jugend in Bewegung‘ - Eine Initiative zur Freisetzung des Potenzials junger Menschen, um in der Europäischen Union intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zu erzielen

KOM(2010) 477 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen und Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 24. Februar 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung der Empfehlungen

1.1   Der EWSA ist sich der Notwendigkeit bewusst, junge Menschen ins Blickfeld zu rücken, die von der aktuellen Wirtschaftskrise hart getroffen wurden. Er erkennt den Nutzen der Initiative „Jugend in Bewegung“ als festen Bestandteil der Europa-2020-Maßnahmen an und begrüßt die in der Mitteilung dargelegten allgemeinen Bestimmungen. Der EWSA ist bereit, durch Bündelung der Kräfte und Schärfung des Profils der Initiative mit den Sozialpartnern und den Organisationen der Zivilgesellschaft und durch Ermittlung der Lücken in der Initiative, die durch die EU-Jugendstrategie geschlossen werden, an ihrer Umsetzung mitzuwirken.

1.2   Der EWSA betont, dass die im Rahmen der Initiative „Jugend in Bewegung“ vorgeschlagenen Zielsetzungen überwacht und die Fortschritte bei der Umsetzung anhand klarer Indikatoren gemessen werden sollten, damit die Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen verstärken können, falls diese Zielsetzungen nicht rechtzeitig erreicht werden.

1.3   Vor dem Hintergrund der durch die Wirtschaftskrise erforderlichen Neubewertung der Haushaltsprioritäten betont der EWSA, wie wichtig es ist, die effektive Nutzung der auf nationaler und auf EU-Ebene für Bildung, Ausbildung und Beschäftigung junger Menschen bereit gestellten Mittel beizubehalten und wenn möglich aufzustocken. Mit den Programmen zur Neubelebung der Wirtschaft muss die Schaffung sicherer Arbeitsplätze gefördert und Studienabbrüchen vorgebeugt werden.

1.4   Der EWSA unterstützt die Schaffung eines Qualitätsrahmens für Praktika und begrüßt die Maßnahmen zur Beseitigung rechtlicher und administrativer Hindernisse für die Freizügigkeit junger Menschen zum Zwecke von Bildung, Praktika und betrieblicher Ausbildung.

1.5   Der EWSA begrüßt die Initiative der Kommission zur Verbesserung der Validierung nichtformalen Lernens und zur Steigerung der Sichtbarkeit von außerhalb des formalen Bildungssystems erworbenen Kompetenzen, wie z.B. durch den Europäischen Qualifikationspass. In den Diskussionen über die Art und Weise der Validierung sollte es auch um die Qualität der Bildungs- und Ausbildungsangebote und ihre Überwachung und Kontrolle gehen. Gleichzeitig erinnert der EWSA daran, dass jeder von den Maßnahmen zur Förderung des nichtformalen Lernens profitieren sollte, weshalb sie nicht nur auf junge Menschen mit weniger Chancen beschränkt werden sollten.

1.6   Der EWSA begrüßt die Entwicklung von Instrumenten auf nationaler Ebene, wie etwa die „Jugendgarantie“, die den jungen Menschen den Übergang von der Ausbildung zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Gleichwohl ist der EWSA der Ansicht, dass einige andere Initiativen eingehender geprüft werden sollten, bevor sie umgesetzt werden. Das betrifft hauptsächlich das Benchmarking der Leistungen im Bereich der Hochschulbildung, die Einführung eines speziellen Jugendausweises im Rahmen von „Jugend in Bewegung“, die Entwicklung der Initiative „Dein erster EURES-Arbeitsplatz“ und die Auseinandersetzung mit der Zukunft der europäischen Progress-Mikrofinanzierungsfazilität.

1.7   Der EWSA unterstützt die Bemühungen der Kommission um Identifizierung der wirksamsten Wege zur Förderung der Jugendbeschäftigung. Diese umfassen Weiterbildungsprogramme, absichernde Maßnahmen und Leistungen in Verbindung mit Aktivierungsmaßnahmen, Einstellungsbeihilfen, entsprechende Lohn- und Sozialversicherungsvereinbarungen ebenso wie Berufsberatung. Der EWSA betont, dass dabei der soziale Dialog und der Dialog mit der Zivilgesellschaft zum Einsatz kommen und gestärkt werden müssen.

1.8   Der Schwerpunkt der Initiative liegt zwar auf Bildung und Ausbildung, doch wird der Entwicklung von Sozialkapital und der Mitwirkung von Jugendlichen in der europäischen Zivilgesellschaft nicht hinreichend Aufmerksamkeit geschenkt. Darüber hinaus sollte auch integratives Wachstum als eine thematische Priorität in Jugendstrategien aufgenommen werden, und es sollten die für die Umsetzung erforderlichen Mittel bereitgestellt werden, wie etwa die Weiterführung und der Ausbau des bereits bestehenden Programms „Jugend in Aktion“.

1.9   Der EWSA bedauert, dass die Initiative keine Maßnahmen zu Stärkung und zum Ausbau der sozialen und bürgerschaftlichen Dimension der Jugend in Europa beinhaltet. In der Mitteilung sollte sich der Titel „Jugend in Bewegung“ nicht nur im Sinne von „über“ oder „für“ die Jugend, sondern von „mit“ der Jugend niederschlagen, wodurch die aktive Mitwirkung junger Menschen an der Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen betont wird. Der EWSA fordert die Kommission auf, die Initiative um die erforderlichen Maßnahmen zu erweitern.

1.10   Der EWSA schlägt vor, ein neues Paket mit Informationen über die spezielle Website für diese Initiative in bestehende Informationsquellen, wie etwa PLOTEUS, JUGEND und weitere aktuelle Portale aufzunehmen. Die Aufnahme neuer Informationen in bestehende Websites könnte wirkungsvoller sein und jungen Menschen einen leichteren Zugang ermöglichen.

1.11   Praktika sollten attraktiver werden und die Interessen aller Beteiligten widerspiegeln, und die Mitgliedstaaten sollten im Zuge verschiedener Anreizmaßnahmen die Arbeitgeber dazu ermutigen, mehr Praktikumsmöglichkeiten und in der Folge mehr und bessere Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen.

1.12   Der EWSA begrüßt, dass dem Einsatz des Europäischen Sozialfonds (ESF) ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Bei den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über die neue Finanzplanung sollte die Kommission ihren Blick besonders auf die Frage richten, ob es ausreichende Mittel für die Initiativen des ESF und speziell für die jugendspezifischen Initiativen gibt oder nicht.

1.13   Der EWSA wird sich näher mit dem potenziellen Beitrag eines europäischen Systems für Studentendarlehen im Vergleich zu den bereits bestehenden Möglichkeiten und Instrumenten befassen.

2.   Wesentlicher Inhalt der Kommissionsinitiative

2.1   Mit der Europa-2020-Strategie wurden ehrgeizige Ziele für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum in der EU festgelegt, wobei die Jugend entscheidende Akteure für deren Erreichung darstellen. Die wesentlichen Elemente für die Freisetzung des Potenzials aller junger Menschen  (1) und damit für die Erreichung der Ziele der 2020-Strategie sind hochqualitative Bildung und Ausbildung für alle, erfolgreiche und dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt, adäquate und adäquat bezahlte Arbeit und Möglichkeiten für größere Mobilität. Dies hat zur Folge, dass die Initiative „Jugend in Bewegung“ durch das in ihr enthaltene Maßnahmenpaket zu einer der vorgeschlagenen Leitinitiativen der Strategie wurde.

2.2   Durch „Jugend in Bewegung“ sollen die Ziele und Prioritäten, die den strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung (Allgemeine und berufliche Bildung 2020) definieren, gestärkt und Maßnahmen zur Erreichung folgender Ziele umgesetzt werden:

Verbesserung der Chancen junger Menschen, erfolgreich in den Arbeitsmarkt einzutreten und dort langfristig Fuß zu fassen;

Zugang zu Hochschulbildung für mehr junge Menschen;

bessere Anpassung von Ausbildung und Lehre an die Bedürfnisse der Jugendlichen;

Sicherstellung, dass bis zum Jahre 2020 jeder europäische Bürger, der dies wünscht, im Ausland studieren oder sich ausbilden lassen kann;

Senkung der Jugendarbeitslosigkeit durch Erhöhung der Zahl der Arbeitsplätze, die für junge Menschen zugänglich sind, ebenso wie der Unternehmenspraktika für Studenten und der Arbeitserfahrung, die bei den Studenten Unternehmergeist fördert;

Bereitstellung von mehr und besseren Informationen über EU-Instrumente zur Förderung von Mobilität, insbesondere Studiengänge, Ausbildungen oder Praktika im Ausland, usw.

2.3   Für alle Handlungsschwerpunkte wurde eine Reihe von vorrangigen neuen Maßnahmen festgelegt. Sie beinhalten Vorschläge, die speziell auf die Umsetzung dieser Prioritäten angelegt sind.

3.   Allgemeine Bemerkungen des Ausschusses zur Mitteilung der Kommission

3.1   Die Leitinitiative „Jugend in Bewegung“ ist Teil der Europa-2020-Strategie für intelligentes, nachhaltiges und inklusives Wachstum. Sie unterstreicht den neuen holistischen Ansatz, demzufolge die Politik zur Förderung von Jugendbildung und -beschäftigung in engem Zusammenhang mit anderen Leitinitiativen und den 5 EU-weiten Kernzielen gesehen wird. Der EWSA weist auf die Notwendigkeit hin, für Kohärenz zwischen der EU-Ebene und den nationalen Politiken zu sorgen und regierungsunabhängigen Akteuren eine zentrale Rolle zuzuweisen.

3.2   Der EWSA möchte betonen, dass die Initiative vor dem Hintergrund der größten Wirtschaftskrise in Europa seit Jahren gesehen werden sollte. Das darf nicht unberücksichtigt bleiben, besteht doch das erklärte Ziel in der „Freisetzung des Potenzials junger Menschen, um in der Europäischen Union intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zu erzielen“. Man muss danach fragen, wie die Krise die Arbeitsplatzsicherheit, sozialen Rechte und sämtliche Pläne und Projekte zur Mobilität von Studenten und zur Arbeitsplatzmobilität junger Menschen derzeit beeinflusst. Nach Meinung des EWSA müssen die Anknüpfungspunkte herausgestellt werden, die zwischen den ergriffenen wirtschaftsbezogenen Maßnahmen und deren möglichen Auswirkungen auf bestehende europäische Vorhaben und Programme bestehen, die für junge Menschen von großem Wert sind. Hier sollten jegliche Kürzungen vermieden werden. Vielmehr sollten die verfügbaren Ressourcen zielgerichteter und möglichst deutlich aufgestockt werden.

3.3   Der EWSA anerkennt den Nutzen der Initiative „Jugend in Bewegung“ als festen Bestandteil der Maßnahmen im Rahmen von „Europa 2020“ und begrüßt die allgemeinen Bestimmungen dieser Mitteilung. Durch die Initiative sollten zuallererst die verschiedenen bestehenden und künftigen Maßnahmen und Projekte wirkungsvoller miteinander verknüpft werden, um die Chancen zur Erreichung der oben genannten Zielsetzungen zu verbessern. Der EWSA bedauert, dass die Initiative keine Maßnahmen zu Stärkung und zum Ausbau der sozialen und bürgerschaftlichen Dimension der Jugend in Europa beinhaltet. In der Mitteilung sollte sich der Titel „Jugend in Bewegung“ nicht nur im Sinne von „über“ oder „für“ die Jugend, sondern von „mit“ der Jugend niederschlagen, wodurch die aktive Mitwirkung junger Menschen an der Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen betont wird. Der EWSA fordert die Kommission auf, die Initiative um die erforderlichen Maßnahmen zu erweitern.

3.4   Da die Initiative zwei Hauptschwerpunkte umfasst, nämlich Bildung und Beschäftigung, begrüßt der EWSA, dass Mobilität, Attraktivität und Qualität betont werden und sich die Mitteilung damit – insbesondere mit ihren strategischen Zielen 1 und 2 – in den strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung 2020 einfügt. Es ist wichtig, dass in dieser Initiative besonderer Wert gelegt wird auf eine höhere Bildungsmobilität, die Modernisierung der Hochschulbildung, die Verbesserung und Validierung von informalem und nichtformalem Lernen und die Gewährleistung effizienter und nachhaltiger Investitionen in Bildung und Berufsausbildung.

3.5   Der EWSA begrüßt ferner, dass in der Initiative die Anknüpfungspunkte zwischen den Zielsetzungen und der fortgesetzten Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (EQR), offeneren Bildungssystemen, verbesserter Berufsberatung und der Partnerschaft zwischen Bildungsinstitutionen und Arbeitgebern (2) betont werden. Für die Umsetzung dieser Initiative empfiehlt der EWSA, sich hauptsächlich auf die Öffnung der Bildungssysteme und deren Anpassung an die Bedürfnisse von Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu konzentrieren, indem die Initiative „Jugend in Bewegung“ effektiv mit den bestehenden Instrumenten für Bildungsmobilität wie dem Europass und dem Europäischen System zur Anrechnung und Akkumulierung von Studienleistungen (ECTS) ineinandergreift und die Zusammenarbeit zwischen Bildungsinstitutionen und Arbeitgebern ebenso wie Gewerkschaften, Studierenden und anderen Akteuren verbessert wird.

3.6   Die Initiative stellt Bildung und Beschäftigung in den Vordergrund, doch die Entwicklung des Sozialkapitals und die Förderung der Jugend in der europäischen Zivilgesellschaft werden nicht ausreichend hervorgehoben. Hier orientiert sich die Initiative „Jugend in Bewegung“ nicht hinreichend an den Zielen der 2009 angenommenen neuen EU-Jugendstrategie ‚Investitionen und Empowerment‘, des Vertrags von Lissabon (Artikel 165 Absatz 2), in dem die Bürgerdimension gestärkt und die Notwendigkeit betont wird, junge Menschen zur Beteiligung am demokratischen Leben anzuhalten, und der Maßnahmen zugunsten junger Menschen. Schlüsselkompetenzen, die direkten Bezug zur Wirtschaft aufweisen (wie Innovation und unternehmerische Initiative), staatsbürgerliche Bildung, Solidarität und Stärkung des sozialen Zusammenhalts, d. h. die uneingeschränkte Einbeziehung der Jugend in die gesamte soziale Agenda müssen integriert und die erforderlichen unterstützenden Maßnahmen konzipiert und in die Initiative aufgenommen werden.

3.7   Ferner sollte integratives Wachstum als Priorität in Strategien für junge Menschen einbezogen werden, und die nötigen Mittel für ihre Umsetzung, wie etwa die Beibehaltung und Stärkung des bestehenden Programms „Jugend in Bewegung“, sollten geschaffen werden.

3.8   Einige Aspekte der Nichtdiskriminierung sollten deutlicher in die Initiative eingebunden werden. Der EWSA regt die Aufnahme von Maßnahmen an, die das Problem der Vergütungsunterschiede zwischen jungen Frauen und Männern angehen. Unterschiede zwischen Einheimischen und Menschen mit Migrationshintergrund und ihre Schwierigkeiten, gleiche Bedingungen und Qualifikationen zu erreichen, müssen thematisiert werden. Die berufliche Integration von benachteiligten jungen Menschen sollte ebenfalls angemessene Aufmerksamkeit erhalten.

3.9   Die im Rahmen der Initiative „Jugend in Bewegung“ vorgeschlagenen Zielsetzungen sollten überwacht und die Fortschritte bei der Umsetzung anhand klarer Indikatoren gemessen werden, damit die Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen verstärken können, falls diese Zielsetzungen nicht rechtzeitig erreicht werden.

3.10   Im folgenden Abschnitt befasst sich der EWSA mit den in der Mitteilung festgelegten Handlungsschwerpunkten und legt zu jeder vorgeschlagenen neuen vorrangigen Maßnahme seine Bemerkungen und zusätzlichen Informationen dar.

4.   Ausarbeitung moderner Systeme für die allgemeine und berufliche Bildung, die Schlüsselkompetenzen vermitteln und Exzellenz hervorbringen

4.1   Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Senkung der Schulabbrecherquote (2010)

4.1.1   Die Senkung der Schulabbrecherquote ist insbesondere für einige Mitgliedstaaten eine besonders wichtige Frage. Sie ist ein Kernziel der Europa-2020-Strategie und leitet sich direkt aus den Benchmarks des strategischen Rahmens „Allgemeine und berufliche Bildung 2020“ ab. Vor dem Hintergrund der durch die Wirtschaftskrise ausgelösten Haushaltskürzungen betont der EWSA, wie wichtig es ist, jene Mittel beizubehalten und wenn möglich aufzustocken, die auf nationaler Ebene für die Senkung der Schulabbrecherquote aufgewendet werden.

4.2   Einsetzung einer hochrangigen Expertengruppe zum Thema Lese- und Schreibfähigkeit (2010)

4.2.1   Der EWSA unterstützt Methoden, die sich als wirksam bei der Verbesserung der Fähigkeiten von Schülern und Studenten und bei der Beseitigung des Analphabetentums in der Europäischen Union erwiesen haben. Außerdem betont er die Bedeutung von Programmen, die sich an sozial benachteiligte junge Menschen und solche mit Migrationshintergrund richten. Wichtig ist, dass die hochrangige Expertengruppe Möglichkeiten zu Dialog und Beratung mit den Sozialpartnern und zivilgesellschaftlichen Organisationen gibt.

4.3   Steigerung der Attraktivität und Verbesserung der Qualität beruflicher Aus- und Weiterbildung

4.3.1   Nach Rücksprache mit dem Cedefop weist der EWSA auf die Notwendigkeit einer Überarbeitung der europäischen Strategien für die allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen, einschließlich der beruflichen Aus- und Weiterbildung hin. Erforderlich sind:

Zielgerichtetere Aus- und Weiterbildung;

Förderung und Aufwertung eines breiteren Spektrums an Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen;

Abbau des Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage von Wissen und Fertigkeiten;

Unterstützung neuer Lernumfelder;

Öffnung der allgemeinen und beruflichen Bildungsstrukturen und –einrichtungen;

Berücksichtigung individueller Bedürfnisse.

4.3.2   Der EWSA begrüßt daher das Kommuniqué von Brügge, mit dem die europäische Zusammenarbeit im Bereich der Berufsbildung gefördert und 11 langfristige strategische Ziele für das nächste Jahrzehnt (2011-2020) festgelegt werden. Der EWSA unterstützt eine Steigerung der Qualität der beruflichen Aus- und Weiterbildung auf EU-Ebene. Die berufliche Aus- und Weiterbildung sollte als einer der ersten Handlungsschwerpunkte von größerer Mobilität profitieren.

4.4   Vorschlag für einen Rahmen für hochwertige Praktika

4.4.1   Der EWSA begrüßt die Maßnahmen zur Beseitigung von rechtlichen und verwaltungstechnischen Hürden für die Freizügigkeit junger Praktikanten. Im strukturierten Dialog mit Jugendlichen wurde die Qualität der Praktika in den jeweiligen Mitgliedstaaten als weiteres wichtiges Problem ermittelt. Daher sollte der europäische Rahmen eine nationale Debatte zu Praktika, Ausbildungen und der Qualität von Beschäftigungsverträgen, die jungen Menschen angeboten werden, in Gang setzen. Praktika sollten fester Bestandteil einer Ausbildung sein und ein starke Bildungskomponente beinhalten, die junge Menschen befähigt, später stabile, hochwertige, angemessen bezahlte und diskriminierungsfreie Arbeitsplätze zu finden.

4.4.2   Das Erfordernis eines Rahmens für hochwertige Praktika sollte für alle Arten des Lernens in einer realen Arbeitsumgebung gelten, unabhängig davon, ob sie zu formellen Ausbildungsprogrammen gehören oder freiwillig außerhalb von einem solchen formellen Ausbildungsrahmen erfolgen. Praktika sollten keinen Ersatz für richtige Arbeitsplätze darstellen, sondern den Praktikanten die notwendigen Fähigkeiten für den reibungslosen Übergang in die Arbeitswelt vermitteln. Jugendliche Praktikanten sollten für jegliche in ihrem Charakter als beruflich einzustufende Tätigkeit vergütet und sozialversichert werden. Damit diese Praktika effizient und für den Arbeitsmarkt relevant gestaltet werden, müssen die Sozialpartner in die Ausarbeitung, Organisation, Durchführung und Finanzierung einbezogen werden.

4.4.3   Praktika sollten attraktiver werden und die Interessen aller Beteiligten widerspiegeln, und die Mitgliedstaaten sollten im Zuge verschiedener Anreizmaßnahmen die Arbeitgeber dazu ermutigen, mehr Praktikumsmöglichkeiten und in der Folge mehr und bessere Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen, und dies unter Berücksichtigung der von den europäischen Sozialpartnern angenommenen Rahmenvereinbarung zu inklusiven Arbeitsmärkten.

4.5   Vorschlag für einen Entwurf einer Empfehlung des Rates im Hinblick auf die Förderung und die Validierung des nichtformalen und informellen Lernens (2011)

4.5.1   Der EWSA misst diesem Thema seit Langem große Bedeutung bei und unterstützt deshalb zusätzliche Maßnahmen in dieser Richtung. Besonders begrüßt er die starke Betonung der Validierung der Ergebnisse nichtformalen Lernens. Die Diskussion über die Art und Weise, wie die Validierung zu erfolgen hat, sollte ebenfalls die Qualität der nichtformalen Bildung, ihre Kontrolle und Überwachung ins Visier nehmen. Jeder Einzelne sollte von den Maßnahmen zur Förderung des nichtformalen Lernens profitieren können, weshalb sie nicht nur (wie in der Mitteilung gefordert) auf benachteiligte jungen Menschen beschränkt sein sollten. Nichtformales Lernen, das hauptsächlich von NRO im Rahmen freiwilliger Tätigkeiten angeboten wird, ist ein wichtiger Weg, durch den junge Menschen die in der heutigen Welt erforderlichen Fähigkeiten, insbesondere in Bezug auf Kreativität, Teamfähigkeit, Problemlösen, Sprachkenntnisse, multikulturelles Bewusstsein, Einfühlungsvermögen, Initiativbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein erwerben können.

4.5.2   Bei der Validierung des informellen Lernens werden Arbeitgeber die Akzeptanzsteigerung maßgeblich beeinflussen, und auch die Berufs- und Hochschulbildungseinrichtungen werden hier eine entscheidende Rolle spielen.

4.5.3   In Bezug auf die Anerkennung nichtformalen und informellen Lernens gibt es bereits auf nationaler Ebene eine Reihe beispielhafter Verfahren, wie etwa der deutsche „Profilpass“ und die „Keys for Life“ in der Tschechischen Republik. Diese sollten bei der Erarbeitung der Ratsempfehlung berücksichtigt werden. Die Kommission sollte einen Beitrag zur Analyse und Verbreitung der nachahmenswerten Verfahren leisten und die großen Unterschiede in Entwicklung, Traditionen und Lebenswirklichkeiten innerhalb der EU berücksichtigen.

5.   Steigerung der Attraktivität der Hochschulbildung im Hinblick auf die wissensbasierte Wirtschaft

5.1   Förderung der Reform und der Modernisierung der Hochschulbildung durch Vorlage einer Mitteilung (2011) mit einer neuen erweiterten Agenda für die Hochschulbildung

5.1.1   Die Reform der Hochschulbildung sollte bei der Erreichung der Ziele der Europa-2020-Strategie, mit denen die EU zur führenden Gesellschaft in den Bereichen Wissen, Innovation und Entwicklung werden soll, eine viel größere Rolle spielen. Die Modernisierung der tertiären Bildungsbereiche, die Verwirklichung des Europäischen Hochschulraums und der Ziele des Bologna-Prozesses, eine größere Einbindung der Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft, die Überarbeitung und Stärkung der Qualitätssicherung in der Hochschulbildung und die Anerkennung der Bedeutung der sozialen Dimension in der Bildung werden den jungen Absolventen beim erfolgreichen Eintritt in den Arbeitsmarkt helfen und Hindernisse für eine gleichberechtigte Bildungsteilhabe beseitigen, die immer noch in Bezug auf soziale Ungleichheit, Geschlecht und Nationalität bestehen.

5.2   Vergleich der Hochschulergebnisse

5.2.1   Während ein Ziel in der Festlegung von Benchmarks zur Bewertung der Ergebnisse der Hochschulausbildung besteht, betont der EWSA die Bedeutung der sorgfältigen Kriterienauswahl, die in enger Zusammenarbeit mit Bildungsexperten, zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Privatwirtschaft erfolgen sollte, da dies eine sehr heikle Frage ist. Der EWSA teilt die Sorge, dass die in anderen Bereichen eingesetzten Bewertungs- oder Klassifizierungsmethoden eventuell extrapoliert werden könnten und hegt Zweifel, ob die Europäische Union für die Schaffung eines neuen mehrdimensionalen Hochschulrankings oder einer derartigen Rankingskala zuständig ist.

5.3   Vorlage einer mehrjährigen strategischen Innovationsagenda (2011)

5.3.1   Bezüglich der strategischen Innovationsagenda (2011) verweist der EWSA die Kommission auf die zahlreichen Stellungnahmen und Empfehlungen der vergangenen Jahre zu diesem Thema (3).

6.   Förderung einer umfassenden Ausweitung des transnationalen Lernens sowie der Beschäftigungsmobilität junger Menschen

6.1   Einrichtung einer speziellen Website zu „Jugend in Bewegung“ mit Informationen über das Lern- und Mobilitätsangebot in der EU (2010)

6.1.1   Der EWSA schlägt vor, ein neues Paket mit Informationen in bestehende Informationsquellen, wie etwa PLOTEUS, JUGEND und andere aktuelle Portale aufzunehmen, da die Aufnahme neuer Informationen in bestehende Websites wirkungsvoller sein und jungen Menschen einen leichteren Zugang ermöglichen könnte. Außerdem sollte eine einheitliche Datenbank mit freien Stellen für Praktika und Freiwilligentätigkeiten entwickelt und in diese Websites eingebunden werden.

6.2   Vorlage eines Vorschlags für eine Empfehlung des Rates zur Förderung der Mobilität junger Menschen zu Lernzwecken (2010)

6.2.1   Der EWSA unterstützt den Ausbau konkreter Maßnahmen zur Erreichung einer höheren Lernmobilität und die Umsetzung der Ergebnisse der öffentlichen Anhörungen zu den Vorschlägen des Grünbuchs „Die Mobilität junger Menschen zu Lernzwecken fördern“, an denen sich der EWSA im Jahr 2009 aktiv beteiligt und zu denen er mehrere sachdienliche Empfehlungen abgegeben hatte (4). Es gilt, unterstützende Maßnahmen vor, während und nach der Mobilität anzubieten.

6.3   Einführung eines speziellen Jugendausweises im Rahmen von „Jugend in Bewegung“

6.3.1   Aus der Initiative wird nicht hinlänglich deutlich, ob mit ihr ein neuer Jugendausweis entwickelt werden oder die bestehende Euro‹26-Karte einen neuen Impuls erhalten soll. Der zusätzliche Nutzen eines neuen Jugendausweises muss klar herausgestellt und mit den bereits bestehenden verglichen werden.

6.4   Herausgabe eines Leitfadens zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den Rechten mobiler Studierender (2010)

6.4.1   Der EWSA begrüßt diese Maßnahme und befürwortet eine Veröffentlichung der Rechtsprechung in flexiblen, leicht zugänglichen und verständlichen Formaten. Sie sollten auch für Schüler der Oberstufe als benutzerfreundlich gelten.

6.5   Vorlage eines Vorschlags für einen Europäischen Qualifikationspass (2011)

6.5.1   Der EWSA unterstützt die Schaffung eines Europäischen Qualifikationspasses. Seines Erachtens sollten die beiden bestehenden Pässe (Europass und Jugendpass) zu einem einheitlichen Instrument kombiniert werden, das auf einem einzigen Formular einen traditionellen Lebenslauf, die formelle Bildung (Europass) und die nichtformale und informelle Bildung zusammenfasst. Junge Menschen sind weiterhin nicht überzeugt von der großen Zahl an Instrumenten, die ständig erneuert werden und letzten Endes ineffizient bleiben. Unter anderem wird der Erfolg des Europäischen Qualifikationspasses davon abhängen, wie er von den Arbeitgebern angenommen und von den jungen Menschen verwendet wird; die erforderlichen Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen müssen auch weiterhin für die Jugendlichen zur Verfügung stehen.

6.6   Umsetzung der Initiative „Dein erster EURES-Arbeitsplatz“

6.6.1   Der EWSA begrüßt jede Art von Unterstützung, welche die Beschäftigungschancen junger Menschen steigert. Seines Erachtens ist es in diesem Zusammenhang hilfreich, EURES und andere Portale zu verstärken und die Qualität der dort angebotenen Dienste zu steigern.

6.7   Einführung eines „Europäischen Monitors für offene Stellen“ im Jahr 2010

6.7.1   Der EWSA begrüßt die regelmäßige Veröffentlichung des Europäischen Monitors für offene Stellen, da er einen brauchbaren und aktuellen Überblick über die Entwicklungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt gibt.

6.8   Überwachung der Anwendung der EU-Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer

6.8.1   Der EWSA stimmt grundsätzlich zu, dass die Anwendung der EU-Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer jungen Menschen nützt und sorgfältiger überwacht werden sollte (diese Maßnahme ist schon vor geraumer Zeit in Kraft getreten). Die Kommission gibt allerdings nicht klar zu erkennen, wie die Kontrolle der Rechtsvorschriften und der Anwendung der Initiativen für mobile junge Menschen durchgeführt werden soll.

7.   Ein Rahmen für die Jugendbeschäftigung

7.1   Ermittlung der wirksamsten Maßnahmen zur Förderung der Jugendbeschäftigung

7.1.1   Die Jugendarbeitslosigkeit hatte schon vor der Krise alarmierende Ausmaße angenommen und ist jetzt zu einem der bedrohlichsten Probleme auf dem europäischen Arbeitsmarkt geworden. In der Initiative heißt es: „Mit beinahe 21 % hat die Jugendarbeitslosigkeit eine inakzeptable Quote erreicht. Um bei den 20–64-Jährigen die angestrebte Beschäftigungsquote von 75 % erreichen zu können, muss der Eintritt in das Erwerbsleben für junge Menschen grundlegend verbessert werden (5). Die Bedeutung von Maßnahmen, die den jungen Menschen von Anfang an einen hochqualitativen, unbefristeten und gut bezahlten Arbeitsplatz gewährleisten, ist nicht zu unterschätzen. Der EWSA begrüßt die vorgeschlagenen Initiativen und bittet die Kommission, in Abstimmung mit den Sozialpartnern und anderen Akteuren, tragfähige Verpflichtungen der Mitgliedstaaten für die Schaffung neuer Arbeitsplätze für junge Menschen einzuholen. Der EWSA bejaht auch die folgende Aussage im Text: „Über Lohnvereinbarungen und Lohnnebenkosten können Anreize für die Einstellung von Berufseinsteigern geschaffen werden; sie sollten aber nicht zu prekären Beschäftigungsverhältnissen führen. Kollektivverhandlungen können ebenfalls auf die Vereinbarung gestaffelter Einstiegsgehälter hinwirken“. Gleichzeitig ist der Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche oder gleichwertige Arbeit zu beachten.

7.1.2   Die Lösung der Probleme junger Menschen auf dem heutigen Arbeitsmarkt ist ein entscheidender Faktor für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Um dabei erfolgreich sein zu können, müssen wir letztlich sicherstellen, dass die Fähigkeiten der heutigen jüngeren Generationen optimaler eingesetzt und nicht vergeudet werden.

7.1.3   Der EWSA unterstützt die Bemühungen um Ermittlung der wirksamsten Maßnahmen zur Förderung der Jugendbeschäftigung, wie etwa Weiterbildungsprogramme, absichernde Maßnahmen und Leistungen in Verbindung mit Aktivierungsmaßnahmen, Einstellungsbeihilfen sowie Lohn- und Sozialversicherungsvereinbarungen. Die Kommission hebt ebenfalls zu Recht den Stellenwert der Berufsberatung hervor. Wenn junge Menschen über ihre berufliche Zukunft entscheiden müssen, sollten sie die erforderlichen Informationen über die ihnen offen stehenden Ausbildungswege erhalten, eine klare Vorstellung davon bekommen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten erforderlich sind und über mögliche Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt informiert werden, damit sie ihre Zukunft entsprechend planen können. Das gilt vor allem, wenn sie sich auf den ersten Arbeitsplatz vorbereiten und ihre erste Anstellung suchen.

7.2   Systematische Überwachung der Situation junger Menschen der „NEET“-Gruppe

7.2.1   Eine weitere Auswirkung der gegenwärtigen Krise besteht in der zunehmenden Zahl junger Menschen, die weder im Erwerbsleben stehen noch an einer Maßnahme der allgemeinen oder beruflichen Bildung teilnehmen. Bisher war es allerdings schwierig, sich ein umfassendes Bild davon zu machen, wie schwerwiegend dieses Problem auf EU-Ebene ist und welche Auswirkungen es auf die geistige Gesundheit und das Wohlbefinden junger Menschen hat. Der EWSA begrüßt daher den Vorschlag, auf diesem Gebiet eine systematische Überwachung einzuführen.

7.3   Mit Unterstützung durch das Programm PROGRESS ein neues Programm für das wechselseitige Lernen für die europäischen Arbeitsverwaltungen einrichten (2010)

7.3.1   Der EWSA unterstützt diese Maßnahme und empfiehlt, sie vorrangig auf die Bündelung aller bestehenden Maßnahmen, Finanzierungen und Erfahrungsaustauschprozesse auszurichten. Effiziente öffentliche Arbeitsverwaltungen sind unverzichtbar. Gleichwohl sind in einigen Mitgliedstaaten private Agenturen für diese Dienstleistungen zuständig, und diese sind zum Teil unzureichend reguliert und kontrolliert. Es ist unabdingbar, stabile und hochwertige Arbeitsplätze anzubieten und soziale Rechte zu gewährleisten. Wie auch auf anderen Gebieten können die Sozialpartner dazu einen maßgeblichen Beitrag leisten.

7.4   Intensivierung des bilateralen und regionalen Dialogs über Politikmaßnahmen im Bereich Jugendbeschäftigung mit den strategischen Partnern der EU

7.4.1   Der EWSA befürwortet eine Intensivierung der bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit mit Organisationen wie der OECD, der Union für den Mittelmeerraum (UfM), der Östlichen Partnerschaft, dem Westbalkan und, im Zusammenhang mit den Beziehungen der EU, zu Lateinamerika, den Staaten der Karibik und anderen Teilen der Welt, mit denen eine Zusammenarbeit anvisiert werden könnte. Dies betrifft besonders Fragen, die im Hinblick auf Jugendliche mit Migrationshintergrund wichtig sind.

7.5   Förderung einer umfassenderen Unterstützung potenzieller Jungunternehmer durch die neue europäische Progress-Mikrofinanzierungsfazilität

7.5.1   Der EWSA begrüßt die Mikrofinanzierungsfazilität als einen neuen Weg zur Förderung der unternehmerischen Initiative und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in Mikrounternehmen (6). Obwohl nicht die Absicht bestand, dieses Instrument als Teil des neuen Finanzrahmens der EU über das Jahr 2013 hinaus zu verlängern, ist der EWSA der Ansicht, dass eine Verlängerung in Betracht gezogen werden sollte, wenn sein Nutzen nachgewiesen werden kann.

7.5.2   Aus dem gegenwärtigen strukturierten Dialog mit jungen Menschen geht hervor, dass junge Leute, die sich dafür entscheiden, ihr eigenes Unternehmen zu gründen, zusätzliche Unterstützung auf zwei Gebieten benötigen, die berücksichtigt werden müssen: 1) das erforderliche Startkapital und 2) Coaching, Beratung und Hilfe bei praktischen Fragen.

7.6   Gewährleistung, dass alle jungen Menschen innerhalb von vier Monaten nach ihrem Schulabschluss eine Anstellung haben, ihre Ausbildung fortsetzen bzw. in Aktivierungsmaßnahmen eingebunden sind, und hierzu eine „Jugendgarantie“ einführen

7.6.1   Der EWSA begrüßt die Idee, ein Instrument auf nationaler Ebene zu entwickeln, das jungen Menschen dabei helfen könnte, die Hürden beim Übergang von der Ausbildung in den Arbeitsmarkt zu überwinden. Die positiven Erfahrungen einiger Mitgliedstaaten sollten als Beispiel weitergegeben werden. Langfristig betrachtet könnte die vorgeschlagene „Jugendgarantie“ einen Schlüsselbeitrag zum europäischen Sozialmodell und den Zielen von „Europa 2020“ leisten.

7.7   Gewährleistung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen dem Anspruch auf Leistungen und angestrebten Aktivierungsmaßnahmen, das auf dem Grundsatz der wechselseitigen Verpflichtung beruht

7.7.1   Der EWSA unterstützt die Maßnahme zur wechselseitigen Verpflichtung mit den dazugehörigen Aktivierungsmaßnahmen für junge Menschen, die von sozialer Ausgrenzung bedroht sind, und die Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme usw. Er befürwortet auch die Stärkung der Aktivierungs- und Motivierungsfunktionen der sozialen Sicherungssysteme, damit verhindert werden kann, dass junge Menschen auf Dauer zu Sozialleistungsempfängern werden.

7.8   In segmentierten Arbeitsmärkten Einführung eines einzigen, unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses mit einer ausreichend langen Probezeit und zeitlich gestaffelten Arbeitnehmerschutzrechten

7.8.1   Das Konzept des einzigen, unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses könnte eine der Maßnahmen darstellen, die zum Abbau von Ungleichheiten zwischen denen, die auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen, und denen, die von ihm ausgeschlossen sind, beitragen könnte. Dem EWSA ist bekannt, dass zwischen den Mitgliedstaaten große Unterschiede beim Eintritt junger Menschen in den Arbeitsmarkt bestehen. In einigen Mitgliedstaaten verhindern sehr starre Systeme, dass junge Menschen überhaupt einen Arbeitsplatz finden, in anderen gibt es mehr Angebote von Zeitarbeitsverträgen, die zu flexibel sind und keinen vollen Anspruch auf Sozialleistungen bieten. Der EWSA betont, dass die zu beschließenden Maßnahmen darauf abzielen müssen, Angebote von dauerhaften Verträgen für Jugendliche abzusichern, die jegliche Diskriminierung aufgrund des Alters, des Geschlechts oder aus sonstigen Gründen ausschließen.

8.   Volle Ausschöpfung des Potenzials der EU-Finanzierungsprogramme

8.1   Sensibilisierung für die durch den ESF ermöglichte Unterstützung für junge Menschen und bessere Nutzung seines Potenzials

8.1.1   Der EWSA begrüßt die Bedeutung, die die Kommission dem Einsatz des Europäischen Sozialfonds (ESF) beimisst. Bei den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über die Rubrik Haushalt in der neuen Finanziellen Vorausschau sollte die Europäische Kommission besonders darauf achten, dass ausreichende Mittel für die ESF-Initiativen und dort vor allem für die Jugend bereitgestellt werden. Außerdem sollte eruiert werden, ob die Jugenddimension in anderen Programmen ausgebaut werden kann.

8.2   Sicherstellung, dass der ESF junge Menschen und die Umsetzung der Ziele im Rahmen von „Europa 2020“ rasch unterstützt

8.2.1   Nach Ansicht des EWSA müssen Anstrengungen unternommen werden, um die derzeit durch den ESF gebotenen Chancen vollständig zu nutzen, doch sollten auch andere Fonds die vorgenannten Ziele als horizontale Prioritäten einschließen.

8.3   Überprüfung aller einschlägigen EU-Programme zur Förderung der Mobilität zu Lernzwecken und der Bildung

8.3.1   Der EWSA unterstützt den Vorschlag zur Durchführung öffentlicher Anhörungen, um zu prüfen, welchen Beitrag die Mobilität zur Bildung leistet. Der EWSA wird unter Beachtung des neuen Finanzrahmens die Maßnahmen auf diesem Gebiet aufmerksam verfolgen.

8.3.2   In der Mitteilung der Kommission wird nicht erwähnt, welche Rolle europäische Bildungsprogramme bei der Förderung von bürgerschaftlichem Engagement und der Einbeziehung junger Menschen spielen. Es ist unbestritten, dass qualitativ hochwertige Bildung und ein stabiler Arbeitsmarkt zum Wachstum in Europa beitragen; sie sollten aber von Instrumenten zur Förderung der sozialen Teilhabe junger Menschen begleitet werden, damit junge Menschen Verantwortung für einschlägige Politiken übernehmen und sie sich zu eigen machen. Jugendarbeiter und -organisationen können diesbezüglich eine stärkere Rolle übernehmen. Die Möglichkeiten der Freiwilligentätigkeit sollten ebenfalls ausgebaut werden."

8.3.3   Nach Ansicht des EWSA bedeuten die Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise nicht, dass die Unterstützung für nichtformales Lernen zurückzustellen wäre, da ihm eine wachsende Rolle zukommt und es bereits zu einem entscheidenden Faktor für die Zukunft und Entwicklung der jungen Menschen geworden ist.

8.4   Prüfung der Möglichkeit zur Schaffung einer Studiendarlehensfazilität auf EU-Ebene, die die grenzüberschreitende Mobilität Studierender verbessern soll

8.4.1   Der EWSA wird den möglichen Beitrag dieser Maßnahme mit Blick auf die bereits bestehenden Möglichkeiten und Instrumenten genau untersuchen. Aus Berichten über die Bewertung der Mobilitätsprogramme geht hervor, dass das Haupthindernis für die Steigerung der Mobilität in der Studienfinanzierung liegt; im Interesse einer wirksamen Förderung der angestrebten Mobilität - 20 % bis 2020 - sollte jedoch der Schwerpunkt auf Zugänglichkeit und Umfang der Ausbildungsförderung gelegt werden. Das Verfahren zur Kreditvergabe sollte sorgfältig erarbeitet werden und die jungen Menschen müssen darüber informiert werden, um sie weitestgehend davor zu bewahren, in eine Schuldenfalle zu geraten.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  KOM(2010) 477 endg.

(2)  Im weitesten Sinne und in allen Bereichen – private, öffentliche und nichtstaatliche.

(3)  EWSA-Stellungnahmen zum Thema „Überarbeitung der Innovationspolitik der Gemeinschaft in einer Welt im Wandel“, ABl. C 354 vom 28.12.2010, S.80, und zum Thema „Investitionen in Wissen und Innovation (Lissabon-Strategie)“, ABl. C 256 vom 27.10.2007, S.17.

(4)  EWSA-Stellungnahme zum „Grünbuch – Die Mobilität junger Menschen zu Lernzwecken fördern“, ABl. C 255 vom 22.9.2010, S.81.

(5)  Laut Eurostat-Bericht vom Januar 2011 lag die Arbeitslosenquote in der EU-27 bei 9,6 %. Die Jugendarbeitslosigkeit (unter 25 Jahre) lag bei 21 %. Die Länder mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit waren Spanien (43,6 %), die Slowakei (36,6 %) und Litauen (35,2 %).

(6)  EWSA-Stellungnahme zum Thema „Investitionen in Wissen und Innovation (Lissabon-Strategie)“, ABl. C 256 vom 27.10.2007, S. 17-26.


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/63


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die GAP bis 2020: Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und ländliche Gebiete — die künftigen Herausforderungen“

KOM(2010) 672 endg.

2011/C 132/11

Berichterstatter: Franco CHIRIACO

Die Kommission beschloss am 18. November 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die GAP bis 2020: Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und ländliche Gebiete — die künftigen Herausforderungen

KOM(2010) 672 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 28. Februar 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 16. März) mit 197 gegen 26 Stimmen bei 17 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die Mitteilung und die Vorschläge der Kommission und hebt hervor, dass darin viele vom Ausschuss in früheren Stellungnahmen vorgebrachte Bemerkungen aufgegriffen werden. Der EWSA fordert die Kommission auf, die Beziehungen zwischen den Zielen, Instrumenten und Finanzmitteln der GAP nach 2013 genauer darzulegen. Die Reform der GAP muss so durchgeführt werden, dass eine rentable Landwirtschaft und ein faires Einkommen für die Landwirte in der ganzen EU möglich bleiben.

1.2   Die vorrangige Aufgabe der GAP sollte die Rolle der Landwirte als Erzeuger von Nahrungsmitteln des täglichen Bedarfs, aber auch zunehmend von grüner und nachhaltiger Energie aufwerten. Zudem sollten die Land- und Forstwirtschaft ihren wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Naturressourcen verstärken und konkrete Antworten auf die großen Herausforderungen wie Bewältigung des Klimawandels, extreme Wasserknappheit, Umweltschutz und biologischen Vielfalt (1) sowie räumliche Entwicklung geben.

1.3   Der Ausschuss stimmt dem Vorschlag zu, die historischen Referenzzeiträume nicht mehr zur Festlegung der Höhe der Unterstützung heranzuziehen, und betont die Bedeutung der Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Erhaltung des europäischen Agrarmodells. Die Direktzahlungen stehen ganz wesentlich als Ausgleich für die gesellschaftlich gewünschten hohen Standards in der EU und als Entgelt für nicht am Markt honorierte Leistungen der Landwirtschaft, ebenso haben sie auch weiterhin eine Funktion zur Risiko- und Einkommenssicherung der Landwirte in zunehmend volatilen Märkten. Die für die Allgemeinheit erbrachten Güter und Dienstleistungen betreffen nach Ansicht des ESWA die Bereiche nachhaltige Entwicklung, Umweltschutz, Vitalität des ländlichen Raums, Verminderung der Armut, Lebensmittelsicherheit, Arbeitsschutz und Verbraucherschutz.

1.4   Nach Ansicht des EWSA ist es unabdingbar, dass dieser Reformprozess keine radikalen Veränderungen der Ziele und Funktionsmechanismen der GAP für die Unterstützung der in der Agrar-, Lebensmittel- und Umweltkette tätigen Akteure im lang- und mittelfristigen Programmplanungszeitraum mit sich bringt. Nach Ansicht des EWSA sollte hier ein ausreichender Übergangszeitraum entsprechend der Dauer der neuen, 2020 endenden Finanzperiode vorgesehen werden, damit sich insbesondere die Landwirte, die unter den gegenwärtigen Bedingungen investiert haben, an das neue Verfahren anpassen können, bei dem die historischen Referenzzeiträume nicht mehr für die Festsetzung der Höhe der Unterstützung herangezogen werden. In Bezug auf die neuen Mitgliedstaaten erinnert der Ausschuss daran, dass die vereinfachte Regelung für die einheitliche Flächenzahlung (SAPS) nur noch bis 2013 angewandt werden kann. Schließlich fordert der EWSA die Bestätigung eines Instruments für die nationale und regionale Flexibilität in der Art von Artikel 68 (2) zur Gewährung besonderer Formen der Unterstützung sowie eine vollständige Abstimmung mit den Maßnahmen der zweiten Säule, der Marktorganisation für Obst und Gemüse und den Förderfonds.

1.5   Der EWSA stimmt dem Ziel zu, die Gewährung der Unterstützung im Rahmen der GAP ausschließlich auf aktive Landwirte zu beschränken und dabei das europäische Landwirtschaftsmodell durch Maßnahmen sowohl der ersten als auch der zweiten Säule der GAP zu fördern. Alle Zahlungen aus der ersten und der zweiten Säule müssen auf die Lösung der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Problematiken ausgerichtet werden. In diesem Zusammenhang fordert der EWSA die Kommission auf, eine EU-weit anwendbare Definition des Begriffs „aktiver Landwirt“ zu liefern. Der Ausschuss schlägt vor, in dieser Begriffsbestimmung für den aktiven Landwirt die Erzeugung und Vermarktung von Agrarprodukten - auch durch den Direktverkauf ihrer Erzeugnisse auf dem lokalen Markt - und die Erbringung von öffentlichen Gütern und Leistungen von gesellschaftlichem Nutzen als Voraussetzung vorzusehen.

1.6   Der EWSA geht davon aus, dass der politische Beschluss des Europäischen Rats, die Vorbedingungen für die Landwirtschaft in der ganzen EU zu gewährleisten, nach wie vor klares Ziel der Reform bleibt. Der Ausschuss hält es für zweckmäßig, die für Landwirte in Gebieten mit territorialen oder klimatischen Nachteilen im Rahmen der zweiten Säule gewährte Unterstützung nicht abzuschaffen. Durch die zusätzlichen Flächenprämien für Landwirte in benachteiligten Gebieten kann der Aufgabe der landwirtschaftlichen Erzeugung in der EU entgegengewirkt werden, was zum Ziel der Versorgungssicherheit für Nahrungsmittel beiträgt. Der EWSA fordert die Kommission auf, ihren Vorschlag für die Überprüfung der Kriterien zur Ermittlung der sonstigen benachteiligten Gebiete (Zwischengebiete) möglichst bald vorzulegen, um eine angemessene Konsultationen aller Interessengruppen zu ermöglichen.

1.7   Der EWSA stimmt der Deckelung der Zahlungen zu, die unter Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Struktur des jeweiligen Landes und der jeweiligen Region erfolgen muss. Der Ausschuss schlägt vor, bei der Deckelung die Zahl der entlohnten und nicht entlohnten Arbeitskräfte im jeweiligen Betrieb und auch die vom Landwirt selbst geleistete Arbeit zu berücksichtigen und dadurch sicherzustellen, dass der Einsatz der für die GAP ausgegebenen Finanzmittel auch aus sozialer Sicht gerechtfertigt ist. Der EWSA hält es überdies für erforderlich, die Besonderheit der Genossenschaften oder anderer Zusammenschlüsse von Agrarerzeugern zu berücksichtigen, wobei die Zahlungen ins Verhältnis zur Zahl der beteiligten Partner zu setzen sind.

1.8   Als vorrangige Aufgabe der GAP muss die Sicherung eines wettbewerbsfähigen und innovativen Landwirtschafts- und Nahrungsmittelsektors in der EU angestrebt werden, der zur Verbesserung der sozioökonomischen Bedingungen, der Beschäftigungslage und der Sicherheit der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beitragen kann, wobei die Vergabe von Beihilfen an die vollständige Einhaltung der sozialen Bestimmungen - insbesondere der in Gesetzen und Arbeitsverträgen enthaltenen - geknüpft werden sollte.

1.9   Die Kommission wird aufgefordert, Klarheit über die Ökologisierung der Direktzahlungen (Greening) zu schaffen und dazu eine endgültige Bewertung der Auswirkungen eines solchen Vorschlags auf die derzeitigen Umweltprogramme der zweiten Säule vorzulegen. Der EWSA ersucht die Kommission, hier gegebenenfalls alternative Ansätze zu erwägen. Denkbar wäre z.B., die Zahlung der Grundprämie von der zwingenden Teilnahme an bestimmten Agrarumweltmaßnahmen mit tatsächlichen Auswirkungen auf die betroffene Fläche abhängig zu machen. Voraussetzung müsste hierbei allerdings sein, dass die finanziellen Anreize die Mehrkosten in voller Höhe abdecken und der bürokratische Aufwand gering ist. Dazu müsste die Kommission eine Liste der entsprechenden Maßnahmen aufstellen, aus der die Landwirte diejenigen auswählen könnten, die für ihre spezifische Situation am besten geeignet sind. Die Umsetzung dieser Maßnahmen sollte auf regionaler Ebene strukturiert werden, damit sie sich positiv auf das Einkommen auswirken.

1.10   Nach Auffassung des Ausschusses kann die Reform der GAP für die Zeit nach 2013 überhaupt nur dann wirksam durchgeführt werden, wenn klare Vorgaben hinsichtlich der Entscheidungen über die Größe und Zusammensetzung des EU-Haushalts vorliegen. Nach Ansicht des Ausschusses muss jedoch zumindest der bislang für die GAP bereitgestellte Anteil am Haushalt auch für die Zukunft garantiert werden.

1.11   Der EWSA weist darauf hin, dass die weitere Öffnung der EU-Agrarmärkte zu einem noch stärkeren Wettbewerbsdruck führen wird, und die Erzeugerpreise immer intensiver von der Volatilität der internationalen Märkte beeinflusst werden. Der Ausschuss äußert die Sorge, dass mit den bestehenden Instrumenten keine ausreichende Marktstabilisierung gewährleistet wird. Das muss bei der bevorstehenden Reform nicht nur bei der Neuausrichtung der Direktzahlungen, sondern auch bei Änderungen der Instrumente zur Stabilisierung von Märkten berücksichtigt werden.

2.   Wesentlicher Inhalt der Kommissionsmitteilung

2.1   Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)

2.1.1   Nach Ansicht der Europäischen Kommission soll die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nach 2013 zur Verwirklichung folgender Ziele beitragen (3):

rentable Nahrungsmittelerzeugung;

nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und Klimamaßnahmen;

Erhaltung der räumlichen Ausgewogenheit und der Vielfalt der ländlichen Gebiete.

2.2   Instrumente der künftigen GAP

2.2.1   Die entkoppelten Direktzahlungen (entkoppelte Basis-Direktzahlung in einheitlicher Höhe für alle Landwirte in einem Mitgliedstaat oder einer Region) bleiben nach Auffassung der Kommission das wichtigste Instrument zur Stützung der europäischen Landwirtschaft. Im Hinblick auf eine bessere Wirksamkeit und Fairness ist der Übergang von dem auf historischen Referenzzeiträumen beruhenden Zahlungsmodell zu einer festen flächenabhängigen Direktzahlung mit einheitlicher Höhe (Basis-Direktzahlung) vorgesehen. Die regional unterschiedlichen Wirtschafts- und Naturbedingungen, denen Landwirte in der EU unterliegen, erfordern eine gerechte Verteilung der Direktzahlungen. Die Zahlung soll auf übertragbaren, durch Verknüpfung mit beihilfefähigen landwirtschaftlichen Flächen zu aktivierenden Ansprüchen und auf der Erfüllung der Cross-Compliance-Anforderungen basieren. Letztere sollen vereinfacht und um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie ergänzt werden. Es wird vorgeschlagen, die Einführung einer Obergrenze der pro Betrieb zulässigen Direktzahlungen („Deckelung“) in Erwägung zu ziehen, deren Auswirkungen je nach Zahl der beschäftigten Arbeitskräfte abgemildert werden könnten.

2.2.2   Die GAP nach 2013 soll nach Dafürhalten der Kommission zwei weitere Formen der Direktzahlung zur Förderung einer umweltfreundlicheren Landwirtschaft (Ökologisierung der Direktzahlungen) beinhalten: 1) eine EU-weit anwendbare Flächenzahlung je Hektar an Landwirte, die Agrarumweltverpflichtungen übernehmen, die über die Basis-Cross-Compliance hinausgehen (Dauergrünland, Fruchtfolge, ökologische Flächenstilllegung usw.); 2) eine weitere Flächenzahlung für Landwirte in benachteiligten Gebieten und/oder Gebieten mit besonderen natürlichen Einschränkungen, ergänzend zu der Unterstützung, die sie im Rahmen der zweiten Säule der GAP erhalten.

2.2.3   Es sind bestimmte Ausnahmen von der Entkopplung der Zahlungen vorgesehen. Für bestimme Regionen und spezifische Erzeugnisse kann eine gekoppelte Unterstützung innerhalb klar definierter Betragsgrenzen gewährt werden. Für Kleinlandwirte ist eine vereinfachte spezifische Unterstützungsregelung vorgesehen, um den Verlust von Arbeitsplätzen in den ländlichen Gebieten zu verhindern. Als Antwort auf die Kritik des Europäischen Rechnungshofs an der Funktionsweise der Direktzahlungen wird vorgeschlagen, die Gewährung der Unterstützung ausschließlich auf aktive Landwirte zu beschränken.

2.2.4   Nach Ansicht der Kommission muss eine Reihe von marktbezogenen Maßnahmen beibehalten werden. Diese Instrumente müssen in Krisenzeiten als Mittel zur Bewältigung von Ausnahmesituationen zum Einsatz kommen können. Im Einzelnen werden die Verlängerung des Interventionszeitraums, die Anwendung von Störklauseln und die Ausweitung der privaten Lagerhaltung auf andere Erzeugnisse und schließlich auch die Verbesserung der Kontrollen vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang kündigt die Kommission Vorschläge zur Stabilisierung des Milchmarkts an und betont die Notwendigkeit von Überlegungen zur Zukunft des Zuckersektors. Die GAP nach 2013 soll zudem spezifische Maßnahmen in Bezug die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette und die Verbesserung der Verhandlungsposition der Landwirte umfassen.

2.2.5   Die Gesamtstruktur der GAP wird nach Ansicht der Kommission weiterhin in zwei Säulen gegliedert sein. Die im Rahmen der Entwicklung des ländlichen Raums gewährte Unterstützung soll hauptsächlich auf die Schwerpunkte Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Bewältigung des Klimawandels und Umwelt ausgerichtet werden und steht damit im Einklang mit der Europa-2020-Strategie. Im Hinblick darauf soll in die zweite Säule der GAP ein Instrumentarium für das Risikomanagement aufgenommen werden, das die Mitgliedstaaten einsetzen können, um Produktion und Einkommen in der Landwirtschaft zu stabilisieren.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1   Der EWSA hebt hervor, dass die Kommission in ihrer Mitteilung folgende von ihm in früheren Stellungnahmen vorgebrachte Bemerkungen aufgreift (4):

die Notwendigkeit einer gerechteren Verteilung der Mittel auf die einzelnen Mitgliedstaaten;

die Forderung, die historischen Referenzzeiträume nicht mehr zur Festlegung der Höhe der Betriebsprämien heranzuziehen;

die Ökologisierung der Direktzahlungen, um den neuen Herausforderungen - insbesondere in den Bereichen Klimaschutz, erneuerbare Energien, Wasserwirtschaft und biologische Vielfalt (5) - gerecht zu werden und um die Höhe der gewährten Unterstützung stärker an die vom Landwirt für die Allgemeinheit erbrachten und nicht vom Markt vergüteten Güter und Dienstleistungen anzupassen und Landwirte, die in Gebieten mit schwierigen klimatischen und natürlichen Bedingungen tätig und daher durch Mehrkosten benachteiligt sind, zu entschädigen;

die Forderung, dass Direktzahlungen ausschließlich an tatsächlich erwerbstätige Landwirte erfolgen und den in den einzelnen Betrieben vorhandenen und geschaffenen Arbeitsplätzen Rechnung tragen sollten, wobei insbesondere die Zahl der entlohnten und nicht entlohnten Arbeitskräfte, einschließlich land- und forstwirtschaftliche Lohnunternehmen, zu berücksichtigen ist.

3.2   In der Stellungnahme NAT/449 zum Thema „Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik 2013“ ruft der EWSA „Kommission, Rat und EP auf, zunächst das Ziel der GAP unmissverständlich zu beschreiben, anschließend das dafür notwendige Instrumentenbündel darzustellen und den benötigten Finanzbedarf offenzulegen“. Der EWSA stellt fest, dass die Kommission in ihrer Mitteilung nicht in der gleichen logischen Abfolge vorgeht. Der EWSA fordert die Kommission daher auf, die Beziehungen zwischen den Zielen, Instrumenten und Finanzmitteln der GAP nach 2013 genauer darzulegen.

3.3   Ziele

3.3.1   Der Ausschuss wies in seiner Stellungnahme NAT/449 darauf hin, dass die GAP nach 2013 geleitet sein muss vom „europäische[n] Agrarmodell, das auf den Grundsätzen der Ernährungssouveränität, der Nachhaltigkeit und den realen Bedürfnissen von Landwirten und Verbrauchern basieren sollte“. Der EWSA möchte die wichtigsten Ziele herausstellen, auf die sich die GAP gründen sollte:

Beitrag zur quantitativ und qualitativ sicheren Versorgung mit Nahrungsmitteln in Europa und der ganzen Welt (6);

Beitrag zur Marktstabilisierung (7) insbesondere durch Begrenzung der Preisschwankungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen;

Stützung der Einkommen der europäischen Landwirte, die unter den Einkommen in anderen Sektoren der europäischen Wirtschaft liegen (8);

Beitrag zur Schaffung von Handelsregeln, mit denen sich das europäische Modell der Nahrungsmittelerzeugung bewahren und Wettbewerbsverzerrungen vermeiden lassen;

Unterstützung der Landwirte bei der Wiedererlangung von Marktmacht gegenüber dem Handel und insbesondere gegenüber den Supermarktketten (9);

Förderung der nachhaltigen Nutzung der Ressourcen, der Erhaltung der natürlichen Lebensräume und der Artenvielfalt, wobei der Land- und Forstwirtschaft eine zunehmend wichtige Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels zukommt (10);

Unterstützung der Erzeugung und Vermarktung von lokalen Qualitätsprodukten in den ländlichen Gebieten durch Förderung alternativer Vertriebsformen (11);

Schaffung geeigneter rechtlicher Rahmenbedingungen für die Verwaltung von kurzen und transparenten Lieferketten durch Landwirte;

Förderung von Bildung und Innovation (smart growth), Ausbau der erneuerbaren Energie (sustainable growth) sowie Stärkung des Beschäftigungspotentials ländlicher Räume (inclusive growth) unter Einhaltung vorbildlicher Verfahrensweisen, gem. der Europa-2020-Strategie, in den Bereichen Beschäftigung, Verträge und Saisonarbeit in der Landwirtschaft in Europa und in Drittstaaten.

3.3.2   Die Ernährungssicherheit und Versorgung mit Lebensmitteln zu vertretbaren Preisen bleibt angesichts der durch Bevölkerungsdruck und Nachfragewachstum gekennzeichneten weltweiten Entwicklung eines der wichtigsten Ziele der Landwirtschaft in der EU. Diese Herausforderungen bedürfen einer politischen Antwort und einer Strategie für die weltweite Entwicklung und Ernährungssicherheit.

3.3.3   Nach Ansicht des EWSA erwarten die europäischen Landwirte, „dass sie ein gerechtes Einkommen aus dem Verkauf ihrer Erzeugnisse am Markt und der Honorierung der gesellschaftlichen Leistungen, die sie im Rahmen des Europäischen Agrarmodells erbringen, erzielen“ (12). Die GAP darf sich daher nicht auf die Verteilung finanzieller Mittel beschränken. Der Ausschuss fordert deshalb die Kommission auf klarzustellen, wie mit der neuen GAP das Problem der Marktstabilisierung angegangen werden soll, und insbesondere Lösungen für das Problem der Preise und Einkommen in der Landwirtschaft vorzuschlagen.

3.3.4   Die europäische Agrarpolitik und die Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums sollten auf Innovation und Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet sein. Nach Ansicht des EWSA sollte die EU mit ihren Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und durch die EU-Forstpolitik einen größeren Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, zur Kohlenstoffbindung, zur Erzeugung und Einsparung von Energie, zur Herausbildung von Agrarprodukten und entsprechenden Verkaufsförderung sowie zu einer ausgewogeneren territorialen Entwicklung leisten. Die ländliche Entwicklung bietet Chancen für Unternehmensgründungen und neue Arbeitsplätze in ländlichen Gebieten, wodurch die Einkommensmöglichkeiten in der Landwirtschaft diversifiziert werden. Es muss zudem darauf hingewiesen werden, dass die Lebensmittelverarbeitung zu den wichtigsten Wirtschaftsbranchen in ländlichen Gebieten gehört. Deshalb sollte hierbei nicht die Unterstützung für Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft im ländlichen Raum vernachlässigt werden, die gemeinsam mit Landwirten in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Aus- und Weiterbildung, Innovation, Exportförderung oder Unternehmenszusammenarbeit (z.B. Joint Ventures) aktiv sind, um ihre marktwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

3.3.5   Der EWSA weist darauf hin, dass die Preisvolatilität auf den Agrarmärkten zwar ein chronisches Problem dieses Sektors ist, jedoch in den letzten Jahren aufgrund mehrerer Faktoren - unter anderem extreme Witterungsverhältnisse, Energiepreise, Spekulation, weltweite Zunahme der Nachfrage und Bevölkerungswachstum - stark zugenommen hat. Der EWSA merkt an, dass nach dem beträchtlichen Preisanstieg für landwirtschaftliche Erzeugnisse zwischen 2006 und 2008 und dem darauf folgenden erheblichen Preisverfall die Preise nun in den letzten Monaten wieder zu steigen beginnen. Nach Ansicht des EWSA haben diese extremen Preisschwankungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen negative Auswirkungen sowohl für die Erzeuger als auch für die Verbraucher. Zudem ist der EWSA besorgt, dass auch in der EU nicht agrarische Kapitalanleger vermehrt Bodenkäufe zu Kapitalanlage- und Spekulationszwecken zu tätigen versuchen, was gewiss nicht im Sinne des europäischen Agrarmodells sein kann.

3.3.6   Im Rahmen der neuen GAP müssen Neuansiedlungen gefördert und unterstützt werden, insbesondere durch Werben von jungen Menschen für diesen Erwerbszweig, auch um die Zukunft der europäischen Landwirtschaft zu garantieren. In der Landwirtschaft ist ein Generationenwechsel vonnöten, wenn man berücksichtigt, dass nur 7 % der europäischen Landwirte jünger als 35 Jahre ist und dass die Lage in einigen Mitgliedstaaten kritischer ist. Derzeit ist jeder dritte Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs in der EU-27 älter als 65 Jahre und viele Landwirte werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. In dieser Hinsicht muss die GAP zu einer europaweit angelegten Politik zur Förderung der Niederlassung von Landwirten und gleichzeitig zu einer ehrgeizigen und Synergieeffekte nutzenden Beschäftigungspolitik für die Landwirtschaft beitragen.

3.4   Instrumente

3.4.1   Der EWSA betont die Bedeutung der Direktzahlungen im Rahmen der GAP für die Erhaltung des europäischen Landwirtschaftsmodells. Mit der Gewährung der Direktzahlungen werden nämlich die europäischen Landwirte unterstützt, die für das Gemeinwesen sehr wertvolle öffentliche Güter und Dienstleistungen bereitstellen, die allerdings über die Preisbildung auf den Agrarmärkten nicht angemessen vergütet werden.

3.4.2   Es muss dafür gesorgt werden, dass die Instrumente der neuen GAP und insbesondere die Betriebsprämien in ihrer Funktionsweise vereinfacht werden. Der EWSA stimmt mit der Kommission überein, dass die Anforderungen im Zusammenhang mit der Bindung an Umweltschutzkriterien (Cross-Compliance) vereinfacht werden müssen und fordert dazu eine Rationalisierung des Kontrollsystems und der Verfahren für die Kürzung von Zahlungen. Der EWSA hebt hervor, dass das Verfahren für die Ökologisierung der Direktzahlungen den Zugang der Betriebe zu GAP-Mitteln erleichtern und fördern sollten. Diesbezüglich, als auch im Hinblick auf eine mögliche Erweiterung der Auflagenbindung (z.B: durch die Wasserrahmenrichtlinie) fordert der Ausschuss, dass die Kommission die Auswirkungen eines solchen Vorgehens sorgfältig abschätzt und praktische Verfahren ermittelt, die keine zusätzliche Komplikationen für die Landwirte mit sich bringen.

3.4.3   Der EWSA begrüßt das Prinzip, wonach die regional differenzierten Grundzahlungen an die Erbringung bestimmter Umweltleistungen geknüpft werden. Die bereits laufenden Diskussionen zeigen, dass es unter Umständen schwer sein könnte, zwischen der Ökologisierungskomponente der ersten Säule (Ökologisierung der Direktzahlungen) und den Agrarumweltmaßnahmen der zweiten Säule zu unterscheiden.

3.4.4   Der EWSA befürwortet die Einführung eines neuen Kriteriums für die Festlegung der Höhe der Direktzahlung. In diesem Zusammenhang regt der Ausschuss Überlegungen darüber an, wie das Bezugsgebiet zu definieren ist, das für die Festlegung der Basiskomponente der Direktzahlung herangezogen werden soll (auf europäischer, einzelstaatlichen oder regionaler Ebene). Darüber hinaus sollte nach Ansicht des EWSA die Möglichkeit geprüft werden, eine Komponente der Direktzahlung daran zu knüpfen, wie viele Arbeitskräfte der Betrieb beschäftigt und ob er andere bewährte Verfahrensweisen im Bereich Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und Innovation übernommen hat.

3.4.5   Der EWSA befürwortet die Einführung einer einfachen und spezifischen Unterstützungsregelung für Kleinlandwirte. In diesem Zusammenhang fordert er die Kommission auf klarzustellen, nach welchen Kriterien die Einstufung als Kleinlandwirt erfolgen soll. Der EWSA empfiehlt zudem, den besonderen strukturellen Unterschieden zwischen den Landwirtschaften in den einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen.

3.4.6   Der EWSA hinterfragt die Auswirkungen des Prozesses der Anpassung der derzeitigen Marktinstrumente (Garantiepreise, Zölle, Exportsubventionen, öffentliche Lagerhaltung, Quoten, Flächenstilllegung usw.). Er betont in dieser Hinsicht, dass sich mit diesen Sicherheitsnetzen allein die Märkte für Agrarprodukte nicht stabilisieren und insbesondere die Probleme des Milchsektors nicht lösen lassen (13). Um die Position der Landwirte in der Wertschöpfungskette zu stärken und der Preisinstabilität und der übergroßen Marktmacht der Supermarktketten entgegenzuwirken, hält es der Ausschuss für sinnvoll, im Rahmen der GAP nach 2013 spezifische, direkt von den landwirtschaftlichen Erzeugern oder ihren Vertretern einzusetzende Instrumente für die Bündelung des Angebots und die Verbesserung des Kräfteverhältnisses im Handel einzuführen. Dabei könnten Maßnahmen und Instrumente zum Einsatz kommen, die sich bereits in einigen Gemeinsamen Marktorganisationen bewährt haben.

3.4.7   Der Ausschuss fordert eine Verstärkung der GAP-Maßnahmen zur Aufwertung und Vermarktung von lokalen und hochwertigen Agrarprodukten auf dem europäischen Markt und in Drittländern, auch um die Funktionsweise des Agrarnahrungsmittelsektors und die Kenntnisse über die in der EU erzeugte Lebensmittelpalette zu verbessern und den Anforderungen der Verbraucher zu entsprechen sowie neue Auslandsmärkte zu erschließen. In diesem Sinne empfiehlt der EWSA die Einführung beispielhafter Praktiken für die Kennzeichnung von Agrarprodukten, womit überdies der zunehmenden Forderung der Öffentlichkeit nach Information und Transparenz entsprochen würde.

3.4.8   Der EWSA erinnert daran, dass es in der EU über 40 Millionen Bedürftige gibt, die nicht genug zu essen haben. In diesem Zusammenhang fordert der Ausschuss die Kommission auf, die im Rahmen der GAP durchgeführten Maßnahmen zur Abgabe von Nahrungsmitteln an Bedürftige in der Gemeinschaft zu verstärken.

3.4.9   Die Entwicklung des ländlichen Raums kann zur Befriedigung der Bedürfnisse der Wirtschaftszweige und ländlichen Gebiete beitragen. Der EWSA hält es für sinnvoll, die derzeitige Struktur der GAP mit zwei Säulen beizubehalten, wobei eine Neuzuordnung der Maßnahmen jeder der beiden Säulen und eine stärkere Komplementarität zwischen ihnen angestrebt werden sollten (14).

3.4.10   Im Sinne des „Europäischen Agrarmodells“ ist eine wesentliche Aufgabe der GAP die Aufrechterhaltung landwirtschaftlicher Produktion in allen Teilen der EU. Der EWSA hebt in diesem Zusammenhang die besondere Bedeutung von Maßnahmen für benachteiligte Gebiete im Rahmen der Ländlichen Entwicklung hervor. Bewährte Maßnahmen wie insbesondere der Ausgleich für naturbedingte und klimatische Nachteile sollten jedenfalls im Sinne größtmöglicher Kontinuität weitergeführt werden.

3.5   EU-Haushalt und Finanzmittel für die GAP

3.5.1   Nach Ansicht des EWSA setzt die moderne Gesellschaft der europäischen Landwirtschaft sehr ehrgeizige und schwierige Ziele. Um diese zu erreichen, bedarf es auch in Zukunft einer GAP mit einem wirksamen Instrumentarium, effizient anwendbaren Verfahren und einer angemessenen Mittelausstattung (15). Außerdem muss die GAP unbedingt in alle anderen Bereiche der Gemeinschaftspolitik (Unternehmen, Klimaschutz, sektorübergreifende Politikbereiche, Wirtschaft, Finanzen und Steuern, Beschäftigung und soziale Rechte, Energie und natürliche Ressourcen, Umwelt, Verbraucher und Gesundheit, Außenbeziehungen und auswärtige Angelegenheiten, Regionen und lokale Entwicklung, Wissenschaft und Technologie) einbezogen werden.

3.5.2   Nach Auffassung des EWSA muss in der Diskussion über die „GAP bis 2020“ berücksichtigt werden, dass es entsprechend der Finanziellen Vorausschau und ohne budgetäre Anpassung wohl kaum möglich sein wird, die in der Mitteilung genannten Ziele der künftigen GAP zu erreichen bzw. das europäische Agrarmodell zu verteidigen.

3.5.3   Seiner Ansicht nach bietet die Reform „GAP nach 2013“ die Gelegenheit, die Debatte über eine Umverteilung der Finanzmittel sowohl der ersten als auch der zweiten Säule anzustoßen. Insbesondere gilt es, das Problem der unausgewogenen Verteilung der für die GAP bereitstehenden Mittel auf nationaler Ebene zu lösen, unter der vor allem die neuen Mitgliedstaaten leiden. Im Zuge der Abschaffung der historischen Referenzzeiträume muss ein neues Kriterium für die Festsetzung der für die einzelnen Mitgliedstaaten geltenden nationalen Obergrenze für die Direktzahlungen ermittelt werden. In diesem Zusammenhang fordert der EWSA, hier pragmatisch vorzugehen und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Situationen in den einzelnen Mitgliedstaaten über die landwirtschaftlich genutzte Fläche des jeweiligen Staates hinaus weitere Kriterien heranzuziehen. Namentlich sollten die Kriterien Lebenshaltungskosten, Beschäftigung, Wertschöpfung und divergierende agroklimatische Bedingungen und Erzeugerkosten herangezogen werden, da diese den Beitrag der Landwirtschaft zur räumlichen Entwicklung zur Geltung bringen könnten (16).

3.5.4   Der EWSA befürwortet die von der Kommission vorgeschlagene Option, keine Form der nationalen Kofinanzierung für Maßnahmen der ersten Säule einzuführen. Im Hinblick auf die zweite Säule sollte nach Ansicht des Ausschusses die nationale Kofinanzierung für Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums bestätigt werden. Der EWSA hält es zudem für erforderlich, dass die bislang getroffenen Entscheidungen zur Höhe des nationalen Kofinanzierungsanteils für die ländliche Entwicklung überdacht werden, um der schwierigen Haushaltslage vieler Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen und bessere Ergebnisse bezüglich der für Investitionen getätigten nationalen Ausgaben zu fördern (17).

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Der Ausschuss empfiehlt, die Möglichkeit einer Überprüfung des EU-Wettbewerbsrechts für den Landwirtschaftssektor unter dem Gesichtspunkt einer besseren Funktionsweise des Agrarnahrungsmittelsektors und eines neuen Kräftegleichgewichts zwischen den Marktteilnehmern der Lebensmittelkette, insbesondere bezüglich der Verhandlungsposition gegenüber dem Handel, zu erwägen.

4.2   Die EWSA stimmt mit der angestrebten Stärkung der Instrumente des Risikomanagements im Rahmen der GAP überein. Nach Ansicht des Ausschusses sollten diese Instrumente zur Reduzierung der Einkommensschwankungen und der Instabilität der Märkte beitragen. Die Stärkung der Versicherungsinstrumente und die Schaffung von Fonds auf Gegenseitigkeit zur Absicherung sollte Landwirten helfen, die vor Gesundheits- oder Witterungsrisiken stehen, welche in der nächsten Zeit sicherlich zunehmen werden. Unter Verweis auf die schwere Krise der Finanzinstitutionen in der ganzen Welt fordert der Ausschuss die Kommission auf, umgehend die operativen Modalitäten für die Einführung dieser Instrumente klarzustellen. Der EWSA äußert Zweifel an der Zweckmäßigkeit von Maßnahmen des Risikomanagements im Rahmen der zweiten Säule und weist darauf hin, dass die Pflicht zur nationalen Kofinanzierung die Mitgliedstaaten davon abhalten könnte, diese neuen Instrumente einzuführen.

4.3   Der EWSA nimmt mit Interesse den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis, alternative Vertriebswege für die Vermarktung lokaler Produkte im Rahmen der zweiten Säule durch Verbreitung und Konsolidierung von Direktabsatz und den Ausbau der lokalen Märkte zu fördern. Nach Ansicht des EWSA sollte die EU zur Unterstützung dieser alternativen Handelsformen ad hoc ein eigenes Regelwerk erlassen.

4.4   Der EWSA gibt seinem Wunsch nach einer Wiederaufnahme und einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen im Rahmen der WTO Ausdruck, da Handelsabkommen, insbesondere mit dem Mercosur, Auswirkungen auf das wirksame Funktionieren der GAP in Form einer weiteren Öffnung der Agrarmärkte haben (18). Der EWSA möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass dies noch stärkeren Wettbewerbsdruck und immer intensivere Beeinflussung der Erzeugerpreise durch die Volatilität der internationalen Märkte bedeutet. Dies gilt es bei der GAP-Reform zu berücksichtigen, sowohl bei den Änderungen der Instrumente zur Stabilisierung von Märkten, aber auch bei einer Neuausrichtung des Instruments der Direktzahlungen. Der Welthandel kann überdies wesentlich zur Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung beitragen, da er die Menge und Vielfalt der auf dem Markt angebotenen Nahrungsmittel vergrößert (19). Der Ausschuss weist darauf hin, dass die europäischen Landwirte gegenüber den Landwirten in Drittstaaten aufgrund der in der EU zwingend geltenden Erzeugungsnormen benachteiligt sind. Er fordert eine Stärkung der Verfahren zur Kontrolle der eingeführten landwirtschaftlichen Rohstoffe, die die für europäische Produkte geltenden Anforderungen erfüllen müssen, weil es sonst zu unlauterem Wettbewerb und Sozialdumping, aber auch zu schweren Einbußen bei der Qualität der landwirtschaftlichen Erzeugung und der Verarbeitung zu Lebensmitteln kommt.

4.5   Der EWSA fordert die Kommission auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Problem des defizitären Anbaus von Eiweißpflanzen für Futter in der europäischen Landwirtschaft zu lösen, das die Entwicklung bestimmter Produktionsbranchen in der EU hemmt. In diesem Zusammenhang verfolgt der EWSA mit Interesse die Umsetzung von Maßnahmen, die Synergieeffekte zwischen den Agroenergieprogrammen und der Förderung der Eiweißpflanzenerzeugung in Europa herbeiführen.

Brüssel, den 16. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  KOM(2010) 548 endg. „Abschlussbewertung der Umsetzung des Gemeinschaftlichen Aktionsplans zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt 2010“.

(2)  Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (ABl. L 30 vom 31.1.2009, S. 16).

(3)  Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/10/1527 vom 18.11.2010.

(4)  Stellungnahme des EWSA zur „Reform der GAP 2013“ (ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 35, Ziffer 5.6.11).

(5)  Beschluss des Rates vom 19. Januar 2009 zur Änderung des Beschlusses 2006/144/EG über strategische Leitlinien der Gemeinschaft für die Entwicklung des ländlichen Raums - Programmplanungszeitraum 2007-2013 (ABl. L 30 vom 31.1.2009, S. 112).

(6)  Stellungnahme des EWSA zur „Zukunft der GAP nach 2013“ (ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 66, Ziffer 2.3).

(7)  Stellungnahme des EWSA zur „Reform der GAP 2013“ (ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 35, Ziffer 5.2) und Stellungnahme des EWSA zum Thema „Health Check und Zukunft der GAP nach 2013“ (ABl. C 44 vom 16.2.2008, S. 60, Ziffer 7.4.2).

(8)  Stellungnahme des EWSA zur „Reform der GAP 2013“ (ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 35, Ziffer 3.7).

(9)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Lebensmittelversorgungskette in Europa verbessern“ (ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 145, Ziffer 3.6).

(10)  Stellungnahme des EWSA zur „Reform der GAP 2013“ (ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 35, Ziffer 4.7).

(11)  Stellungnahme des EWSA zur „Reform der GAP 2013“ (ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 35, Ziffer 5.5.15).

(12)  Stellungnahme des EWSA zur „Reform der GAP 2013“ (ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 35, Ziffer 5.3).

(13)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Health Check und Zukunft der GAP nach 2013“ (ABl. C 44 vom 16.2.2008, S. 60, Ziffern 7.4.13 bis 7.4.15) und Stellungnahme des EWSA zur „Reform der GAP 2013“ (ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 35, Ziffer 5.5.9).

(14)  Stellungnahme des EWSA zur „Zukunft der GAP nach 2013“ (ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 66, Ziffer 4.3).

(15)  Stellungnahme des EWSA zur „Zukunft der GAP nach 2013“ (ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 66, Ziffer 2.5).

(16)  Stellungnahme des EWSA zur „Reform der GAP 2013“ (ABl. C 354 vom 28.12.2010, S. 35, Ziffern 5.7.4, 5.8.4 und 5.8.5).

(17)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Health Check und Zukunft der GAP nach 2013“ (ABl. C 44 vom 16.2.2008, S. 60, Ziffer 7.6.11).

(18)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Health Check und Zukunft der GAP nach 2013“ (ABl. C 44 vom 16.2.2008, S. 60, Ziffer 7.4.9).

(19)  KOM(2010) 127 endg. „EU-Politikrahmen zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Verbesserung der Ernährungssicherheit“.


ANHANG

zu der Stellungnahme des Ausschusses

Folgende abgelehnte Änderungsanträge erhielten mindestens ein Viertel der Stimmen:

Ziffer 1.5   Den letzten Satz streichen:

Der EWSA stimmt dem Ziel zu, die Gewährung der Unterstützung im Rahmen der GAP ausschließlich auf aktive Landwirte zu beschränken und dabei das europäische Landwirtschaftsmodell durch Maßnahmen sowohl der ersten als auch der zweiten Säule der GAP zu fördern. Alle Zahlungen aus der ersten und der zweiten Säule müssen auf die Lösung der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Problematiken ausgerichtet werden. In diesem Zusammenhang fordert der EWSA die Kommission auf, eine EU-weit anwendbare Definition des Begriffs ‚aktiver Landwirt‘ zu liefern.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

:

74

Nein-Stimmen

:

125

Stimmenthaltungen

:

29

Ziffer 1.7   Ziffer streichen und durch folgenden Wortlaut ersetzen:

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

:

62

Nein-Stimmen

:

155

Stimmenthaltungen

:

20


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/71


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung (EU) Nr. …/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 648/2004 in Bezug auf die Verwendung von Phosphaten und anderen Phosphorverbindungen in Haushaltswaschmitteln“

KOM(2010) 597 endg. — 2010/0298 (COD)

2011/C 132/12

Alleinberichterstatter: Nikos LIOLIOS

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 10. bzw. am 24. November 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung (EU) Nr. …/… des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 648/2004 in Bezug auf die Verwendung von Phosphaten und anderen Phosphorverbindungen in Haushaltswaschmitteln

KOM(2010) 597 endg. — 2010/0298 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 28. Februar 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 174 Stimmen gegen 1 Stimme bei 9 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1   Der EWSA räumt ein, dass die Verordnung (EG) Nr. 648/2004 im Hinblick auf die Beschränkung der Verwendung von Phosphaten und anderen Phosphorverbindungen in Haushaltswaschmitteln aus folgenden Gründen geändert werden sollte:

Im Vergleich zu anderen Quellen tragen Phosphate in Detergenzien zwar in eher geringem Maße zur Eutrophierung bei, doch ist die Beschränkung ihrer Verwendung offenbar die wirksamste Möglichkeit zur Reduzierung der Eutrophierungsgefahr in der gesamten Europäischen Union.

Es ist unbedingt erforderlich, einen vollständig harmonisierten Binnenmarkt für Haushaltswaschmittel zu gewährleisten und damit sämtliche Zusatzkosten zu beseitigen, die der Industrie und der Verwaltung infolge der Fragmentierung des Marktes erwachsen, sowie der Notwendigkeit einer gegenseitigen Anerkennung von phosphorhaltigen Detergenzien ein Ende zu setzen, die dazu führt, dass Detergenzien, deren Vermarktung in einem EU-Mitgliedstaat rechtlich zulässig ist, auch in jeden anderen EU-Mitgliedstaat importiert und dort auf den Markt gebracht werden können, auch wenn in diesem Mitgliedstaat Vorschriften über die Beschränkung der Verwendung von Phosphaten gelten.

Die nationalen Verwaltungen der Mitgliedstaaten, die zur Eindämmung der Eutrophierung Rechtsvorschriften über Phosphate in Detergenzien erlassen haben, werden infolge ihrer Verpflichtungen in Bezug auf die gegenseitige Anerkennung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 764/2008 möglicherweise verstärkt Schwierigkeiten mit der Anwendung ihrer Rechtsvorschriften haben.

Eine gemeinsame Maßnahme auf EU-Ebene wäre wesentlich wirksamer als Einzelaktionen der Mitgliedstaaten.

1.2   Der EWSA begrüßt den allgemeinen Ansatz der Europäischen Kommission, die parallel zur angestrebten Eindämmung der Gefahr einer Eutrophierung der aquatischen Umwelt die technische und sozioökonomische Realisierbarkeit und die Auswirkungen der Ersetzung von Phosphaten in Detergenzien mit Blick auf deren Wirksamkeit und Effizienz prüft.

1.2.1   Vor diesem Hintergrund spricht sich der EWSA für Option 4 aus, nach der der Phosphatgehalt nur in Haushaltswaschmitteln und nicht in Maschinengeschirrspülmitteln sowie in Detergenzien für den industriellen oder institutionellen Bereich begrenzt werden sollte.

1.3   Mit dem Vorschlag werden nicht etwa viele neue Elemente eingeführt, sondern es wird nur die bereits bestehende rückläufige Tendenz bei der Verwendung von Phosphaten und anderen Phosphorverbindungen in Haushaltswaschmitteln gestützt bzw. EU-weit rechtlich verpflichtend festgelegt. Der EWSA nimmt die Zusage der Kommission zur Kenntnis, die Umweltauswirkungen dieser Art von verbreiteten Konsumgütern zu minimieren. Die Berücksichtigung der Empfehlungen, die der EWSA in der vorliegenden Stellungnahme formuliert, wird diesem Anliegen mehr Gewicht verleihen. Der EWSA erkennt an, dass die Hersteller von Haushaltswaschmitteln mit der im Wesentlichen freiwilligen Umsetzung von Alternativlösungen zur Ersetzung von Phosphaten erheblich zur Begrenzung der Umweltauswirkungen ihrer Produkte beigetragen haben.

1.4   Der EWSA ist der Auffassung, dass durch die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 648/2004 zur Beschränkung von Phosphaten und anderen Phosphorverbindungen in Haushaltswaschmitteln bis zur Anwendung der jeweiligen Bestimmungen ausreichend Zeit für die Anpassung und Vorbereitung gewährt werden muss. Der EWSA geht davon aus, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen ein bis zwei Jahre benötigen werden, um die Produkte neu formulieren und die erforderlichen Änderungen bei den Anlagen und Produktionsverfahren umsetzen zu können.

2.   Einleitung

2.1   Phosphate und speziell Natriumtripolyphosphat (STPP) werden für Detergenzien verwendet, damit das Wasser enthärtet wird und sich die Reinigungskraft wirksam entfalten kann. Allerdings können sich Phosphate negativ auf die aquatische Umwelt auswirken und das ökologische Gleichgewicht beeinträchtigen, indem sie zu einem vermehrten Algenwachstum, der sogenannten Eutrophierung, beitragen. Auch wenn Phosphate in Haushaltswaschmitteln nur der drittwichtigste Faktor für den Anstieg des Phosphatgehalts in der aquatischen Umwelt ist, wird die Begrenzung des Phosphatgehalts in Haushaltswaschmitteln unter technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten als wirksamste Lösung erachtet, um die Gefahr der Eutrophierung zu verringern.

2.2   Mit der Verordnung (EG) Nr. 648/2004 über Detergenzien wird das Inverkehrbringen von Detergenzien in Bezug auf die Kennzeichnung von Detergenzien und die biologische Abbaubarkeit von darin enthaltenen Tensiden harmonisiert. Angesichts der Besorgnis, die in Bezug auf die Eutrophierung herrscht, wird in Artikel 16 der Verordnung von der Kommission bis zum 8. April 2007 allerdings auch Folgendes verlangt: „[Die Kommission] führt eine Bewertung durch, unterbreitet einen diesbezüglichen Bericht und legt gegebenenfalls einen Legislativvorschlag über die Verwendung von Phosphaten im Hinblick auf die schrittweise Einstellung ihrer Verwendung oder die Beschränkung auf spezielle Anwendungen vor“. Die Kommission hat ihren Bericht im Jahr 2007 vorgelegt (1) und gelangt darin zu der Schlussfolgerung, dass die Kenntnisse über den Einfluss von Phosphaten in Waschmitteln auf die Eutrophierung ungenügend sind, jedoch rasch zunehmen. Auf der Grundlage weiterer, in der Folge durchgeführter wissenschaftlicher Arbeiten und von Erkenntnissen über die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen etwaiger Beschränkungen wurde eine endgültige Folgenabschätzung (2) erstellt, in der eine Reihe von politischen Optionen betreffend die Verwendung von Phosphaten in Detergenzien betrachtet werden

2.3   Die Kommission leitete eine Reihe von Untersuchungen ein, mit deren Hilfe festgestellt werden sollte, ob es gerechtfertigt wäre, die Verwendung von Phosphaten in Detergenzien zur Eindämmung der Eutrophierung in der EU zu beschränken. Auf der Grundlage dieser Studien erfolgten weitere Konsultationen mit den Mitgliedstaaten, mit der Industrie sowie nichtstaatlichen Organisationen bei Sitzungen der Arbeitsgruppe der für die Durchführung der Detergenzienverordnung zuständigen Behörden (Arbeitsgruppe „Detergenzien“) im November 2006, im Juli und im Dezember 2007, im Juli 2008 und im Februar und im November 2009.

2.3.1   Im Jahr 2009 wurde eine gesonderte Konsultation von kleineren und mittleren Detergenzien-Formulierern über das Enterprise Europe Network durchgeführt, um zu ermitteln, wie Phosphate und alternative Stoffe derzeit zur Formulierung von Detergenzien eingesetzt werden und welche Auswirkungen etwaige Beschränkungen von Phosphaten auf diese KMU haben können.

2.3.2   Auf der Grundlage der Informationen aus den genannten Studien und Konsultationen sowie der Folgenabschätzung erarbeitete die Kommission ihren Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 648/2004 (KOM(2010) 597), zu dem der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme ersucht wird.

3.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments

3.1   Mit dem Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 648/2004 über Detergenzien soll angesichts der Schlussfolgerungen aus den Bewertungen und der Folgenabschätzung, die von der Kommission gemäß Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 648/2004 durchgeführt wurden, eine Beschränkung des Phosphatsgehalts und des Gehalts an anderen Phosphorverbindungen in Haushaltswaschmitteln eingeführt werden, damit Detergenzien künftig weniger stark zur generellen Eutrophierung der Oberflächengewässer der EU beitragen.

3.1.1   Generell angestrebt wird ein hohes Niveau des Schutzes der Umwelt vor den etwaigen negativen Auswirkungen von Phosphaten und anderen Phosphorverbindungen in Detergenzien und ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes für Detergenzien.

3.2   Fünf politische Optionen wurden auf ihre Auswirkungen hin untersucht:

—   Option 1: Keine Maßnahmen auf EU-Ebene; die Verantwortung für weitere Maßnahmen verbleibt bei den Mitgliedstaaten oder wird im Kontext der regionalen Kooperation wahrgenommen (Basisoption)

—   Option 2: Freiwillige Maßnahmen der Industrie

—   Option 3: Vollständiges Verbot von Phosphaten in Detergenzien

—   Option 4: Beschränkung/Begrenzung des Phosphatgehalts in Waschmitteln

—   Option 5: Festlegung von Grenzwerten für den Phosphatgehalt in Detergenzien

Im Zuge der Bewertung der Auswirkungen der einzelnen politischen Optionen wurden die Ergebnisse der wissenschaftlichen Analyse berücksichtigt, mit der festgestellt werden sollte, in welchem Umfang Phosphate in Detergenzien zur Eutrophierung in der EU beitragen. Zudem wurden die Kriterien Wirksamkeit und Effizienz (ebenso wie praktische Anwendbarkeit, sozioökonomische Auswirkungen und Kontrollfähigkeit) zugrunde gelegt. Die Informationen gehen hauptsächlich auf die vorstehend genannten Studien und die weitere direkte Konsultation mit Interessenträgern zurück.

Aus der für die einzelnen Optionen vorgenommenen Bewertung und Folgenabschätzung geht hervor, dass eine EU-weite Begrenzung der Verwendung von Phosphaten und anderen Phosphorverbindungen in Haushaltswaschmitteln dazu führen wird, dass Phosphate in Detergenzien weniger stark zur Eutrophierung von Gewässern in der EU beitragen und dass die Kosten für die Phosphateliminierung in Kläranlagen sinken. Dabei können weitaus mehr Kosten eingespart werden als durch die Neuformulierung von Haushaltswaschmitteln anhand von Alternativen für Phosphate anfallen. EU-weite Beschränkungen für Maschinengeschirrspülmittel oder für Detergenzien für den industriellen oder institutionellen Bereich wären hingegen derzeit nicht gerechtfertigt, weil die vorhandenen Alternativen den höheren technischen Anforderungen bei derartigen Anwendungen im Allgemeinen nicht gerecht werden.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1   Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission. Da keine in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht zufriedenstellenden Alternativen für die anderen Arten von Detergenzien - abgesehen von Haushaltswaschmitteln - bestehen, stimmt er zu, eine Begrenzung der Verwendung von Phosphaten und anderen Phosphorverbindungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur für Haushaltswaschmittel festzulegen. Allerdings muss, wie in der Änderung von Artikel 16 zu Recht gefordert wird, auch die Festlegung von Beschränkungen für Phosphate in Maschinengeschirrspülmitteln geprüft werden. Den Herstellern wird ausreichend Zeit gewährt, damit sie bestehende Alternativen prüfen und eventuelle weitere Alternativen entwickeln und diese technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar gestalten können. Damit die Industrie ermutigt wird, Maßnahmen in diese Richtung zu ergreifen, könnte die Kommission Konsultationen mit den zuständigen Stellen durchführen.

4.2   In Bezug auf die genannten Optionen vertritt der EWSA folgende Auffassung:

Die Optionen 1 und 2 führen bei Anhalten des bestehenden Trends zwar zu einem langsamen Rückgang der Verwendung von Phosphaten, erfüllen jedoch nicht die Bedingung, dass ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts für Detergenzien gewährleistet sein muss. Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, dass sich der Trend, Phosphate in Detergenzien zu ersetzen, umkehrt, was negative Auswirkungen auf die Umwelt hätte.

Option 3 scheint zwar am besten zur Eindämmung der Eutrophierungsgefahr geeignet zu sein, empfiehlt sich jedoch nicht, weil sie einerseits zu einer unverhältnismäßigen Senkung der Wirksamkeit von Maschinengeschirrspülmitteln führen würde, für es gegenwärtig keine technisch machbaren und wirtschaftlich vertretbaren Alternativen gibt, und weil andererseits die Ersatzstoffe für Phosphate in Haushaltswaschmitteln mitunter andere phosphorhaltige Verbindungen, insbesondere Phosphonate, enthalten, die nur in geringen Mengen zugesetzt werden, jedoch sowohl bei der Enthärtung des Wassers als auch bei der Stabilisierung von Bleichmitteln sehr gute Wirkung erzielen. Daher ist es nicht möglich, völlig phosphorfreie Detergenzien herzustellen.

Option 4 ist die probateste Lösung, weil sie nur Haushaltswaschmittel betrifft, bei denen bereits vielfach verwendete Alternativlösungen zur Verfügung stehen, wobei ein zulässiger Mindestgehalt an Phosphor festzulegen ist, damit Phosphonate eingesetzt werden können, deren Bedeutung weiter oben erläutert wurde. Die Begrenzung des Phosphatgehalts in Waschmitteln wird eine geringere Eindämmung der Eutrophierung bewirken als Option 3 (60 % der Phosphate werden in Waschmitteln eingesetzt). Auf diese Weise wird den Herstellern von Maschinengeschirrspülmitteln jedoch die erforderliche Zeit gewährt, um technisch und wirtschaftlich angemessene Alternativen für die genannten Arten von Detergenzien zu entwickeln. Zudem werden eine EU-weite Harmonisierung der Vorschriften erreicht und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Haushaltswaschmittel gewährleistet, der derzeit recht fragmentiert ist.

Option 5, d.h. die Festlegung verschiedener Grenzwerte für den Phosphatgehalt von Haushaltswaschmitteln, Maschinengeschirrspülmitteln und für Detergenzien für den industriellen oder institutionellen Bereich scheint zwar den Zielen (Eindämmung der Eutrophierung, reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts für alle Arten von Detergenzien) in hohem Maße gerecht zu werden. Es wäre jedoch mit Blick auf die große Vielzahl der technischen Anforderungen (viele Detergenzien für den industriellen oder institutionellen Bereich sind eigens für Anlagen eines bestimmten Kunden entwickelt worden) schwierig, eine Einigung über die konkreten Grenzwerte für Maschinengeschirrspülmittel und vor allem für Detergenzien für den industriellen oder institutionellen Bereich zu erzielen. Die Festlegung von Grenzwerten wird voraussichtlich viele Anträge auf Ausnahmegenehmigungen auf der Grundlage von Artikel 114 AEUV nach sich ziehen, was wiederum bürokratischen Aufwand für die nationalen Verwaltungen und die Kommission mit sich bringt.

4.3   Der EWSA erkennt an, dass die Gefahr einer Eutrophierung nicht in allen Mitgliedstaaten in gleichem Maße besteht, und billigt deshalb den Vorschlag der Kommission, die derzeit geltende Regelung mit entsprechenden Änderungen beizubehalten, so dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, ihre jeweiligen nationalen Vorschriften über die Grenzwerte für Phosphate und andere Phosphorverbindungen in Detergenzien, die keine Haushaltswaschmittel sind, beizubehalten oder neue Vorschriften festzulegen, wenn dies zum Schutz der aquatischen Umwelt erforderlich ist und technisch und wirtschaftlich zufriedenstellende Alternativen vorhanden sind.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1   Der EWSA stimmt der Festlegung eines generellen Grenzwerts von 0,5 Gewichtsprozent, ausgedrückt in elementarem Phosphor, für alle Phosphate und phosphorhaltigen Verbindungen in Haushaltswaschmitteln zu. Damit wird sichergestellt, dass das geplante Verbot von Phosphaten nicht ohne weiteres umgangen werden kann.

5.2   Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, künftig und auf jeden Fall nach der Annahme des zur Debatte stehenden Vorschlags zu prüfen, inwieweit phosphathaltige Maschinengeschirrspülmittel zum Eutrophierungsrisiko beitragen, dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht zu unterbreiten und gegebenenfalls Beschränkungen des Phosphatgehalts dieser Detergenzien vorzuschlagen. Der EWSA hält die vorgesehene Frist von fünf Jahren für zu lang und empfiehlt,

die Untersuchung über den Beitrag von phosphathaltigen Maschinengeschirrspülmitteln zum Eutrophierungsrisiko nach Ablauf von drei Jahren oder wenn möglich noch früher vorzulegen;

die Hersteller von Maschinengeschirrspülmitteln und alternativen Rohstoffen zu informieren und dazu zu ermutigen, bereits existierende, aber wahrscheinlich noch unausgereifte Alternativen als Ersatz für Phosphate zu entwickeln und sie technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar zu gestalten.

Wenn sich der Beitrag der Phosphate in Maschinengeschirrspülmitteln zur Eutrophierungsgefahr letztlich als gering erweist und keine Alternativlösung gefunden wurde, die dem Verbraucher eine ordnungsgemäße Wirkung dieser Detergenzien garantiert, wird vorgeschlagen, einen Grenzwert für Phosphor, ausgedrückt in Gewichtsprozent oder Gramm pro Waschgang, festzulegen, der so niedrig ist, dass die Umwelt nicht übermäßig belastet wird, gleichzeitig aber hoch genug ist, dass das Waschmittel ordnungsgemäß wirken kann.

5.3   In Bezug auf die Kohärenz des Vorschlags der Kommission mit der Politik anderer Institutionen und den Zielen der EU nimmt der EWSA die Einschätzung der Kommission zur Kenntnis, die in der Folge dargelegt wird, und stimmt der Auffassung zu, dass die erforderliche Annäherung in zufriedenstellendem Ausmaß erzielt wird.

5.3.1   Der vorliegende Vorschlag entspricht uneingeschränkt den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG), nach der die Mitgliedstaaten bis 2015 für einen guten ökologischen und chemischen Zustand der Oberflächengewässer sorgen müssen. In einigen sensiblen Gebieten der EU haben die betroffenen Mitgliedstaaten koordinierte Maßnahmen ergriffen und Strategien zur regionalen Kooperation entwickelt, bislang aber nur langsam Fortschritte erzielt. Bei dem Vorschlag der Kommission handelt es sich somit um eine ergänzende Maßnahme, die für den Erfolg der regionalen Kooperationen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Eutrophierung von entscheidender Bedeutung ist.

5.3.2   Ferner wird durch den Vorschlag auch die Richtlinie 91/271/EWG über die Behandlung von kommunalem Abwasser ergänzt, mit der die Konzentration von Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff in Oberflächengewässern eingeschränkt und damit der Eutrophierung entgegengewirkt werden soll.

5.4   Die Kommission weist darauf hin, dass die Rechtsgrundlage für diesen Vorschlag Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist, der darauf abzielt, bei der Errichtung des Binnenmarkts ein hohes Niveau in den Bereichen Gesundheits- und Umweltschutz zu gewährleisten.

5.4.1   Das Subsidiaritätsprinzip gemäß Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union gelangt zur Anwendung, da der Vorschlag nicht unter die ausschließliche Zuständigkeit der Union fällt.

5.4.2   Die Kommission weist darauf hin, dass dieser Vorschlag im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß Artikel 5 Absatz 4 des Vertrags über die Europäische Union nicht über das zur Erreichung der angestrebten Ziele erforderliche Maß hinausgeht.

5.4.3   Schließlich befand die Kommission, dass für diesen Rechtsakt die Form einer Verordnung zu wählen ist, weil es um die Harmonisierung des Gehalts an Phosphaten und anderen Phosphorverbindungen in Haushaltswaschmitteln geht. Mit der vorgeschlagenen Verordnung wird die bereits bestehende Detergenzienverordnung geändert.

5.4.4   Der EWSA ist mit der von der Kommission gewählten Konzeption einverstanden. Damit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch bei den vorgesehenen Sanktionen eingehalten wird, empfiehlt der EWSA Folgendes:

Wenn bei einer Kontrolle ein auf dem Markt befindliches Haushaltswaschmittel ermittelt wird, dessen Phosphorgehalt mehr als 0,5 %, aber weniger als 2,0 % beträgt, und wenn bei der bei den zuständigen Behörden eingereichten Produktzusammensetzung ein Phosphorgehalt von weniger als 0,5 % angegeben ist, sollte dieses Waschmittel nicht vom Markt genommen werden müssen, wenn keine Gefahr für die Gesundheit besteht. In diesem Fall sollte lediglich ein Bußgeld verhängt werden. Das Bußgeld kann entsprechend der Größenordnung der Überschreitung des Grenzwerts gestaffelt werden. Eine Überschreitung des Grenzwerts von 0,5 % ist möglicherweise nicht auf Vorsatz zurückzuführen, sondern kann vorkommen, wenn der Hersteller in derselben Anlage zulässigerweise auch Detergenzien mit Phosphaten für Drittstaaten herstellt, so dass mit einer geringen Beimischung trotz ergriffener Maßnahmen zur Isolierung der Partien zu rechnen ist. Es liegt im Ermessen der Kommission, in einem solchen Fall eine umfassende Begründung des Herstellers zu verlangen, damit die vorgeschlagene Maßnahme nicht zur Umgehung des Grenzwerts von 0,5 % missbraucht wird. Die Rücknahme von Erzeugnissen vom Markt ohne ernsthaften Grund (Gesundheit, sichere Verwendung) kann letztlich zu einer höheren Umweltbelastung führen, da mehrfache Transporte anfallen, Verpackungen vernichtet werden und ein Produkt entsorgt wird, das nicht einmal für seinen eigentlichen Zweck verwendet wurde, obwohl es absolut sicher und seine Verwendung unbedenklich ist.

Wenn der Phosphorgehalt 2,0 Gewichtsprozent überschreitet, sollten die vorgesehenen Sanktionen verhängt und die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  KOM(2007) 234.

(2)  SEK(2010) 1278.


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/75


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Halbzeitbilanz der LIFE+-Verordnung“

KOM(2010) 516 endg.

2011/C 132/13

Berichterstatter: Lutz RIBBE

Am 30. September 2010 beschloss die Europäische Kommission, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Halbzeitbilanz der LIFE+-Verordnung

KOM(2010) 516 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 28. Februar 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 185 gegen 2 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung

1.1

Der vorgelegte Halbzeitbericht zum LIFE+-Programm (Laufzeit: 2007 bis 2013) bietet aufgrund der Tatsache, dass durch Umsetzungsschwierigkeiten die ersten Projekte von LIFE+ erst im Januar 2009 gestartet wurden, keine hinreichende Datenbasis, um bereits eine qualifizierte Bewertung für die laufende Projektperiode abzugeben.

1.2

Der EWSA hat allerdings stets die hohe Bedeutung des LIFE-Programms, das seit knapp 20 Jahren existiert, für die Entwicklung und Gestaltung der europäischen Umweltpolitik betont. Er hält seine Fortführung und Fortentwicklung auch in der neuen Finanzperiode (2013–2020) für notwendig und sinnvoll.

1.3

Das LIFE-Programm muss ein möglichst flexibles Instrument sein, mit dem die Kommission gestaltend wirken kann. Mit LIFE, das ca. 0,2 % des Haushaltsvolumens der EU ausmacht, können wertvolle Beiträge und Hinweise auf Lösungsansätze gegeben werden. Es können damit aber weder die Fehlentwicklungen ausgeglichen werden, die von anderen EU-Politikbereichen ausgelöst werden, noch können damit alle EU-Strategien mit Umweltbezug finanziert werden.

1.4

Für die zukünftige Auswahl von LIFE-Projekten sollten die sich aus den Umsetzungsproblemen der EU-Umweltpolitik ergebenden Notwendigkeiten ausschlaggebend sein. Proporzdenken in Bezug auf die nationale Verteilung der Mittel darf zukünftig dabei keine Rolle spielen.

1.5

Die Umweltpolitik in Europa ist deshalb weiter entwickelt als in anderen Teilen unseres Planeten, weil eine aktive Zivilgesellschaft dies einfordert. Die Rolle der Natur- und Umweltschutzorganisationen wird in diesem Zusammenhang von der Kommission zu Recht betont und auch vom EWSA gewürdigt. Doch sollten auch andere Teile der Zivilgesellschaft motiviert werden, zukünftig verstärkt an LIFE-Projekten mitzuarbeiten. Die Finanzierungsmechanismen von LIFE+ müssen so gestaltet sein, dass gute Projekte nicht an starren Kofinanzierungsvorgaben scheitern.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Das Umweltfinanzierungsinstrument LIFE der EU war bislang eindeutig ein extrem wichtiges Programm der EU, das entscheidende Impulse zur Anwendung bzw. Entwicklung und Gestaltung von Umweltpolitik und Umweltrecht der Gemeinschaft geleistet hat. Es wurde im Mai 1992 mit der Verordnung (EWG) Nr. 1973/92 „Finanzierungsinstrument für die Umwelt (LIFE)“ ins Leben gerufen.

2.2

LIFE I lief von 1992 bis 1995 und war mit einem Budget von 400 Mio. EUR ausgestattet (100 Mio. EUR pro Jahr). Aufgrund des Erfolgs wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 1404/96 eine 2. Phase (LIFE II) gestartet, die von 1996 bis 1999 lief und für die insgesamt 450 Mio. EUR zur Verfügung standen (112,5 Mio. EUR pro Jahr). Die LIFE III-Verordnung (EG) Nr. 1655/2000 hatte zunächst eine Laufzeit von 2000 bis 2004 (128 Mio. EUR pro Jahr), welche dann mit der Verordnung (EG) Nr. 1682/2004 bis zum Ende der letzten Finanzperiode (also bis Ende 2006) verlängert wurde.

2.3

Mit der Verordnung (EG) 614/2007 wurde für die Finanzperiode 2007 bis 2013 eine neue Phase von LIFE, nämlich LIFE+ gestartet, für die rund 2,17 Mrd. EUR (d.h. rund 340 Mio. EUR/Jahr) zur Verfügung stehen.

2.4

Mit LIFE+ wurde die bisherige Förderung im Umweltbereich völlig neu strukturiert: so wurden Teile der bisherigen EU-Förderprogramme aus dem damaligen Haushaltstitel 07 zusammengefasst (Forest Focus, NGO-Förderung, URBAN, Entwicklung neuer Politikinitiativen, Teile aus „Umsetzung von Umweltpolitik“, Teile von LIFE-Umwelt und LIFE-Natur), ferner wurde beschlossen, aus LIFE keine klassischen, physisch greifbaren Umweltinvestitionsvorhaben mehr zu fördern, sondern hierfür zukünftig die Rubrik 1a (Umweltprojekte), bzw. 1b sowie Teile der Rubrik 2 (für Naturschutzprojekte) des Haushalts der EU zu nutzen. Die bisherige Förderung der internationalen Aktivitäten wurde in die Rubrik 4 – Maßnahmen zur Meeresumwelt in die Rubrik 3 - verlagert.

2.5

LIFE+ konzentriert sich darauf, die Umweltpolitik unterstützende Maßnahmen (mit ausschließlich europäischer Dimension) wie beispielsweise den Austausch vorbildlicher Praktiken, den Aufbau von Kapazitäten bei lokalen und regionalen Behörden und die Unterstützung von NGO, die europaweit tätig sind, zu fördern.

2.6

Für investive Vorhaben sieht die Kommission in dieser Finanzperiode folglich nicht mehr LIFE, sondern die (neuen) Rubriken 1A, 1B, 2 und 4 in der Verantwortung.

2.7

Da die entsprechende LIFE+-Verordnung erst im Juni 2007 in Kraft getreten ist, konnte mit den Ausschreibungen von Projekten erst im Oktober 2007 begonnen werden. Die ersten Projekte aus der neuen LIFE+-Phase konnten deshalb erst im Januar 2009 beginnen. Das bedeutet, dass die von der Kommission vorgelegte und hier zu kommentierende Halbzeitbewertung nur eine Reflektion über eine relativ geringe Zahl von Projekten, die gerade einmal erst richtig in Gang gekommen sind, liefern kann. Die Kommission beschreibt es richtig, wenn sie sagt, dass somit „nur beschränkte Informationen über die Ergebnisse verfügbar“ sind.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1

In der Halbzeitbewertung wird an mehreren Stellen beschrieben, wie wichtig das LIFE+-Programm sei. Es wird als „wirksames Instrument“ beschrieben, das einen „Mehrwert schafft“, und es wird darauf hingewiesen, dass „Zuschussempfänger und Mitgliedstaaten … gleichermaßen der Auffassung (sind), dass das Programm weitergeführt werden sollte, da es wesentlich für die Umsetzung der EU-Umweltpolitik ist“.

3.2

Der EWSA hat Zweifel, ob sich diese Aussagen aus dem hier zu kommentierenden Halbzeitbericht ableiten lassen, der sich auf eine Bewertung von Projekten stützt, die erst im Januar 2009 begonnenen wurden. Der Ausschuss hat zwar bekanntlich nie einen Zweifel daran gelassen, dass auch er das LIFE-Programm wirklich für sehr wichtig hält, doch die dünne Datenlage, auf deren Grundlage die Halbzeitbilanz erstellt wurde, lässt noch keine wirklichen Rückschlüsse auf die neue LIFE+-Phase zu.

3.3

Da allerdings bereits jetzt die Überlegungen für einen evtl. neuen Programmplanungszeitraum nach 2013 beginnen, möchte der Ausschuss die Chance nutzen, auf einige grundlegenden Fragen einzugehen und Vorschläge zu machen.

3.4

Der Ausschuss möchte deshalb an dieser Stelle zunächst zum Ausdruck bringen, dass seines Erachtens eine wirkliche Halbzeitbewertung der neuen Phase des LIFE+-Programms derzeit noch nicht möglich ist.

3.5

In seiner Stellungnahme (1) zum Entwurf der später dann beschlossenen LIFE+-Verordnung hat der EWSA einige Warnungen ausgesprochen, die sich nun scheinbar zu bestätigen scheinen.

3.6

Der Ausschuss hatte ausgeführt, dass die bisherigen LIFE-Programme eindeutig als sehr erfolgreiche, steuernde Politikinstrumente der Kommission angesehen werden können. Verantwortlich dafür, dass mit bescheidenen Mitteln durchaus beachtenswerte Erfolge errungen wurden, war die Tatsache, dass die EU-Kommission Vorgaben machen konnte und es sowohl zwischen potenziellen Projektnehmern als auch zwischen den Mitgliedstaaten zu einem gewissen „Wettbewerb“ um LIFE-Gelder kam: Die Mitgliedstaaten (besser: private und öffentliche Projektträger in den Mitgliedstaaten) mussten sich in früheren Phasen von LIFE innovative Projekte, die in die LIFE-Programmatik passten, ausdenken und entwickeln. Diese wurden dann innerhalb eines festgelegten Auswahlverfahrens einer kritischen Prüfung unterzogen, bevor sie bewilligt oder aber aufgrund mangelnder Qualität bzw. unzureichender Haushaltsmittel abgelehnt wurden. Es gab somit, was die Mittelvergabe anging, sowohl eine europäische Transparenz als auch eine klare Steuerung seitens der Kommission.

3.7

Der EWSA vertritt nach wie vor die Meinung, dass die Kommission zur Unterstützung ihrer Umweltpolitik, die bekanntlich in bestimmten Sektoren nur sehr mühsam voran kommt, ein Instrument an der Hand haben muss, das ausschließlich sie gestalten kann; ohne Proporzdenken, was beispielsweise die regionale Mittelverteilung angeht.

3.8

Die Kommission stellt in ihrer Halbzeitbewertung allerdings fest, dass die mit der neuen Projektphase erfolgte indikative nationale Zuteilung der Mittel zwar die „geografische Streuung von Projekten“ verbessert hat, dass aber die Bewertung darauf hindeutet, dass diese nationale Zuteilung „zur Auswahl von Projekten niedriger Qualität führen“ könne.

3.9

Genau dies hatte der EWSA befürchtet. Er bittet die Kommission und den Rat deshalb, noch einmal den Ansatz des LIFE-Programms grundlegend zu überdenken. Es sollte nicht darum gehen, EU-Gelder in die Mitgliedstaaten zu transferieren, mit denen dort Umweltprojekte mit europäischem Bezug finanziert werden. Das Programm sollte eindeutig dort ansetzen, wo die Kommissionsdienststellen den höchsten Bedarf sehen, um die Umweltpolitik der EU voranzubringen.

3.10

Die Umweltpolitik in Europa wird mittlerweile stark von EU-Regeln bestimmt, was allein mit Gründen eines funktionierenden Binnenmarktes begründet werden kann. Es passt aber nicht, die Gesetzgebung zu europäisieren, das entsprechende Instrument zur Politikgestaltung gewissermaßen zu nationalisieren.

3.11

Die von LIFE geförderten Projekte und Prozesse sollten nach Auffassung des EWSA noch zielgerichteter als bisher der Umsetzung der beschlossenen EU-Strategien (hier besonders der EU-Nachhaltigkeitsstrategie - um die es bemerkenswert ruhig geworden ist -, der Biodiversitätsstrategie, der Klimaschutzstrategie sowie den ökologischen Komponenten der EU-Strategie 2020) dienen. Besonderer Wert sollte auf einen Modellcharakter der Projekte gelegt werden, was bedeutet, dass nicht jedes einzelne Projekt – wie es derzeit z.B. im Bereich „Biodiversität“ gefordert wird – unbedingt einen neuen Innovationscharakter haben muss. Häufig mangelt es nicht an Innovation, sondern bereits schlichtweg an der Verbreitung und der Umsetzung bereits vorhandener Lösungen.

3.12

Die Kommission benötigt zukünftig bei ihrer Auswahl der Projekte eine hohe Flexibilität sowohl in inhaltlicher als auch in finanzieller Sicht; letzteres betrifft u.a. auch die Kofinanzierungssätze. Der EWSA kann sich durchaus vorstellen, dass auch 100 % ige Finanzierungen seitens der EU möglich sein sollten.

3.13

Die KOM stellt richtig dar, dass beispielsweise die Beiträge der Zivilgesellschaft zur Entwicklung der Umweltpolitik existenziell sind. Europas Umweltpolitik ist, im Vergleich zu anderen Teilen dieser Welt, gerade deshalb oftmals als fortschrittlicher anzusehen, weil die gesellschaftliche Debatte mehr Umwelt- und Naturschutz einfordert. Diese Debatte zu stimulieren liegt im Interesse der EU; und darf nicht an vorgegebenen Kofinanzierungssätzen allein scheitern.

3.14

Der EWSA setzt sich dafür ein, dass das LIFE+-Programm in konstruktiver Zusammenarbeit mit allen Nichtregierungsorganisationen sowohl in den Mitgliedstaaten (mit Unternehmensverbänden, Gewerkschaften u.a.), als auch auf EU-Ebene umgesetzt wird. Die Mitglieder dieser Organisationen sind häufig in den Bereichen tätig, in denen die EU einen verbesserten Umweltschutz und die Umsetzung der EU-Umweltpolitik gewährleistet sehen will. Eine entsprechende Sensibilisierung und ein entsprechendes Engagement sollte also nicht allein Sache der Umweltorganisationen sondern auch der Unternehmen sein.

3.15

Deshalb möchte der EWSA darauf ausdrücklich hinweisen, dass neben den klassischen Natur- und Umweltschutzverbänden z.B. Unternehmensverbände und die Gewerkschaften zu einer aktiven Teilnahme an LIFE Projekten motiviert werden sollten.

3.16

Der EWSA stimmt der Kommission zu, dass „Prioritäten und Schwerpunkte konkreter festzulegen (sind) … und jährliche Schwerpunktbereiche vorgegeben“ werden sollten. Dabei ist Wert auch auf Ansätze zu legen, die sektorenübergreifend sind. Auch sollten grenzüberschreitende Projekte mit Drittstaaten nicht kategorisch ausgeschlossen bleiben.

3.17

Bei aller Wertschätzung des LIFE-Programms möchte der EWSA allerdings auch davor warnen, seine Möglichkeiten zu überschätzen. Mit den rund 340 Mio. EUR, die jährlich zur Verfügung stehen, können viele Projekte gefördert werden, die wertvolle Hinweise für positive Ansätze in der Umweltpolitik liefern können. Mit diesem Geld, ca. 0,2 % des EU-Haushalts, können aber beispielsweise die Probleme, die durch Fehlsteuerungen in anderen Politikbereichen der EU ausgelöst werden, nicht ausgeglichen werden.

3.18

Wenn also im Halbzeitbericht im Teilbereich „biologische Vielfalt“ dem LIFE-Programm das Potenzial zugeschrieben wird, zu einem „wichtigen Instrument zu werden, um die Durchführung des Aktionsplans zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt zu finanzieren“, so hegt der EWSA daran einen gewissen Zweifel. LIFE wird, soll und muss natürlich dazu beitragen, aufzuzeigen, wie ein Miteinander von Biodiversitätserhaltung und wirtschaftlicher Nutzung der natürlichen Ressourcen konkret aussehen kann. Die eigentlichen Finanzierungsinstrumente, um dies dann zu gewährleisten, sind allerdings andere.

3.19

So beschreibt die Kommission selbst in ihrer Mitteilung (2), dass „die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) … das politische Instrument (ist), das sich am stärksten auf die biologische Vielfalt im ländlichen Raum auswirkt“ und dass „der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (vor allem Achse 2) … nach wie vor die wichtigste Finanzierungsquelle der Gemeinschaft für Natura 2000 und die Biodiversität in der EU“ ist. Nicht das LIFE-Programm.

3.20

Die Tatsache, dass heute nur 20 % des gesamten Finanzbedarfs für die Bewirtschaftung von Naturschutzgebieten einschließlich des Natura-2000-Netzwerks in Europa gedeckt sind, wird nicht mit dem LIFE-Programm gelöst werden können, sondern mit der viel beschworenen Integration des Natur- und Umweltschutzes in andere Politikbereiche. Das heißt: die wirkliche Aufgabe und Rolle des LIFE-Programms sollte noch einmal deutlich beschrieben werden.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  CES 382/2005, ABl. C 255 vom 14.10.2005, S. 52.

(2)  „Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Abschlussbewertung der Umsetzung des gemeinschaftlichen Aktionsplans zur Erhaltung der biologischen Vielfalt 2010“, KOM(2010) 548.


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/78


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Überprüfung der Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber“

KOM(2010) 723 endg.

2011/C 132/14

Berichterstatterin: An LE NOUAIL MARLIÈRE

Die Europäische Kommission beschloss am 7. Dezember 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Überprüfung der Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber

KOM(2010) 723 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 28. Februar 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 173 gegen 6 Stimmen bei 12 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

Die Umsetzung der 2005 angenommenen Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium und kann bei nahezu allen Maßnahmen Erfolge verbuchen. Sie soll in jedem Fall fortgesetzt und verstärkt werden.

1.1   Der EWSA befürwortet die einschlägigen Schlussfolgerungen des Europäischen Rates (1), empfiehlt indes der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern:

a)

der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, dass die EU ihre führende Rolle auf internationaler Ebene festigen muss, indem sie aktiv weitere Verpflichtungen zur Verringerung der Verwendung, des Angebots und der Emissionen von Quecksilber eingeht;

b)

einzusehen, dass die Umsetzung eines Gesamtziels mit einer allgemeinen Senkung einhergehen muss, wobei technisch oder wirtschaftlich begründete Ausnahmeregelungen anzuwenden sind, anstatt sich auf Beschränkungen zu stützen, die sich auf einzelne Produkte und Anwendungen sowie die einzelnen Abschnitte des Quecksilber-Lebenszyklus beziehen;

c)

im Einklang mit den Arbeiten des zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses und mit Blick auf die unter Beschluss 25/5 Punkt 34 des UNEP-Rats aufgelisteten Bereiche für internationale Maßnahmen weiterhin und verstärkt die Durchführung von Projekten in Entwicklungs- und Schwellenländern zu unterstützen;

d)

zu dem Schluss zu gelangen, dass der Einsatz von Quecksilber in der Chlor-Alkali-Industrie eingestellt werden sollte; der EWSA fordert die Kommission auf, bis zum 1. Januar 2012 einen Vorschlag für entsprechende rechtsverbindliche Maßnahmen mitsamt einem frühestmöglichen, noch vor 2020 anberaumten Ablauftermin für den Quecksilber-Prozess vorzulegen;

e)

zu berücksichtigen, dass die Quecksilberemissionen aus industriellen Prozessen spezifische Maßnahmen erforderlich machen; deshalb sollte die Kommission mit Blick auf die Umsetzung der jüngst angenommenen Richtlinie über Industrieemissionen rasch BVT(beste verfügbare Techniken)-Schlussfolgerungen sowie die mit den BVT assoziierten Emissionswerte für alle industriellen Prozesse, bei denen Quecksilber eingesetzt wird, annehmen;

f)

zu prüfen, inwieweit die Verwendung von Quecksilber in Knopfzellen eingeschränkt werden kann, und bis zum 1. Juli 2012 entsprechende Verkehrsbeschränkungen vorzuschlagen;

g)

ferner auf der Grundlage der vorliegenden Studien und unter Berücksichtigung der Entwicklungen und der verfügbaren Ersatzstoffe bis zum 1. Juli 2012 die Möglichkeit zu prüfen, in der Zahnmedizin gänzlich auf den Einsatz von Quecksilber zu verzichten;

h)

sicherzustellen, dass in allen Zahnkliniken in der EU hocheffiziente Amalgamabscheider eingebaut werden;

i)

die Verwendung von Quecksilber in Impfstoffen zu untersuchen und bis zum 31. Dezember 2012 zu prüfen, welche Ersatzstoffe es gibt und inwieweit es möglich ist, im Interesse der öffentlichen Gesundheit quecksilberfreie Impfstoffe herzustellen;

j)

bis zum 31. Dezember 2012 eine erste Testreihe über Methylquecksilber in Fischen durchzuführen und die Risikokommunikation in der EU entsprechend zu aktualisieren;

k)

über weitere Sensibilisierungsmaßnahmen das Bewusstsein dafür zu fördern, dass Energiesparlampen Quecksilber enthalten und getrennt von sonstigen Abfällen und bruchsicher erfasst werden müssen;

l)

Maßnahmen fördern, durch die die Entfernung von Quecksilberrückständen aus Abfällen sichergestellt werden kann;

m)

dafür zu sorgen, dass die Emissionen aus Krematorien und Kleinfeuerungsanlagen durch EU-Vorschriften erfasst werden;

n)

noch besser dafür zu sorgen, dass der Gesundheitsschutz aller Arbeitnehmer, die möglicherweise mit Quecksilber in Berührung kommen, gewährleistet wird;

o)

in diesem Zusammenhang durch geeignete Maßnahmen mögliche Auswirkungen auf die Beschäftigung aufzufangen und die Folgen von industriellen Umstrukturierungen für alle Arbeitnehmer, unabhängig von ihrem Qualifikationsniveau, einzudämmen;

p)

durch geeignete Maßnahmen die bislang noch nicht gesetzlich vorgeschriebene getrennte und sichere Erfassung quecksilberhaltiger Produkte sicherzustellen und über breit angelegte Informationskampagnen die Anwender und Verbraucher über die Flüchtigkeit und Toxizität von Quecksilber aufzuklären.

2.   Einleitung

2.1   Quecksilber und die meisten seiner Verbindungen gelten als hochgiftige Substanzen, die eine große Gefahr für die biologische Vielfalt, die Ökosysteme und die menschliche Gesundheit bergen. Zudem handelt es sich um eine bioakkumulierende Substanz, die sich in Organismen anreichern und in die Nahrungskette gelangen kann. Schließlich hat Quecksilber die Eigenschaft, schon bei Raumtemperatur zu verdampfen, und es kann zu Methylquecksilber, seine häufigste aber auch toxischste Form, umgesetzt werden. Es handelt sich somit um einen persistenten Stoff, der über große Entfernungen transportiert werden kann, und zwar im Wasser, im Boden, in der Luft und in Organismen (2).

2.2   Die anthropogen beeinflusste Verteilung von Quecksilber geht auf seine verschiedenen Nutzungen durch den Menschen zurück: Verwendung in verschiedenen Produkten und bestimmten Produktionsverfahren, atmosphärische Emissionen oder unbeabsichtigte Freisetzungen; die wichtigsten Nutzer von Quecksilber sind die Chloralkaliindustrie, die Kunststoffindustrie und die Hersteller zahnmedizinischen Amalgams (86 % der jährlichen Nachfrage).

2.3   Quecksilberemissionen aus Wärmekraftwerken und anderen Verbrennungsanlagen, insbesondere Kohlekraftwerken, machen über 50 % der gesamten industriellen Quecksilberfreisetzungen aus (3).

Quellen einer potenziellen anthropogenen Freisetzung von Quecksilber

a)

Verwendung in Produkten

Messinstrumente

zahnmedizinisches Amalgam

Leuchtstoffröhren, Energiesparlampen

Batterien

Schalter

Impfstoffe (Thiomersal, im US-Raum auch Thimerosal genannt)

b)

Verwendung in Produktionsverfahren

als Katalysator bei der Polymer- und Polyurethanherstellung

bei der Herstellung von Chlor und Natronlauge

bei der Goldwäscherei

c)

Atmosphärische Emissionen

Kohlekraftwerke

Krematorien (resorbiertes Quecksilber + zahnmedizinisches Amalgam)

nicht fachgerecht entsorgte und verbrannte (quecksilberhaltige) Abfälle

d)

Unbeabsichtigte Freisetzungen

Quecksilberaustritt in der Industrie (Verfahren, Lagerung usw.)

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1   Auf globaler Ebene wurde 2001 auf Initiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) eine Studie über Ausbreitung und Auswirkungen von Quecksilber in Auftrag gegeben, die zu dem Schluss gelangte, dass die Nachweise für äußerst schädliche Auswirkungen von Quecksilber ausreichten, um internationale Maßnahmen einzuleiten (4). Im Februar 2009 wurde im UNEP-Verwaltungsrat beschlossen, bis 2013 ein rechtsverbindliches globales Umweltübereinkommen zu Quecksilber auszuhandeln.

3.2   Die Europäische Kommission legte dem Rat im Dezember 2002 einen Bericht über Quecksilber aus der Chlor-Alkali-Industrie vor, auf den hin der Rat die Europäische Kommission aufforderte, die Problematik breiter zu beleuchten und „eine Strategie (…) zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor Quecksilberfreisetzungen zu entwickeln, sich dabei auf das Konzept des Lebenszyklus zu stützen und Fragen im Zusammenhang mit Produktion, Verwendung, Abfallbehandlung und Emissionen zu behandeln“.

3.3   Aufgrund dieser Arbeitsschwerpunkte nahm die Europäische Kommission am 28. Januar 2005 die Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber an. Als zentrales Ziel verfolgt diese Strategie „die Verringerung der Quecksilberwerte in der Umwelt und der Exposition des Menschen, insbesondere gegenüber in Fischen enthaltenes Methylquecksilber (5).

3.4   Die Strategie gliedert sich in folgende 6 Ziele (und 20 Maßnahmen), die auf Folgendes abheben:

Verringerung der Quecksilberemissionen;

Verringerung des Eintritts von Quecksilber in die Gesellschaft durch Verringerung von Angebot und Nachfrage;

Lösung des Problems der langfristigen Quecksilberüberschüsse und der vorhandenen Reservoire (in weiterhin verwendeten oder gelagerten Produkten);

Schutz gegen die Quecksilberexposition;

Verbesserung des Verständnisses der Quecksilberproblematik und möglicher Lösungen;

Unterstützung und Förderung einschlägiger internationaler Maßnahmen.

3.5   In der Strategie wurde eine Bewertung und Überprüfung im Jahr 2010 vorgesehen: Am 7. Dezember 2010 veröffentlichte die Europäische Kommission ihre Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament zur Überprüfung der Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber.

3.6   Parallel hat die Europäische Agentur für chemische Stoffe (ECHA) im Rahmen der in der REACH-Verordnung enthaltenen Überprüfungsklausel Vorschläge für die Ausweitung der Beschränkungen quecksilberhaltiger Messgeräte für gewerbliche und industrielle Zwecke unterbreitet (Juni 2010) (6). Am 24. September 2010 fand eine öffentliche Konsultation statt, und die Stellungnahmen der betreffenden REACH-Ausschüsse dürften der Europäischen Kommission im September 2011 vorliegen.

3.7   In zwei einschlägigen Stellungnahmen hat der EWSA die Kommission in ihren Bemühungen unterstützt, die Produktion und Verwendung von Quecksilber in der EU und weltweit zu verringern, seine sichere Lagerung zu gewährleisten und den Einsatz von Quecksilber in bestimmten Messinstrumenten einzustellen (7).

3.8   Jedoch forderte der EWSA die Kommission in seinen Stellungnahmen auf, „die anderen Elemente ihrer Quecksilberstrategie schnellstmöglich umzusetzen und Maßnahmen zu einer weiteren Senkung der Verwendung von Quecksilber in Produktionsprozessen und Produkten in Europa sowie zur Gewährleistung, dass Quecksilber in den Abfallströmen sicher entsorgt wird, zu entwickeln“, sowie dafür zu sorgen, dass die gewerblichen und industriellen Nutzer quecksilberhaltiger Messgeräte sich an das Ziel halten, kein Quecksilber in die Umwelt einzubringen.

3.9   Die 2010 durchgeführte umfassende Bewertung (8) sowie die einschlägigen Dokumente verschiedener Interessenträger (9) verdeutlichen die realen Fortschritte bei der Umsetzung der Quecksilberstrategie und den wichtigen Beitrag der EU zur Unterstützung internationaler Initiativen und Verhandlungen im Hinblick auf ein rechtsverbindliches Übereinkommen im Rahmen des UNEP.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Die Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber stützt sich auf bestimmte übergeordnete Rechtsinstrumente (besonders die RoHS-Richtlinie (10), die REACH-Verordnung, die Wasserrahmenrichtlinie und die IVU/IPPC-Richtlinie), wobei diese Instrumente teilweise an das Ziel der Verringerung der Quecksilberbelastung in der EU angepasst werden.

„Beste Verfügbare Techniken“ (BVT)-Merkblätter (BREF): Verabschiedung der neuen Richtlinie über Industrieemissionen (IED), mit der sieben Richtlinien, darunter die IVU-Richtlinie, aktualisiert und vereint worden sind und die Rolle der BVT gestärkt worden ist (verpflichtende Einhaltung der Emissionsgrenzwerte bei neuen Anlagen ab 2012 und bei bestehenden Anlagen ab 2016);

Richtlinie 2006/66/EG über Batterien und Akkumulatoren sowie Altbatterien und Altakkumulatoren: Der zulässige Höchstgehalt an Quecksilber in Batterien und Akkumulatoren wurde im Vergleich zu der Vorgängerrichtlinie aus dem Jahr 1991 erheblich gesenkt.

4.2   Mit der Umsetzung der Strategie entstanden auch eigene Instrumente und Vorschriften, durch die die Europäische Union eine weltweit führende Rolle bei der Reduzierung des Quecksilberaufkommens einnimmt:

Verbot der Ausfuhr von metallischem Quecksilber und bestimmten Quecksilberverbindungen und -gemischen und die sichere Lagerung von metallischem Quecksilber (Verordnung (EG) Nr. 1102/2008 vom 22. Oktober 2008), das im März 2011 in Kraft treten soll;

Richtlinie zur Beschränkung des Inverkehrbringens quecksilberhaltiger Messinstrumente, die für den Verkauf an die breite Öffentlichkeit bestimmt sind (Verkaufsverbot ohne Ausnahmegenehmigung, betrifft vor allem Porosimeter), vom 25. September 2007, aufgenommen in Anhang XVII (Eintrag 18a) der REACH-Verordnung. Das Verbot soll auf Messinstrumente für gewerbliche (industrielle und medizinische) Zwecke ausgedehnt werden.

Schließlich will Euro Chlor im Zuge einer freiwilligen Vereinbarung die installierten Quecksilber-Kapazitäten der Chlor-Alkali-Industrie bis 2020 abbauen.

4.3   Bei der Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 1102/2008 sollte das Ausfuhrverbot gegebenenfalls auch auf andere Quecksilberverbindungen und -gemische und die sichere Lagerung von metallischem und/oder erstarrtem Quecksilber ausgedehnt werden.

4.4   Der EWSA hebt Folgendes hervor:

In dem Abschlussbericht (11) des Gutachtens von BIO Intelligence Service im Auftrag der GD ENV wird vorgeschlagen, dass die Strategie auf das Gesamtziel „die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor Freisetzungen von Quecksilber und Quecksilberverbindungen zu schützen, indem weltweit vom Menschen verursachte Freisetzungen von Quecksilber in die Luft, in das Wasser und in den Boden minimiert und dort, wo dies machbar ist, vollständig unterbunden werden“ ausgerichtet werden sollte;

Außerdem ist die Gelegenheit günstig, im Hinblick auf das übergeordnete Ziel, das Quecksilberaufkommen zu reduzieren, weitere Fortschritte zu erreichen, da es zu den meisten Produkten und Anwendungen quecksilberfreie (und wirtschaftlich tragfähige) Alternativen gibt und da die Mehrheit der Unternehmen, die quecksilberhaltige Produkte herstellen, auch Ersatzprodukte herstellen, so dass

die wirtschaftlichen und sozialen Folgen (beschäftigungsbezogen) eines stark rückläufigen Einsatzes von Quecksilber abgefedert werden;

die Stellung der EU in wirtschaftlicher und innovativer Hinsicht (technischer Vorsprung) gestärkt wird;

die Position der EU auf der internationalen Ebene auch hinsichtlich RIO+20 gefestigt und die Initiative der Europäischen Kommission bezüglich einer externen Dimension der EU-Umweltpolitik unterstützt wird.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Schlussfolgerungen des Rates zur Überprüfung der Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber vom 14. März 2011 (7774/11).

(2)  UNEP Chemicals, Global Mercury Assessment, Dezember 2002-1020.

(3)  http://prtr.ec.europa.eu/PollutantReleases.aspx.

(4)  UNEP Chemicals, Global Mercury Assessment, Dezember 2002.

(5)  KOM(2005) 20 endg.

(6)  Europäische Agentur für chemische Stoffe - Anhang XV ECHA-Einschränkungsbericht, Juni 2010.

(7)  ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 44ABl. C 318 vom 23.12.2006, S. 115.

(8)  http://mercury.biois.com/home.

(9)  ZMWG (Zero Mercury Working Group): www.zeromercury.org; EEB (Europäisches Umweltbüro): www.eeb.org.

(10)  Richtlinie 2002/95/EG zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten.

(11)  http://mercury.biois.com/home.


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/82


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der kleineren Inseln des Ägäischen Meeres“

KOM(2010) 767 endg. — 2010/0370 (COD)

2011/C 132/15

Alleinberichterstatter: Christos POLYZOGOPOULOS

Der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament beschlossen am 18. Januar bzw. 20. Januar 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 43 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der kleineren Inseln des Ägäischen Meeres

KOM(2010) 767 endg. — 2010/0370 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 28. Februar 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 174 gegen 6 Stimmen bei 17 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.   Schlussfolgerungen

Der EWSA begrüßt die vorliegende Verordnung als Entwurf eines Vorschlags zur Neufassung der vorherigen Verordnung (EG) Nr. 1405/2006 aus den nachfolgenden Gründen:

1.1

Die vorherige Verordnung war mehrfach geändert worden, einerseits aufgrund der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts, andererseits aber auch aufgrund der Angleichung an den Vertrag von Lissabon. Deshalb ist es erforderlich, den verfügenden Teil neu zu strukturieren, um die zentrale Rolle des Förderprogramms besser an den neuen Text der Verordnung anzupassen und Folgendes hervorzuheben:

a)

die besondere Versorgungsregelung und

b)

die Sondermaßnahmen zugunsten örtlicher landwirtschaftlicher Erzeugungen.

1.2

In der neuen Verordnung werden die wesentlichen Elemente einer Sonderregelung für landwirtschaftliche Erzeugnisse der kleineren Inseln des Ägäischen Meeres klarer dargelegt, wobei die Sachzwänge, die sich aus der Randlage, der Abgelegenheit, der Insellage, der geringen Größe, den schwierigen Relief- und Klimabedingungen sowie der wirtschaftlichen Abhängigkeit von einigen wenigen Erzeugnissen ergeben, effizient angegangen werden.

1.3

In Artikel 2 der neuen Verordnung wird auf die Maßnahmen abgehoben, die zur Umsetzung folgender zwei Ziele beitragen: erstens Sicherung der Versorgung der kleineren Inseln mit Erzeugnissen, die für den menschlichen Verzehr oder zur Verarbeitung oder zum Einsatz als landwirtschaftliche Betriebsmittel benötigt werden, durch Ausgleichen der durch die Abgelegenheit, Insellage und geringe Größe bedingten Mehrkosten, und zweitens Erhaltung und Entwicklung der landwirtschaftlichen Tätigkeit der kleineren Inseln, einschließlich der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung örtlicher Erzeugnisse.

1.4

Ziel der Verordnung ist die Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung der Regelung für die kleineren ägäischen Inseln durch Griechenland gegenüber anderen ähnlichen Regelungen, um Wettbewerbsverzerrungen oder eine Diskriminierung von Marktteilnehmern zu vermeiden.

1.5

In der Verordnung wird die ordentliche Mittelverwaltung dadurch gewährleistet, dass Griechenland in seinem Programm die Beihilfen auflisten muss, bei denen es sich um Direktzahlungen für vor Ort produzierte Erzeugnisse handelt, und zwar mit einem speziellen Hinweis darauf, wie dieser Betrag festgesetzt wird.

1.6

Es wird festgelegt, den Höchstbetrag zur Finanzierung der besonderen Versorgungsregelung um 20 % zu erhöhen.

1.7

Die Kommission erhält Durchführungsbefugnisse hinsichtlich der einheitlichen Bedingungen für die Umsetzung der Lizenzregelung und die Verpflichtungen der Marktteilnehmer im Zusammenhang mit der besonderen Versorgungsregelung sowie einer allgemeinen Rahmenregelung für die von Griechenland durchzuführenden Kontrollen.

1.8

Die Kommission ist künftig befugt (Artikel 11 Absatz 2), im Wege eines delegierten Rechtsakts die Bedingungen für die Aufnahme von Marktteilnehmern in das Lizenzregister festzulegen, die Leistung einer Sicherheit für die Lizenzerteilung vorzuschreiben sowie die Annahme von Programmänderungen zu regeln.

Begründung

2.   Einleitung

2.1   Durch die Ziele der Maßnahmen sowie die Grundsätze der Programmplanung, der Vereinbarkeit und der Kohärenz mit den anderen Politikbereichen der Union im Einklang mit der Verordnung (EG) 1782/2003 wurden gemeinsame Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik festgelegt.

2.2   Gemäß Artikel 291 Absatz 2 des Vertrags erlässt die Kommission mithilfe von Durchführungsbefugnissen daher die erforderlichen Bestimmungen, um die einheitliche Anwendung der Regelung für die kleineren ägäischen Inseln durch Griechenland gegenüber anderen ähnlichen Regelungen sicherzustellen und um Wettbewerbsverzerrungen oder eine Diskriminierung von Marktteilnehmern zu vermeiden.

2.3   Die Verordnung gewährleistet einheitliche Bedingungen für die Anwendung der Lizenzregelung und die Verpflichtungen der Marktteilnehmer im Zusammenhang mit der besonderen Versorgungsregelung (Artikel 11 Absatz 3).

2.4   In der Verordnung werden die einheitlichen Bedingungen für die Programmdurchführung (Artikel 6 Absatz 2, Artikel 15 Absatz 3 und Artikel 18 Absatz 3) sowie eine allgemeine Rahmenregelung für die von Griechenland durchzuführenden Kontrollen festgelegt (Artikel 7, Artikel 12 Absatz 2 und Artikel 14 Absatz 1).

2.5   Der EWSA ist der Ansicht, dass die in den Ziffer 4, 5, 6 und 7 dieser Stellungnahme angestellten Überlegungen zur inhaltlichen Bereicherung des vorliegenden Verordnungsvorschlags sowie mit Blick auf die Ausgestaltung einer integrierten Politik für die vielen kleineren Inseln des Ägäischen Meeres herangezogen werden sollten.

3.   Zusammenfassung der vorgeschlagenen Verordnung

3.1   Aufgrund der vielen Änderungen und zur Angleichung an den Vertrag von Lissabon wird mit der neuen Verordnung die bisherige Verordnung (EG) Nr. 1405/2006 aufgehoben und durch einen neuen Rechtstext ersetzt.

3.2   Der Inhalt des Förderprogramms für die kleineren Inseln des Ägäischen Meeres (Kapitel 2 Artikel 5), das Griechenland aufstellen und der Kommission zur Genehmigung vorlegen muss, wird in Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip und unter dessen Anwendung präzisiert. Demgemäß kann Griechenland das Programm (Kapitel 2 Artikel 3 und 6) je nach den erforderlichen Anpassungen entsprechend den von ihm festgelegten Grundsätzen flexibel ändern.

3.3   In der Verordnung wird eine besondere Versorgungsregelung für landwirtschaftliche Erzeugnisse der Union eingeführt, die auf den kleineren Inseln der Ägäis zum menschlichen Verzehr, zur Herstellung anderer Erzeugnisse oder auch als landwirtschaftliche Betriebsmittel dringend benötigt werden (Artikel 3). Es wird ebenfalls festgelegt, dass Griechenland eine Bedarfsvorausschätzung für die Inseln erstellen soll.

3.4   Für jedes landwirtschaftliche Erzeugnis der kleineren Inseln wird eine Beihilfe gewährt. Sie wird auf der Grundlage der Vermarktungskosten festgesetzt, die ab den Häfen des griechischen Festlands, die die Versorgung der Inseln gewährleisten, und anhand der Mehrkosten infolge der Insellage und der geringen Größe berechnet werden.

3.5   Aufgrund der besonderen geografischen Lage, der Mehrkosten für die Lieferung der Erzeugnisse und der durch die Abgelegenheit bedingten zusätzlichen Kosten ergeben sich Nachteile, deren Ausgleich eine Senkung der Preise dieser Erzeugnisse und folglich eine besondere Versorgungsregelung erforderlich machen. Die unter die besondere Versorgungsregelung fallenden Erzeugnisse sollten hochwertig und von vermarktbarer Qualität sein, um jegliche Spekulation zu vermeiden.

3.6   Zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Erzeugnisse der Union sollten Beihilfen für die Belieferung dieser Inseln mit Unionserzeugnissen gewährt werden, wobei auch die Mehrkosten für die Verbringung zu berücksichtigen sind.

3.7   Für den Fall, dass aus der besonderen Versorgungsregelung eine wirtschaftliche Vergünstigung erwachsen sollte, ist die Versendung oder die Ausfuhr der Erzeugnisse verboten. Es ist dennoch möglich, sie auf ausländischen Märkten zu vermarkten, sofern die wirtschaftliche Vergünstigung zurückerstattet wird. Die Erzeugnisse unterliegen außerdem Verwaltungskontrollen (Artikel 14).

3.8   Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe ist die Vorlage einer Lizenz durch die Marktteilnehmer, aus der ihre Eintragung im einschlägigen Register hervorgeht.

3.9   Gefördert wird sowohl der Handel mit verarbeiteten Erzeugnissen zwischen den kleineren ägäischen Inseln als auch deren Ausfuhr in die restliche EU und in Drittländer.

3.10   Es wird ein Anreiz zur Unterstützung örtlicher Erzeugnisse über das Förderprogramm gegeben, das erstmals mit der Verordnung (EG) Nr. 1405/2006 festgelegt wurde. In jener Verordnung wurden die Erzeugung, Vermarktung und Verarbeitung einer ganzen Bandbreite von Erzeugnissen begünstigt, da sich die darin vorgesehenen Maßnahmen als wirksam für die Agrartätigkeit erwiesen hatten.

3.11   Es werden Maßnahmen zur Finanzierung von Studien, Demonstrationsvorhaben, Ausbildungsmaßnahmen und technischer Hilfe erlassen.

3.12   Auch werden die landwirtschaftliche Erzeugung und die Vermarktung von Qualitätsprodukten gefördert.

3.13   In der vorgeschlagenen Verordnung werden die Zuständigkeiten der Kommission beim Erlass delegierter Rechtsakte festgelegt, die die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat mitteilen muss.

4.   Empfehlungen

Der EWSA ist der Auffassung, dass die folgenden Maßnahmen besonders nachdrücklich betont und beschlossen werden sollten:

4.1

Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse sollten in die Schaffung eines geeigneten Rahmens zur Entwicklung des Inseltourismus einbezogen werden. Insbesondere sollten sie auf europäischer und internationaler Ebene zu einem Anziehungspunkt für die Verbraucher werden, die den besonderen ernährungsspezifischen Wert der Mittelmeerküche und der örtlichen Bioprodukte schätzen.

4.2

Gleichzeitig sollten die notwendigen Schritte unternommen werden, um die traditionellen landwirtschaftlichen Erzeugnisse effizienter zu nutzen, da sie aufgrund ihrer therapeutischen Eigenschaften (Mastixkaugummi von der Insel Chios, Olivenöl, Honig, verschiedene Kräuter usw.) auch in anderen Wirtschaftsbereichen, insbesondere der Arzneimittelindustrie, der Kosmetik und der Homöopathie, immer stärker gefragt sind.

4.3

Die Bevölkerung der Inseln sollte über den ernährungsspezifischen und wirtschaftlichen Wert der erzeugten Produkte aufgeklärt werden. Der EWSA schlägt vor, auf einer strategisch günstig gelegenen Insel eine interregionale Schule zu gründen, deren Konzept so etwas wie ein „Erasmusprogramm für Studenten und Beschäftigte im Bereich des Agrartourismus oder der Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse“ wäre.

4.4

Es sind Maßnahmen für die Konzipierung von Ausbildungsprogrammen vorzusehen, die darauf abzielen, nationale und internationale Hochschulen an entsprechenden Programmen zur Erarbeitung von Studien und zur Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen teilnehmen zu lassen, mit denen der wirtschaftliche Wert der Inselerzeugnisse und ihre Verwendung herausgestellt werden.

4.5

Es sollte ein sensibles Konzept für die besonders gefährdete Bevölkerung der Inseln umgesetzt werden, vor allem der unzugänglichen Gegenden, um den Erhalt der Bevölkerung auf den Inseln und die Bereitstellung von Anreizen vor allem wirtschaftlicher Art für junge Menschen zu gewährleisten. So sollten Subventionsprogramme zur Entwicklung der Wirtschaftstätigkeit in entlegenen Gebieten ohne Rückzahlung der Überschüsse aufgestellt werden, die vor allem darauf abzielen, die Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Nutzung der Inseln aufgrund ihrer geografisch-geologisch bedingten Einzigartigkeit und Besonderheit aufzuzeigen.

4.6

Die Betonung sollte auf die Erhöhung der Qualität der landwirtschaftlichen Erzeugnisse gelegt werden, die mit einer Senkung der Produktionskosten einhergehen muss.

4.7

Es sind einige spezifische Kriterien festzulegen, die den morphologischen Besonderheiten des Gebiets und seinem geologischen Aufbau Rechnung tragen.

5.   Allgemeine Bemerkungen

Der EWSA anerkennt die besonderen Faktoren, die die Entwicklung der Landwirtschaft der Inseln des Ägäischen Meeres ausmachen, und ist der Ansicht, dass in der vorliegenden Verordnung auch Folgendes berücksichtigt werden sollte:

5.1

Da die grundlegenden Ressourcen wie Wasser, Energie und Rohstoffe begrenzt sind, müssen sie auf den ägäischen Inseln verantwortungsvoll bewirtschaftet werden. Gerade während der Sommermonate kommt es aufgrund des erhöhten Zustroms von Touristen und Urlaubern in den Inselgebieten zu Problemen mit der Verfügbarkeit von Wasser, Energie usw. Die vorstehend genannten Probleme müssen berücksichtigt werden, damit sie auf eine Weise angegangen werden können, die eine bessere Ressourcenbewirtschaftung und die Einhaltung des Umweltgleichgewichts gewährleistet. Zu diesem Zweck könnten in der Verordnung entsprechende Unterstützungsmaßnahmen zur Lösung dieser konkreten schwerwiegenden Probleme vorgesehen werden.

5.2

Veränderte Bodennutzung auf den Inseln: Die landwirtschaftlichen Nutzflächen auf den Inseln nehmen beständig ab, da sie durch eine Umwidmung in Bauland anderen Nutzungen zugeführt oder aufgrund einer Flächenaufgabe in Brachen, Unland und Ödland umgewandelt werden (auch ständige „Flächenstilllegung“ genannt). Eine bessere Nutzung der Böden muss daher durch Programme zur Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung unterstützt werden. Die Verordnung kann geeignete Rahmenbedingungen für eine solche Unterstützung schaffen.

5.3

Der Rückgang der Zahl und die Aufgabe landwirtschaftlicher Betriebe sowie die Ansammlung toter Biomasse (abgestorbene Äste und Kräuter) in wildwachsenden Wäldern und Olivenhainen leisten dahingegen Waldbränden Vorschub, die die Flächennutzung für lange Zeit unmöglich machen.

5.4

Darüber hinaus muss ein Gleichgewicht zwischen den für die Tourismusentwicklung und den für die Landwirtschaft bestimmten Flächen wiederhergestellt werden. Beide Sektoren müssen einander ergänzen.

5.5

Besondere Aufmerksamkeit sollte dem Primärsektor gelten, in dem es zu massiven Arbeitsplatzverlusten kommt, während gleichzeitig die Beschäftigung im Tertiärsektor ansteigt.

6.   Besondere Bemerkungen

6.1   In die Verordnung sind auch Kreta und Euböa aufzunehmen.

6.2   Es sollten über ein Jahr laufende Initiativen zur Verbesserung der Produktion, Vermarktung und Verkaufsförderung landwirtschaftlicher Erzeugnisse auf den Weg gebracht werden. Diese Maßnahmen sollten insbesondere auf die Steigerung der Produktion, gleichzeitig aber auch auf die Verbesserung der Qualität abzielen.

6.3   Zum Erhalt des traditionellen Oliven- und Zitrusfrüchteanbaus auf den kleineren ägäischen Inseln ist eine hektarbezogene Beihilfe sowie eine Wiederherstellung und Verteilung landwirtschaftlicher Flächen vorzusehen.

6.4   Für folgende Erzeugnisse sollte eine zusätzliche finanzielle Unterstützung gewährt werden: Verzehr- und Saatgutkartoffeln, Artischocken aus Tinos, Pflaumen aus Skopelos, Kirschtomaten aus Santorini, Zitrusfrüchte, Platterbsen (Fava) der Gattung Lathyrus sp., Bohnen, Gerste aus Limnos, traditionelle Käsesorten (z.B. Graviera aus Naxos, Kalathaki Limnou (geschützte Ursprungsbezeichnung), Zitronenlikör, Honig-Raki aus Amorgos, Mandelpaste aus Sifnos und Lesbos sowie Sardellen aus Kalloni).

Honig und Öl gehören zu den Spitzenprodukten, die die Identität und Qualität der landwirtschaftlichen Erzeugung der kleineren Inseln ausmachen.

6.5   Der Akzent sollte auf den traditionellen Anbau des Mastixbaums in Chios sowie den Rebenanbau zur Herstellung von Weinen mit geschützter geografischer Angabe in den traditionellen Anbaugebieten der kleineren ägäischen Inseln gelegt werden.

6.5.1   Es sollte eine finanzielle Unterstützung für Pachtflächen gewährt werden.

6.5.2   Es ist eine Verstärkung der Beihilfen zum Schutz geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel erforderlich.

6.5.3   Die Möglichkeiten zur Verbesserung der Weinbereitung sowie von Lagerung, Normung und Vertrieb der auf den Inseln produzierten Weine und Olivenöle sollten finanziell unterstützt werden.

Bedingungen

6.5.4   Für Anbau, Nutzung und Produktion pro Hektar darf die festgelegte Ertragsobergrenze nicht überschritten werden.

6.5.5   Es müssen die in der einzelstaatlichen Gesetzgebung vorgesehenen Anbautechniken angewandt werden.

6.5.6   Die Erzeugnisse sollten eine Ursprungsbezeichnung tragen, die für kontrollierte oder höchste Qualität bürgt.

6.5.7   Die Anforderungen der nationalen und europäischen Rechtsvorschriften müssen eingehalten werden.

7.   Vorschläge

7.1   Der EWSA ist der Ansicht, dass es die Verordnung erleichtern sollte, eine Verbindung zu anderen Branchen der örtlichen Wirtschaft (Tourismus, Handwerk, Handel) herzustellen, indem der Schwerpunkt auch auf eine Änderung der Ausrichtung des Touristikprodukts gelegt wird.

7.2   Nach Ansicht des EWSA sollten das Erlernen von Anbaumethoden und Fruchternteverfahren, die Entdeckung geologisch interessanter Gebiete, die Kenntnis der Tierarten der landwirtschaftlichen Ökosysteme, die Mittelmeerdiät, gesunde Ernährung und Bioerzeugnisse besondere Schwerpunkte bilden.

7.3   Der Genuss, den das Erleben des Schattens und der Stille der Oliven- oder Orangenhaine, der Kontakt mit dem Boden, die Ruhe und Erholung vom Lärm, die Reise durch einheimische landwirtschaftliche Gefilde oder das Zusammenspiel all dieser Vorzüge bereiten, kommt nach Ansicht des EWSA einer ganzen Bandbreite besonderer und alternativer Tourismusformen entgegen (Kultur-, Ökologie-, Agrar-, Gesundheits-, Wander-, Gastronomietourismus usw.).

Auf diese Weise wird ein anderes Tourismusprodukt geschaffen, das in direktem Zusammenhang mit den landwirtschaftlichen Erzeugnissen steht, die ihrerseits unmittelbar mit Qualitätstourismus, Gastronomie (Mittelmeerernährung), Bioprodukten und Agrartourismus verbunden sind. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, dem traditionellen Massentourismus, der nur an Sonne und Meer interessiert ist, zu entfliehen. Die Verordnung wird zur Unterstützung dieser Optionen beitragen.

7.4   Der EWSA ist der Auffassung, dass im Rahmen der EU-Politiken z.B. im Bereich der Bioprodukte, der kosmetischen oder parapharmazeutischen Produkte und mit Blick auf die Absatzförderung der Erzeugnisse der Mittelmeerkultur auf einer der ägäischen Inseln eine Dienststelle/Verwaltung eingerichtet werden könnte, die für Weiterbildungsprogramme in Sachen gesunde Mittelmeerernährung bzw. Gastronomie des Mittelmeerraums zuständig ist.

7.5   Der EWSA empfiehlt, ausgehend vom Know-how der Genossenschaft „Vereinigung der Mastixerzeuger von Chios“ ein Pilotprojekt zu erarbeiten, dessen Hauptziel es ist, in Griechenland und ganz Europa ein Netz von Läden („Mastihashop“) aufzubauen, um Mastix und seine unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten und Eigenschaften mithilfe von in Chios, Griechenland und der Europäischen Union hergestellten Mastixprodukten bekannt zu machen, herauszustellen und zu fördern.

7.6   Der EWSA hat jedoch schon in seinen im Plenum verabschiedeten Stellungnahmen ECO/212 (10. Juli 2008) und ECO/262 (15. Juli 2010) den Vorschlag gemacht, vorrangig den Agrartourismus – in Verbindung mit der Förderung der Beschäftigung – voranzubringen.

7.6.1   Er ist daher der Ansicht, dass mit der Verordnung die Teilzeitbeschäftigung der Inselbewohner im Agrarsektor angeregt werden sollte, indem diese durch eine Anerkennung ihrer Rechte auf Investitionen in den Agrartourismus und auf ein Einkommen aus dem Agrartourismus unterstützt wird. Die Sicherung der doppelten Funktion des Bodens als landwirtschaftliche (oder fortwirtschaftliche) Nutzfläche und als für den Agrartourismus bestimmte Fläche ist ein zentrales Element, um die wechselseitige Unterstützung dieser beiden Tätigkeiten zu garantieren. Dieses Recht sollte jedoch nicht an eine bestimmte Parzelle, sondern an den landwirtschaftlichen Betrieb gebunden sein.

7.6.2   Es müssen günstige Voraussetzungen im Bereich Agrartourismus geschaffen werden, d.h. im Hinblick auf das Recht auf Errichtung und Betrieb einer kleinen agrartouristischen Einheit innerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs, das unter der Bedingung gewährt und verlängert wird, dass die Produktion (Oliven, Weinbau, Orangen, Mandarinen, Mastix, Honig, Feigen usw.) beibehalten und fortgesetzt wird.

7.6.3   In den benachteiligten Inselgebieten, in denen eine Entvölkerung stattfindet und landwirtschaftliche Nutzflächen aufgegeben werden, ist die Entwicklung der Landwirtschaft in Teilzeit die geeignetste und beständigste Lösung, um die Bevölkerung vor Ort zu halten und das Inselumfeld zu bewahren.

Die Verordnung kann hierzu als Katalysator beitragen, um das Leben, den natürlichen und ökologischen Reichtum zugunsten aller Bürger, die diese Inselregionen besuchen, und natürlich auch ihrer Bewohner, zu erhalten.

7.7   Schließlich ist der EWSA folgender Auffassung: Die für die Entwicklung der Inseln grundlegenden Branchen sind in erster Linie die Landwirtschaft und der Tourismus. Auf den Inseln gibt es noch weitere Tätigkeitsbereiche wie Viehzucht, Fischerei, Schifffahrt und Kultur, die gleichzeitig auch für die Förderung und Vermarktung der örtlichen landwirtschaftlichen Erzeugnisse genutzt werden können. Zur Verwirklichung dieser Ziele wird vorgeschlagen, Forschungsvorhaben und die Einrichtung von Landwirtschaftsschulen zu unterstützen, und zwar durch eine Wachstumsstrategie, die auf Wissen, Forschung und Innovation beruht und neue dynamische Wettbewerbsvorteile verschafft, oder durch die Ausschöpfung des Bildungs- und Forschungspotenzials der ägäischen Inseln. Auf diese Weise wird ein integrierter Rahmen für eine alle Wirtschaftsbereiche umfassende Strategie und dadurch ein neues modernes Entwicklungsmodell für die Inseln geschaffen, das sich sowohl auf die Landwirtschaft als auch allgemein auf die kleineren Inseln der Ägäis anwenden lässt und über das klassische Modell von Inselstaaten wie Malta und Zypern oder von Inseln mit starker regionaler Identität wie Sardinien oder Korsika hinausgeht.

Βrüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/87


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 378/2007 des Rates hinsichtlich der Regeln für die Anwendung der fakultativen Modulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik“

KOM(2010) 772 endg. — 2010/0372 (COD)

2011/C 132/16

Alleinberichterstatter: Luís MIRA

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 18. Januar 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 43 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 378/2007 des Rates hinsichtlich der Regeln für die Anwendung der fakultativen Modulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik

KOM(2010) 772 endg. — 2010/0372 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 28. Februar 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 176 gegen 2 Stimmen bei 14 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Bei der Anpassung an die Verordnung 378/2007 (fakultative Modulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik) an den Vertrag von Lissabon wird unterschieden zwischen den der Kommission übertragenen Befugnissen, Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsakts zu erlassen (delegierte Rechtsakte), und den der Kommission übertragenen Befugnissen, einheitliche Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union festzulegen (Durchführungsrechtsakte). Der EWSA tritt für diese Verfahren zur Anhörung der Interessenträger und der Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung von Gemeinschaftsrechtsakten ein und hält es für notwendig, sie beizubehalten.

1.2   Der EWSA teilt die Auffassung, dass die Kommission die sich aus der Anwendung der fakultativen Modulation ergebenden Nettobeträge im Wege von Durchführungsrechtsakten ohne Unterstützung eines Ausschusses festsetzen sollte, um zügige und wirksame Verfahren zu gewährleisten.

1.3   Der EWSA stimmt zu, dass die Kommission dazu ermächtigt werden sollte, mit Unterstützung des Ausschusses für die Entwicklung des ländlichen Raums Durchführungsrechtsakte zur Einbeziehung der fakultativen Modulation in die Programmplanung für den ländlichen Raum zu erlassen.

1.4   Der EWSA stimmt ebenfalls zu, dass die Kommission dazu ermächtigt werden sollte, mit Unterstützung des Ausschusses für die Agrarfonds Durchführungsrechtsakte zur finanziellen Abwicklung der fakultativen Modulation zu erlassen.

2.   Bemerkungen

2.1   Die fakultative Modulation ist ein Instrument, das dazu eingesetzt werden kann, bis zu 20 % der Gesamtbeträge der Direktbeihilfen des ersten Pfeilers zu übertragen, um sie unmittelbar für die ländliche Entwicklung zu verwenden, ohne jede Umverteilung; d.h. die modulierten Beträge (die aus dem ersten Pfeiler „hervorgehen“) sind genau dieselben, die in den zweiten Pfeiler in jedem Mitgliedstaat „eingehen“; es besteht dabei keine Pflicht zur Kofinanzierung.

Die einzigen Mitgliedstaaten, die die Anwendung dieser Rechtsvorschrift beantragt haben, sind Portugal und das Vereinigte Königreich, wobei es in Portugal nie zu einer praktischen Umsetzung gekommen ist, weil dort bereits ein Gleichgewicht zwischen den beiden GAP-Pfeilern besteht.

2.2   Das Vereinigte Königreich ist der einzige Mitgliedstaat, der die fakultative Modulation nutzt, um einen gewissen Prozentsatz der Direktzahlungen aus dem ersten Pfeiler auf die ländliche Entwicklung zu übertragen.

Mit dieser Übertragung stockt das Vereinigte Königreich seine Finanzmittel für die ländliche Entwicklung auf.

2.3   Die Vorschläge der Kommission zur Änderung der Verordnung 378/2007 (fakultative Modulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik) umfassen folgende Änderungen:

Änderungen im Zusammenhang mit der Anpassung an den Vertrag von Lissabon;

Übertragung von Befugnissen an die Kommission, um eine einheitliche Anwendung der fakultativen Modulation der Direktzahlungen in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten;

Übertragung von Befugnissen an die Kommission, um die sich aus der Anwendung der fakultativen Modulation ergebenden Nettobeträge im Wege von Durchführungsrechtsakten ohne Unterstützung eines Ausschusses festzusetzen.

2.4   Durch den Vertrag von Lissabon werden zwei neue Kategorien von Rechtsakten geschaffen: delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte.

2.5   Delegierte Rechtsakte: Der Gesetzgeber ermächtigt die Kommission, Rechtsakte zur Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften eines Gesetzgebungsakts zu erlassen. So können delegierte Rechtsakte bestimmte technische Einzelheiten umfassen oder in der nachträglichen Änderung bestimmter Elemente eines Gesetzgebungsakts bestehen. Der Gesetzgeber kann sich so auf die politische Ausrichtung und die Ziele konzentrieren, ohne sich auf Diskussionen zu technischen Aspekten einlassen zu müssen. Diese Übertragung erfolgt allerdings innerhalb strenger Grenzen, denn nur die Kommission ist befugt, delegierte Rechtsakte anzunehmen. Darüber hinaus legt der Gesetzgeber die Bedingungen für diese Übertragungen fest. Gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU können der Rat und das Parlament eine Übertragung widerrufen oder sie zeitlich begrenzen.

2.6   Durchführungsrechtsakte: Der Vertrag von Lissabon stärkt die Durchführungsbefugnisse der Kommission. Grundsätzlich sind die Mitgliedstaaten für die Durchführung des EU-Rechts in den Mitgliedstaaten zuständig. Allerdings müssen bestimmte europäische Maßnahmen innerhalb der EU einheitlich umgesetzt werden. In diesem Fall ist die Kommission befugt, Durchführungsrechtsakte zur Umsetzung dieser Maßnahmen anzunehmen.

Bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon lag die Durchführungsbefugnis beim Rat, der die Annahme der Durchführungsrechtsakte anschließend an die Kommission übertrug. Nunmehr erkennt Artikel 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU die grundsätzliche Befugnis der Kommission an. Bei Maßnahmen der Union, die in den Mitgliedstaaten einheitlich umgesetzt werden sollen, kann die Kommission daher direkt die entsprechenden Durchführungsrechtsakte annehmen.

3.   Abschließende Bemerkungen

3.1   Der EWSA unterstreicht erneut die Bedeutung der Beratungsgremien, die im Dialog mit Akteuren der Zivilgesellschaft stehen, auch wenn dies nicht unter die Anpassung an den Vertrag von Lissabon fällt. Diese Gremien zum Meinungsaustausch dürfen unter keinen Umständen infrage gestellt werden, da sie wesentlich dazu beitragen, der Kommission Fachkenntnisse und Standpunkte zu vermitteln, und bereits im Vorfeld für eine breitere Akzeptanz von in Erarbeitung befindlichen Gesetzestexten bei den Betroffenen sorgen.

3.2   Der EWSA stellt fest, dass die Trennlinie zwischen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten vom Rat und von der Kommission unterschiedlich interpretiert wird. Deshalb ist der EWSA der Auffassung, dass der Wahl des betreffenden Verfahrens klare Kriterien zugrunde gelegt werden müssen.

3.3   Bei anderen Beschlüssen könnte eine vorherige Konsultation der Mitgliedstaaten um des gegenseitigen Einvernehmens willen erforderlich sein, zumal die Kommission auf diese Weise vom Fachwissen der Mitgliedstaaten profitieren kann.

3.4   Der EWSA teilt die Auffassung, dass die Kommission die sich aus der Anwendung der fakultativen Modulation ergebenden Nettobeträge im Wege von Durchführungsrechtsakten ohne Unterstützung eines Ausschusses festsetzen sollte, um die Zügigkeit und Wirksamkeit der Verfahren zu gewährleisten.

3.5   Der EWSA stimmt zu, dass die Kommission dazu ermächtigt werden sollte, mit Unterstützung des Ausschusses für die Entwicklung des ländlichen Raums Durchführungsrechtsakte zur Einbeziehung der fakultativen Modulation in die Programmplanung für den ländlichen Raum zu erlassen.

3.6   Der EWSA stimmt ebenfalls zu, dass die Kommission dazu ermächtigt werden sollte, mit Unterstützung des Ausschusses für die Agrarfonds Durchführungsrechtsakte zur finanziellen Abwicklung der fakultativen Modulation zu erlassen.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/89


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung ‚Einheitliche GMO‘)“

KOM(2010) 799 endg. — 2010/0385 (COD)

2011/C 132/17

Berichterstatter: Pedro NARRO

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen jeweils am 18. Januar 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 290 und 291 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung ‚Einheitliche GMO‘)

KOM(2010) 799 endg. — 2010/0385 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 28. Februar 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 174 gegen 5 Stimmen bei 15 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die Bemühungen um Vereinfachung und mehr Transparenz, die voraussichtlich im Rahmen der Anpassung an den Vertrag von Lissabon im Bereich der komplexen, aus einer einheitlichen Gemeinsame Marktorganisation (GMO) abgeleiteten Rechtsvorschriften erfolgen werden. Dennoch muss noch mehr für die Vereinfachung und Klarheit gegenüber den Bürgerinnen und Bürger getan werden.

1.2

Der EWSA begrüßt die Verfahren zur Anhörung der Interessenträger und der Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung von Gemeinschaftsrechtsakten und hält es für notwendig, diese beizubehalten. Im Hinblick auf die Anwendung des neuen Systems der delegierten Rechtsakte und der Durchführungsrechtsakte ist es unabdingbar, die Transparenz und den Dialog mit den Branchenvertretern zu fördern.

1.3

Die Kommission sollte die Formen und Wege der Anhörung von Sachverständigen sowie die neue Arbeitsweise des Verwaltungsausschusses im Falle der Durchführungsrechtsakte dringend klarstellen.

1.4

Der EWSA plädiert für eine deutlichere Definition der delegierten Rechtsakte und fordert eine Bestimmung des Begriffs „nicht wesentlich“, der zur Charakterisierung der delegierten Rechtsakte verwendet wird, sowie eine Festlegung der Dauer der Übertragung und eine sorgfältige Einzelfalluntersuchung. In Bezug auf diese Rechtsakte ist es von grundlegender Bedeutung, dass das Parlament und der Rat ausführlich und umgehend über anstehende Rechtsakte informiert werden, um eine mögliche Streichung der Übertragung zu erleichtern.

2.   Hintergrund der Stellungnahme

2.1

Ziel des Vorschlags ist, die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 über die einheitliche gemeinsame Marktorganisation mit der durch die Artikel 290 und 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eingeführten Unterscheidung zwischen übertragenen Befugnissen und Durchführungsbefugnissen der Kommission in Einklang zu bringen. Deshalb beschränkt sich der Vorschlag darauf, die einheitliche OGM an die neuen Erfordernisse des Vertrags von Lissabon anzupassen, ohne das geltende Verfahren der EU zu berühren.

2.2

In den Artikeln 290 und 291 des Vertrags von Lissabon ist eine Änderung des Entscheidungsverfahrens zwischen der Europäischen Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament in Bezug auf die Durchführungsbestimmungen der gemeinschaftlichen Rechtstexte vorgesehen.

2.3

Gemäß Artikel 290 AEUV wird die Kommission ermächtigt, bestimmte nicht wesentliche Elemente ihrer Regelung zu ergänzen oder zu ändern. Ein delegierter Rechtsakt der Kommission kann daher zusätzliche und „nicht wesentliche“ Elemente enthalten, die für das ordnungsgemäße Funktionieren der gemeinsamen Marktorganisation erforderlich sind. Die Kommission kann delegierte Rechtsakte erlassen, um Folgendes festzulegen: Bedingungen, unter denen sich Marktteilnehmer an einer Regelung beteiligen können, Verpflichtungen, die sich aus der Erteilung einer Lizenz ergeben, Eignungskriterien für Erzeugnisse im Hinblick auf die Marktintervention, Begriffsbestimmungen usw.

2.4

Die Mitgliedstaaten sind gemäß Artikel 291 AEUV für die Durchführung der vom Gesetzgeber erlassenen Regelung zuständig. Dennoch wird in diesem Artikel unterstrichen, dass eine einheitliche Anwendung der Regelung in allen Mitgliedstaaten sichergestellt werden muss. Daher überträgt der Gesetzgeber der Kommission Durchführungsbefugnisse zur Festlegung einheitlicher Bedingungen für die Umsetzung der gemeinsamen Marktorganisation und den allgemeinen Rahmen der von den Mitgliedstaaten durchzuführenden Kontrollen.

2.5

Artikel 43 Absatz 3 AEUV bildet in Ausnahmefällen eine autonome Grundlage für den Erlass von Rechtsakten durch den Rat. Artikel 43 Absatz 3 AEUV besagt Folgendes: „Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission die Maßnahmen zur Festsetzung der Preise, der Abschöpfungen, der Beihilfen und der mengenmäßigen Beschränkungen […]“. Diese Bestimmung bildet eine Ausnahme von Artikel 43 Absatz 2 AEUV, dem zufolge die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren festgelegt werden sollte.

2.6

In dieser Kommissionsmitteilung sind vier Vorschläge inhaltlich integriert:

a)

Legislative Entschließung hinsichtlich der im Rahmen des deutschen Branntweinmonopols gewährten Beihilfe (KOM(2010) 336 endg.);

b)

Vorschlag für eine Verordnung hinsichtlich der Abgabe von Nahrungsmitteln an Bedürftige in der Union (KOM(2010) 486 endg.);

c)

Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 über Vermarktungsnormen;

d)

Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates im Hinblick auf Vertragsbeziehungen im Sektor Milch und Milcherzeugnisse.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Für eine geänderte Vorgehensweise beim Erlass von Durchführungsrechtsakten ist vielleicht keine Revolution erforderlich, sehr wohl aber eine grundlegender Wandel hin zu einem neuen Modell, mit dem die Durchführungsbefugnisse für die Gemeinschaftsrechtsakte verändert werden. Die Beteiligung der Mitgliedstaaten an Durchführungsbeschlüssen wird auf Fälle beschränkt sein, in denen das Bemühen um eine Angleichung der Durchführung eines Rechtsakts unter den Mitgliedstaaten unabdingbar ist.

3.2

Um ein ordnungsgemäßes Funktionieren des neuen Systems zu gewährleisten, muss die Kommission neue Vorschriften ausarbeiten, in denen die Befugnisse und die Arbeitsweise der Gremien festgelegt werden, die infolge der Abschaffung des Komitologieverfahrens an die Stelle der Ausschüsse treten werden.

3.3

Künftig muss unbedingt für eine stärkere Einbeziehung der Mitgliedstaaten und der Vertreter des Agrarsektors in den Erlass von EU-Rechtsakten gesorgt werden. Die Abschaffung des traditionellen Komitologieverfahrens darf nicht zu einer Minderung der Rolle der Akteure dieses Wirtschaftszweigs führen.

3.4

Die Beratungsgremien, die im Dialog mit Akteuren der Zivilgesellschaft stehen, bilden einen wesentlichen Bestandteil des gemeinschaftlichen Beschlussfassungsprozesses. Zweifellos dürfen diese Gremien zum Meinungsaustausch unter keinen Umständen infrage gestellt werden, da sie als Schnittstelle mit der Kommission zur Weitergabe von Fachwissen und Informationen über die Lage im Agrarsektor fungieren.

3.5

Die den „nicht wesentlichen Vorschriften“ des betreffenden Gesetzgebungsaktes vorbehaltenen delegierten Rechtsakte sind ein von Rat, Parlament und Kommission kontrovers diskutiertes Thema. Die delegierten Rechtsakte sind von vorrangiger Bedeutung, weshalb der „nicht wesentliche“ Charakter dieser Rechtsakte genauer definiert, die Dauer der Übertragung festgelegt und eine sorgfältige Einzelfalluntersuchung vorgenommen werden müssten.

3.6

Der EWSA äußert Bedenken gegenüber der Einräumung einer Ausnahme von der allgemeinen Regelung, der zufolge die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren festgelegt wird. Artikel 43 Absatz 3 AEUV besagt, dass der Rat auf Vorschlag der Kommission die Maßnahmen zur Festsetzung der Preise, der Abschöpfungen, der Beihilfen und der mengenmäßigen Beschränkungen erlässt. Die Rolle des Europäischen Parlaments im Agrarbereich muss gewahrt bleiben, weshalb der Ausschuss eine restriktive und kohärente Auslegung dieses Artikels fordert.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Die Kommission hat erhebliche Anstrengungen unternommen und einen großen Aufwand betrieben, um den gewaltigen verfügenden Teil der Verordnung über die einheitliche GMO an die neuen Bedingungen des Lissabon-Vertrags anzupassen. Bei dieser erneuten Vereinfachung ist es von großer Bedeutung, dass nicht nur die Verwaltungen Nutzen aus dem neuen System ziehen, sondern auch der Verwaltungsaufwand und die Komplexität für die betroffenen Akteure abnehmen.

4.2

Der Vorschlag einer Verordnung zur Anpassung der einheitlichen GMO umfasst 300 delegierte Rechtsakte und 294 Durchführungsrechtsakte. Im Gegensatz zur Anpassung anderer Vorschriften an den Lissabon-Vertrag – wie der Verordnung über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den ELER oder der gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe – hat sich die Kommission in diesem Fall auf eine rein „formelle“ Anpassung ohne neue Bestimmungen beschränkt.

4.3

Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Kommission aus Gründen der Transparenz in verschiedenen Artikeln bestimmte Entscheidungen erläutert, die ohne Unterstützung des Verwaltungsausschusses getroffen werden dürfen. In der Vergangenheit wurde ähnlich vorgegangen, jedoch war dies in keiner Rechtsvorschrift enthalten. Ein Beispiel für diese Vorgehensweise bei Durchführungsrechtsakten ist in den Artikeln 255 und 270 des Vorschlags in Bezug auf die Verwaltung der Einfuhrquoten und die Ausfuhrlizenzen zu finden.

4.4

In einigen Sektoren kann die Kategorisierung bestimmter Entscheidungen als delegierte Rechtsakte problematisch sein. Im Falle des Weinsektors werden die Entscheidungen über Weinbereitungsverfahren nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fallen, und da sie als delegierte Rechtsakte angesehen werden, wird die Kommission hier die ausschließliche Zuständigkeit haben. Im Hinblick hierauf sollte die Kommission die Punkte klarstellen, bei denen es trotz einer bloßen rechtlichen Anpassung des Rechtsakts in der Praxis zu einer grundsätzlichen Änderung der Zuständigkeiten kommt.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/92


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2000/75/EG hinsichtlich der Impfung gegen die Blauzungenkrankheit“

KOM(2010) 666 endg. — 2010/0326 (COD)

2011/C 132/18

Berichterstatter: Ludvík JÍROVEC

Der Rat beschloss am 26. Januar 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 43 Absatz 2 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2000/75/EG hinsichtlich der Impfung gegen die Blauzungenkrankheit

KOM(2010) 666 endg. — 2010/0326 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 28. Februar 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 185 gegen 2 Stimmen bei 12 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss empfiehlt, auch die Verordnung (EG) Nr. 1266/2007 der Kommission vom 26. Oktober 2007 mit Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2000/75/EG des Rates hinsichtlich der Bekämpfung, Überwachung und Beobachtung der Blauzungenkrankheit sowie der Beschränkungen, die für Verbringungen bestimmter Tiere von für die Blauzungenkrankheit empfänglichen Arten gelten, in diesem Sinne zu ändern.

1.2   Der Ausschuss verweist auf die Situation nach Einstellung der Impfungen gegen Maul- und Klauenseuche (MKS) und Schweinepest, für die damals als ein Hauptargument ins Treffen geführt wurde, dass die Kosten für die Beseitigung etwaiger Herde geringer wären als für die Impfungen.

1.3   Der Ausschuss hält es für erwähnenswert, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt wird, in dieser Frage selbst zu entscheiden, da sich sowohl die Seuchensituation als auch der Typ der Blauzungenkrankheit zwischen den Mitgliedstaaten mit gemäßigtem Klima und den südlichen Mitgliedstaaten unterscheidet. Mitgliedstaaten, die sich gegen eine Impfung entscheiden, können Seuchenausbrüche leichter entdecken. Es besteht eine gewisse Gefahr des Auftauchens neuer exotischer Stämme aus Asien, die nur schwerer nachzuweisen sind.

1.4   Nach Meinung des Ausschusses wird in diesem Richtlinienvorschlag den jüngsten technologischen Entwicklungen bei der Impfstoffherstellung angemessen Rechnung getragen, die auch außerhalb der Gebiete, in denen Verbringungsbeschränkungen bestehen, eingesetzt werden können. In diesem Vorschlag wird außerdem explizit sichergestellt, dass er sich – abgesehen von Informationen über die Durchführung einer etwaigen Impfkampagne – in keiner Weise auf den Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten auswirkt. Darüber hinaus sind keine bedeutenden sozialen Auswirkungen zu erwarten. Der Ausschuss befürwortet ausdrücklich dieses Ziel und begrüßt auf der Grundlage dieser Zusicherung den Vorschlag.

2.   Einleitung – Inhalt des Kommissionsvorschlags

2.1   Mit diesem Vorschlag sollen die derzeit geltenden Impfvorschriften der Richtlinie 2000/75/EG geändert und flexibler gestaltet werden; dabei wird berücksichtigt, dass nunmehr inaktivierte Impfstoffe zur Verfügung stehen, die auch außerhalb der Gebiete, in denen Verbringungsbeschränkungen bestehen, erfolgreich eingesetzt werden können.

2.2   Die Europäische Kommission ist der Auffassung, dass die Rechtsvorschriften geändert werden müssen, damit sie dem technologischen Fortschritt bei der Impfstoffentwicklung Rechnung tragen. Die vorgeschlagene Änderung wird es erleichtern, die Entscheidung über Strategien zur Bekämpfung der Blauzungenkrankheit je nach Lage im betreffenden Mitgliedstaat ohne unnötiges Eingreifen der Union zu treffen.

2.3   Es besteht nunmehr breiter Konsens darüber, dass die Impfung mit inaktivierten Impfstoffen das Mittel der Wahl für die Bekämpfung der Blauzungenkrankheit und die Prävention klinischer Fälle in der Union darstellt. Für eine präventive Impfung außerhalb der Gebiete, in denen Verbringungsbeschränkungen gelten, besteht kein Hinderungsgrund mehr, wenn diese Impfstoffe verwendet werden.

3.   Bemerkungen

3.1   In den letzten drei Jahren sind moderne inaktivierte Impfstoffe gegen die Blauzungenkrankheit verfügbar geworden, die ohne Bedenken außerhalb der Sperrzone verwendet werden könnten. Damit können die Mitgliedstaaten ihre nationalen Strategien zur Prävention und Bekämpfung dieser Seuche ohne unnötiges Eingreifen der Union weiterentwickeln.

3.2   Der Vorschlag soll die nachteiligen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen verringern, indem mehr Optionen für die Bekämpfung der Seuche zur Verfügung gestellt werden. Diese Vorteile genau zu quantifizieren ist jedoch schwierig, da sie je nach der unvorhersehbaren Entwicklung der Seuche in Europa variieren, wo sie nun nicht mehr als exotisch gilt.

3.3   Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf geltende Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung. Daher wird er sich nicht direkt auf die Jahres- und Mehrjahresprogramme der EU zur Tilgung, Bekämpfung und Überwachung bestimmter Tierseuchen auswirken.

3.4   Da dieser Vorschlag den breiten Einsatz der Impfung in der Union ermöglicht, kann er möglicherweise die negativen wirtschaftlichen Folgen der Blauzungenkrankheit durch sowohl direkte als auch indirekte Verluste, die die Seuche verursacht, abmildern.

3.5   Der Vorschlag wird einen breiteren Einsatz der Impfung ermöglichen und einen potenziell größeren Markt für die pharmazeutischen Unternehmen eröffnen, die inaktivierte Impfstoffe gegen die Blauzungenkrankheit herstellen.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/94


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020“

KOM(2010) 389 endg.

2011/C 132/19

Berichterstatter: Jan SIMONS

Die Kommission beschloss am 20. Juli 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020

KOM (2010) 389 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 1. März 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 16. März) mit 158 gegen 2 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Für den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hat die Verringerung der Zahl der Verletzten im Straßenverkehr große gesellschaftliche Bedeutung, und er kann dem durchaus ehrgeizigen Vorhaben der Kommission zustimmen, diese Zahl im Zeitraum 2011-2020 im Vergleich zu 2010 um die Hälfte zu senken.

1.2   Der Ausschuss weist darauf hin, dass für die einzelnen Mitgliedstaaten differenzierte Ziele für die Verringerung dieser Zahl eingeführt werden sollten, da das Risiko in den Mitgliedstaaten unterschiedlich hoch ist.

1.3   Nach Auffassung des Ausschusses sollte die Kontrolle über die Durchführung des Programms von einer zu diesem Zweck zu errichtenden europäischen Agentur für Straßenverkehrssicherheit bzw. von einem übergeordneten Beobachtungs- und Kontrollzentrum übernommen werden, der/dem auch von den Mitgliedstaaten bestellte Sachverständige für die Straßenverkehrssicherheit angehören sollten.

1.4   Diese Agentur bzw. dieses übergeordnete Beobachtungs- und Kontrollzentrum sollte für ein jährliches Monitoring sorgen, um sicherzustellen, dass die in dem Programm festgelegten Ziele erreicht werden.

1.5   Der Ausschuss weist auf folgende Voraussetzungen hin, die erfüllt sein müssen, wenn das Ziel der Kommission - die Halbierung der Zahl der Unfallopfer - bis 2020 realistisch sein soll:

eine starke politische Führung;

Verfügbarkeit harmonisierter und detaillierter statistischer Angaben;

Aufstellung von Zielvorgaben für schwere Verletzungen von Straßenverkehrsteilnehmern und einer Definition „schwerer Verletzungen“;

eine strengere Gemeinschaftspolitik in Bezug auf die Harmonisierung und Regulierung von Maßnahmen für die Straßenverkehrssicherheit;

mehr Aufmerksamkeit für eine differenzierte Verkehrserziehung und Schulung insbesondere schwächerer Verkehrsteilnehmer - junge und ältere Verkehrsteilnehmer, Menschen mit Behinderungen sowie Fahrer motorisierter Zweiräder, Radfahrer und Fußgänger;

Einbeziehung aller Arbeitgeber mit eigenem Fuhrpark in die Umsetzung „bewährter Verfahren“;

Einführung noch fehlender EU-Rechtsvorschriften für ungeschützte Verkehrsteilnehmer;

das Sicherheitsniveau des transeuropäischen Straßennetzes anheben und mindestens 25 % der Straßen, die nicht Teil dieses Netzes sind, auf den Stand dieses Straßennetzes bringen;

Bereitstellung von speziellen Schulungen bzw. Fortbildungen für Mitarbeiter der Polizei- und Rettungsdienste, der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes und der Abschleppdienste - also für alle, die bei Unfällen oder Pannen Hilfe leisten -, damit die hohe Qualifizierung dieser Mitarbeiter aufrecht erhalten bleibt und die Fahrzeuge professionell eingesetzt werden und zugleich die administrative Abwicklung verbessert werden kann;

es müssen rasch mehr sichere und bewachte Parkplätze für Berufskraftfahrer angelegt werden;

der EWSA spricht sich dafür aus, dass Arbeitsverträge von Kraftfahrern nicht an ihre Leistung, sondern an ihre Qualifizierung gebunden sein sollten.

1.6   Mit Blick auf den Faktor Mensch im Verkehr stimmt der Ausschuss der Kommission darin zu, dass kontinuierliche Maßnahmen in den Bereichen Verkehrserziehung, Fahrausbildung/ Fahrtraining und Durchsetzung von entscheidender Bedeutung für das Erreichen der Ziele sind, wobei der Ausschuss insbesondere auf die ungeschützten Verkehrsteilnehmer abzielt.

1.7   In Bezug auf den Aspekt der Durchsetzung möchte der Ausschuss erneut betonen, dass hierunter auch die grenzüberschreitende Durchsetzung zu verstehen ist.

1.8   Der Ausschuss empfiehlt die Einführung folgender Maßnahmen:

Ausweitung der Vorschriften über die Lenk- und Arbeitszeiten der Fahrer auf gewerblich genutzte Transportfahrzeuge von weniger als 3,5 t;

Einführung von Geschwindigkeitsbegrenzern in leichten Nutzfahrzeugen;

Einbau von alkoholempfindlichen Wegfahrsperren in Lkw, leichten Nutzfahrzeugen und Pkw, falls der Fahrer wegen Alkohols am Steuer einschlägig vorbelastet ist, sowie Drogentests;

Einführung aktiver und passiver Sicherheitsmaßnahmen bei motorisierten Zweirädern;

Erstellung von Unfallschwerpunktkarten durch alle Mitgliedstaaten und Sicherstellung einer jährlichen Aktualisierung dieser Karten;

Ausweitung des eCall-Systems auf andere Fahrzeuge, wie etwa motorisierte Zweiräder;

Umsetzung der strategischen Leitlinien für die Politik in ein detailliertes Aktionsprogramm.

2.   Einleitung

2.1   Mit der Veröffentlichung der Mitteilung konkretisiert die Kommission ihren Standpunkt bezüglich der Entwicklung der Straßenverkehrssicherheit im Zeitraum 2011-2020.

2.2   Die Kommission möchte über die in die Mitteilung aufgenommenen Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit einen allgemeinen Regelungsrahmen und ehrgeizige Ziele vorgeben, nach denen sich die nationalen und lokalen Strategien richten sollten, damit die beschriebenen Maßnahmen auf der jeweils zweckmäßigsten Ebene und mit den jeweils geeignetsten Mitteln am effizientesten durchgeführt werden.

2.3   Der Kommission zufolge sollten folgende Maßnahmen vorrangig durchgeführt werden:

Festlegung eines strukturierten und kohärenten Rahmens für die Zusammenarbeit, die sich auf die besten Praktiken in den Mitgliedstaaten stützt, als notwendige Voraussetzung für die effektive Umsetzung der Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020,

Entwicklung und Festlegung einer Strategie für Verletzungen und Erste Hilfe, da es dringend und immer mehr erforderlich ist, die Zahl der Verletzten im Straßenverkehr zu senken,

Verbesserung der Sicherheit schwächerer Verkehrsteilnehmer, vor allem von Motorradfahrern, deren Unfallstatistiken besonders besorgniserregend sind.

2.4   Die Kommission teilt mit, dass die vorgeschlagenen Leitlinien in vollem Umfang die während des dritten europäischen Aktionsprogramms für Straßenverkehrssicherheit 2001-2010 erzielten Ergebnisse berücksichtigen; diese zeigen, dass das ehrgeizige Ziel - die Halbierung der Zahl der Verkehrstoten - leider nicht erreicht werden wird. Allerdings wurden vor allem in den letzten Jahren allmählich Fortschritte erzielt.

2.5   Um das Ziel „Schaffung eines gemeinsamen Raums der Straßenverkehrssicherheit“ erreichen zu können, schlägt die Kommission vor, die Zielvorgabe beizubehalten, nach der im Vergleich zu 2010 die Gesamtzahl der Unfalltoten im Straßenverkehr in der Europäischen Union bis 2020 auf der Grundlage der Zahl der Unfalltoten im Jahr 2010 halbiert werden soll.

2.6   Angesichts der während der Laufzeit des dritten Aktionsprogramms erzielten Fortschritte (ein Rückgang der Zahl der Unfalltoten zwischen 35 und 40 %) ist der Kommission zufolge eine Halbierung der Zahl der Unfalltoten im kommenden Jahrzehnt in Anbetracht der nicht erreichten Zielvorgabe des dritten Aktionsprogramms ein erheblich höherer Anspruch.

2.7   Die Zielvorgabe für das Jahr 2020 möchte die Kommission über weitere intensive Bemühungen zum Erreichen der folgenden sieben Ziele verwirklichen:

bessere Fahrausbildung/besseres Fahrtraining der Verkehrsteilnehmer;

Straßenverkehrsvorschriften verstärkt durchsetzen;

Realisierung einer sichereren Straßenverkehrsinfrastruktur;

sicherere Fahrzeuge auf den Straßen;

Förderung des Einsatzes moderner Technologien zur Verbesserung der Verkehrssicherheit;

bessere Notfallhilfe und Rehabilitation von Unfallopfern;

Schutz der besonders gefährdeten Verkehrsteilnehmer.

2.8   Jedes der genannten Ziele verknüpft die Kommission mit konkreten Maßnahmen, die die angestrebte Senkung der Zahl der Unfalltoten herbeiführen sollen. Diese Maßnahmen werden im Rahmen der allgemeinen und besonderen Bemerkungen erörtert.

2.9   In Bezug auf die Vorgehensweise zum Erreichen der Zielvorgabe setzt die Kommission weniger auf neue Rechtsvorschriften denn auf eine intensivere Beobachtung der Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften im Bereich der Straßenverkehrssicherheit, die Schaffung eines Rahmens für die offene Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission und die Festlegung gemeinsamer Instrumente für die fortlaufende Beobachtung und Bewertung der Wirksamkeit der Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1   Für den Ausschuss hat die Verringerung der Zahl der Unfallopfer große gesellschaftliche Bedeutung. Dies geht unter anderem auch aus seinen im Laufe der Jahre verabschiedeten Stellungnahmen zu diesem Thema hervor (1). Tatsächlich hat sich die Zahl der Unfallopfer während der Laufzeit des vorangehenden Aktionsprogramms erheblich verringert. Der Ausschuss kann daher der - erneut ehrgeizigen - Zielsetzung der Kommission zustimmen, die Zahl der Unfalltoten im Zeitraum 2011-2020 im Vergleich zu den Zahlen des Jahres 2010 zu halbieren.

3.2   Mit der neuen Bezeichnung „Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit“ statt „Strategische Leitlinien für die Straßenverkehrssicherheit“ möchte die Kommission ihren geänderten Ansatz zum Ausdruck bringen, und zwar in dem Sinne, dass der Schwerpunkt im kommenden Jahrzehnt nicht so sehr auf der Vorlage neuer Vorschläge für Rechtsvorschriften, sondern stärker auf der Ausarbeitung und Einführung der folgenden drei Grundsätze liegen wird: geteilte Verantwortung, Integration der Straßenverkehrssicherheit in andere Politikbereiche und Erreichen desselben Sicherheitsniveaus im Straßenverkehr in allen EU-Mitgliedstaaten.

3.3   Der Ausschuss könnte sich vorstellen, dass die Kommission ihren Ansatz deswegen geändert hat, weil der Rechtsrahmen weitgehend vollendet ist. Jedoch darf man sich hier nicht mit dem begnügen, was der Kommission vorschwebt, nämlich die Vorgabe eines allgemeinen Regelungsrahmens und ehrgeiziger Ziele, nach denen sich die nationalen und lokalen Strategien richten sollten. Nach Auffassung des Ausschusses müssen neben der Schaffung der noch fehlenden Rechtsvorschriften (2) die Fortschritte frühzeitig (jährlich) und sorgsam beobachtet werden.

3.3.1   Der Ausschuss hielte es für wünschenswert, wenn die strategischen Leitlinien für die Politik in ein Aktionsprogramm mit Einzelheiten, Zeitplänen, Monitoring-Instrumenten und einer Zwischenbewertung umgesetzt würden.

3.4   Nach Auffassung des Ausschusses ließe sich dies am besten bewerkstelligen, indem in Absprache mit den für die Straßenverkehrssicherheit zuständigen, von den Mitgliedstaaten bestellten Vertretern Daten erhoben werden und die Durchführung des vierten europäischen Aktionsprogramms (3) überwacht wird, wobei die Aspekte zu berücksichtigen sind, die vom Ausschuss in der auf Ersuchen des Europäischen Parlaments erstellten Stellungnahme, die vor Vorlage dieser Mitteilung durch die Kommission verfasst wurde, genannt werden. Für den Ausschuss ist es dabei nebenrangig, ob dies in Form einer Europäischen Agentur für Straßenverkehrssicherheit oder in Form eines europäischen Beobachtungs- und Aufsichtszentrums, das bei der Kommission bereits in embryonalem Zustand besteht, geschieht. Folgende Empfehlungen zur Sicherstellung des Erfolgs des Aktionsprogramms für den Zeitraum 2011-2020 werden ausgesprochen:

3.4.1   Aufgrund der geteilten Verantwortung muss für eine starke politische Führung gesorgt werden.

3.4.2   Stärker harmonisierte und detaillierte statistische Angaben für die Sicherheit im Straßenverkehr in allen EU-Mitgliedstaaten werden benötigt.

3.4.3   Für schwere Verletzungen von Straßenverkehrsteilnehmern sollten Ziele und eine gemeinsame Definition schwerer Verletzungen aufgestellt werden.

3.4.4   Die Entwicklung einer strengeren Gemeinschaftspolitik in Bezug auf die Harmonisierung und Regulierung von Maßnahmen für die Straßenverkehrssicherheit, damit die Mitgliedstaaten diese Maßnahmen besser und rascher einführen können.

3.4.5   Mehr Aufmerksamkeit für eine differenzierte Verkehrserziehung und Schulung aller Verkehrsteilnehmer und insbesondere der schwächsten unter ihnen - junge und ältere Menschen sowie Menschen mit Behinderungen - sowie von Fahrern motorisierter Zweiräder, Radfahrern und Fußgängern.

3.4.6   Alle Arbeitgeber, die über einen eigenen Fuhrpark verfügen, sollten in Projekte einbezogen werden, um durch die Entwicklung einer Sicherheitspolitik für diesen Fuhrpark Unfälle im Berufsverkehr zu verringern und die Mitarbeiter zur stärkeren Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel anzuregen.

3.4.7   Die Entwicklung von EU-Rechtsvorschriften für ungeschützte Verkehrsteilnehmer, wie etwa eine neue Typgenehmigung für motorisierte Zweiräder, ABS für motorisierte Zweiräder mit einem Hubraum von mehr als 150 ccm, verpflichtende automatische Scheinwerfereinschaltung und - im Rahmen der Überarbeitung der Führerscheinrichtlinie - die Aufnahme einer Zwei-Phasen-Ausbildung sowie die technische Überwachung.

3.4.8   Nach Auffassung des Ausschusses sollte als Zielsetzung in das neue Programm aufgenommen werden, dass das Sicherheitsniveau des transeuropäischen Straßennetzes angehoben und mindestens 25 % der Straßen, die nicht Teil dieses Netzes sind, auf den Stand dieses Straßennetzes gebracht werden sollen.

3.4.9   Mit Blick auf die allgemeine Zielsetzung des Programms - eine Halbierung der Zahl der Unfalltoten - weist der Ausschuss darauf hin, dass das Risiko in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich hoch ist, daher sollten seiner Auffassung nach differenzierte Reduzierungsziele aufgestellt werden.

3.5   Der Ausschuss ist sich bewusst, dass die Maßnahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten aufgrund des unterschiedlich hohen Risikos unterschiedlich ausfallen können. Die Mitgliedstaaten, in denen die Zahl der Unfallopfer bereits erheblich zurückgegangen ist, sollten ihre Aufmerksamkeit vor allem auf den Faktor Mensch richten: Hier sollten Verkehrserziehung einschließlich Nachschulung und Durchsetzung im Vordergrund stehen, während in Mitgliedstaaten, in denen noch kein drastischer Rückgang bei der Zahl der Unfallopfer zu verzeichnen ist, neben der genannten Verkehrserziehung einschließlich Nachschulung und Durchsetzung auch den „harten“ Komponenten der Politik im Bereich Straßenverkehrssicherheit Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, so etwa der Verbesserung der Infrastruktur und den Sicherheitsanforderungen für Fahrzeuge.

3.6   Der Ausschuss kann sich der Auffassung der Kommission anschließen, dass die Wirksamkeit der Politik für Sicherheit im Straßenverkehr letztlich vom Verhalten der Verkehrsteilnehmer abhängt und daher kontinuierliche Maßnahmen in den Bereichen Verkehrserziehung, Fahrausbildung/Fahrtraining und Durchsetzung von entscheidender Bedeutung sind.

3.7   Insbesondere ist Aufmerksamkeit für die schwächeren Verkehrsteilnehmer erforderlich – junge und unerfahrene Fahrer und auch Ältere, denen geänderte Verkehrsregeln ohne Nachschulung nicht bekannt sind.

3.8   Daneben ist der Ausschuss der Ansicht, dass in allen Mitgliedstaaten regelmäßig Informationskampagnen gegen Alkohol am Steuer durchgeführt werden müssen. Die Durchsetzung - auch die grenzüberschreitende - muss intensiviert werden.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Der Ausschuss empfiehlt, möglichst rasch eine gemeinsame Definition von „schweren“ und „leichten“ Verletzungen und auf dieser Grundlage eine gemeinsame Zielvorgabe für die Senkung der Zahl der Verletzten aufzustellen, damit diese Angaben in das Programm bis 2020 aufgenommen werden können.

4.2   Der Vorschlag der Kommission „Verkehrserziehung und Fahrausbildung/Fahrtraining der Straßenverkehrsteilnehmer verbessern“ durch die Entwicklung einer gemeinsamen Strategie für Straßenverkehrssicherheit in den Bereichen Verkehrserziehung sowie Fahrausbildung und Fahrtraining wird vom Ausschuss befürwortet.

4.3   Dabei sollte der Aspekt „Erste Hilfe und richtiges Verhalten am Unfallort“ stärker in Fahrausbildung und Fahrtraining berücksichtigt werden.

4.4   Insbesondere möchte der Ausschuss auf die Bedeutung der ständigen Weiterbildung aufmerksam machen, auch weil sich die Straßenverkehrsordnung im Laufe der Zeit ändern kann.

4.5   Dies gilt für die normalen Verkehrsteilnehmer und insbesondere auch für Mitarbeiter der Polizei, der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes, der Abschlepp- und Rettungsdienste - also für alle, die bei Unfällen oder Pannen Hilfe leisten und die eine spezielle Ausbildung benötigen. Der Ausschuss hält eine spezielle Ausbildung und kontinuierliche Weiterbildung dieses Personals sowohl in tätigkeitsspezifischer als auch in administrativer Hinsicht für sehr wichtig, um so für eine noch bessere Qualifizierung zu sorgen.

4.6   Der Ausschuss kann intensiveren - auch grenzüberschreitenden - Bemühungen um die Durchsetzung der Straßenverkehrsordnung zustimmen. In seiner Stellungnahme zum Thema „Erleichterung der grenzübergreifenden Durchsetzung von Verkehrssicherheitsvorschriften“ (4) hat er bereits ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das von der Kommission im dritten Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit aufgestellte Ziel ohne eine grenzübergreifende Durchsetzung der Straßenverkehrsordnung nicht erreicht werden wird. Der Ausschuss hält an den Schlussfolgerungen dieser Stellungnahme uneingeschränkt fest.

4.7   Der Ausschuss befürwortet den Vorschlag der Kommission, den bei schweren Nutzfahrzeugen bereits vorgeschriebenen Einbau von Geschwindigkeitsbegrenzern auch für leichte Nutzfahrzeuge vorzusehen. Es kommen nämlich immer mehr leichte Nutzfahrzeuge, die häufig sehr schnell fahren, auf die Straßen, vor allem im Kurierdienst, bei dem die Just-in-time-Lieferung wichtig ist. Dabei müssen auch die Lenk- und Arbeitszeiten an die Vorschriften für den Güterkraftverkehr mit Lkw mit mehr als 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht angepasst werden.

4.8   Da Alkohol am Steuer bei Verkehrsunfällen noch immer ein wichtiger Faktor ist, empfiehlt der Ausschuss den Einbau von alkoholempfindlichen Wegfahrsperren in Lkw, leichten Nutzfahrzeugen und Pkw, falls der Fahrer wegen Alkohols am Steuer einschlägig vorbelastet ist.

4.9   Motorisierte Zweiräder verdienen besondere Aufmerksamkeit. Die Gefahr schwerer Verletzungen im Straßenverkehr ist bei Fahrern dieser Fahrzeuge 18 bis 20mal höher als bei Fahrern von Personenkraftwagen. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, möglichst rasch Vorschläge zur Verbesserung der aktiven und passiven Sicherheit motorisierter Zweiräder vorzulegen.

4.10   Da sich die meisten tödlichen Unfälle auf innerstädtischen Straßen sowie auf Landstraßen und Straßen zweiter Ordnung ereignen, schlägt die Kommission vor, EU-Mittel nur für Infrastruktur zu gewähren, die den Richtlinien für die Sicherheit im Straßenverkehr und die Sicherheit von Tunneln entspricht. Der Ausschuss kann diese Sichtweise nachvollziehen und vertritt die Auffassung, dass die zu errichtende Europäische Agentur für Straßenverkehrssicherheit eine wichtige Rolle bei der Beurteilung spielen kann, welche Straßen zweiter Ordnung und welche Landstraßen für eine Kofinanzierung durch die Gemeinschaft in Frage kommen.

4.11   In früheren Stellungnahmen hat sich der Ausschuss u.a. für Folgendes ausgesprochen:

In das Programm sollte aufgenommen werden, dass jeder Mitgliedstaat Unfallschwerpunktkarten erstellt und deren jährliche Aktualisierung der zuständigen europäischen Institution übermittelt.

Hinsichtlich der Politik für den Straßenverkehr im Jahr 2020 wurde in Bezug auf die Sicherheitsaspekte u.a. gefordert, dass „die Harmonisierung von Kontrollen und Geldbußen, die echte Integration des Binnenmarktes, Effizienzsteigerungen u.a. ggf. durch den Einsatz des modularen Systems […] und Studien über die Handhabung von Geschwindigkeiten und eine bessere Bereifung gefördert werden“.

Der Ausschuss möchte die Bedeutung dieser Aspekte erneut hervorheben.

4.12   Der Ausschuss empfiehlt einen raschen Einsatz moderner Technologie in Fahrzeugen sowie in allen Mitgliedstaaten eine Ausweitung des eCall-Systems auf weitere Fahrzeuge, wie etwa motorisierte Zweiräder.

4.13   Die Maßnahme der Kommission, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und anderen an der Sicherheit im Straßenverkehr öffentlichen und privaten Beteiligten eine globale Strategie für Maßnahmen im Bereich der Straßenverkehrsunfälle mit Verletzten auszuarbeiten, wird vom Ausschuss befürwortet.

4.14   Wie der Ausschuss bereits in einschlägigen Stellungnahmen (5) betonte, muss dem Schutz schwacher Verkehrsteilnehmer in dem Programm Vorrang eingeräumt werden. Zu dieser Gruppe sind nach Auffassung des Ausschusses die Fahrer motorisierter Zweiräder, Fußgänger, Radfahrer, junge Fahrer, die zunehmende Zahl älterer Fahrer und Menschen mit Behinderungen zu zählen.

4.14.1   Der Ausschuss möchte, wie in einer seiner früheren Stellungnahmen (6) bereits ausgeführt, aus Gründen der Straßenverkehrssicherheit, aufgrund der Kriminalität im Straßengüterverkehr und im Sinne der Gesundheit und Sicherheit der Kraftfahrer für sichere und bewachte Parkplätze für Kraftfahrer plädieren. Zugleich spricht sich der Ausschuss dafür aus, dass Arbeitsverträge von Kraftfahrern nicht an ihre Leistung, sondern an ihre Qualifizierung gebunden sein sollten.

4.15   Der Ausschuss macht auf die gefährlichen Situationen für Lkw-Fahrer an einigen Grenzübergängen aufmerksam. Bei einigen Grenzübergängen, vor allem an den EU-Außengrenzen, ist es üblich, dass die Fahrer bei einer Röntgenuntersuchung der Fahrzeuge im Fahrzeug bzw. in Fahrzeugnähe bleiben müssen. Es steht außer Zweifel, dass diese Verpflichtung eine große Gefahr für die Fahrer mit sich bringt. Eine Lösung wäre, dass die Fahrer die Fahrzeuge während der Kontrollen verlassen und sich in eine sichere Entfernung begeben. Der Ausschuss ruft insbesondere die Mitgliedstaaten auf, sich dieser Problematik im Rahmen der Tagung der WP.1 (Working Party on Road Traffic Safety) der Vereinten Nationen in Genf anzunehmen und eine Lösung zu finden.

Brüssel, den 16. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Straßenverkehrssicherheit 2003-2010“, ABl. C 80 vom 30.3.2004, S. 77; „Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur“, ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 71; „Erleichterung der grenzübergreifenden Durchsetzung von Verkehrssicherheitsvorschriften“, ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 70; „Strategische Leitlinien für die Straßenverkehrssicherheit bis 2020“, ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 27.

(2)  Siehe diesbezügliche Zusammenfassung Ziffer 4.8 der Stellungnahme des EWSA zum Thema „Strategische Leitlinien für die Straßenverkehrssicherheit bis 2020“, ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 27.

(3)  ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 27, Ziffer 1.5 ff.

(4)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Erleichterung der grenzübergreifenden Durchsetzung von Verkehrssicherheitsvorschriften“, ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 70.

(5)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Strategische Leitlinien für die Straßenverkehrssicherheit bis 2020“, ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 27; Stellungnahme des EWSA zum Thema „Erleichterung der grenzübergreifenden Durchsetzung von Verkehrssicherheitsvorschriften“, ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 70.

(6)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Straßenverkehrssicherheit - Berufskraftfahrer“, ABl. C 175 vom 27.7.2007, S. 88, Ziffer 1.1.


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/99


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums“

KOM(2010) 475 endg. — 2010/0253 (COD)

und „Mitteilung der Kommission über die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums“

KOM(2010) 474 endg.

2011/C 132/20

Berichterstatter: Raymond HENCKS

Der Rat beschloss am 4. Oktober 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 91 und Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgenden Vorlagen zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums

KOM(2010) 475 endg. — 2010/0253 (COD)

Mitteilung der Kommission über die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums

KOM (2010) 474 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 1. März 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März (Sitzung vom 16. März) mit 168 gegen 21 Stimmen bei 13 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt, dass mit dem Vorschlag für eine Neufassung der Richtlinie des ersten Eisenbahnpakets unterschiedlichen Auslegungen abgeholfen und die Schwachstellen einiger Bestimmungen des einschlägigen Regelwerks beseitigt werden sollen. Die Neufassung der Richtlinie beschränkt sich jedoch nicht nur auf eine Änderung der geltenden Bestimmungen, sondern enthält daneben auch zahlreiche neue Rechtsvorschriften.

1.2   Der EWSA verweist darauf, dass mit den Rechtsvorschriften zum Europäischen Eisenbahnraum die Schaffung eines europäischen Eisenbahnraums angestrebt wird, der dauerhaft mit den anderen Verkehrsträgern konkurrieren kann. Der EWSA kann daher alle neuen Bestimmungen unterstützen, die dem angestrebten Ziel entsprechen, hegt jedoch gewisse Vorbehalte gegen Bestimmungen, die über dieses Ziel hinausgehen bzw. weit hinter ihm zurückbleiben.

1.3   Der EWSA bedauert, dass in dem Vorschlag für eine Richtlinie weder eingegangen wird auf die Interoperabilität, obwohl die Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums zu einem großen Teil von Fortschritten bei der technischen Interoperabilität abhängt, noch auf die Unausgewogenheit beim Management des Schienenverkehrs, bei dem häufig zum Nachteil des Güterverkehrs den Personenzügen Vorrang eingeräumt wird.

1.4   Angesichts starker Haushaltszwänge wird es darum gehen, neue Finanzierungsquellen für die Eisenbahninfrastruktur zu erschließen. Da die Mehrheit der EU-Mittel aus den Strukturfonds und dem Fonds zur Förderung des sozialen Zusammenhalts hauptsächlich in die Straßeninfrastruktur fließen, während die Mittel des TEN-V vor allem auf die Schiene ausgerichtet sind, kann der EWSA der möglichen Schaffung eines einzigen „Verkehrsfonds“ nur dann zustimmen, wenn dieser hinsichtlich sämtlicher Verkehrsträger neutral und ausgewogen ist. Der EWSA spricht sich dafür aus, diese Finanzierung ausdrücklich in der überarbeiteten Kohäsionspolitik ab 2014 vorzusehen.

1.5   Hinsichtlich weiterer Finanzierungsquellen verweist der EWSA auf die Vorschläge 15 und 16 der Mitteilung „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte“ und schlägt ferner vor, die Schaffung eines Ausgleichsfonds nach dem Vorbild der für verschiedene netzgebundene Wirtschaftszweige bestehenden Fonds zu prüfen.

1.6   Der EWSA bedauert, dass die Bedingungen für einen fairen Wettbewerb zwischen der Schiene und den anderen Verkehrsträgern bei weitem noch nicht geschaffen wurden und dass die vorgesehenen Maßnahmen für die Internalisierung der externen Kosten und Effekte durch die Entgelterhebung für externe Kosten im Verkehrsbereich, die der gesamten Gesellschaft aufgebürdet werden, alles andere als ausreichend sind.

1.7   In Bezug auf den Zugang zu Serviceeinrichtungen kann der EWSA die Verpflichtung zu rechtlicher, organisatorischer und entscheidungstechnischer Unabhängigkeit nicht unterstützen, da das Risiko einer Gefährdung der unersetzlichen vorhandenen Strukturen besteht.

1.8   Auch nicht unterstützen könnte der EWSA, dass die in den Anhängen zur Neufassung der Richtlinie enthaltenen Bestimmungen von eindeutig grundlegender Art von der Kommission durch den Erlass delegierter Rechtsakte geändert werden könnten.

1.9   Schließlich muss nach Auffassung des EWSA der allgemeinen Umsetzung des Europäischen Eisenbahnverkehrsmanagementsystems (ERTMS) und des Europäischen Zugsicherungs- und Zugsteuerungssystems (ETCS) absolute Priorität eingeräumt werden.

2.   Entwicklung der Rechtsvorschriften zum Europäischen Eisenbahnraum

2.1   Die Herausforderung der Schaffung eines gemeinschaftlichen Eisenbahnraums, der dauerhaft konkurrenzfähig mit den anderen Verkehrsträgern ist, beschäftigt die Europäische Union seit der ersten Richtlinie vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (91/440/EWG), 1996 gefolgt vom „Weißbuch: Eine Strategie zur Revitalisierung der Eisenbahn in der Gemeinschaft“.

2.2   In der (im weiteren Verlauf geänderten und vervollständigten) Richtlinie 91/440/EWG werden der Betrieb der Eisenbahninfrastruktur und das Erbringen aller internationalen Schienengüter- und Personenverkehrsleistungen durch Eisenbahnunternehmen, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben oder haben werden, geregelt; ausgenommen sind Eisenbahnunternehmen, deren Tätigkeit auf den Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr beschränkt ist.

2.3   Für die Union ist die gemeinsame Verkehrspolitik ein grundlegendes Element des europäischen Binnenmarkts, daher bemüht sie sich um eine Förderung des Schienenverkehrs, dessen Wettbewerbsvorteile im Vergleich zu den anderen Land- und Luftverkehrsträgern sie hervorhebt, die sich insbesondere auf den Energieverbrauch, die Umweltverschmutzung und -belastung sowie auf die Sicherheit beziehen. Hierbei stützt sie sich auf zwei Grundsätze:

den Grundsatz der Öffnung des Marktes und des freien Wettbewerbs;

den Grundsatz der Interoperabilität des transeuropäischen Eisenbahnsystems.

Auf das erste Eisenbahnpaket folgten zwei weitere Pakete sowie zahlreiche Richtlinien und Empfehlungen.

3.   Umsetzung der europäischen Rechtsvorschriften in nationales Recht

3.1   Bei der Umsetzung der Richtlinien des ersten Eisenbahnpakets in nationales Recht ergaben sich erhebliche Schwierigkeiten durch Verzögerungen in zahlreichen Mitgliedstaaten, bzw. geschah diese Umsetzung der Kommission zufolge überhaupt nicht oder nur unvollständig oder nicht auf die richtige Art und Weise, so dass die Kommission im Juni 2008 Vertragsverletzungsverfahren gegen 24 der betroffenen 25 Mitgliedstaaten einleitete (Malta und Zypern haben kein Schienennetz).

3.2   Nachdem drei Mitgliedstaaten Änderungen an ihren nationalen Rechtsvorschriften vorgenommen hatten, schickte die Kommission im Oktober 2009 begründete Stellungnahmen bezüglich der verbleibenden Verstöße an 21 Mitgliedstaaten. Am 24. Juni 2010 beschloss die Kommission, ein Verfahren gegen 13 Mitgliedstaaten vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anzustrengen und an acht weitere Mitgliedstaaten eine begründete Stellungnahme zu senden; einiges konnte inzwischen geklärt werden.

3.3   Die Kommission prangert vor allem die ungleichen Wettbewerbsbedingungen in Bezug auf die Festlegung von als zu hoch erachteten Wegeentgelten, die diskriminierende Zuweisung von Fahrwegkapazitäten, eine beherrschende Marktstellung etablierter Netzbetreiber, die selbst schienenverkehrsbezogene Leistungen erbringen, sowie das Fehlen unabhängiger Regulierungsstellen an.

3.4   Die Kommission erkennt jedoch an, dass die Entwicklung des freien Wettbewerbs im Schienenverkehr teilweise auch unter Unklarheiten des einschlägigen rechtlichen Rahmens und der Schwäche einiger Bestimmungen leidet, die der Klärung und Anpassung bedürfen, um unterschiedlichen Auslegungen der Mitgliedstaaten abzuhelfen.

4.   Inhalt der Neufassung der Richtlinie

4.1   Mit dem Vorschlag für eine Neufassung des ersten Eisenbahnpakets sollen die bestehenden Rechtstexte vereinfacht und konsolidiert werden, Querverweise sollen wegfallen, die Terminologie vereinheitlicht und die Probleme im grenzüberschreitenden Güter- und Personenverkehr (einschließlich des Kabotageverkehrs) beseitigt werden.

4.2   Ferner enthält der Vorschlag für eine Neufassung neue Bestimmungen, im Folgenden werden die wesentlichen unter ihnen aufgeführt:

Es wird gefordert, dass das Management von Verkehrsdienstleistungen und der Betrieb der Infrastruktur von Nebenleistungen (z.B. Wartung, Unterhalt, Zugang zu Terminals, Fahrgastinformationen, Fahrscheinverkauf in den Bahnhöfen usw.) rechtlich, organisatorisch und in den Entscheidungsprozessen voneinander unabhängig sein müssen;

das Verbot, die Erhebung der Wegeentgelte Dienstleistern zu übertragen;

die Einführung der Regel „Nutzen oder Abgeben“ (Use-it-or-lose-it), um eine künstlich erzeugte Sättigung der Infrastruktur zu vermeiden;

die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, im Rahmen der langfristigen nationalen Strategien einen Plan für den Ausbau der Infrastruktur aufzustellen;

die Einführung einer Staffelung der Wegeentgelte in Abhängigkeit von Umwelt- und Interoperabilitätskriterien;

die Stärkung der Unabhängigkeit und der Befugnisse der Regulierungsbehörden.

5.   Allgemeine Bemerkungen zur Neufassung der Richtlinie

5.1   Wie es im Titel „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte“ der Mitteilung (KOM(2010) 608) zutreffenderweise heißt, ist der Verkehr das Nervensystem und einer der Hauptpfeiler einer modernen Wirtschaft, aufgrund der Fähigkeit des Verkehrssystems, Güter und Personen so zügig wie möglich an ihren Zielort zu befördern.

5.2   In dem hier erörterten Vorschlag für eine Richtlinie kommt jedoch das Ungleichgewicht im Management des Schienenverkehrs, bei dem häufig den Personenzügen Vorrang eingeräumt wird, nicht zur Sprache. Der EWSA verweist in diesem Zusammenhang auf seine Vorschläge bezüglich der Einführung einer größeren Flexibilität bei der Zuweisung von Zugtrassen für den Güterverkehr (1).

5.3   Der EWSA hat die EU in seinen Stellungnahmen schon immer in ihrem Bemühen unterstützt, die Grundbedingungen für einen europäischen Schienengüter- und -personenverkehr zu schaffen, der den Reisenden, Nutzern und Betreibern leistungsfähige, sichere, nachhaltige und zugängliche Dienste zu transparenten, wettbewerbsfähigen und erschwinglichen Preisen bietet.

5.4   Der EWSA bleibt davon überzeugt, dass Entwicklungsmöglichkeiten für den Schienenverkehr in der aktuellen Wirtschaftslage vorhanden sind, die von einer Zunahme des Handelsverkehrs, überlasteten Straßen und einem immer größeren Umweltbewusstsein sowie einem zunehmenden Bewusstsein für die Notwendigkeit der Verringerung des verkehrsbedingten Treibhausgasausstoßes gekennzeichnet ist.

5.5   Die hier erörterte Richtlinie kann trotz eines beeindruckenden Arsenals rechtlicher Hilfsmittel nicht kaschieren, dass das Ziel der Schaffung eines europäischen Eisenbahnraums, der in der Lage ist, seine Stellung im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern zu stärken, noch lange nicht erreicht ist.

5.6   Nach einer langen Phase des Niedergangs hat sich der Marktanteil des Schienenverkehrs im Vergleich zu den anderen Landverkehrsträgern im Verlauf der vergangenen zehn Jahre ein wenig stabilisiert, wobei die Entwicklung in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich voranschreitet. Nur die Dienste auf den Hochgeschwindigkeitsnetzen können sich mit der Schaffung - bzw. der geplanten Schaffung - zusätzlicher Strecken und einer Zunahme der Akteure vor Ort auf eine bedeutende Entwicklung stützen.

5.7   In Bezug auf den Güterverkehr verlassen sich die Netzbetreiber angesichts des Fehlens eines wirklich integrierten Netzes auf die 15 in Betrieb befindlichen oder geplanten „internationalen Güterverkehrskorridore“ (2), die die großen Industrieregionen der EU miteinander verbinden und tatsächlich ein leistungsfähiges Instrument sind, das jedoch auf diese internationalen Korridore beschränkt ist.

6.   Schwierigkeiten und Hindernisse für die Entwicklung des Netzes und der Schienenverkehrsleistungen

6.1   Das Eisenbahnnetz vermochte bislang nicht den Ansprüchen der Kunden und den qualitativen Anforderungen in dem Maße zu genügen, dass die Schiene wirksam in Konkurrenz mit anderen Verkehrsträgern hätte treten können, vor allem in puncto Preis, Flexibilität, Reisedauer und Pünktlichkeit. Bestehende Strukturen zum Zwecke der Erfüllung künftiger Anforderungen umzugestalten, ist jedoch nicht einfach und hat sich als langwieriger denn gedacht erwiesen. Erforderlich sind deshalb weitere Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung einer effektiven Eisenbahninfrastruktur in der EU, zur Schaffung eines attraktiven Eisenbahnmarkts, zum Abbau administrativer und technischer Hemmnisse und zur Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs mit anderen Verkehrsträgern.

6.2   Der EWSA stellt fest, dass 24 der 25 Mitgliedstaaten Schwierigkeiten hatten bzw. haben, die von ihnen zuvor angenommenen europäischen Rechtsvorschriften in nationales Recht umzusetzen. Es versteht sich von selbst, dass der EuGH über die Begründetheit der Kritikpunkte der Kommission zu entscheiden hat. Die Entwicklungsschwierigkeiten des Schienennetzes und der Schienenverkehrsleistungen nur dem – unterstellten – protektionistischen Denken der Mitgliedstaaten zuzuschreiben, wäre zu einfach. Nach Ansicht des EWSA liegen hier sicherlich noch weitere Ursachen zugrunde.

6.3   Die Schieneninfrastruktur weist die Wesensmerkmale eines natürlichen Monopols auf. Es ist wichtig, dass diese Infrastruktur einer echten öffentlichen Aufsicht unterliegt, die erforderliche Kapazität besitzt und ferner für eine grenzüberschreitende Koordinierung Sorge getragen wird, die nahtlose Verkehrsdienstleistungen in ganz Europa und mit den Nachbarländern ermöglicht. Schienenverkehrsdienstleistungen erfordern außerdem ein harmonisches Gleichgewicht zwischen den wirtschaftlichen, sozialen, Arbeits-, Sicherheits- und Umweltbedingungen auf der einen Seite und den wirtschaftlichen und Wettbewerbsbedingungen auf der anderen Seite.

6.4   Die nationalen Politiken der Mitgliedstaaten sind darüber hinaus empfänglicher für die Besorgnisse und Anliegen der Bürger, insbesondere da sich dem Bericht Mario MONTIs zufolge die mitunter festzustellende Binnenmarktmüdigkeit unter anderem dadurch erklären lässt, dass die sukzessiven Liberalisierungen in der Wahrnehmung vieler Bürger auf Kosten der von verschiedenen Wirtschaftsakteuren erworbenen sozialen Rechte eingeführt wurden.

6.5   Die Bestimmungen der Verträge (vgl. Artikel 14 AEUV und das Protokoll 26) und das Sekundärrecht zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sowie Artikel 93 AEUV gelten für den Verkehr im Allgemeinen, während die Verordnung 1370/2007 speziell die Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße zum Gegenstand hat. Der EWSA bedauert, dass die Kommission hierauf nicht ausdrücklich Bezug nimmt und die sektorspezifischen Herausforderungen des Schienenverkehrs nicht in diese allgemeine Dimension verortet.

7.   Besondere Bemerkungen

7.1   Finanzierung der Infrastruktur

7.1.1   Die Schaffung eines einheitlichen Eisenbahnraums hängt nicht nur vom politischen Willen und der wirtschaftlichen Dynamik der Eisenbahnunternehmen ab - die Ausweitung und Modernisierung des Netzes, der Ersatz veralteten Materials, die Beseitigung von Engpässen, die technische Interoperabilität, die Verbreitung und Harmonisierung der Sicherheitssysteme usw. erfordern massive Investitionen in das Netz, die sich vermutlich nur auf sehr lange Sicht amortisieren werden.

7.1.2   Im gegenwärtigen Wirtschaftsklima mit dem EU-weiten Zwang zum Sparen, um Haushaltsdefizite abzubauen und einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, bleibt den Mitgliedstaaten wenig Handlungsspielraum für öffentliche Investitionen, was zweifellos auch bei privaten Investoren Zögern hervorrufen wird.

7.1.3   Folglich bezieht sich das Interesse der Investoren im Wesentlichen auf die rentablen Infrastrukturen der Hochgeschwindigkeitsnetze und der transeuropäischen Güterverkehrsnetze, während der konventionelle Schienenverkehr vernachlässigt wird.

7.1.4   Mit dem Vorschlag für eine Richtlinie sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, eine Strategie für den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur vorzulegen, um auf der Grundlage einer soliden und dauerhaften Finanzierung des Eisenbahnsystems mit einem Zeithorizont von mindestens fünf Jahren dem künftigen Mobilitätsbedarf zu entsprechen. Die Infrastrukturbetreiber müssen wiederum anhand dieser Strategie ihre Geschäftsplanung, einschließlich der Investitions- und Finanzierungspläne, festlegen. Die Regulierungsstelle für den Eisenbahnsektor soll hierzu eine unverbindliche Stellungnahme abgeben.

7.1.5   Die betroffenen Mitgliedstaaten sind ferner aufgerufen, gemeinsam mit den bestehenden öffentlichen Eisenbahnunternehmen geeignete Mechanismen zu schaffen, um dazu beizutragen, dass die Verschuldung der öffentlichen Unternehmen so weit verringert wird, dass eine Geschäftsführung auf gesunder finanzieller Basis möglich ist, und um diese Unternehmen finanziell zu sanieren.

7.1.6   Der EWSA befürwortet die für die Mitgliedstaaten eingeführte Verpflichtung, ein mehrjähriges Programm für mittel- und langfristige Investitionen in das Eisenbahnsystem aufzustellen, das den Betreibern die erforderliche Planungssicherheit und -flexibilität geben soll. Dennoch sollte diese Verpflichtung nach Auffassung des EWSA mit neuen Finanzierungsquellen einhergehen, da sie ansonsten wirkungslos bleiben könnte. Der EWSA spricht sich dafür aus, diese Finanzierung ausdrücklich in der überarbeiteten Kohäsionspolitik ab 2014 vorzusehen. Da die Mehrheit der EU-Mittel aus den Strukturfonds und dem Fonds zur Förderung des sozialen Zusammenhalts in die Straßeninfrastruktur fließen, während die Mittel des TEN-V vor allem auf die Schiene ausgerichtet sind, kann der EWSA der möglichen Schaffung eines einheitlichen „Verkehrsfonds“ nur dann zustimmen, wenn dieser hinsichtlich sämtlicher Verkehrsträger neutral und ausgewogen ist.

7.1.7   In Bezug auf die durch den Vorschlag für eine Richtlinie auferlegten mehrjährigen vertraglichen Vereinbarungen (Verbindung zwischen Finanzierung und Ergebnis, Geschäftspläne) billigt der EWSA das grundsätzliche Vorgehen, vertritt jedoch die Ansicht, dass ihr Inhalt dem Subsidiaritätsprinzip unterliegen muss. Diese Vereinbarungen sollten im Übrigen Bestimmungen enthalten, mit denen sichergestellt wird, dass die Kostensenkungen über eine Senkung der Tarife an die Nutzer weitergegeben werden.

7.1.8   Ferner könnte die EU den Mitgliedstaaten weder die Wahl ihres Ansprechpartners - in diesem Falle die Regulierungsstelle für den Eisenbahnsektor - für eine Stellungnahme bezüglich ihrer Investitionsprogramme noch die Verpflichtung vorgeben, von dieser Stelle prüfen zu lassen, ob der geplante mittel- bis langfristige Finanzierungsrahmen den Leistungsvorgaben, die in Bezug auf die Infrastruktur für den entsprechenden Zeitraum festgelegt wurden, angemessen ist - auch könnte sie schwerlich einen Nachweis verlangen, falls ein Mitgliedstaat den Empfehlungen dieser Regulierungsstelle nicht nachkäme.

7.1.9   Öffentlich-private Partnerschaften können dazu beitragen, zumindest einen Teil der langfristigen Investitionen zu mobilisieren, sofern ein für diese Partnerschaften günstiger europäischer Rechtsrahmen vorhanden ist, ein Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen des öffentlichen und des privaten Investors gefunden wird, und unter der Voraussetzung, dass das Vermögen der Schieneninfrastruktur unter Achtung des Gemeinwohls und der Sicherheit öffentliches Eigentum bleibt.

7.1.10   Für die Erschließung entsprechender Finanzierungsquellen hält der EWSA es für zweckmäßig, über Investitionsanreize im Sinne von Vorschlag Nr. 15 „die Ausgabe privater Obligationsanleihen zur Finanzierung europäischer Projekte (‚projektbezogene Anleihen‘) zu unterstützen“ und Vorschlag Nr. 16 „prüfen, mit welchen Maßnahmen Anreize geschaffen werden können, um private – insbesondere langfristige – Investitionen im Sinne eines aktiveren Beitrags zur Verwirklichung der Ziele der Strategie ‚Europa 2020‘ zu mobilisieren“ der Mitteilung „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte“ nachzudenken.

Eine weitere Finanzierungsquelle für die Eisenbahninfrastruktur könnte die Schaffung eines Ausgleichsfonds nach dem Vorbild des in der Postrichtlinie vorgesehenen Fonds sein, zu dessen Finanzierung alle Schienennetznutzer nach festzulegenden Modalitäten beitragen sollten.

7.2   Internalisierung externer Kosten/Effekte

7.2.1   Der Schienenverkehr erfordert koordinierte Initiativen der EU, der Mitgliedstaaten und der innerstaatlichen Behörden, um den Schienenverkehr in allen Fällen zu fördern, in denen eine Verwirklichung seiner Wettbewerbsvorteile möglich ist.

7.2.2   So gesehen betont die Kommission zu Recht die Notwendigkeit, „gleiche Bedingungen für den Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern zu gewährleisten“, und zwar insbesondere durch „Maßnahmen, um die externen Verkehrskosten auf koordinierte und ausgewogene Weise verkehrsträgerübergreifend zu internalisieren, so dass die erhobenen Entgelte die externen Kosten widerspiegeln, die der gesamten Gesellschaft aufgebürdet werden“. Die Kommission bleibt mit ihren Vorschlägen jedoch weitgehend hinter den vom EWSA diesbezüglich vorgebrachten Vorschlägen zurück (3).

7.2.3   Die Herausforderungen des Binnenmarkts und des Wettbewerbs müssen vor allem unter der Perspektive des Wettbewerbs der Verkehrsträger und nicht nur im Rahmen des Eisenbahnsektors an sich betrachtet werden.

Solange bei der Entgelterhebung für die Nutzung der Verkehrsinfrastruktur die externen, ökologischen und sozialen Kosten nicht berücksichtigt werden, bleiben Wettbewerbsverzerrungen zu Ungunsten des Schienenverkehrs bestehen.

7.2.4   Der EWSA bedauert, dass diese Entscheidung immer noch aussteht, obwohl die Internalisierung der Umweltkosten im Weißbuch „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ vorgesehen war.

7.2.5   Um den Eisenbahnunternehmen Anreize für Investitionen in umweltfreundlichere Schienentechnologien zu geben, ist in dem hier erörterten Vorschlag für eine Richtlinie die Einführung einer Differenzierung der Wegeentgelte nach den Lärmemissionen der Fahrzeuge vorgesehen.

Der Kommission zufolge (was in dem Vorschlag für eine Richtlinie nicht erwähnt wird) erfolgt diese Differenzierung über eine Senkung der Zugangsentgelte für die Unternehmen, die die Lärmemissionen der Fahrzeuge verringern. Nach Auffassung des EWSA sollte diese sehr lobenswerte Maßnahme jedoch nur dann angewandt werden, wenn sie gleichfalls verpflichtend und nicht nur fakultativ für die sonstigen Verkehrsträger zur Anwendung kommt.

7.2.6   Zwar kann der EWSA diesen ersten Schritt in die richtige Richtung nur begrüßen, doch befürchtet er gleichwohl, dass dessen Einfluss auf die Wettbewerbsverzerrungen so lange begrenzt sein wird, wie die Mitgliedstaaten im Rahmen des Vorschlags für eine „Eurovignette“-Richtlinie nicht verpflichtet sind, nicht nur ein Wegeentgelt, sondern auch eine Abgabe für alle externen Kosten zu erheben.

7.3   Führung der Eisenbahnunternehmen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen

7.3.1   Dem Vorschlag für eine Richtlinie zufolge sind im Falle von Eisenbahnunternehmen, die direkt oder indirekt Eigentum eines Mitgliedstaats sind oder von ihm kontrolliert werden, dessen Kontrollbefugnisse nur allgemeiner Art und berühren die spezifischen Unternehmensentscheidungen der Geschäftsführung nicht.

7.3.2   Nach Auffassung des EWSA darf die Richtlinie die Kontrollbefugnisse eines Verwaltungsrates nicht vorwegnehmen, wobei der Mitgliedstaat als Anteilseigner an einem Eisenbahnunternehmen nicht mehr und auch nicht weniger Kontrollbefugnisse haben darf als ein Anteilseigner an einer Privatgesellschaft.

7.4   Bedingungen für den Zugang zu Serviceeinrichtungen

7.4.1   Um einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Serviceeinrichtungen zu gewährleisten, d.h. zu den Bahnhöfen (Personenbahnhöfe, Rangierbahnhöfe, Zugbildungseinrichtungen, Abstellgleise, Güterterminals, Wartungseinrichtungen, Hilfseinrichtungen auch für Schleppdienste usw.), die von Unternehmen mit einer beherrschenden Stellung betrieben werden, muss der Betreiber von dem betreffenden Unternehmen bzw. der Einrichtung rechtlich, organisatorisch und in den Entscheidungen unabhängig sein.

7.4.2   Der EWSA erachtet eine solche Verpflichtung zu rechtlicher, organisatorischer und entscheidungstechnischer Unabhängigkeit angesichts des Ziels der Diskriminierungsfreiheit als unverhältnismäßig, zudem gefährdet sie die unersetzlichen vorhandenen Strukturen und Tätigkeiten.

7.4.3   Nach Auffassung des EWSA würde es ausreichen, eine Einhaltung der derzeitigen Regelung aufzuerlegen, die den Betreibern derartiger Serviceeinrichtungen einen diskriminierungsfreien und transparenten Zugang vorschreibt. Diese Regelung ist insofern ausreichend, als die Kontrollbehörde nur dann zum Einschreiten aufgefordert ist, wenn einschlägige Rechtsvorschriften nicht eingehalten werden.

7.4.4   Der EWSA weist erneut darauf hin, dass bei der öffentlichen Finanzierung dieser Serviceeinrichtungen das Ziel verfolgt wurde, Bedürfnissen der Allgemeinheit nachzukommen. Ein Zugang zu diesen Diensten sollte daher nur dann gewährleistet werden, wenn dies im Interesse der Allgemeinheit ist und diese Serviceeinrichtungen über öffentliche Mittel finanziert wurden.

7.5   Marktaufsicht

7.5.1   Gemäß Artikel 14 des Vorschlags für eine Neufassung der Richtlinie müssen länderübergreifende Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten der Kommission mitgeteilt werden, ohne dass allerdings präzisiert wird, um welche Vereinbarungen es dabei geht. Der EWSA bittet um eine Klärung, ob es sich hierbei um öffentliche Dienstleistungsaufträge handeln kann.

7.5.2   Ferner wird der Kommission durch den Richtlinienvorschlag auf unbegrenzte Dauer die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte übertragen, was Änderungen an den in den Anhängen zu der Richtlinie enthaltenen Bestimmungen ermöglicht.

7.5.3   Da einige der Anhänge einige wesentliche Elemente enthalten - obwohl der Vertrag einen Rückgriff auf delegierte Rechtsakte nur erlaubt, um nicht wesentliche Bestimmungen des Rechtsakts zu vervollständigen oder zu ändern -, hält der EWSA es für erforderlich, in diesem Fall das durch die Unionsverträge eingeführte ordentliche Gesetzgebungsverfahren zu nutzen.

7.5.4   In Anhang VII zu dem Vorschlag für eine Richtlinie wird unter den Grundsätzen für die Verträge zwischen zuständigen Behörden und Infrastrukturbetreibern aufgeführt, dass in diesem Vertrag u.a. die Regeln für den Umgang mit größeren Betriebsstörungen, einschließlich Mindestdienstleistungen bei Streiks festgelegt werden.

7.5.5   Um jegliche gewagte Auslegung zu vermeiden bzw. jeglichen Verdacht der Einmischung in das Arbeitsrecht der Mitgliedstaaten zu zerstreuen (und somit eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips zu vermeiden), schlägt der EWSA vor, darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um Mindestdienstleistungen in denjenigen Mitgliedstaaten handelt, in denen ein solcher Dienst im nationalen Recht vorgesehen ist.

8.   Inhalt der Mitteilung zur Eisenbahnstrategie der Kommission 2011-2015

8.1   In der Mitteilung werden die Eisenbahnstrategie der Kommission sowie die ergänzenden Initiativen dargelegt, die in den nächsten fünf Jahren ergriffen werden könnten, wie etwa

Beschaffung von Finanzmitteln zum Ausbau der Schieneninfrastruktur;

Aufbau von stärker spezialisierten Netzen;

Überwindung der administrativen und technischen Hindernisse;

Gewährleistung gleicher Bedingungen für den Wettbewerb mit den anderen Verkehrsträgern;

Förderung der allgemeinen Umsetzung des ERTMS und des Europäischen Zugsicherungs- und Zugsteuerungssystems (ETCS).

9.   Bemerkungen bezüglich der Mitteilung zur Eisenbahnstrategie 2011-2015

9.1   Nach Auffassung des EWSA muss der allgemeinen Umsetzung des ERTMS und des Europäischen Zugsicherungs- und Zugsteuerungssystems (ETCS) absolute Priorität eingeräumt werden. Da eine solche Umsetzung umfangreiche Investitionen erfordert, ist eine Finanzierung über die EU-Fonds angebracht.

9.2   In der Mitteilung heißt es: „Da solche Verkehrsdienste zu einem sehr großen Teil im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge erbracht werden, wird die Kommission auch die Voraussetzungen für die Vergabe solcher Dienstleistungsaufträge für Schienenverkehrsdienste in den einzelnen Mitgliedstaaten prüfen. Eine Bewertung der einschlägigen Praxis aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, die im Dezember 2009 in Kraft getreten ist, findet bereits statt.

9.3   Der EWSA nimmt mit Erstaunen zur Kenntnis, dass die Kommission die Überprüfung einer Verordnung in Angriff nimmt, die erst am 3. Dezember 2009 in Kraft getreten ist und, da sie zahlreiche Übergangsbestimmungen enthält, nur teilweise anwendbar ist. Diese Eile der Kommission ist beunruhigend, da sie einigen Bestimmungen der Verordnung 1370/2007 erst nach langen und schwierigen Debatten mit dem Europäischen Parlament und dem Rat zugestimmt hat.

9.4   Dementsprechend fordert der EWSA die Einhaltung der in Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung 1370/2007/EG vorgesehenen Bestimmungen sowie die Vorlage eines Berichts über die Umsetzung dieser Verordnung durch die Kommission binnen sechs Monaten nach dem 3. Dezember 2014. Anschließend könnten mögliche Korrekturmaßnahmen eingebaut werden.

9.5   Der EWSA erinnert daran, dass Wettbewerb kein Selbstzweck, sondern ein Instrument zum Erreichen der Ziele der EU ist. In den Verträgen wird die Notwendigkeit einer Verbindung der Wettbewerbsregeln und der Ziele von allgemeinem Interesse hervorgehoben. Eine genaue Analyse nicht nur des „Schienenverkehrsmarkts“, sondern aller hiervon umfassten Märkte mit unterschiedlichen Merkmalen, für die je nach ihren Besonderheiten - lokal, regional, überregional, transeuropäisch, Personen, Güter usw. (vgl. Protokoll 26) - differenzierte Regeln erforderlich sein können, ist daher angebracht. Daneben kann die Besonderheit des Schienenverkehrs Initiativen erforderlich machen, die nicht auf Wettbewerb, sondern auf Zusammenarbeit zwischen den Eisenbahnunternehmen ausgerichtet sind.

Brüssel, den 16. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  ABl. C 27 vom 3.2.2009, S. 41.

(2)  ABl. L 276 vom 20.10.2010, S. 22.

(3)  ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 80.


ANHANG

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Die folgenden abgelehnten Änderungsanträge erhielten mindestens ein Viertel der Stimmen:

Ziffer 7.1.9

Text wie folgt ändern:

Öffentlich-private Partnerschaften können dazu beitragen, zumindest einen Teil der langfristigen Investitionen zu mobilisieren, sofern ein für diese Partnerschaften günstiger europäischer Rechtsrahmen vorhanden ist, ein Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen des öffentlichen und des privaten Investors gefunden wird, und unter der Voraussetzung, dass das Vermögen der Schieneninfrastruktur unter Achtung des Gemeinwohls und der Sicherheit .

Begründung

Im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften sollte über das Vermögen der Schieneninfrastruktur wie etwa die Gleisanlagen usw. verhandelt werden können. Es ist wichtig, dass die Serviceeinrichtungen als Teil der europäischen und nationalen Infrastruktur beaufsichtigt werden.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

:

67

Nein-Stimmen

:

88

Stimmenthaltungen

:

22

Ziffer 7.2.3

Der Änderungsantrag zu Ziffer 7.2.3 ist mit dem Änderungsantrag zu Ziffer 1.6 verknüpft, weswegen über diese beiden Änderungsanträge en bloc abgestimmt wird.

Text wie folgt ändern:

Solange bei der Entgelterhebung für die Nutzung der Verkehrsinfrastruktur die ökologischen und sozialen Kosten berücksichtigt werden, bleib Wettbewerbsverzerrungen zu Ungunsten des Schienenverkehrs bestehen.

Begründung

Der erste Satz steht in direktem Widerspruch zur Verkehrspolitik der EU und sollte gestrichen werden. Der Wettbewerb im Schienenverkehr bildet einen untrennbareren Bestandteil des Eisenbahnpakets. Da bislang bei keinem Verkehrsträger – einschließlich des Schienenverkehrs – die externen Kosten in vollem Umfang internalisiert worden sind, sollte der zweite Absatz entsprechend umformuliert werden.

Ziffer 1.6

Text ändern:

Der EWSA bedauert, dass die Bedingungen für einen fairen Wettbewerb Verkehrsträger bei weitem noch nicht geschaffen wurden und dass die vorgesehenen Maßnahmen für die Internalisierung der externen Kosten und Effekte durch die Entgelterhebung für externe Kosten im Verkehrsbereich, die der gesamten Gesellschaft aufgebürdet werden, alles andere als ausreichend sind.

Begründung

Auch im Schienenverkehrssektor fallen externe Kosten an - Stichwort Lärmbelästigung -, die nicht internalisiert werden. Hinzu kommt die steuerliche Ungleichbehandlung zwischen den Verkehrsträgern.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

:

55

Nein-Stimmen

:

103

Stimmenthaltungen

:

23

Ziffer 7.2.5

Wie folgt ändern:

Um den Eisenbahnunternehmen Anreize für Investitionen in umweltfreundlichere Schienentechnologien zu geben, ist in dem hier erörterten Vorschlag für eine Richtlinie die Einführung einer Differenzierung der Wegeentgelte nach den Lärmemissionen der Fahrzeuge vorgesehen.

Der Kommission zufolge (was in dem Vorschlag für eine Richtlinie nicht erwähnt wird) erfolgt diese Differenzierung über eine Senkung der Zugangsentgelte für die Unternehmen, die die Lärmemissionen der Fahrzeuge verringern. Nach Auffassung des EWSA diese Maßnahme .

Begründung

Angesichts der vorausgehenden Ausführungen sollte die Internalisierung von Lärmkosten befürwortet werden, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie keine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu konkurrierenden Verkehrsträgern bewirkt.

Ja-Stimmen

:

57

Nein-Stimmen

:

110

Stimmenthaltungen

:

16

Ziffer 7.4.2

Der Änderungsantrag zu Ziffer 7.2.4 ist mit dem Änderungsantrag zu Ziffer 1.7 verknüpft, weswegen über diese beiden Änderungsanträge en bloc abgestimmt wird.

Ziffern 7.4.2 und 7.4.3 zusammenführen und wie folgt ändern:

Nach Auffassung des EWSA es ausreichen, eine Einhaltung der derzeitigen Regelung aufzuerlegen, die den Betreibern derartiger Serviceeinrichtungen einen diskriminierungsfreien und transparenten Zugang vorschreibt. er EWSA eine solche Verpflichtung die vorhandenen Tätigkeiten .

Begründung

Siehe auch Begründung zu Ziffer 1.7. Der Zugang zu großen Umschlagterminals, Rangierbahnhöfen usw. muss vollkommen wettbewerbsneutral sein, damit ein europäischer Schienenverkehrsmarkt geschaffen werden kann. Neben der gerechten Zuweisung von Fahrwegkapazität handelt es sich hierbei um eine der Hauptforderungen der zahlreichen neuen unabhängigen Schienenverkehrsbetreiber.

Ziffer 1.7:

Text ändern:

In Bezug auf den Zugang zu Serviceeinrichtungen kann der EWSA Verpflichtung zu rechtlicher, organisatorischer und entscheidungstechnischer Unabhängigkeit unterstützen, .

Begründung

Terminals und Rangierbahnhöfe u.a. gehören in einem freien Markt selbstverständlich zu den gemeinsamen Infrastrukturen. Die Erfahrung lehrt, dass ohne eine klare Unabhängigkeit bezüglich der Terminals u.ä. neuen Eisenbahnunternehmen keine Gleichbehandlung gegenüber den alten Staatsmonopolbetrieben garantiert werden kann. Die Gefahr des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung kann nicht ausgeschlossen werden. Vgl. auch die eigene Beurteilung der Kommission der Schienenverkehrspakete (Ziffer 3.3).

Ja-Stimmen

:

54

Nein-Stimmen

:

111

Stimmenthaltungen

:

21

Ziffer 7.4.4

Ersatzlos streichen:

Begründung

Wenn diese Einrichtungen mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden, sind sie als Infrastruktur zu betrachten und müssen allen Schienenverkehrsbetreibern, die von dieser Infrastruktur Gebrauch machen, offenstehen.

Ja-Stimmen

:

51

Nein-Stimmen

:

119

Stimmenthaltungen

:

20

Folgende Passagen der Stellungnahme der Fachgruppe wurden zugunsten von Änderungsanträgen, die vom Plenum angenommen wurden, abgelehnt, erhielten jedoch mindestens ein Viertel der Stimmen.

Ziffer 6

Überschrift:

Die Wörter „für eine Verkehrsverlagerung“ streichen.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

:

97

Nein-Stimmen

:

42

Stimmenthaltungen

:

18

Ziffer 6.2, erster Satz:

natürlichen Monopols

Die ersten vier Wörter und die letzten drei Wörter streichen.

Ziffer 6.2

Den letzten Satz streichen:

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

:

118

Nein-Stimmen

:

36

Stimmenthaltungen

:

18


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/108


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Integrität und Transparenz des Energiemarkts“

KOM(2010) 726 endg.

2011/C 132/21

Hauptberichterstatter: Edgardo Maria IOZIA

Der Rat beschloss am 22. Dezember 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 194 Absatz 2 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Integrität und Transparenz des Energiemarkts

KOM(2010) 726 endg.

Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft am 18. Januar 2011 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten (Artikel 59 der Geschäftsordnung) beschloss der Ausschuss auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 16. März), Edgardo Maria IOZIA zum Hauptberichterstatter zu bestellen, und verabschiedete mit 150 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Der EWSA:

1.1

befürwortet und begrüßt die von der Kommission vorgeschlagene Verordnung, mit der Maßnahmen zur Bekämpfung der Manipulation auf den Energiegroßhandelsmärkten gefördert und diese Märkte transparenter gestaltet werden sollen. Diese Verordnung stützt sich auf eine gemeinsame Studie, mit der der Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (AEWBR) und die Gruppe der europäischen Regulierungsbehörden für Elektrizität und Erdgas (ERGEG) beauftragt wurden und in der einige Lücken bei den Rechtsvorschriften für den Erdgas- und Energiegroßhandelsmarkt aufgezeigt wurden;

1.2

hält die Wahl des Instruments einer sich auf Artikel 194 AEUV stützenden Verordnung sowohl im Hinblick auf das Erfordernis eines durch und durch einvernehmlichen Regelwerks als auch hinsichtlich der Bedeutung der Bestimmungen des neuen Artikels des Lissabon-Vertrags über Energie im Allgemeinen und die Entwicklung des Binnenmarkts im Besonderen, wie in Absatz 2 festgelegt, für sinnvoll;

1.3

begrüßt die Entscheidung, zur Klärung wesentlicher Punkte der Verordnung, wie der Definition und des Zeitpunkts der Datenerhebung, auf delegierte Rechtsakte zurückzugreifen, im Sinne von Artikel 290 AEUV, mit dem dieses neue Verwaltungsinstrument eingeführt wird, um die Arbeit der europäischen Institutionen zu beschleunigen. Diese delegierten Rechtsakte müssen unmissverständlich im Einklang mit den Bestimmungen des Vertrags erlassen und in geeigneter Weise veröffentlicht werden. Der EWSA schlägt vor, gemäß Artikel 290 für den Erlass delegierter Rechtsakte eine Frist zu setzen, um eine rasche und einheitliche Anwendung der Verordnung sicherzustellen. Ohne delegierte Rechtsakte lässt sich die Marktmanipulation künftig nur schwer bekämpfen. Er empfiehlt, die Interessenvertreter der Zivilgesellschaft in die Ausarbeitung der delegierten Rechtsakte einzubeziehen, und schlägt vor, in den einleitenden Erwägungsgründen einige Beispiele anzuführen;

1.4

ist der Ansicht, dass durch effiziente grenzüberschreitende Märkte Versorgungssicherheit, eine optimale Krisenbewältigung und ein geringeres Risiko von letztlich immer an den Endverbraucher weitergegebenen Zusatzkosten eher gewährleistet werden können Eine schrittweise Verbesserung des Energiebinnenmarkts ermöglicht erhebliche Einsparungen zugunsten der Unternehmen und der privaten Verbraucher;

1.5

erachtet die den nationalen Regulierungsbehörden übertragenen Befugnisse als ausreichend und angemessen und fordert, innerhalb eines angemessen kurzen Zeitraums ein Verfahren zu entwickeln, um zu überprüfen, ob die Mitgliedstaaten auch tatsächlich ihrer Verpflichtung nachgekommen sind, die nationalen Behörden mit wirksamen Kontroll- und Untersuchungsbefugnissen auszustatten, die auf gemeinsamen und vereinheitlichten Elementen beruhen müssen. Die Uneinheitlichkeit der Rechtsvorschriften war und ist eine der Ursachen für die Verzögerungen bei der Schaffung eines Energiebinnenmarktes;

1.6

stellt zu seiner Zufriedenheit fest, dass in der Verordnung eine verstärkte Abstimmung zwischen den die Energiemärkte und die Finanzmärkte regulierenden nationalen Behörden sowie zwischen der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden und dem Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden vorgeschlagen wird. Der EWSA plädiert seit geraumer Zeit für eine solche schrittweise Verstärkung der Integration und Zusammenarbeit;

1.7

ist überzeugt, dass das Vertrauen der Wirtschaftsteilnehmer in den Markt gestärkt werden muss. Diese müssen die Gewissheit haben, auf einem Markt tätig zu sein, der Marktmissbrauch mit wirksamen, abschreckenden und angemessenen Sanktionen bestraft; empfiehlt der Kommission, die Umsetzung der Verordnung seitens der Mitgliedstaaten zu überwachen, die sich untereinander abstimmen müssen, um auf dem Energiemarkt eine Wiederholung der Ereignisse auf den Finanzmärkten infolge der Aufsichtsarbitrage, d.h. der Wahl des Sitzes seiner Geschäftstätigkeit in Ländern mit flexibleren oder lockereren Vorschriften im Hinblick auf die Sanktionen, zu vermeiden;

1.8

fragt sich, ob die Kosten für die Umsetzung der Verordnung in vollem Umfang zulasten der Öffentlichkeit gehen sollten oder ob nicht auch die Marktteilnehmer einen Beitrag hierzu leisten sollten, wie es z.B. in einigen Ländern bei der Finanzierung der Aufsichtsbehörden der Finanzmärkte der Fall ist, die zum Teil von den beaufsichtigten Unternehmen finanziert werden;

1.9

hält eine verstärkte Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den Übertragungsnetzbetreibern für unerlässlich. Durch die Einrichtung des Europäischen Verbunds der Netzbetreiber (ENTSO) wird der Möglichkeit, Netzkodizes für die Bereitstellung eines wirksamen und transparenten Zugangs zu den Übertragungsnetzen zu schaffen, ein gewaltiger Impuls verliehen. Diese Netzkodizes müssen mit den nicht bindenden Rahmenleitlinien im Einklang stehen, die die Agentur erlassen muss;

1.10

stellt fest, dass auf den Energiegroßmärkten der Union nach wie vor unterschiedliche Bedingungen und Diskriminierung herrschen. Die Integration der Märkte ist völlig unzureichend, u.a. aufgrund der strukturellen Defizite des Netzes, insbesondere beim grenzüberschreitenden Netzverbund. Es gibt noch immer erhebliche Hürden, die einen diskriminierungsfreien Zugang zum Netz und zum Stromabsatz verhindern. Die Kontrollen der Regulierungsbehörden haben noch keinen einheitlichen Effizienzgrad erreicht, und einige Märkte sind nach wie vor abgeschottet und lassen keine neuen Marktteilnehmer zu;

1.11

befürwortet daher die Bemühungen der Kommission, die Hindernisse zu beseitigen, die der Vollendung eines wirksamen und integrierten Binnenmarkts, die letztlich den Erzeugern, den Markteilnehmer und den Verbrauchern etwas bringt, im Weg stehen;

1.12

erachtet es als unerlässlich, den Aufbau eines Europas der Energie fortzusetzen, in dem die allgemeinen Interessen der Union und die Interessen der Verbraucher gewahrt werden, die Energieversorgung sichergestellt wird, mit Hilfe entsprechender Maßnahmen, mit denen dafür gesorgt wird, dass die Vorteile allen gleichermaßen zugute kommen, und kontrolliert wird, ob die Kosten angemessen sind, die soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit gesichert wird und die Integrität des Marktes als unverzichtbare Komponente für die Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft geschützt wird;

1.13

hält es angesichts der immer stärkeren Finanzialisierung der Energiemärkte durch die Finanzmärkte eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen die Märkte überwachenden und schützenden europäischen Agenturen und Behörden für wesentlich und begrüßt, dass der Verordnung über die Manipulation und Transparenz der Strom- und Erdgasmärkte die allgemeinen Marktmissbrauchsvorschriften zum Vorbild gedient haben, die bereits im Finanzsektor gelten und in Kürze aktualisiert werden. Die vorliegende Verordnung sollte daher mit dem Verfahren zur Überprüfung der Marktmissbrauchsrichtlinie koordiniert werden;

1.14

fordert, die Leitprinzipien, die dem Vorschlag für eine neue Richtlinie zugrunde liegen, in die Endfassung der vorliegenden Verordnung aufzunehmen. Insbesondere sollte folgenden Faktoren Rechnung getragen werden: höhere Marktintegrität, wirksamere Umsetzung der Rechtsvorschriften gegen Marktmissbrauch, eingeschränkter Handlungsspielraum der einzelnen Mitgliedstaaten bezüglich der effizienten Anwendung der Sanktionen, ihrer Angemessenheit und ihrer abschreckenden Wirkung durch die Einführung einheitlicher Normen und Reduzierung ungerechtfertigten Verwaltungsaufwands, insbesondere bei den KMU, und Notwendigkeit, die Transparenz und die Effizienz der Aufsichtsbehörden zu erhöhen.

1.15

Unterstreicht die Bedeutung der Beziehungen mit Drittländern und stellt zu seiner Zufriedenheit fest, dass die Agentur Beziehungen pflegt und mit internationalen Organisationen und Behörden aus Drittländern Vereinbarungen schließen kann.

2.   Einleitung

2.1   Auf dem Strom- und Erdgasbinnenmarkt hat sich ein tiefgreifender Wandel vollzogen. Zu den wichtigsten Veränderungen gehört zweifellos die Öffnung der Energiebörsen für eine Vielzahl von Akteuren und die Verbreitung des grenzüberschreitenden Handels innerhalb der Union, wodurch zu einer optimalen Nutzung der erzeugten Energie beigetragen wurde, indem für eine breitere Nachfragebasis gesorgt wurde.

2.2   Auf dem Weg zu einem effizienten und funktionellen Binnenmarkt mit angemessenen Preisen sind noch viele Hürden zu nehmen. Die Verbraucher haben nicht besonders von der Entwicklung des Binnenmarkts profitiert, der wegen des Widerstands einiger von ihrer nationalen Regierung unterstützten Monopolunternehmen nicht richtig in Schwung kommt. Symptomatisch hierfür ist die Diskussion über die eigentumsrechtliche Entflechtung der Erzeugungstätigkeiten und der Übertragungs- und Verteilungsaktivitäten. In einigen großen EU-Mitgliedstaaten ist diese Frage noch immer nicht gelöst worden, was allerdings nicht über den 3. März 2013 hinaus so bleiben kann.

2.3   Durch die fünf gesetzgeberischen Maßnahmen im Energie- und Erdgasbereich, das so genannte „dritte Paket“, das alle Mitgliedstaaten bis zum 3. März 2011 in einzelstaatliches Recht umsetzen müssen, werden bessere Voraussetzungen für die Vollendung des Binnenmarkts geschaffen.

2.4   Es sind erhebliche Verzögerungen beim Programm zum Ausbau des Netzverbunds innerhalb der EU und zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den Partnern in den Drittstaaten zu beobachten, u.a. aufgrund des Rückgangs bei Strom und Erdgas. Dies ist einer der wichtigsten Faktoren, der die Vollendung des Binnenmarkts behindert und den die Agentur ständig im Auge behalten sollte.

2.5   Die Verzögerungen im Bereich der Gesetzgebung haben zu einem leicht manipulierbaren und unzureichend transparenten Strom- und Erdgasgroßhandelsmarkts geführt. Hierdurch werden auf lange Sicht dessen Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Marktteilnehmer untergraben, was objektiven Schaden anrichtet.

2.6   Durch effiziente grenzüberschreitende Märkte lassen sich die Versorgungssicherheit, eine optimale Krisenbewältigung und ein geringeres Risiko von letztlich immer an den Endverbraucher weitergegebenen Zusatzkosten eher gewährleisten. Eine schrittweise Verbesserung des Energiebinnenmarkts ermöglicht erhebliche Einsparungen zugunsten der Unternehmen und der privaten Verbraucher. Bei diesem Konzept kann die Streuung der Energieerzeugung verringert, die Abstimmung von Nachfrage und Angebot in einem liquiden und effizienten Markt erleichtert und die Versorgung zur Deckung punktuellen Bedarfs sichergestellt werden.

2.7   In diesem Zusammenhang hat die Kommission nach einer gründlichen Analyse einen Vorschlag für eine Verordnung zur Förderung der Integrität und Transparenz der Märkte und zur Bekämpfung potenzieller Marktmanipulation erarbeitet.

3.   Der Vorschlag der Kommission

3.1   Die Europäische Union würde zweifellos von einem liquiden, geordneten und funktionierenden und vor allem manipulationssicheren Strom- und Erdgasgroßhandelsmarkt profitieren, der große Auswirkungen für die Endverbraucher hätte. Zur Erreichung des Ziels, bis 2015 einen effizienten europäischen Großhandelsmarkt zu verwirklichen, müssen Maßnahmen zur Förderung einer geordneten und gleichmäßigen Marktentwicklung ergriffen werden.

3.2   Die Kommission beauftragte 2007 den Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (AEWBR) und die Gruppe der europäischen Regulierungsbehörden für Elektrizität und Erdgas (ERGEG), die Schwachstellen des für die Märkte geltenden Rechtsrahmen zu untersuchen und Vorschläge zur Erhöhung der Transparenz und Integrität der Transaktionen und der Strom- und Erdgaslieferverträge und Derivate zu unterbreiten.

3.3   Diese Studie war äußerst nützlich und diente als Grundlage für den Kommissionsvorschlag.

3.4   Die Kommission schlägt vor, eine Verordnung zu verabschieden, in der in Einklang mit der Marktmissbrauchsrichtlinie jegliche Form von Missbrauch auf den Großhandelsmärkten für Strom und Erdgas ausdrücklich untersagt wird, insbesondere der Insider-Handel und der Marktmissbrauch. Die Verordnung gilt nicht für Finanzinstrumente, die bereits unter diese Richtlinie fallen. Die Rechtsgrundlage dieses Vorschlags bildet Artikel 194 Absatz 1 Buchstabe a) AEUV, in dem der Union die Zuständigkeit für die Sicherstellung des Funktionierens des Energiemarkts übertragen wird.

3.5   Das Verbot des Insider-Handels wird durch die Pflicht der Marktteilnehmer ergänzt, ihre Geschäftstätigkeit betreffende Insider-Informationen über die Kapazität von Anlagen zur Erzeugung und Speicherung, zum Verbrauch oder zur Übertragung/Fernleitung von Strom oder Erdgas bekannt zu geben.

3.6   Die Kommission hat in Anwendung der Bestimmungen des neuen Vertrags im Sinne von Artikel 290 AEUV den Erlass delegierter Rechtsakte vorgesehen, ein neues Rechtsinstrument, das es der Kommission ermöglicht, die technischen Elemente einer Richtlinie oder einer Verordnung im Wege eines vereinfachten Verfahrens abzuändern.

3.7   Die Spezifizierung der Definitionen der Begriffe „Marktmanipulation“ oder „Versuch der Marktmanipulation“ sollen auf der Grundlage delegierter Rechtsakte der Kommission erfolgen. In diesen Rechtsakten werden die Funktion der Märkte, die potenziellen Auswirkungen der Produktion, des Verbrauchs und der Nutzung von Übertragungs-/Fernleitungskapazitäten oder der tatsächlichen oder geplanten Nutzung von Speicherkapazitäten auf die Energiegroßhandelsmärkte sowie in Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 714/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 angenommene Netzkodizes und Rahmenleitlinien berücksichtigt.

3.8   In der vorliegenden Verordnung wird der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden die Zuständigkeit für die Beobachtung der Verhandlungen und die Erhebung der für die Bewertung des Entwicklungsstands der Märkte erforderlichen Daten zugewiesen.

3.9   Die Agentur erhebt die Daten auch mit Hilfe der Aufzeichnungen der Transaktionen am Energiegroßhandelsmarkt einschließlich der Kauf- bzw. Verkaufsaufträge. Diese Daten werden mit den nationalen Regulierungsbehörden, den Finanzbehörden, den Wettbewerbsbehörden und sonstigen zuständigen Behörden ausgetauscht.

3.10   Die in Transaktionsregistern gesammelten Informationen werden der Agentur zur Verfügung gestellt, und die Finanzbehörden übermitteln wiederum der Agentur Meldungen über Transaktionen mit Energieprodukten.

3.11   In der Verordnung ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden, zwischen diesen und der Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) sowie zwischen der Agentur und der ESMA vorgesehen, falls diese den Verdacht hegt, dass einen Marktmissbrauch darstellende Verhaltensweisen vorliegen oder vorgelegen haben.

3.12   Die Festlegung der Sanktionsregeln fällt in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten, die wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Maßnahmen ergreifen müssen. (Begriffsbestimmungen siehe Artikel 2 der vorgeschlagenen Verordnung)

4.   Bemerkungen des EWSA

4.1   Der EWSA befürwortet den Kommissionsvorschlag, durch den die mangelnde Transparenz behoben und indirekt die Entwicklung des Binnenmarkts für den Großhandel mit Strom und Erdgas gefördert werden soll.

4.2   Die für die vorgeschlagene Verordnung gewählte Rechtsgrundlage ist völlig richtig. Artikel 194 erteilt der Kommission implizit den Auftrag, Rechtsakte zur Entwicklung und Konsolidierung des Energiebinnenmarkts zu erlassen. Die Verordnung ist zweifellos das am besten geeignete Rechtsinstrument, um einheitliche, unverzüglich anwendbare und mit den für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts unerlässlichen Zielen der Harmonisierung in Einklang stehende Rechtsvorschriften zu gewährleisten.

4.3   Auf den Energiegroßhandelsmärkten in der Union herrschen noch immer keine einheitlichen Bedingungen, und sie sind nach wie vor nicht diskriminierungsfrei. Die Integration der Märkte ist völlig unzureichend, u.a. aufgrund der strukturellen Defizite des Netzes, insbesondere beim grenzüberschreitenden Netzverbund. Es gibt noch immer gravierende Hindernisse, die einem diskriminierungsfreien Zugang zum Netz und zum Stromabsatz im Wege stehen. Die Kontrollen der Regulierungsbehörden haben noch keinen einheitlichen Effizienzgrad erreicht und einige Märkte sind nach wie vor abgeschottet und lassen keine neuen Marktteilnehmer zu. Der EWSA empfiehlt der Kommission, die Anwendung der europäischen Rechtsvorschriften durch die Mitgliedstaaten zu überwachen, die außerdem Vernetzungsprojekte unterstützen und Hindernisse beseitigen müssen. Dies kann u.a. durch Sanktionen im Falle von Hindernissen geschehen, die der Verwirklichung eines effizienten und transparenten Binnenmarktes zu vertretbaren Kosten im Wege stehen.

4.4   Nach Einschätzung der nationalen Regulierungsbehörden und der Kommission wird die Entwicklung des Marktes durch die Unzulänglichkeit der für die Transparenz des Zugangs zur Infrastruktur geltenden Vorschriften beeinträchtigt, aufgrund derer kein effektiver, funktionaler, offener und effizienter Binnenmarkt sichergestellt werden kann.

4.5   Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen würde die Entwicklung des Marktes vorangetrieben: Bekämpfung der Marktmanipulation und Bereitstellung sämtlicher sensibler Informationen für die Marktteilnehmer, die die Effizienz und den physischen Zustand des Systems betreffen, wie beispielsweise Stromerzeugung, -angebot und -nachfrage einschließlich Prognosen, Netz- und Verbindungsleitungskapazität, erwartete Netzengpässe, Stromflüsse und Wartungsarbeiten, Austausch von Ausgleichsenergie und Reservekapazität.

4.6   Die gleichzeitige Verfügbarkeit aller nützlichen Informationen wird alle Marktteilnehmer in die Lage versetzen, die gesamte Angebots- und Nachfragesituation mithilfe derselben Instrumente zu bewerten und die Dynamik der Großhandelspreise des Strom- und Erdgasmarktes besser zu verstehen.

4.7   Die Agentur sollte eine Datenerhebungsstelle und eine Kontrollstelle mit Fachpersonal einrichten. In der Verordnung ist zur Bewältigung der neuen Aufgaben der Agentur eine Personalaufstockung vorgesehen.

4.7.1   Nach Ansicht des EWSA sollte die Agentur alljährlich über die ergriffenen Initiativen, die durch die vorgeschlagene Verordnung bewirkten Ergebnisse und die Entwicklung des Energiegroßhandelsmarktes Bericht erstatten.

4.8   Der EWSA fragt sich, ob die Kosten für die Umsetzung der Verordnung in vollem Umfang zulasten der Öffentlichkeit gehen sollten oder ob nicht auch die Marktteilnehmer einen Beitrag hierzu leisten sollten, wie es z.B. in einigen Ländern bei der Finanzierung der Aufsichtsbehörden der Finanzmärkte der Fall ist, die zum Teil von den beaufsichtigten Unternehmen finanziert werden. Die Vorteile für die Marktteilnehmer liegen auf der Hand und die Dienststelle für die Erhebung und Verbreitung der Marktdaten ist ein Instrument zur Sicherstellung der Transparenz, das/die die öffentliche Behörde allen Bürgern garantiert und aus dem die Marktteilnehmer unmittelbaren Nutzen ziehen. Darüber hinaus sind die voraussichtlichen Kosten für einen soliden und gut entwickelten Markt erschwinglich.

4.9   Außerdem sollten die zuständigen Behörden regelmäßig überprüfen, ob die Übertragungsnetzbetreiber die Vorschriften einhalten. Der EWSA hält eine verstärkte Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den Übertragungsnetzbetreibern für unerlässlich. Die Einrichtung des Europäischen Verbunds der Netzbetreiber (ENTSO), für den im Frühjahr 2011 ein Statutentwurf vorgelegt werden wird, wird der Möglichkeit, wie in der Verordnung (EG) Nr. 714/2009 vorgesehen, Netzkodizes für die Bereitstellung eines konkreten und transparenten Zugangs zu den Übertragungsnetzen zu schaffen, einen gewaltigen Impuls verleihen. Diese Netzkodizes müssen mit den nicht bindenden Rahmenleitlinien im Einklang stehen, die die Agentur erlassen muss.

4.10   Der ENTSO muss bei seiner Tätigkeit in vollem Umfang die Wettbewerbsregeln einhalten und für eine schrittweise Vereinheitlichung und Integration der grenzüberschreitenden Netzkodizes sorgen, ohne dabei die nationalen Netzkodizes zu ersetzen. Durch die regionale Zusammenarbeit lassen sich wirksamere Fortschritte bei der Integration des Energiebinnenmarkts erzielen. Der EWSA befürwortet, dass der ENTSO innerhalb der Gesamtstruktur für die Zusammenarbeit sich regionale Strukturen schafft.

4.11   Die regionale Zusammenarbeit hat bereits vielversprechend begonnen. Die regionalen Initiativen Gas Regional Initiative (GRI) und Electricity Regional Initiative (ERI) zeitigen hervorragende Ergebnisse. Der EWSA befürwortet und begrüßt das Engagement, dass die Regulierungsbehörden und Marktteilnehmer an den Tag legen, um die komplexen Probleme im Zusammenhang mit dem Netzverbund und der Schaffung eines transparenten und effizienten Marktes zu lösen.

4.12   Durch die Unterzeichnung eines einschlägigen Abkommens, beispielsweise zwischen den Behörden und italienischen und slowenischen Übertragungsnetzbetreibern, wurden die Voraussetzungen für die Bewältigung von Problemen im Zusammenhang mit Engpässen und dem Austausch von Ausgleichsenergie mit Hilfe von Frühwarnsystemen für die voraussichtlich betroffenen Gebiete und ausgewogenen und transparenten Lösungen unter Anwendung der Marktkopplungsmethode geschaffen. Hierbei werden von einem zentralen Akteur die voraussichtliche Nachfrage und das voraussichtliche Angebot zusammengeführt, um die Effizienz des Day-Ahead-Marktes zu verbessern.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1   Der EWSA stimmt dem Einsatz delegierter Rechtsakte zur Spezifizierung der Begriffsbestimmungen und der Datenerhebung zu. Nach Ansicht des EWSA sind die Begriffsbestimmungen in Artikel 2 für eine Verordnung zu allgemein gehalten. Das in Artikel 5 vorgesehenen Verfahren für den Erlass delegierter Rechtsakte zur Spezifizierung der Begriffsbestimmungen von Insider-Informationen und Marktmanipulation sollte im Sinne von Artikel 290 AEUV für den Erlass delegierter Rechtsakte eine Frist setzen und ein System für die entsprechende Veröffentlichung derartiger Rechtsakte vorsehen.

5.2   Der EWSA weist auf die Gefahr hin, dass ohne einheitliche Auslegungsregeln die Umsetzung der Verordnung zu Marktstörungen führen könnte, wenn die nationalen Behörden nicht dabei unterstützt werden, ein gemeinsames Bewertungsverfahren zu entwickeln, und sie nicht einen umfassenden und allgemein anerkannten Katalog missbräuchlicher Verhaltensweisen erstellen. Der EWSA schlägt vor, im Interesse der Marktsicherheit auch der Kommission für den Erlass delegierter Rechtsakte eine Frist vorzugeben. Die Kommission könnte die Rechtsakte im Bedarfsfalle jederzeit aktualisieren.

5.3   Bei Artikel 7 stellt sich das gleiche Problem. Nach Ansicht des EWSA sollte der Kommission für den Erlass delegierter Rechtsakte in Bezug auf die Datenerhebung, den Zeitpunkt, die Form und den Inhalt der gemeldeten Informationen eine Frist gesetzt werden. Je kürzer der Zeitraum nach der Annahme der Verordnung durch die Beschlussfassungsorgane der Union ist, desto wirksamer kann diese umgesetzt werden.

5.4   Der EWSA erachtet die den nationalen Regulierungsbehörden übertragenen Befugnisse als ausreichend und angemessen, aber auch hier fordert er eine größere Gewissheit hinsichtlich der Umsetzung der Verordnung und fragt sich, ob den Mitgliedstaaten nicht eine verhältnismäßig kurze Frist für die Einhaltung ihrer Verpflichtung, die betreffenden Behörden mit entsprechenden Kontroll- und Untersuchungsbefugnissen auszustatten, vorgegeben werden sollte. Die Uneinheitlichkeit der Rechtsvorschriften war und ist eine der Ursachen für Verzögerungen bei der Schaffung eines Energiebinnenmarktes.

5.5   Der EWSA spricht sich für weitgehend einheitliche Sanktionen in allen Mitgliedstaaten aus und plädiert dafür, das Phänomen der Aufsichtsarbitrage zu vermeiden, d.h. dass für den Vertragsabschluss ein Land mit möglichst geringem Sanktionsrisiko gewählt wird. Die Rechtsvorschriften über Marktmissbrauch sehen bereits einheitliche Normen für die Sanktionsregelungen vor, worauf die Kommission denn auch in Erwägungsgrund 23 der vorgeschlagenen Verordnung Wert legt. Auf dem Energiegroßhandelsmarkt wird Energie zur Deckung des Import- und Exportbedarfs gehandelt, weshalb der Ort, an dem die Strom- oder Erdgastransaktionen stattfinden, irrelevant ist.

5.6   Der EWSA unterstreicht, wie wichtig die Beziehungen zu den Drittländern sind, und stellt zu seiner Zufriedenheit fest, dass die Agentur Kontakte zu internationalen Organisationen und den Verwaltungen von Drittländern unterhält und mit diesen Abkommen schließen darf. Er empfiehlt Artikel 14 dahingehend umzuformulieren, dass der Agentur eine ausdrücklich an die Ziele der vorgeschlagenen Verordnung gekoppelte allgemeine Vertretungsvollmacht zuerkannt wird

Brüssel, den 16. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


3.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/113


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten“ (Neufassung)

KOM(2011) 29 endg. — 2011/0011 (COD)

2011/C 132/22

Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 15. Februar 2011 bzw. am 14. Februar 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten“ – (Neufassung)

KOM(2011) 29 endg. — 2011/0011 (COD).

Da der Ausschuss dem Vorschlag vorbehaltlos zustimmt und keine Bemerkungen zu dieser Thematik vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 470. Plenartagung am 15./16. März 2011 (Sitzung vom 15. März) mit 180 gegen 2 Stimmen bei 21 Stimmenthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

Brüssel, den 15. März 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON