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ISSN 1725-2407 doi:10.3000/17252407.C_2009.306.deu |
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Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306 |
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Ausgabe in deutscher Sprache |
Mitteilungen und Bekanntmachungen |
52. Jahrgang |
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Informationsnummer |
Inhalt |
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I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen |
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STELLUNGNAHMEN |
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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss |
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454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 |
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2009/C 306/01 |
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III Vorbereitende Rechtsakte |
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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss |
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454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 |
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2009/C 306/02 |
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2009/C 306/03 |
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2009/C 306/04 |
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2009/C 306/05 |
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2009/C 306/06 |
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2009/C 306/07 |
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2009/C 306/08 |
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2009/C 306/09 |
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2009/C 306/10 |
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2009/C 306/11 |
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2009/C 306/12 |
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2009/C 306/13 |
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2009/C 306/14 |
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2009/C 306/15 |
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2009/C 306/16 |
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2009/C 306/17 |
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2009/C 306/18 |
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2009/C 306/19 |
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DE |
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I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen
STELLUNGNAHMEN
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/1 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die transatlantischen Beziehungen zwischen der EU und Nordamerika im Luftverkehr — eine echte regelungsbezogene Konvergenz“ (Sondierungsstellungnahme)
2009/C 306/01
Der tschechische Ratsvorsitz ersuchte mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um eine Sondierungsstellungnahme zum Thema
„Die transatlantischen Beziehungen zwischen der EU und Nordamerika im Luftverkehr — eine echte regelungsbezogene Konvergenz“.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 20. Mai 2009 an. Berichterstatter war Jacek KRAWCZYK.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 11. Juni) mit 143 gegen 3 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen
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1.1 |
Der interkontinentale Luftverkehr zwischen Europa und Nordamerika weist die höchsten Fluggastzahlen auf. 2007 wurden über 60 Mio. Passagiere und über 3,1 Mio. t Frachtgut befördert. Dies ist der mit Abstand aufkommensstärkste Luftverkehrsfluss zwischen Weltregionen. |
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1.2 |
Die EU hat mit Kanada und den USA Verhandlungen über die Schaffung offener Luftverkehrsräume aufgenommen. Das Konzept eines offenen Luftverkehrsraums räumt beiden Vertragspartnern volle Freiheit des Luftraums ein. |
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1.3 |
Am 30. April 2007 unterzeichnete die Kommission ein umfassendes erstes Luftverkehrsabkommen (Abkommen der ersten Stufe) mit den Vereinigten Staaten von Amerika. |
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1.3.1 |
Ungeachtet des enormen Erfolgs des Abkommens der ersten Stufe konnte sein vorrangiges Ziel - die Schaffung eines offenen Luftraums - nicht verwirklicht werden. |
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1.4 |
Am 30. März 2009 befürwortete der Rat „Verkehr“ in einem gemeinsamen Standpunkt die Unterzeichnung des Luftverkehrsabkommens zwischen der EU und Kanada. Auf dem EU-Kanada-Gipfeltreffen am 6. Mai 2009 in Prag wurde dieses Abkommen in seiner endgültigen Fassung zur Kenntnis genommen. |
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1.4.1 |
Das Luftverkehrsabkommen EU-Kanada ist das erste Abkommen dieser Art, mit dem eine vollständige Öffnung der Märkte in Bezug auf Verkehrsrechte und Investitionen und gleichzeitig ein noch nie dagewesenes Ausmaß an regelbezogener Konvergenz und behördlicher Zusammenarbeit erreicht worden ist. |
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1.4.2 |
Der Ausschuss begrüßt das Luftverkehrsabkommen EU-Kanada als erstes seiner Art, das ganz auf der Linie der neuen EU-Außenpolitik gemäß den Schlussfolgerungen des Rates aus dem Jahr 2005 liegt. |
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1.4.3 |
Der EWSA hofft, dass es der Kommission gelingen wird, in den Verhandlungen über die zweite Stufe mit den Vereinigten Staaten vergleichbare Ergebnisse zu erzielen. |
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1.5 |
Gemäß Artikel 21 des Abkommens der ersten Stufe sollte die Agenda für die weiterführenden Verhandlungen, die 2008 aufgenommen wurden, folgende Punkte, die für einen oder beide Vertragsparteien von vorrangigem Interesse sind, umfassen: eine weitere Liberalisierung der Verkehrsrechte, zusätzliche Möglichkeiten für Auslandsinvestitionen, Auswirkungen von Umweltschutzmaßnahmen und Infrastrukturzwängen auf die Ausübung der Verkehrsrechte, zusätzlichen Zugang zu staatlich finanziertem Luftverkehr und Bereitstellung von Luftfahrzeugen mit Besatzung. Die europäischen Interessenträger versprechen sich von den Verhandlungen über die zweite Stufe Fortschritte bei der regelungsbezogenen Konvergenz. |
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1.5.1 |
Der EWSA weist darauf hin, dass die Zeit drängt und die Verhandlungsführer der EU und der USA sobald praktisch möglich die Verhandlungen wieder aufnehmen sollten. Wenn bis November 2010 keine konkreten Fortschritte erreicht werden, kann die EU beschließen, bestimmte, den US-Luftfahrtunternehmen gewährte Rechte auszusetzen. |
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1.5.2 |
Arbeitsfragen sollte im Rahmen der Verhandlungen über die zweite Stufe besondere Aufmerksamkeit zukommen. Die Unterstützung der Arbeitnehmer ist sehr wichtig. Der Ausschuss ruft das zweite Forum über Arbeitsfragen, das im Juni 2009 in Brüssel stattfinden wird, auf, konkrete Ergebnisse in Form von Empfehlungen zu wichtigen sozialen Fragen vorzulegen. |
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1.5.3 |
Ein offener Luftverkehrsraum wird zu einer Zunahme des Flugverkehrs zwischen der EU und den USA und damit womöglich zu negativen Umweltauswirkungen führen. Der Ausschuss empfiehlt der Kommission, im Zusammenhang mit dem eventuellen Abkommen eine strategische Umweltfolgenabschätzung durchzuführen. |
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1.6 |
Im Hinblick auf das Abkommen der zweiten Stufe sollten nach Meinung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses folgende Prioritäten gesetzt werden, um die wesentlichen Voraussetzungen für einen offenen Luftverkehrsraum zu schaffen:
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1.7 |
Der Ausschuss fordert den transatlantischen Wirtschaftsrat (TEC) nachdrücklich auf, die Verhandlungen über die zweite Stufe zu unterstützen, ihnen in diesem Sinn eine hohe politische Priorität zuzuerkennen und Anhörungen über den transatlantischen Arbeitnehmerdialog (TALD), den transatlantischen Umweltdialog (TAED) und andere, mit dem TEC offiziell verbundene Dialoge zu ermöglichen. |
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1.8 |
Das Luftverkehrsabkommen EU-Kanada sollte als Referenz für das Abkommen der zweiten Stufe EU-USA dienen. Änderungen sind möglich - dies ist die Quintessenz der Verhandlungen zwischen der EU und Kanada. |
2. Einleitung
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2.1 |
Nach Angaben der Europäischen Statistikbehörde Eurostat weist der interkontinentale Luftverkehr zwischen Europa und Nordamerika die höchsten Fluggastzahlen auf. Im Jahr 2007 wurden über 60 Mio. Flugpassagiere befördert (was einer Zunahme um 5,6 % im Vergleich zu 2006 und 22,3 % des Extra-EU-27-Luftverkehrs entspricht). |
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2.2 |
Der IATA zufolge stieg das Passagieraufkommen im nordatlantischen Flugkorridor zwischen Nordamerika und Europa (einschl. Russland) im Jahr 2007 um 7,6 % (im Vergleich zu 2006) auf 57,3 Mio. Fluggäste. Dies ist der mit Abstand aufkommensstärkste Luftverkehrsfluss zwischen Weltregionen. |
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2.3 |
2007 wurden auf der Strecke zwischen Nordamerika und Europa 3,1 Mio. t Frachtgut transportiert; diese Strecke ist damit einer der drei globalen Haupttransportwege. |
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2.4 |
Der Umfang des Luftverkehrsmarkts EU/USA ist durch geografische, kulturelle sowie wirtschaftliche Aspekte begründet. 2007 belief sich der Anteil der EU und der USA am Welthandel auf 40 % und an den weltweiten ausländischen Direktinvestitionen auf 60 %. Zweifelsohne hat der Luftverkehr seinen Teil zur Entwicklung dieser weltweit umfangreichsten Handels- und Investment-Beziehung beigetragen. Die Beziehung zwischen der EU und Kanada ist ebenfalls sehr stark (die EU ist der zweitgrößte Investor in Kanada). |
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2.5 |
Umfassende wirtschaftliche Beziehungen zwischen der EU und Nordamerika werden durch eine engere regelungsbezogene Zusammenarbeit gefördert. Der 2007 eingerichtete transatlantische Wirtschaftsrat (TEC) bietet der EU und den USA ein hochrangiges Forum für Diskussionen über strategische Wirtschaftsfragen mit dem Ziel einer stärkeren regelungsbezogenen Konvergenz sowie der Förderung von Handel und Investitionen. Über ein mögliches umfassendes Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada werden derzeit Vorgespräche geführt. |
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2.6 |
Vor dem Hintergrund dieser regelungsbezogenen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit hat die EU mit Kanada und mit den USA Verhandlungen über die Schaffung offener Luftverkehrsräume aufgenommen. Einer im Auftrag der Europäischen Kommission (vor der Krise) erstellten Studie zufolge würde ein offener Luftverkehrsraum zwischen der EU und den USA innerhalb der ersten fünf Jahre zu einer Zunahme des Passagieraufkommens um über 25 Mio. führen, den Verbrauchern Kostenvorteile von über 15 Mrd. EUR bescheren und in der EU und den USA insgesamt 80 000 neue Arbeitsplätze schaffen, indem
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2.6.1 |
Ein offener Luftverkehrsraum wird zu einer Zunahme des Flugverkehrs zwischen der EU und den USA und damit womöglich zu negativen Umweltauswirkungen führen, u.a. zu einer Erhöhung der Emissionen, des Abfallaufkommens und der Lärmbelästigung. Diese und andere Umweltanliegen sind bisher nicht sonderlich erfolgreich angegangen worden. |
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2.7 |
Das Konzept eines offenen Luftverkehrsraums räumt beiden Vertragspartnern volle Freiheit des Luftraums ein, hebt Investitionsbeschränkungen für ausländische Investoren auf und ermöglicht die Bereitstellung von Luftfahrzeugen mit Besatzung (sog. Wet Leasing) zu nicht-diskriminierenden, transparenten Bedingungen. Es beinhaltet eine allgemeine Verpflichtung zu regelungsbezogener Konvergenz und zur Harmonisierung von Luftverkehrsstandards in den Bereichen Flugsicherheit, Luftsicherheit und Umwelt. |
3. EU-USA: erste Verhandlungsphase
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3.1 |
Die Kommission nahm seinerzeit die Verhandlungen über ein neues Luftfahrtabkommen EU-USA auf der Grundlage eines ihr am 5. Juni 2003 vom Rat Verkehr erteilten Mandats auf. |
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3.2 |
Am 30. April 2007 unterzeichnete die Kommission ein umfassendes erstes Luftverkehrsabkommen (erste Stufe) mit den Vereinigten Staaten von Amerika, das am 30. März 2008 in Kraft trat. Dieses Abkommen ersetzte die bis dahin geltenden bilateralen Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und den USA. |
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3.3 |
Das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und den USA umfasst folgende wesentliche Elemente:
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3.4 |
Das Abkommen der ersten Stufe war ein wichtiger Schritt hin zur Schaffung eines offenen Luftverkehrsraums. Es wurden wichtige Grundsätze für eine regelungsbezogene Zusammenarbeit aufgestellt und ein Gemeinsamer Ausschuss für die Überwachung der Anwendung des Abkommens eingerichtet. Das Abkommen trug zum Abbau verschiedener Marktzugangsbeschränkungen bei. |
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3.5 |
Ungeachtet des enormen Erfolgs des Abkommens der ersten Stufe konnte sein vorrangiges Ziel - die Schaffung eines offenen Luftraums - nicht verwirklicht werden. Es ist insbesondere in Bezug auf den Marktzugang unausgewogen, denn US-Luftfahrtunternehmen haben innerhalb der EU unbeschränktes Verkehrsrecht („Rechte der fünften Freiheit“), während EU-Luftfahrtunternehmen auf dem US-Markt umgekehrt kein entsprechendes Recht gewährt wird („Rechte der fünften Freiheit“ erlauben Luftfahrtunternehmen, aus ihrem Heimatland Zielflughäfen des Vertragspartners und von dort aus weitere Ziele in Drittländern frei anzufliegen). Bestimmte Marktpraktiken begünstigen nach wie vor US-Luftfahrtunternehmen (bspw. das Fly-America-Programm). Außerdem können US-Investoren eine höhere Beteiligung am stimmberechtigten Kapital von EU-Luftfahrtunternehmen erwerben als EU-Investoren von US-Luftfahrtunternehmen (49 % gegenüber 25 %). |
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3.6 |
Die Vertragspartner vereinbarten, 60 Tage nach Inkrafttreten des Abkommens der ersten Stufe die Verhandlungen über ein Abkommen der zweiten Stufe aufzunehmen. |
4. Luftverkehrsabkommen EU-Kanada
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4.1 |
Nach Abschluss des Abkommens der ersten Stufe mit den Vereinigten Staaten erteilte der Rat der Europäischen Kommission Anfang Oktober 2007 das Mandat, Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und Kanada aufzunehmen. Nach vier Verhandlungsrunden und im Einklang mit den auf dem Gipfeltreffen EU-Kanada in Quebec im Jahr 2008 erteilten Weisungen wurde der Entwurf für ein Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und Kanada am 30. November 2008 von der Kommission paraphiert. Am 30. März 2009 befürwortete der Rat „Verkehr“ in einem gemeinsamen Standpunkt die Unterzeichnung des Luftverkehrsabkommens zwischen der EU und Kanada. Auf dem EU-Kanada-Gipfeltreffen am 6. Mai 2009 in Prag wurde dieses Abkommen in seiner endgültigen Fassung zur Kenntnis genommen. |
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4.2 |
Der Entwurf des Abkommens umfasst folgende wesentliche Elemente:
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4.3 |
Das Luftverkehrsabkommen EU-Kanada ist das erste Abkommen dieser Art, mit dem eine vollständige Öffnung der Märkte in Bezug auf Verkehrsrechte und Investitionen und gleichzeitig ein noch nie dagewesenes Ausmaß an regelungsbezogener Konvergenz und behördlicher Zusammenarbeit erreicht worden ist. |
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4.4 |
Der Ausschuss begrüßt das Luftverkehrsabkommen EU-Kanada als erstes seiner Art, das ganz auf der Linie der neuen EU-Außenpolitik gemäß den Schlussfolgerungen des Rates von 2005 liegt. |
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4.5 |
Der EWSA hofft, dass es der Kommission gelingen wird, in den Verhandlungen der zweiten Stufe mit den Vereinigten Staaten vergleichbare Ergebnisse zu erzielen. |
5. Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein Abkommen der zweiten Stufe
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5.1 |
Gemäß Artikel 21 des Abkommens der ersten Stufe sollte die Agenda für die weiterführenden Verhandlungen folgende Punkte, die für einen oder beide Vertragsparteien von vorrangigem Interesse sind, umfassen:
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5.2 |
Wie das Konsultationsverfahren verdeutlicht hat, versprechen sich die europäischen Interessenträger von den Verhandlungen über die zweite Stufe Fortschritte bei der regelungsbezogenen Konvergenz. |
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5.3 |
Den Vertragsparteien könnte es gelingen, in den Verhandlungen über die zweite Stufe in den Bereichen, in denen in der ersten Stufe eine Zusammenarbeit aufgenommen wurde, weitere Fortschritte zu erzielen:
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6. Arbeitsfragen
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6.1 |
Arbeitsfragen sollte im Rahmen der Verhandlungen über die zweite Stufe besondere Aufmerksamkeit zukommen. Insbesondere sollte es zu dem im Dezember 2008 in Washington D.C. veranstalteten, vielversprechenden „EU-US Aviation Forum on Liberalisation and Labor: past, present and future“ Folgemaßnahmen geben und die Ergebnisse sollten bei Themen wie Tarifverhandlungen und persönliche Rechte im Zusammenhang mit Verträgen, Arbeitszeit, Berufsbildung, Sozialleistungen und Gewerkschaftsvertretung soweit wie möglich berücksichtigt werden. |
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6.2 |
Der Ausschuss ruft das zweite Forum über Arbeitsfragen, das im Juni 2009 in Brüssel stattfinden wird, auf, konkrete Ergebnisse in Form von Empfehlungen zu wichtigen sozialen Fragen in Verbindung mit dem künftigen offenen Luftverkehrsraum vorzulegen. Die Unterstützung der Arbeitnehmer ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Verhandlungen über die zweite Stufe. |
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6.3 |
Vertreter des transatlantischen Arbeitnehmerdialogs (TALD) sollten an den Verhandlungen über die zweite Stufe beteiligt werden. In seiner Stellungnahme zum Thema „Transatlantische Beziehungen: „Wege zur stärkeren Einbeziehung der Zivilgesellschaft““ (1) befürwortete der Ausschuss nachdrücklich die Wiederaufnahme des transatlantischen Arbeitnehmerdialogs in den institutionalisierten Dialog zwischen der EU und den USA. Der Ausschuss empfahl des Weiteren die Aufnahme des TALD und TAED (transatlantischer Umweltdialog) in die Beratergruppe des TEC (transatlantischer Wirtschaftsrat). |
7. Zeitliche Planung
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7.1 |
Im Rahmen des Abkommens der ersten Stufe wurde ein Zeitplan für die Verhandlungen über die zweite Stufe festgelegt:
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7.2 |
Wenn bis November 2010 keine konkreten Fortschritte erreicht werden, kann die EU beschließen, bestimmte, den US-Luftfahrtunternehmen gewährte Rechte auszusetzen. Der EWSA weist darauf hin, dass die Zeit drängt und die Verhandlungsführer der EU und der USA sobald praktisch möglich die Verhandlungen wieder aufnehmen sollten. |
8. Prioritäten des EWSA für das Abkommen der zweiten Stufe
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8.1 |
Das Abkommen der zweiten Stufe sollte die wesentlichen Voraussetzungen für einen offenen Luftverkehrsraum schaffen:
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8.2 |
In Anbetracht ihrer Wichtigkeit sollten die Verhandlungen über die zweite Stufe als vorrangig angesehen und in die Agenda des transatlantischen Wirtschaftsrates aufgenommen werden. Der Ausschuss fordert den transatlantischen Wirtschaftsrat nachdrücklich auf, die Verhandlungen über die zweite Stufe zu unterstützen, ihnen in diesem Sinn eine hohe politische Priorität zuzuerkennen und Anhörungen über den transatlantischen Arbeitnehmerdialog und andere, mit dem TEC offiziell verbundene Dialoge zu ermöglichen. |
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8.3 |
Der Ausschuss empfiehlt der Kommission, zu Beginn der Verhandlungen strategische Umweltfolgenabschätzungen durchzuführen. Strategische Folgenabschätzungen zur Feststellung möglicher negativer Umweltauswirkungen würden dazu beitragen, dass diese negativen Auswirkungen im Laufe der Verhandlungen zwischen der EU und den USA verringert oder beseitigt werden könnten. |
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8.4 |
Das Luftverkehrsabkommen EU-Kanada sollte als Referenz für das Abkommen der zweiten Stufe EU-USA dienen. Änderungen sind möglich - dies ist die Quintessenz der Verhandlungen zwischen der EU und Kanada. |
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8.5 |
Die erfolgreiche Umsetzung des Luftverkehrsabkommens der EU mit Kanada und der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen zwischen der EU und den USA über das Abkommen der zweiten Stufe können sich positiv auf die Weiterentwicklung von Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und den Ländern Lateinamerikas auswirken. |
9. Internationale Aspekte des eventuellen Abkommens
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9.1 |
Aufgrund des Stellenwertes des EU- und des US-Marktes kann das Luftverkehrsabkommen EU-USA eine neue, eine Post-Chicago-Ära der Luftfahrt einleiten. |
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9.2 |
Das Luftverkehrsabkommen EU-USA schafft praktisch eine „Insel“ an regelungsbezogener Konvergenz und Öffnung, die auch Marktneueintritten offen steht, und hat dadurch das Potenzial, bei anderen gleichgesinnten Staaten Schule zu machen und an Stelle des Abkommens von Chicago aus dem Jahr 1944 zu treten, wodurch letztendlich immer mehr Länder dazu ermutigt werden, ihre Politik zu überarbeiten, um auch von den Grundsätzen dieses neuen Konzepts profitieren zu können. |
Brüssel, den 11. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) ABl. C 228 vom 22.9.2009, S. 32.
III Vorbereitende Rechtsakte
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/7 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Eine europäische Strategie für gewerbliche Schutzrechte“
KOM(2008) 465 endg.
2009/C 306/02
Die Europäische Kommission beschloss am 16. Juli 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Eine europäische Strategie für gewerbliche Schutzrechte“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 19. Mai 2009 an. Berichterstatter war Daniel RETUREAU.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) mit 98 gegen 3 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen des EWSA in Kurzform
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1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss schließt sich dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Strategie für gewerbliche Schutzrechte an. Er weist jedoch erneut mit Nachdruck auf eine Reihe von Fragen hin, die er bereits in früheren Stellungnahmen angesprochen hat. |
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1.2 |
An erster Stelle ruft er die Mitgliedsstaaten auf, diese Strategie sowohl in Hinblick auf das künftige Gemeinschaftspatent als auch bezüglich der auf internationaler Ebene - insbesondere im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) - laufenden Verhandlungen zu unterstützen. Die gegenwärtig diskutierte Frage der Aufteilung der Patentgebühren, welche die Annahme des Gemeinschaftspatents weiter verzögert, stößt in der Zivilgesellschaft auf Kritik. Die Zivilgesellschaft verfolgt eine Perspektive der langfristigen Fortschritte und erwartet wirksame und praktische Schritte, welche die Kosten für die Erteilung und Aufrechterhaltung von Patenten nachhaltig senken. |
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1.3 |
Der Ausschuss dringt insbesondere auf einen leichteren Zugang zu den gewerblichen Schutzrechten, die Gewährleistung eines wirksamen Schutzes und die Bekämpfung der häufig von Mafias betriebenen Marken- und Produktpiraterie, welche die Wirtschaft und Unternehmen schädigt und die Verbraucher mitunter stark gefährdet (Arzneimittel, Spielzeug, Haushaltsgeräte usw.). |
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1.4 |
Voraussetzung hierfür sind wirksamere Verfahren zur Streitbeilegung, das freie Zirkulieren von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen rechtskräftigen Urteilen (die Abschaffung von Vollstreckungsurteilen) und die verstärkte und gut strukturierte Zusammenarbeit von Polizei und Zoll. |
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1.5 |
Die aktive Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft in die internationalen Verhandlungen würde eine Stärkung der europäischen Verhandlungspositionen und den Technologietransfer in weniger entwickelte Länder im Hinblick auf die Entwicklung nachhaltiger Technologien ermöglichen. |
2. Vorschläge der Europäischen Kommission
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2.1 |
Angesichts der zunehmenden Bedeutung der gewerblichen Schutzrechte für Wertschöpfung und Innovation und ihrer Rolle bei der industriellen Entwicklung, insbesondere für die KMU, beschäftigt sich die Kommission in ihrer Mitteilung mit der europäischen Strategie für gewerbliche Schutzrechte. |
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2.2 |
Der Großteil der immateriellen gewerblichen Güter genießt zwar einen gemeinschaftsweit harmonisierten Schutz, doch auf ein wesentliches gewerbliches Gut, das Patent auf Erfindungen, trifft das nicht zu. Obgleich es hier ein europaweites System auf der Grundlage des Europäischen Patentübereinkommens von München gibt, verfügt dieses System weder über eine vereinheitlichte Gerichtsbarkeit noch über eine einheitliche Rechtsprechung durch die einzelstaatlichen Gerichte, die regelmäßig für Patentsachen zuständig sind. Die Kosten für ein europaweit geschütztes Patent werden derzeit als zu hoch eingeschätzt, was vor allem auf die Kosten für die Übersetzung in die einzelnen Landessprachen zurückzuführen ist. |
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2.3 |
Das am 1. Mai 2008 in Kraft getretene Londoner Übereinkommens soll eine Verringerung der Übersetzungskosten herbeiführen, doch die Frage der Sprachen und die Festlegung der Beträge, die den nationalen Patentämtern zu zahlen sind, stellen was ein Hindernis auf dem Weg zu einer definitiven Lösung dar. |
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2.4 |
Nach Einschätzung der Kommission wurden in letzter Zeit im Hinblick auf das Gemeinschaftspatent große Fortschritte erzielt, die den Weg zu einem einheitlichen Schutzsystem für immaterielle gewerbliche Güter ebnen. Davon zeugt insbesondere die Empfehlung der Kommission an den Rat, Verhandlungen über ein Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Systems zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten in Patentsachen aufzunehmen (1). |
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2.5 |
Nach Ansicht der Kommission sollte „das System für die Rechte des geistigen Eigentums weiterhin als Innovationskatalysator wirken und zur Lissabonner Gesamtstrategie beitragen“. Schließlich werden in der Mitteilung Maßnahmen dargelegt, die zu einem solchen europäischen System von Schutzrechten führen können, das zudem zur wirksameren Bekämpfung der Marken- und Produktpiraterie beitragen würde. |
3. Bemerkungen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
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3.1 |
Die Mitteilung schließt sich an die Vorschläge, Überlegungen und Analysen an, die seit dem Scheitern des Luxemburger Übereinkommens zur Einführung eines Gemeinschaftspatents Anfang der 1970er Jahre nach und nach vorgelegt wurden. Der Ausschuss hat die Schaffung eines Gemeinschaftspatents stets unterstützt und nimmt daher mit großer Befriedigung die Meldung zur Kenntnis, dass in der letzten Zeit erhebliche Fortschritte erzielt wurden. |
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3.2 |
Bestimmte Mitgliedstaaten hatten bei ihrer Ablehnung der Kommissionsvorschläge mit dem Sprachproblem argumentiert, was den Ausschuss nie überzeugt hatte. Der Ausschuss ist nämlich davon überzeugt, dass die Fragen im Zusammenhang mit gewerblichen Schutzrechten in den Bereich des Privatrechts fallen, während die Frage der Amtssprachen das Verfassungsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten betrifft und privatrechtliche Verträge oder Rechtsstreitigkeiten im Prinzip unberührt lässt und auch die Wirksamkeit des Eigentumsrechts im Bereich der immateriellen gewerblichen Güter auf Gemeinschaftsebene nicht beeinträchtigt. |
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3.3 |
Abgesehen von den angesprochenen rechtlichen und politischen Aspekten sollte der Nutzen für die europäische Wirtschaft, die Unternehmen, die Erfinder und Inhaber eines unbestreitbaren Eigentumsrechts im Mittelpunkt stehen, und damit das Ziel der Wertschöpfung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die KMU, welche in der Praxis kaum über die erforderlichen Mittel verfügen, um ihre gewerblichen Eigentumsrechte gegen Marken- und Produktpiraterie zu schützen. Die Stellungnahmen, die der Ausschuss bisher zu Patentfragen, der Bekämpfung von Piraterie und Nachahmungen (2) und zum Gemeinschaftspatent (3) vorgelegt hat, haben nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt. Sie bringen die nachdrückliche Forderung der Gesellschaft nach Beschäftigung und industrieller Entwicklung zum Ausdruck. |
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3.4 |
Die hier behandelte Mitteilung ist als Ergänzung der Mitteilung „Vertiefung des Patentsystems in Europa“, KOM(2007) 165 endg., zu betrachten. |
3.5 Änderung des Umfelds für Innovation
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3.5.1 |
Der Ausschuss schließt sich der Analyse der Kommission an, dass die Innovation in der wissensbasierten Wirtschaft zu einem bedeutenden Wettbewerbsvorteil geworden ist. Der Wissenstransfer zwischen öffentlicher Forschung, Unternehmen und privater FuE beeinflusst wesentlich Europas Wettbewerbsfähigkeit. Der Ausschuss zeigt daher großes Interesse für den Aufruf zur Schaffung eines europäischen Rahmens für den Wissenstransfer und unterstützt insbesondere den Vorschlag für eine harmonisierte Definition und Anwendung der Ausnahme für Patentverletzungen zu Forschungszwecken. |
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3.5.2 |
Dieser Gemeinschaftsrahmen wird eine bessere Verknüpfung von Grundlagenforschung, FuE und Entwicklung innovativer Anwendungen ermöglichen und zu einer besseren Wahrung der Rechte aller Beteiligten unter Beachtung der Unabhängigkeit der Grundlagenforschung beitragen. Oft ist es nämlich nicht möglich, die praktischen Anwendungen von Forschungsprogrammen vorauszusagen, die deshalb nicht ausschließlich an der Nachfrage nach gewerblichen Anwendungen ausgerichtet werden sollten. Forschung ist zudem eine wesentliche Grundlage für die wissensbasierte Wirtschaft und für die Lissabon-Strategie. |
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3.5.3 |
Im Rahmen dieses Ansatzes sollten sich die Mitgliedstaaten weiter an der Initiative „bessere Rechtsetzung“ orientieren, und auch sonstige Beteiligte (Erfinder, Hochschulen und Forschungszentren, Unternehmen und Endnutzer) müssen in die Lage versetzt werden, im Hinblick auf die Handhabung ihrer gewerblichen Schutzrechte fundierte Entscheidungen zu treffen. |
3.6 Qualität der gewerblichen Schutzrechte
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3.6.1 |
Der Ausschuss teilt den Standpunkt der Kommission, dass das europäische System gewerblicher Schutzrechte zur Forschungs- und Innovationsförderung und zur Verbreitung von Wissen und Technologien beitragen und so den Weg für neue Forschungen und Anwendungen ebnen soll. |
3.7 Patente
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3.7.1 |
Es gilt, den Zugang zum gewerblichen Rechtsschutz durch das Gemeinschaftspatent zu erleichtern und zugleich die Verwendung von Patenten durch Patentjäger (sog. Patent-Trolle) verhindern. Die Patentjäger missbrauchen das Schutzsystem dadurch, dass sie die schlechte Qualität von Patenten (Übereinstimmungen, Überschneidungen, bis zur Unverständlichkeit kompliziert formulierte Patentansprüche) nutzen, um sich die Erfindungen anderer anzueignen, was die Anmeldung neuer Patente blockieren oder eine derartige Verwirrung stiften kann, dass die Wettbewerbsregeln gebrochen werden, die Gerichte überlastet sind und das Auffinden von Informationen und die Prioritätsprüfung erschwert wird. |
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3.7.2 |
Ein Gemeinschaftspatent sollte nur für wirkliche Erfindungen erteilt werden, die über den jeweiligen Stand der Technik hinausgehen und tatsächlich zu gewerblichen Anwendungen führen können. Beantragte Patente, bei denen keine tatsächliche erfinderische Tätigkeit auf materiellem Gebiet vorliegt, sollten nicht erteilt werden. Zu fördern ist die Schaffung von regelrechten Pools von sich ergänzenden Patenten für verschiedenste Anwendungen. Die Patentansprüche müssten in einem genauen Verhältnis zu der durch die Erfindung bewirkten technischen Neuerung stehen; sie müssten im Hinblick auf die Patentverwendung ebenso wie bei Streitigkeiten zwischen Patentinhabern eine restriktive Auslegung ermöglichen. |
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3.7.3 |
Im Hinblick auf eine Verbesserung der Qualität von Patentanmeldungen kommt es vor allem darauf an, dass Fachwissen und Verhaltenskodizes zum Einsatz kommen, denn es darf nicht übersehen werden, dass die Patentinhaber die ausschließlichen Rechte für einen relativ langen Zeitraum erhalten. Als Gegenleistung dafür erlauben sie die Verbreitung ihrer Kenntnisse durch Veröffentlichung, wodurch auch eine Nachbildung ihrer Erfindungen ermöglicht wird, was letztlich die Nachfrage der Wirtschaft nach Lizenzen stimuliert. |
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3.7.4 |
Die Qualität des Patents stellt aus der Sicht des Ausschusses auch eine grundlegende Garantie für die Lizenznehmer und einen Anreiz für innovative Anwendungen dar. Der Ausschuss unterstützt daher die diesbezüglichen Vorschläge der Kommission im Hinblick auf die Bedeutung eines qualitativ hochwertigen wissenschaftlichen und technischen Instrumentariums für die Patentprüfung, die Zusammenarbeit zwischen nationalen und europäischen Prüfern und die Bedeutung der Arbeit mit qualifizierten Prüfern, die das Fundament des gemeinschaftlichen Fachwissens im Bereich Technologien und Anwendungen bilden. Die Prüfer und andere hochqualifizierte Fachleute bilden den für die Qualität des Gemeinschaftspatents wesentlichen Personalstock. Die Kommission sollte diese Frage gründlicher erwägen, um den besten Fachleuten die immateriellen und materiellen Bedingungen zu bieten, die für eine qualitätsgerechte Prüfung von Patentanmeldungen zum Nutzen der Anmelder und der Wirtschaft unverzichtbar sind. |
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3.7.5 |
Mitgliedstaaten, die Patente ohne Prüfung und damit ohne Gewähr erteilen, sollten, wie von der Kommission vorgeschlagen, über die Qualität der von ihnen erteilten Patente nachdenken. Diese Mitgliedstaaten sollten nach Ansicht des Ausschusses in bestimmten komplexen und schwierigen Fällen Prüfer oder Fachleute mit entsprechendem Fachwissen aus dem Inland oder sogar aus dem Ausland anrufen, um die Qualität der von ihnen erteilten nationalen Patente zu verbessern. |
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3.7.6 |
Die Patentämter sollten auch auf die strikte Einhaltung der gemäß Münchener Übereinkommen nicht patentierbaren Bereiche achten, wie z.B. Software oder Verfahren, Algorithmen oder Teile des menschlichen Körpers wie Gene u.ä. (4), die zu den nicht patentfähigen wissenschaftlichen Entdeckungen gehören. |
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3.7.7 |
Die Dauer eines Gemeinschaftspatents beträgt theoretisch 20 Jahre (TRIPS-Abkommen), schwankt in Wirklichkeit jedoch zwischen durchschnittlich fünf und sechs Jahren bei IKT und 20 bis 25 Jahren bei Arzneimitteln, beträgt also im Schnitt 10 bis 12 Jahre. Gebrauchsmuster haben in der Praxis eine noch kürzere Dauer. |
3.8 Marken
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3.8.1 |
Der Ausschuss unterstützt den Vorschlag der Kommission, das Gemeinschaftsmarkensystem einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen, und teilt das Ziel einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen dem HABM und den nationalen Ämtern. |
3.9 Sonstige Rechte
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3.9.1 |
Auch die vorgeschlagene Bewertung für die Erlangung von Sortenschutzrechten – nicht zu verwechseln mit GVO - findet die Unterstützung des Ausschusses. Der Ausschuss begrüßt die vorgesehene öffentliche Konsultation über die Möglichkeit eines Schutzes geographischer Angaben für andere typische Produkte als Agrarerzeugnisse. |
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3.9.2 |
Der Ausschuss beobachtet aufmerksam die Organisation von geschützten Ursprungsbezeichnungen (g.U.) und geschützten geografischen Angaben (g.g.A.), die Schutzbezeichnungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Spirituosen. Nach seinem Dafürhalten könnten diese geschützten Bezeichnungen auch auf bestimmte typische Erzeugnisse ausgedehnt werden, die keine Nahrungsmittel sind, zum Beispiel Kunsthandwerk. Er würde es zudem begrüßen, wenn auf den Etiketten der geschützten Erzeugnisse ggf. andere aufwertende Produktangaben wie zum Beispiel „Bioprodukt“ oder „nachhaltiges Produkt“ vermerkt würden, selbst wenn diese nicht Voraussetzung für die Verleihung der entsprechenden geschützten Bezeichnung sind. |
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3.9.3 |
Was den Sekundärmarkt für Autoersatzteile angeht, den die Kommission liberalisieren möchte, so stellt der Ausschuss einen gewissen Widerspruch zwischen dieser Liberalisierungspolitik und dem Schutz von gewerblichen Mustern und Modellen fest. Dessen ungeachtet hat der Ausschuss eine Stellungnahme verabschiedet, in der diese Ausrichtung unterstützt wird (5). Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass sie sich hierbei um einen Angriff auf den Grundsatz der exklusiven Rechte handelt und dass die Automobilbauer während eines bestimmten Zeitraums zur Lieferung von Originalersatzteilen verpflichtet sind, während die anderen Hersteller dieser Pflicht nicht unterliegen. Der Logik zufolge müsste hier eine obligatorische Lizenzerteilung und bei tragenden Fahrzeugteilen die vorgeschriebene Verwendung des gleichen Materials zum Grundsatz erhoben werden. |
4. Gewerbliche Schutzrechte und Wettbewerb
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4.1 |
Es gibt offenbar immer mehr Fälle, in denen die zahllosen qualitativ minderwertigen Schutzrechte aus bestimmten Ländern zu Konflikten hinsichtlich des jeweils anwendbaren Rechts führen, wobei die beste Lösung hier nach Auffassung des Ausschusses wie auch des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften darin liegt, Rechtsmissbrauch geltend zu machen. Daraus sollte eine grundsätzliche Notwendigkeit von Zwangslizenzen abgeleitet werden, die auf der bloßen Vermutung einer Verpflichtung zur Erteilung einer Lizenz zu einem angemessenen Preis und zu fairen und nichtdiskriminierenden Bedingungen beruhen könnte. Auf jeden Fall sollten ausländische Patente, die sich auf Bereiche erstrecken, die dem Gemeinschaftsrecht nach ausgeschlossen sind oder die eine sehr geringe Qualität aufweisen, nicht als gültige und rechtlich durchsetzbare Rechtstitel angesehen werden. |
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4.2 |
Die Festsetzung von Normen trägt nach Auffassung der Kommission zu einem besseren wirtschaftlichen Umfeld bei. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass eine Normung zum Nutzen der Verbraucher und der KMU ein offener und transparenter Prozess sein muss. Der Ausschuss unterstützt den Standpunkt, wonach der Inhaber einer patentrechtlich geschützten wichtigen Technologie, die dann zu einer Norm wird, künstlich in die Höhe getriebene Einnahmen aus seiner patentierten Technologie bezieht, wenn er während des Konsultationsprozesses im Vorfeld des Normungsverfahrens sein Patent bewusst geheim hält. Solche Verhaltensweisen sind unter Strafe zu stellen. |
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4.3 |
Das künftige Gemeinschaftspatent sollte eine hohe Qualität im Sinne der von der Kommission in der europäischen Strategie dargelegten Prüfkriterien aufweisen und auch über eine Fachgerichtsbarkeit verfügen, insbesondere um sog. „Patenthinterhalte“ (patent ambushing) und andere Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, die in den meisten Fällen auf qualitativ minderwertige Schutzrechte zurückgehen. Schlechte Patente können die guten verdrängen. |
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4.4 |
Der Ausschuss nimmt mit Interesse den Vorschlag zur Kenntnis, eine Studie über das Zusammenspiel zwischen gewerblichen Schutzrechten und Normen in der Innovationsförderung in Auftrag geben. Zudem wird er sich an der Anhörung zu Fragen der Normung im IKT-Bereich beteiligen, bei der es u.a. auch um dieses Zusammenspiel geht. |
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4.5 |
In der heutigen Zeit werden neue und komplexe Technologien entwickelt, wobei die Herstellung eines Produkts die Verwendung zahlreicher Erfindungen, Entdeckungen und Patente erfordert, weshalb eine Strategie der Zusammenarbeit, zum Beispiel durch wechselseitige Lizenzen oder Patentpools, notwendig wird. Hier sollte auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen aller Beteiligten geachtet werden. Angesichts der riesigen Patentbestände in den Großunternehmen, von denen einige jedes Jahr tausende neuer Patente, z.B. im IKT-Bereich, anmelden, müssen Wettbewerbsverzerrungen und Angriffe auf die Rechte des „kleinen Erfinders“ verhindert werden. |
5. KMU
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5.1 |
Auf einem internationalisierten Markt haben KMU und Kleinstunternehmen (6) große Schwierigkeiten, ihre Marken und Patente zu schützen, wenn sie überhaupt Inhaber dieser Rechte sind, da sie oft nur als nachgeordnete Auftragnehmer auftreten. Eine große Zahl von Unternehmen schreckt vor der Anmeldung von Patenten eher zurück, weil ihnen oft die Informationen fehlen oder sie ein komplexes und kostspieliges Verfahren fürchten. Mitunter werden in bestimmten Ländern erteilte exklusive Schutzrechte durch Produktnachahmungen umgangen, die in anderen Ländern, in denen die Rechte des Patentinhabers nicht geschützt sind, hergestellt werden. |
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5.2 |
Bleibt oft nur das Herstellungs- und Betriebsgeheimnis, doch auch dieses ist wegen der Möglichkeiten der chemischen Produktanalyse oder Industriespionage nicht immer sicher. Zum Beispiel gibt es im Bereich der Parfümherstellung keine Patente, denn dafür müsste man die chemische Zusammensetzung als Formel veröffentlichen. Angesichts der heutigen Analyseverfahren gibt es keinen durch das Herstellungs- und Betriebsgeheimnis gewährten Schutz mehr, weshalb in den Rechtsvorschriften ein angemessener Schutz für komplexe Produkte vorgesehen werden sollte, zum Beispiel durch eine Art Urheberrecht. |
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5.3 |
Das Zaudern bei der Patentanmeldung, sei es aufgrund der derzeitigen Gebühren für die Anmeldung eines europäischen Patents oder für dessen Verlängerung, bremst den Technologietransfer, da es für interessierte Investoren keine Möglichkeit gibt, an Lizenzen zu kommen. Das ist ganz klar ein Verlust für die europäische Wirtschaft. Wichtig ist daher die Unterstützung von KMU und Kleinstunternehmen, die ermutigt werden müssen, auf gewerbliche Schutzrechte zurückzugreifen und diese in Geschäftsstrategien mit mehreren beteiligten Unternehmen, die Schutzrechte im gleichen Geschäftsbereich besitzen, zu verwenden, um so Erfindungen umsetzen zu können, bei denen mehrere Entdeckungen kombiniert zum Einsatz kommen. Der Inhaber gewerblicher Schutzrechte ist jedenfalls am ehesten in der Lage, Investoren anzulocken oder Kredite für die Entwicklung seiner Geschäftstätigkeit zu erhalten. |
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5.4 |
Der Ausschuss hat bereits oft zum Ausdruck gebracht, dass die europäische Industrie Patente von hoher Qualität und zu einem angemessenen Preis braucht, die gemeinschaftsweit gelten und zum Binnenmarkt beitragen. |
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5.5 |
Erforderlich ist auch ein System zur schnellen und kostengünstigen Streitbeilegung. Die Mediation als Form der Beilegung bestimmter Streitigkeiten sollte gefördert werden. Auch die Schiedsgerichtsbarkeit ist eine Alternative. In der Justiz sollten für Patentsachen Fachgerichte zuständig sein, die leicht zugänglich sind und zügig arbeiten, um die Wirtschaftsentwicklung nicht zu bremsen. |
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5.6 |
Es geht hier um Fragen von öffentlichem Interesse, weshalb es unverständlich ist, dass sie schon seit so vielen Jahren auf Eis liegen. Großunternehmen können zwar im aktuellen System Patente anmelden, was dem Europäischen Patentamt und den beteiligten nationalen Patentämtern erhebliche Einnahmen beschert. Doch das ist nicht Sinn und Zweck des Systems. Es geht um Innovationsförderung und industrielle Entwicklung zum Nutzen von Unternehmen und für die Schaffung neuer qualifizierter Arbeitsplätze, weswegen auch Ausgaben für die Wirksamkeit und Ausweitung der Schutzrechte, die den Neuerern (Unternehmen oder Einzelpersonen) erteilt wurden, in Kauf genommen werden müssen. |
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5.7 |
Der Ausschuss ist es überzeugt, dass Personen, die in einem Unternehmen direkt zur Innovation und Patentanmeldung beitragen, Anspruch auf einen Teil der durch ihre Erfindungen erzielten Einnahmen haben sollten (es geht um das Problem der in einem Arbeitsverhältnis stehenden Erfinder mit „work for hire“-Vertrag). Diese Möglichkeit gibt es bereits in einigen Ländern, sie sollte jedoch ausgeweitet werden, um die Innovationstätigkeit stärker zu fördern. |
6. Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
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6.1 |
Der Ausschuss hat sich bereits in verschiedenen früheren Stellungnahmen eingehend zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Marken- und Produktpiraterie geäußert und verweist hierfür insbesondere auf eine Stellungnahme (7). |
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6.2 |
Es obliegt dem Staat, der die Rechtstitel für das geistige Eigentum erteilt hat, die damit verbundenen exklusiven Schutzrechte durchzusetzen, wobei allerdings Rechtsmissbrauch prinzipiell von Rechtsschutz ausgeschlossen ist. Produktnachahmung ist eine schwere Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen der innovativen Unternehmen, schädigt das Markenimage der Industrie in der EU und ist mit großen Risiken für den Verbraucher verbunden. Überdies können sich KMU selbst kaum dagegen wehren und brauchen dafür konkrete Unterstützung. |
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6.3 |
Qualitativ hochwertige Rechtsvorschriften, Rechtsprechung und Zollkontrollen an den Außengrenzen der EU sind von wesentlicher Bedeutung für die Bekämpfung von Produktnachahmungen. |
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6.4 |
Der Ausschuss unterstützt daher die strikte Einhaltung der Brüssel-I-Verordnung und den Ausbau der dafür erforderlichen Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Zoll. In einem Mitgliedstaat ergangene rechtskräftige Urteile sollten ohne weitere Vollstreckungsurteile in allen anderen Mitgliedstaaten unmittelbar akzeptiert werden. |
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6.5 |
Entsprechend dem Gemeinschaftsrecht schließt die von der Kommission vertretene Nulltoleranz gegenüber Verletzungen gewerblicher Schutzrechte und Urheberrechte die gewerbliche Herstellung von Produktnachahmungen oder Kopien durch den Rechteverletzer ein, wie der Ausschuss bereits in früheren Stellungnahmen festgestellt hat. Der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums lässt sich nicht durch einen repressiven Rundumschlag erreichen. Im Visier der Maßnahmen sollten die Nachahmer im großen Maßstab sowie die Mafien zur Verbreitung der Nachahmungen stehen, damit diesem Treiben, das Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in den Mitgliedstaaten beeinträchtigt, ein Ende gesetzt wird. |
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6.6 |
Erziehung und Aufklärung spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, damit die Verbraucher erfahren, unter welchen Bedingungen Produktnachahmungen hergestellt werden, nämlich z.T. durch Kinder- und Zwangsarbeit. Sie müssen aufgeklärt werden über die Risiken, die sie mit dem Kauf bestimmter Produkte eingehen, zum Beispiel beim Kauf von Arzneimitteln auf Internetseiten, die mehrheitlich Produktnachahmungen anbieten, die gesundheitsgefährdend sein können. |
7. Internationale Dimension
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7.1 |
Auf internationaler Ebene muss unbedingt eine Strategie zur Durchsetzung der europäischen Rechte des geistigen Eigentums sowohl in Europa als auch in Drittstaaten entwickelt werden, um Produktnachahmungen und die Marken- und Produktpiraterie zu bekämpfen. Zugleich sollte sich Europa um die Förderung des Transfers nachhaltiger Technologien in die Entwicklungsländer bemühen. |
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7.2 |
Internationale Abkommen über Marken, Patente und Urheberrechte richten sich nach den alten Regeln des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge. Der Ausschuss bedauert die hier fehlende Transparenz. Es geht nicht nur darum, die besten Fachleute in die nationalen Delegationen aufzunehmen, sondern auch um die Entwicklung eines europäischen Ansatzes, insbesondere im Hinblick auf die geforderte Qualität der Schutzrechte. Erforderlich ist auch eine stärkere Einbindung der Zivilgesellschaft und ihrer Organisationen in diese Verhandlungen, damit die Wirtschaftspartner der Europäischen Union wissen, dass die Delegationen aus Europa aufgrund vorheriger Konsultationen und der Einbeziehung in die Beobachtung der mitunter Jahre währenden Verhandlungen auf breite Unterstützung bauen können. |
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7.3 |
Den Kriterien der nachhaltigen Entwicklung und der im Hinblick auf dieses Ziel notwendigen internationalen Zusammenarbeit kommt im globalen Wirtschaftsraum immer mehr Bedeutung zu. Sämtliche Verhandlungen sollten auf Lösungen abzielen, die im Einklang mit den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger und den Interessen der Organisationen der beteiligten Akteure stehen. |
8. Schlussbemerkungen
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8.1 |
Vorbehaltlich der oben vorgebrachten Bemerkungen und Anregungen schließt sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Strategie für gewerbliche Schutzrechte an. |
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8.2 |
Angesichts der anstehenden komplizierten und aufwändigen Reformen bauen sich Hindernisse und Schwierigkeiten auf, deren sich der Ausschuss wohl bewusst ist. Er ist jedoch davon überzeugt, dass ein europäisches System des gewerblichen Rechtsschutzes nachhaltiges Wachstum schafft, das entsprechende Steuereinnahmen bringt. |
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8.3 |
Das Gemeinschaftspatent wird den Investitionen in innovative Technologien wieder Auftrieb verleihen. |
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8.4 |
Der Ausschuss wird auf diesem Gebiet auch weiterhin alle konkreten Gemeinschaftsinitiativen unterstützen, die auf eine Verbesserung der geltenden Rechtsvorschriften, die Beilegung von Streitigkeiten und den Schutz der Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums bei der Bekämpfung der Mafien der Marken- und Produktpiraterie abzielen. Er macht erneut nachdrücklich darauf aufmerksam, dass dringend Lösungen erforderlich sind, auf die die Unternehmen und Bürger schon viel zu lange warten. |
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) SEK(2009) 330 endg. vom 20.3.2009.
(2) ABl. C 116 vom 28.4.1999, S. 35 (Berichterstatter: Henri Malosse) und ABl. C 221 vom 7.8.2001, S. 20 (Berichterstatter: Henri Malosse).
(3) ABl. C 155 vom 29.5.2001, S. 80 (Berichterstatter: Herr Simpson) und ABl. C 112 vom 30.4.2004, S. 76 und S. 81 (Berichterstatter: Daniel Retureau).
(4) Mit der Ausnahme, die die Biotechnologie-Richtlinie (Richtlinie 98/44/EG) für isolierte Sequenzen oder Teilsequenzen von Genen zulässt.
(5) ABl. C 286 vom 17.11.2005, S. 8 (Berichterstatter: Virgilio Ranocchiari).
(6) Klein- und Kleinstunternehmen.
(7) ABl. C 116 vom 28.4.1999, S. 35 (Berichterstatter: Henri Malosse).
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/13 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Europäischer Strategierahmen für die internationale wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit“
KOM(2008) 588 endg.
2009/C 306/03
Die Kommission beschloss am 24. September 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Europäischer Strategierahmen für die internationale wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 19. Mai 2009 an. Berichterstatter war Gerd WOLF.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 11. Juni) mit 111 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:
1. Zusammenfassung und Empfehlungen
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1.1 |
Internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit hat zahlreiche und ausnahmslos positive Auswirkungen auf den wissenschaftlich-technischen Fortschritt der daran beteiligten Partner und auf die Völkerverständigung. Dies gilt nicht nur innerhalb des Europäischen Forschungsraums (EFR), sondern auch global. |
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1.2 |
Demzufolge begrüßt der Ausschuss die Mitteilung der Kommission und stimmt deren grundsätzlichen Zielen zu. Desgleichen begrüßt und unterstützt er die dementsprechenden Beschlüsse (1) des Wettbewerbs-Rates vom 2. Dezember 2008 und die dort beschlossene Einsetzung einer hochrangigen Expertengruppe (spezifische Formation des CREST). |
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1.3 |
Der Ausschuss unterstützt die Kommission in ihrer Absicht, zu einem koordinierten Vorgehen der Mitgliedstaaten mit dem Ziel internationaler Rahmenvereinbarungen zu kommen, sowie die thematischen Schwerpunkte der internationalen Zusammenarbeit in die gemeinsame Planung von Forschungsprogrammen und in die Vorbereitung des 8. FTD-Rahmenprogramms angemessen einzubinden. |
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1.4 |
Dabei handelt es sich einerseits um Grundsatzfragen z.B. zur Mobilität der Forscher oder zu Vereinbarungen über geistiges Eigentum, andererseits um die Förderung von Eigeninitiative sowie von Fachkonferenzen als Plattformen des Wissensaustausches und der Kommunikation, und um die notwendige Attraktivität des EFR. |
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1.5 |
Eine herausragende Rolle der Kommission — auch im Sinne der Subsidiarität — sieht der Ausschuss bei internationalen Vereinbarungen über die großen wissenschaftlich-technischen Infrastrukturen, da deren Kosten (für Bau und Betrieb) und deren Nutzung üblicherweise das Potenzial eines einzelnen Mitgliedstaates übersteigen und somit eine typische gemeinschaftliche Aufgabe darstellen. Dementsprechend unterstützt der Ausschuss auch das Ziel, internationale Forschungsinfrastrukturen (wie bei ITER bereits getan) oder Beteiligung internationaler Partner an europäischen Forschungsinfrastrukturen anzustreben. |
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1.6 |
Der Ausschuss unterstützt den Vorschlag der Kommission, IKT (Informations- und Kommunikationstechnologien) als Thema internationaler Zusammenarbeit hervorzuheben und empfiehlt zugleich, dort auch die neue Kategorie „IKT für Wissenschaft und Forschung“ einzuführen. Der Ausschuss empfiehlt zudem, dann aber auch den anderen wichtigen globalen Themen wie Energie, Klima, Umwelt und Gesundheit vergleichbare Bedeutung zuzuordnen. Dies sollte allerdings nicht dazu führen, weitere Themen und insbesondere nicht die Grundlagenforschung von der internationalen Zusammenarbeit auszuschließen. |
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1.7 |
Der Ausschuss betont, dass der Erfolg internationaler Zusammenarbeit entscheidend von der Attraktivität des Europäischen Forschungsraums und von der Leistungsfähigkeit der europäischen Universitäten und Forschungseinrichtungen abhängt. Die dazu erforderlichen Maßnahmen sind entscheidende Elemente der Lissabon-Strategie. Umso wichtiger ist es daher, angesichts der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise eine antizyklische Politik durchzusetzen und den Europäischen Forschungsraum und seine Grundlagen einschließlich seiner internationalen Dimension mit allen finanziellen und strukturellen Maßnahmen zu stärken und attraktiv zu gestalten. |
2. Mitteilung der Kommission
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2.1 |
In dieser Mitteilung wird ein europäischer Strategierahmen für die internationale wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit umrissen mit dem Ziel,
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2.2 |
Die Mitteilung trägt den Schlussfolgerungen des Rates vom Februar 2008 Rechnung und ist eine der fünf Initiativen der Kommission über die Zukunft des Europäischen Forschungsraums (EFR). Der vorgeschlagene Rahmen soll weltweit dem freien Wissensverkehr (der „fünften Grundfreiheit“ der EU), der internationalen Profilierung Europas im Bereich Wissenschaft und Technologie sowie der Verbreitung europäischen Know-hows im Bereich der IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) dienen. |
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2.3 |
Dabei ist die Mobilität der Forscher ein zentraler Aspekt. |
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2.4 |
Die Zusammenarbeit mit wissenschaftlich hoch entwickelten Partnerländern wird anders aussehen als diejenige mit Ländern, deren Wissenschaftsbasis im Aufbau begriffen ist; beide Arten der Zusammenarbeit sind jedoch notwendig. |
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2.5 |
Mit Ländern, die Interesse an einer Assoziierung mit dem 7. FTD-Rahmenprogramm bekunden, soll ein Dialog im Bereich Wissenschaft und Technologie eingeleitet werden. |
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2.6 |
Da der weitaus größte Teil der aus öffentlichen Mitteln finanzierten FuE-Förderung durch die Mitgliedstaaten erfolgt, kann die EU nur bei einer Stärkung der Partnerschaft zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Gemeinschaft (EG) wirksam zur internationalen Zusammenarbeit weltweit beitragen. |
3. Bemerkungen des Ausschusses
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3.1 |
Vorbemerkung. Der Ausschuss hat bereits im Jahre 2000 in seiner Stellungnahme (2) zur Mitteilung der Kommission „Hin zu einem europäischen Forschungsraum“ auf ein besonderes Wesensmerkmal naturwissenschaftlicher Forschung hingewiesen, nämlich: „Ihre Methodik und die damit verbundenen wissenschaftlichen Begriffe sind bei allen Nationen und Völkern gleich. Es gibt also nur eine einzige (natur-)wissenschaftliche ‚Weltkultur‘ und nur eine einzige (natur-) wissenschaftliche ‚Begriffssprache‘ und, damit verbunden, gemeinsame Wertvorstellungen. … Erst dadurch werden internationaler Wissensaustausch und weltweite Kooperationen ermöglicht“. |
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3.2 |
Ausgangslage. Erfreulicherweise gibt es in vielen Mitgliedstaaten schon seit Jahrzehnten vielfältige internationale — das heißt über die Grenzen der EU hinausgehende — Kooperationen auf wissenschaftlichem und technischem Gebiet, und zwar sowohl zwischen Firmen („global players“) als auch zwischen den von der öffentlichen Hand geförderten Forschungseinrichtungen und deren Forschungsgruppen. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die katalytische Wirkung der verschiedenen wissenschaftlich-technischen Fachgesellschaften (3), spezieller internationaler Organisationen wie z.B. der Internationalen Energie-Agentur (4) IEA, der Weltgesundheitsorganisation WHO, der International Union of Pure and Applied Physics IUPAP, des International Panels on Climate Change IPCC oder z.B. auch der European Space Agency ESA und der European Organisation for Nuclear Research CERN. Generell haben die bisherigen Erfahrungen gezeigt, dass jene Staaten, die offenen wissenschaftlichen Austausch betreiben und auf diesem Gebiet kooperieren, davon mittel- und langfristig auch kulturell und wirtschaftlich profitieren. |
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3.3 |
Grundsätzliche Zustimmung. Dementsprechend stimmt der Ausschuss den grundsätzlichen Zielen der Mitteilung zu: globale internationale Zusammenarbeit spart Ressourcen und beschleunigt die Verbreitung neuen Wissens; insgesamt hat sie zahlreiche und ausnahmslos positive Auswirkungen auf den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und ebenso auf die Völkerverständigung. Sie dient somit insbesondere auch dem Ausbau guter Beziehungen zu den Nachbarstaaten der EU. Allerdings darf Zusammenarbeit nicht zum Selbstzweck werden, denn sie erfordert zusätzlichen Aufwand, der jeweils aus dem zu erwartenden Mehrwert begründet werden muss. |
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3.4 |
Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und Zusammenarbeit. Auch die hier zur Diskussion stehende internationale Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung ist in das Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und Zusammenarbeit eingebunden (5). Während sich Aspekte des Wettbewerbs auf dem Gebiet der Grundlagenforschung vorwiegend auf Fragen der Priorität wissenschaftlicher Ergebnisse und des damit verbundenen Ansehens beschränken, gewinnen Wettbewerbsfragen in dem Maße auch an wirtschaftlichem Gewicht, wie aus den Ergebnissen von FuE marktfähige Prozesse/Produkte und damit verbundene Vorteile erwachsen. |
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3.5 |
Förderung und Anerkennung von Eigeninitiative und Mobilität. Die wichtigsten Initiatoren und Akteure internationaler Zusammenarbeit sind die Forscher (Wissenschaftler und Ingenieure) selbst. Darum muss deren Eigeninitiative und Mobilität gefördert und anerkannt werden, wofür sowohl persönliche Förderung benötigt wird als auch Förderung der Mobilität durch ähnliche Maßnahmen, wie sie innerhalb des Europäischen Forschungsraums teilweise bereits erreicht sind oder noch angestrebt werden. |
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3.6 |
Förderung internationaler Fachkonferenzen und wissenschaftlich-technischer Fachgesellschaften. Fachkonferenzen bilden das wesentliche Forum für Ergebnisverbreitung und -bewertung, Wissens- und Gedankenaustausch, Anbahnung von Kooperationen und Entwicklung neuer oder verbesserter Konzepte. Derartige Konferenzen werden üblicherweise von den jeweiligen wissenschaftlich-technischen Fachgesellschaften als typischen Organisationen der Zivilgesellschaft veranstaltet. Darum empfiehlt der Ausschuss, deren Leistungen stärker zur Kenntnis zu nehmen und anzuerkennen sowie deren Aktivitäten für Wissensverbreitung, Ergebnisbewertung und Forschungskoordinierung stärker zu nutzen und zu fördern (6). |
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3.7 |
Förderung und Anerkennung von Selbstorganisation. Neben den einzelnen Forscherpersönlichkeiten sind es insbesondere die Forschungseinrichtungen und Universitäten, welche auf ihrem jeweiligen Fachgebiet internationale Zusammenarbeit — häufig sogar mehrere und verschiedenartige — mit ausgewählten Partnereinrichtungen anbahnen, vertraglich festlegen und pflegen. Dies verdient Ansporn und Unterstützung, insbesondere durch verlässliche rechtliche, finanzielle und personelle Rahmenbedingungen mit ausreichender Kontinuität. |
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3.8 |
Zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen. Um die vorgenannten Maßnahmen zu erleichtern oder in die Wege zu leiten, sind Rahmenvereinbarungen auf Regierungsebene der Mitgliedstaaten mit den jeweiligen außereuropäischen Drittländern hilfreich, wenn nicht sogar erforderlich. Hierin liegt nach Meinung des Ausschusses die wichtigste koordinierende Aufgabe, nämlich bei der internationalen FuE-Kooperation — unter Anwendung sowohl europäischer als auch nationaler Instrumente — Politikkohärenz (Forschungspolitik, aber auch Nachbarschaftspolitik, Entwicklungspolitik, Industrie- und Wirtschaftspolitik) gegenüber Drittstaaten zu gewährleisten. |
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3.9 |
Rolle der EU-Kommission. Während der Ausschuss einerseits betont, dass Forschungsorganisationen und Firmen die für sie jeweils in Frage kommenden Elemente und Programme internationaler Zusammenarbeit eigenverantwortlich anbahnen und ausgestalten müssen, sieht er andererseits wichtige nationalstaatliche sowie gemeinschaftliche Aufgaben, die übergeordnete Grundsatzfragen betreffen. Diese sollten sich — beispielhaft — auf folgende Themen konzentrieren und partnerschaftlich zwischen EU-Kommission und Mitgliedstaaten diskutiert werden:
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3.10 |
Kernaussage der Mitteilung. Dementsprechend sieht der Ausschuss die wesentliche Aussage der Mitteilung der Kommission darin, Rat und Parlament auf die immer größer werdende Bedeutung internationaler Zusammenarbeit aufmerksam zu machen, zu einem koordinierten Vorgehen der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft mit dem Ziel internationaler Rahmenvereinbarungen zu kommen, sowie die thematischen und regionalen Schwerpunkte der internationalen Zusammenarbeit zu eruieren und in der gemeinsamen Planung von Forschungsprogrammen und in der Vorbereitung des 8. FTD-Rahmenprogramms angemessen zu berücksichtigen. |
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3.11 |
Europäische Forschungsinfrastruktur. Eine stärkere und unmittelbare Rolle — auch im Sinne der Subsidiarität — sollte die Kommission nach Meinung des Ausschusses bei der internationalen Zusammenarbeit mit den zur Europäischen Forschungsinfrastruktur gehörigen Großgeräten und Projekten spielen, da deren Kosten (für Bau und Betrieb) und deren Nutzung üblicherweise das Potenzial eines einzelnen Mitgliedstaates übersteigen. Dies gilt besonders für jene von der Kommission geförderten und koordinierten Programme, bei denen die EU direkt als Partner auftritt (z.B. Fusionsprogramm mit ITER) oder eine wichtige koordinierende Rolle einnimmt, wie beim Europäischen Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen (9) (ESFRI) und den daraus erwachsenden weiteren Maßnahmen. Der Ausschuss unterstützt somit insbesondere das von der Kommission formulierte Ziel einer „Bewältigung wissenschaftlicher Herausforderungen durch internationale Forschungsinfrastrukturen“; dies kann auch die Beteiligung internationaler Partner an der Europäischen Forschungsinfrastruktur betreffen. Dabei sind auch der geografische Aspekt und das verfügbare wissenschaftliche Potenzial in Betracht zu ziehen. |
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3.12 |
Strategisches Forum für internationale Zusammenarbeit — CREST. Der Ausschuss begrüßt und unterstützt, dass gemäß der Vorbereitenden Empfehlung des Wettbewerbs-Rates vom 14. November 2008 sowie dem dieser Empfehlung entsprechenden Beschluss vom 2. Dezember 2008 (10), ein Strategieforum (in spezifischer Formation des CREST) für die internationale wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit eingerichtet wurde. Er begrüßt und unterstützt auch die dementsprechenden Ziele, nämlich:
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3.13 |
Internationale Dimension des Europäischen Forschungsraums. Der Ausschuss betont vor allem die internationale Dimension des Europäischen Forschungsraums. Dazu gehört sowohl eine verstärkte Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten (11) in variablen Geometrien (12) als auch die Koordination von FuE-Aktivitäten auf internationaler Ebene. |
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3.14 |
Konvergenz von Geistes- und Naturwissenschaften. Der Ausschuss empfiehlt, über die reine wissenschaftlich-technische internationale Kooperation hinausgehend auch dort, wo sich erkennbare Verbindungen zu den Geisteswissenschaften und den damit verwandten ethischen Fragen eröffnen, diese Bereiche mit in die Kooperationen einzubeziehen. |
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3.15 |
Lücken in der Mitteilung. Der Ausschuss vermisst allerdings, dass in der Mitteilung nicht ausreichend auf die zahlreichen bereits bestehenden Zusammenarbeiten und Verträge (siehe Ziffer 3.2) sowie deren Initiatoren bzw. Instrumente hingewiesen wurde, wodurch beim nicht informierten Leser der Mitteilung ein zu negatives Bild der Ausgangslage entstehen kann. Zudem sollte sich das weitere Vorgehen auf die dabei schon gewonnenen Erfahrungen abstützen und alle Initiativen z.B. der Fachgesellschaften besser nutzen. |
4. Besondere Bemerkungen
4.1 Aspekte der Themenauswahl
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4.1.1 |
IKT einschließlich „IKT für Wissenschaft und Forschung“. Unter den für internationale Zusammenarbeit besonders wichtigen Themen hebt die Kommission IKT als wesentliche Querschnittstechnologie für Wissenschaft und Industrie hervor, einschließlich des Ziels einer globalen Verbreitung europäischen Know-hows im diesem Bereich. Dies findet die volle Unterstützung des Ausschusses. Gleichzeitig weist der Ausschuss jedoch darauf hin, dass das Thema IKT nicht zu eng gefasst werden darf, sondern den gesamten Bereich von der Vereinheitlichung unterschiedlicher Normen, über Kommunikationsnetzwerke bis zu Höchstleistungsrechnern und deren immer anspruchsvollere Software umfassen sollte. Denn die umfangreiche Fachdisziplin „Scientific Computing“ (13) einschließlich „Grid- und Cloud-Computing“ hat sich inzwischen als eine sehr bedeutende weitere Säule wissenschaftlich-technischer Methodik entwickelt. Dies ließe sich am besten durch die Einführung einer Sub-Kategorie „IKT für Wissenschaft und Forschung“ realisieren. Der Ausschuss weist außerdem darauf hin, dass gerade dabei die Zusammenarbeit mit den Expertengruppen der internationalen Partnerstaaten von großem Nutzen sein kann. |
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4.1.2 |
Energie, Klima, Umwelt und Gesundheit. Gleichrangig gibt es jedoch auch andere, bedeutende Themenkreise von globaler Bedeutung wie z.B. die Energie- und Klimafrage, die Umweltforschung oder die Gesundheitsforschung. Diese Themen sollten daher ebenfalls die ihnen zukommende Sichtbarkeit in der vorgeschlagenen Strategie erhalten. |
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4.1.3 |
Für weitere Themen offen halten. Es ist zwar richtig, dass einzelne Fragestellungen und Themen — derzeit z.B. Energie und Klima — zeitgebunden jeweils besonders wichtig und dringend erscheinen, und dass es auch nötig ist, knappe Mittel zu konzentrieren. Aber angesichts der Unvorhersehbarkeit neuer Erkenntnisse sowie der für ihre Umsetzung in technische Anwendungen erforderlichen Zeitskalen empfiehlt der Ausschuss, bei internationalen Rahmenvereinbarungen die Themenpalette nicht a priori einzuschränken, sondern für künftig aktuelle Probleme offenzuhalten. Nicht zuletzt ist internationale Zusammenarbeit gerade auch in der Grundlagenforschung von großer Bedeutung. |
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4.1.4 |
Grundlagenforschung. Der Ausschuss erinnert an deren entscheidende Beiträge bei der Entdeckung jener Naturgesetze, auf deren Basis fast alle modernen Technologien entwickelt wurden und medizinische Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Der Ausschuss empfiehlt, für die Durchführung auch den Rat des European Research Council ERC einzuholen. |
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4.2 |
Europäisches Eigeninteresse und unterschiedliche Kategorien. Schon im europäischen Eigeninteresse sollte klarer zwischen unterschiedlichen Kategorien internationaler Zusammenarbeit unterschieden werden, nämlich:
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4.3 |
Die Sprachenfrage — ein Problem, aber kein Tabuthema. Die internationale Wissenschaftssprache ist Englisch. Darum haben jene Staaten der EU einen natürlichen Vorteil bezüglich ihrer Anziehungskraft für Studenten als die zukünftigen Entscheidungsträger für wissenschaftliche Zusammenarbeit, aber auch für wissenschaftlichen Austausch, bei denen Englisch entweder Muttersprache ist oder von der Mehrheit der im FuE-Bereich Tätigen gut beherrscht wird. Die anderen Mitgliedstaaten sollten sich bemühen, ebenfalls adäquate Lösungen zu suchen, welche ihnen und dem Europäischen Forschungsraum dienlich sind. |
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4.4 |
Mobilität und Vermeidung von „brain drain“. Mobilität von Wissenschaftlern, d.h. von Forschenden, Lehrenden und Studierenden, ist eine wichtige Voraussetzung für Wissensaustausch und Zusammenarbeit; sie gilt inzwischen fast regelmäßig auch als Voraussetzung einer weiterführenden persönlichen Karriere in der Forschung. Mobilität kann aber auch dazu führen, dass sich die jeweils besten Talente eines Landes langfristig dorthin bewegen, wo die besten und attraktivsten Forschungsbedingungen und persönlichen Entwicklungschancen sind. Dies ist sowohl ein Problem für die EU im Verhältnis zu ihren Nachbarstaaten und z.B. gegenüber den USA als auch zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der EU. |
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4.5 |
Chancen bieten. Da es keinesfalls darum gehen kann, Mobilität zu behindern und begabten jungen Menschen dadurch ihre Entwicklungschancen zu verwehren, ist es innerhalb der EU erforderlich, dass sich alle Mitgliedstaaten und auch die Gemeinschaft in ihrer Forschungspolitik darum bemühen — insbesondere auch unter Einsatz der Mittel aus den Strukturfonds — Centers of Excellence und/oder andere attraktive Modelle zu entwickeln und so im Mittel zu einem Ausgleich im erwünschten Mobilitätsfluss zu kommen (brain circulation). |
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4.6 |
Anziehungskraft Europas stärken — der Europäische Forschungsraum. Dies gilt auch für das Verhältnis der EU als Ganzes zu ihren internationalen Partnern. Entscheidend für den Erfolg internationaler Zusammenarbeit und für die Verhandlungsposition der EU bei den jeweiligen Vereinbarungen ist die Attraktivität der in der EU durchgeführten Forschung und Entwicklung einschließlich ihrer Ausbildungsstätten/Universitäten, Infrastrukturen und den persönlichen Karrierechancen ihrer Forscher. Darum ist die Stärkung des Europäischen Forschungsraums eine der wirksamsten Maßnahmen auch für die Ziele, einen „brain drain“ weg aus der EU zu vermeiden, beste Wissenschaftler aus aller Welt nach Europa zu holen und bei internationalen Vereinbarungen aus einer Position der Stärke verhandeln zu können. |
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4.7 |
Lissabon-Strategie, gegenwärtige Krise und antizyklische Politik. Der Erfolg der internationalen Zusammenarbeit hängt also wesentlich von der Attraktivität des Europäischen Forschungsraums und von der Leistungsfähigkeit der europäischen Universitäten und Forschungseinrichtungen ab. Die dazu erforderlichen Maßnahmen sind entscheidende Elemente der Lissabon-Strategie. Umso wichtiger ist es daher, angesichts der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise eine antizyklische Politik durchzusetzen und den Europäischen Forschungsraum sowie dessen Grundlagen einschließlich seiner internationalen Dimension mit allen finanziellen und strukturellen Maßnahmen zu stärken und attraktiv zu gestalten. Zugleich appelliert der Ausschuss an Kommission und Mitgliedstaaten, durch eine antizyklische Personalpolitik der drohenden Arbeitslosigkeit junger Hochschulabsolventen entgegenzuwirken, welche sich aus dem Abbau der FuE-Aktivitäten der Privatwirtschaft ergeben könnte (15). |
Brüssel, den 11. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) 2910. Tagung des Rates (Wettbewerbsfähigkeit), Brüssel, 2. Dezember 2008. Schlussfolgerungen zu einer europäischen Partnerschaft für die internationale wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit.
(2) ABl. C 204/5.70 vom 18.7.2000.
(3) Die nach den einzelnen Fachwissenschaften gegliederten nationalen, europäischen oder auch internationalen Fachgesellschaften werden überwiegend aus den Mitgliedsbeiträgen ihrer Mitglieder finanziert und sind damit typische Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft.
(4) Sog. Implementing Agreements (Durchführungsabkommen).
(5) Siehe ABl. C 218 vom 11.9.2009, S. 8.
(6) Zitiert nach Ziffer 3.10.1 aus der Stellungnahme des EWSA, ABl. C 44 vom 16.2.2008, S. 1.
(7) Hier ist allerdings nicht gemeint, den jeweiligen Vereinbarungsspielraum einzuschränken, der sich u.a. auch an der Balance oder Nichtbalance der Vorkenntnisse und Qualifikationen der Partner ausrichten muss.
(8) Siehe hierzu auch ABl. C 218 vom 11.9.2009, S. 8.
(9) ABl. C 182 vom 4.8.2009, S.40.
(10) 2910. Tagung des Rates (Wettbewerbsfähigkeit), Brüssel, 2. Dezember 2008. Schlussfolgerungen zu einer europäischen Partnerschaft für die internationale wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit.
(11) ABl. C 182 vom 4.8.2009, S.40.
(12) Der Begriff „variable Geometrie“ beschreibt hier die Möglichkeit der Zusammenarbeit bzw. Beteiligung einzelner Mitgliedstaaten mit jeweils unterschiedlicher Zusammensetzung (siehe auch Paragraph 169 der Konsolidierten Verträge).
(13) Oft auch als „Simulation-Science“ bzw. Simulations-Wissenschaft oder „Numerical Modelling“ bzw. Numerische Modellierung bezeichnet. Mit dieser Methode lassen sich hochkomplexe Fragestellungen in Angriff nehmen, welche vordem keiner systematischen Untersuchung zugänglich waren.
(14) Hierbei handelt es sich um eine über den Vorschlag der Kommission hinausgehende Empfehlung des EWSA.
(15) Siehe CESE 864/2009, Ziffer 1.7 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/18 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel“
KOM(2008) 663 endg. — 2008/0256 (COD)
2009/C 306/04
Der Rat der Europäischen Union beschloss am 23. Januar 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 19. Mai 2009 an. Berichterstatterin war Renate HEINISCH.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni (Sitzung vom 10. Juni) mit 94 Ja-Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1 |
Der EWSA nimmt das Vorhaben, eine bessere Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel anzustreben, zur Kenntnis, äußert jedoch Vorbehalte gegenüber bestimmten Kritikpunkten in den Vorschlägen der Richtlinie. Ein einheitlicher Rechtsrahmen würde der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit in der Gemeinschaft dienen. Der EWSA hinterfragt das dem Richtlinienvorschlag KOM(2008) 663 endg. zu Grunde liegende Prinzip, wonach es der Pharmaindustrie gestattet werden soll, direkt mit den Patienten zu kommunizieren. |
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1.2 |
Unter derselben Zielstellung ist der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) der Ansicht, dass die erheblichen Abweichungen der geltenden Regeln bezüglich des Verschreibungs- und Abgabestatus von Arzneimitteln zwischen den Mitgliedstaaten ein Hindernis für eine gute und verständliche Information über Arzneimittel darstellen. Der EWSA ersucht die Kommission daher, weiterhin auf eine harmonisierte Festsetzung des Verschreibungs- und Abgabestatus der Arzneimittel hinzuarbeiten. |
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1.3 |
Jeder Bürger (Patient) hat ein Recht auf umfassende und verständliche Information in seiner Sprache. Dies umfasst auch die Information über verschreibungspflichtige Arzneimittel im Internet. Diese Informationen sollten krankheitsbezogen erfolgen, d.h. der Patient ist im Zusammenhang mit der Information über die Arzneimittel auch über die Krankheit aufzuklären, die mit dem Arzneimittel behandelt werden kann (1). Mit Blick auf den demografischen Wandel sind insbesondere Informationswege für ältere Patienten bereitzustellen. (2) |
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1.4 |
Der EWSA stellt sich eine unabhängige Stelle vor, die neben den Zulassungsinhabern die Informationen bereitstellt. Diese unabhängige Stelle hätte die Möglichkeit, über Arzneimittel verschiedener Hersteller zu einer bestimmten Indikation zu informieren. Der EWSA fordert daher, den Richtlinienvorschlag entsprechend zu ergänzen und solche unabhängigen Stellen zu fördern. |
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1.5 |
Internet Webseiten müssen entsprechend der Regelung in Art. 100h Abs. 1 zuvor durch die nationalen Behörden registriert werden. Dies würde die Sicherung der öffentlichen Belange auch im Internet erleichtern und sicherer machen. |
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1.6 |
Die Abgrenzung zwischen Werbung und Information ist im Einzelfall schwierig, die Grenzen verlaufen fließend. Der EWSA vertritt die Auffassung, dass in dem vorliegenden Richtlinienvorschlag qualitative Kriterien zur Definition statthafter Information festgelegt werden müssen — diese muss unverfälscht, vergleichend und verständlich sein —, ohne auf die Vorlage der ‚Leitlinien‘ zu warten, die die Kommission zu erarbeiten beabsichtigt. |
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1.7 |
Der EWSA fordert, Informationen über wissenschaftliche nicht-interventionelle Studien nicht als zur Verbreitung an die Öffentlichkeit zulässige Informationen anzusehen und die entsprechenden Passagen aus dem Vorschlag zu streichen. |
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1.8 |
„Gesundheitsbezogene Publikationen“ sind kein geeigneter Verbreitungsweg für Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel. Dies könnte eine „push-Information“ bedeuten, die Richtlinie sollte sich jedoch auf Informationen beschränken, nach denen der Patient aktiv sucht. Die Möglichkeit der Verbreitung der Informationen über „gesundheitsbezogene Publikationen“ ist daher aus dem Richtlinienvorschlag herauszunehmen. Websites im Internet hingegen können durchaus einen geeigneten Informationskanal darstellen; dafür muss jedoch der neue Artikel 100c Buchstabe b) vorsehen, dass es sich um ausschließlich Arzneimitteln gewidmete, von der europäischen Arzneimittelagentur und den einzelstaatlichen Arzneimittelagenturen ermächtigte Websites handelt. |
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1.9 |
Der Richtlinienvorschlag zeigt auch die Notwendigkeit einer Verbesserung der Lesbarkeit der amtlich genehmigten Informationen, insbesondere der Packungsbeilage. Der EWSA unterstützt nachdrücklich diesbezügliche Bestrebungen unabhängig von dem vorliegenden Richtlinienvorschlag. Patienten müssen umfassend und verständlich informiert werden, insbesondere auch über Nebenwirkungen von Arzneimitteln und über ihre gesamte Lebensführung. Außerdem wird eine entsprechende Weiterbildung der Ärzte und des Gesundheitspersonals gefordert. |
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1.10 |
Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, zeitnah zum Inkrafttreten dieser Richtlinie ein industrieunabhängiges Internetportal bereitzustellen, über das die Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel verbreitet werden können. In den Mitgliedstaaten müssen dafür in Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen und Sozialversicherern einschließlich der Anbieter privater Zusatzkrankenversicherungen Konferenzen und Foren errichtet werden. |
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1.11 |
Die Generaldirektionen werden aufgefordert, die Patienten über die Möglichkeiten und die Gefahren Abfrage von Informationen über Arzneimittel im Internet aufzuklären. |
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1.12 |
Der EWSA unterstützt die in Art. 100g des Vorschlages vorgesehenen Methoden der Kontrolle der Informationen. Dort, wo eine Vorabkontrolle der Informationen notwendig erscheint, sollte eine solche stattfinden. Wurde der Inhalt der Veröffentlichung jedoch bereits von den zuständigen Behörden oder gebilligt oder gewährleistet ein anderer Mechanismus eine gleichwertige angemessene und wirksame Überwachung, ist eine Vorabkontrolle nicht erforderlich. Die Mitgliedstaaten müssen entscheiden können, ob auf ihrem Gebiet ein Mechanismus existiert, der eine gleichwertige und angemessene Überwachung gewährleistet. Art. 100g trifft insoweit eine ausgewogene Regelung. |
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1.13 |
Die Kommunikation zwischen dem Patienten und den Angehörigen der Gesundheitsberufe — insbesondere Ärzten und Apothekern — soll weiterhin oberste Priorität haben. Die persönliche Beratung durch die Angehörigen der Gesundheitsberufe ist für den sicheren Umgang mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unerlässlich. |
2. Einleitung
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2.1 |
Mit dem vorliegenden Richtlinienvorschlag soll ein klarer Rahmen für die Bereitstellung von Informationen geschaffen werden, die die Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen über ihre verschreibungspflichtigen Arzneimittel an die breite Öffentlichkeit weitergeben, um eine effiziente Verwendung dieser Arzneimittel zu fördern. |
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2.2 |
Es soll sichergestellt werden, dass diese Informationen durch eine einheitliche Anwendung von klar festgelegten Standards gemeinschaftsweit von hoher Qualität sind. |
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2.3 |
Die Bereitstellung der Informationen soll über Kanäle gestattet werden, die den Bedürfnissen und Kompetenzen verschiedener Patientengruppen Rechnung tragen. |
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2.4 |
Es soll den Inhabern der Genehmigung des Inverkehrbringen der Arzneimittel ermöglicht werden, verständliche, objektive und werbungsfreie Informationen über Nutzen und Risiken ihrer Arzneimittel bereitzustellen. |
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2.5 |
Es werden Überwachungs- und Umsetzungsmaßnahmen vorgesehen, damit die Qualitätskriterien von den Informationsanbietern erfüllt werden, ohne dass dies zu unnötigem Verwaltungsaufwand führt. |
3. Kontext
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3.1 |
Die Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (3) gibt auf Gemeinschaftsebene einen einheitlichen Rahmen für die Arzneimittelwerbung vor. Die Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist nach dieser Rechtsvorschrift untersagt. Die Richtlinie enthält jedoch keine ausführlichen Bestimmungen für die Informationen über Arzneimittel, sondern sieht lediglich vor, dass bestimmte Informationstätigkeiten nicht unter die für die Werbung geltenden Bestimmungen fallen. |
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3.2 |
Auf der Grundlage von Art. 88a der Richtlinie 2001/83/EG (4) wurde eine Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zum Bericht über die gegenwärtige Praxis der Bereitstellung von Arzneimittelinformation für Patienten angenommen und dem Europäischen Parlament und dem Rat am 20. Dezember 2007 übermittelt (5). Der Bericht stellt fest, dass die Bereitstellung von Informationen in den einzelnen Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich geregelt und gehandhabt wird. Während manche Länder sehr restriktiv seien, erlaubten andere wiederum die Veröffentlichung verschiedener Arten von werbungsfreien Informationen. |
4. Vorschlag der Kommission
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4.1 |
Der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel sieht vor, bestimmte Informationen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift über die Werbung für Arzneimittel (Titel VIII) herauszunehmen und die Information über verschreibungspflichtige Arzneimittel in einem neuen Titel VIIIa zu regeln. |
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4.2 |
Die Arten der Informationen über zugelassene verschreibungspflichtige Arzneimittel, die der Inhaber der Genehmigung in der breiten Öffentlichkeit oder unter Angehörigen der breiten Öffentlichkeit verbreiten darf, sind in Art. 100b des Richtlinienvorschlages aufgeführt. Dazu zählen beispielsweise die Zusammenfassung der Merkmale, die Etikettierung und die Packungsbeilage des Arzneimittels in der von den zuständigen Behörden genehmigten Form. Außerdem sollen arzneimittelbezogene Informationen über nicht-interventionelle wissenschaftliche Studien zulässig sein. |
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4.3 |
Die Verbreitung der entsprechenden Informationen ist nur über gesundheitsbezogene Publikationen, Arzneimittel-Websites im Internet sowie im Rahmen schriftlicher Auskünfte, die Angehörigen der breiten Öffentlichkeit auf Informationsanfragen erteilt werden, zulässig (Art. 100c). |
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4.4 |
Art. 100d enthält generelle Qualitätsanforderungen an die Informationen sowie Angaben, die die Informationen enthalten müssen. |
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4.5 |
Art. 100g betrifft Bestimmungen betreffend die Kontrolle der Informationen. Die Methoden beruhen auf einer Kontrolle der Informationen vor ihrer Verbreitung, es sei denn, der Inhalt der Veröffentlichung wurde bereits von den zuständigen Behörden gebilligt oder ein anderer Mechanismus gewährleistet eine gleichwertige angemessene und wirksame Überwachung. |
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4.6 |
Websites mit Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel sollen registriert werden und dürfen nicht mit Web-TV ausgestattet sein. |
5. Allgemeine Bemerkungen
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5.1 |
Das Vorhaben, eine bessere Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel anzustreben, stößt beim EWSA im Hinblick auf die im Richtlinienvorschlag vorgesehene Erlaubnis für die Pharmaindustrie, direkt mit den Patienten zu kommunizieren, auf zahlreiche Vorbehalte. |
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5.2 |
Neben der Regelung der Information der breiten Öffentlichkeit bedarf es flankierender Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf die Verfügbarkeit und Verständlichkeit der bereitgestellten Informationen. Besonders dem demographischen Wandel ist Rechnung zu tragen, indem auch ältere Menschen und weitere Personengruppen mit besonderen Informationsbedürfnissen mit den Nutzungsmöglichkeiten des Internets auf für sie verständliche Weise vertraut gemacht werden. |
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5.3 |
Allerdings stellt sich bei Umsetzung dieses Richtlinienvorschlages auch das Problem, dass einzelne Arzneimittel in den Mitgliedstaaten jeweils einen unterschiedlichen Status haben. Das führt dazu, dass in dem einen Mitgliedstaat für das Arzneimittel geworben werden darf, in einem anderen Mitgliedstaat nur über das Arzneimittel entsprechend dem vorliegenden Richtlinienvorschlag informiert werden darf. Unterschiede in Art und Qualität der in den einzelnen Mitgliedstaaten verfügbaren Informationen bleiben also bestehen. |
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5.4 |
Durch den vorliegenden Vorschlag wird auch dem gesteigerten Interesse der Bürger der Europäischen Union an Informationen über bestehende Arzneimittel und Behandlungsmöglichkeiten Rechnung getragen. Patienten haben sich zu selbst verantwortlichen Verbrauchern entwickelt, die Gesundheitsleistungen selbstbewusst in Anspruch nehmen und sich verstärkt über Arzneimittel und Behandlungen informieren. Der „mündige Verbraucher“ ist allerdings ein Idealbild. |
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5.5 |
Immer mehr Bürger suchen nach Informationen auch über verschreibungspflichtige Arzneimittel im Internet. Der wachsenden Bedeutung des Internets ist dadurch Rechnung zu tragen, dass das Internet als wesentliches Informationsmedium zu betrachten ist über das der Bürger Informationen über Arzneimittel abrufen kann. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass eine bessere Nutzung der Möglichkeiten des Internets auch den Bevölkerungsteilen ermöglicht werden muss, die dieses Medium bislang in weniger starkem Ausmaß nutzen (siehe 5.2). |
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5.6 |
Die Notwendigkeit zur Schaffung eines gemeinschaftsrechtlichen Rahmens für die Bereitstellung der Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel ergibt sich auch aus dem Umstand, dass über das Internet Informationen verfügbar sind, deren Qualität zweifelhaft ist. Die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Informationen muss sichergestellt werden. Registrierte Webseiten müssen entsprechend Art. 100 h) Nr. 5 des Vorschlages deutlich gekennzeichnet sein, damit der Bürger diese von unseriösen Angeboten unterscheiden kann. |
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5.7 |
Da zu den Informationen, die der Inhaber der Zulassung über verschreibungspflichtige Arzneimittel verbreiten darf, der Beipackzettel gehören wird, unterstützt der EWSA unabhängig von dem vorliegenden Vorschlag bestehende Bestrebungen für eine bessere Lesbarkeit der Packungsbeilage. Dies kann auch unter Beteiligung von Patientenorganisationen erreicht werden. Der EWSA empfiehlt die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die sich dieses Themas annimmt. |
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5.8 |
Der EWSA stellt sich eine unabhängige Stelle vor, die neben den Zulassungsinhabern die Informationen bereitstellt. Diese unabhängigen Stellen könnten über Arzneimittel verschiedener Zulassungsinhaber informieren und beispielsweise auch verschiedene zu einer bestimmten Indikation zur Verfügung stehende Arzneimittel (insbesondere Generika) präsentieren. |
6. Besondere Bemerkungen
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6.1 |
Der EWSA begrüßt die Beibehaltung des Öffentlichkeitswerbeverbotes für verschreibungspflichtige Arzneimittel. |
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6.2 |
Der Richtlinienvorschlag geht richtigerweise davon aus, dass die amtlich genehmigten Informationen wie die Zusammenfassung der Merkmale, die Etikettierung und die Packungsbeilage des Arzneimittels in der von den zuständigen Behörden genehmigten Form sowie die öffentlich zugängliche Fassung des Beurteilungsberichts der zuständigen nationalen Behörden nicht als Werbung, sondern als Information einzustufen sind. Entsprechende Informationen sollten der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden können. |
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6.3 |
Werden die unter 6.2. genannten Kriterien in einer anderen Darstellungsform bereitgestellt als in der amtlich genehmigten Form, muss sichergestellt werden, dass die Qualitätskriterien des Art. 100d eingehalten werden. In Art. 100b Buchstabe b) sollte zur Klarstellung explizit auf die Anforderungen des Art. 100d verwiesen werden. Das Erfordernis einer Darstellung der amtlich genehmigten Informationen in einer anderen Form resultiert aus dem Umstand, dass zurzeit die amtlich genehmigten Informationen wie Packungsbeilage und Fachinformation für die Patienten zum Teil schwer lesbar sind. Der EWSA wiederholt daher sein Anliegen, diese Informationen in der amtlich genehmigten Form besser lesbar und verständlich zu machen (vgl. 5.7). |
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6.4 |
Die Verbreitung von Informationen über nicht-interventionelle wissenschaftliche Studien in der breiten Öffentlichkeit wird abgelehnt. Es bestehen erhebliche Zweifel, dass der Patient in der Lage ist, Informationen über nicht-interventionelle wissenschaftliche Studien richtig zu bewerten und die für ihn notwendigen Rückschlüsse zu ziehen. Dies gilt unabhängig von der Frage der Qualität solcher Informationen. Die Aufklärung über entsprechende Studien sollte weiterhin einzelfallbezogen durch die Angehörigen der Gesundheitsberufe erfolgen. |
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6.5 |
„Gesundheitsbezogene Publikationen“ eignen sich nicht zur Verbreitung der Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel. Bereits der Begriff ist mehrdeutig, so dass eine einheitliche Auslegung in den einzelnen Mitgliedstaaten zweifelhaft ist. Zudem stellt sich bei dieser Art der Verbreitung die Frage, ob nicht die Grenze zwischen von dem Patienten angeforderten Informationen („pull-information“) und aktiv an den Patienten verbreiteten Informationen („push-information“) überschritten wird, da der Patient beim Erwerb einer gesundheitsbezogenen Publikation nicht unbedingt gezielt nach Informationen über ein bestimmtes Arzneimittel sucht (6). |
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6.6 |
Internet Webseiten müssen entsprechend der Regelung in Art. 100h Abs. 1 leg. cit. zuvor durch die nationalen Behörden registriert werden. Dies würde die Sicherung der öffentlichen Belange auch im Internet erleichtern und sicherer machen. |
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6.7 |
Die durch die Registrierung entstehenden Kosten sollten einem vertretbaren Bürokratieaufwand sowohl auf Behördenseite als auch in der Industrie entsprechen. |
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6.8 |
Es ist sinnvoll, dass die Informationen den Hinweis darauf enthalten müssen, dass ein Angehöriger eines Gesundheitsberufs kontaktiert werden soll, wenn der Patient genauere Auskünfte zu den bereitgestellten Informationen benötigt. Auch wenn dem gesteigerten Informationsbedürfnis des Patienten und dem sich wandelnden Bild des aufgeklärten Verbrauchers durch die Bereitstellung von Informationen auch über verschreibungspflichtige Arzneimittel Rechnung getragen wird, so vermögen die mit dem vorliegenden Richtlinienvorschlag zur Verbreitung vorgesehenen Informationen die Aufklärung durch Angehörige der Gesundheitsberufe im Einzelfall nicht zu ersetzen. |
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6.9 |
Der EWSA unterstützt die in Art. 100g des Vorschlages vorgesehenen Methoden der Kontrolle der Informationen. Dort, wo eine Vorabkontrolle der Informationen notwendig erscheint, sollte eine solche stattfinden. Wurde der Inhalt der Veröffentlichung jedoch bereits von den zuständigen Behörden gebilligt oder gewährleistet ein anderer Mechanismus eine gleichwertige angemessene und wirksame Überwachung, ist eine Vorabkontrolle nicht erforderlich. Die Mitgliedstaaten müssen entscheiden können, ob auf ihrem Gebiet ein Mechanismus existiert, der eine gleichwertige und angemessene Überwachung gewährleistet. Art. 100g trifft insoweit eine ausgewogene Regelung. |
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6.10 |
Der EWSA begrüßt nachdrücklich die in Art. 100g Abs. 2 des Vorschlages vorgesehene Erstellung von Leitlinien zu den Informationen, die nach diesem Titel zulässig sind. In diesen Leitlinien und dem darin enthaltenen Verhaltenskodex kann die Abgrenzung zwischen unzulässiger Werbung und zulässiger Information präzisiert werden. Dies ist notwendig, weil eine abstrakt-generelle Abgrenzung in Form einer „allgemeinen Definition“ nicht möglich ist. |
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6.11 |
Positiv bewertet wird das Verbot der Ausstattung der Websites mit Web-TV, ebenso wie das Verbot, die Informationen über TV oder Radio zu verbreiten. |
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) Siehe die Stellungnahme des EWSA zum Richtlinienvorschlag über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 116.
(2) Siehe die Stellungnahme des EWSA „Berücksichtigung der Bedürfnisse älterer Menschen“, ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 115.
(3) ABl. L 311 vom 28.11.2001, Seite. 67, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2008/29/EG (ABl. L 81 vom 20.3.2008, Seite 51).
(4) Eingeführt mit der Richtlinie 2004/27/EG (ABl. L 136 vom 30.4.2004, Seite 34).
(5) KOM(2007) 862 eng.
(6) Insbesondere dann, wenn es sich bei der „gesundheitsbezogenen Publikation“ um eine Beilage zu einer Zeitschrift handelt.
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/22 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittelagentur hinsichtlich der Pharmakovigilanz von Humanarzneimitteln“
KOM(2008) 664 endg. — 2008/0257 (COD)
2009/C 306/05
Der Rat beschloss am 23. Januar 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittelagentur hinsichtlich der Pharmakovigilanz von Humanarzneimitteln“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 19. Mai 2009 an. Berichterstatterin war Sylvia GAUCI.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) mit 92 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die Absicht der Kommission, durch Stärkung der Kontrollverfahren mit einer klaren Verteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten der Verantwortlichen und für eine transparente Entscheidungsfindung in der EU die Marktüberwachung zu erhöhen und damit das Pharmakovigilanzsystem zu stärken. |
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1.2 |
Der EWSA empfiehlt nachdrücklich, dass durch den neuen Rechtsrahmen der Patient in den Mittelpunkt des EU-Rechts gestellt wird, indem ausreichend harmonisierte Vorschriften in diesem Bereich erlassen werden, um EU-Bürgerinnen und -Bürgern in der ganzen Union zumindest langfristig einen gleichberechtigten Zugang zu verlässlicher Information zu ermöglichen und sichere, innovative und erschwingliche Arzneimittel unabhängig vom Zulassungsort innerhalb des EWR frei zu einem angemessenen Preis verfügbar zu machen. |
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1.3 |
Dementsprechend und angesichts dessen, dass die Unterschiede, die sich zwischen den nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel herausgebildet haben, weitreichende Auswirkungen für die Patientinnen und Patienten haben und dass diese Unterschiede den Handel innerhalb des EWR behindern und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen könnten, begrüßt der EWSA deutliche Verbesserungen der derzeitigen Situation. |
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1.4 |
Der Ausschuss unterstreicht daher, wie wichtig es ist, die Patienten in die Pharmakovigilanz miteinzubeziehen, was auch eine direkte und interaktive Meldung möglicher Nebenwirkungen seitens der Patienten einschließt: Die Verantwortung für die Gesundheitsfürsorge sollte mehr und mehr mit den Patienten geteilt werden, die mehr Eigenverantwortlichkeit für ihre Gesundheit und Fürsorgemöglichkeiten übernehmen sollen, und die Kommunikation sollte in beiden Richtungen stattfinden, einschließlich einer gebührenden Nutzung des Internet. |
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1.5 |
Der Ausschuss begrüßt eine klare Aufteilung und Kodifizierung der Aufgaben und Zuständigkeiten aller Akteure, nämlich den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, der Europäischen Arzneimittelagentur EMEA (einschließlich ihrer Ausschüsse), der Kommission und den Zulassungsinhabern einschließlich der dort für Pharmakovigilanz Verantwortlichen, und den Patientinnen und Patienten. Der EWSA ist der Auffassung, dass die neuen Elemente, die durch die Vorschläge eingebracht werden, die auf lokaler Ebene bestehenden Strukturen und Verfahren nicht gefährden oder schwächen dürfen, insbesondere wenn diese an Patienten oder Angehörige der Gesundheitsberufe gerichtet sind. Dies setzt die Gewährleistung gemeinsamer Parameter für Vergleichsdaten im Rahmen eines transparenten und schnellen Verfahrens voraus. |
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1.6 |
Der EWSA unterstützt die Einrichtung eines neuen Ausschusses für Pharmakovigilanz, der an die Stelle der bestehenden Arbeitsgruppe Pharmakovigilanz der EMEA tritt, und ist überzeugt, dass die Einrichtung eines solchen Ausschusses unter der Voraussetzung, dass Aufgaben, Verfahren und Beziehungen zu anderen bereits vorhandenen Ausschüssen klarer definiert werden, zu einem besseren und schnelleren Funktionieren des Systems der EU führen könnte. |
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1.7 |
Für das Zusammentragen und die Verwaltung von Pharmakovigilanzdaten in der Datenbank „EudraVigilance“ müssen neue Personal- und Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, damit diese Datenbank die einzige interaktive Anlaufstelle für eine zügige Aufnahme und schnelle Lieferung von Pharmakovigilanzinformationen zu Arzneimitteln mit einer effektiven Datenverwaltung wird. Von entscheidender Bedeutung für das Vertrauen der Öffentlichkeit ist eine transparente und anwenderfreundliche Zugangspolitik, die sich interaktiv und für alle Interessenträger - insbesondere die Patientinnen und Patienten - offen zeigt und den Datenschutz und die Vertraulichkeit gewährleistet. |
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1.8 |
Der EWSA hebt die Bedeutung vereinfachter Verfahren für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) hervor und fordert eine Verbesserung des „KMU-Büros“ mittels finanzieller und administrativer Unterstützung für Kleinstunternehmen sowie für kleine und mittelgroße Unternehmen. |
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1.9 |
Auf dem Hintergrund expandierender internationaler Märkte und einer immer stärkeren Internationalisierung von Unternehmen empfiehlt der EWSA, die Abstimmung zwischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der EG sowohl auf Unionsebene als auch auf internationaler Ebene zu fördern. |
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1.10 |
Der EWSA spricht sich dafür aus, dass die Europäische Arzneimittelagentur EMEA dem EP, dem Rat und dem Ausschuss innerhalb von fünf Jahren eine unabhängige externe Bewertung ihrer Leistungen auf der Grundlage der neuen Verordnung und der Arbeitsprogramme zusammen mit einer Einschätzung der Arbeitsweisen und der Auswirkungen des in dem Vorschlag dargelegten neuen Mechanismus ebenso wie der interaktiven Funktionsweise der Datenbank „EudraVigilance“ vorlegt. |
2. Vorbemerkungen
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2.1 |
Harmonisierte Gemeinschaftsvorschriften über die Pharmakovigilanz von Humanarzneimitteln sind in der Verordnung EG/726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) in Bezug auf Arzneimittel, die von der Kommission gemäß dem zentralisierten Genehmigungsverfahren jener Verordnung genehmigt werden, und in der Richtlinie 2001/83/EG festgelegt. |
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2.2 |
Eine Risikobewertung während der Produktentwicklung sollte gründlich und genau durchgeführt werden, auch wenn es unmöglich ist, alle Sicherheitsbedenken in klinischen Tests zu ermitteln. Sobald ein Produkt auf den Markt kommt, steigt die Zahl der Patienten, einschließlich derer mit komorbiden Störungen und solchen, die gleichzeitig weitere Arzneimittel verwenden, allgemein stark an. Daher sind die Sammlung von Informationen und die Risikobewertung aufgrund von Erfahrungsdaten nach Einführung eines Arzneimittels entscheidend, um das Risikoprofil eines Produkts bewerten und beschreiben und fundierte Entscheidungen zur Risikominderung treffen zu können. |
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2.3 |
Die vorliegende Stellungnahme bezieht sich ausschließlich auf die Vorschläge der Kommission zur Änderung der gegenwärtigen Verordnung, wohingegen der Ausschuss in einer anderen Stellungnahme auf die Änderungen der Richtlinie 2001/83/EG (1) eingeht. |
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2.4 |
Angesichts dessen, dass sich Unterschiede zwischen den nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel herausgebildet haben und dass diese Unterschiede den Handel innerhalb der Gemeinschaft behindern und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen könnten, begrüßt der EWSA mit Nachdruck deutliche Verbesserungen des vorhandenen gemeinschaftlichen Rechtsrahmens. |
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2.5 |
Eine fehlende Abstimmung würde den Mitgliedstaaten den Zugang zum bestmöglichen wissenschaftlichen und medizinischen Fachwissen für die Beurteilung der Sicherheit von Arzneimitteln und zur Risikominderung versperren. |
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2.6 |
Der Ausschuss hat sich bereits dahingehend geäußert, „dass eine wirkungsvolle Arzneimittelüberwachung wichtig ist, und vertritt die Auffassung, dass die bestehenden Systeme gestärkt werden müssen. Alle am Verschreibungs- oder Abgabeprozess beteiligten Gesundheitsfachleute sowie Patienten sollten an einem auf alle Arzneimittel angewandten effizienten System zur Überwachung im Anschluss an das Inverkehrbringen mitwirken“ (2). |
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2.7 |
Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, durch Stärkung der Kontrollverfahren mit einer klaren Verteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten der zentralen Verantwortlichen für eine transparente Entscheidungsfindung in der EU in Fragen der Arzneimittelsicherheit die Marktüberwachung zu erhöhen, um Maßnahmen zu treffen, die vollständig und in gleicher Weise auf alle betreffenden Produkte in der EU angewandt werden. |
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2.8 |
Die Verantwortung für die Gesundheitsfürsorge wird in immer stärkeren Maße von den Patienten mitübernommen, deren aktives Interesse an ihrer eigenen Gesundheit und an Behandlungsmöglichkeiten stärker geworden ist. Es wird anerkannt, wie wichtig die Einbeziehung der Patienten in die Pharmakovigilanz ist, was auch eine direkte Meldung möglicher Nebenwirkungen seitens der Patienten einschließt, und der EWSA begrüßt, dass die Schaffung und Unterstützung von Möglichkeiten zur Sicherstellung einer Einbindung der Patienten auf allen Ebenen hervorgehoben werden. |
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2.9 |
Der EWSA erkennt an, dass die neuen Pharmakovigilanzbestimmungen, die den Zugang zu Gesundheits- und Arzneimittelinformationen verbessern und das proaktive Zusammentragen zuverlässiger Daten über Arzneimittelsicherheit ermöglichen werden, den Bürgern und Patienten in der EU zugutekommen werden. Für die Erhebung und Verwaltung von Pharmakovigilanzdaten in der Datenbank „EudraVigilance“ müssen neue Personal- und Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, damit sich diese Datenbank interaktiv gestaltet und zur zentralen Anlaufstelle für die Aufnahme und Lieferung von Pharmakovigilanzinformationen über Humanarzneimittel wird. |
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2.10 |
Der EWSA beleuchtet in verschiedenen Stellungnahmen (3) zu einzelnen Themen sämtliche unterschiedlichen Aspekte des Vorschlagspakets zu Arzneimitteln. Zu diesem Zweck wurde unter der Leitung des Fachgruppenvorsitzenden Bryan CASSIDY und unter Beteiligung von Vertretern verschiedener Unternehmen und nationaler und europäischer Organisationen eine wichtige und fruchtbare öffentliche Anhörung in Brüssel abgehalten. |
3. Die Kommissionsvorschläge zur Änderung der Verordnung
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3.1 |
Das Ziel der Vorschläge liegt in der Verbesserung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit in der Gemeinschaft bei gleichzeitiger Förderung des Binnenmarktes für Arzneimittel. Dieses Ziel soll durch Stärkung und Straffung des Pharmakovigilanzsystems in der EU und durch Beseitigung der Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften erreicht werden, um ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes für Arzneimittel sicherzustellen. |
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3.2 |
Die Vorschläge sollen zum Erreichen der strategischen Ziele des gemeinschaftlichen Rechtsrahmens für die Genehmigung und Überwachung von Arzneimitteln beitragen. Dies soll erreicht werden durch:
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3.3 |
Die Vorschläge zielen im Einzelnen auf Folgendes ab:
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3.4 |
Die Vorschläge zeigen die Notwendigkeit einer angemessenen Finanzierung der Arbeit der Agentur im Bereich der Pharmakovigilanz über Abgaben der Zulassungsinhaber, die Mittel für den EMEA-Telematik-Masterplan und die Auswirkungen auf den Haushalt der EMEA. |
4. Bemerkungen des Ausschusses
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4.1 |
Grundsätzliche Befürwortung: Der Ausschuss unterstützt die grundlegenden Ziele der Vorschläge zur Vollendung des Binnenmarktes für Arzneimittel, durch den die öffentliche Gesundheit, wie vorstehend festgestellt, verbessert würde. |
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4.1.1 |
Im Zusammenhang mit der erneuerten Lissabon-Strategie wiederholt der Ausschuss die Bedenken, die er hinsichtlich der Bedeutung einer Vereinfachung des rechtlichen Rahmens zugunsten der Bürger, Patienten, Unternehmen und der Gesellschaft geäußert hat, und betont die Notwendigkeit „eines integrierten Ansatzes, der der Pharmaindustrie und den Patienten Vorteile bringen und die Industrie anregen soll, weiterhin einen wichtigen Beitrag zu einer dynamischen, wissensbasierten, wettbewerbsfähigen Wirtschaft in Europa zu leisten“ (4). |
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4.2 |
Klar definierte Aufgaben und Zuständigkeiten: Der Ausschuss unterstreicht die Bedeutung dessen, dass „alle am Verschreibungs- oder Abgabeprozess beteiligten Gesundheitsfachleute sowie Patienten […] an einem auf alle Arzneimittel angewandten effizienten System zur Überwachung im Anschluss an das Inverkehrbringen mitwirken. Dieses Spontanmeldesystem sollte für neu in den Verkehr gebrachte Arzneimittel besonders stringent sein“ (5). |
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4.2.1 |
Der Ausschuss ist überzeugt, dass die derzeitigen Normen durch die Beteiligung aller Akteure verbessert werden können, da eine der Schwachstellen sicherlich darin besteht, dass es an Wissen bzw. Information über die verschiedenen Eigenschaften und Risiken fehlt, die auf dem Markt befindliche Arzneimittel haben. |
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4.2.2 |
Der EWSA unterstützt nachdrücklich eine klare Verteilung und Kodifizierung der Aufgaben und Zuständigkeiten aller Akteure, nämlich den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, der Europäischen Arzneimittelagentur EMEA (einschließlich ihrer Ausschüsse), der Kommission und den Zulassungsinhabern einschließlich der dort für Pharmakovigilanz Verantwortlichen. Die neuen Vorschläge zur Kodifizierung sind Gegenstand einer weiteren EWSA-Stellungnahme. |
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4.3 |
Rationellere Entscheidungsfindung in der EU: Der Ausschuss unterstützt die Einrichtung eines neuen Ausschusses, der an die Stelle der bestehenden Arbeitsgruppe Pharmakovigilanz der EMEA tritt, und ist überzeugt, dass die Einrichtung eines solchen Ausschusses, der sich eigens mit Fragen der Arzneimittelüberwachung in der EU befasst, ein Schritt in die richtige Richtung ist, durch den Sicherheitsangaben in der EU harmonisiert werden. |
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4.3.1 |
Der Ausschuss wünscht sich mehr Klarheit und eine weitere Verfeinerung einiger Vorschläge, insbesondere hinsichtlich der Schnittstelle zwischen dem Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) und dem neuen Pharmakovigilanz-Ausschuss, der Einbeziehung der Patienten und der Öffentlichkeit einschließlich der Patientenmeldungen über vermutliche Nebenwirkungen, der Aufgabe der Liste mit intensiv überwachten Arzneimitteln und den Definitionen für nicht-interventionelle Studien. Der EWSA möchte auf den kürzlich eingerichteten Ausschuss für neuartige Therapien verweisen, der sich speziell mit Fragen der Zulassung und der Vorgehensweise im Anschluss an die Zulassungserteilung befasst, einschließlich Pharmakovigilanz und einer Wirksamkeitsprüfung und der Beobachtung von Arzneimitteln für neuartige Therapien gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007. Diese Verordnung entsprang der Notwendigkeit, das zur Bewertung solch komplexer und spezialisierter Produkte erforderliche Fachwissen bereitzustellen. |
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4.3.2 |
Daher fragt sich der EWSA, ob ein allgemeiner Pharmakovigilanz-Ausschuss über das notwendige Fachwissen zur Regulierung von Pharmakovigilanzfragen für spezialisierte Produkte, wie etwa Arzneimittel für neuartige Therapien, verfügen wird. Dementsprechend wird vorgeschlagen, dass bei der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses für diese Produkte der CHMP über den Ausschuss für neuartige Therapien konsultiert wird. |
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4.3.3 |
Der Beitrag des künftigen neuen Pharmakovigilanz-Ausschusses für Sicherheitsanalysen sollte innerhalb eines eher allgemeinen Rahmens der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses überprüft werden, was in die Zuständigkeit des CHMP fällt und auch weiterhin fallen sollte. |
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4.4 |
Der Patient zuerst: Der Patient muss im Mittelpunkt des vorgeschlagenen neuen Rechtsrahmens stehen. Derzeit sind die Rechtsvorschriften in diesem Bereich durch die europäische Rechtsetzung nicht ausreichend harmonisiert, was zur Folge hat, dass die Unionsbürgerin der EU einen ungleichen Informationszugang haben. Patienten müssen ermutigt werden, etwaige Nebenwirkungen für alle Arzneimittel unmittelbar der nationalen Verwaltung anstelle des Zulassungsinhabers zu melden. Der Ausschuss befürwortet die unmittelbare Meldung als ein wesentliches Instrument zur Stärkung der Stellung der Patienten und zur Verbesserung ihrer Mitwirkung an der Pflege ihres Gesundheitszustands. |
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4.4.1 |
Es ist wichtig, dass klare und transparente Sicherheitsinformationen, wie Piktogramme (6), anhand derer die Verbraucher sofort intensiv überwachte Arzneimittel identifizieren können, die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der regelmäßig aktualisierten Unbedenklichkeitsberichte für Patienten sowie Arzneimittelverbrauchsdaten bekanntgemacht werden, wobei die Vertraulichkeit bezüglich Datenschutz und wirtschaftlichem Interesse zu wahren ist. Die EudraVigilance-Datenbank muss regelmäßig aktualisiert werden und für Patienten leicht und uneingeschränkt zugänglich sein. |
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4.4.2 |
Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Packungsbeilage zur Information der Patienten so gestaltet werden muss, dass deutlicher auf mögliche Nebenwirkungen hingewiesen wird, indem Sicherheitsinformationen auf der Packungsbeilage eingeführt werden und auf intensiv überwachte Arzneimitteln besonders aufmerksam gemacht wird. In jedem Fall muss ein Zuviel an Information vermieden werden. Die Information muss auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Zielgruppen zugeschnitten sein und von einem angemessenen Gebrauch des Internet unterstützt werden. Der EWSA geht auf diese Frage in einer anderen Stellungnahme (7) ein. |
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4.4.3 |
Das letztendliche Ziel besteht für den Ausschuss in der Verwirklichung eines wirksamen europäischen Binnenmarktes für Arzneimittel, der den Bedürfnissen und den Belangen der europäischen Patienten und Bürger hinsichtlich der Verfügbarkeit sicherer, innovativer und erschwinglicher Arzneimittel entspricht, die die Patienten benötigen. Hierbei muss die Abhängigkeit des Marktes von der Entscheidungsfindung der 30 verschiedenen nationalen Regierungen durch einen einheitlichen Ansatz der EU verringert werden. |
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4.5 |
Transparenz und Kommunikation: Mit seiner Unterstützung der aktuellen Vorschläge zur Verbesserung der Kommunikation mit Angehörigen der Gesundheitsberufe und Patienten durch die Produktinformationen spricht sich der Ausschuss nachdrücklich dafür aus, diese Gelegenheit zu nutzen, um sowohl die Packungsbeilagen als auch die Zusammenfassungen der Produktmerkmale (8) nützlicher, benutzerfreundlicher und kohärenter zu gestalten. |
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4.5.1 |
Informationen zur Überwachung von Humanarzneimitteln setzen ein interaktives europäisches Datenbanknetz voraus. Der EWSA befürwortet ausdrücklich eine Erweiterung der EudraVigilance-Datenbank als einziger Eingangsstelle von Informationen über „Nebenwirkungen, die bei zulassungsgemäßer, aber auch jeder anderen Verwendung einschließlich Überdosierung, unsachgemäßem Gebrauch, Missbrauch und Medikationsfehlern entstehen oder im Verlauf von Arzneimittelstudien oder bei beruflicher Exposition auftreten.“ |
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4.5.2 |
Das Handeln und die Entscheidungen der Agenturen einschließlich der EMEA sollten auf allen Ebenen von Transparenz geprägt sein. Ein wichtiger Aspekt hiervon ist die genaue und rechtzeitige Kommunikation neuer Angaben zu Risiken als wesentlicher Teil der Arzneimittelüberwachung. Die Risikokommunikation ist ein wichtiger Schritt des Risikomanagements und dient außerdem der Risikominimierung. Patienten und Angehörige der Gesundheitsberufe benötigen genaue und angemessen übermittelte Informationen über die Risiken sowohl hinsichtlich des Arzneimittels als auch der Situationen, in denen es angewendet werden soll (9). |
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4.5.3 |
Der EWSA sieht die Hauptaussage darin, dass die Bedeutung einer transparenten Politik in Bezug auf öffentlich zugängliche Daten ständig zunimmt und dass solche Anfragen innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist bearbeitet werden müssen. Zur Gewinnung des Vertrauens der Öffentlichkeit ist es unerlässlich, dass sich die Mitgliedstaaten auf transparente Zugangsregeln einigen. Der Ausschuss erwartet eine klarere Begründung für die Ablehnung eines öffentlichen Zugangs zu den transparenten und nicht der Verkaufsförderung dienenden Studien im Anschluss an die Zulassungserteilung bzw. zu den Ergebnissen dieser Studien im Zusammenhang mit dem Start des europäischen Internetportals für Arzneimittelsicherheit durch die EMEA. Der EWSA unterstreicht, dass er die Leitlinien und die Aufsicht über einen Teil der Unbedenklichkeitsstudien nach der Zulassung („PASS“) (10) gemäß Artikel 24, 26 und 57 Absatz 1 Buchstabe d) der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (11) umfassend befürwortet. |
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4.5.4 |
Der Ausschuss unterstützt den Vorschlag, dass die EMEA die Prüfung aller Veröffentlichungen übernimmt, da dies die Doppelarbeit erheblich verringern würde. Die Agentur sollte in ausgewählter medizinischer Literatur in Zusammenarbeit mit den Zulassungsinhabern nach Berichten über jeglichen Verdacht auf Nebenwirkungen von Humanarzneimitteln suchen, die bestimmte Wirkstoffe enthalten, die in die EudraVigilance-Datenbank und in eine öffentliche Liste überwachter Wirkstoffe einzugeben sind. |
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4.6 |
Vereinfachung der Verfahren: Der EWSA begrüßt die vorgeschlagene Initiative zur Verringerung des Verwaltungsaufwands bezüglich der Meldung von Nebenwirkungen und zur Vereinfachung des doppelten Meldungssystems, das europaweit für Einzelfälle existiert, wobei die Meldungen sowohl in Papierform als auch elektronisch zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten übermittelt werden. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass es von Nutzen wäre, eine spezifische rechtliche Verpflichtung einzuführen, den Anforderungen der International Conference on Harmonisation — ICH (12) bezüglich einer elektronischen Übermittlung zu entsprechen. |
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4.6.1 |
Des Weiteren sollte darauf hingewiesen werden, dass derzeit viele wertvolle Ressourcen für Pharmakovigilanz auf der Ebene der zuständigen nationalen Behörden durch die Anerkennung und Behandlung der von den Unternehmen übermittelten Einzelfallmeldungen gebunden werden und es zu einer Doppelarbeit ohne zusätzlichen Nutzen kommt. Es wäre besser, diese Ressourcen für die Förderung einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Behörden einzusetzen, indem das vorhandene Fachwissen optimiert wird und die Aufgaben verteilt und die Verwaltungsaspekte der Tätigkeiten in Bezug auf die Übermittlung und die Verwaltung aller Sicherheitsberichte vereinfacht werden. |
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4.6.2 |
Der EWSA hebt die Bedeutung vereinfachter Verfahren für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) hervor und fordert eine Verbesserung des „KMU-Büros“ mittels finanzieller und administrativer Unterstützung für Kleinstunternehmen sowie für kleine und mittelgroße Unternehmen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2049/2005. |
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4.7 |
Koordinierung der Tätigkeiten der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission: Vor dem Hintergrund expandierender internationaler Märkte und einer immer stärkeren Internationalisierung von Unternehmen gewinnt die Aufgabe der Regulierungsbehörden, die Einhaltung der Rechtsvorschriften zu bewerten und die Arzneimittelsicherheit zu überwachen, zunehmend an Bedeutung und wird kostenintensiver, da „die EU-Arzneimittelindustrie […] in einer globalen Wirtschaft“ (13) operiert. Als Antwort auf diese allgemeine Situation und die Herausforderungen des Binnen- und des Weltmarktes, die potenzielle Gefahren für die öffentliche Gesundheit beinhalten können, muss die weltweite Zusammenarbeit auf zwei verschiedenen Ebenen intensiviert werden:
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4.7.1 |
Wie der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Günter VERHEUGEN, sagte, leistet die Arzneimittelindustrie „einen wichtigen Beitrag zum Wohl der Menschen in Europa und weltweit, indem sie Arzneimittel herstellt, für Wirtschaftswachstum sorgt und sichere Arbeitsplätze schafft“ (15). |
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4.7.2 |
Die zunehmende Internationalisierung des Wirtschaftszweigs und die „auf dem EU-Arzneimittelmarkt bestehenden Probleme beeinträchtigen nicht nur die Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln und entsprechenden Informationen, sondern wirken sich auch auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nachteilig aus“ (16). Dementsprechend empfiehlt der Ausschuss dringend,
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4.8 |
Unabhängige externe Evaluierung der Leistungen der EMEA: Der EWSA spricht sich dafür aus, dass die EMEA in ihrem Bericht für 2015 eine unabhängige externe Bewertung ihrer Leistungen auf der Grundlage ihrer Gründungsverordnung und der Arbeitsprogramme sowie eine Einschätzung der Arbeitsweisen und der Auswirkungen des neuen Mechanismus für den CHMP, den Ausschuss für neuartige Therapien und den neuen Pharmakovigilanz-Ausschuss vorlegt, in denen die Standpunkte der Akteure sowohl auf der Gemeinschafts- als auch auf der nationalen Ebene berücksichtigt werden. |
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) Siehe Stellungnahme CESE 1024/2009 (Stellungnahme noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
(2) ABl. C 241 vom 28.09.2004.
(3) Die folgenden Stellungnahmen werden zur Zeit ausgearbeitet: CESE 1022/2009, Berichterstatterin: Frau HEINISCH, CESE 1023/2009, Berichterstatterin: Frau GAUCI, CESE 1024/2009 Berichterstatter: Herr CEDRONE, CESE 1191/2009 (INT/472), Berichterstatter: Herr MORGAN, CESE 1025/2009, Berichterstatter: Herr CEDRONE und CESE 1456/2009 (INT/478), Berichterstatter: Herr VAN IERSEL (Stellungnahme noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
(4) Vgl. Fußnote 2.
(5) Vgl. Fußnote 2.
(6) Etwa das in Großbritannien verwendete schwarze Dreieck.
(7) Siehe CESE 1024/2009, Berichterstatter: Herr CEDRONE (Stellungnahme noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
(8) PIL & SPC = Patient Information Leaflets (PILs) und Summaries of Product Characteristics (SPCs).
(9) Siehe auch die vorgeschlagene Empfehlung für ein Verfahren zur Ergreifung dringender Pharmakovigilanzmaßnahmen nach Artikel 107 der Richtlinie 2001/83/EG, die geänderte Richtlinie 65/65/EWG und die Verordnung des Rates 2309/93 über das Schnellwarnsystem für Pharmakovigilanz.
(10) Als Definition einer Unbedenklichkeitsstudie nach der Zulassung („PASS“) wird vorgeschlagen: Eine pharmakoepidemologische Studie oder ein klinischer Versuch mit einem zugelassenen Arzneimittel, durchgeführt mit dem Ziel, ein Sicherheitsrisiko festzustellen, zu beschreiben oder zu quantifizieren bzw. das Sicherheitsprofil des Arzneimittels zu bestätigen.
(11) Der Entwurf des Vorschlags für die EudraVigilance-Zugangsregelung kann auf den Seiten der Europäische Arzneimittelagentur im Internet unter http://www.emea.europa.eu/htms/human/raguidelines/pharmacovigilance.htm eingesehen werden.
(12) Die International Conference on Harmonisation ist eine internationale Organisation, die versucht, die rechtlichen und wissenschaftlichen Aspekte der klinischen Forschung, der Entwicklung von Arzneimitteln und deren Registrierung zu standardisieren.
(13) Siehe KOM(2008) 666 endg. vom 10.12.2008 und CESE 1456/2009 (INT/478), Berichterstatter: Joost VAN IERSEL (Stellungnahme noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
(14) Siehe auch das Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika.
(15) Siehe Kommissionsvizepräsident Günter VERHEUGEN in der Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/08/1924 vom 10.12.2008, Brüssel.
(16) Siehe Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/08/1924 vom 10.12.2008.
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/28 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Pharmakovigilanz“
KOM(2008) 665 endg. — 2008/0260 (COD)
2009/C 306/06
Der Rat beschloss am 23. Januar 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Pharmakovigilanz“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 19. Mai 2009 an. Berichterstatter war Carmelo CEDRONE.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) mit 93 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Kommission, der der Verbesserung des Systems der Pharmakovigilanz und seiner Harmonisierung auf europäischer Ebene dient und den Patienten und die Erfordernisse im Zusammenhang mit seiner Gesundheit in den Mittelpunkt stellt. |
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1.2 |
Der Ausschuss betont, dass die schrittweise Stärkung des Instruments der Pharmakovigilanz in erster Linie auf der Transparenz und Vereinfachung der einzelstaatlichen Verfahren durch zunehmende Harmonisierung basieren muss, um so eine gemeinsame Methodik zu erreichen. Er ist der Überzeugung, dass die Verwirklichung des freien Arzneimittelverkehrs in der EU und des Binnenmarktes in diesem Bereich angestrebt werden muss. |
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1.3 |
Der EWSA begrüßt daher die vorgenommene Verbesserung des geltenden rechtlichen Rahmens in Form einer Änderung und wesentlichen Verbesserung sowohl der hier behandelten Richtlinie 2001/83/EG als auch der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (zu der eine gesonderte Stellungnahme erarbeitet wurde, CESE 1023/2009 - Berichterstatterin: Sylvia GAUCI). Die Anwendung der geltenden Bestimmungen stößt an ihre Grenzen, weshalb derzeitige einzelstaatliche Vorschriften, welche den freien Arzneimittelverkehr in der EU - oft künstlich - beeinträchtigen und einen konkreten Prozess der Risikoverringerung unmöglich machen, mit diesen Änderungen überwunden werden sollen. |
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1.4 |
Der EWSA stellt positiv heraus, dass eine direkte Einbeziehung aller Beteiligten in die Pharmakovigilanz angestrebt wird, das heißt nicht nur der Angehörigen der entsprechenden Fachberufe und der vorhandenen öffentlichen Einrichtungen, sondern auch der Patienten selbst, die direkt in den Prozess der Risikoverminderung eingebunden und immer stärker an der Wahl der für den Schutz ihrer Gesundheit am besten geeigneten Behandlung beteiligt werden. Der EWSA ist der Auffassung, dass die durch die Vorschläge eingebrachten neuen Elemente die auf lokaler Ebene bestehenden Strukturen und Verfahren nicht gefährden oder schwächen dürfen, insbesondere wenn diese an Patienten oder Angehörige der Gesundheitsberufe gerichtet sind. Dabei müssen einheitliche Parameter für vergleichbare Daten im Rahmen transparenter und schneller Verfahren gewährleistet werden. |
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1.5 |
Der EWSA stellt fest, dass sich diese Initiative ausgezeichnet in die erneuerte Lissabon- Strategie einpasst, die neben einer Vereinfachung der Verfahren auch die Förderung einer kontinuierlichen Entwicklung des Arzneimittelsektors vorsieht. Angestrebt wird eine Branche auf der Grundlage einer dynamischen Wissensgesellschaft, die einen nachhaltigen Beitrag zu einer hoch fachspezifischen Tätigkeit leistet und dem wachsenden Bedarf und den zunehmenden Bedürfnissen der Bürger unserer Gesellschaft im Gesundheitsbereich vollauf gerecht werden kann. |
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1.6 |
Nach Ansicht des Ausschusses liegen die Stärken des vorgeschlagenen Rechtsakts in der Einrichtung einer neuen EMEA-Ausschussstruktur, die sich speziell und ausschließlich mit der Pharmakovigilanz beschäftigt, und einer ständig aktualisierten und für alle zugänglichen EU-Datenbank über mögliche Risiken (EudraVigilance). Hinzu kommt die Forderung nach stärker vereinfachten und spezifischen Instrumenten für die Ausarbeitung der jedem Arzneimittel beiliegenden Packungsbeilage. |
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1.7 |
Das Urteil des EWSA fällt somit positiv aus, denn der Vorschlag geht mit einer Verminderung der Verwaltungslasten und einer Vereinfachung der Meldung von Nebenwirkungen einher, wobei auch das derzeit in Papierform bestehende Meldeverfahren zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten vereinfacht wird. |
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1.8 |
Angesichts der Bedeutung, die der Pharmakovigilanz im Hinblick auf die Sicherheit der Bürger und ihr Recht auf sichere und wirksame Arzneimittel zukommt, fordert der EWSA, dass vom siebten FuE-Rahmenprogramm an die Pharmakovigilanz mit eigenen Programmen unter direkter Beteiligung der Europäischen Union, der Mitgliedstaaten, der Wirtschaft, der Hochschulen und der öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen in die gemeinschaftlichen Forschungsprogramme im Gesundheitsbereich aufgenommen wird. |
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1.9 |
Nach Auffassung des Ausschusses wird es auch nach der Behandlung des wichtigen Aspekts der Pharmakovigilanz noch eine Reihe offener Probleme in diesem Sektor geben, wie zum Beispiel die Frage der Preise für Arzneimittel, die unterschiedliche Verfügbarkeit der einzelnen Arzneimittel in den Mitgliedstaaten, das Problem der Verwendung von Generika und ihres harmonisierten Vertriebs, der Schutz vor Arzneimittelfälschungen und die illegale Arzneimittelbeschaffung, die Sicherheit der Einfuhr von Wirkstoffen und Arzneimittelträgerstoffen usw. Diese Probleme müssen angegangen werden, um den angestrebten freien Arzneimittelverkehr in der Europäischen Union und den Binnenmarkt in diesem Sektor zu verwirklichen. |
2. Einleitung
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2.1 |
Der in unserer Gesellschaft immer stärker formulierte Wunsch nach „guter Gesundheit“ und nach einer Verbesserung der Lebensqualität macht die Notwendigkeit deutlich, geeignete Antworten auf die Herausforderungen im Gesundheitsbereich zu geben, was bei der Prävention, der richtigen Verwendung und Kontrolle von Arzneimitteln anfängt. |
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2.2 |
Arzneimittel gehören zu den wichtigsten Instrumenten des Gesundheitsschutzes und stellen ein kostbares Gut dar, dessen Entwicklung und angemessene Verfügbarkeit für den Schutz der Gesundheit der Bürger wesentlich sind. Die richtige Verwendung dieses Gutes ist einer der Hauptfaktoren für die allmähliche Anhebung der Lebenserwartung und trägt zugleich zur Senkung der Ausgaben im Gesundheitsbereich bei, da dadurch die Kosten für Krankenhausaufenthalte und Facharztbehandlungen verringert werden können. |
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2.3 |
Das Erfordernis der Anpassung der Vorschriften über die Pharmakovigilanz ergibt sich aus der sorgfältigen Prüfung der gewonnenen Erfahrungen und aus einer unabhängigen Studie, die die Kommissionsdienststellen 2004 in Auftrag gegeben haben und in der einige Lücken in diesem Bereich sowie die Notwendigkeit einer Präzisierung der diesbezüglichen Vorschriften aufgezeigt wurden. Die Kommission hat daher beschlossen, die geltenden Pharmakovigilanzvorschriften zu überarbeiten und an die allmähliche Weiterentwicklung der allgemeinen Rechtsvorschriften über den freien Arzneimittelverkehr und über eine größere Arzneimittelsicherheit für die Bürger anzupassen. |
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2.3.1 |
Seit Erlass des ersten Gemeinschaftsrechtsakts über Pharmakovigilanz im Jahr 1965 sind nämlich lediglich Teilmaßnahmen beschränkten Umfangs ergriffen worden. Angesichts der in der täglichen Praxis festgestellten Grenzen ist nun ein Qualitätssprung hinsichtlich der Festlegung von Vorschriften über die Pharmakovigilanz erforderlich, u.a. auch, um zu vermeiden, dass diese Vorschriften - oftmals künstliche - Hindernisse für den freien Arzneimittelverkehr in der Europäischen Union schaffen, was in keiner Weise zugelassen werden darf. |
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2.4 |
Derzeit wird der Bereich durch die Verordnung (EG) Nr. 726/2004 vom 31. März 2004 und die Richtlinie 2001/83/EG geregelt, deren Änderung Gegenstand des hier behandelten Richtlinienvorschlags ist. Beide Rechtsinstrumente haben positiv zur Überwachung der Nebenwirkungen von Arzneimitteln beigetragen, doch bei der durchgeführten Prüfung und nach einer entsprechenden Konsultation aller beteiligten Akteure wurden Verbesserungsmöglichkeiten im Hinblick auf eine genauere Festlegung dieser Bestimmungen aufgezeigt. |
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2.5 |
Die vorgeschlagenen Änderungen erfolgen innerhalb des strategischen Rechtsrahmens über Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln und deren anschließende Überwachung und verfolgen das Ziel, ein hohes Maß an Gesundheitsschutz zu gewährleisten und der angestrebten Vollendung des Binnenmarktes für Arzneimittel näherzukommen. Dabei ist die soziale Bedeutung von Medikamenten zu berücksichtigen, weshalb stets die Interessen des Patienten im Mittelpunkt stehen müssen. |
3. Hintergrund
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3.1 |
Der Ausschuss hat in früheren Stellungnahmen immer wieder herausgestrichen, wie wichtig die wettbewerbsfähige und sehr innovative Pharma-Industrie in Europa ist. In den letzten 50 Jahren gehörte sie zu den modernen Industriebranchen mit dem höchsten technologischen Stand, der höchsten Innovationsrate, Beschäftigung von hoch professionellen Fachkräften und der daraus folgenden Wertschöpfung und Wachstumsrate. |
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3.2 |
Die positiven Aspekte von Arzneimitteln gehen jedoch einher mit schädlichen und unerwünschten Nebenwirkungen, die durch die Einnahme oder Medikationsfehler oder sogar unsachgemäßen Gebrauch und/oder Missbrauch des Arzneimittels verursacht werden. Der unsachgemäße Gebrauch von Arzneimitteln ist die Ursache von 5 % aller Krankenhauseinweisungen. |
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3.3 |
Deshalb ist diese Aufgabe mit einer großen Verantwortung verbunden und verdient große Beachtung, denn es geht um die sichere Gewährleistung der Gesundheit der Bürger, vor allem angesichts eines Vermarktungsprozesses, bei dem die Nebenwirkungen neuer Moleküle ggf. erst nach der Genehmigung und dem entsprechenden Inverkehrbringen des neuen Arzneimittels festgestellt werden. |
4. Definitionen
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4.1 |
Der Begriff Pharmakovigilanz bezeichnet den pharmakologischen Prozess zur Feststellung, Bewertung, Ergründung und Prävention von schädlichen Nebenwirkungen von Arzneimitteln, insbesondere ihrer kurz- und langfristigen Nebenwirkungen. |
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4.2 |
Während der Entwicklung von Arzneimitteln sollte eine eingehende und strenge Risikobewertung erfolgen, auch wenn während der klinischen Erprobung nicht alle erdenklichen Sicherheitsrisiken ermittelt werden können. Nach dem Inverkehrbringen eines Medikaments steigt im Allgemeinen die Zahl damit behandelter Patienten wesentlich an, u.a. auch jener Patienten, die an mehreren Krankheiten gleichzeitig leiden bzw. verschiedene Arzneimittel zugleich einnehmen. |
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4.3 |
Mit dem Begriff Nebenwirkungen bzw. unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) sind die unerwünschten negativen Wirkungen einer Behandlung mit einem Arzneimittel gemeint, d.h. unbeabsichtigte bzw. gefährliche Reaktionen auf die Einnahme eines Medikaments. Dieser Begriff hat eine andere Bedeutung als reine Kollateralwirkungen, die auch positiver Art sein können. Nebenwirkungen sind schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf ein Arzneimittel bei dessen Einnahme in normaler Dosierung zu Prophylaxe-, Diagnose- oder Behandlungszwecken oder zur Modifizierung einer Körperfunktion. |
5. Zusammenfassung des Kommissionsvorschlags
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5.1 |
Ziel der Richtlinie ist die Stärkung und Rationalisierung des Pharmakovigilanz-Systems, insbesondere die klare Festlegung der Aufgaben und Zuständigkeiten. Dazu erfolgt eine Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, die bislang den rechtlichen Bezugsrahmen für Humanarzneimittel bildete. |
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5.2 |
Deshalb hat die Kommission beschlossen, die bislang geltenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zu ändern. Damit werden folgende Einzelziele verfolgt:
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5.3 |
Nach Ansicht der Kommission stehen die Vorschläge im Einklang mit dem übergeordneten Ziel des freien Arzneimittelverkehrs, d.h. Unterschiede zwischen einzelstaatlichen Vorschriften zu beseitigen, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes für solche Produkte und gleichzeitig die öffentliche Gesundheit sowie die Gesundheit der Menschen auf hohem Niveau zu schützen. |
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5.4 |
Zu diesen Vorschlägen wurden alle interessierten Kreise, insbesondere Patienten und Angehörige der Gesundheitsberufe, zuständige Behörden der Mitgliedstaaten und die Wirtschaft ausführlich konsultiert. Die Folgenabschätzung ergab, dass die Verbesserung von Klarheit, Wirksamkeit und Qualität des derzeitigen Pharmakovigilanz-Systems zu beträchtlichen Verbesserungen für die öffentliche Gesundheit und zu Kosteneinsparungen für die Pharma-Industrie in der Europäischen Union führen dürfte. |
|
5.5 |
Im Hinblick auf eine größere Klarheit der Verantwortlichkeiten wurden in den neuen Rechtsvorschriften die Aufgaben und Zuständigkeiten der beteiligten Stellen präzisiert und kodifiziert. Das Pharmakovigilanz-System verbleibt zwar in der Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten, doch die Inhaber von Genehmigungen für das Inverkehrbringen müssen nunmehr alle verfügbaren Informationen ausschließlich an die gemeinschaftliche Datenbank EudraVigilance übermitteln, womit automatisch eine Bewertung der damit zusammenhängenden Fragen durch die Gemeinschaft ermöglicht wird. |
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5.6 |
Diese Bestimmungen für mehr Arzneimittelsicherheit sollen - durch Aufnahme des neuen Abschnitts „Wesentliche Informationen“ in die Zusammenfassung der Produktmerkmale und in die Packungsbeilage jedes Arzneimittels - das Vertrauen der Patienten und der Angehörigen der Gesundheitsberufe stärken. |
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5.7 |
Die Aufgaben der Arzneimittel-Agentur werden durch die Einsetzung eines in Artikel 27 der Neufassung vorgesehenen und zusätzlich mit der Risikobewertung betrauten neuen wissenschaftlichen Ausschusses für Pharmakovigilanz ausgebaut. Dieser soll sowohl den Ausschuss für Humanarzneimittel innerhalb der Agentur als auch die Koordinierungsgruppe der Mitgliedstaaten unterstützen. |
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5.8 |
Unternehmen mit einer Genehmigung für das Inverkehrbringen müssen eine „Pharmakovigilanz-Stammdokumentation“ anlegen und mit Blick auf die Genehmigung für das Inverkehrbringen jedes neuen Arzneimittels ein den ermittelten wie den potenziellen Risiken angemessenes Risikomanagementsystem vorlegen. |
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5.9 |
Der neue Legislativvorschlag ermöglicht durch den verstärkten Einsatz von IT-Tools (Art. 24) eine weitere Verbesserung der Pharmakovigilanz bei der Ermittlung von Arzneimittelnebenwirkungen. Der Anwendungsbereich der an die EudraVigilance-Datenbank versandten regelmäßigen aktualisierten Berichte über die Unbedenklichkeit von Arzneimitteln wird dahingehend geändert, dass diese nunmehr das Risiko-/Nutzen-Verhältnis analysieren müssen. Des Weiteren werden die rechtlichen Maßnahmen im Anschluss an die regelmäßigen aktualisierten Berichte über die Unbedenklichkeit von Arzneimitteln geregelt. Somit wird EudraVigilance eine eindeutige Verbindung zwischen der Bewertung der Pharmakovigilanz und der Überprüfung und Aktualisierung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen herstellen und zugleich den unmittelbaren Zugang zu sämtlichen Informationen der Datenbank ermöglichen. |
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5.10 |
Der neue Legislativvorschlag soll - durch die Vereinfachung der Meldung von Nebenwirkungen - die Berichterstattung in ein angemessenes Verhältnis zu den Risiken bringen. Dies erleichtert den Angehörigen der Gesundheitsberufe sowie den Patienten die Meldung etwaiger ungewollter Nebenwirkungen von in normaler Dosierung eingenommenen Arzneimitteln, aber auch der Auswirkungen von Überdosierungen und von Medikationsfehlern. In dem neuen Vorschlag werden die Modalitäten für die Meldung von Nebenwirkungen vereinheitlicht, indem nunmehr für nach dem zentralisierten Verfahren und für von den Mitgliedstaaten genehmigte Arzneimittel dieselben Vorschriften gelten. |
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5.11 |
Abschnitt 1 von Kapitel 3 betrifft die Erfassung und Meldung von Nebenwirkungen. Die nachfolgenden Abschnitte enthalten eine ausführliche und detaillierte technische Beschreibung der sonstigen Melde- und Beurteilungsmodalitäten für Pharmakovigilanz-Informationen. Gegenstand des zweiten Abschnitts sind „regelmäßige aktualisierte Berichte über die Unbedenklichkeit von Arzneimitteln“, und im dritten Abschnitt wird das „Gemeinschaftsverfahren“ definiert: In Artikel 107 i wird festgelegt, welches Verfahren jeder Mitgliedstaat befolgen muss, wenn er angesichts schwerer Mängel die Aussetzung oder den Widerruf einer Genehmigung erwägt. Der vierte Abschnitt - „Veröffentlichung von Beurteilungen“ - ist ein wichtiger Teil, der sich auf die Überwachung der Unbedenklichkeitsstudien nach der Genehmigung für das Inverkehrbringen bezieht. |
6. Rechtsgrundlage
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6.1 |
Der Vorschlag beruht auf Artikel 95 des EG-Vertrags, der das Mitentscheidungsverfahren vorsieht und die Rechtsgrundlage für das Erreichen der Ziele des freien Warenverkehrs von Humanarzneimitteln bildet. Darüber hinaus werden seit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam mit Artikel 95 zunehmend die Beseitigung der Hemmnisse des innergemeinschaftlichen Handels angestrebt und EU-Maßnahmen im Arzneimittelbereich begründet. |
7. Subsidiaritätsprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
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7.1 |
Die Gemeinschaftsbestimmungen im Bereich der Pharmakovigilanz gewährleisten den bestmöglichen Gesundheitsschutz nach gemeinschaftsweit geltenden einheitlichen Regeln. Sie entsprechen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da sie auf den Gesundheitsschutz abzielen, ohne einen exzessiven Verwaltungsaufwand aufzuerlegen, und sich dabei auf die bestehenden Strukturen, Verfahren, Mittel und Praktiken stützen. Der Vorschlag sieht vor, durch eine Vereinfachung und entsprechende Kostenreduzierung für die Wirtschaft das Ziel der Effizienzsteigerung des gemeinschaftlichen Pharmakovigilanz-Systems zu erreichen. |
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7.2 |
Mehr Sicherheit der auf dem Gemeinschaftsmarkt in Verkehr gebrachten Arzneimittel kann am besten nach dem in Artikel 5 des Vertrags vorgesehenen Subsidiaritätsprinzip gewährleistet werden. Danach lassen sich diese Ziele am besten auf Gemeinschaftsebene verwirklichen, da die Bestimmungen über die Überwachung von Humanarzneimitteln und die Marktüberwachung hinsichtlich der Vermarktung von Arzneimitteln unter Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 fallen. |
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7.3 |
Darüber hinaus umfasst der Vorschlag Bestimmungen zur Vereinfachung des gemeinschaftlichen Pharmakovigilanz-Systems und zählt somit zu den in Anhang 1 des Legislativ- und Arbeitsprogramms 2008 der Kommission aufgeführten Vereinfachungsinitiativen. |
8. Allgemeine Bemerkungen
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8.1 |
Der EWSA anerkennt den positiven und wichtigen Beitrag der Arzneimittel zur Lebensqualität der Bürger und hat stets sämtliche Initiativen zur Verbesserung der Sicherheit des Arzneimittelgebrauchs als fundamentalen Aspekt des Gesundheitsschutzes unterstützt. |
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8.2 |
Zunächst begrüßt der EWSA die Entscheidung, die geltenden Bestimmungen anhand früherer Erfahrungen gründlich zu überprüfen, da das mit den vorgeschlagenen Änderungen verfolgte Ziel von mehr Sicherheit Bestandteil sämtlicher früherer Stellungnahmen des EWSA zu verschiedenen Aspekten der Arzneimittelpolitik ist. Daher begrüßt der EWSA die Vereinfachungsbemühungen der Kommission, die sowohl im Interesse der Bürger - Patienten - als auch der Unternehmen liegen, und stimmt der Maßnahme zur weiteren Verwirklichung des Binnenmarktes in einem komplexen und wichtigen Bereich wie dem Arzneimittelsektor zu. |
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8.3 |
Der EWSA unterstützt die Änderungen, die die früheren Begriffe der Richtlinie 2001/83/EG präzisieren und besser definieren. Diese neuen Definitionen sollen Probleme hinsichtlich früherer Interpretationen lösen, die mitunter Anlass für Zweifel und unterschiedliche Bewertungen waren. Der EWSA begrüßt insbesondere die klareren Definitionen des in Artikel 1 Nummer 11 aufgeführten Begriffs „Nebenwirkung“ und seine Abgrenzung von dem in Nummer 14 desselben Artikels genannten und definierten Begriff „vermutete Nebenwirkung“. Diese Definition sollte unter Berücksichtigung der Gefahr einer möglichen Begriffsverwirrung mit der Definition der Internationalen Harmonisierungskonferenz (ICH) erfolgen. |
9. Besondere Bemerkungen
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9.1 |
In diesem Zusammenhang begrüßt der EWSA die in der neuen Nummer 15 enthaltene Präzisierung hinsichtlich der Definition der „Unbedenklichkeitsstudie nach der Zulassung“ und die in Nummer 28 vorgesehene Neuformulierung des Begriffs „Risikomanagement-System“. Es folgt eine ausführliche Beschreibung der geforderten Dokumentation im neuen Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe iaa) und in Nummer 28 c) über das „Pharmakovigilanz-System“ sowie in Nummer 28 d) über die vorgeschlagene „Pharmakovigilanz-Stammdokumentation“, welche in Artikel 8 Absatz 3 eingehender definiert wird. |
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9.2 |
Die besondere Aufmerksamkeit des EWSA findet der neue Artikel 21 a), da durch die neue Definition ein weiterer Sicherheitsaspekt eingeführt wird. Für die Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines neuen Arzneimittels ist nunmehr die Vorlage einer umfangreichen Dokumentation erforderlich, mit der die uneingeschränkte Einhaltung der in Artikel 22 klar definierten wesentlichen Sicherheitsbestimmungen nachgewiesen werden muss. Die Genehmigung erfolgt vorbehaltlich der Erfüllung bestimmter Bedingungen der zuständigen nationalen Behörden hinsichtlich der Arzneimittelsicherheit. |
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9.3 |
Artikel 22 a) verpflichtet die zuständige Behörde des Mitgliedstaates, nach dem Inverkehrbringen eine Unbedenklichkeitsstudie zu veranlassen, falls Bedenken hinsichtlich der Risiken des Arzneimittels bestehen. Auf der Grundlage der Informationen dieser Studie kann die zuständige Behörde des Mitgliedstaates die Genehmigung bestätigen oder zurückziehen. Der EWSA begrüßt die Bestimmungen von Artikel 23, demzufolge der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen - auf der Grundlage der Ergebnisse der Unbedenklichkeitsstudie - der zuständigen nationalen Behörde unverzüglich alle Verbote oder Beschränkungen durch die zuständige Behörde eines anderen Landes mitteilen muss. |
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9.4 |
In Artikel 101 wird die Aufgabe der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Direktverwaltung des Pharmakovigilanz-Systems eindeutig definiert: Sie müssen sämtliche Informationen über die Risiken von Arzneimitteln für die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit in einer einzigen Datenbank namens EudraVigilance zusammentragen; dieses Verfahren wird in Artikel 24 ausführlich erläutert. In jedem Mitgliedstaat wird eine Behörde ernannt, die für die Erfassung von Informationen über Nebenwirkungen eines Arzneimittels infolge der zulassungsgemäßen oder einer anderen Verwendung wie Überdosierung, unsachgemäßem Gebrauch, Missbrauch und Medikationsfehlern zuständig ist. |
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9.5 |
Der EWSA ist der Ansicht, dass die Patientensicherheit hinsichtlich des Arzneimittelgebrauchs durch die in Artikel 102 vorgeschlagene Formulierung verbessert wird, da die Mitgliedstaaten dadurch von Ärzten, Apothekern und sonstigen Angehörigen der Gesundheitsberufe die Meldung tatsächlicher oder vermuteter Nebenwirkungen verlangen können. |
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/33 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Humanarzneimittel“
KOM(2008) 662 endg. — 2008/0255 (COD)
2009/C 306/07
Der Rat beschloss am 12. Februar 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 152 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Humanarzneimittel“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 19. Mai 2009 an. Berichterstatter war Carmelo CEDRONE.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10. / 11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) mit 91 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag zur Änderung der hier erörterten Verordnung, da er den Zielen der Vereinfachung und Vereinheitlichung der Patienteninformationen entspricht. Gleichwohl ist der EWSA der Ansicht, dass die zwischen den Mitgliedstaaten existierenden erheblichen Abweichungen der Regeln für den Verschreibungs- und Abgabestatus von Arzneimitteln eine angemessene und verständliche Arzneimittelinformation behindern. Daher ersucht der EWSA die Kommission, auf eine einheitliche Bestimmung des Verschreibungs- und Abgabestatus derjenigen Arzneimittel hinzuarbeiten, die denselben bzw. dieselben Wirkstoff(e) in derselben Dosierung für dieselben therapeutischen Anwendungsgebiete in derselben Darreichungsform enthalten und unter den verschiedenen patentierten Markennamen in den Mitgliedstaaten vermarktet werden. |
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1.2 |
Der Ausschuss hat Rechtsetzungsinitiativen für Arzneimittel stets unterstützt, wenn sie die einheitliche Ausweitung solcher Rechtsvorschriften auf sämtliche EU-Mitgliedstaaten vorsehen und wenn sie einen Prozess der Vereinfachung einleiten. Diese Maßnahmen nützen nicht nur den Patienten, sondern auch den KMU, deren Ambitionen oftmals von der Bürokratie gemindert werden. |
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1.3 |
Um bei den Patienteninformationen eine noch höhere Qualität zu erreichen, schlägt der EWSA zusätzlich zu den von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen vor, auf den Packungsbeilagen, die sämtlichen Fertigarzneimitteln beigefügt werden, die Patienteninformationen mit Hilfe einer einfachen und unmittelbar verständlichen optischen Gestaltung durch farbliche Unterlegung zu vermitteln, z.B. Indikationen (grün), Kontraindikationen (gelb) und mögliche Risiken (rot). |
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1.4 |
Ferner sollte ein Verzeichnis über „Generika“ (d.h. Arzneimittel mit erloschenem Patentschutz und mit denselben Wirkstoffen) erstellt werden. Dieses Verzeichnis kann von der Agentur angelegt und für die Apotheken sowie sämtliche den Patienten zur Verfügung stehende Vertriebszentren bereitgestellt werden. |
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1.5 |
Dem EWSA ist zwar bewusst, dass noch nicht alle Bürger einen Computer nutzen, doch sollte seiner Ansicht nach ein Verfahren eingeleitet werden, um den Patienten die notwendigen Arzneimittelinformationen auch über das Internet zur Verfügung zu stellen. Diese Informationen, die die derzeitig geltenden Informationen ergänzen und nicht ersetzen sollen, müssen überprüft werden und ein gemeinschaftliches „Erkennungszeichen“ zur Vermeidung etwaiger Missbräuche oder Falschinformationen tragen. |
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1.6 |
Der EWSA fordert erneut die Fortsetzung der Politik zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren und der Patienteninformationen und ersucht die Kommission, weitere Rechtsetzungsinitiativen für sämtliche Bereiche des Arzneimittelsektors vorzulegen, in denen in den einzelnen Mitgliedstaaten noch Probleme einer uneinheitlichen Anwendung bestehen, die die vollständige Verwirklichung des freien Arzneimittelverkehrs in der EU behindern. |
2. Gründe für den Kommissionsvorschlag
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2.1 |
Mit dem hier erörterten Kommissionsvorschlag soll das in der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 vorgesehene Verfahren ausschließlich „in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Humanarzneimittel“ geändert werden. |
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2.2 |
Diese Änderungen betreffen die Bestimmungen hinsichtlich der direkten Information der Verbraucher über verschreibungspflichtige Arzneimittel und sollen das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes für Humanarzneimittel gewährleisten. Der Verordnungsvorschlag sieht zwar eine Änderung der Information der Öffentlichkeit über Humanarzneimittel vor, allerdings wird bekräftigt, dass Werbung gemäß den Bestimmungen der Richtlinie im ABl. L 311 vom 28.11.2001 und deren jüngster Änderung gemäß der Richtlinie 2008/29/EG untersagt bleibt. |
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2.3 |
Die Notwendigkeit, die in der derzeitigen Verordnung enthaltenen Vorschriften anzupassen, stützt sich auf die von der Kommission am 20. Dezember 2007 dem Europäischen Parlament vorgelegte Mitteilung. Dem Bericht „über die gegenwärtige Praxis der Bereitstellung von Arzneimittelinformationen für Patienten“ zufolge wird diese in den einzelnen Mitgliedstaaten mitunter äußerst unterschiedlich geregelt und gehandhabt, was zu Disparitäten und einem unterschiedlichen Zugang der Öffentlichkeit zu derartigen Informationen führt. |
3. Wesentliche Elemente des Kommissionsvorschlags
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3.1 |
Mit dem Verordnungsvorschlag KOM(2008) 662 endg. werden folgende Ziele verfolgt:
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3.2 |
Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen die Mängel beseitigt werden, die bei der Anwendung des Arzneimittelrechts gemäß Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über Humanarzneimittel) derzeitig bestehen. Hiermit wird insbesondere Folgendes bezweckt:
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3.3 |
Durch die Aufnahme eines neuen Titels VIIIa soll den Disparitäten begegnet werden, indem eine hochwertige und werbungsfreie einheitliche Information gewährleistet wird. Zur Beseitigung der ungerechtfertigten unterschiedlichen Vorgehensweise bei Arzneimitteln, die gemäß Titel II der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zugelassen wurden, in der eine einzige Fachinformation vorgesehen ist, soll auch für diese Arzneimittel Titel VIIIa der Richtlinie 2001/83/EG gelten. |
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3.4 |
Abweichend von Artikel 100g Absatz 1 der Richtlinie 2001/83/EG werden arzneimittelbezogene Informationen gemäß Artikel 100b Buchstabe d) der genannten Richtlinie vor ihrer Verbreitung einer Prüfung durch die Agentur unterzogen (Artikel 20b, KOM(2008) 662 endg.). |
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3.5 |
Unter den Aufgaben der Agentur gemäß Artikel 57 Absatz 1 soll daher ein Buchstabe u angefügt werden, in dem der Agentur die Aufgabe der „Abgabe von Gutachten zur Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Humanarzneimittel“ übertragen wird. |
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3.6 |
Artikel 20b Absatz 3 sieht vor, dass die Agentur die vorgelegten Informationen innerhalb von 60 Tagen nach Einlangen der Meldung ablehnen kann. Wird keine Ablehnung ausgesprochen, so gilt dies als stillschweigende Zustimmung zur Veröffentlichung der Informationen. |
4. Aufgaben der Agentur
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4.1 |
Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CMPH) hat im Rahmen der Agentur die Aufgabe, Stellungnahmen zu jeglicher Frage der Bewertung von Humanarzneimitteln zu erarbeiten. Sämtliche Genehmigungsentscheidungen werden nach wissenschaftlichen Kriterien hinsichtlich der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels getroffen. |
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4.2 |
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMEA) setzt sich aus verschiedenen Ausschüssen — darunter der Ausschuss für Humanarzneimittel — zusammen. Die Agentur hat folgende Aufgaben:
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4.3 |
Die hier erörterte Verordnung (EG) wird durch folgende Verordnungen ergänzt:
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5. Rechtsgrundlage, Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit
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5.1 |
Die vorgeschlagenen Änderungen befinden sich nach Auffassung der Kommission im Einklang mit den anderen Politikbereichen und Zielen der Union. Die Wahl von Artikel 95 des Vertrags erscheint angemessen, da er die Rechtsgrundlage des Arzneimittelrechts der Gemeinschaft darstellt, und der Inhalt der Vorschläge entspricht sowohl hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips als auch hinsichtlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes den Bestimmungen von Artikel 5 des Vertrags. |
6. Allgemeine Bemerkungen
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6.1 |
Der EWSA hat Rechtsetzungsinitiativen zur Vereinfachung der Rechtsvorschriften und ihre einheitliche Umsetzung in sämtlichen Mitgliedstaaten stets unterstützt. |
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6.2 |
Er begrüßt daher den Vorschlag für die Änderung der hier behandelten Verordnung, da er den Zielen der Vereinfachung und der Harmonisierung der Patienteninformationen entspricht und zugleich die Initiativen der Unternehmen und insbesondere der KMU vereinfacht. |
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6.3 |
Der Ausschuss hält — als Ergänzung der geltenden Bestimmungen — die Einleitung eines EDV-gestützten Verfahrens zur Online-Verbreitung geprüfter Informationen für sinnvoll und empfiehlt ebenfalls, die Verständlichkeit der Packungsbeilagen sämtlicher Fertigarzneimittel (siehe Ziffer 1.3) zu verbessern. |
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6.4 |
Der EWSA ersucht die Kommission, weitere Rechtsetzungsinitiativen für sämtliche Bereiche des Arzneimittelsektors vorzulegen, in denen in den einzelnen Mitgliedstaaten noch Probleme einer uneinheitlichen Anwendung — auch die Frage des Verkaufspreises sowie des Verschreibungs- und Abgabestatus — bestehen, die die vollständige Verwirklichung des freien Arzneimittelverkehrs in der EU behindern. |
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6.5 |
Der EWSA möchte gerne wissen, wieso für die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 „zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur“ gleichzeitig zwei verschiedene und parallele Rechtsetzungsinitiativen erforderlich sind. Die erste Initiative — KOM(2008) 664 endg. — sieht Änderungen hinsichtlich der Pharmakovigilanz vor, die zweite — KOM(2008) 662 endg. — hinsichtlich der Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Humanarzneimittel. |
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6.6 |
Der EWSA ist gegen eine solche Vorgehensweise der „hermetischen Trennung“ seitens der Kommission, da die Erarbeitung von zwei getrennten Legislativmaßnahmen eine Ressourcenverschwendung bedeutet und — mit Blick auf eine einheitliche Verordnung — möglicherweise zu Verzögerungen führen könnte. |
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/36 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (Neufassung)“
KOM(2008) 809 endg. — 2008/0240 (COD)
2009/C 306/08
Der Rat der Europäischen Union beschloss am 16. Februar 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (Neufassung)“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 18. Mai 2009 an. Berichterstatter war Daniel RETUREAU.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) mit 109 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen des Ausschusses
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1.1 |
Artikel 95 des EG-Vertrags bildet zu Recht die Rechtsgrundlage der neu gefassten Richtlinie, in der die Herstellungs- und Vertriebsbedingungen für Elektro- und Elektronikgeräte im Binnenmarkt vereinheitlicht werden. Die Rechtsform der Richtlinie ist doppelt gerechtfertigt, da es zum einen um die Neufassung einer Richtlinie geht und diese zum anderen von den Mitgliedstaaten gemäß dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eigenverantwortlich angewandt und überprüft wird. |
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1.2 |
Gleichwohl ist der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss der Ansicht, dass die Durchsetzung der neu gefassten Richtlinie auf eine größtmögliche Vereinheitlichung der Umsetzung im Binnenmarkt abzielen muss, um eventuelle administrative Komplikationen im grenzüberschreitenden Handel und mögliche, daraus resultierende Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. |
|
1.3 |
Was etwaige Änderungen der Liste toxischer oder gefährlicher Stoffe mit verbotener bzw. streng begrenzter Verwendung angeht, kann der Ausschuss nur dann die Methode des Ausschussverfahrens akzeptieren, wenn eine Konsultation der Beteiligten und eine Folgenabschätzung zu jedem der Liste hinzugefügten bzw. von der Liste gestrichenen Stoff durchgeführt werden. |
2. Vorschläge der Kommission
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2.1 |
Mit ihrem Vorschlag, die „EEAG-Richtlinie“ (Rückgewinnung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten) durch eine neu gefasste Richtlinie zur Zurückgewinnung und Behandlung von mehr Altgeräten, zur Ausweitung des Geltungsbereichs auf medizinische und Krankenhausgeräte sowie auf Überwachungsinstrumente und zur Förderung der Wiederverwendung reparierbarer Geräte zu ersetzen, strebt die Kommission zugleich einen besseren Umweltschutz und eine Verwaltungsvereinfachung an. Der Vorschlag für eine „RoHS-Richtlinie“ (RoHS = Restriction of Hazardous Substances), der auf die Beschränkung der Verwendung toxischer oder gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten abzielt und Gegenstand dieser Stellungnahme des Ausschusses ist, ergänzt die Neufassung der EEAG-Richtlinie und ist mit ihr verknüpft und muss folglich ebenfalls neu gefasst werden. |
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2.2 |
Hinsichtlich toxischer oder gefährlicher Stoffe rechnen die Kommissionsdienststellen insgesamt mit einem - wenngleich bescheidenen - Nettonutzen dieser Neufassung. Zudem ergeben die empfohlenen Optionen einen erheblichen kumulativen Effekt, indem sie die Richtlinie präzisieren, ihre Durchführung und Durchsetzung harmonisieren und damit zu einer besseren Rechtsetzung beitragen. |
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2.3 |
Die Neufassung dient insbesondere der Ausweitung des Geltungsbereichs beider Richtlinien, indem die bereits in den früheren Richtlinien vorgesehenen Geräte um medizinische sowie um Kontroll- und Überwachungsgeräte ergänzt werden; des Weiteren wird betont, dass ein Teil der Geräte nicht als Altgeräte behandelt, sondern wiederverwertet werden soll; die Unterscheidung zwischen rückgewonnenen Geräten und Altgeräten ist Gegenstand adäquater Erklärungen und Prüfungen. |
|
2.4 |
Die neu gefasste RoHS-Richtlinie behält ihre bisherige Rechtsgrundlage (Artikel 95, Binnenmarkt) ebenso bei wie die neu gefasste EEAG-Richtlinie (Artikel 175, Umwelt). Dies entspricht ihren jeweiligen Zielen, die im Wesentlichen unverändert bleiben. |
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2.5 |
Die Anhänge der neu gefassten RoHS-Richtlinie enthalten nähere Angaben zu der Art der betreffenden Geräte (Anhang I und II) und bilden den neuen Bezugsrahmen der neu gefassten EEAG-Richtlinie. Die Art und die erlaubten Höchstmengen der durch die RoHS-Richtlinie beschränkten toxischen oder gefährlichen Stoffe bleiben unverändert; die wissenschaftliche und technische Entwicklung sowie etwaige Ausnahmeregelungen werden künftig von dem Ausschussverfahren mit Kontrolle berücksichtigt. |
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2.6 |
Nach Ansicht der Kommission dürften die Vorteile für die Umwelt erheblich sein: Mehrere Tonnen von nach der RoHS-Richtlinie verbotenen Schwermetallen (> 1 400 Tonnen Blei, rund 2,2 Tonnen Cadmium) werden in medizinischen Geräten sowie in Kontroll- und Überwachungsinstrumenten verwendet, die gewichtsmäßig 0,2-0,3 % aller Elektro- und Elektronik-Altgeräte ausmachen. Die Stoffe können durch eine unsachgemäße Abfallbewirtschaftung in die Umwelt gelangen (nur 49,7 % aller medizinischen Altgeräte und 65,2 % aller ausgemusterten Kontroll- und Überwachungsinstrumente werden getrennt gesammelt). Eine Beschränkung der Verwendung dieser Stoffe im Rahmen von RoHS wird mittel- bis langfristig dazu führen, dass diese Produkte und der entsprechende Abfall keine solchen Stoffe mehr enthalten. Weitergehende Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Einbeziehung dieser Gerätekategorien in den RoHS-Geltungsbereich selbst in Szenarien, die eine wesentlich höhere Recyclingrate zugrunde legen, bis zu einem gewissen Grad positiv auf die Umwelt auswirken wird. |
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2.7 |
Die horizontal vereinheitlichten Begriffsbestimmungen der miteinander verknüpften Richtlinien werden auch zu einer besseren Anwendung sowie zur Beseitigung von Verwaltungshemmnissen (siehe die nachstehende Ziffer 3.3) und allzu divergierender Umsetzungsverfahren beitragen. |
3. Allgemeine Bemerkungen
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3.1 |
Durch die Technik der Neufassung von Instrumenten wie der EEAG- und der RoHS-Richtlinie können - wie im vorliegenden Fall - frühere Bestimmungen erheblich geändert werden. |
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3.2 |
Sämtliche Ungewissheiten hinsichtlich des Geltungsbereichs, der Begriffsbestimmungen und abweichender Verfahren der Mitgliedstaaten in puncto Produktkonformität sowie hinsichtlich der etwaigen Redundanz der alten Richtlinien mit dem neuen Regelungsrahmen REACH dürften nunmehr beseitigt sein. Eine echte Vereinheitlichung ist unerlässlich, um die Kosten der Maßnahmenumsetzung und den Verwaltungsaufwand zu verringern. |
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3.3 |
Die Komplementarität und Kohärenz beider Richtlinien mit anderen gemeinschaftlichen Regelwerken (gemeinsamer Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten (1), REACH (2), umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchender Geräte (3) sollte dadurch verbessert werden. |
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3.4 |
Der Ausschuss begrüßt, dass die Liste beschränkter oder verbotener Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten letztlich nicht geändert wurde, so dass weiterhin dasselbe Schutzniveau für Arbeitnehmer und Verbraucher gilt. |
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3.5 |
In diesem Zusammenhang fordert der Ausschuss die nötige Wachsamkeit gegenüber zahlreichen illegalen Verbringungen gefährlicher Abfälle in Länder, die nicht über die technischen Geräte für deren ordnungsgemäße Behandlung verfügen und folglich mit schweren Umwelt- und Gesundheitsproblemen konfrontiert werden; in einigen dieser Länder verursacht die Behandlung von Elektronik-Altgeräten bereits gravierende Gesundheitsprobleme, die sich noch verschärfen könnten, wenn die in der EEAG-Richtlinie vorgesehenen Vorbehandlungen nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden und wenn durch die Ausweitung des Geltungsbereichs auf die Kategorien 8 und 9 neue Risiken hinzukommen. |
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3.6 |
Der Ausschuss stellt fest, dass die Liste verbotener oder beschränkter Stoffe durch die vorgeschlagene Neufassung nicht geändert wird; hinsichtlich der Zulassung etwaiger Ersatzprodukte für die giftigsten bzw. gefährlichsten Stoffe ist darauf zu achten, dass diese nicht ihrerseits gefährlich sind. Eventuelle Ausnahmeregelungen dürfen nur für Stoffe gelten, die nach dem derzeitigen technischen Wissens- und Entwicklungsstand absolut unersetzlich sind, wobei alle notwendigen Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen zu treffen sind. |
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3.7 |
Der in den Anhängen I und II der RoHS-Neufassung festgelegte Geltungsbereich kann von der Kommission nach dem Ausschussverfahren mit Kontrolle geändert werden; gleichwohl hält der Ausschuss künftig neue Folgenabschätzungen und Vorabkonsultationen vor sämtlichen wesentlichen Änderungen für notwendig. Er begrüßt die Verwendung der REACH-Methodik für die etwaige Einführung neuer Stoffverbote. |
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3.8 |
Der Ausschuss erkennt an, dass die horizontale Vereinheitlichung der Begriffsbestimmungen aller einschlägigen Richtlinien (siehe vorstehende Ziffer 3.3) für mehr Klarheit sorgt und die Verwaltungskosten verringert. |
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3.9 |
Er erkennt ebenfalls an, dass eine vernünftige Höchstgeltungsdauer - vier Jahre - von Ausnahmen für bestimmte Stoffe die Suche nach Alternativlösungen erleichtert und zugleich den Herstellern eine ausreichende Rechtssicherheit bietet. |
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3.10 |
Dem Ausschuss ist bewusst, dass der geänderte Rechtsrahmen sich auf das Wachstum der Unternehmen und auf die Beschäftigung auswirkt, und er begrüßt die größere Kohärenz der beiden neu gefassten Richtlinien sowie die dadurch geförderte rechtliche und administrative Vereinfachung. |
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3.11 |
Der Ausschuss begrüßt die Ausweitung des Geltungsbereichs der RoHS-Richtlinie auf zwei zusätzliche Gerätekategorien (Kategorie 8 „Medizinische Geräte“ und Kategorie 9 „Überwachungs- und Kontrollinstrumente“) und die Anwendung des Grundsatzes der teilweisen Wiederverwendung der gesammelten Geräte; die auf einer Erklärung und etwaigen Kontrolle basierende Überprüfung zur Unterscheidung der Altgeräte von rückgewonnenen Instrumenten ist seiner Ansicht nach verhältnismäßig. |
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3.12 |
Des Weiteren begrüßt der Ausschuss die Vereinheitlichung der Begriffsbestimmungen der betreffenden Wirtschaftsakteure mit den Definitionen des Pakets „Vermarktung von Produkten“ sowie die hinzugefügten neuen Begriffsbestimmungen (z.B. Definition der medizinischen Geräte). |
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3.13 |
Der Ausschuss spricht sich nachdrücklich dafür aus, dass die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten somit weitaus effektiver als bei den früheren Richtlinien vor der Neufassung vereinheitlicht wird. Wünschenswert wäre eine Bewertung nach einigen Jahren praktischer Erfahrung, um zu prüfen, ob die verfolgten Ziele effektiv erreicht wurden. |
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) ABl. L 218 vom 13.2.2008, S. 82.
(2) ABl. L 396 vom 30.12.2006.
(3) ABl. L 191 vom 22.7.2005, S. 29.
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/39 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Elektro- und Elektronik-Altgeräte“
KOM(2008) 810 endg. — 2008/0241 (COD)
2009/C 306/09
Der Rat beschloss am 20. Januar 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Elektro- und Elektronik-Altgeräte“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 18. Mai 2009 an. Berichterstatterin war Sylvia GAUCI.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 11. Juni) mit 103 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Einleitung
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1.1 |
Mit der Überprüfung der Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (EEAG) sollten positive Auswirkungen aus wirtschaftlicher und umweltbezogener Sicht erzielt werden. Dies käme der Umwelt, den Marktteilnehmern und den europäischen Bürgern zugute. |
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1.2 |
Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Ziel der EEAG-Richtlinie, ein funktionierendes Binnenmarktkonzept für die Abfallbewirtschaftung zu erreichen, nicht umgesetzt worden ist. |
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1.3 |
Bei der Anwendung der EEAG-Richtlinie sind zahlreiche Probleme aufgrund vieler Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten aufgetreten. |
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1.4 |
Diese Unterschiede sind teilweise auf unklare Definitionen in der Richtlinie, aber auch auf Freiheiten in ihrer Anwendung durch die Mitgliedstaaten aufgrund von Artikel 175 des EG-Vertrages zurückzuführen. |
2. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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2.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verweist zusammenfassend auf folgende Themen, die bei der Überprüfung der EEAG-Richtlinie zu betrachten sind: |
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2.2 |
Die EEAG-Richtlinie hat ein Vereinfachungspotenzial, durch dessen Ausschöpfung der Verwaltungsaufwand für die Marktteilnehmer vermindert werden kann. |
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2.3 |
Bei der Überarbeitung der Richtlinie sollte die Europäische Union gemeinsam mit den nationalen Behörden sicherstellen, dass durch die Richtlinie gleiche Wettbewerbsbedingungen in allen EU-Mitgliedstaaten geschaffen werden. Wünschenswert wäre eine zweifache Rechtsgrundlage in Gestalt der Artikel 95 und 175 EG-Vertrag; dabei sollten die Bestimmungen über den Anwendungsbereich, die Begriffsbestimmungen, die Produktanforderungen und die Haftung der Hersteller für das Inverkehrbringen neuer Erzeugnisse unter die Rechtsgrundlage des Artikels 95 EG-Vertrag und Bestimmungen über die Ziele und die Abfallbehandlung unter Artikel 175 EG-Vertrag fallen. |
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2.4 |
Für alle Glieder der Kette, einschließlich Hersteller, Importeure, Einzelhändler, Händler und Schrotthändler, sollten in Bezug auf die Entsorgung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten dieselben Verpflichtungen gelten. |
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2.5 |
Bei der Überarbeitung der Richtlinie muss darauf geachtet werden, dass einerseits die Bestimmungen zum Schutz der Umwelt und andererseits die Bestimmungen zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts besser aufeinander abgestimmt sind. |
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2.6 |
Insbesondere sollten durch die Herstellerdefinition keine weiteren Binnenmarkthemmnisse geschaffen werden. Dies stünde eher im Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach der Umweltschutz den Prinzipien des Binnenmarktes nicht widersprechen darf. Die Herstellerdefinition in Artikel 3 Buchstabe j) des Vorschlags für eine Neufassung der EEAG-Richtlinie sollte auch so weit wie möglich mit einschlägigen Definitionen aus dem Beschluss Nr. 768/2008/EG übereinstimmen und der besonderen aus der EEAG-Richtlinie folgenden Verpflichtung Rechnung tragen, dass die Registrierung und Finanzierung des Sammelns und der Verwertung von Altgeräten keine Produktmerkmale sind (wie Zusammensetzung, Bestandteile, Umweltauswirkungen), sondern zusätzliche Verpflichtungen, die ausschließlich auf nationaler Ebene erfüllt werden müssen (d.h. Marktüberwachung und Durchsetzung). |
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2.7 |
Die überarbeitete Richtlinie darf keine Hindernisse für die Praxis der Kostenteilung bei der EEAG-Bewirtschaftung auf der Grundlage der derzeitigen Marktanteile schaffen. Was Anhang II betrifft, so bestünde ein zukunftsweisender Weg darin, den Interessenträgern weiterhin die Ausarbeitung von Behandlungsstandards zu gestatten. In der derzeitigen Situation haben sich auf dem Marktanteil beruhende, kollektive Systeme bei der Bewirtschaftung der EEAG als erfolgreich erwiesen. |
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2.8 |
Die Richtlinie sollte ihrer gesellschaftlichen Zielsetzung gerecht werden, die Umwelt zu schützen und Gefährdungen der menschlichen Gesundheit durch Schrott gering zu halten. Durch die kosteneffiziente Bewirtschaftung der Elektro- und Elektronikschrott-Abfallströme würde ein Beitrag dazu geleistet, ihre Verbringung in Drittstaaten zu unterbinden, in denen laschere Umweltstandards und eine höhere Gefährdung der mit der Entsorgung beschäftigten Arbeitnehmer herrschen. |
3. Besondere Bemerkungen zu den Artikeln
3.1 Artikel 3 Buchstabe j) neu: Herstellerdefinition
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3.1.1 |
Der Ausschuss stimmt der neuen Herstellerdefinition zu, macht jedoch auch darauf aufmerksam, dass diese Definition zu Trittbrettfahrern und einer Wettbewerbsverzerrung führen kann. |
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3.1.2 |
Die Definition soll ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes gewährleisten. Vor diesem Hintergrund fordert der EWSA die Kommission auf, die Verfahren zu vereinfachen und gleichzeitig einen Missbrauch durch Trittbrettfahrer zu verhindern. |
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3.1.3 |
Aufgrund der geänderten Definition des Begriffs „Hersteller“ in Verbindung mit der Präzisierung der Begriffe „Bereitstellung auf dem Markt“ in Artikel 3 Buchstabe o) neu und „Inverkehrbringen“ in Artikel 3 Buchstabe p) neu können Marktteilnehmer freiwillig spezifische Maßnahmen ergreifen, ohne Gefahr zu laufen, die mit dem Ende der Nutzung des Produkts verbundenen Kosten tragen zu müssen. |
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3.1.4 |
Durch die Präzisierung der Rolle eines jeden Marktteilnehmers können sich die Unternehmen von vornherein auf die Kosten einstellen und haben ein klareres Bild von der Verantwortung, die ihnen infolge ihrer Beteiligung an der Lieferkette der Elektro- und Elektronikgeräte zukommt. |
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3.1.5 |
Für die praktische Umsetzung müssen Mitgliedstaaten natürlichen oder juristischen Personen, die Produkte erstmals aus einem Drittland oder auch aus einem Mitgliedstaat (innergemeinschaftlicher Handel) auf ihren nationalen Märkten in den Verkehr bringen, innerstaatliche Verpflichtungen auferlegen können. Daher werden die Mitgliedstaaten gegebenenfalls entsprechende Bestimmungen einführen, auf deren Grundlage sie diese Personen feststellen und von ihnen verlangen können, für die Registrierung und Finanzierung der Bewirtschaftung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten zu sorgen, die aus ihren Verkäufen herrühren. |
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3.1.6 |
Der Ausschuss ist der Ansicht, dass optimale umweltbezogene Verbesserungen und größte Kostenwirksamkeit durch eine klare Herstellerdefinition am besten wie folgt erreicht werden können:
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3.2 Artikel 5: Getrennte Sammlung
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3.2.1 |
Die Rücknahmesysteme für Elektro- und Elektronik-Altgeräte sind erforderlich, damit Altgeräte aus privaten Haushalten in großem Umfang eingesammelt werden können. |
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3.2.2 |
Der Ausschuss besteht nachdrücklich darauf, dass diese Altgeräte auf Einzelstückbasis an den Vertreiber kostenlos zurückgegeben werden können, sofern das zurückgegebene Gerät gleichwertiger Art ist und dieselben Funktionen wie das verkaufte Gerät erfüllt hat. |
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3.2.3 |
Der Ausschuss ist aber der Auffassung, dass die Verbraucher über den Umfang ihrer Rechte informiert werden sollten, um Verwirrung bezüglich der Rolle der Marktteilnehmer zu vermeiden. Die Marktteilnehmer dürfen nicht uneingeschränkt als Sammler der Altgeräte auf Kosten der Kunden betrachtet werden. Insbesondere sollte es den Marktteilnehmern weiterhin freistehen, die Art der Erfüllung ihrer Rücknahmeverpflichtungen individuell zu gestalten, solange die Rücknahme nicht zum Zeitpunkt der Lieferung der gekauften Ware erfolgt. Nach Ansicht des Ausschusses sparen die Unternehmen hierdurch Kosten für Beförderungsleistungen und Arbeitskräfte. Diese Einsparungen sind auch aus der Sicht des Umweltschutzes und der Wettbewerbsfähigkeit sinnvoll. |
3.3 Artikel 7: Sammelquote
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3.3.1 |
Der Ausschuss stimmt der Überprüfung des Sammelziels zu. Eine Mindestsammelquote für EEAG auf der Grundlage des Absatzvolumens ist jedoch nicht zweckmäßig, da die Produkte fast immer eine bedeutend längere Nutzungsdauer als ein bis zwei Jahre haben und daher nicht zwei Jahre nach dem Verkauf in die Verwertung gelangen. |
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3.3.2 |
Wegen der Rohstoffpreise, die heute höher als vor fünf bis zehn Jahren sind, verschwinden EEAG mit einem Nettowert (das heißt mit hohem Metallanteil) aus den herkömmlichen Rücknahmekanälen. Die Folge ist, dass die so gesammelten EEAG in dem offiziellen EEAG-Kanal nicht mehr erfasst werden. Diese verloren gegangenen EEAG werden entweder nicht ordnungsgemäß verwertet, gar nicht verwertet, deponiert, illegal ausgeführt, ordnungsgemäß verwertet oder legal ausgeführt. Genaue Daten über diese verloren gegangenen EEAG stehen derzeit nicht zur Verfügung (siehe Bericht der Umweltagentur vom März 2009). |
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3.3.3 |
Nach Meinung des Ausschusses müssen künftig alle Marktteilnehmer für die Behandlung des Elektro- und Elektronikschrotts Verantwortung tragen, und sie müssen darüber mehr Kontrolle erlangen. |
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3.3.4 |
Der Ausschuss räumt ein, dass die erfolgreiche Umsetzung der Sammelziele von Faktoren abhängt, die sich dem alleinigen Einflussbereich der Hersteller entziehen, wie etwa das Vorhandensein von Rücknahmestellen und das von den Endnutzern verursachte Aufkommen an EEAG. |
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3.3.5 |
Der Ausschuss ist daher der Ansicht, dass die Hersteller nicht allein haftbar sein sollten: Studien zufolge gibt es große Ströme von EEAG, die außerhalb des offiziellen EEAG-Systems gesammelt und behandelt werden, und es gibt diesbezüglich neben den Herstellern zahlreiche andere Interessenträger, die Einfluss auf das Volumen gesammelter und recycelter Altgeräte haben. |
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3.3.6 |
Der Ausschuss betont, dass bei der Überarbeitung der EEAG-Richtlinie die Maximierung der Umweltergebnisse (höhere Einsammlungsrate) und die größere Kosteneffizienz bei der Behandlung von EEAG (effizientere Behandlung) im Vordergrund stehen sollten. |
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3.3.7 |
Wenn die Erreichung der Sammelziele zum Zeitpunkt des Eingangs der EEAG bei den Recyclingsystemen gemessen wird, können die Hersteller nach Ansicht des Ausschusses die Sammelquote für EEAG wegen der parallelen Abfallströme gar nicht erreichen. Daher ist der Ausschuss der Meinung, dass es wirksamer wäre, die Erreichung der Sammelziele zum Zeitpunkt des Eintreffens der Altgeräte beim Verwerter zu messen, da diese Methode alle EEAG-Ströme zusammen und nicht nur die über die Hersteller laufenden Ströme für sich berücksichtigen würde. Alles in allem verweist der Ausschuss darauf, dass die parallelen Abfallströme reguliert werden müssen, um zu gewährleisten, dass alle EEAG gemäß den Erfordernissen der Richtlinie recycelt werden. Insbesondere sollten andere Akteure als die Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten verpflichtet werden, Daten über die von Ihnen gesammelten EEAG zu liefern. |
3.4 Artikel 12: Finanzierung in Bezug auf Elektro- und Elektronik-Altgeräte aus privaten Haushalten
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3.4.1 |
Nach Auffassung des Ausschusses sollte die Verantwortung für die Finanzierung in Bezug auf Elektro- und Elektronik-Altgeräte aus privaten Haushalten nicht ausschließlich bei den Herstellern liegen, wie dies in dem neuen Artikel 12 des Kommissionsvorschlags empfohlen wird. |
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3.4.2 |
Der Ausschuss hält es für wichtig, dass den Herstellern Anreize gegeben werden, je nach ihrer Produktpalette und ihrem Geschäftsmodell zwischen einem individuellen und einem kollektiven System zu wählen. |
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3.4.3 |
Bisher werden die Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten nach Artikel 8 der EEAG-Richtlinie verpflichtet, am Ende der Nutzung ihrer Produkte die Kosten für deren Recycling zu tragen. Mit Artikel 8 Absatz 2 der EEAG-Richtlinie sieht die EU eine individuelle Herstellerverantwortung vor, nach der bei Produkten, die nach dem 13. August 2005 in Verkehr gebracht wurden, jeder Hersteller für die Finanzierung des Recyclings der von seinen eigenen Produkten stammenden Abfälle aus privaten Haushalten verantwortlich ist. Der Hersteller kann diese Verpflichtung wahlweise individuell oder durch die Beteiligung an einem kollektiven System erfüllen. |
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3.4.4 |
Derzeit prüfen die Hersteller die verschiedenen Lösungen. Möglicherweise wollen sie diese Frage in naher Zukunft entweder mit Hilfe individueller oder kollektiver Systeme angehen. |
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3.4.5 |
Der Ausschuss teilt die Ansicht, dass Artikel 8 Absatz 2 der geeignete Rechtsrahmen für die Durchsetzung der Herstellerverantwortung für EEAG ist. |
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3.4.6 |
Die Überprüfung der Richtlinie muss als Gelegenheit gesehen werden, den Herstellern bei der Wahl zwischen individueller Herstellerverantwortung und kollektiven Lösungen mehr Freiheit zu geben. |
Brüssel, den 11. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/42 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Hin zu einer EU-Strategie für den Umgang mit invasiven Arten“
KOM(2008) 789 endg.
2009/C 306/10
Die Europäische Kommission beschloss am 3. Dezember 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Hin zu einer EU-Strategie für den Umgang mit invasiven Arten“
Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz am 24. Februar 2009 mit den Vorarbeiten zur Ausarbeitung dieser Stellungnahme.
Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 11. Juni) Martin SIECKER zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 109 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1 |
Invasive Arten stellen in zunehmendem Maße eine Bedrohung für die biologische Vielfalt, die Landwirtschaft und die Gesundheit dar. Derzeit belaufen sich die durch invasive Arten verursachten Kosten auf schätzungsweise 10 bis 12 Mrd. EUR jährlich; invasive Arten stellen somit auch eine reale Gefährdung der Wirtschaft dar. |
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1.2 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss sieht hier eindeutig Handlungsbedarf, wie dies auch bereits auf höchster politischer Ebene zum Ausdruck gebracht wurde. Er nimmt die vier politischen Optionen zur Kenntnis, die in der Mitteilung zur Bewältigung invasiver Arten beschrieben werden: „Business as usual“, Einsatz existierender Rechtsinstrumente in Kombination mit freiwilligen Maßnahmen, Anpassung existierender Vorschriften und Erlass eines eigenen, umfassenden EU-Rechtsinstruments. |
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1.3 |
Der Ausschuss würdigt die hervorragende Analyse in der Mitteilung, weist aber zugleich darauf hin, dass bereits vor drei Jahren, bei der Annahme des Aktionsplans zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, Maßnahmen auf EU-Ebene hätten ergriffen werden müssen, und ruft daher dringend zum Handeln auf. |
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1.4 |
Der Ausschuss ist der Überzeugung, dass sich die Bedrohung durch invasive Arten am besten durch den Erlass eines eigenen, umfassenden EU-Rechtsinstruments und die Einrichtung einer europäischen Agentur zur Überwachung der Umsetzung eindämmen ließe. |
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1.5 |
Der Ausschuss hebt hervor, dass die Bevölkerung in der EU stärker auf die Bedrohung, die von invasiven Arten infolge des rasch zunehmenden Handels und Verkehrs ausgeht, aufmerksam gemacht werden muss. Dazu bedarf es Informations- und Aufklärungsmaßnahmen, bei denen die verschiedenen Gefahren und die wirtschaftlichen Kosten des Nichthandelns oder unzureichenden Handelns herausgestellt werden. |
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1.6 |
Der Ausschuss sieht es als wichtig an, dass die sozialen Aspekte der Bekämpfung invasiver Arten (z.B. erhebliche Gesundheitsrisiken durch die Begasung von Schiffen bei deren Ankunft in EU-Häfen) bei der Umsetzung der derzeitigen EU-Rechtsvorschriften oder in einem künftigen umfassenden EU-Rechtsinstrument gebührend berücksichtigt werden. |
2. Hintergrund
2.1 Was sind invasive Arten?
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2.1.1 |
Der in der Kommissionsmitteilung durchweg verwendete Begriff „invasive Arten“ umfasst „invasive gebietsfremde Arten“ im Sinne des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und „invasive nichtheimische Arten“. Invasive Arten werden weitgehend als Arten definiert, deren Ein- und/oder Verschleppung die biologische Vielfalt bedroht oder andere unvorhersehbare Folgen haben kann. Die Europäische Kommission stellt in ihrer Mitteilung fest, dass invasive Arten zu einem immer größeren Problem in der EU werden. |
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2.1.2 |
Im Rahmen des DAISIE -Projekts, das über das Sechste Forschungsrahmenprogramm der EU gefördert wird, wurden in Europa 10 822 nichtheimische Arten identifiziert, von denen sich 10-15 % negativ auf Wirtschaft und Umwelt auswirken dürften. Die wichtigsten Störfaktoren für die biologische Vielfalt sind Lebensraumveränderung, Klimawandel, Raubbau, Umweltverschmutzung und invasive Arten. |
2.2 Handlungsbedarf
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2.2.1 |
Zwar existieren auf EU-Ebene Instrumente, die sich mit vier dieser fünf Faktoren befassen, doch besitzt die EU im Gegensatz zu verschiedenen anderen OECD-Ländern derzeit kein umfassendes Rechtsinstrument für den Umgang mit invasiven Arten. Diese Lücke muss geschlossen werden, wenn die EU ihr Ziel, „den Rückgang der biologischen Vielfalt bis 2010 aufzuhalten“, erreichen will. Außerdem stellen invasive Arten auch für die Wirtschaft der EU eine große Gefahr dar. |
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2.2.2 |
Die Notwendigkeit eines koordinierten Vorgehens zur Bewältigung des Problems biologischer Invasionen wurde auf höchster politischer Ebene hervorgehoben. Der Rat (Umwelt), das Europäische Parlament, der Ausschuss der Regionen (1) und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (2) haben jeweils darauf hingewiesen, dass eine EU-Strategie für den Umgang mit invasiven Arten sowie ein wirksames Frühwarnsystem und wirksame Reaktionsmechanismen auf EU-Ebene erforderlich sind. Ein ähnliches Engagement ist bereits im Sechsten Umweltaktionsprogramm sowie in der Mitteilung der Kommission über die Eindämmung des Verlusts der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 und darüber hinaus und dem damit zusammenhängenden Aktionsplan enthalten. |
2.3 Die wichtigsten Einschleppungswege
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2.3.1 |
Es gibt drei Möglichkeiten, wie invasive Arten in eine Region gelangen und sich dort ansiedeln können: durch den Import als Handelsware, die Einbringung über Transportmittel und/oder durch die natürliche Ausbreitung aus benachbarten Regionen, in denen die Art selbst gebietsfremd ist. Aus diesen drei Mechanismen ergeben sich die sechs wichtigsten Einschleppungswege: Freisetzung, Entweichen, Schadorganismus, „blinder Passagier“, Korridor und selbstständige Einwanderung. |
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2.3.2 |
Durch rapide zunehmende Handels- und Transportaktivitäten eröffnen sich immer mehr Möglichkeiten zur Einbringung invasiver Arten und Umweltbelastungen. Aufgrund des Binnenmarktes kann sich eine invasive Art, sobald sie in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingeführt wurde, schnell in der gesamten EU ausbreiten. Wirksame handelsbezogene Maßnahmen sind daher nur an den EU-Außengrenzen möglich. Angesichts der Art und Weise, wie sich diese Arten ansiedeln und ausbreiten, können Maßnahmen eines Mitgliedstaats völlig zunichtegemacht werden, wenn benachbarte Staaten nicht ebenfalls entsprechende Maßnahmen ergreifen oder ihre Maßnahmen nicht koordinieren. |
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2.3.3 |
Höhere CO2-Konzentrationen, steigende Temperaturen, zunehmende Stickstoffablagerungen, veränderte Störungsabläufe und zunehmende Lebensraumverschlechterung dürften weitere Invasionen erleichtern. |
3. Die Auswirkungen
3.1 Ökologische Auswirkungen
Die Auswirkungen invasiver Arten auf die Umwelt sind beträchtlich und reichen von Veränderungen ganzer Ökosysteme und Bestandsbedrohung heimischer Arten bis zu subtileren ökologischen Veränderungen. Invasive Arten gelten als eine der größten Bedrohungen der biologischen Vielfalt.
3.2 Wirtschaftliche Auswirkungen
Durch invasive Arten können die Erträge aus Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei beeinträchtigt werden. Es sind auch invasive Arten bekannt, die die Wasserknappheit fördern und durch vermehrte Bodenerosion zur Bodendegradation beitragen.
3.3 Gesundheitliche Auswirkungen
Eine Reihe von Problemen für die menschliche Gesundheit, z.B. Allergien und Hautprobleme, werden durch invasive Arten ausgelöst, die entsprechenden Folgen werden durch den Klimawandel noch verstärkt.
3.4 Finanzielle Auswirkungen
Im Jahr 2008 wurden die mit biologischen Invasionen in Europa in Zusammenhang gebrachten Kosten im Rahmen einer ersten Schätzung auf 9,6 Mrd. bis 12,7 Mrd. EUR pro Jahr veranschlagt. Dieser Wert ist zweifellos zu niedrig angesetzt, denn er basiert auf den laufenden Ausgaben für die Tilgung und Bekämpfung invasiver Arten, zuzüglich der dokumentierten Kosten der wirtschaftlichen Auswirkungen.
4. Möglichkeiten der Bekämpfung invasiver Arten
4.1 Als politische Antwort auf die Bedrohung durch biologische Invasionen sind als international anerkannter „hierarchischer Dreistufenansatz“ Maßnahmen vorgesehen, die auf 1) Verhütung, 2) Früherkennung und Tilgung und 3) Bekämpfung und langfristiger Eindämmung beruhen.
4.1.1 Verhütung
Um weitere Einschleppungen durch den Handel zu begrenzen oder zu verhindern, müssten die Kontrollen und Inspektionen an den Grenzen verschärft werden. Die Unterbindung der bewussten Einführung könnte durch schärfere Regelungen erreicht und durch einen Informationsaustausch zwischen den nationalen, regionalen und internationalen Gremien, die mit der Bekämpfung biologischer Invasionen befasst sind, untermauert werden. Die Ratifizierung und Umsetzung des Ballastwasser-Übereinkommens würde die Vermeidung einer Einschleppung „blinder Passagiere“, die Schiffskiele bewuchern oder im Ballastwasser von Schiffen mittransportiert werden, erleichtern.
4.1.2 Früherkennung und schnelle Tilgung
Früherkennung und schnelle Tilgung invasiver Arten hängen von wirksamen Überwachungsprogrammen ab, die durch einen Frühwarnmechanismus zur schnellstmöglichen Unterrichtung anderer potenziell betroffener Gebiete und zum Austausch von Informationen über potenzielle Tilgungsstrategien untermauert werden.
4.1.3 Bekämpfung und Eindämmung
Sind invasive Arten bereits etabliert und weit verbreitet, muss der Schwerpunkt auf der Bekämpfung und Eindämmung liegen. Wie bereits erwähnt, sind hierzu ein wirksamer Informationsaustausch und die Umsetzung koordinierter Kampagnen und Aktionen zur Bekämpfung/Unterbindung der Verschleppung der betreffenden Arten erforderlich.
5. Vorhandene Instrumente und politische Optionen
5.1 Bestehendes Recht
Im Hinblick auf die verschiedenen, vorstehend beschriebenen Elemente einer Strategie hat die Kommission die geltenden EU-Vorschriften, Forschungsprogramme, Aktionspläne und sonstigen Initiativen geprüft und festgestellt, dass zwischen den bestehenden EU-Rechtsinstrumenten größere Lücken bestehen, die eine angemessene Reaktion auf die Bedrohung durch invasive Arten praktisch unmöglich machen. Auf internationaler Ebene hat die Internationale Seeschifffahrtsorganisation 2004 das Ballastwasser-Übereinkommen angenommen, das zwölf Monate nach der Ratifizierung durch 30 Staaten, deren Handelsflotten insgesamt mindestens 35 % des Bruttoraumgehalts der Handelsflotte der Welt ausmachen, in Kraft tritt. Am 28. Februar 2009 hatten erst 18 Staaten, die insgesamt 15,36 % des Bruttoraumgehalts der Handelsflotte der Welt ausmachen, das Übereinkommen ratifiziert. Unter diesen 18 Staaten sind nur zwei EU-Mitgliedstaaten (Spanien und Frankreich). Der EWR-Staat Norwegen hat es ebenfalls ratifiziert.
5.2 Handlungsoptionen
In der Mitteilung werden zur angemessenen Bekämpfung invasiver Arten die folgenden vier Optionen beschrieben:
5.2.1
Das „Business-as-usual”-Szenario ist eine Bezugsgröße, an der andere Optionen gemessen werden können.
5.2.2
Bei dieser Option blieben die geltenden rechtlichen Verpflichtungen dieselben, es würde jedoch bewusst entschieden, das Problem invasiver Arten proaktiv im Rahmen geltender Vorschriften zu regeln. Die Mitgliedstaaten würden invasive Arten freiwillig in ihre Grenzkontrollen einbeziehen. Ein auf existierenden Maßnahmen beruhendes europaweites Frühwarn- und Informationssystem könnte ebenfalls eingerichtet werden.
5.2.3
Diese Option entspricht in den meisten Punkten der Option unter Ziffer 5.2.1, sieht jedoch u.a. vor, dass die geltenden Pflanzenschutz-/Tiergesundheitsvorschriften dahingehend geändert würden, dass eine breitere Palette potenziell invasiver Organismen erfasst wird.
5.2.4
Diese Option würde bedeuten, dass eine umfassende, spezifische Rahmenregelung mit unabhängigen Bewertungs- und Interventionsverfahren für den Umgang mit invasiven Arten erarbeitet wird, die den geltenden Vorschriften Rechnung trägt. Soweit dies für wünschenswert und kostenwirksam gehalten wird, könnten die technischen Aspekte der Umsetzung von einer eigens zu diesem Zweck eingesetzten Agentur zentralisiert werden. Die Mitgliedstaaten, einschließlich der Gebiete in äußerster Randlage, wären verpflichtet, an den Grenzen auf invasive Arten zu kontrollieren und diesbezüglich Informationen auszutauschen. Es könnten auch verbindliche Überwachungs- und Berichterstattungsverfahren sowie effiziente Mechanismen für schnelles Intervenieren festgelegt werden. Obgleich eine Gemeinschaftsfinanzierung in gewisser Höhe denkbar wäre, könnten die Mitgliedstaaten die Tilgungs- und Bekämpfungsmaßnahmen auch direkt finanzieren. Diese Option wäre unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle invasiver Arten am wirksamsten. Sie würde die größte Rechtsklarheit bieten und gleichzeitig den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.
6. Bemerkungen
6.1 Wiederholung
Der EWSA würdigt die Mitteilung als hervorragende Analyse, die deutlich macht, wie ernst die Bedrohung durch invasive Arten für die biologische Vielfalt, die Landwirtschaft, die Gesundheit und die Wirtschaft ist. Der Ausschuss zeigt sich jedoch überrascht darüber, dass die gleiche Analyse - wenn nicht in exakt dem gleichen Wortlaut, so doch sinngemäß - bereits 2006 dem Aktionsplan zur Erhaltung der biologischen Vielfalt zugrunde lag, der auch der gleichen Argumentation folgte. Der EWSA hatte sich als Resultat der bisherigen Arbeit mehr erhofft als die Wiederholung einer drei Jahre alten Analyse. In der Mitteilung werden Maßnahmen gefordert, die schon vor Jahren hätten ergriffen werden müssen.
6.2 Erfordernis eines umfassenden Ansatzes
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6.2.1 |
In ihrer Mitteilung hebt die Kommission hervor, dass der Verlust der biologischen Vielfalt in der EU sich nur aufhalten lässt, wenn gleichzeitig das Problem biologischer Invasionen umfassend bekämpft wird. Die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Einbringung invasiver Arten in die EU sind beträchtlich und erfordern koordiniertes Vorgehen. Die Gemeinschaft ist zurzeit nicht in der Lage, das Problem der invasiven Arten effizient anzugehen, und Gebiete mit großem Artenreichtum, wie die überseeischen Gebiete der EU, erfahren diesbezüglich nicht die angemessene Aufmerksamkeit. Die geltenden Gemeinschaftsvorschriften, die verschiedene Aspekte invasiver Arten in Teilen regeln, machen ein koordiniertes Vorgehen schwierig. Politische Übereinstimmung auf Ebene der Mitgliedstaaten gibt es, wenn überhaupt, nur in geringem Maße. Wissenschaftliche Studien prognostizieren eine drastische Zunahme biologischer Invasionen. Daher ist davon auszugehen, dass sich die Lage noch zuspitzen wird. |
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6.2.2 |
Der Ausschuss ist der Überzeugung, dass sich die Bedrohung durch invasive Arten am besten durch die Annnahme eines umfassenden, spezifischen EU-Rechtsinstruments und die Einrichtung einer europäischen Agentur zur Koordinierung und Durchführung des Managements invasiver Arten entsprechend dem hierarchischen Dreistufenansatz bewältigen lässt. Wie auch in der Zeitschrift Science hervorgehoben wird, können nur so wirksame Maßnahmen gewährleistet werden. Die Kosten für eine solche europäische Agentur würden schätzungsweise zwischen 4 und 10 Mio. EUR jährlich betragen — eine geringe Summe verglichen mit den Kosten der ökologischen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen, falls die EU keine Maßnahmen ergreift. Eine Initiative der Kommission zur Förderung einer schnellstmöglichen EU-weiten Ratifizierung des Ballastwasser-Übereinkommens wäre ein wichtiger Schritt hin zu einem angemessenen Umgang mit invasiven Arten. |
6.3 Zu erwartender Widerstand
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6.3.1 |
Ein neues, rechtlich verbindliches europäisches Instrument und eine neue europäische Agentur zur Umsetzung des neuen Rechtsinstruments könnten in einigen Mitgliedstaaten aus finanziellen Gründen auf Widerstand stoßen. Diese vertreten die Ansicht, dass diese Art von Maßnahmen aus dem EU-Haushalt finanziert werden müsste, da es nicht einzusehen sei, dass die Mitgliedstaaten mit den größten Häfen und Luftverkehrsknotenpunkten — naturgemäß die Stellen, an denen die meisten invasiven Arten nach Europa kommen — finanziell für eine Politik geradestehen sollen, von der die ganze EU profitiert. Politiker in den Mitgliedstaaten könnten zusätzliche Rechtsvorschriften und Regelungen zur Bekämpfung der zunehmenden biologischen Invasion als einen Kostenfaktor und darum als Hemmnis für das nationale Wirtschaftswachstum ansehen. Den Steuerzahlern werden solche zusätzlichen Kosten widerstreben, da ihnen die Gefahr, die von invasiven Arten ausgeht, bisher zu wenig bewusst ist. Diese widerstrebende Haltung darf jedoch keine Entschuldigung für Untätigkeit sein. |
6.4 Information und Aufklärung
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6.4.1 |
Um das Problem biologischer Invasionen effizient anzugehen, muss die Öffentlichkeit angemessen informiert und sensibilisiert werden. Zurzeit sind nur 2% der europäischen Bürger der Meinung, dass biologische Invasionen ernsthafte Bedrohungen für die biologische Vielfalt darstellen. Europäischen Bürgern, Behörden und Unternehmen sollte durch Informations- und Aufklärungskampagnen mehr Verantwortungsbewusstsein für die möglichen Gefahren vermittelt werden, die vom Handel mit potenziell invasiven Arten und ihrer Verbreitung ausgehen. Wenn diese Informations- und Aufklärungsmaßnahmen sich nicht auf die Bedrohung der biologischen Vielfalt beschränken, sondern auch andere Gefahren (für die Gesundheit oder die Landwirtschaft) aufzeigen, könnte die Bevölkerung hinsichtlich neuer Rechtsvorschriften und der Errichtung einer neuen europäischen Agentur einsichtiger werden, insbesondere dann, wenn klar wird, dass das Nichttätigwerden langfristig sehr viel teurer sein wird, als jetzt zu handeln. Je eher angemessene Maßnahmen ergriffen werden, desto geringer werden die Kosten insgesamt sein. |
6.5 Soziale Aspekte
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6.5.1 |
Der EWSA schlägt vor, dass die Kommission alle bestehenden Instrumente und Rechtsvorschriften zur Bewältigung invasiver Arten und ihrer schädlichen sozialen Nebeneffekte überprüft. Das Beispiel der von anderen Kontinenten nach Europa verfrachteten Schiffscontainer, die mit Gas behandelt werden, damit sie unkontaminiert in den europäischen Häfen ankommen, zeigt nur einen dieser Nebeneffekte. |
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6.5.2 |
Es gibt verschiedene Methoden sicherzustellen, dass Schiffscontainer unkontaminiert in EU-Häfen ankommen. Die üblichste Methode ist die Begasung der Container mit Methylbromid. Obwohl diese Vorgehensweise die einfachste und kostengünstigste in den Ausgangshäfen ist, stellt sie für die Zielhäfen die komplizierteste, teuerste und gefährlichste Methode dar. |
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6.5.3 |
Es dauert einige Zeit, bis sich das Gas aus den behandelten Containern verflüchtigt hat und die Container gefahrlos betreten werden können. Da jedoch die ganze Wirtschaft auf „Just-in-time“-Konzepten beruht und Container direkt entladen werden müssen, bleibt häufig nicht genügend Zeit, die Container gründlich zu lüften. Aufgrund des Zeitdrucks besteht die Gefahr, dass Hafenarbeiter die Container zu früh und ohne entsprechende Schutzkleidung betreten. An begasten Containern fehlt zudem häufig ein Hinweis auf entsprechende Vorsichtsmaßnahmen. Die Verschiffung eines begasten Containers ist teurer als die eines unbehandelten Containers; aus Kostengründen werden daher begaste Container vielfach ohne den vorschriftsmäßigen Hinweis auf Vorsichtsmaßnahmen verfrachtet. In diesen Fällen betreten Hafenarbeiter die Container zur Entladung unmittelbar nach deren Ankunft ohne jegliche Schutzkleidung. Da Methylbromid nicht sichtbar und geruchslos ist, kann das giftige Gas seine schädliche Wirkung entfalten, ohne dass die Arbeiter es merken. Immer mehr Hafenarbeiter werden infolgedessen dem hochgiftigen Methylbromid ausgesetzt und sind für den Rest ihres Lebens stark gesundheitlich beeinträchtigt. Da es Alternativen zu der Behandlung mit Methylbromid gibt, wäre ein Verbot der Begasung von Containern innerhalb eines künftigen Rahmens für nachhaltige Kontrollmaßnahmen zur frühzeitigen Erkennung invasiver Arten sehr sinnvoll. |
Brüssel, den 11. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/46 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine europäische Strategie für die Meeresforschung und die maritime Forschung: Ein kohärenter Rahmen für den Europäischen Forschungsraum zur Förderung der nachhaltigen Nutzung von Ozeanen und Meeren“
KOM(2008) 534 endg.
2009/C 306/11
Die Europäische Kommission beschloss am 3. September 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Eine europäische Strategie für die Meeresforschung und die maritime Forschung: Ein kohärenter Rahmen für den Europäischen Forschungsraum zur Förderung der nachhaltigen Nutzung von Ozeanen und Meeren“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 20. Mai 2009 an. Berichterstatter war Marian KRZAKLEWSKI.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) einstimmig folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss würdigt den Inhalt und die Vorschläge der Kommissionsmitteilung KOM(2008) 534 als nützlich für die Entwicklung der Meeresforschung und maritimen Forschung in der EU und ist überzeugt, dass mit der darin dargelegten Strategie für eine europäische Meeresforschung und maritime Forschung die in der Mitteilung festgelegten Ziele erreicht werden können. |
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1.2 |
Der Ausschuss unterstützt die zentralen Ziele der neuen Strategie für Meeresforschung und maritime Forschung, insbesondere diejenigen, deren Verwirklichung zur Integration der einzelnen Meeresforschungszentren und -programme in den verschiedenen Mitgliedstaaten führt. |
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1.2.1 |
Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass der Vereinzelung in der Forschung mit dem entsprechenden Ausbau der Forschungsinfrastruktur begegnet werden kann. Der Ausschuss stellt fest, dass die in der Mitteilung vorgeschlagenen Lösungen bezüglich der Entwicklungsrichtung dieser Infrastruktur zielführend sind. |
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1.2.2 |
Nach Meinung des Ausschusses sollten die Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine stärkere Integration der Forschung ihre Politik den in der Mitteilung beschriebenen europäischen Zielen der Meeresforschung und maritimen Forschung anpassen. Zum anderen sollten die europäischen Institutionen dem Feedback (1) aus den Mitgliedstaaten Rechnung tragen. |
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1.3 |
Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Zivilgesellschaft über die Ergebnisse der Meeresforschung in Kenntnis gesetzt werden muss. Für die Bevölkerung in Küstenregionen sind die Ergebnisse der Meeresforschung und maritimen Forschung von erheblichem Interesse, weil deren Einfluss auf die Entwicklung dieser Regionen immer größer werden wird. |
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1.4 |
Der Ausschuss sieht die Ausweitung der Zugangsmöglichkeiten der europäischen Meeresforschungszentren zu Datenbanken in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten als eine sehr wichtige Frage an, die für eine erfolgreiche Umsetzung der Meeresforschungsstrategie von wesentlicher Bedeutung sein kann. Der Ausschuss ist darum der Meinung, dass im Sinne eines besseren Datenbankzugangs der Vorschlag der Kommission zum Aufbau eines europäischen maritimen Beobachtungs- und Datennetzwerks (EMODNet) nützlich ist. |
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1.5 |
Als prioritär sieht der Ausschuss die Erforschung globaler und regionaler Ökosysteme in Zusammenhang mit Klimafragen und deren Konsequenzen an. |
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1.6 |
Der Ausschuss sieht die folgenden vier Regionen als grundlegende Gebiete für die europäische Meeresforschung und maritime Forschung an:
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1.7 |
Der Ausschuss hebt hervor, dass für die europäischen Meeresforschungszentren auf der Grundlage der gemeinsam genutzten Datenbanken einheitliche komplexe Indikatoren (zu allen unter Ziffer 1.6 genannten Gebieten) erstellt werden sollten. Der Ausschuss ist der Meinung, dass diese Frage im Anschluss an die Kommissionsmitteilung eingehender von der Kommission und dem Rat behandelt werden sollte. Insbesondere wäre eine Weiterentwicklung von Indikatoren zweckmäßig, mit denen der Zustand der Meeresökosysteme sowie darin auftretende Veränderungen bestimmt werden können. |
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1.7.1 |
Die Indikatoren zur Zustandsbestimmung von Meeresökosystemen werden zum einen als Grundlage dazu dienen, die Wirksamkeit der Maßnahmen zum Schutz und zur ausgewogenen Nutzung der Meeresressourcen zu bewerten, und werden zum anderen die Beobachtung und Bewertung aller in den Meeresökosystemen auftretenden Veränderungen ermöglichen. |
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1.8 |
Eine wichtige Frage ist die Kontinuität der Meeresforschung, die mit der neuen Strategie in stärkerem Maße gewährleistet sein sollte als bisher, denn bekanntermaßen wurden in jüngster Zeit wichtige Meeresforschungsprojekte abgebrochen. |
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1.9 |
Die Vergabe von Studien muss mit der wirtschaftlichen Tätigkeit sowohl großer Konzerne als auch kleiner und mittlerer Unternehmen verknüpft sein. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, dass die Unternehmen einen besseren Zugang zu den Forschungsergebnissen erhalten und diese entsprechend nutzen können. Interessierte Kreise und die Bevölkerung in Küstenregionen sollten daher über Forschungsprojekte, deren Umfang und Ergebnisse informiert werden. |
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1.10 |
Ebenfalls noch zu beantworten ist die Frage derjenigen Zweige innerhalb der Meeresforschung und maritimen Forschung, die nicht von der europäischen Forschungsstrategie erfasst sind und darum nur schwer an Forschungsmittel gelangen. Die Folgetexte zu der Mitteilung sollten deshalb Angaben zur Unterstützung dieser Forschungszweige aus von der Kommission vorgesehenen Mitteln enthalten. |
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1.11 |
Nach Ansicht des Ausschusses sollte bei künftigen Maßnahmen der Kommission im Bereich Meeresforschung und maritime Forschung die Bedrohung der natürlichen Artenvielfalt der Meere (Mittelmeer, Ostsee, Nordsee und Schwarzes Meer) durch den fortschreitenden Verlust der natürlichen Lebensräume der Meeresfauna und -flora umfassender behandelt werden. |
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1.12 |
Der Ausschuss ist der Überzeugung, dass ein wichtiges Element der Strategie darin besteht, die Entstehung von Partnerschaften im Bereich Meeresforschung anzuregen bzw. die Entwicklung bestehender Partnerschaften zu fördern. Darum unterstützt der EWSA das Konzept der Kommission, ein neues Entscheidungsfindungsmodell für die Forschung zu initiieren, das in Form eines „Forums“ eine „langfristig nachhaltige Partnerschaft“ begründet. Er ruft die Kommission dazu auf, zur Konsolidierung dieses Partnerschaftsprozesses beizutragen und schon bald Maßnahmen vorzuschlagen, die auf die Vernetzung von Wissenschaftlergruppen abzielen, die sich mit Meeresforschung und maritimer Forschung beschäftigen. |
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1.12.1 |
Nach Meinung des Ausschusses sollten an dem vorgeschlagenen „Forum“ neben Wissenschaftlern auch Vertreter verschiedener interessierter Kreise sowie Entscheidungsträger im Bereich Meerespolitik teilnehmen. |
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1.12.2 |
In Zusammenhang mit der kürzlich errichteten Europäischen Fischereiaufsichtsagentur (EUFA) wäre deren Einbindung in die Arbeit des „Forums“ zweckmäßig. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass dieser Agentur im Rahmen des „Forums“ eine wichtige Rolle zukommen sollte. Auch bei der Erarbeitung der Forschungsprogramme sollte in Bereichen, die in ihre Zuständigkeit fallen, die Meinung dieser Agentur eingeholt werden. |
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1.12.3 |
Der Ausschuss fordert die Kommission auf, den angekündigten Beratungsmechanismus zum beiderseitigen Informationsaustausch zwischen Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern im Bereich Meerespolitik einzurichten. |
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1.13 |
Der Ausschuss ruft die Kommission auf, den Bau von Meeresforschungsschiffen in den Mitgliedstaaten zu fördern, um so die Meeresforschung zu intensivieren, sie qualitativ zu verbessern und thematisch auszudehnen. Nach Ansicht des Ausschusses wäre der optimale Weg, den Aufbau einer gesamteuropäischen Einrichtung für Meeresforschung zu beschließen. |
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1.14 |
Der Ausschuss ist sich der Existenz, Bedeutung und Entwicklung regionaler (territorialer) Infrastrukturen für Meeresforschung in der EU (2) bewusst; er berücksichtigt und befürwortet die in der Mitteilung angekündigte Unterstützung für die Kartierung des regionalen Bedarfs und fordert in diesem Zusammenhang die Kommission dazu auf, bei der Feststellung des Bedarfsumfangs der Entwicklung von Verbindungen zwischen „großer“ (europäische und nationale Ebene) und „kleiner“ (regionale Ebene) Forschungsinfrastruktur Rechnung zu tragen. |
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1.15 |
Unter Zusammenfassung seiner Bemerkungen, Schlussfolgerungen und Empfehlungen ruft der Ausschuss die Kommission dazu auf, in der weiteren Arbeit im Anschluss an die Mitteilung nicht nur den Einfluss der Meeresforschung und der maritimen Forschung auf eine ausgewogene Meereswirtschaft, sondern auch auf eine nachhaltige Entwicklung insgesamt zu bewerten. |
2. Hintergrund
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2.1 |
Die in der Kommissionsmitteilung KOM(2008) 534 vorgeschlagene europäische Meeresforschungsstrategie bildet ein wesentliches Element des Aktionsplans (3) zu der Mitteilung „Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union“ (4). Die Strategie knüpft zugleich an zwei für die Meerespolitik wichtige Erklärungen an: die Erklärung von Galway (5) und die Erklärung von Aberdeen (6). |
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2.2 |
Die Strategie, die in der Mitteilung vorgestellt wird, verwirklicht das im Grünbuch „Der Europäische Forschungsraum - Neue Perspektiven“ (7) enthaltene EU-Programm sowie dessen Spezifizierung in den Schlussfolgerungen des Rates (8) zur Einleitung des „Ljubljana-Prozesses“ mit dem Ziel der Vollendung des Europäischen Forschungsraums. |
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2.2.1 |
In diesem Zusammenhang ist die vorliegende Mitteilung ein Beispiel dafür, wie der kohärente Rahmen des Europäischen Forschungsraums zur Förderung der nachhaltigen Nutzung von Ozeanen und Meeren eingesetzt werden kann. |
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2.3 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat in seinen Stellungnahmen der vergangenen Jahre seinen Standpunkt zu einer Reihe von Kommissionsdokumenten, die sich mit einer breit gefassten EU-Meerespolitik sowie dem Thema Europäischer Forschungsraum befassen, bereits erläutert. In diesen Stellungnahmen befasste sich der EWSA hauptsächlich deshalb nicht näher mit der Frage der europäischen Meeresforschung und maritimen Forschung, weil die EU-Institutionen zuvor keine Dokumente vorgelegt hatten, die gänzlich dem Thema Meeresforschung und maritime Forschung gewidmet waren. |
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2.3.1 |
Unter den oben genannten Stellungnahmen des EWSA ist auch auf diejenigen hinzuweisen, in denen der Ausschuss zu einer Intensivierung der Meeresforschung und maritimen Forschung im Bereich der Fischerei aufgerufen hat (9). |
3. Allgemeine Bemerkungen
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3.1 |
Die Meersforschung und maritime Forschung in der Europäischen Union nimmt an Umfang und Bedeutung immer mehr zu. Ihre Integration und Koordination sollte daher sichergestellt werden. |
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3.2 |
Der in der Mitteilung vorgestellte Ansatz ist eine große Chance für die Entwicklung der europäischen Meeresforschung und maritimen Forschung, und zwar insbesondere im Hinblick auf:
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3.3 |
Die in der Mitteilung vorgestellte Idee einer engeren Verknüpfung zwischen den bestehenden europäischen Meeresforschungseinrichtungen zur Bildung eines Netzwerkes aus europäischen Instituten zur Erforschung der Meere und Ozeane ist ein wichtiger Impuls für die weitere gemeinsame europäische Meeresforschung und kann als wichtiger Schritt hin zum Aufbau von Kapazitäten in Bereich der Meeresforschung und maritimen Forschung der EU angesehen werden. |
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3.4 |
In der Mitteilung wird auf die Arbeit von Forschungsplattformen Bezug genommen, wie etwa das Europäische Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) (10) oder das Konzept der europäischen Unterstützung für die globale Dimension der Meeresforschung und maritimen Forschung im Hinblick auf die Erreichung der Ziele einer integrierten Meerespolitik der EU. |
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3.4.1 |
Der Ausschuss unterstützt die ESFRI-Initiative, die für die Meeresforschung und maritime Forschung in ganz Europa große Chancen bietet. Die Tätigkeit von ESFRI sollte auch für einen größeren Kreis von Interessierten, darunter die Industrie sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie regionale Forschungseinrichtungen, von Nutzen sein. Dem Zugang von KMU zu gemeinsamen Forschungsinfrastrukturen kommt große Bedeutung zu. |
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3.4.2 |
Ebenfalls sichergestellt werden muss eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und den Nutzern der Meere und Meeresressourcen sowie zwischen Wissenschaftlern und Meeresumweltschutz-Institutionen und Nichtregierungsorganisationen. |
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3.5 |
Im Hinblick auf die in der Mitteilung vorgeschlagene Integration der traditionellen Disziplinen der Meeresforschung und maritimen Forschung sollten bei der Verwirklichung der darin beschriebenen Strategie die Schlussfolgerungen aus der Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Rahmen von Initiativen zur Forschungskoordinierung, wie ERA-NET und ERA-NET Plus, herangezogen werden. Diese Schlussfolgerungen bieten Informationen über gemeinsame Forschungsprioritäten der EU-Mitgliedstaaten sowie über Forschungsbereiche, in den die Mitgliedstaaten zu einer verstärkten Zusammenarbeit bereit sind. |
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3.5.1 |
Ein Beispiel für eine Initiative im Bereich Meeresforschung und maritime Forschung, an der alle europäischen Staaten, die Anrainer eines europäischen Meeres sind, aktiv teilnehmen, ist die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV), die auf Grundlage von Artikel 169 EGV die Umsetzung eines gemeinsamen Forschungsprogramms zur Erforschung der Ostsee zum Ziel hat (BONUS). |
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3.5.2 |
Nach Ansicht der Konferenz der peripheren Küstenregionen Europas (KPKR) (11) sollte eine wirksame Koordination zwischen Initiativen zur Integration von Forschungstätigkeiten gewährleistet werden. Dies kann etwa geschehen durch den Aufbau eines Netzes von Exzellenzzentren oder Initiativen zur Integration von Forschungsfinanzierungsprogrammen (z.B. über ERA-NET und ähnliche Instrumente). |
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3.5.3 |
Durch die Integration und Koordination von Meeresforschung und maritimer Forschung sollte der Zugang zu Daten mit Bezug zur Meeresumwelt erleichtert werden. Damit könnte auch ein Beitrag zur Einsparung von Mitteln geleistet werden, die derzeit häufig für die Umsetzung derselben oder sehr ähnlicher Forschungsarbeiten in verschiedenen Forschungszentren vorgesehen sind. |
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3.6 |
In der in der Mitteilung vorgestellten Strategie für Meeresforschung und maritime Forschung wird großer Wert darauf gelegt, dass die aus dem 7. Forschungsrahmenprogramm finanzierte Meeresforschung und maritime Forschung eingesetzt wird, um Synergien zwischen den Forschungsarbeiten der Mitgliedstaaten zu erzielen und erforderlichenfalls eine kritische Masse zu erreichen, damit wichtige themenübergreifende Herausforderungen der Meeresforschung bewältigt werden können. |
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3.6.1 |
Zur Erzielung von Synergien zwischen Forschungstätigkeiten ist es wichtig, sich bei künftigen Forschungsarbeiten unter anderem auf die Schaffung von Strukturen zu konzentrieren, die dauerhaft die Erhebung und Verwaltung von Meeresdaten unterstützen. |
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3.6.2 |
Bei Maßnahmen zur Erzielung von Synergien zwischen Forschungsprojekten müssen die verschiedenen regionalen Ansätze berücksichtigt werden. Laut Konferenz der peripheren Küstenregionen Europas (KPKR) (12) unterstützen die Regionen das Ziel einer besseren Koordinierung der EU-Programme zur Meeresforschung und maritimen Forschung - ein Ziel, das zum Beispiel durch ERA-NET und künftig durch gemeinsame Programmplanung verwirklicht wird. |
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3.6.3 |
In KPKR-Papieren wird jedoch hervorgehoben, dass bei Projekten, die im Rahmen von ERA-NET finanziert werden, die Regionen bisher nur selten einbezogen wurden. Es wäre demnach sinnvoll, entweder neue Finanzierungssysteme zur Koordinierung derjenigen regionalen Meeresforschungsprogramme zu erstellen, die nicht über eine ausreichende kritische Masse für eine Integration der wichtigsten ERA-NET-Projekte verfügen, oder Bedingungen für eine Koordinierung zwischen regionalen Behörden und interessierten Kreisen im Rahmen von ERA-NET aufzustellen. Eine solche Koordinierung sollte auch einen Bezug zu einem konkreten Meeresgebiet haben. |
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3.6.4 |
Die Koordinierung zwischen Strukturfonds, Mitteln des europäischen Forschungsrahmenprogramms und anderen Finanzierungsquellen ist ebenfalls von zentraler Bedeutung. Eine solche Koordinierung lässt sich nur erzielen durch die kohärente Nutzung europäischer Finanzierungsquellen durch Wissenschaftler und Unternehmen sowie durch eine kohärente Planung regionaler Gelder, für die die Beschlussfassungsebene eine zentrale Rolle spielt. |
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3.7 |
Die in der Mitteilung vorgestellte Strategie sieht vor, dass ein wirksamer, innovativer Rahmen für die Entscheidungsfindung in der Forschung konzipiert wird, der Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger und Vertreter der Öffentlichkeit einbindet. Hierdurch wird gewährleistet, dass Erkenntnisse weitergegeben und sachgerecht Entscheidungen auf der Grundlage fundierter wissenschaftlicher Kenntnisse getroffen werden. |
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3.7.1 |
Ein solcher Ansatz für die Entscheidungsfindung in der Forschung ist positiv zu bewerten. Die von der Kommission vorgeschlagene Möglichkeit, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten unter Einbindung von Wissenschaftlern, Vertretern der Industrie und politischen Entscheidungsträgern neue Rahmenbedingungen für die Meeresforschung und maritime Forschung schaffen, ist als Schritt in die richtige Richtung zu sehen. |
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3.7.2 |
Im Hinblick auf die Rolle, die den Regionen bei der Förderung des Seeverkehrs sowie der Meeresforschung und maritimen Forschung zukommt, sollten sowohl diese als auch die häufig auf territorialer Ebene tätigen regionalen Wirtschafts- und Sozialräte als Partner in dem vorgeschlagenen System der Entscheidungsfindung in der Meeresforschung berücksichtigt werden. |
4. Besondere Bemerkungen
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4.1 |
Nach Ansicht des Ausschusses sollte die in Kasten 2 der Mitteilung enthaltene Aufstellung der wichtigsten Forschungsthemen, für die ein interdisziplinäres Konzept erforderlich ist, folgendermaßen vervollständigt werden:
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4.2 |
Der Ausschuss fordert die Kommission auf, bei der Erörterung von Programmen und der Bewertung von Fortschritten in Zusammenhang mit dem Aufbau einer neuer Forschungs- und Beobachtungsinfrastruktur in den Folgedokumenten zu der Mitteilung unmittelbar an die von ESFRI erstellte Liste von Projektmöglichkeiten für neue europäische Forschungsinfrastrukturen, die im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms (2007-2013) entwickelt werden könnten, anzuknüpfen. |
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4.2.1 |
Von diesen Projekten betreffen folgende die Meeresforschung und maritime Forschung:
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4.3 |
Der Ausschuss vertritt die Ansicht, dass der gezielten Unterstützung für den Bau einer größeren Zahl von Meeresforschungsschiffen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, da diese das grundlegende Instrument der Meeresforschung und maritimen Forschung bilden. |
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4.3.1 |
Auch wenn die Koordinierungs- und Forschungstätigkeit der Forschungszentren sehr wichtig ist, sind doch zur Erforschung von Phänomenen in größerer Entfernung von der Küste Meeresforschungsschiffe erforderlich. Die europäische Forschungsflotte ist allerdings eher bescheiden. Zur Durchführung einer komplexen und erfolgreichen Meeresforschung müssen der EU insbesondere entsprechende Forschungsschiffe zur Verfügung stehen. |
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4.4 |
Bezugnehmend auf die in der Mitteilung thematisierte Frage neuer Modelle für die Hochschulbildung auf den Gebieten Meereswissenschaft und maritime Wissenschaft möchte der EWSA darauf hinweisen, dass bei der Suche nach innovativen Lösungen in der Bildung die Soziologie als ein Beispiel für eine synergistische Studienrichtung gelten kann. Diese universitäre Fachrichtung umfasst die naturwissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und juristischen Aspekte, die den modernen Ansatz bei der nachhaltigen Entwicklung ausmachen, und passt somit gut zu dem gegenwärtigen Ansatz einer maritimen Wirtschaft. |
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4.5 |
Im Hinblick auf eines der wichtigsten in der Mitteilung genanten Ziele, die Erzielung von Synergieeffekten in der europäischen Meeresforschung, vertritt der EWSA die Ansicht, dass eine stärkere Integration der Forschungsarbeiten und dementsprechend größere Synergieeffekte durch einen ganzheitlichen Ansatz bei den jeweiligen Forschungsthemen erzielt werden können. |
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4.5.1 |
Ein Beispiel hierfür könnte die synergistische Erforschung der Küstenregionen sein: Folgen des Klimawandels (z.B. Anstieg des Meeresspiegels), geologische Phänomene, Möglichkeiten der Nutzung des Freizeitwertes usw. (notwendiges Zusammenwirken naturwissenschaftlicher, technischer, wirtschaftlicher, rechtlicher Aspekte). |
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4.6 |
Zur Erreichung von Synergieeffekten in der Meeresforschung hält der Ausschuss die Einrichtung eines dreistufigen Systems (Organisationspyramide) bei der Verwaltung der Forschungsmittel für angebracht. Diese Struktur sollte auf den folgenden Gebieten (Regionen) basieren:
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4.6.1 |
Gestützt auf die Erfahrung und die Wissenschafts- und Forschungsinfrastruktur dieser vier grundlegenden Gebiete der Meeresforschung und maritimen Forschung sollte ein territoriales (z.B. regionales oder interregionales) Verwaltungszentrum zur Koordinierung des Informationsaustausches und zur Erstellung interdisziplinärer Forschungsaufgaben eingerichtet werden. Die Forschungspolitik der Länder, die in den oben genannten vier Gebieten oder in benachbarten Gebieten liegen, könnte anhand dieser Forschungsarbeiten integriert werden. |
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4.6.2 |
Die Spitze dieser Organisationsstruktur würde ein zentrales Koordinierungssystem im Europäischen Forschungsraum bilden, das zugleich als Informationszentrum für die Forschungsfinanzierung fungieren würde. |
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4.7 |
Die Notwendigkeit eines regionalen Ansatzes ergibt sich aus den ganz spezifischen Eigenschaften der Natur und Umwelt in den einzelnen Meeresgebieten, wie etwa den natürlichen Phänomenen und Prozessen, die zwar zum großen Teil für die gesamte Meeresumwelt gleich sind, sich jedoch in Charakter und Verlauf unterscheiden. Dies lässt sich z.B. feststellen bei einem Vergleich zwischen dem Ostseebecken und den Phänomenen in wärmeren Meeresgebieten, wie dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer, oder an der Atlantikküste, die durch charakteristische Gezeiten gekennzeichnet sind. |
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4.8 |
Im Rahmen dieser spezifischen Regionen (Territorien) wäre es dringend angebracht, auf der Grundlage der bisherigen Infrastruktur eine Art Körperschaft zu bilden, wie etwa eine Körperschaft der Ostsee-Forschungsstationen, eine Körperschaft der Ostsee-Forschungsschiffe, eine Körperschaft der Ostsee-Forschungseinrichtungen und eine Körperschaft der Ostsee-Hochschulen. |
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4.8.1 |
Zu den Aufgaben dieser Körperschaften würde der Austausch von Informationen über durchgeführte Forschungs- und Bildungsprojekte ebenso gehören wie gemeinsam vereinbarte Forschungs- und Bildungsunternehmungen. |
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4.9 |
Ein wichtiges Gebiet der Meeresforschung und maritimen Forschung, in dem bereits ein offenkundiger Synergieeffekt erzielt wurde, ist die Erforschung der Eutrophierung und ihrer Folgen. Während das Phänomen weltweit zu beobachten ist, können seine Ursachen und Folgen in jedem der genannten Gebiete (Regionen) unterschiedlicher Art sein. Hier zeigt sich abermals die Notwendigkeit eines regionalen Ansatzes. Zum anderen besteht bei der Erforschung der Ursachen des Phänomens, den Forschungsmethoden, der Untersuchung insbesondere der wirtschaftlichen Folgen und der epidemiologisch-medizinischen Aspekte eindeutig die Möglichkeit von Synergien. |
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) Rückmeldungen.
(2) Laut Konferenz der peripheren Küstenregionen Europas (KPKR) werden 20 % der Meeresforschung in den Regionen durchgeführt.
(3) SEK(2007) 1278.
(4) KOM(2007) 575.
(5) Erklärung von Galway: http://www.eurocean2004.com/pdf/galway_declaration.pdf.
(6) Erklärung von Aberdeen: http://ec.europa.eu/maritimeaffairs/pdf/Aberdeen_Declaration_final_2007.pdf.
(7) KOM(2007) 161.
(8) Schlussfolgerungen des Rates zur Einleitung des „Ljubljana-Prozesses“, Juni 2008.
(9) EWSA-Stellungnahmen, in denen gefordert wird, mehr Mittel für die Meeresforschung bereitzustellen: ABl. C 318, 23.12.2006, S. 117-121, ABl. C 224, 30.8.2008, S. 77-80).
(10) ESFRI: European Strategy Forum for Research Infrastructures.
(11) Konferenz der peripheren Küstenregionen Europas (KPKR), Entwurf eines Arbeitspapiers zum Thema Meeresforschung und maritime Forschung, November 2008.
(12) Siehe Fußnote 11.
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/51 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Grünbuch — Hin zu einem sicheren, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen europäischen Energienetz“
KOM(2008) 782 endg./2
2009/C 306/12
Die Europäische Kommission beschloss am 13. November 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Grünbuch — Hin zu einem sicheren, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen europäischen Energienetz“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 20. Mai 2009 an. Berichterstatterin war Laure BATUT.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 11. Juni) mit 124 gegen 1 Stimme bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss möchte sich zu den von der Europäischen Kommission in ihrem Grünbuch gestellten Fragen wie folgt äußern:
Netzpolitik:
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1.1 |
Hindernisse und Zuständigkeiten: Harmonisierte und demokratisch kontrollierbare Verfahren würden für mehr Transparenz in den internationalen Beziehungen, bei den Optionen der EU, auf den Märkten, bei der Festsetzung der Preise und hinsichtlich der Gewinne der Akteure (Regulierungsbehörden und Netzbetreiber) sorgen. Die betroffenen Bürger müssen angehört und die Verbraucher informiert werden. |
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1.2 |
Streitigkeiten: Die Mitgliedstaaten müssen freie Hand bei der Wahl ihrer Energieoptionen haben. Die Kommission kann eine koordinierende Rolle übernehmen, wobei den Erwartungen der Bürger hinsichtlich Energieversorgung und Raumordnung Rechnung zu tragen ist. Die Aufgabe des Europäischen Verbunds der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSOE) und der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACRE) muss klar abgesteckt und die Rechtswirkung und Einklagbarkeit ihrer Beschlüsse geklärt werden (1). |
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1.3 |
Forschung und Demonstration: Die für Forschung und Demonstration vorgesehenen Finanzmittel müssen bewertet und können eigentlich nur aufgestockt werden. Sie tragen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Wartung und Stabilität der Netze bei und fördern die Energieeffizienz, die die Energieabhängigkeit der EU mindern und ihr den Übergang in die nächste Energieära erleichtern kann. |
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1.4 |
Die wichtigste Aufgabe: Ohne jemals das Interesse der Endverbraucher aus dem Auge zu verlieren, ist es notwendig, die Vernetzung fertigzustellen und in diesem Sinn gemeinsame strategische Leitlinien und die Rahmenbedingungen für den Markt festzulegen, die Mängel des Netzes festzustellen und zu beheben, um den Energietransport in der gesamten Union zu gewährleisten, die Energieversorgung und -bevorratung sicherzustellen sowie die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar abzugrenzen. Das Gemeinwohl hängt von gut funktionierenden Netzen, der Qualität der Dienste und all denjenigen Mitteln ab, mit denen Universalität, Sicherheit und Kontinuität dieser Netze und Dienste zu vertretbaren Preisen gewährleistet werden. |
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1.5 |
Beziehungen zu Drittländern: Der Ausschuss plädiert dafür, dass die Europäische Union auf internationaler Ebene in Energie- und Energietransportnetzfragen mit einer Stimme spricht, diese Fragen als integralen Aspekt ihrer Außenbeziehungen (Europäische Nachbarschaftspolitik - ENP) betrachtet und Governancenormen für die Transitländer vorschlägt. Es dürfte sinnvoll sein, den Dialog mit der Türkei auszubauen. Es ist notwendig, das Investitionsrisiko und den erwarteten Nutzen sorgfältig gegeneinander abzuwägen, zu prüfen, ob die Rechte der Arbeitnehmer vor Ort gewahrt sind, sowie Energiewirtschaft und Entwicklungspolitik miteinander zu verknüpfen. Nach Ansicht des Ausschusses stehen Energie, Verkehr und Umwelt in einer Dreiecksbeziehung. |
TEN-E:
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1.6 |
Ansatz, Unterstützung und Investitionen: Allein die Europäische Union kann den Überblick über die Gesamtversorgungslage haben und grenzüberschreitend handeln. Die Energieaußenbeziehungen bieten Unterstützung im Hinblick auf Risiken vor Ort und andere politische Einflussbereiche. Die Kommission sollte klarstellen, ob es um Infrastrukturen oder Lieferungen geht. Die TEN-E sind für Infrastrukturen relevant. Sie müssen Entscheidungen der EU unterliegen und im Rahmen des EU-Haushalts über eine eigene, angemessen ausgestattete Haushaltslinie finanziert werden. Die Abschreibung der in die Netze investierten gemeinschaftlichen Fördermittel sollte nicht auf die Endverbraucherpreise umgelegt werden. Die Finanzmittel der Betreiber müssen transparent gehandhabt werden. Die Möglichkeiten für EU-Bürgschaften für Investoren und Darlehen für Betreiber sollten ausgebaut werden. Die Europäische Union muss eine neue Form der Governance für Investitionen entwickeln. |
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1.7 |
Überarbeitung der Leitlinien: Der Ausschuss befürwortet eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Infrastrukturen durch Forschung sowie die Sensibilisierung der Bürger für die Erfordernisse und schlägt vor, zum einen einen echten sozialen Dialog sowie echte sektorspezifische Dialoge einzurichten und zum anderen zu untersuchen, in wieweit die Energieversorgung der Bürger als europäische Dienstleistung von allgemeinem Interesse sinnvoll und machbar wäre (2). |
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1.8 |
Ausweitung der TEN-E: Der Ausschuss ist mit einer Aufnahme der Erdölinfrastruktur einverstanden, sofern nach einer Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation die Gemeinschaftshilfen Verlust schreibenden Ölgesellschaften vorbehalten bleiben. Eine Ausdehnung der TEN-E auf die neuen Netze für CO2 wird abgelehnt. Der Ausschuss hält eine Einbeziehung der CO2-Pipeline-Netze in die TEN-E für verfrüht, solange nicht feststeht, dass der Transport von Kohlendioxid über Netze sinnvoll und unbedenklich ist; außerdem ist dazu eine umfassende öffentliche Debatte über klare Vorschläge, die in der Vorlage enthalten sein müssen, erforderlich. |
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1.9 |
Neue vorrangige Vorhaben: Der Schwerpunkt sollte auf die Behebung der Lücken im Verbundnetz gelegt werden; der Ausschuss befürwortet die Ausdehnung des Netzverbunds auf die erneuerbaren Energiequellen wie beispielsweise die Offshore-Windparks in der Ost- und Nordsee. Mit Blick auf die Projekte vor dem Zeithorizont 2050 sollte auch die Ausweitung auf noch zu erschließende Energiequellen (Meeres-Energieressourcen usw.) ins Auge gefasst werden. |
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1.10 |
Versorgungssicherheit und Solidarität: Die Bewusstseinsbildung würde durch eine gute Kommunikationspolitik und sichtbare Ergebnisse in Form der Endpreise gefördert. Das Grünbuch geht nicht auf die Mittel ein, mit denen die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten sichergestellt werden kann. Solidarität bedeutet, dass alle zum Energietransport innerhalb der EU beitragen und strategische Vorräte anlegen, die sie im dringenden Bedarfsfall anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen. Die Mitgliedstaaten sollten diese Energiesolidarität gemeinsam mit der Europäischen Union auf internationaler Ebene vertreten und in der EU nach dem Grundsatz des allgemeinen Interesses verfahren. |
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1.11 |
Weitere Maßnahmen zur Sicherung einer nachhaltigen Infrastruktur: Es wird davon ausgegangen, dass die Nachhaltigkeit der Energieversorgung in der Ausweitung des Netzverbunds auf die erneuerbaren Energieträger inbegriffen ist, doch ist dies nicht belegt. Die Stromnetze müssen mit Blick auf die Übertragungsverluste, die Frequenz, die Spannung und die Harmonisierung der einzelstaatlichen Netzanschlussregeln modernisiert werden, bei den Gasnetzen muss die Kapazität und Sicherheit der Speicher verbessert werden. |
Außerdem:
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1.12 |
Die TEN-E erfordern eine qualitativ hochwertige Instandhaltung, was wiederum gut qualifizierte Fachkräfte voraussetzt. Im Einklang mit der Lissabon-Strategie und der Strategie für nachhaltige Entwicklung sollten die im Grünbuch vernachlässigten sozialen Aspekte nach Meinung des Ausschusses unbedingt berücksichtigt werden. Das Know-how der europäischen Fachkräfte im Bereich der Netztechnologie muss ausgebaut werden, um Kompetenz und Beschäftigung in Europa zu sichern. Der Ausschuss plädiert für Einrichtung eines europäischen beratenden Ausschusses für Energie und Klimawandel. |
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1.13 |
Er spricht sich ferner für die Errichtung eines spezifischen europäischen Fonds aus, über den die europäische Solidarität für die Bürger konkret gewährleistet werden könnte. Als notwendige Ergänzung einer integrierten europäischen Energiepolitik sollte im Rahmen des Gemeinschaftsrechts eine Haftung der Unternehmen gegenüber den Bürgern vorgesehen werden. Die Europäische Charta der Rechte der Energieverbraucher sollte angewendet werden. |
2. Einleitung
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2.1 |
Die Kommission hält es beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung der europäischen Energienetze nicht für möglich, die Energieziele (Energienachhaltigkeit, -wettbewerbsfähigkeit und -versorgungssicherheit) und die Klimaschutzziele (20-20-20-Ziele) zu erreichen. Es gilt, die TEN-E zu modernisieren und die Netzpolitik zu aktualisieren. In diesem Grünbuch geht es um die Überarbeitung der TEN-Leitlinien und -Finanzierungsinstrumente. |
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2.2 |
Die Rahmenbedingungen sind in letzter Zeit spannungsgeladen: Die jüngste Gasversorgungskrise im Osten, der neue Konflikt im Nahen Osten und die Weltfinanzkrise könnten die Fertigstellung der TEN-E beeinträchtigen. |
3. Zusammenfassung des Grünbuchs
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3.1 |
Die EU soll ihre Infrastrukturpolitik konkret an sechs regionalen Achsen ausrichten: dem Ostseeverbundplan, dem Süd-Ost-Gaskorridor, dem Mittelmeer-Energiering, dem Stromverbund mit Mittel- und Südosteuropa, einem Aktionsplan für Flüssiggas (LNG), dem Ausbau der nordeuropäischen Windparks, der Zusammenschaltung der TEN-E und der Integration des Marktes. |
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3.2 |
Die Europäischen Union könnte
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3.3 |
Ziel des Grünbuchs ist es, das Verständnis und die Solidarität der Öffentlichkeit zu fördern, um die bis 2020 gesetzten Ziele zu erreichen. |
4. Allgemeine Bemerkungen
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4.1 |
Titel und Einleitung des Grünbuchs würden vermuten lassen, dass es darin um einen globalen Ansatz geht, um die Energienetze zu sichern und ihre Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Stattdessen steht die Errichtung internationaler Verbundnetze im Vordergrund, ohne dass eine Bilanz des Wartungszustands, der Bildungs- und Qualifikationserfordernisse oder der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit gezogen würde, die doch für Sicherheit und Nachhaltigkeit eine wesentliche Rolle spielen. |
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4.2 |
Wettbewerb ist für die Verbraucher nicht als Zweck, sondern als Mittel von Interesse, das ihnen Einsparungen ermöglicht, gleichzeitig aber so zuverlässige Dienste bietet wie in einem Monopolsystem. Die Suche nach privaten Finanzierungsquellen und die Ausschreibung von Partnerschaften zur Fertigstellung der TEN-E sind zwar interessante Lösungswege, lassen aber das Haupthindernis für die Entwicklung der integrierten europäischen Gas- und Stromversorgungsnetze erst deutlich zutage treten: der Mangel an Entschlossenheit und Finanzbereitschaft auf Gemeinschaftsebene. |
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4.3 |
Energieversorgung ist eine Dienstleistung von allgemeinem Interesse, und Privatinvestitionen lassen sich auf Dauer nur schwer damit vereinbaren. Der Markt kann den Übergang in die neue Energieära, die in dem Energie/Klimapaket angekündigt wird, nicht mithilfe der bisherigen Erzeugungs- und Transportverfahren vollziehen. Die Kommission, der daran liegt, Privatinvestitionen zu fördern, kann durch unmittelbar grenzübergreifendes Tätigwerden einen neuen Gesamtplan aufstellen und eine neue Form der öffentlichen Governance für Investitionen entwickeln, um sicherzustellen, dass die Energieversorgung dank der Verbundnetze auch weiterhin eine Dienstleistung von allgemeinem Interesse bleibt. |
5. Bilanz der europäischen Energiepolitik
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5.1 |
Nach Meinung des Ausschusses erfordern die TEN-E die Koordinierung sämtlicher Akteure durch ein notwendigerweise zentrales Gremium, was jedoch der erwünschten Marktlogik widerspricht; die Kommission sollte bekräftigen, dass es darum geht, optimale Kosten/Nutzen-Lösungen zum Vorteil der Verbraucher zu finden, da diese sonst womöglich am Nutzen des Energiebinnenmarkts zweifeln. Die Aufgabe des Europäischen Verbunds der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSOE) und der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACRE) werden im Grünbuch nicht klar genug abgesteckt. Sie werden zwar eine zentrale Koordinierungsfunktion haben, sollten jedoch nicht in Entscheidungen über die Verwendung öffentlicher Mittel eingebunden werden. Die EU sollte außerdem dafür sorgen, dass die Kontinuität von Forschung und Entwicklung gewährleistet wird, was nicht Aufgabe dieser Gremien sein kann. |
6. Besondere Bemerkungen
Die Netze
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6.1 |
Wenn mehr Mittel zur Verfügung stehen, würden die Netze die Energiesolidarität fördern. Die EU sollte feststellen, wo Lücken im Verbund sind, und diese dann schließen. Der Ausschuss ist der Meinung, dass die im Rahmen der ENP schon erzielten guten Ergebnisse eine Erfolgsgarantie sind. Er stellt fest, dass keine Angaben dazu gemacht werden, ob der Verbund geographische Grenzen hat, auf welche Weise der Verbund hergestellt wird, welche Organisationen für die Aufrechterhaltung der elektrischen Frequenz und Spannung zuständig sind, welche Maßnahmen bei teilweisem Netzversagen zu ergreifen sind und wie die Verantwortung und Zuständigkeiten, die Koordinierungsaufgabe der Union inbegriffen, aufgeteilt werden sollen. Da es sich um sehr umfangreiche, stark strukturierende und äußerst langlebige Infrastrukturen handelt, müssen die Investoren und Bürger auf transparente Weise über die Marktaussichten informiert werden. Der Ausschuss spricht sich dafür aus, zu untersuchen, in wieweit die Energieversorgung der Bürger als europäische Dienstleistung von allgemeinem Interesse mit einem gemeinsamen Ansatz im Hinblick auf die Bepreisung, Besteuerung, Sicherheitsvorschriften im Finanzbereich, Kontinuität, wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz sinnvoll und machbar wäre. |
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6.2 |
Nachhaltigkeit würde durch die Anbindung der erneuerbaren Energieträger (nördliche Windparks) und den Transport von Kohlendioxid zu den Lagerstätten erreicht; es geht also nicht um die Nachhaltigkeit der TEN-E selbst. Die Kommission sollte sich mit der Notwendigkeit befassen, die Stromnetze mit Blick auf die Übertragungsverluste, die Frequenz, die Spannung, die Harmonisierung der einzelstaatlichen Netzanschlussregeln und die Entwicklung intelligenter Netze zu modernisieren. |
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6.3 |
Ungeachtet der technisch möglichen Kohlendioxidabscheidung hält der Ausschuss eine Einbeziehung der CO2-Pipeline-Netze in die TEN-E für verfrüht. Es müsste zuerst eine groß angelegte öffentliche Debatte über diese Frage stattfinden (3). |
Versorgungssicherheit
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6.4 |
Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit muss nach Ansicht des Ausschusses auf zwei Ebenen erfolgen:
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Internationale Beziehungen
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6.5 |
Nach Ansicht des Ausschlusses sollte die Union auf internationaler Ebene in Energietransportnetzfragen mit einer Stimme sprechen. Die Energiedimension sollte integraler Bestandteil der Außenbeziehungen der Union sein und eine neue politische Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und mit den Nachbarländern begründen. In dem Grünbuch hätten diesbezüglich konkrete Maßnahmen vorgeschlagen werden können. |
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6.6 |
Diese Netze dürfen nicht zum Objekt von Streitigkeiten oder bewaffneten Konflikten oder zu rechtsfreien Räumen, insbesondere für die Beschäftigten, werden. Sie sollten im Gegenteil Träger der Entwicklungspolitik sein. Der Energiedialog mit der Türkei, einer strategisch wichtigen Zone, sollte ausgebaut werden; außerdem sollte bei den Transaktionen systematisch der Euro als Zahlungsmittel verwendet werden. |
Solidarität
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6.7 |
Die Energiesolidarität findet auf drei Ebenen statt: zwischen den Mitgliedsstaaten, zwischen den Bürgern und der EU sowie zwischen den Betreibern. Das Grünbuch geht nicht einmal auf die Mittel ein, mit denen die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten sichergestellt werden kann. Die Geschäfts- und Vertragspraktiken der Betreiber untereinander sind Solidarität abträglich (Aktionärsforderungen), obwohl sie sich weltweit für Energiesolidarität einsetzen sollten. Alle sollten zum Energietransport innerhalb der Europäischen Union beitragen, ohne einen Verbund abzulehnen oder zu behindern. Der Ausschuss befürwortet Regulierungsinstrumente, die es im dringenden Bedarfsfall und auf gemeinsame Entscheidung hin ermöglichen, ungenutzte Kapazitäten auf den Markt zu bringen (Zwangsverkauf nach dem „use it or lose it“-Prinzip). |
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6.8 |
Die Einrichtung eines spezifischen europäischen Reservefonds für Notfallmaßnahmen könnte als weiterer Ausdruck der europäischen Solidarität die Mitgliedstaaten und die Bürger gegen die Risiken wappnen, die sich aus der geographischen und geopolitischen Lage der Produktionsstätten ergeben. |
ENTSOE und ACRE, die Planungsbehörden
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6.9 |
Im Zusammenhang mit der Planung der TEN-E sollte ENTSOE und ACRE ein klares Mandat erteilt und die Mittlerrolle der EU definiert werden. Dies wird im Grünbuch nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht. Der Ausschuss findet es bedauerlich, dass die meisten europäischen Regulierungsbehörden eine gesetzlich festgelegte Tätigkeit ausüben, die sich auf die Schaffung eines wettbewerbsorientierten Marktes beschränkt und die Versorgungssicherheit außer Acht lässt, und dass die Zuständigkeit der Kommission nicht klar abgesteckt wird. Die Einbeziehung der nationalen Energieregulierungsbehörden allein schafft noch keine europäische Regulierungsbehörde. Die Rechtsnatur, die Zuständigkeiten und die Überwachung der Tätigkeit eines solchen Gremiums sind zu klären. Nach Ansicht des Ausschusses sollte eine der Aufgaben der Kommission darin bestehen, Streitigkeiten beim Aufbau der Verbundnetze vorzubeugen, indem die lokalen Gebietskörperschaften möglichst von Anfang an in die TEN-E-Vorhaben eingebunden werden. |
Das allgemeine europäische Interesse
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6.10 |
Das allgemeine europäische Interesse wird geltend gemacht, um den Eingriff der öffentlichen Hand bei Marktversagen zu rechtfertigen. Obwohl dieses Interesse wesentlich ist, sind die damit verbundenen Voraussetzungen bedauerlicherweise nicht geklärt. |
Finanzierung
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6.11 |
Die Gemeinschaftsfinanzierung (5) dient als Katalysator für neue Vorhaben. Die Mitgliedstaaten tragen den Löwenanteil der Finanzierung; für besondere Vorhaben können Direktzuschüsse gewährt werden. Im Programmplanungszeitraum 2007-2013 ist der Umfang der Gemeinschaftsfinanzierung im Vergleich zum vorangehenden Zeitraum nahezu unverändert geblieben, in konstanten Euro also gesunken. Die Kommission schlägt vor, allgemeine Studien durchzuführen, die allen zugutekommen. |
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6.12 |
Folgende Aspekte sind offenbar nicht berücksichtigt worden: 1.) der künftige Energiebedarf, 2.) der Zustand der Netze und ihre Instandhaltungskosten sowie 3.) die Auswirkungen der neuen Technologien (neue erneuerbare Energieträger, neue Entwicklungen in Bezug auf ihren Transport - intelligente Netze - und ihren Verbrauch, Energieeffizienz). |
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6.13 |
Im Grünbuch wird vorgeschlagen, neben den bisherigen Finanzierungsverfahren verstärkt privatwirtschaftliche Investitionen zu fördern. Der Ausschuss merkt an, dass die Privatwirtschaft nicht leicht für nur sehr langfristig rentable Investitionen zu haben ist, er befürwortet jedoch die Auslotung neuer Finanzierungsverfahren für strategisch wichtige Vorhaben, durch die die öffentliche Finanzlast aber nicht weiter erhöht werden darf. Seines Erachtens jedoch müssen die TEN-E in öffentlicher Hand bleiben. |
Die Wettbewerbsfähigkeit der Netze
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6.14 |
Die Kommission erinnert daran, dass „es sich bei den transeuropäischen Netzen [ursprünglich] um ein Instrument des Binnenmarktes“ handelte, bei dem „man von der Annahme aus[ging], dass die Marktakteure die Investitionen tragen und die Kosten dafür an die Verbraucher weitergeben würden“. Da die EU die TEN-E kofinanziert, sollte sie eine neue Form der Governance für Investitionen entwickeln. Die Abschreibung der Netzinvestitionen sollte nicht auf die Endverbraucherpreise umgelegt werden. |
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6.15 |
Aus dem Grünbuch geht nicht hervor, wie durch die neuen Voraussetzungen die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden soll, wieso ein reibungsloserer Energietransport den Wettbewerb fördern soll und in wieweit dies den Verbrauchern zum Vorteil gereicht. In diesem Zusammenhang wäre daran zu erinnern, dass der Kommission zufolge Synergie-Effekte zwischen allen transeuropäischen Netzen angestrebt werden sollten. |
Forschung und Berufsbildung
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6.16 |
Der Ausschuss hält es für erforderlich, dass die EU ihre Anstrengungen verstärkt auf die Forschung ausrichtet, um sicherzustellen, dass Europa über das technologische Know-how für Energieeffizienz und für den Transport von Energie verfügt. |
Beschäftigung
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6.17 |
Da die Länder, in denen sich die Schaltstellen der Verbundnetze befinden, nicht immer über das erforderliche Know-how verfügen, plädiert der Ausschuss für eine nicht restriktive Anwendung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern. Der Ausschuss plädiert für die Einrichtung eines europäischen beratenden Ausschusses für Energie und Klimawandel. |
Das Verständnis der Bürger und die Kommunikation
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6.18 |
Der Ausschuss befürwortet den Ansatz der Kommission, das Verständnis der Bürger zu fördern. Die großen, von der EU finanzierten Projekte müssen zum Ziel haben, die Lebensqualität der Bürger zu verbessern und die Bereitstellung von Universaldienstleistungen zu den am besten erschwinglichen Preisen zu ermöglichen, was auf einem wettbewerbsorientierten Markt nicht von selbst geschieht. Um es den Mitgliedsstaaten zu ermöglichen, ihren Bürgern im Falle einer Nichteinhaltung der Verpflichtungen und/oder einer Blockierung der Netze zu Hilfe zu kommen, sollte außerdem ein europäischer Fonds für Notfallmaßnahmen eingerichtet werden, über den die Kontinuität des Dienstes trotz der Blockierung der Netze (verursacht durch höhere Gewalt, kriegerische Auseinandersetzungen, Insolvenz, Börsenunfälle usw.) sichergestellt werden könnte. Eine Haftung der Netzbetreiber gegenüber den Bürgern könnte in Betracht gezogen werden. |
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6.19 |
Die Überwachungs- und Bewertungsinstanzen müssen sich stärker öffnen und alle Interessenträger - Sozialpartner und Zivilgesellschaft - einbeziehen. |
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6.20 |
Um die Solidarität der Öffentlichkeit einzufordern, bedarf es mehr als nur Kommunikationsmaßnahmen. Die Hintergründe der quasi systematischen Opposition der jeweils betroffenen Anwohner gegen jedes einzelne Verbundprojekt (6) müssen ernst genommen und transparent geprüft werden. |
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6.21 |
Der Ausschuss ist überzeugt, dass die Versorgungssicherheit, die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten und die Bekämpfung des Klimawandels einem neuen Wachstum förderlich sein können. |
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6.22 |
Der Ausschuss betont ausdrücklich, dass die Energie-, die Verkehrs- und die Umweltpolitik in einer Dreiecksbeziehung zueinander stehen. |
Brüssel, den 11. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) ENTSOE: Europäischer Verbund der Übertragungsnetzbetreiber, in dem 42 Netzbetreiber aus 34 europäischen Staaten zusammengeschlossen sind.
ACRE: Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, der eine zentrale Rolle beim Ausbau des Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarkts zukommt.
(2) ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 43.
(3) Die optimale Lösung für die Menschheit wäre die unmittelbare Nutzung von Kohlendioxid als Energiequelle ohne vorherige Karbonisierung - vielleicht macht die Forschung dies ja eines Tages möglich.
(4) Siehe Dokument SEC(2008) 2869 (nur auf EN verfügbar).
(5) Geregelt durch die Verordnungen (EG) Nr. 2236/95 bis 680/2007 für den Zeitraum 2007-2013.
(6) Vorrangiger Verbundplan, KOM(2006) 846/2 vom 23.2.2007.
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/56 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit“
KOM(2008) 790 endg. — 2008/0231 (CNS)
2009/C 306/13
Die Europäische Kommission beschloss am 30. Januar 2003, gemäß Artikel 31 des EURATOM-Vertrags den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgenden Vorlagen zu ersuchen:
„Entwurf für einen Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates zur Festlegung grundlegender Verpflichtungen und allgemeiner Grundsätze im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen“
„Entwurf für einen Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle“
KOM(2003) 32 endg. — 2003/0021 (CNS) — 2003/0022 (CNS)
Der Ausschuss hat seine Stellungnahme zu diesen Vorschlägen am 26. März 2003 verabschiedet.
Am 4. Juni 2009 beschloss die Europäische Kommission, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu der geänderten Fassung einer dieser Richtlinien zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit“
um seine Stellungnahme vom 26. März 2003 zu ergänzen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 20. Mai 2009 an. Berichterstatter war Gérard DANTIN.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) mit 100 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1 |
Die Kernenergie gewinnt heute aus wirtschaftlichen Gründen sowie aufgrund der notwendigen Diversifizierung der Versorgungsquellen und Verringerung der Treibhausgasemissionen wieder an Bedeutung. |
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1.2 |
Ein hohes Sicherheitsniveau und eine vorbildliche Transparenz sind die Voraussetzung für die Nutzung und Entwicklung der Kernenergie. |
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1.3 |
Diesbezüglich begrüßt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss diesen Richtlinienvorschlag und ist der Auffassung, dass er aus technischer und strategischer Sicht von großer Bedeutung für die Sicherheit der Bürger, der Beschäftigten in der Kernenergiebranche und der Umwelt ist, wobei die Entscheidung für oder gegen die Nutzung dieses Energieträgers den Mitgliedstaaten überlassen bleibt. |
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1.4 |
Der Ausschuss ist sich bewusst, dass die Entwicklung bzw. der Ausbau der Kernenergie auch außerhalb der EU stattfinden wird, bisweilen in Ländern, die über keine so ausgereifte Technologie oder kein so striktes Risikomanagement wie die EU-Mitgliedstaaten verfügen. Vor diesem Hintergrund bringt der Ausschuss seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die EU als Impulsgeber auftreten und nach dem Vorbild ihres Klimapakets über ihr Hoheitsgebiet hinausreichende Vorschläge zur nuklearen Sicherheit unterbreiten wird. |
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1.5 |
Die nukleare Sicherheit muss ein „globales öffentliches Gut“ sein, da nukleare Unfälle Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Umwelt weit über die Staatsgrenzen des Landes, in denen sie stattfinden, haben können. Durch die verbindliche Einführung der Grundsätze der nuklearen Sicherheit, die von den in der IAEO vertretenen EU-Mitgliedstaaten bereits angenommen wurden, mittels dieser Richtlinie in der EU verfügt die Union über die Möglichkeit, das „europäische Sicherheitsmodell“ über ihre Grenzen hinaus zu propagieren. |
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1.6 |
Nach Meinung des Ausschusses wurde der beste Ansatz gewählt, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, wirklich unabhängige nationale Sicherheitsbehörden einzurichten, die Genehmigungsinhaber voll verantwortlich für die Sicherheit zu machen und die Transparenz der Informationen zu all diesen Fragen sicherzustellen; der Ausschuss empfiehlt daher, diesen Aspekt der Richtlinie beizubehalten und stets ein sehr hohes Maß an Verantwortung anzustreben. |
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1.7 |
Der Ausschuss misst der Frage des Erwerbs, der Wahrung und der Weiterentwicklung von kerntechnischer Kompetenz in den Mitgliedstaaten, insbesondere in denjenigen, die über keine oder nur wenig Erfahrung mit der Kernenergie verfügen, große Bedeutung bei. Die betreffenden Mitgliedstaaten müssen dieses Problem unverzüglich lösen, namentlich durch geeignete Bildungsmaßnahmen. Der Ausschuss schlägt außerdem vor, die Einführung einer europäischen Zertifizierung der Kompetenz für den Betrieb von kerntechnischen Anlagen ins Auge zu fassen und sowohl das technische als auch das gesundheitliche Folgenmanagement bei nuklearen Unfällen in die Ausbildung aufzunehmen. |
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1.8 |
Der Ausschuss betont, dass die Sicherheit nicht allein auf Betriebsvorschriften und -auflagen beruht, sondern eine echte industrielle Sicherheitskultur und Sicherheitsverhalten voraussetzt. |
2. Einleitung
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2.1 |
Nach der Ölkrise 1973 hat die Kernindustrie in der EU einen starken Aufschwung genommen; sehr schnell wurde auch klar, dass die Sicherheitspraktiken harmonisiert werden müssen. |
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2.2 |
In der Entschließung des Rates vom 22. Juli 1975 über die technologischen Probleme der Sicherheit bei der Kernenergie (1) wurde der Europäischen Kommission eine Rolle als Vermittlerin bei Initiativen auf internationaler Ebene im Bereich der nuklearen Sicherheit zuerkannt. |
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2.3 |
Im Jahr 1992 verabschiedete der Rat eine zweite Entschließung (2), in der er die Mitgliedstaaten aufforderte, ihre Bemühungen um Harmonisierung in Sicherheitsfragen fortzuführen und zu intensivieren. In seinem Urteil C-29/99 vom 10. Dezember 2002 bestätigte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Befugnisse der Gemeinschaft, Rechtsakte auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit zu erlassen. |
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2.4 |
Am 30. Januar 2003 legte die Europäische Kommission gemäß Artikel 31 Euratom-Vertrag einen Richtlinienvorschlag über die Sicherheit kerntechnischer Anlagen (3) vor, zu der sich der Ausschuss in einer Stellungnahme geäußert hat (4). |
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2.5 |
Aufgrund fehlender Mehrheit nahm der Rat diese Richtlinie nicht an; allerdings wurde das Konzertierungsverfahren zu dieser Frage im Rahmen der im Jahr 2004 eingesetzten Arbeitsgruppe des Rates zur nuklearen Sicherheit (WPNS) fortgeführt. |
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2.6 |
Die Europäische Kommission beabsichtigt, die Umsetzung eines Gemeinschaftsrahmens zu Fragen der nuklearen Sicherheit jetzt erneut aufzugreifen und zu vertiefen. |
3. Ziele, Vorgehensweise und wesentlicher Inhalt des neuen Richtlinienvorschlags
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3.1 |
Ziel des Vorschlags ist es, in der Gemeinschaft nukleare Sicherheit zu erreichen, aufrechtzuerhalten und fortlaufend weiterzuentwickeln und die Rolle der Aufsichtsbehörden zu stärken. Sein Anwendungsbereich sind Auslegung, Wahl des Standorts, Bau, Instandhaltung, Betrieb und Stilllegung kerntechnischer Anlagen, bei denen nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen sind. Das Recht jedes Mitgliedstaates, im Rahmen seines Energiemixes die Kernenergie zu nutzen oder auch nicht, wird anerkannt und uneingeschränkt respektiert. |
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3.2 |
Das Ausgangskonzept der Richtlinie zur nuklearen Sicherheit besteht darin, dass einige Grundsätze der nuklearen Sicherheit, die bereits im IAEO-Übereinkommen über nukleare Sicherheit enthalten sind, zu dessen Vertragsparteien alle EU-Mitgliedstaaten gehören, auf Gemeinschaftsebene reguliert und durch zusätzliche Sicherheitsanforderungen für neue Leistungsreaktoren ergänzt werden. |
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3.3 |
Das heißt, dass international (durch IAEO, CSN, WENRA usw.) anerkannte und bislang auf freiwilliger Basis angewendete Grundsätze der nuklearen Sicherheit verpflichtend vorgeschrieben werden sollen. |
4. Allgemeine Bemerkungen
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4.1 |
Energie aus Kernspaltung trägt derzeit mit 14,6 % zum Primärenergieverbrauch bei und liefert 31 % der in der Europäischen Union erzeugten Energie. Für die EU-Mitgliedstaaten, die sie nutzen (15 (5) von 27), ist sie die preisstabilste und eine der CO2-ärmsten Energiequellen. Wegen der Sorge insbesondere vor radioaktiver Verseuchung bei etwaigen Störfällen und in Bezug auf die Entsorgung des radioaktiven Abfalls ist ihre Verwendung jedoch in einigen Mitgliedstaaten, und zwar sowohl in denjenigen, in denen sie genutzt wird, als auch in stärkerem Maße in denjenigen, in denen sie nicht zum Energiemix gehört, umstritten. |
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4.2 |
Wie in der Stellungnahme des Ausschusses zum Thema „Die Bedeutung der Kernenergie für die Stromerzeugung“ (6) bereits vorweggenommen, gewinnt die Kernenergie heute wieder an Bedeutung, da sie von wirtschaftlichem Interesse ist und zur Verringerung der Treibhausgasemissionen (Klimaschutzpolitik) beitragen könnte. Innerhalb der EU überdenken einige Mitgliedstaaten, die sich zum Ausstieg aus der Kernenergie entschlossen haben, mittlerweile diesen Beschluss. |
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4.3 |
Im Interesse der öffentlichen Akzeptanz muss dieser erneute Aufschwung der Kernkraft an die Gewährleistung der höchstmöglichen Sicherheit gekoppelt sein. |
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4.4 |
Diese erdumfassende Renaissance wirft erneut die Fragen der nuklearen Sicherheit, insbesondere in Bezug auf ihre Organisation und ihre Kontrolle, auf. Die nukleare Sicherheit muss ein „globales öffentliches Gut“ sein. Ihre Gewährleistung muss daher auch „globalisiert“ erfolgen, denn die Risiken der Kernkraft machen nicht an den Grenzen der Staaten, in denen diese Technologie zum Einsatz kommt, halt. |
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4.5 |
Zur Verwirklichung dieses Ziels kann die Europäische Union im Zusammenhang mit dem Ausbau der Kernenergie in ihrem Hoheitsgebiet und der Sicherstellung des technologischen Knowhows eine wesentliche Rolle übernehmen. Sie kann mit gutem Beispiel vorangehen und ein Angebot auf den Tisch legen, wie sie es in Klimafragen getan hat, indem sie zuerst ihre eigenen Sicherheitsvorschriften und -verfahren vereinheitlicht und die Hindernisse ermittelt und abbaut, die der Verwirklichung dieses Ziels im Weg stehen. |
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4.6 |
Vor diesem Hintergrund schlägt die Europäische Kommission ihre Richtlinie zum richtigen Zeitpunkt vor. Der Ausschuss begrüßt diesen Vorschlag und ist der Auffassung, dass er aus technischer und strategischer Sicht von großer Bedeutung für die Sicherheit der Bürger, der Beschäftigten in der Kernenergiebranche und der Umwelt ist, und zwar sowohl in den Mitgliedstaaten, die sich für die Nutzung der Kernenergie entschieden haben, als auch in den Mitgliedstaaten, die sich dagegen ausgesprochen haben. |
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4.6.1 |
Der Ausschuss befürwortet den neuen Ansatz, den die Europäische Kommission gewählt hat, um einen breiteren Konsens zu erreichen, und mit dem sie die Mitgliedstaaten und ihre nationalen Aufsichtsbehörden umfassend in die Verantwortung nimmt. Da sich die Entwicklungen, Organisationen und Praktiken der Mitgliedstaaten unterscheiden, kann dieser Ansatz der Europäischen Kommission, der im Wesentlichen darin besteht, die Mitgliedstaaten zur Einhaltung gemeinsamer in der IAEO konzipierter Vorschriften zu verpflichten, wirklich unabhängige Aufsichtsbehörden einzurichten und die Genehmigungsinhaber voll verantwortlich zu machen, ohne dass diese Verantwortung delegiert werden kann, heute zweifelsohne am ehesten von sämtlichen Interessenträgern angenommen werden und die Sicherheit kerntechnischer Anlagen am besten gewährleisten. |
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4.6.2 |
Diese Richtlinie ist nach Meinung des Ausschusses ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Sicherheit. Es gilt, die Überlegungen fortzusetzen und zu vertiefen, um Neuerungen, Ergänzungen und Änderungen, die angesichts möglicher Entwicklungen des Umfelds, der Techniken und der Organisationskonzepte gerechtfertigt sein könnten, wahrzunehmen und zu berücksichtigen. |
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4.6.3 |
Der Ausschuss nimmt erfreut zur Kenntnis, dass sowohl in den wichtigsten Bestimmungen als auch in Artikel 5 des Richtlinienvorschlags der Transparenz und der Zuverlässigkeit der Informationen für die Bürger im Rahmen der Entscheidungsfindung ein ganz besonderes Augenmerk gewidmet wird. Diesbezüglich kann das Übereinkommen von Århus (7) über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten als Referenz für die Akteure der Zivilgesellschaft herangezogen werden. |
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4.6.4 |
Ungeachtet der vorstehenden Aussagen und des Inhalts des Richtlinienvorschlags sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Sicherheit nicht einfach die Summe aller technischen und industriellen Vorschriften ist. Sie gründet auch auf einer Sicherheitskultur, bei der die Verhaltensweisen von Sicherheitsbewusstsein geprägt sind und neben strikt sicherheitsbezogenen Verfahren kontinuierlich Sicherheitsforschung betrieben wird, um die Sicherheit zu verbessern und potenzielle interne und externe Sicherheitsrisiken zu ermitteln. Diese Kultur lässt sich nicht im Handumdrehen aufbauen, sie betrifft die Unternehmer, die Betreiber und die Kontrollbehörden ebenso wie die politischen Entscheidungsträger, um wirklich zu greifen. |
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4.7 |
Als problematisch für die Entwicklung der Sicherheit kann sich eine unzureichende kerntechnische Kompetenz erweisen, die insbesondere auf einen Mangel an Erfahrung und Knowhow, aber auch auf ein unangemessenes wissenschaftliches und technologisches Umfeld zurückzuführen ist. Daher müssen erhebliche Anstrengungen im Bildungsbereich unternommen werden (8). Es könnten innereuropäische Know-how-Transfers ins Auge gefasst und Fördermaßnahmen vorgesehen werden, um den in Artikel 4, 7 und 9 für Bildung und Humanressourcen festgelegten Anforderungen besser Rechnung zu tragen. Es gilt, eine europäische Zertifizierung der Qualifikationen und Kompetenzen für den Betrieb von kerntechnischen Anlagen und für nukleare Sicherheit einzuführen. |
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4.8 |
Das von der Europäischen Kommission im März 2007 mit Unterstützung des Rates eingerichtete Europäische Forum für Kernenergie setzt sich aus hohen Vertretern der Mitgliedstaaten, Mitgliedern des Europäischen Parlaments, Mitgliedern des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, Vertretern von Energieunternehmen, des Kernenergiesektors, der Verbraucher, des Finanzwesens und der Zivilgesellschaft zusammen. In diesem Forum wird sowohl Fachwissen zusammengetragen als auch über die Chancen und Gefahren der Kernenergie debattiert. Im Januar 2009 hat das Forum eine Reihe an Empfehlungen und Anmerkungen zu dem Richtlinienvorschlag vorgelegt (9), die nach Ansicht des Ausschusses aufgrund ihrer Qualität und ihrer Bedeutung für die Akzeptanz seitens der Bürger und ihrer Vertreter in die Überlegungen einfließen sollten. |
5. Besondere Bemerkungen
5.1 Geltungsbereich und Inhalt der Richtlinie
Der Ausschuss befürwortet den Verweis auf die von der IAEO festgelegten Sicherheitsgrundsätze (Fundamental safety principles, IAEA Safety Standard Series No. SF-1 (2006)) und die Anforderungen des Übereinkommens über nukleare Sicherheit (CNS), will jedoch präzisieren, welche Elemente dieser Grundsätze genau dem Ziel der vorgeschlagenen Richtlinie entsprechen. Dies sollte in Form eines Anhangs zu der Richtlinie erfolgen, der in Ziffer 6 dieser Stellungnahme dargelegt und dieser beigefügt ist. Damit wird die Richtlinie klarer abgesteckt, und gleichzeitig werden auch einige Artikel vereinfacht.
5.2 Artikel 1
Der Ausschuss schlägt einen klareren Wortlaut für Absatz 1 vor: Diese Richtlinie dient „der Festlegung eines europäischen Rechtsrahmens für die nukleare Sicherheit, in dem die Grundsätze dargelegt sind, denen die Gesetze und Regelungen für die nukleare Sicherheit in den Mitgliedstaaten zur Aufrechterhaltung und fortlaufenden Verbesserung der nuklearen Sicherheit sowie zur Stärkung der Rolle der nationalen Aufsichtsbehörden entsprechen müssen.“
5.3 Artikel 2
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5.3.1 |
Begriffsbestimmung (1) „kerntechnische Anlage“: Der Ausschuss schlägt vor, „radioaktive Abfälle“ nach „abgebrannte Brennelemente“ hinzufügen. |
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5.3.2 |
Begriffsbestimmung (8) „Aufsichtsbehörde“: Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, sich strikt an die Begriffsbestimmung des 2007 veröffentlichten Sicherheitsglossars der IAEA zu halten: „Behörde oder Netz von Behörden, die von der Regierung eines Staates mit der rechtlichen Befugnis ausgestattet sind, die Regulierung wahrzunehmen, Genehmigungen zu erteilen und so die nukleare Sicherheit, den Strahlenschutz sowie die Sicherheit radioaktiver Abfälle und des Transports zu überwachen.“ |
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5.3.3 |
Begriffsbestimmung (10) „neuer Leistungsreaktor“: Nach Meinung des Ausschusses wäre es zweckdienlicher, auf den Bau neuer Anlagen nach Inkrafttreten dieser Richtlinie zu verweisen, da die Entwicklungen zu Baubeginn vom Genehmigungsinhaber berücksichtigt werden können. Hingegen wäre die Durchführung jedweder Änderung nach Bauabschluss komplizierter, wenn die Anlage nicht von vornherein entsprechend ausgelegt worden ist. Im Hinblick auf die besondere Situation von Anlagen, deren Bau gestoppt wurde und wieder aufgenommen werden soll, schlägt der Ausschuss folgenden Wortlaut vor: „neuer Leistungsreaktor“ nukleare Leistungsreaktoren, deren Bau nach Inkrafttreten dieser Richtlinie genehmigt (oder deren Bau nach einem Stopp von mindestens fünf Jahren wieder aufgenommen) wird. |
5.4 Artikel 3
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5.4.1 |
Der Ausschuss schlägt vor, dass dieser Artikel derart formuliert wird, dass zuerst der Rahmen, d.h. der übergeordnete Aspekt der Sicherheit, und anschließend die Verantwortung für seine Umsetzung präzisiert werden. Außerdem sollte seiner Meinung nach in diesen Artikel die Möglichkeit aufgenommen werden, Betriebsgenehmigungen bei Verstößen zu entziehen, da dies in den allgemeinen Rahmen fällt und die Autorität der Aufsichtsbehörde stärken würde. Damit könnte Artikel 8 wegfallen. Der Ausschuss verweist darauf, dass die Europäische Kommission befugt ist, die Qualität der Umsetzung der Richtlinie zu überprüfen und gegebenenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat, der die Grundsätze der Richtlinie nicht einhält, einleiten kann. |
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5.4.2 |
Artikel 3 sollte daher wie folgt lauten:
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5.5 Artikel 4 Absatz 1
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5.5.1 |
Zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde, der der Ausschuss großes Gewicht beimisst, sollte dieser Absatz wie folgt formuliert werden: „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Aufsichtsbehörde, deren Aufgabe ausschließlich die Sicherheit ist, von allen Stellen, die kerntechnische Anlagen unterstützen und betreiben, tatsächlich unabhängig und jedem Einfluss, der ihre Aufsichtstätigkeit beinträchtigen könnte, entzogen ist.“ Der Verweis auf Stellen, die die „gesellschaftlichen Vorteile von kerntechnischen Anlagen“ rechtfertigen sollen, ist unter dem Gesichtspunkt der Förderung der Kernkraft überflüssig. Wird dieser Verweis beibehalten, muss auch auf die Unabhängigkeit von Kernenergiegegnern verwiesen werden. |
5.6 Artikel 4 Absatz 3
Der Ausschuss schlägt vor, Absatz 3 und 4 von Artikel 4 des Richtlinienvorschlags zusammenzuführen und wie folgt zu formulieren: „Die Aufsichtsbehörde erteilt Genehmigungen auf der Grundlage der vom Antragsteller vorgelegten Nachweise, dass die Standortwahl, die Auslegung, der Bau, die Inbetriebnahme, der Betrieb, die Verlängerung der Betriebsdauer und die Anzahl von qualifizierten Mitarbeitern bis zur Stilllegung der Anlage den geltenden Sicherheitsanforderungen, -bedingungen und -vorschriften entsprechen. Die Aufsichtsbehörde überwacht die ordnungsgemäße Einhaltung der vom Genehmigungsinhaber eingegangenen Verpflichtungen zur Gewährleistung der nuklearen Sicherheit.“
5.7 Artikel 4 Absatz 4
Streichen und in den umformulierten Absatz 3 von Artikel 4 aufnehmen.
5.8 Artikel 4 Absatz 6
Der Ausschuss schlägt vor, einen sechsten Absatz im Hinblick auf die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden in der EU hinzuzufügen: „Die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten tauschen untereinander die besten Aufsichtspraktiken aus und entwickeln eine gemeinsame Auffassung der angenommenen internationalen Anforderungen.“
5.9 Artikel 5
„Transparenz“: Der Ausschuss unterstreicht die große Bedeutung dieses Artikels zur Entkräftung des Vorwurfs der „Geheimniskrämerei“, der gegenüber der Kernindustrie erhoben wird. Außerdem betreffen die Informationen über den Betrieb von Kernkraftwerken ausnahmslos alle Mitgliedstaaten, ungeachtet der Nutzung der Kernenergie auf ihrem Hoheitsgebiet, da sie ihre Bürger vor den Risiken der Kernenergie schützen müssen, die nicht an den Staatsgrenzen halt machen.
5.10 Artikel 6 Absatz 1
Der Ausschuss schlägt vor, die Verweise auf die sicherheitstechnischen Grundsätze der IAEO zu präzisieren und hierfür auf den bereits erwähnten Anhang zu der Richtlinie zu verweisen. Artikel 6 Absatz 1 sollte somit neu formuliert werden: „In Bezug auf die Standortwahl, die Auslegung, den Bau, die Inbetriebnahme, den Betrieb und die Stilllegung der kerntechnischen Anlagen wenden die Mitgliedstaaten die im Anhang erläuterten sicherheitstechnischen Grundsätze der IAEO (IAEA Safety Fundamentals: Fundamental safety principles, IAEA Safety Standard Series No. SF-1 (2006)) an.“
5.11 Artikel 6 Absatz 2
Dieser Artikel enthält einen zu unpräzisen Verweis auf den Verband der westeuropäischen Aufsichtsbehörden im Nuklearbereich (WENRA) und die Europäische hochrangige Gruppe für nukleare Sicherheit und Abfallentsorgung und ist problematisch: Wie können die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, künftige Erkenntnisse, von denen man weiß, was sie beinhalten und wann sie vorliegen werden, zum Zeitpunkt der Annahme der Richtlinie noch nicht zu berücksichtigen? Der Ausschuss schlägt daher die Streichung dieses Absatzes vor, denn die sicherheitstechnischen Grundsätze und der Aufbau einer Sicherheitskultur sind aufgrund der wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte einem ständigen Wandel unterworfen.
5.12 Artikel 7
In diesem Artikel wird die Verantwortung des Genehmigungsinhabers dargelegt; da die Richtlinie jedoch an die Mitgliedstaaten gerichtet ist, schlägt der Ausschuss vor, die nicht allein auf die Rolle der Mitgliedstaaten bezogenen Aspekte in den Anhang zu übertragen. Artikel 7 sollte daher wie folgt lauten:
Pflichten des Genehmigungsinhabers:„Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die Genehmigungsinhaber für den Entwurf, den Bau, den Betrieb und die Stilllegung ihrer kerntechnischen Anlagen gemäß Artikel 6 verantwortlich sind.“
5.13 Artikel 8
Die Bestimmungen dieses Artikels wurden in Artikel 3 und 4 aufgenommen und können an dieser Stelle gestrichen werden.
5.14 Artikel 10
Die Überschrift „Vorrang der Sicherheit“ kann irreführend sein, da sie darauf schließen lässt, dass die Mitgliedstaaten, die keine strengeren Sicherheitsmaßnahmen als die in dieser Richtlinie vorgesehenen ergreifen, der Sicherheit nicht den Vorrang einräumen oder dass dies nicht Ziel der Richtlinie ist. Der Ausschuss schlägt daher folgende Überschrift vor: „ Stärkung der Sicherheit “.
5.15 Artikel 11
Artikel 11 betrifft die regelmäßige Berichterstattung über die Durchführung dieser Richtlinie an die Europäische Kommission; dies ist notwendig und wünschenswert, doch ist eine derartige Berichterstattungspflicht bereits im Übereinkommen über nukleare Sicherheit (CNS) enthalten. Der Ausschuss erachtet es daher als sinnvoll, die Berichterstattung zeitlich zu bündeln, um die Verfahren zu vereinfachen und kohärenter zu gestalten.
Dieser Artikel sollte wie folgt umformuliert werden: „Die Mitgliedstaaten legen der Kommission einen Bericht über die Durchführung dieser Richtlinie vor, und zwar jeweils zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihre nationalen Berichte für die Revisionstagungen im Rahmen des Übereinkommens über nukleare Sicherheit (CNS) vorlegen. Anhand dieses Berichts legt die Kommission dem Rat einen Bericht über den Stand der Durchführung dieser Richtlinie und gegebenenfalls Vorschläge für Rechtsakte vor.“
6. Vorschlag für einen Anhang zu der Richtlinie
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6.1 |
In diesem Anhang zu der Richtlinie sollen
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6.2 |
Der Anhang beruht auf folgenden sechs Grundsätzen: |
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6.2.1 |
Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die Verantwortung für die Sicherheit in erster Linie dem Genehmigungsinhaber obliegt. |
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6.2.2 |
Die Verantwortung für die Sicherheit und das Sicherheitsmanagement müssen auf höchster Ebene des Unternehmens angesiedelt sein. |
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6.2.3 |
Die Sicherheitsbewertung muss ab Baubeginn einer nuklearen Anlage und während ihrer gesamten Lebensdauer vorgenommen werden. |
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6.2.4 |
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nuklearen Anlagen nachgerüstet werden, um das höchstmögliche praktisch realisierbare Sicherheitsniveau zu gewährleisten. |
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6.2.5 |
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle nur erdenklichen Anstrengungen zur Vermeidung nuklearer Stör- und Unfälle und zur Eindämmung ihrer Folgen unternommen werden. |
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6.2.6 |
Alle Mitgliedstaaten stellen ausnahmslos sicher, dass die Notfallschutz- und Gegenmaßnahmen für nukleare Unfälle gemäß Richtlinie 96/29/Euratom getroffen werden. |
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) ABl. C 185 vom 14.8.1975, S. 1.
(2) ABl. C 172 vom 8.7.1992, S. 2.
(3) KOM(2003) 32 endg. und KOM(2004) 526 endg. (revidierte Fassung).
(4) ABl. C 133 vom 6.6.2003, S. 70.
(5) Bulgarien, Belgien, Tschechische Republik, Deutschland, Spanien, Frankreich, Litauen, Ungarn, Niederlande, Rumänien, Finnland, Schweden, Slowenien, Slowakei und Vereinigtes Königreich.
(6) ABl. C 110 vom 30.4.2004, S. 77.
(7) Dieses internationale Übereinkommen wurde im Rahmen der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UN/ECE) ausgehandelt und von 40 der 55 Mitgliedstaaten dieser Kommission unterzeichnet.
(8) ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 1-7.
(9) Siehe Überlegungen der Untergruppe „Harmonisation“ der Arbeitsgruppe „Risks“ des Europäischen Forums für Kernenergie zu einem möglichen Vorschlag für eine Richtlinie über nukleare Sicherheit.
ANHANG
zu der Stellungnahme TEN/377 des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit“
KOM(2008) 790 endg. — 2008/0231 (CNS)
ANHANG ZU DER RICHTLINIE (1)
SICHERHEITSZIEL
Das grundlegende Sicherheitsziel besteht darin, die Arbeitskräfte und die Bevölkerung vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung zu schützen, die beim Betrieb kerntechnischer Anlagen entstehen kann.
Um den Schutz der Arbeitskräfte und der Bevölkerung sicherzustellen, werden kerntechnische Anlagen so betrieben, dass das höchste Sicherheitsniveau gewährleistet wird, das bei entsprechender Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Faktoren unter realistischen Bedingungen erreichbar ist.
Neben Maßnahmen, die dem in den Euratom-Grundnormen verankerten Gesundheitsschutz (Richtlinie 96/29/Euratom) dienen, werden Maßnahmen getroffen
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zur Einschränkung der Wahrscheinlichkeit von Ereignissen, die zu einem Verlust der Kontrolle über einen Reaktorkern, eine nukleare Kettenreaktion oder eine Strahlungsquelle führen können und |
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zur Minderung der Folgen bei Eintreten derartiger Ereignisse. |
Dem grundlegenden Sicherheitsziel ist bei allen kerntechnischen Anlagen und in allen Phasen während der gesamten Lebensdauer der kerntechnischen Anlage Rechnung zu tragen.
GRUNDSÄTZE FÜR DIE SICHERHEIT
1. Grundsatz 1: Verantwortung für die Sicherheit
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass der Inhaber der entsprechenden Genehmigung die Hauptverantwortung für die Sicherheit der kerntechnischen Anlage trägt, und ergreifen geeignete Maßnahmen, mit denen sichergestellt wird, dass die betreffenden Genehmigungsinhaber ihrer Verantwortung ausnahmslos gerecht werden.
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass der Genehmigungsinhaber Maßnahmen:
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zum Aufbau und zur Erhaltung der notwendigen Kompetenzen, |
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zur Bereitstellung angemessener Bildungs- und Informationsangebote, |
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zur Einführung von Verfahren und Vorkehrungen zur dauerhaften Gewährleistung der Sicherheit unter allen Umständen, |
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zur Verifizierung der sachgemäßen Auslegung und Qualität der kerntechnischen Anlagen, |
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zur Gewährleistung der sicheren Handhabung aller radioaktiver Materialien, die verwendet, erzeugt oder gelagert werden, |
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zur Gewährleistung der sicheren Entsorgung aller radioaktiven Abfälle, |
getroffen hat, um seiner Verantwortung für die Sicherheit einer kerntechnischen Anlage gerecht zu werden.
Die Wahrnehmung dieser Aufgaben erfolgt in Übereinstimmung mit den geltenden Sicherheitszielen und -anforderungen, die von der Aufsichtsbehörde festgelegt oder genehmigt wurden, und ist durch die Einführung eines Managementsystems sicherzustellen.
2. Grundsatz 2: Führungskompetenz und Management in Sicherheitsfragen
Bei den mit nuklearer Sicherheit befassten Einrichtungen muss für den Aufbau und den Erhalt leistungsfähiger Führungs- und Managementstrukturen für die Sicherheit gesorgt werden.
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2.1 |
Führungskompetenz in Sicherheitsfragen ist auf höchster Ebene der Einrichtungen anzusiedeln. Es muss ein effizientes Managementsystem aufgebaut und aufrechterhalten werden, das alle Managementbereiche umfasst, damit sicherheitstechnische Anforderungen im Einklang mit anderen Anforderungen - einschließlich Anforderungen an Leistungsniveau, Qualität und Sicherheit menschlicher Tätigkeiten - aufgestellt und angewandt werden und die Sicherheit nicht durch andere Anforderungen oder Ansprüche gefährdet wird. Darüber hinaus muss das Managementsystem die Entstehung einer Sicherheitskultur fördern, die regelmäßige Bewertung des sicherheitstechnischen Niveaus sicherstellen und dafür sorgen, dass Erfahrungen sich in Lernerfolgen niederschlagen. |
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2.2 |
Eine Sicherheitskultur, die die Haltungen und das Verhalten aller betreffenden Einrichtungen und Personen in Bezug auf Sicherheitsfragen prägt, muss Teil des Managementsystems sein. Die Sicherheitskultur umfasst:
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2.3 |
Im Rahmen des Managementsystems gilt es, die Interaktionen der Einzelpersonen auf den verschiedenen Ebenen mit den Technologien und Einrichtungen in ihrer Gesamtheit zu sehen. Um das Versagen von Einzelpersonen oder Einrichtungen mit Auswirkungen auf die Sicherheit zu vermeiden, muss der menschliche Faktor einkalkuliert werden; gute Leistung und bewährte Verfahren müssen gefördert werden. |
3. Grundsatz 3: Bewertung der Sicherheit
Vor dem Bau und der Inbetriebnahme und während der gesamten Lebensdauer einer kerntechnischen Anlage werden umfassende und systematische Sicherheitsbewertungen durchgeführt. Dabei kommt ein stufenweiser Ansatz zur Anwendung, der dem Ausmaß der von der kerntechnischen Anlage ausgehenden potenziellen Risiken Rechnung trägt.
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3.1 |
Die Aufsichtsbehörde fordert die Bewertung der nuklearen Sicherheit aller kerntechnischen Anlagen, wobei ein stufenweiser Ansatz zur Anwendung kommt. Die Sicherheitsbewertung umfasst eine systematische Analyse des Normalbetriebs und seiner Folgen, möglicher Fehlerquellen und der Folgen jener Fehler. Die Sicherheitsbewertungen erstrecken sich auf die Sicherheitsmaßnahmen, die zur Gefahrenkontrolle notwendig sind; darüber hinaus wird im Rahmen der Bewertung der sicherheitstechnischen Auslegung und bautechnischer Sicherheitsvorrichtungen geprüft, ob diese die vorgesehene sicherheitstechnische Funktion erfüllen. Sofern Kontrollmaßnahmen oder Maßnahmen des Betreibers zur Gewährleistung der Sicherheit vorgenommen werden sollen, ist zunächst eine Sicherheitsbewertung vorzunehmen, in deren Rahmen der Nachweis dafür erbracht wird, dass die betreffenden Vorkehrungen den Belastungen standhalten und zuverlässig sind. Eine Zulassung wird einer kerntechnischen Anlage von einem Mitgliedstaat erst erteilt, wenn der Aufsichtsbehörde gegenüber der hinreichende Nachweis dafür erbracht wurde, dass die vom Genehmigungsinhaber vorgeschlagenen Sicherheitsmaßnahmen ihren Zweck erfüllen. |
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3.2 |
Die geforderte Sicherheitsbewertung wird später, wenn der Betrieb aufgenommen wurde, nach Bedarf ganz oder teilweise wiederholt, um veränderten Umständen (beispielsweise Gültigkeit neuer Normen oder neue wissenschaftliche und technologische Entwicklungen), beim Betrieb gewonnenen Erfahrungen, Änderungen und Abnutzungserscheinungen Rechnung zu tragen. Bei Betriebsabläufen, die über lange Zeiträume gehen, werden die Bewertungen im erforderlichen Maße überprüft und wiederholt. Ob die Betriebsabläufe fortgesetzt werden dürfen, ist von den wiederholten Bewertungen abhängig, in deren Rahmen der hinreichende Nachweis erbracht wird, dass die Sicherheitsmaßnahmen nach wie vor ihren Zweck erfüllen. |
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3.3 |
Im Rahmen der geforderten Sicherheitsbewertung werden Vorzeichen von Unfällen (ein auslösendes Ereignis, das die Ausgangsbedingungen für einen Unfall schaffen könnte) erkannt und analysiert und Maßnahmen getroffen, um einen Unfall zu vermeiden. |
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3.4 |
Zur weiteren Verbesserung der Sicherheit werden Verfahren für die Rückmeldung und Auswertung von Erfahrungen beim Betrieb der eigenen oder anderer Anlagen eingeführt - einschließlich Erfahrungen in Bezug auf auslösende Ereignisse, Vorzeichen von Unfällen, Beinahe-Unfälle, Unfälle und unzulässiges Verhalten -, sodass die Erfahrungen sich in Lernerfolgen niederschlagen, gemeinsam genutzt werden und als Grundlage für künftiges Handeln dienen können. |
4. Grundsatz 4: Optimierte Sicherheit
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass kerntechnische Anlagen so optimiert werden, dass das höchste Maß an Sicherheit besteht, das unter realistischen Bedingungen erreichbar ist, ohne die Nutzung der Anlage übermäßig zu beeinträchtigen.
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4.1 |
Um die Sicherheit zu optimieren, müssen Aussagen über die relative Bedeutung der einzelnen Faktoren getroffen werden. Zu diesen Faktoren gehören:
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5. Grundsatz 5: Verhinderung und Minderung von Schäden
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle praktischen Anstrengungen unternommen werden, um nukleare Störfälle und Unfälle bei kerntechnischen Anlagen zu unterbinden und zu entschärfen.
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5.1 |
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Genehmigungsinhaber alle praktischen Anstrengungen unternehmen, um
indem sie das Schutzkonzept der „tief gestaffelten Verteidigung“ zur Anwendung bringen. |
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5.2 |
Mit der Anwendung des Konzepts der „tief gestaffelten Verteidigung“ wird gewährleistet, dass ein technisches, menschliches oder organisationsbedingtes Versagen an sich noch keinen Folgeschaden verursachen kann und die Wahrscheinlichkeit eines durch gleichzeitiges Versagen auf mehreren Ebenen verursachten schweren Folgeschadens sehr gering ist. |
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5.3 |
Die „tief gestaffelte Verteidigung“ erfolgt durch Kombination einer Reihe nacheinander angeordneter, voneinander unabhängiger Schutzstufen. Gefährliche Folgen für die Arbeitskräfte oder die Bevölkerung können damit erst eintreten, wenn diese Schutzstufen in ihrer Gesamtheit versagen. Die „tief gestaffelte Verteidigung“ umfasst folgende Schutzstufen:
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6. Grundsatz 6: Vorbereitung auf den Notfall und Gegenmaßnahmen
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Vorkehrungen getroffen werden, wie zur Vorbereitung auf das Eintreten und bei Eintreten eines Unfalls in kerntechnischen Anlagen im Einklang mit der Richtlinie 1996/29/Euratom verfahren und reagiert werden muss.
(1) Dieser Anhang greift teilweise die Überlegungen der Untergruppe „Harmonisation“ der Arbeitsgruppe „Risks“ des Europäischen Forums für Kernenergie zu einem möglichen Vorschlag für eine Richtlinie über nukleare Sicherheit auf. Anmerkung der Übersetzung: Der hier wiedergegebene deutsche Text folgt in fast allen Punkten den im Europäischen Parlament angefertigten Übersetzungen (Entwurf eines Berichts und Änderungsanträge zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit“ (KOM(2008) 790 endg.).
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/64 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe“
KOM(2008) 818 endg. — 2008/0238 (COD)
2009/C 306/14
Der Rat beschloss am 21. Januar 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 242 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 26. Mai 2009 an. Berichterstatter war José Isaías RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) mit 114 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen
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1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Richtlinienvorschlag und bringt seine Zufriedenheit darüber zum Ausdruck, dass hier ein Rechtsakt angenommen werden soll, der im Wesentlichen auf einen verbesserten Gesundheitsschutz der Unionsbürgerinnen und -bürger abzielt und dazu eine Verknüpfung von Sicherheitsfaktoren mit Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität und Zugänglichkeit von auf Organtransplantation beruhenden Behandlungsmethoden vorsieht. |
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1.2 |
Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass folgende Aspekte zu den Grundvoraussetzungen für eine angemessene Politik der Gewinnung von Organspendern zählen: Sensibilisierung der Bevölkerung, Schaffung eines kollektiven Bewusstseins unter den Bürgern, aktive und uneigennützige Beteiligung der Medien sowie Motivierung und Einbeziehung des Pflegepersonals. Der EWSA ist der Ansicht, dass unter diesen Voraussetzungen in allen Mitgliedstaaten in etwa gleiche Organspende-Niveaus erreicht werden können und dass die Anstrengungen der Kommission und der Mitgliedstaaten hauptsächlich auf die genannten Ziele ausgerichtet sein sollten. |
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1.3 |
Die Organspende in der Europäischen Union muss auf den Grundsätzen Freiwilligkeit, Uneigennützigkeit, Solidarität und Unentgeltlichkeit fußen. Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten müssen sämtlichen Versuchen der Vermarktung von Organen entgegenwirken und harte Strafen für den illegalen Handel mit Transplantationsorganen vorsehen. Durch gemeinsames und koordiniertes Handeln können die Mitgliedstaaten einen hohen Prozentsatz an Organspenden erreichen und gleichzeitig alle Bestrebungen der organisierten Kriminalität, im Bereich Organtransplantation Fuß zu fassen, unterbinden. |
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1.4 |
Der EWSA vertritt die Ansicht, dass rechtliche, kulturelle, ethische, religiöse, historische, soziale und andere Faktoren nicht als Argumentationsgrundlage für die Ablehnung von Organspenden seitens der Bevölkerung herhalten dürfen, um Organspenden abzulehnen, da dies zu einem Mangel an Organen führen könnte, was vermieden werden muss. Der Organmangel, der nicht auf rein wissenschaftliche bzw. demografische Gründe zurückgeführt werden kann, darf nicht durch den Import von Organen aus anderen Ländern ausgeglichen werden, in denen die Bevölkerung in Bezug auf Organtransplantationen stärker sensibilisiert und solidarischer ist. |
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1.5 |
Der EWSA vertraut auf die Arbeit der im Richtlinienvorschlag genannten zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Er ist der Ansicht, dass ein leistungsfähiger und gut organisierter öffentlicher Gesundheitsdienst die Überwachung der Umsetzung der Qualitäts- und Sicherheitsvorschriften im Bereich Organtransplantation am besten sicherstellen kann. Deshalb hält er es für notwendig, in der Richtlinie eindeutig festzulegen, dass die Mitgliedstaaten regelmäßige Inspektions- und Kontrollmaßnahmen bezüglich der Einhaltung dieser Vorschriften durch die Beschaffungs- und Transplantationszentren veranlassen müssen. |
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1.6 |
Zeitgleich mit der Veröffentlichung dieses Richtlinienvorschlags hat die Kommission ihre Mitteilung „Aktionsplan im Bereich Organspende und -transplantation (2009-2015) Verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten“ (1) vorgelegt. Auch wenn der EWSA nicht um eine einschlägige Stellungnahme ersucht wurde, hält er es angesichts der Bedeutung dieses Aktionsplans für die Unionsbürger für notwendig, sich dazu in einer Initiativstellungnahme zu äußern. |
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1.7 |
Der EWSA ist der Auffassung, dass die besonderen Bemerkungen zu den einzelnen Bestimmungen des Richtlinienvorschlags (Ziffer 4 dieser Stellungnahme) dazu beitragen, die Verständlichkeit und Kohärenz des gesamten Textes und somit den endgültigen Wortlaut des Rechtsakts zu verbessern. Besonders erwähnenswert sind die Bemerkungen, in denen mögliche Widersprüche zwischen den Artikeln herausgestellt werden. |
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1.8 |
Der EWSA möchte unter diesen besonderen Bemerkungen zwei zentrale Aspekte hervorheben, die einen eindeutigen Rückschritt im Vergleich zum Inhalt der Richtlinie 2004/23/EG zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen (2) darstellen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass diese Richtlinie Art. 7 über Inspektionen und Kontrollmaßnahmen und Art. 10 über Register für Beschaffungs- und Transplantationszentren enthält, während im neuen Richtlinienvorschlag vergleichbare Bestimmungen fehlen. Beide Artikel sollten im Richtlinienvorschlag im Interesse der Textqualität in gleicher Weise enthalten sein. |
2. Einführung in den Richtlinienvorschlag
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2.1 |
Gemäß Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe a des EG-Vertrags trägt der Rat in Einklang mit dem in Artikel 251 vorgesehenen Verfahren und nach Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen zur Verwirklichung der Ziele des genannten Artikels bei, indem er Maßnahmen zur Festsetzung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs sowie für Blut und Blutderivate verabschiedet. |
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2.2 |
Das Europäische Parlament und der Rat verabschiedeten bereits die Richtlinie 2004/23/EG zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen und die Richtlinie 2002/98/EG vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen (3). Zu beiden Richtlinien hat der EWSA im Rahmen einer obligatorischen Befassung eine Stellungnahme vorgelegt (4). |
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2.3 |
Nach der Verabschiedung der Richtlinie über Zellen und Gewebe legte die Kommission im Mai 2007 eine Mitteilung zur Organspende und -transplantation vor, in der sie für die späteren, noch zu erörternden Maßnahmen einen Zielrahmen für die Qualität und Sicherheit im Bereich der Organspende und -transplantation und die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten absteckte. Zu dieser Mitteilung liegt noch keine Stellungnahme des EWSA vor. |
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2.4 |
In den Schlussfolgerungen des Rates vom 6. Dezember 2007 wurde festgestellt, dass zum Schutz der Patienten strenge Sicherheits- und Qualitätsvorschriften für die Organspende gelten müssen. |
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2.5 |
Die Kommission hat zeitgleich mit diesem Richtlinienvorschlag die Mitteilung über den „Aktionsplan im Bereich Organspende und -transplantation (2009-2015). Verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten“ vorgelegt, zu der der EWSA nicht um Stellungnahme ersucht wurde. |
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2.6 |
Zu guter Letzt ist auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. April 2008„Organspende und -transplantation: Maßnahmen auf EU-Ebene“ (5) hinzuweisen. Der EWSA befürwortet ausdrücklich den Inhalt dieser Entschließung. |
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2.7 |
Der Richtlinienvorschlag hat zum Ziel, zur Gewährleistung der Qualität und Sicherheit von menschlichen Spenderorganen Vorschriften festzulegen, die für die Spende, Beschaffung, Testung, Charakterisierung, Konservierung, Beförderung und Verpflanzung menschlicher Organe gelten. |
3. Allgemeine Bemerkungen
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3.1 |
Der Ausschuss begrüßt den Vorschlag für eine Richtlinie über gemeinsame Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe unbeschadet der im vorliegenden Dokument dargelegten allgemeinen und besonderen Bemerkungen. Er schließt sich voll und ganz der Meinung des Rates und des Europäischen Parlaments an, dass der letztendliche Zweck der Richtlinie darin bestehen muss, den Schutz der menschlichen Gesundheit zu gewährleisten. Es ist daher unverzichtbar, dass während des gesamten zur Vornahme einer Transplantation führenden Prozesses die höchsten Qualitäts- und Sicherheitsstandards erreicht werden. |
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3.2 |
Die Möglichkeit der Organtransplantation ist nur dann gegeben, wenn zuvor ein lebender oder verstorbener Spender vorhanden ist, dem das Organ entnommen werden kann. Daher vertritt der Ausschuss die Meinung, dass der wichtigste Aspekt des gesamten Prozesses darin besteht, das Vorhandensein von Spendern zu gewährleisten. Darauf müssen sich die Anstrengungen auf Ebene der Europäischen Union konzentrieren. Um ein hohes Organspendenniveau zu erreichen, sind die Sensibilisierung der Bevölkerung, die Schaffung eines kollektiven Bewusstseins unter den Bürgerinnen und Bürgern, die aktive und uneigennützige Teilnahme der Medien sowie die Motivierung und Einbeziehung der Angehörigen der Gesundheitsberufe von wesentlicher Bedeutung. |
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3.3 |
Der Ausschuss unterstützt daher entschieden die Initiative des Europäischen Parlaments, einen internationalen Organspendertag auszurufen. Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten diesen Tag als eine Möglichkeit einführen, um bei den EU-Bürgerinnen und -Bürgern für die Organspende zu werben, und sich dazu die Unterstützung und Erfahrung der Zivilgesellschaft sichern, die über die verschiedenen Vereinigungen und Organisationen, in denen Transplantationspatienten zusammengeschlossen sind, vermittelt werden kann. |
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3.4 |
Der Ausschuss ist mit den in der Richtlinie zum Ausdruck gebrachten Grundsätzen der Freiwilligkeit, Uneigennützigkeit und Unentgeltlichkeit der Organspende einverstanden. Alle Mitgliedstaaten müssen gewährleisten, dass ihre Rechtsvorschriften keine Gesetzeslücken aufweisen, die eine Kommerzialisierung von Organen und Zuweisung der Organe an Patienten mittels anderer als strikt wissenschaftlicher Kriterien gestatten. |
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3.5 |
Die Spende ist der grundlegende und unverzichtbare Ausgangspunkt des Prozesses, der mit der Implantation eines Organs in einen Patienten endet. Die Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung der Bevölkerung bilden Eckpfeiler des Transplantationsprozesses. Daher muss die rechtliche Voraussetzung der Einwilligung in die Organentnahme bei Verstorbenen zwar respektiert, operationell jedoch vereinfacht werden, um die größtmögliche Anzahl von Spenden zu erzielen. Rechtliche, kulturelle, ethische, religiöse, historische, soziale und andere Faktoren dürfen nicht als Argumentationsgrundlage für die Ablehnung von Organspenden herhalten, da dies zu einem Mangel an Spenderorganen führen könnte, was vermieden werden muss. Der Organmangel, der nicht auf rein wissenschaftliche bzw. demografische Gründe zurückgeführt werden kann, darf nicht durch den Import von Organen aus anderen Staaten ausgeglichen werden, in denen die Bevölkerung in Bezug auf Organtransplantationen stärker sensibilisiert und solidarischer ist. |
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3.6 |
Der Ausschuss hält die Sensibilisierung der Bevölkerung für die Organspende für ebenso wichtig wie die Motivierung der Angehörigen der Gesundheitsberufe auf diesem Gebiet. Nicht nur die technisch-wissenschaftlichen Fachkenntnisse des Gesundheitspersonals sind wichtig, um die Organspende und Transplantation durchführen zu können, sondern es ist auch unerlässlich, die Angehörigen der Gesundheitsberufe durch die Stärkung ihrer Kommunikationsfähigkeit dazu zu motivieren, als Vermittler die Organbeschaffung zu fördern und so zu Fazilitatoren des Spendeprozesses zu werden. |
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3.7 |
Hier gibt es in bestimmten Mitgliedstaaten (und konkret in Spanien) entsprechend akkreditierte Beauftragte, die sogenannten krankenhausinternen Transplantationskoordinatoren, die durch das Monitoring potenzieller Spender und die Sensibilisierung des Gesundheitspersonals derjenigen Stationen, in die die meisten dieser potenziellen Spender eingewiesen werden, die größtmögliche Zahl von Transplantationsorganen gewährleisten sollen. Der krankenhausinterne Transplantationskoordinator überwacht, fördert und koordiniert die Spende, Entnahme, Beförderung und Verfügbarkeit der zur Transplantation bestimmten Organe. Der Ausschuss hält es für erforderlich, dass die Krankenhäuser in der Europäischen Union über Gesundheitspersonal verfügen, das diese Aufgaben wahrnimmt, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Einführung dieser Funktion in den europäischen Krankenhäusern so effizient wie möglich zu fördern. |
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3.8 |
Der Ausschuss unterstützt in allen Mitgliedstaaten die Schaffung einzelstaatlicher Qualitätsprogramme als Instrumente, die die Erfüllung der in der Richtlinie vorgesehenen Qualitäts- und Sicherheitsstandards gewährleisten. Auch hält er es für unverzichtbar, einzelstaatliche Behörden zu benennen, die für die Anwendung der in der Richtlinie festgelegten Anforderungen zuständig sind. Die Festlegung der Grundlagen für eine starke einzelstaatliche Organisation muss zwangsläufig über die Anwendung einzelstaatlicher Qualitätsprogramme, die Benennung effizient arbeitender einzelstaatlicher Behörden sowie eine starke Einbindung der Öffentlichkeit in diesen Aspekt der individuellen und kollektiven Gesundheit erfolgen, der immer mehr Bedeutung und Konsequenzen für die Bürgerinnen und Bürger hat. |
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3.9 |
Die Gesundheitsbehörden der Mitgliedstaaten sind die Hauptverantwortlichen, die die Qualität und Sicherheit während des Transplantationsprozesses garantieren. Die Verabschiedung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards im Zuge des Spende- und Transplantationsprozesses sowie von gemeinsamen Normen in Bezug auf die strukturellen, materiellen und personellen Anforderungen, denen die Beschaffungs- und Transplantationszentren genügen müssen, ist eine objektive Priorität, um eine hohe Effizienz und Sicherheit bei dieser Art chirurgischer Eingriffe zu gewährleisten. Dementsprechend ist es wichtig, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten detaillierte Programme für die Inspektion und regelmäßige Kontrolle dieser Zentren entwickeln, um die umfassende Erfüllung der Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe zu gewährleisten. |
4. Besondere Bemerkungen
4.1 Zu Artikel 1
In dem Vorschlag für eine Richtlinie wird als Ziel derselben festgelegt, „hohe“ Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und ein „hohes“ Gesundheitsschutzniveau zu garantieren. Nach Ansicht des Ausschusses ist es nicht ausreichend, „hohe“ Standards und Niveaus zum Ziel zu erklären, da dies in praktischer Hinsicht wenig konkrete Ergebnisse liefert. Im Transplantationsbereich muss Exzellenz, ein Null-Fehler-Niveau, angestrebt werden. Deshalb wird vorgeschlagen, bei der Abfassung des Artikels den Begriff „hohe“ zu streichen und den Absatz wie folgt zu formulieren: „… legt Vorschriften fest, um die Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation in den menschlichen Körper bestimmte Organe menschlichen Ursprungs festzulegen, die erforderlich sind, um ein Höchstmaß an Gesundheitsschutz zu gewährleisten“.
4.2 Zu Artikel 3 Buchstabe j)
In der Begriffsbestimmung von „Beschaffungsorganisation“ sind Einrichtungen (des Gesundheitswesens), Abteilungen oder Teams (eines Krankenhauses) und andere Einrichtungen eingeschlossen. Nach Ansicht des Ausschusses ist diese Definition wenig konkret und die Bezeichnung deckt sich nicht mit der in Buchstabe q) desselben Artikels enthaltenen Definition. Da in Letzterem die „Transplantationszentren“ definiert werden, wäre es stimmiger, von „Beschaffungszentren“ und nicht von „Beschaffungsorganisationen“ zu reden. Ebenso sollte der in beiden Absätzen vorkommende Begriff „Einrichtung“ bzw. „Stelle“ gestrichen werden, da sowohl die Organentnahme als auch die Organtransplantation von Fachkräften vorgenommen werden, die im Rahmen von Teams oder Abteilungen in öffentlichen oder privaten Einrichtungen des Gesundheitswesens tätig sind. Diese Einrichtungen, Abteilungen und Teams sind es, die die Genehmigung der zuständigen Behörde zur Ausführung dieser Tätigkeiten erhalten. Aus dieser Bemerkung ergibt sich daher, dass Artikel 5 über die Beschaffungsorganisationen im gleichen Sinne geändert werden muss.
4.3 Zu Artikel 3 Buchstabe r)
Der Ausschuss schlägt vor, entsprechend der vorherigen Bemerkung in diesem Absatz betreffend die Definition von Rückverfolgbarkeit die Bezeichnung „Beschaffungsorganisation“ durch „Beschaffungszentrum“ zu ersetzen.
4.4 Zu den in Artikel 3 nicht enthaltenen Definitionen
In Artikel 2 des Vorschlags heißt es, dass die Richtlinie für die verschiedenen Phasen des Prozesses gilt, den ein zur Transplantation bestimmtes Organ durchläuft. Alle genannten Phasen werden in Artikel 3 definiert, mit Ausnahme der Charakterisierung und der Beförderung. Nach Ansicht des Ausschusses müssen die Definitionen der in diesem Artikel beschriebenen Phasen klar dargelegt werden, zumal Artikel 8 der Richtlinie der Organbeförderung gewidmet ist.
4.5 Zu Artikel 6
In diesem Artikel über die Organbeschaffung werden ganz kurz die Anforderungen an die Operationssäle aufgeführt, in denen die Organbeschaffung stattfindet. Die unter Buchstabe a) und b) genannten Anforderungen sind so offensichtlich und knapp formuliert, dass der Ausschuss fordert, den betreffenden Text zu streichen und auf einen Anhang bzw. ein Folgedokument zu verweisen, in dem ausführlich dargelegt wird, welche Mindestanforderungen die Operationssäle, in denen die Entnahme von Organen sowohl lebender als auch verstorbener Spender erfolgt, hinsichtlich Struktur, Ausrüstung und Personal erfüllen müssen.
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4.6 |
Desgleichen zeigt sich der Ausschuss verwundert über das Fehlen eines Artikels über Inspektionen und Kontrollmaßnahmen ähnlich Artikel 7 der Richtlinie 2004/23/EG zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen. In dem Richtlinienvorschlag wird in Artikel 18 kurz erwähnt, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten dafür sorgen sollen, dass Beschaffungs- und Transplantationszentren regelmäßig kontrolliert und geprüft werden. Der Ausschuss hält es für notwendig, einen neuen Artikel in den Vorschlag aufzunehmen, der inhaltlich dem zuvor Genannten folgt. |
4.7 Zu Artikel 7
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4.7.1 |
In Absatz 1 des Artikels wird festgelegt, dass die zur Organcharakterisierung erforderlichen Tests von einem qualifizierten Labor durchzuführen sind. Der Ausschuss weist darauf hin, dass die in Artikel 3 enthaltenen Begriffsbestimmungen nicht den Zusatz „qualifiziert“ enthalten. Entsprechend der Definition in Artikel 3 Buchstabe a) muss das Labor zugelassen, akkreditiert, designiert oder lizenziert sein, diese Tätigkeit durchzuführen. Auf jeden Fall besteht jedoch auch die Möglichkeit EU-weit zu definieren, wann ein Labor qualifiziert ist, einen Spender, ein Organ oder einen Empfänger zu charakterisieren. |
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4.7.2 |
Absatz 2 des genannten Artikels ist noch missverständlicher, da neben qualifizierten Labors auch Organisationen und Stellen zur Charakterisierung von Organen und Spendern hinzukommen. In der Muttersprache des Berichterstatters sind „qualifizierte Labors“ verständlich; es ist jedoch schwer nachvollziehbar, worauf sich der Text des Vorschlags bezieht, wenn auf gleicher Stufe wie das Labor eine „Stelle“ oder „Organisation“ hinzugenommen wird. Der Ausschuss verweist nachdrücklich darauf, dass der Text sprachliche Kohärenz aufweisen und unmissverständlich sein muss. |
4.8 Zu Artikel 9
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4.8.1 |
In Absatz 2 müssen die Worte Akkreditierung, Designierung und Lizenzierung gestrichen werden, da diese allesamt in der Definition des Begriffs Zulassung in Artikel 3 Buchstabe a) enthalten sind. Der Ausschuss ist zudem der Ansicht, dass bei der Bezugnahme auf ein Transplantationszentrum dargelegt werden muss, für welche Art von Transplantation dieses Zentrum zugelassen ist. Diese konkrete Aussage ist spezifischer als der im Text enthaltene Ausdruck „Tätigkeiten“. |
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4.8.2 |
Absatz 3 Buchstabe b) enthält einen Begriff, der weder in Artikel 3 definiert noch im Geltungsbereich (Artikel 2) enthalten ist, nämlich den der „Aufbewahrung“. Nach Ansicht des Ausschusses handelt es sich dabei - bis zum Beweis des Gegenteils - um einen Irrtum, da der im Geltungsbereich und in den Begriffsbestimmungen enthaltene Terminus „Konservierung“ lautet. Der Ausschuss ersucht um eine entsprechende Berichtigung des Textes. |
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4.8.3 |
Schließlich hält es der Ausschuss für wichtig, dass die nationalen Anforderungen für die Zulassung von Transplantationszentren auf Anfrage jedem Mitgliedstaat zur Verfügung gestellt werden müssen, ist jedoch der Ansicht, dass es flexibler und effizienter wäre, wenn diese Vorschriften auch ohne vorheriges Ersuchen verfügbar wären. Diese Informationen, die von den verschiedenen zuständigen Behörden bereitgestellt werden, könnten bei der Kommission hinterlegt werden, die sie dann den zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten zur Verfügung stellt. |
4.9 Zu Artikel 11
Bezüglich der unerwünschten Reaktionen, die auf eine oder mehrere Phasen des Spende- und Transplantationsprozesses zurückgeführt werden können, enthält der Text - wie dies bereits in Ziffer 4.4 dargelegt wurde - nach Ansicht des Ausschusses eine Phase, die nicht im Geltungsbereich der Richtlinie aufgeführt wird, nämlich die „Testung“, und lässt zwei weitere Phasen, die dort durchaus beschrieben werden und unerwünschte Reaktionen verursachen können, wie die „Charakterisierung“ und „Konservierung“, außer Acht. Der Text sollte entsprechend berichtigt werden.
4.10 Zu Artikel 15
In Bezug auf den Schutz des lebenden Spenders wird in dem Artikel festgelegt, welche Maßnahmen die Mitgliedstaaten ergreifen müssen, damit die betreffenden Bürgerinnen und Bürger genau über die Umstände ihres uneigennützigen Handels und die Maßnahmen, die sie zum Schutz ihrer Gesundheit treffen können, Bescheid wissen. Entsprechend der Überschrift des Artikels und seinem Inhalt schlägt der Ausschuss vor, den Text des letzten Satzes von Absatz 2, der sich auf Dritte bezieht, teilweise zu streichen, so dass er wie folgt lautet: „Solche Beurteilungen können zum Ausschluss von Personen führen, deren Spende ein schwerwiegendes Risiko für sie selbst darstellen könnte.“
4.11 Zu Artikel 19 Absatz 2
In diesem Absatz wird der Zugang der Kommission und der Mitgliedstaaten zu den Registern der Beschaffungs- und Transplantationszentren anderer Mitgliedstaaten anerkannt, sofern sie diesen beantragen. Der Ausschuss hält diesen Artikel im Vergleich zum Wortlaut von Artikel 10 der Richtlinie 2004/23/EG zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen für einen Rückschritt. Nach Ansicht des Ausschusses sollte in diesem Zusammenhang der Wortlaut der genannten Richtlinie übernommen werden, insbesondere betreffend die Schaffung nationaler öffentlicher Register dieser Beschaffungs- und Transplantationszentren sowie in Bezug auf die Einrichtung eines Netzes, das alle nationalen Register auf Unionsebene umfasst.
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) KOM(2008) 819 endg.
(2) ABl. L 102 vom 7.4.2004, S. 48-58.
(3) ABl. L 33 vom 8.2.2003, S. 30-40.
(4) ABl. C 85 vom 8.4.2003, S. 44-51, Berichterstatter: Herr BEDOSSA und ABl. C 221 vom 7.8.2001, S. 106-109, Berichterstatter: Herr RIBEIRO.
(5) P6_TA(2008)0130.
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/68 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz“
KOM(2009) 71 endg./2 — 2006/0222 (COD)
2009/C 306/15
Der Rat der Europäischen Union beschloss am 11. März 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 26. Mai 2009 an. Alleinberichterstatter war Xavier VERBOVEN.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) einstimmig folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1 |
Der Ausschuss begrüßt den Kommissionsvorschlag im Wesentlichen, appelliert an die Kommission, die drei genannten Vorbehalte zu berücksichtigen, den Wortlaut der Erwägungsgründe entsprechend zu ändern, und wünscht eine rasche Annahme durch das Europäische Parlament und den Rat. |
2. Begründung
2.1 Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags
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2.1.1 |
Mit dem vorliegenden Vorschlag soll die Richtlinie 83/477/EWG des Rates vom 19. September 1983 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 8 der Richtlinie 80/1107/EWG) kodifiziert werden. Die neue Richtlinie ersetzt die verschiedenen Rechtsakte, die Gegenstand der Kodifizierung sind (1). Der Vorschlag behält nach Auffassung der Kommission den materiellen Inhalt der kodifizierten Rechtsakte vollständig bei und beschränkt sich darauf, sie in einem Rechtsakt zu vereinen, wobei nur insoweit formale Änderungen vorgenommen werden, als diese aufgrund der Kodifizierung selbst erforderlich sind. |
2.2 Allgemeine Bemerkungen
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2.2.1 |
Die Asbestexposition ist nach wie vor für verschiedene Arbeitnehmerkategorien - insbesondere in der Baubranche - ein erheblicher Risikofaktor. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass in Europa im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrere Dutzend Millionen Tonnen Asbest verarbeitet wurden. Trotz des von der Europäischen Union 1999 verfügten Verbots von Asbest wird die Asbestexposition in erster Linie aufgrund zahlreicher asbesthaltiger Gebäude noch über Jahrzehnte anhalten. Außerdem können die Entsorgung sehr unterschiedlicher asbesthaltiger Gebäudeteile und Vorrichtungen sowie die Bewirtschaftung von Abfällen ebenfalls Risiken einer Asbestexposition beinhalten. Die Existenz eines Gebrauchtmarktes für unterschiedlichste asbesthaltige Gegenstände gibt ebenfalls Anlass zur Sorge. |
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2.2.2 |
Der Ausschuss hat sich bereits mehrfach mit Fragen des Schutzes der Arbeitnehmer, die durch Asbest gefährdet sind, befasst. Insbesondere ist auf die am 24. März 1999 (2) verabschiedete Initiativstellungnahme hinzuweisen. |
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2.2.3 |
Die erste Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor den Risiken einer Asbestexposition stammt aus dem Jahr 1983. Sie wurde mehrmals geändert, um den Anwendungsbereich auszudehnen, die Vorsorgemaßnahmen zu verstärken und die Grenzwerte der Exposition zu senken. |
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2.2.4 |
Die verschiedenen Überarbeitungen können den Adressaten dieser Rechtsvorschrift Probleme bereiten. Mit dem jetzigen Kodifikationsvorschlag können die verschiedenen geltenden Vorschriften ohne inhaltliche Änderungen in einer einzigen Rechtsvorschrift zusammengefasst werden. Es werden ausschließlich formale Änderungen vorgenommen, die aufgrund der Kodifizierung erforderlich sind. |
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2.2.5 |
Der Ausschuss ist gleichwohl der Auffassung, dass die Kodifizierung der Erwägungsgründe bestimmte Lücken aufweist. Mehrere Erwägungsgründe der vorhergegangenen Richtlinien werden in dem Kodifizierungsvorschlag nicht wieder aufgegriffen. In bestimmten Fällen gehen diese Auslassungen über eine rein redaktionelle Änderung hinaus. Sie betreffen wesentliche Aspekte, die der gemeinschaftliche Gesetzgeber unterstreichen wollte. |
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2.2.6 |
Dies betrifft z.B. den Erwägungsgrund (2) der Richtlinie 2003/18/EG, mit dem der gemeinschaftliche Gesetzgeber insbesondere auf die Bedeutung eines präventiven Ansatzes bezüglich Ersatzfasern hingewiesen hat. Dieser Punkt ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil vermieden werden soll, dass die verwendeten Alternativen Gesundheitsprobleme mit sich bringen. |
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2.2.7 |
Das gleiche gilt auch für die Streichung von Erwägungsgrund (4) derselben Richtlinie, in dem auf die Bedeutung des gemeinschaftlichen Verbots von Chrysotilasbest ab dem 1. Januar 2005 hingewiesen wird. Diese Auslassung ist umso weniger gerechtfertigt, als auch der Erwägungsgrund (4) der Richtlinie 91/382/EWG gestrichen wurde. Darin wurde die Bedeutung des Grundsatzes der Substitution zur Vermeidung von Risiken im Zusammenhang mit gefährlichen Stoffen unterstrichen. Das Streichen dieser beiden Erwägungsgründe erscheint angesichts des Engagements der Europäischen Union für ein weltweites Asbestverbot fehl am Platz. |
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2.2.8 |
Das trifft ebenso auf den Erwägungsgrund (15) der Richtlinie 2003/18/EG zu, in dem die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, den Inhalt der Expositionsverzeichnisse und Gesundheitsakten über die Gefährdung von Arbeitnehmern durch Asbest an die Listen und Unterlagen über die Gefährdung von Arbeitnehmern durch andere Karzinogene bei der Arbeit anzugleichen. |
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2.2.9 |
Die Streichung dieser Erwägungsgründe geht weit über die Grenzen einer normalen Kodifizierung hinaus. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass der Vorschlag analoge Erwägungsgründe beinhalten sollte, damit die rechtliche Tragweite der vorgeschlagenen Rechtsvorschrift zu diesen besonderen Aspekten deutlich gemacht wird. |
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2.2.10 |
Eine Kodifizierung darf zu keinerlei Änderungen des materiellen Inhalts führen. Der Ausschuss vertritt nach Prüfung des Vorschlags die Auffassung, dass die Kommissionsvorlage dieser Grundbedingung vorbehaltlich der Bemerkungen zur Streichung bestimmter Erwägungsgründe entspricht. Es beinhaltet eine logische Gliederung der verschiedenen geltenden Vorschriften, wodurch diese deutlicher werden, und wirft somit keinerlei grundlegende Probleme auf. |
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2.2.11 |
Der Ausschuss ist der Ansicht, dass gemäß dem Beschluss 2003/C 218/01 des Rates vom 22. Juli 2003 der Beratende Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu dem Vorschlag gehört werden sollte. Entsprechend der bisherigen Praxis sollte eine solche Konsultation unter den Erwägungsgründen der Richtlinie aufgeführt werden. |
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2.2.12 |
Der Ausschuss heißt den Vorschlag im Wesentlichen gut, appelliert an die Kommission, die drei genannten Vorbehalte zu berücksichtigen und den Wortlaut der Erwägungsgründe entsprechend zu ändern und plädiert dafür, dass Parlament und Rat den Vorschlag zügig annehmen. |
3. Besondere Bemerkungen
Der Ausschuss verweist auf seine Stellungnahme vom 4. März 1999 und bekräftigt insbesondere seine Aufforderung an die Mitgliedstaaten, das ILO-Übereinkommen 162 über Sicherheit bei der Verwendung von Asbest zu ratifizieren. Bis heute wurde dieses Übereinkommen lediglich von 10 der 27 EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Eine Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union wäre dem Ansehen des ILO-Übereinkommens als wesentliches Instrument für den weltweiten Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer förderlich.
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) Richtlinie 83/477/EWG des Rates, Richtlinie 91/382/EWG des Rates, Richtlinie 98/24/EG des Rates (nur Artikel 13) und Richtlinie 2003/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.
(2) Siehe Stellungnahme des EWSA vom 24.3.1999 zum Thema „Asbest“, Berichterstatter: Herr ETTY (ABl. C 138 vom 18.5.1999).
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/70 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Ergebnisse des Beschäftigungsgipfels“
2009/C 306/16
Mit Schreiben vom 13. März 2009 ersuchte der Präsident der Europäischen Kommission den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Ergebnisse des Beschäftigungsgipfels“.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 26. Mai 2009 an. Alleinberichterstatter war Wolfgang GREIF.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 11. Juni) mit 140 gegen 27 Stimmen bei 24 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Empfehlungen
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1.1 |
Die aktuelle Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat die Mitgliedstaaten der EU empfindlich getroffen. Die Arbeitslosigkeit steigt in beunruhigendem Maße. In der gesamten EU muss es daher oberste Priorität sein, Massenkündigungen sowie das weitere Steigen der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Für den EWSA ist klar, dass dies von allen Verantwortlichen in den Mitgliedstaaten wie auch auf EU-Ebene besondere Anstrengungen verlangt. „Business as usual“ wird der besonderen Situation keinesfalls gerecht und ist keine aktuelle beschäftigungspolitische Option. |
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1.2 |
In dieser Stellungnahme hält der EWSA folgende Empfehlungen zur Bewältigung der aktuellen Arbeitsmarktkrise fest, die zur Vorbereitung entsprechender Beschlüsse des Europäischen Rates am 18./19. Juni 2009 beitragen sollen:
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1.3 |
Die Sozialpartner und andere Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft nehmen eine Schlüsselfunktion bei der Bewältigung der Krise ein. Alle Verantwortlichen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik sind verantwortlich, jetzt sicherzustellen, dass eine solche Krise nicht mehr geschieht. |
2. Einleitung: Die Arbeitslosigkeit in der EU steigt enorm - Vor diesem Hintergrund ist „business as usual“ keine beschäftigungspolitische Option
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2.1 |
Die aktuelle Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat die Mitgliedstaaten der EU empfindlich getroffen. Die Anzahl der von wirtschaftlichen Einbrüchen betroffenen Unternehmen ist seit September 2008 enorm gestiegen. Die Arbeitslosigkeit steigt in beunruhigendem Maße:
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2.2 |
Angesichts dieses beunruhigenden Trends auf den Arbeitsmärkten muss es heute in der gesamten EU oberste Priorität sein, Massenkündigungen sowie das weitere Steigen der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Für den EWSA ist klar, dass dies von allen Verantwortlichen in den Mitgliedstaaten wie auch auf EU-Ebene besondere Anstrengungen verlangt. „Business as usual“ wird der besonderen Situation keinesfalls gerecht und ist keine aktuelle beschäftigungspolitische Option. Der EWSA begrüßte in diesem Sinn die Veranstaltung eines Beschäftigungsgipfels als gute Gelegenheit, eine Auseinandersetzung darüber zu starten, was zu geschehen hat, damit eine solche Krise mit derart dramatischen Folgen auf den Arbeitsmärkten nicht mehr geschieht. Er hat in diesem Sinn die Einladung zur aktiven Mitarbeit sozialpartnerschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Interessen angenommen. |
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2.3 |
Der EWSA hat bereits in seinem Programm für Europa (3) und in früheren Stellungnahmen (v.a. zum Europäischen Konjunkturprogramm) zentrale Eckpunkte hervorgehoben, die als kurzfristige Maßnahmen zur Krisenbewältigung von besonderer Bedeutung sind. |
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2.4 |
In Ergänzung dazu hält der EWSA in dieser Stellungnahme weitere Empfehlungen fest, wie dem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit zu begegnen ist. Er will damit zur Vorbereitung entsprechender Beschlüsse des Europäischen Rates am 18./19. Juni 2009 beitragen. |
3. Empfehlungen des EWSA zur Bewältigung der aktuellen Arbeitsmarktkrise
3.1 Wiederherstellung des Vertrauens von Konsumenten und Investoren durch Sicherstellung und Stimulierung der privaten und öffentlichen Nachfrage
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3.1.1 |
Arbeitsmarktpolitik für sich schafft keine Arbeitsplätze. Sie kann den Prozess der Schaffung von Beschäftigung unterstützen, sie kann aber nicht als Ersatz für die Dynamik zur Schaffung von Arbeitsplätzen dienen. Grundlage für eine effiziente Arbeitsmarktpolitik ist eine stabile Wirtschaft. Ohne Wirtschaftsbelebung wird es keine positive Beschäftigungsentwicklung geben. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen können in diesem Sinn gerade in dieser angespannten Lage am Arbeitsmarkt nur in einem günstigeren makroökonomischen Umfeld erfolgreich sein. Der EWSA hat in diesem Zusammenhang das im Dezember 2008 verabschiedete Europäische Konjunkturprogramm unterstützt. Er hält es für den richtigen Ansatz, um auf die anstehenden Herausforderungen zu reagieren, fordert jedoch die Kommission und alle Stakeholder in den Mitgliedstaaten auf, die lancierten Programme ohne jeden weiteren Verzug umzusetzen (4). |
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3.1.2 |
Um Massenentlassungen zu verhindern und Massenarbeitslosigkeit hintanzustellen sind jedoch heute weit intensivere Anstrengungen auf nationaler und europäischer Ebene notwendig. Der EWSA wiederholt daher seine bereits geäußerten Bedenken, dass das Volumen der bisher lancierten Konjunkturprogramme zu gering ist (5). Sollte sich im Herbst zeigen, dass die bisherigen Maßnahmen zur Verhinderung von Massenarbeitslosigkeit zu gering sind, regt der EWSA an, ein zweites Europäisches Konjunkturprogramm mit umfangreichen arbeitsmarktpolitischen Wirkungen in der Größenordnung von zusätzlich 2% des BIP zu verabschieden. Neben zusätzlichen nationalen Investitionen, die wesentlich koordinierter als bisher umgesetzt werden sollen, um beschäftigungspolitische Effekte zu erhöhen, gilt es bedeutende europäische Investitionsprojekte zu identifizieren. |
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3.1.3 |
Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sind neben der Konjunkturbelebung essenziell. Daher sollen sich die geplanten Ausgaben im Umfang von 1% explizit auf arbeitsmarktpolitische Maßnahmen beziehen, die je nach Arbeitsmarktlage in den EU-Ländern unterschiedliche Formen annehmen können (z.B. Stärkung der Unterstützung bei Arbeitslosigkeit, Förderung von Flexicurity-Modellen, Unterstützung von Kurzarbeitsmodellen mit angemessener Einkommenssicherung, Investitionen in Aus- und Weiterbildung, verstärkter Einsatz von Beschäftigungsanreizen, präventive und betriebsnahe Maßnahmen, Schaffung von Beschäftigung im dritten Sektor u.a.m.) sowie im Umfang von zusätzlich 1% für Investitionen mit hoher Beschäftigungswirkung. Wobei Investitionen zur Lösung ökologischer und sozialer Probleme sowie zur Förderung der Innovation „doppelte Dividende“ versprechen, insofern sie nicht nur kurzfristig die Wirtschaft beleben, sondern zugleich im Sinne der Lissabon-Strategie auch die Wettbewerbsfähigkeit und künftige Wachstumspotenziale erhöhen. |
3.2 Nutzung öffentlich geförderter Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik zur Erhaltung von Beschäftigung bei gleichzeitiger Weiterqualifizierung
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3.2.1 |
Der EWSA begrüßt es, dass immer mehr EU-Länder im Lichte der dramatischen Arbeitsmarktsituation und der schwierigen Lage vieler Unternehmen öffentlich geförderte Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik implementiert haben, um Beschäftigte anstatt zu kündigen im Unternehmen zu behalten und weiter zu qualifizieren (Stichwort: Kurzarbeit). In der Nutzung solcher Modelle, die es Unternehmen ermöglichen, Beschäftigte in der Krise zu halten, verbunden mit robusten Einkommensunterstützungen bei Verminderung der Arbeitszeit, sieht der EWSA eine weit intelligentere Antwort, die Krise zu meistern, als qualifizierte Beschäftigte beim ersten Auftragseinbruch einfach zu kündigen, bleiben doch so beim Erstarken der Wirtschaft ausreichend ausgebildete Fachkräfte erhalten. Aus Sicht des EWSA sollten diese Modelle auch in jenen EU-Ländern geschaffen werden, wo sie derzeit nicht existieren und unbedingt auch auf Beschäftigte mit nicht standardisierten Arbeitsverträgen erweitert werden. |
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3.2.2 |
Auch wenn solche Modelle für eine temporäre Entspannung in den besonders betroffenen Sektoren und Unternehmen sorgen, muss die Frage gestellt werden, was zu tun ist, wenn der wirtschaftliche Einbruch weiter anhält und diese unternehmensbezogenen Instrumente nicht ausreichen, um Kündigungen zu verhindern. Dann müssen unter Einbindung der Sozialpartner zusätzliche Instrumente zur flächendeckenden Beschäftigungssicherung und Umschulung entwickelt und deren Finanzierung sichergestellt werden, um das volle Durchschlagen der Krise auf den Arbeitsmarkt zu mindern (z.B. bran chenbezogene Auffangnetze, nachfrageorientierte Qualifizierung in zukunftsnahen Branchen, wie z.B. Umwelt, Energie, Gesundheit). |
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3.2.3 |
Darüber hinaus bedarf es ausreichender, effektiver und nachhaltiger sozialer Sicherungsnetze, wobei auf die Hilfe für die am stärksten Betroffenen, also für sozial Schwache und benachteiligte Gruppen am Arbeitsmarkt besonders geachtet werden muss. Denn im Regelfall trifft die Krise zuerst die schwächsten Glieder mit prekären Arbeitsverhältnissen wie etwa Leiharbeit oder befristet Beschäftigte aber auch benachteiligte Gruppen am Arbeitsmarkt. Auch Jugendliche sind überproportional betroffen. Daher ist die Integration der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt in der Krise von höchster Priorität. Die Sozialwirtschaft kann bei der Bewältigung der Krise eine bedeutende Rolle einnehmen, gerade auch dann, wenn es darum geht, sinnvolle gesellschaftlich wertvolle Beschäftigung zu schaffen. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass es nicht zu Wettbewerbserzerrungen kommt. |
3.3 Einkommenskürzungen möglichst vermeiden, Chancengleichheit fördern, Ungleichheiten in den Blick nehmen und mehr Sicherheit am Arbeitsmarkt
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3.3.1 |
Der akute starke Anstieg der Arbeitslosigkeit zeigt, wie auch die Nutzung von Kurzarbeitsmodellen, dass die bestehende Flexibilität auf den Arbeitsmärkten in den meisten EU-Ländern ausreicht, um Unternehmen bei Einbrüchen der Auftragslage kurzfristiges Reagieren zu ermöglichen. Von zu rigiden Arbeitsmärkten in Europa kann daher keine Rede sein. In der aktuellen Krise entbehren Appelle zur Reduktion bestehender Arbeitsschutzregelungen jeglicher realen Grundlage. Angesichts der zunehmenden Risiken, die mit der Verschärfung der Arbeitsmarktsituation für immer mehr Beschäftigte einhergehen, stellt sich vielmehr die Notwendigkeit nach einem Plus an effektiver Sicherheit am Arbeitsmarkt. Dazu gehört es für den EWSA auch, den Zugang zu sozialen Unterstützungsleistungen insbesondere im Fall der Arbeitslosigkeit zu erleichtern und in ihrem Umfang nachzubessern, um ein weiteres Steigen der Ungleichheiten zu verhindern. In diesem Zusammenhang ruft der EWSA die Kommission auf, ihren Vorschlag zur Erweiterung der Bezugsdauer von Unterstützungsleistungen in der Arbeitslosigkeit wieder aufzunehmen (6). |
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3.3.2 |
Bei allen Maßnahmen, aus der Krise herauszukommen, ist jedenfalls darauf zu achten, dass diese nicht dem Ziel der Belebung von Nachfrage und Beschäftigung und der Abfederung sozialer Härten zuwiderlaufen. Sie müssen sozial verträglich gestaltet werden sowie Wachstum und Beschäftigung fördern. In diesem Sinn ist in den Mitgliedstaaten unter Einbindung der Sozialpartner durch entsprechende Steuer- und Einkommenspolitik auch der private Konsum zu stärken. |
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3.3.3 |
Der EWSA hat bereits früher festgehalten, dass einer Lohnpolitik, welche der Doppelrolle der Löhne in der Wirtschaft gerecht wird, eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der Krise zukommt. Da Unternehmen nur dann investieren und Jobs schaffen werden, wenn entsprechende Erwartungen bezüglich der Nachfrage vorhanden sind, gewährleistet gesamtwirtschaftlich betrachtet eine mittelfristige Orientierung des Lohnzuwachses am jeweils nationalen gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs die Balance zwischen ausreichender Nachfrageentwicklung und Wahrung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Die Sozialpartner müssen daher bemüht sein, Lohnmäßigungen im Sinne einer beggar-thy-neighbour-Politik zu vermeiden (7). In diesem Zusammenhang betont der EWSA gerade auch in Zeiten des massiven wirtschaftlichen Abschwungs die Notwendigkeit, die Lohnpolitik an der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung zu orientieren. |
3.4 Sicherstellung öffentlicher Investitionen durch vorübergehende flexible Handhabung des Stabilitätspaktes und Verbreiterung der Steuerbasis in den Mitgliedstaaten
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3.4.1 |
Die Maßnahmen zur Konjunkturbelebung sowie zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes werden viel Geld kosten. Die meisten EU-Länder werden die 3-Prozent-Grenze der Neuverschuldung überschreiten. Der EWSA hat bereits festgehalten, dass er dies im Rahmen der Flexibilität des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspaktes unter den gegebenen außerordentlichen Umständen auch für sinnvoll, notwendig und daher ohne zu sanktionieren für tolerierbar hält. Die Bedingungen des Paktes dürfen jedenfalls kein Hindernis für öffentliche Zukunftsinvestitionen in Forschung, Entwicklung und Bildung sein, um das Potenzial für zukünftiges Wachstum zu schaffen (8). Denn dieses Wachstum ist die Basis dafür, nach Überwindung der Krise rasch wieder auf einen nachhaltigen Kurs der öffentlichen Finanzen zurückzukehren. Dabei muss aber auch schon jetzt daran gedacht werden, wie nach der Krise diese Rückkehr auf einen langfristig nachhaltigen Pfad gelingen soll. |
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3.4.2 |
Die öffentlichen Haushalte werden nicht für alles heranzuziehen sein, von Bankenrettungen und Steigerungen der Sozialausgaben über innovative Investitionen bis hin zur Unternehmensförderung. Ein Erschließen neuer Einnahmequellen für den Staat wird unumgänglich sein. Der EWSA ist der Ansicht, dass es einer Stärkung der Steueraufkommensbasis der Mitgliedstaaten bedarf, u.a. mittels Schließung von Steueroasen, der Beendigung des Steuersenkungswettlaufs sowie durch Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung. Darüber hinaus ist wohl ein generelles Überdenken der Steuersysteme angebracht, wobei Fragen hinsichtlich der Beiträge unterschiedlicher Arten von Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen sein werden (9). |
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3.4.3 |
Die Stärkung der europäischen Dimension bedeutet auch, gemeinsame europäische Projekte anzudenken, etwa im Bereich der Energieversorgungsinfrastruktur. Ein Beitrag zur Finanzierung solcher Projekte könnte geleistet werden, indem durch eine höhere Flexibilität zwischen den Budgetlinien des EU-Haushalts nicht ausgeschöpfte Mittel dafür genutzt werden. Auch die Idee der europäischen Anleihe eines europäischen Staatsfonds sollte in diesem Zusammenhang geprüft werden. |
3.5 Bereitstellung vermehrter Europäischer Mittel und erleichterter Zugang zu Mitteln europäischer Strukturfonds und rasche Nachbesserungen beim Globalisierungsfonds
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3.5.1 |
Bei der Vergabe von Mitteln aus diversen europäischen Fonds sind neben einem effizienten Einsatz auch Flexibilität sowie eine pragmatische Vorgangsweise gefordert, um die Wirksamkeit zu beschleunigen. In diesem Sinn geht es um notwendige Vereinfachungen hinsichtlich der Administration zur Nutzung der vorgesehenen Mittel aber auch um die mögliche Steigerung um ungenutzte Mittel aus anderen gemeinschaftlichen Politikbereichen. |
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3.5.2 |
Was den Europäischen Globalisierungsfonds betrifft, hat der EWSA kürzlich eine eigene Stellungnahme abgegeben (10) und dabei den Vorschlag der Kommission, dessen Anwendungsbereich vorübergehend auf Beschäftigte auszudehnen, die aufgrund der derzeitigen Weltwirtschaftskrise entlassen wurden, ausdrücklich begrüßt. |
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3.5.3 |
Darüber hinaus hat der EWSA vorgeschlagen, die Fondsmittel auf 1 Mrd. EUR wie auch die Förderungsdauer auf 24 Monate zu verdoppeln sowie die Mindestzahl betroffener Entlassungen auf 500 zu halbieren und den Kofinanzierungssatz anzuheben. Der EWSA drängt auch darauf, die Sozialpartner auf allen Ebenen bei der Bearbeitung der Beihilfeanträge zu beteiligen. Bei einem Anhalten der Wirtschaftskrise sollte die weitere Aufstockung der Mittel sowie die mögliche Herabsetzung der Mindestzahl von 500 Entlassungen, die für die Beantragung einer Förderung erforderlich ist, geprüft werden. |
3.6 Weiterbildung, Berücksichtigung des Bedarfs am Arbeitsmarkt und Förderung der Mobilität
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3.6.1 |
Der Ausbau der Kompetenzen ist für Wachstum und Produktivität in Europa, seine Anpassungsfähigkeit an den Wandel sowie für Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt unabdingbar. Er ist der beste Weg, neue Möglichkeiten für die nachhaltige Schaffung von Arbeitsplätzen zu nutzen. |
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3.6.2 |
Wenn sich die Wirtschaft erholt, werden alle Arbeitskräfte gebraucht, nicht zuletzt weil die Zahl der Erwerbsfähigen aufgrund des demographischen Wandels sinkt. |
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3.6.3 |
Die Mobilität der Arbeitnehmer ist ein Schlüsselinstrument für einen reibungslos funktionierenden Binnenmarkt und grundlegend dafür, mehr Menschen eine bessere Beschäftigung zu ermöglichen, eines der Kernziele der Lissabon-Strategie. Es muss sowohl die Arbeitsplatzmobilität als auch die Mobilität zwischen Regionen und Mitgliedstaaten steigen, wenn sie im Einklang mit gültigen Tarifverträgen und nationalen Arbeitsrechten stehen. Zudem fördert Mobilität das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der EU im globalen Wettbewerb. |
4. Anmerkungen zu den am Beschäftigungsgipfel festgehaltenen Prioritäten
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4.1 |
Auf Basis der genannten Eckpunkte unterstützt der EWSA die beim Beschäftigungsgipfel festgehaltenen Prioritäten, die zur Stabilisierung der Arbeitsmarktsituation beitragen können. |
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4.1.1 |
Erhalt von Beschäftigung: Für den EWSA ist es von besonderer Bedeutung, dass hierbei v.a. auch auf die Dimension der Qualität der Arbeit („more and better jobs“) sowie auf einen lohnenden Übergang von einem Arbeitsplatz zum anderen („make transition pay“) in den Mittelpunkt rückt. Das Konzept der Flexicurity muss effektive „Sicherheit im Wandel“ schaffen, wobei der Sicherheit am Arbeitsmarkt, stabilen Beschäftigungsverhältnissen und der Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit, der sozialen Sicherheit und der Arbeitsmarktflexibilität in der Praxis gleiche Priorität zukommen muss. Der Weg aus der Krise zu erneutem Wachstum muss in diesem Sinn von erhöhter Sicherheit der Arbeitnehmer und von weniger Flexibilität und prekären Arbeitsverhältnissen begleitet sein. |
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4.1.2 |
Förderung von Mobilität: Sich verändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen verlangen ein hohes Maß an innovativer Anpassungsfähigkeit auch auf den Arbeitsmärkten. Auf Strukturen, die sich rasch ändern, muss intelligent reagiert werden können. Im Sinne des Flexicurity-Konzepts muss sichergestellt werden, dass die Arbeitnehmer für die neuen Herausforderungen in der Arbeitswelt derart gerüstet sind, dass eine Mobilität zwischen guten Arbeitsplätzen möglich ist. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Krise muss auf die Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit besonderes Augenmerk gelegt werden, Wichtig ist das Schaffen und Sichern von Arbeitsplätzen anstelle der reinen Unterstützung von Arbeitslosigkeit. Darüber hinaus muss alles getan werden, dass arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Maßnahmen in der Tat zur Mobilität von verlorenen Arbeitsplätzen hin zu neu geschaffenen führen und nicht in einer Mobilität aus der Arbeit in die Arbeitslosigkeit bzw. in die Falle schlechter Jobs münden. |
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4.1.3 |
Weiterbildung in Abstimmung mit dem Bedarf am Arbeitsmarkt: Der EWSA hält fest, dass der Zugang zu Aus- und Weiterbildung sowie dessen Finanzierung ebenso wie die Nutzung der Arbeitszeit im Rahmen des lebensbegleitenden Lernens von vorrangiger Bedeutung ist. Dies muss jedoch auch einhergehen mit der Schaffung produktiver, hoch qualifizierter und gut bezahlter Arbeitsplätze, damit Arbeitnehmer nicht wie allzu oft gezwungen sind, niedrig qualifizierte Jobs anzunehmen. Gut ausgebildete Beschäftigte und das Vorhandensein produktiver Beschäftigung sind wesentlich, um Jugendliche in den Arbeitsmarkt zu bringen sowie Wettbewerb und Prosperität zu befördern. |
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4.1.4 |
Vermehrter Zugang zum Arbeitsmarkt: Das muss angesichts der gegenwärtigen Krise, die die Ungleichheiten vertieft und immer mehr Menschen vor existenzielle Probleme stellt, besonderen Vorrang haben. Wichtig sind v.a. die Schaffung von Beschäftigung für jene, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind sowie effektive Anstrengungen, Diskriminierungen im Zugang und beim Verbleib am Arbeitsmarkt zu beseitigen. Der EWSA hat hinsichtlich der Förderung des Zugangs vorrangiger Gruppen zum Arbeitsmarkt gesondert Stellung bezogen und dabei festgehalten, dass der (Wieder)Einstieg stets von Anstrengungen eines mit Perspektiven ausgestatteten Verbleibs und Fortkommens am Arbeitsmarkt begleitet sein muss (11). Die EU muss in diesem Sinn unter Einbeziehung und Achtung der Autonomie der Sozialpartner auch adäquate Regelungen für nicht-standardisierte Beschäftigung schaffen, wobei klargestellt bleiben muss, dass unbefristete Arbeitsverhältnisse auch in Zukunft die Regel bleiben sollen. |
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4.1.5 |
Förderung des Unternehmertums und der Schaffung von Arbeitsplätzen: Der EWSA erkennt an, dass kurzfristige Maßnahmen mit langfristigen Maßnahmen und einer Vorwärtsstrategie einhergehen müssen. Die Unternehmen müssen bei der Überwindung der Kreditklemme und der Wiederbelebung ihres Tagesgeschäfts unterstützt werden, damit sie produzieren, Dienstleistungen erbringen und Arbeitsplätze schaffen können. Der Unternehmergeist muss gefördert werden. Erwerbslose, vor allem erwerbslose Jugendliche, die bereit sind, ein eigenes Unternehmen zu gründen, sollen durch wirtschaftliche Instrumente, Förderung produktiver Investitionen und spezifischer Qualifizierung unterstützt werden. |
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4.1.6 |
Strukturreformen, wie sie im Rahmen der EU-Strategie für Wachstum und Beschäftigung vorgesehen sind, sollen vorangetrieben werden. Diese Reformen müssen sozialverträglich gestaltet sein und dürfen den Bemühungen um eine Stärkung der privaten und öffentlichen Nachfrage sowie jenen um eine Abfederung sozialer Härten nicht entgegen wirken. |
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4.2 |
Die Sozialpartner und andere Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft nehmen eine Schlüsselfunktion bei der Bewältigung der Krise ein. Ein gestärkter Sozialer Dialog, insbesondere auch eine Stärkung der Tarifverträge ist notwendig, um eine Politik zu definieren und umzusetzen, welche möglichst rasch aus der Krise führt, und zugleich die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Krise auf die Bürger bestmöglich abzufedern. Alle Verantwortlichen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik sind verantwortlich, jetzt sicherzustellen, dass eine solche Krise nicht mehr geschieht. |
Brüssel, den 11. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) OECD Interim Forecast March, 2009. Im Vergleich zu diesen Prognosen der Arbeitslosigkeit in der EU-16 Gruppe betrug die Arbeitslosigkeit im Jahr 1999 für die EU-15 9,9% und für die EU-11 10,9% (URL: http://www.oecd.org/dataoecd/7/20/2666439.pdf).
(2) Ebd.
(3) Vgl. EWSA - Ein Programm für Europa: die Vorschläge der Zivilgesellschaft - www.eesc.europa.eu.
(4) Stellungnahme des EWSA vom 24. März 2009 zum Thema „Europäisches Konjunkturprogramm“, Berichterstatter: Herr DELAPINA (ABl. C 228 vom 22.9.2009).
(5) Ebd.
(6) KOM-Mitteilung „Driving European Recovery“, 4. März 2009 - KOM(2009) 114 endg.
(7) Siehe Fußnote 4.
(8) Ebd.
(9) Ebd.
(10) Stellungnahme des EWSA vom 24. März 2009 zum Thema „Europäischer Fonds für die Anpassung an die Globalisierung“, Berichterstatter: Herr Pariza CASTAÑOS (ABl. C 228 vom 22.9.2009).
(11) Stellungnahme des EWSA vom 12. Juli 2007 zum Thema „Beschäftigung für vorrangige Bevölkerungsgruppen (Lissabon-Strategie)“, Berichterstatter: Herr GREIF (ABl. C 256 vom 27.10.2007).
Anlage
zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Folgender Änderungsantrag, auf den über ein Viertel der abgegebenen Stimmen entfiel, wurde im Verlauf der Beratungen abgelehnt (Artikel 54 Absatz 3 GO):
Ziffer 3.3
Wortlaut wie folgt ändern:
„Einkommenskürzungen möglichst vermeiden und, Chancengleichheit fördern, Ungleichheiten in den Blick nehmen und mehr Sicherheit am Arbeitsmarkt; Flexicurity ist das richtige Konzept, um die Arbeitsmärkte zu modernisieren und ihre Anpassungsfähigkeit zu fördern. “
Abstimmung
Ja-Stimmen: 84 Nein-Stimmen: 90 Stimmenthaltungen: 11
Ziffer 3.3.1
Text ändern
„Der akute starke Anstieg der Arbeitslosigkeit zeigt, wie auch die Nutzung von Kurzarbeitsmodellen, dass die bestehende Flexibilität auf den Arbeitsmärkten in den meisten EU-Ländern einen wesentlichen Beitrag leistet ausreicht, um Unternehmen bei Einbrüchen der Auftragslage kurzfristiges Reagieren zu ermöglichen. Von zu rigiden Arbeitsmärkten in Europa kann daher keine Rede sein. In der aktuellen Krise entbehren Appelle zur Reduktion bestehender Arbeitsschutzregelungen jeglicher realen Grundlage. Angesichts der zunehmenden Risiken, die mit der Verschärfung der Wirtschaftslage und der Arbeitsmarktsituation für immer mehr Beschäftigte einhergehen, stellt sich vielmehr die Notwendigkeit nach einem Plus an Sicherheit am Arbeitsmarkt. Um die Chancengleichheit aller zu fördern und einen Anstieg der Ungleichheit zu vermeiden, sollten insbesondere für die am stärksten Benachteiligten entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehört aus Sicht des EWSA eine Reduktion der Lohnnebenkosten ebenso wie die Bereitstellung angemessener Einkommensbeihilfen unter gleichzeitiger Beibehaltung von Wiedereinstellungsanreizen. Dazu gehört es für den EWSA auch, den Zugang zu sozialen Unterstützungsleistungen insbesondere im Fall der Arbeitslosigkeit zu erleichtern und in ihrem Umfang nachzubessern, um ein weiteres Steigen der Ungleichheiten zu verhindern. In diesem Zusammenhang ruft der EWSA die Kommission auf, ihren Vorschlag zur Erweiterung der Bezugsdauer von Unterstützungsleistungen in der Arbeitslosigkeit wieder aufzunehmen. “
Abstimmung
Ja-Stimmen: 78 Nein-Stimmen: 96 Stimmenthaltungen: 9
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/76 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Rechnungsstellungsvorschriften“
KOM(2009) 21 endg. — 2009/0009 (CNS)
2009/C 306/17
Der Rat der Europäischen Union beschloss am 27. Februar 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 93 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Rechnungsstellungsvorschriften“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 28. Mai 2009 an. Alleinberichterstatter war Umberto BURANI.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) mit 114 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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1.1 |
Mit der Vorlage dieses Dokuments entspricht die Kommission der vom Rat auferlegten Verpflichtung, bis spätestens am 31. Dezember 2008 einen Bericht über die technologischen Entwicklungen im Bereich der Rechnungsstellung vorzulegen. Die in der Richtlinie 2006/112/EG (MwSt-Richtlinie) enthaltenen diesbezüglichen Vorschriften haben ihr Ziel nicht in vollem Umfang erreicht; überdies führte die Überarbeitung zu weitergehenden Überlegungen und brachte weitere Schwächen an den Tag. Mit dem Richtlinienvorschlag soll ein Beitrag zur Vereinfachung, Verringerung des Verwaltungsaufwands für die Unternehmen, insbesondere KMU, sowie auf indirekte, aber wirksame Art und Weise zur Betrugsbekämpfung geleistet werden. |
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1.2 |
Im Bereich Rechnungsstellung werden detaillierte Vorschläge mit ausgesprochen technischem Charakter vorgelegt, die allesamt darauf abzielen, die oben genannten Ziele zu erreichen. Insbesondere soll auf die ausdrückliche Anerkennung der Gleichbehandlung von elektronischen Rechnungen und Papierrechnungen hingewiesen werden. Der EWSA ist mit den vorgeschlagenen Maßnahmen einverstanden, die sinnvoll sind und den Grundsätzen guter Verwaltungsführung entsprechen. Er ist jedoch skeptisch in Bezug auf den exzessiven Spielraum, der den Mitgliedstaaten bezüglich der Annahme einiger Vorschriften eingeräumt wurde. Der EWSA ist sich der Schwierigkeiten bewusst, auf die die Kommission bei der Formulierung EU-weit geltender verbindlicher Vorschriften gestoßen ist. Andererseits kann der Widerstand der Mitgliedstaaten gegen die Annahme bestimmter Vorschriften auch auf Unterschiede beim Entwicklungsstand der Verwaltungsverfahren oder auf starre gesetzliche Auflagen zurückgeführt werden. Im Endergebnis führt dies zu einer Situation, die durch Flexibilität bei der Umsetzung der Vorschriften und einer daraus resultierenden Verlangsamung des Harmonisierungsprozesses sowie einer Erhöhung des Verwaltungsaufwands für die Unternehmen gekennzeichnet ist. |
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1.3 |
Der EWSA möchte lediglich zu einem Aspekt ausdrückliche Vorbehalte äußeren: Den Vorschlag, den Behörden anderer Mitgliedstaaten Zugang zu den elektronischen Archiven der Unternehmen zu gewähren. Ein solches Recht geht weit über die Grundsätze der Verwaltungszusammenarbeit hinaus und scheint rechtlich nicht haltbar zu sein, insbesondere wenn gleichzeitig die Vorschrift gestrichen wird, dass die Daten nur zu Kontrollzwecken verwendet werden dürfen. |
2. Vorbemerkung
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2.1 |
Die MwSt-Vorschriften für die Rechnungsstellung, die letzten Endes die Rechtsgrundlage für den Steuereinzug und indirekt für die Bekämpfung der Steuerhinterziehung bilden, sind Gegenstand der Richtlinie 2001/115/EG, die inzwischen in die MwSt-Richtlinie 2006/112/EG integriert wurde. In Artikel 237 der letztgenannten Richtlinie war vorgesehen, dass die Kommission einen Bericht - gegebenenfalls zusammen mit einem Vorschlag zur Änderung der Bedingungen der elektronischen Ausstellung von Rechnungen - vorlegt, der die technologischen Entwicklungen in diesem Bereich berücksichtigt. Die Kommission weist in dem nun vorgelegten Richtlinienvorschlag darauf hin, dass die ursprünglichen Vorschriften ihr Ziel nicht in vollem Umfang erreicht haben. Sie ergreift deshalb die Gelegenheit, den Geltungsbereich der Vorschläge dergestalt zu erweitern, dass die in diesem Bereich aufgedeckten Schwächen behoben werden. |
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2.2 |
Die neuen Regeln verfolgen vier grundlegende Ziele: Vereinfachung der Vorschriften zur Verringerung des Verwaltungsaufwands der Unternehmen, Förderung von KMU, Verbreitung der elektronischen Rechnungsstellung und schließlich Leisten eines Beitrags zur Betrugsbekämpfung. Dieses sicherlich nicht leichte Unterfangen wurde von der Kommission mit den besten Absichten angegangen. Die Ergebnisse jedoch hängen vom guten Willen und der Effizienz ab, die die nationalen Verwaltungen bei der Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie an den Tag legen. |
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2.3 |
Die Verringerung des Verwaltungsaufwands ist Teil einer Verpflichtung, die die Kommission mit der Annahme des Aktionsplans im Jahr 2007 eingegangen ist. Mit diesem Vorschlag, der die elektronische Rechnungsstellung in ein Maßnahmenpaket zur „besseren Rechtssetzung“ zwecks Reduzierung des Verwaltungsaufwands für die Unternehmen integriert, werden zwei Ziele verfolgt. Zum einen soll sichergestellt werden, dass die Steuerverwaltungen elektronisch übermittelten Rechnungen die gleiche Beweiskraft beimessen wie Papierrechnungen. Zum anderen sollen der derzeitige Spielraum der Mitgliedstaaten für fakultative Regelungen, vor allem im Bereich der Selbstzertifizierung, durch eine Harmonisierung der Vorschriften eingeschränkt werden. |
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2.4 |
Bezüglich KMU sind zwei Bestimmungen besonders zu begrüßen: die Ausweitung des Anwendungsbereichs vereinfachter Rechnungen zum einen und die Möglichkeit, die MwSt auf Kassenbasis (Cash-accounting-Regelung) abzurechnen zum anderen. Dies führt voraussichtlich zu einer Verringerung der Kosten, einer Vereinfachung der Verfahren und indirekt auch zum Anreiz für KMU, grenzüberschreitende Aktivitäten (wieder) aufzunehmen. |
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2.5 |
Der Vorschlag steht im Zusammenhang mit der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung. Ihm kommt große politische Bedeutung zu, da er eine weitere Konsolidierung des Binnenmarkts ermöglicht. In diesem Rahmen wird die Verbreitung der elektronischen Rechnungsstellung und ihre Speicherung zur Erleichterung des Handels beitragen. Sie eröffnet den Unternehmen neue Möglichkeiten und Vorteile durch Senkung der Kosten, Steigerung der Produktivität und Einsatz neuer Technologien, insbesondere mittels anderweitiger Verwendung der für die Datenerhebung, -registrierung und -archivierung der Daten eingesetzten Ressourcen. |
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2.6 |
Wenngleich mit dem Kommissionsvorschlag, der ein Beitrag zur Betrugsbekämpfung ist, versucht wird, rechtliche Hindernisse der elektronischen Rechnungsstellung vor allem in der grenzüberschreitenden Rechnungsstellung zu beseitigen, wird doch auch eine Verschärfung der Bestimmungen über die Bedeutung der Rechnung für den Vorsteuerabzug angestrebt. Gleichzeitig wird ein schnellerer Austausch von Informationen über innergemeinschaftliche Lieferungen ermöglicht. |
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2.7 |
Der EWSA ist der Auffassung, dass die zu untersuchenden Bestimmungen den Grundsätzen, an denen der Vorschlag ausgerichtet ist, im Großen und Ganzen entsprechen, und möchte einige Bemerkungen und Vorschläge unterbreiten, die - so er auf offene Ohren stößt – zur Verbesserung der praktischen Anwendungsmöglichkeiten der Vorschriften beitragen. |
3. Zentrale Vorschläge und Bemerkungen
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3.1 |
Mit den neuen Bestimmungen im Bereich der aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen (Artikel 64 Absatz 2) wird festgesetzt, dass kontinuierlich über einen Zeitraum von mehr als einem Kalendermonat durchgeführte, von der MwSt befreite Lieferungen oder Verbringungen von Gegenständen als mit Ablauf eines jeden Kalendermonats bewirkt gelten; MwSt-pflichtige Dienstleistungen, die kontinuierlich über einen längeren Zeitraum als ein Jahr erbracht werden, gelten als mit Ablauf eines jeden Kalenderjahres bewirkt. Die Mitgliedstaaten können bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen „in bestimmten Fällen“, die nicht unter die beiden oben genannten Kategorien fallen, vorsehen, dass sie jährlich als bewirkt gelten. |
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3.1.1 |
Die mit diesen Bestimmungen eingeführte Vereinfachung ist zu begrüßen, auch weil sie eine bessere Kontrolle der kontinuierlichen Vorgänge erlaubt. Der EWSA äußert gleichwohl Bedenken bezüglich der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, auch für nicht in der Richtlinie vorgesehene Fälle die Frist von einem Kalenderjahr gelten zu lassen: dies schwächt die Harmonisierung ab und der allgemein gehaltene Wortlaut könnte Verwirrung stiften oder sogar zu Beanstandungen führen. |
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3.2 |
In Artikel 167a wird verfügt, dass in den Fällen, in denen der Anspruch auf die abzugsfähige Steuer zum Zeitpunkt des Eingangs der Zahlung entsteht (Einnahmen-/Ausgabenrechnung oder „cash-accounting“), die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass das Recht auf Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Lieferung der Gegenstände bzw. der Dienstleistung oder zum Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung entsteht. Diese Wahlmöglichkeit ist nur gegeben, wenn auf den Steuerpflichtigen das die Cash-accounting-Regelung Anwendung findet und sein Jahresumsatz höchstens 2 Mio. EUR beträgt. |
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3.2.1 |
Diese Bestimmungen bringen erhebliche Erleichterungen für diejenigen KMU, die nach der Cash-accounting-Regelung verfahren, sowie für Unternehmen, die in den Genuss der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft kommen, aber über keine Rechnung verfügen. Gleichwohl haben die Mitgliedstaaten die Wahl und sind nicht verpflichtet, diese Bestimmung anzuwenden. Dadurch wird die Harmonisierung – und in gewissem Maße der Grundsatz der Wettbewerbsgleichheit – abermals abgeschwächt. In der Begründung schlägt die Kommission vor, fakultative Maßnahmen für alle Mitgliedstaaten einzuschränken, gleichwohl lässt die Formulierung des Artikels („können (...) vorsehen“) an der erklärten Absicht zweifeln. |
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3.3 |
Artikel 1 Absatz 9 des Vorschlags enthält einige Änderungen bezüglich Artikel 178 Buchstabe a, c, und f der Richtlinie 2006/112/EG. Im Wesentlichen müssen die Rechnungen gemäß den Kriterien von Titel XI Kapitel 3 der MwSt-Richtlinie ausgestellt sein, um für einen Vorsteuerabzug herangezogen werden zu können. Im Grunde können die Mitgliedstaaten dem Empfänger den unmittelbaren Vorsteuerabzug gestatten, wenn der Dienstleistungserbringer/Lieferer die MwSt auf Kassenbasis (Cash-accounting-Regelung) abrechnen. Damit wird ein Grundsatz eingeführt, der für reibungslosere Abläufe sorgt, dessen Anwendung jedoch den Mitgliedstaaten abermals freigestellt wird, was nicht zur angestrebten Harmonisierung beiträgt. |
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3.4 |
Mit einer Reihe von Änderungen (Streichen der Artikel 181 und 182, neue Artikel 218a und 219a) dürften die Probleme für Unternehmen, die Lieferanten/Dienstleistungserbringer für andere Unternehmen sind, gelöst werden. Diese müssen derzeit im Prinzip – die Auslegung ist häufig strittig - die Rechnungsstellungsvorschriften des Empfängermitgliedstaats erfüllen. Es werden harmonisierte Vorschriften sowohl für elektronisch ausgestellte Rechnungen als auch für Papierrechnungen eingeführt, die deren Verwendung in der gesamten EU ermöglichen. Das gleiche gilt für Rechnungen für Privatpersonen, für die auch weiterhin die Vorschriften des Orts der Besteuerung maßgeblich sind. |
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3.4.1 |
Neue Vorschriften wurden bezüglich vereinfachter Rechnungen eingeführt, die in einigen Fällen zulässig sein können, nämlich im Wesentlichen dann, wenn der Rechnungsbetrag 200 EUR nicht übersteigt und für die Lieferung/Dienstleistung kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht. Diese fakultative Regelung wird zu einer verbindlichen Vorschrift, die die Mitgliedstaaten für Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen innerhalb ihres Hoheitsgebiets auferlegen können. |
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3.4.2 |
Der Unterschied zwischen einer „vollständigen“ und einer vereinfachten Rechnung besteht in ihrer Verwendungsmöglichkeit. Mit ersterer kann Vorsteuerabzug in Anspruch genommen werden, mit letzterer im Prinzip nicht, allenfalls in bestimmten zulässigen Fällen und nur innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats. Die vorgeschlagenen Änderungen entsprechen dem Willen der Kommission, die Verfahren zu vereinfachen und die Belastung der Unternehmen zu verringern, aber die verschiedenen Wahlmöglichkeiten, die den Mitgliedstaaten geboten werden, konterkarieren den Grundsatz der Harmonisierung. Dies ist offensichtlich auf den andauernden Widerstand der Mitgliedstaaten gegen die Annahme einheitlicher Verwaltungsverfahren und –systeme zurückzuführen. Bei den Regelungen betreffend vereinfachter Rechnung wäre einer verbindlichen Vorschrift anstatt der derzeit im Richtlinienvorschlag vorgesehenen Kann-Bestimmung der Vorzug zu geben, um zusätzliche Verwaltungskosten für Unternehmen, welche in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind und somit unterschiedliche Regelungen anwenden müssten, zu vermeiden. |
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3.5 |
Die Mitgliedstaaten können Steuerpflichtigen, die in ihrem Gebiet Waren liefern und Dienstleistungen erbringen, Fristen für die Ausstellung der Rechnung setzen. Durch den vorliegenden Richtlinienvorschlag soll im Art. 222 der Richtlinie 2006/112/EG eine Beschränkung dieser Frist aufgenommen werden, indem die Rechnung spätestens am 15. Tag des Monats ausgestellt werden muss, der auf den Monat folgt, in dem der Steuertatbestand eingetreten ist. Der Ausschuss erachtet diese Frist für viele Branchen wie z.B. das Baugewerbe als zu kurz und schlägt vor, diese Änderung entweder zu streichen, und damit den ursprünglichen Artikel 222 unverändert zu belassen, oder die Frist für die Ausstellung einer Rechnung auf mindestens zwei Monate zu verlängern. |
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3.6 |
Einige neue Vorschriften betreffen die Verfahren zur (auch elektronischen) Erfassung, Registrierung und Aufbewahrung der Belege bezüglich steuerpflichtiger und nicht steuerpflichtiger Transaktionen. Der EWSA möchte hierzu keine besonderen Bemerkungen vorbringen, abgesehen von der Bestimmung, dass die Mitgliedstaaten die Übersetzung bestimmter Rechnungen in ihre Amtssprachen verlangen können: Eine solche Verpflichtung besteht zwar bereits in einigen Mitgliedstaaten, stellt aber eine nicht unerhebliche Zusatzbelastung für die Unternehmen dar. |
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3.7 |
Eine wichtige Neuerung wird mit dem neuen Artikel 249 im Bereich der Kontrollen eingeführt. Dem ursprünglichen Wortlaut zufolge ist der Online-Zugriff auf die Daten nur den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen ansässig ist, gestattet. Dem neuen Wortlaut zufolge soll dieser Zugriff auch den Behörden eines anderen Mitgliedstaates, dem die MwSt geschuldet wird, ermöglicht werden. Gleichzeit wird auch die Einschränkung gestrichen, derzufolge die nationalen Behörden ein Recht auf Zugriff zu diesen Daten haben, „soweit dies für diese Behörden zur Kontrolle erforderlich ist“. |
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3.7.1 |
Die Ausweitung des unbeschränkten Zugriffrechts auf Behörden eines anderen Mitgliedstaats geht weit über die Vorschriften im Bereich der Verwaltungszusammenarbeit hinaus. Es gibt bislang noch keinerlei Bestimmung, die es einer ausländischen Verwaltung - mit oder ohne richterliche Genehmigung des zuständigen Staates - gestatten würde, einen inländischen Steuerpflichtigen einer Befragung oder Durchsuchung zu unterziehen. Die mit der neuen Bestimmung eingeführte Möglichkeit kommt einer Online-Durchsuchung gleich. Ferner ist kaum vorstellbar, wie es möglich sein soll, bei einem Online-Zugriff auf eine Datenbank nur die relevanten Daten zur Kenntnis zu nehmen und diejenigen zu ignorieren, die für die Untersuchung nicht von Belang sind. |
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3.8 |
Der EWSA begrüßt schließlich, dass die Kommission den laufenden Bemühungen um Vereinfachung der Verfahren, Verringerung der Verwaltungs- und Buchführungslasten und entschlossene Betrugsbekämpfung neue Impulse gibt. Er ist skeptisch in Bezug auf die geringen Fortschritte bei der Harmonisierung der Vorschriften, wenngleich er die aufgrund des Widerstands der Mitgliedstaaten bestehenden Schwierigkeiten durchaus sieht. Er hegt große Vorbehalte rechtlicher, aber auch grundsätzlicher Art bezüglich der neuen Vorschriften über den Zugriff auf elektronische Datenbestände. |
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/79 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten“ (kodifizierte Fassung)
KOM(2009) 129 endg. — 2009/0043 (COD)
2009/C 306/18
Der Rat beschloss am 3. April 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten“ (kodifizierte Fassung)
Da der Ausschuss dem Inhalt dieses Vorschlags vollkommen zustimmt und sich bereits in seinen Stellungnahmen vom 25. Mai 1977 (1), vom 14. September 1994 (2) und vom 22. April 2008 (3) zu dieser Thematik geäußert hat, beschloss er auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) mit 110 Ja-Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme abzugeben und auf den Standpunkt zu verweisen, den er in den oben genannten Stellungnahmen vertreten hat.
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Erhaltung der Vogelarten“ - ABl. C 152 vom 29.6.1977, S. 3.
(2) Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten“ - ABl. C 393 vom 31.12.1994, S. 93.
(3) Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Anpassung an das Regelungsverfahren mit Kontrolle/Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten im Hinblick auf die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse“ - ABl. C 211 vom 19.8.2008, S. 46.
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16.12.2009 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 306/80 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Netze“ (kodifizierte Fassung)
KOM(2009) 113 endg. — 2009/0037 (COD)
2009/C 306/19
Der Rat beschloss am 26. Mai 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 156 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Netze“ (kodifizierte Fassung)
Da der Ausschuss dem Inhalt des Vorschlags vollkommen zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) mit 112 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.
Brüssel, den 10. Juni 2009
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI