ISSN 1725-2407 |
||
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161 |
|
Ausgabe in deutscher Sprache |
Mitteilungen und Bekanntmachungen |
50. Jahrgang |
Informationsnummer |
Inhalt |
Seite |
|
III Vorbereitende Rechtsakte |
|
|
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss |
|
|
434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 |
|
2007/C 161/01 |
||
2007/C 161/02 |
||
2007/C 161/03 |
||
2007/C 161/04 |
||
2007/C 161/05 |
||
2007/C 161/06 |
||
2007/C 161/07 |
||
2007/C 161/08 |
||
2007/C 161/09 |
||
2007/C 161/10 |
||
2007/C 161/11 |
||
2007/C 161/12 |
||
2007/C 161/13 |
||
2007/C 161/14 |
||
2007/C 161/15 |
||
2007/C 161/16 |
||
2007/C 161/17 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Tierschutzkennzeichnung |
|
2007/C 161/18 |
||
2007/C 161/19 |
||
2007/C 161/20 |
||
2007/C 161/21 |
||
2007/C 161/22 |
||
2007/C 161/23 |
||
2007/C 161/24 |
||
2007/C 161/25 |
||
DE |
|
III Vorbereitende Rechtsakte
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
434. Plenartagung am 14.-15. März 2007
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/1 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Überalterung der Bevölkerung: Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Haushalte“
(2007/C 161/01)
Die Europäische Kommission beschloss am 16. Mai 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen: „Überalterung der Bevölkerung: Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Haushalte“
Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 23. Februar 2007 an. Berichterstatterin war Frau FLORIO.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14./15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 109 Ja-Stimmen ohne Gegenstimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) beantwortet das Schreiben der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Margot Wallström, mit der Vorlage dieser Sondierungsstellungnahme, berücksichtigt jedoch auch die Stellungnahmen der letzten Jahre, in denen die einschlägigen Überlegungen, Analysen und Vorschläge des EWSA formuliert wurden. |
Arbeitsmarkt
1.2 |
Nach Ansicht des EWSA müssen die Lissabon-Ziele hinsichtlich der Bevölkerungspolitik weiterhin verfolgt werden; daher erfordert der rasche demografische Wandel auf dem Arbeitsmarkt dringend Maßnahmen zur Lösung der damit verbundenen Probleme:
|
1.3 |
Der Verdrängung älterer Arbeitnehmer von ihrem Arbeitsplatz ist entgegenzuwirken; stattdessen gebührt der Eingliederung älterer Arbeitnehmer in den Produktionszyklus mehr Aufmerksamkeit. |
1.4 |
Der Arbeitsplatz sollte der Ausbildung und Berufserfahrung des Einzelnen entsprechen, wobei keinerlei Diskriminierung zwischen den Generationen stattfinden darf. Daher fordert der EWSA sämtliche Mitgliedstaaten auf, so schnell wie möglich die Richtlinie zur „Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“ (2000/78/EG) umzusetzen und anzuwenden. |
1.5 |
Eine bessere Arbeitsorganisation erfordert eine Bewertung der Art der ausgeübten Tätigkeit (gefährliche, verschleißende oder repetitive Arbeiten). |
Lebenslanges Lernen
1.6 |
Programme für lebenslanges Lernen sind der Schlüssel zur größeren Wertschätzung der über 50-jährigen Arbeitnehmer innerhalb wie auch außerhalb der Unternehmen. Daher müssen gute Praxisbeispiele — entsprechend den jährlichen Folgeberichten der europäischen Sozialpartner — verbreitet und begleitet werden. |
1.7 |
Eine Politik für anspruchsvolle Arbeitsplätze bietet Generationen von Bürgern während ihrer gesamten Erwerbstätigkeit Orientierungshilfe und Weiterbildung. Dies setzt den Einsatz der Sozialpartner und aller relevanten wirtschaftlichen und sozialen Akteure auf lokaler, einzelstaatlicher und europäischer Ebene voraus. |
Für einen Pakt zwischen den Generationen
1.8 |
Forschung und Innovation sind eine grundlegende Investition sowohl für die künftigen Generationen als auch für die heutigen Bürger Europas. Erforderlich sind daher Anreize für junge Menschen, sich in naturwissenschaftliche und technische Studiengänge einzuschreiben, sowie adäquate Beschäftigungsbedingungen in Forschung und Technologie. Die Europäische Union muss die Kluft zu anderen Ländern wie China und Indien überwinden, die in den letzten Jahren enorme Fortschritte in diesen Bereichen erzielt haben. |
1.9 |
Investitionen in benachteiligte Gebiete helfen junge Menschen dabei, diesen nicht den Rücken kehren, sondern zu einem Instrument für die Entwicklung und Aufwertung dieser Gebiete zu werden. |
1.10 |
Der Schwerpunkt des Jahres 2007, dem Jahr der Gleichstellung, sollte auf Analysen zur Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben liegen, damit eine Entscheidung für die Mutter- und Vaterschaft nicht zu prekären und belastenden Lebenssituationen führt und die Familie, die mit der Geburt eines Kindes verbundenen Kosten — nicht nur wirtschaftlicher Art — nicht allein tragen muss. |
Frauen und Arbeitsmarkt in der Europäischen Union
1.11 |
Nach Ansicht des EWSA müssen Anreize geschaffen werden, wichtige Richtlinien wie die zur Elternzeit zu nutzen; es sind Betreuungsdienste für Kinder sowie Pflege- und Hilfsdienste für ältere Menschen zu gewährleisten; die Gehaltskluft zwischen Männern und Frauen ist rasch zu überbrücken, und Prekarität und instabile Arbeitsverhältnisse — Ursache der Armut vieler Europäerinnen — sind zu bekämpfen. Ferner müssen Anreize für Männer ausgebaut werden, mehr familiäre Pflichten zu übernehmen. Mutterschaft und Frauenbeschäftigung dürfen keine Gegensätze bilden: Daher bedarf es jeglicher Instrumente, die Müttern die Vereinbarung von Kinderbetreuung und Berufstätigkeit ermöglichen. |
1.12 |
Auch in der Unternehmenswelt müssen Maßnahmen ergriffen werden, die den Frauen Chancengleichheit gewährleisten und den Zugang zu Führungspositionen ermöglichen. |
Rolle und Gewicht der Einwanderung angesichts des demografischen Wandels
1.13 |
Die Einwanderung ist eine der notwendigen Antworten auf die Herausforderungen der Überalterung der Bevölkerung. Systematische Maßnahmen für Integration und Beschäftigung können ein Wachstums- und Entwicklungsmotor sein. Die Kompetenzen, Berufserfahrungen und Schulabschlüsse der Migranten müssen ausgeschöpft werden. |
Nachhaltigkeit der Sozialversicherungssysteme in der Europäischen Union
1.14 |
Die Nachhaltigkeit der Sozialversicherungssysteme ist mit einer Reihe von Maßnahmen zu gewährleisten, die nicht deren letztlichem Ziel — entsprechend der Definition der EU-Verträge (Artikel 2) — zuwiderlaufen. Daher ist zum einen deren Nachhaltigkeit zu gewährleisten und sind zum anderen die dem europäischen Sozialmodell eigenen Ziele Universalität und Gerechtigkeit zu verfolgen. |
1.15 |
Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse müssen wie die sozialwirtschaftlichen Akteure aufgrund ihrer Funktion gewährleistet und gefördert werden. Gemeinnützige Einrichtungen, in denen sich ältere Menschen engagieren, haben eine wichtige gesellschaftliche Funktion, die unterstützt und stärker anerkannt werden muss |
Zukunftsfähigkeit der Rentensysteme
1.16 |
Das Ziel der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten sollte sein, den künftigen Generationen ein sorgenfreies Alter in Würde und folglich angemessene Rentensysteme zu gewährleisten. Zusatzrentensysteme müssen — falls notwendig — verlässlich, sicher und gegen unvorhersehbare Schwankungen der Finanzmärkte geschützt sein. |
1.17 |
Arbeitsplätze sicher zu machen, bedeutet auch, dass junge Arbeitnehmer ebenfalls angemessene Rentenansprüche erwerben; des Weiteren muss der Eintritt ins Erwerbsleben beschleunigt werden. |
1.18 |
Die Zukunftsfähigkeit der Rentensysteme ist zu analysieren, wobei eine Reihe komplexer Aspekte zu berücksichtigen ist, die sich nicht allein auf die Überalterung der Bevölkerung reduzieren lassen. |
1.19 |
In einigen EU-Staaten muss die entschlossene Bekämpfung der Steuer- und Beitragshinterziehung ein grundlegendes Ziel für die Gewährleistung zukunftsfähiger Rentensysteme sein. |
Auswirkungen der Überalterung der Bevölkerung auf das Gesundheitswesen
1.20 |
Im Gesundheitswesen erfordert die Überalterung der Bevölkerung künftig insbesondere Investitionen in die Prävention, in hochwertige Pflegedienste und in die Forschung, vor allem über Krankheiten, die häufiger bei älteren Menschen auftreten, — ein notwendiger Schwerpunkt der Bemühungen und Studien. |
1.21 |
In Zusammenhang mit der Überalterung der Bevölkerung werden die Themen Gesundheit und Sicherheit auch in der Arbeitswelt andere Bedeutungen erhalten und einen Wandel erfahren, der aufmerksam analysiert und evaluiert werden muss. |
1.22 |
Nach Ansicht des EWSA müssen die EU-Mitgliedstaaten in Absprache mit den Sozialpartnern gemeinsame Programme zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten — vor allem in Zusammenhang mit dem Alter der Arbeitnehmer — konzipieren. Hierbei sind Begleitung und Informationsaustausch wichtige Instrumente. |
1.23 |
Älteren Arbeitnehmern muss die freie Wahl gewährt werden, ob sie länger erwerbstätig bleiben wollen oder nicht; hierbei ist die Art der Arbeit zu berücksichtigen und zu bewerten, wie gefährlich, repetitiv und anstrengend ihr Beruf ist. |
1.24 |
Der EWSA ist bestrebt, seine vertiefende und bewertende Arbeit zum demografischen Wandel fortzuführen und weitere Vorschläge dazu zu unterbreiten, wobei ihm die Komplexität dieses Themas sehr wohl bewusst ist, die in den kommenden Jahren die Mitwirkung sämtlicher institutioneller, wirtschaftlicher und sozialer Akteure erfordert, um die neuen Herausforderungen anzugehen. Der Ausschuss verpflichtet sich, entsprechend der Geschäftsordnung die in dieser Stellungnahme behandelten Themen weiter zu vertiefen. |
2. Vorbemerkungen
2.1 |
Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Margot WALLSTRÖM, hat den Wirtschafts- und Sozialausschuss um eine Sondierungsstellungnahme zu dem Bericht über die Auswirkungen der Überalterung der Bevölkerung auf die Wirtschaft und die Haushalte in allen Staaten der Europäischen Union ersucht, den die Kommission unlängst gemeinsam mit dem Ausschuss für Wirtschaftspolitik veröffentlicht hat. |
2.2 |
Angesichts der breiten Thematik und der vielfältigen betroffenen Politikbereiche hat Frau WALLSTRÖM den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss in ihrem Ersuchen gebeten, sich zu den Fragen zu äußern, die direkt oder indirekt mit der Arbeitswelt und mit verwandten Aspekten wie Gesundheitswesen, Rentensystemen und lebenslangem Lernen zusammenhängen. |
2.3 |
Die Dubliner Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen hat zahlreiche Studien erstellt, in denen das Problem der Überalterung der Bevölkerung behandelt wird und dessen Auswirkungen auf die europäischen Bürger und insbesondere Arbeitnehmer analysiert werden. |
2.4 |
Zahlreiche Faktoren bestimmen die Überalterung der Bevölkerung: die sinkende Geburtenrate, die weiter steigende Lebenserwartung sowie das schrittweise Ausscheiden der Nachkriegsgeneration und künftig der Babyboom-Generation der 60er Jahre aus dem Erwerbsleben (1), das sich jetzt und in Zukunft direkt auf die erwerbsfähige Bevölkerung auswirkt. |
2.5 |
Prognosen von Eurostat zufolge dürfte die Zahl der über 65-Jährigen in der EU der 25 von 75 Millionen im Jahr 2005 auf etwa 135 Millionen im Jahr 2050 steigen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung der 25 Mitgliedstaaten wird auf 30 % vorhergesagt, wobei die höchsten Werte in Spanien (36 %) und Italien (35 %) und die niedrigsten Werte in Luxemburg (22 %) und den Niederlanden (23 %) erreicht werden. |
2.6 |
Die Überalterung der Bevölkerung hat starke Auswirkungen auf die soziale und wirtschaftliche Lage der Länder und erfordert eine Modernisierung der Haushalts- und Sozialpolitik. |
2.7 |
Die gesamte Wirtschaft eines Landes bekommt die Folgen der Überalterung zu spüren: Arbeitsmarkt, Produktivität, technologische Innovation und Wirtschaftswachstum, denn die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Bevölkerung wandeln sich zwangsläufig. |
3. Überalterung und Arbeitsmarkt
3.1 |
In der Lissabon-Strategie wird die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer berücksichtigt: Das ursprüngliche — noch nicht verwirklichte — Ziel war, bis 2010 eine Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer von über 50 % zu erreichen. |
3.2 |
Die Überalterung der Bevölkerung steigert zum einen das Durchschnittsalter, und zum anderen verringert sie die Gesamtzahl der Bürger im erwerbsfähigen Alter, denn die älteren Generationen werden nicht von genügend jungen Menschen abgelöst. Im Übrigen treten junge Menschen immer später in das Erwerbsleben ein (2). |
3.3 |
Somit wird der Arbeitsmarkt erheblich durch das Phänomen der Überalterung der Bevölkerung beeinflusst und verändert. Daher müssen unverzüglich Maßnahmen zur Problemlösung ergriffen werden, wie etwa:
|
3.4 |
Die Auswirkungen der Überalterung der Bevölkerung betreffen nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Unternehmer. Hinsichtlich der Reproduktion der Generationen sind Instrumente vorzusehen, die die Übergabe von Unternehmen, vor allem KMU, erleichtern. Tatsächlich lässt sich auch bei den Unternehmern ein stetig steigendes Durchschnittsalter feststellen, das sich direkt und indirekt auf die Innovation, den Kapitalmarkt und generell auf die europäische Industriestruktur auswirkt. „Ältere Unternehmer“ bedeutet, dass ein Großteil von ihnen sich bereits aus dem aktiven Erwerbsleben zurückgezogen hat oder dies in Kürze beabsichtigt, ohne von neuen Generationen junger Unternehmer ersetzt zu werden. Ein Rückgang der Zahl der Unternehmer bedeutet weniger Unternehmen und infolgedessen weniger Arbeitsplätze. |
3.5 |
Die Verdrängung älterer Arbeitnehmer ist ein immer besorgniserregenderes Phänomen, nicht nur in der Industrie, sondern auch im Dienstleistungssektor. Die Schwierigkeit, sich in ein neues berufliches Umfeld zu integrieren, die gewöhnlich an einem oder einigen wenigen Arbeitsplätzen erworbene Berufserfahrung und die Diskriminierung, die ältere Arbeitnehmer zweifellos bei der Stellensuche erfahren, betreffen alle europäischen Arbeitnehmer. |
3.6 |
Mehr Aufmerksamkeit gebührt der Eingliederung älterer Arbeitnehmer in den Produktionszyklus: In einigen Sektoren bildet ihre Erfahrung die Grundlage für eine qualitativ höhere Produktivität; auch für die Unternehmer gilt, dass von einem bloßen Urteil über ihr Alter zu einer Beurteilung ihrer konkreten Kompetenzen überzugehen ist. In diesem Fall müssen die europäischen Richtlinien zur Vermeidung jeglicher Form von Diskriminierung (2000/43/EG und 2000/78/EG) angewandt und muss ihre Einhaltung kontrolliert werden. |
3.7 |
Sämtliche Arbeitnehmer sollten einen Arbeitsplatz haben, der so weit wie möglich ihrer Ausbildung und Erfahrung entspricht: Auf diese Weise würde die Produktivität gesteigert, die — zumindest teilweise — die negativen Folgen der Überalterung der Bevölkerung kompensieren könnte (3). |
3.8 |
In jedem Fall müssen aktive Maßnahmen für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer der Art der geleisteten Arbeit Rechnung tragen: denn gefährliche, verschleißende und repetitive Arbeitsplätze erfordern eine gezielte Analyse und mehr Spielraum für freiwilliges Engagement der Betreffenden (4). |
4. Lebenslanges Lernen
4.1 |
Eines der konkreten Ziele, die zur Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer gesteckt werden sollten, ist die Verwirklichung effizienter und effektiver Programme für lebenslanges Lernen — über den Austausch guter Praxisbeispiele zwischen den 27 EU-Ländern und einen kontinuierlichen Dialog mit den Sozialpartnern entsprechend den Wünschen zahlreicher europäischer Einrichtungen (5). |
4.2 |
Seit der Tagung des Europäischen Rates von Luxemburg (1997) werden im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie (EBS) Jahr für Jahr Leitlinien für lebenslanges Lernen festgelegt. Bei dieser Gelegenheit wurde stets betont, wie wichtig die Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer und folglich ihre berufliche Weiterbildung ist, um die Probleme der Überalterung der Bevölkerung anzugehen. |
4.3 |
„Lebenslanges Lernen“ bezeichnet jede signifikante Lernaktivität mit dem Ziel, Fähigkeiten, Kenntnisse und Kompetenzen zu verbessern. Daher müssen diese Aktivitäten während des gesamten Berufslebens eingeplant werden, denn gerade für ältere Arbeitnehmer haben der Verlust der Professionalität und veraltetes Wissen die dramatischsten Folgen. |
4.4 |
Auch der EWSA hat bereits unterstrichen, dass häufig ein Ungleichgewicht zwischen den Generationen herrscht, was Technologie-Kenntnisse und den Erwerb verschiedener Kompetenzen angeht (6). |
4.5 |
Eines der wirksamen Instrumente zur Förderung der Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer ist die betriebliche Weiterbildung. Einige Mitgliedstaaten (Vereinigtes Königreich, Spanien, Portugal, die Niederlande, Österreich) haben in unterschiedlichem Maße diese Kurse der betrieblichen Fort- und Weiterbildung mit Steueranreizen und -befreiungen gefördert. |
4.6 |
Mit der Lissabon-Strategie wurde betont, dass Bildungsmethoden und -systeme, die gut funktionieren und den Anforderungen des Arbeitsmarktes voll gerecht werden, ein Schlüsselelement für die Schaffung der Wissensgesellschaft — ein Ziel der Tagung des Europäischen Rates in Portugal — sind. |
4.7 |
Der Abbau der Hemmnisse für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer bedeutet eine vorausschauende Reaktion auf die Folgen des demografischen Wandels. |
5. Für einen Pakt zwischen den Generationen
5.1 |
Bereits 2004 hatte der Wirtschafts- und Sozialausschuss betont, wie wichtig die Unterstützung des Pakts zwischen den Generationen ist, um den Bürgern der europäischen Staaten eine ausreichende Reproduktion der Generationen auf dem Arbeitsmarkt sowie einen an die neuen demografischen und normativen Realitäten in Europa angepassten Sozialstaat zu gewährleisten und so Beschäftigungsmaßnahmen, berufliche Umschulungen und eine Annäherung zwischen Bildungswelt und Unternehmen zu fördern (7). |
5.2 |
In jedem Fall müssen Maßnahmen für eine „gute“ Beschäftigung auch darauf abzielen, die Eingliederung junger Menschen in die Arbeitswelt zu fördern, indem sie die Arbeitnehmer während ihrer gesamten beruflichen Laufbahn begleiten (8), ohne dabei eine „digitale Kluft“ zwischen jungen und denjenigen älteren Arbeitnehmern zu schaffen, die berufstätig bleiben möchten. |
5.3 |
Damals hat der EWSA folgende Herausforderung formuliert: „zu einer größeren Abstimmung bezüglich dieses entscheidenden Themas beizutragen, das eine koordinierte und langfristige Mitwirkung verschiedener Akteure voraussetzt. Kurzsichtige Interessen dürfen dabei nicht im Vordergrund stehen. Es erfordert die Kontinuität einer konstruktiven Absicht. Es geht um die schrittweise Ausarbeitung eines neuen Paktes zwischen den Generationen in der Europäischen Union“. |
5.4 |
Forschung und Innovation sind Bereiche, in die auf jeden Fall investiert werden muss, wenn den künftigen Generationen Europas eine Zukunft in Wohlstand und eine zufrieden stellende, dauerhafte Lebensqualität gewährleistet werden soll. Daher ist es wichtig, auch das Durchschnittsalter der europäischen Forscher und Wissenschaftler und die Tatsache zu berücksichtigen, dass junge Menschen in diese Schlüsselbereiche eingegliedert werden müssen. |
5.5 |
Da es an ausreichenden Forschungsinvestitionen in ganz Europa fehlt und Europa von den Zielen der Lissabon-Strategie noch weit entfernt ist, sind junge Forscher, die oftmals ausgesprochen prekäre Bedingungen akzeptieren müssen, nicht in der Lage, sich eine Zukunft und einen Werdegang in der wissenschaftlichen und technologischen Forschung aufzubauen. Ein höheres Durchschnittsalter der Wissenschaftler in Europa als in den anderen Weltmächten ist eine Gefahr für die Zukunft. Beispielsweise steigt die Zahl der Absolventen naturwissenschaftlicher Fächer in Indien und China, so dass in den USA 60 % der Forscher und Wissenschaftler aus diesen Ländern stammen. Demgegenüber ist in vielen europäischen Ländern die Zahl der an naturwissenschaftlichen Fakultäten eingeschriebenen Studierenden in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. |
5.6 |
Das Problem der Überalterung der Bevölkerung wirkt sich auch unmittelbar auf den Zusammenhalt in den Regionen aus: Junge Menschen verlassen bestimmte Regionen, um eine Arbeit in Gebieten mit besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen zu suchen. So verschärft sich die Kluft zwischen bestimmten Regionen mit einer stärker entwickelten Wirtschaft und anderen, die rascher verarmen und überaltern. |
5.7 |
Die Vereinbarkeit von Privat- und Arbeitsleben ist eine Säule des europäischen Sozialmodells. Der Anstieg des Durchschnittsalters der europäischen Bevölkerung wirft die Frage einer Steigerung der Geburtenrate auf. Damit ist lediglich gemeint, dass alle Paare die Möglichkeit haben sollen Kinder zu kriegen, ohne auf ein aktives Erwerbsleben verzichten oder gar den Lebensstandard der Familie erheblich senken zu müssen, der sich leider in vielen Fällen nahe der Armutsgrenze bewegt. Typisch für die jungen Menschen von heute sind prekäre Arbeitsbedingungen ohne jegliche Zukunftssicherheit mit der Folge, dass sie tendenziell weniger oder gar keine Kinder haben. |
5.8 |
Zur Erreichung des Ziels einer schrittweisen Steigerung der Geburtenrate müssen sämtliche Sozial-, Gesundheits- und Schuldienste (Kinderkrippen, ärztliche Betreuung, Prävention, Kindergeld usw.) ausgebaut, verbessert und an die demografische Realität der EU-Länder angepasst werden. |
6. Frauenbeschäftigung und Geburtenrate
6.1 |
In der EU-25 belief sich die Beschäftigungsquote von Frauen im Jahr 2005 auf 56,3 %. Dieser Aspekt ist weniger ausgeprägt in den nordeuropäischen Ländern, aber weitaus ernster in den Mittelmeerländern. Doch auch die in die Arbeitswelt integrierten Frauen haben ziemliche Mühe, sich einen beruflichen Werdegang aufzubauen, im Laufe dessen sie genügend Beitragszahlungen für den Erwerb ausreichender Rentenansprüche leisten können. In der Tat werden Frauen in der Arbeitswelt mit zahlreichen Problemen konfrontiert:
|
6.2 |
Zu Recht ist die Kommission der Ansicht, dass der Rückgang der Zahl der Bürger im erwerbsfähigen Alter teilweise durch eine Reihe von Maßnahmen ausgeglichen werden kann, wie etwa — zumindest kurzfristig — die verstärkte Teilhabe der Frauen an der Arbeitswelt. Der kulturelle Wandel, der es den Frauen in den letzten Jahrzehnten erlaubt hat, zu arbeiten und Unabhängigkeit zu erlangen, spiegelt sich in den unterschiedlichen Beschäftigungsquoten der verschiedenen Frauengenerationen wider. Tatsächlich sind die jungen Europäerinnen in der Arbeitswelt stärker vertreten als Frauen mittleren Alters. |
6.3 |
Die wachsende Teilhabe der Frauen am Arbeitsmarkt ist zweifellos positiv und fortschrittlich, statistischen Analysen — auch aktuellen — zufolge jedoch noch nicht ausreichend; zugleich müssen für sie auf jeden Fall dieselben Arbeits- und Entlohnungsbedingungen wie für Männer gelten und Frauen gegen Benachteiligung und Diskriminierung am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft geschützt werden. Im Übrigen lassen sich Beschäftigungsunterschiede zwischen Männern und Frauen auch bei den Unternehmern erkennen: Es herrschen nämlich enorme Unterschiede zwischen der Zahl der Unternehmer und der Unternehmerinnen. Folglich müssen die Mitgliedstaaten und die Europäische Union ihre vorhandenen Instrumente stärken und neue schaffen, um die Frauenerwerbstätigkeit zu fördern und zu schützen. |
7. Rolle und Gewicht der Einwanderung angesichts des demografischen Wandels
7.1 |
Die Einwanderung in die Europäische Union ist eine Realität, die immer größere Ausmaße annimmt. Der eklatante Unterschied zwischen den europäischen Volkswirtschaften und Lebensstandards und denjenigen der außereuropäischen Entwicklungsländer befördert die Migration in die reicheren europäischen Länder. Immigration soll nicht als Bedrohung angesehen werden, sondern als ein Phänomen, das mit systematischen Maßnahmen ein potenzieller Wachstums-, Entwicklungs- und Integrationsfaktor sein kann. |
7.2 |
Angesichts der allgemeinen Überalterung der Bevölkerung sowie der Schrumpfung der erwerbstätigen Bevölkerung erledigen die eingewanderten Arbeitnehmer in der EU Aufgaben, die dem Bedarf des Aufnahmestaates in puncto Produktion, Wirtschaft und Gesellschaft voll gerecht werden. Die Arbeits- und Integrationspolitik sind so zu konzipieren, dass die verfügbaren Humanressourcen, einschließlich der Migranten, optimal eingesetzt und dabei ihre Kompetenzen, Berufserfahrungen und Schulabschlüsse anerkannt werden (9). |
7.3 |
Auch die Kommission betont, dass die Einwanderung eine positive Rolle bei den Anpassungen des Arbeitsmarktes spielen kann. Des Weiteren tragen die eingewanderten Arbeitnehmer — sofern sie offiziell beschäftigt sind — mit ihren Steuern und Sozialabgaben zur Finanzierung des Sozialversicherungssystems bei und sind wichtige Impulsgeber für die Zukunft des europäischen Arbeitsmarktes der kommenden Jahre. Ferner ist die grundlegende wirtschaftliche Unterstützung nicht zu unterschätzen, welche die Überweisungen der Einwanderer an ihre Herkunftsfamilien — oftmals deren einzige Einkommensquelle — bedeuten. Auch deshalb ist eine bessere Integration der Migranten ein unverzichtbares Ziel der EU-Mitgliedstaaten (10). |
7.4 |
Die notwendige Eingliederung in den Arbeitsmarkt betrifft nicht nur die eingewanderten Arbeitnehmer: Aufgrund der Überalterung der Bevölkerung müssen dringend Fragen wie die Bekämpfung der Schwarzarbeit und der Prekarität behandelt werden, um die Volkswirtschaften zu sanieren und konsolidieren. |
8. Nachhaltigkeit der Sozialversicherungssysteme in der EU
8.1 |
Die Europäische Kommission betont in zahlreichen Dokumenten, dass eine reale Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten Maßnahmen erfordert, um die öffentliche Verschuldung erheblich, schrittweise und konstant unter Kontrolle zu halten bzw. zu verringern. Hierfür bedarf es einer effektiven Mittelzuweisung, ohne jedoch der Qualität und Universalität der öffentlichen Dienstleistungen zu schaden. |
8.2 |
Vor allem aufgrund des demografischen Wandels, der große Besorgnisse hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Sozialstaaten hervorruft, müssen die verschiedenen Finanzierungssysteme der sozialen Sicherung der EU-Mitgliedstaaten trotz ihrer Unterschiede und Besonderheiten eine effektive, gerechte und transparente Funktionsweise im Dienste der Bürger gewährleisten. |
8.3 |
Der EWSA unterstreicht, dass die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse und die Akteure der Sozialwirtschaft für die Ergänzung der Förderung von Familien und älteren Menschen eine wichtige Rolle spielen. Bei der Anerkennung der Bedeutung dieser Tätigkeiten müssen diese für die Gesellschaft nützlichen Einrichtungen auf der Grundlage gemeinsamer Kriterien unterstützt werden. |
8.4 |
Hierbei kann die Europäische Union eine wichtige Rolle spielen: Die Lissabon-Strategie (Integration zwischen Sozial-, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik) war ein außerordentlicher innovativer Ansatz, und eines ihrer Instrumente — die Methode der offenen Koordinierung — kann als eine der interessantesten Innovationen der Gemeinschaftspolitik der letzten Jahre gelten. Leider wurde dieses Instrument allzu wenig genutzt und oftmals unterschätzt und zugleich das gemeinschaftliche Rechtsinstrument abgeschafft. Objektiv gesehen bleibt das europäische Sozialmodell ein Ziel, das noch vollständig zu erreichen ist, gewiss jedoch kein Hemmnis, das im Namen des Binnenmarktes geopfert werden müsste. |
8.5 |
In einigen europäischen Staaten, besonders angesichts von Makrophänomenen wie dem Anstieg des Durchschnittsalters der Bevölkerung, wird die Finanzierung der Sozialversicherungs- und Rentensysteme stark von der grassierenden Steuer- und Abgabenhinterziehung bedroht. Jeder Wille zur Reform des Sozialstaates, der sozialen Sicherungssysteme, des Gesundheitswesens und der Beschäftigungspolitik lässt sich nicht von der Bekämpfung von Delikten wie Steuerhinterziehung und -umgehung — die größte Bedrohung für nachhaltige Staatshaushalte — trennen. |
8.6 |
Der EWSA möchte folglich unterstreichen, wie wichtig die Bekämpfung der Steuer- und Beitragshinterziehung bei der Suche nach Lösungen für und Anpassungen an den demografischen Wandel sowie den Rückgang der Beitragszahler ist. |
9. Rentensysteme
9.1 |
Der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und die steigende Zahl der Rentner — beides Folgen der gestiegenen Lebenserwartung — sind zentraler Gegenstand zahlreicher Dokumente, welche die Europäische Kommission zur Nachhaltigkeit der Rentensysteme vorgelegt hat. |
9.2 |
In den kommenden Jahrzehnten müssen die Rentensysteme im Stande sein, den künftigen Generationen ein sorgenfreies Alter in Würde zu gewährleisten. Auch deshalb kann — als erste Analyse — das Problem dieser Auswirkungen der Überalterung auf die Rentensysteme nicht ausschließlich mit Anreizen für die Nutzung von Zusatz- oder Privatrenten gelöst werden, denn dies wäre eine gefährliche Vereinfachung; vielmehr bedarf es effektiver Instrumente, damit diese Formen von Zusatzrenten einfacher, sicherer, verlässlicher und gegen unvorhersehbare Schwankungen der Finanzmärkte geschützt werden. Des Weiteren müssen private Pensionsfonds stärker überwacht werden, damit das Kontrollsystem ausgedehnt und eine strikte Verwaltung gewährleistet wird. |
9.3 |
In vielen EU-Ländern ist die Krise der Rentensysteme nicht nur auf die Überalterung der Bevölkerung, sondern auch auf die geringerer Beiträge — ohne anderweitigen Ausgleich wie zum Beispiel durch die Bekämpfung der Steuer- und Abgabenhinterziehung — zurückzuführen, während der Rentenbedarf der Bürger weiter steigt. |
9.4 |
Dieses Phänomen wird noch dadurch verschärft, dass die jungen Generationen immer später und oftmals mit prekären Verträgen und schlechter Bezahlung ins Erwerbsleben eintreten, so dass sie niedrigere Rentenbeiträge als ihre Eltern im gleichen Alter zahlen. |
9.5 |
Die Überalterung der Bevölkerung könnte eine längere Lebensarbeitszeit erfordern, aber noch dringlicher ist es — insbesondere in einigen EU-Ländern -, den Eintritt ins Erwerbsleben zu beschleunigen und genereller bessere Arbeitschancen und -bedingungen am Anfang des beruflichen Werdeganges zu gewährleisten. |
9.6 |
Die Prognosen der Europäischen Kommission bis 2050 sehen eine Erhöhung der Rentenausgaben in sämtlichen Ländern der EU-15 außer in Österreich vor, weil dieses Land im Jahr 2000 Reformen auf den Weg gebracht hat. Nur ein leichter Anstieg der Rentenausgaben wird für Italien und Schweden vorhergesehen, da dort das jeweilige staatliche Rentensystem auf dem Beitragssystem beruht; für die anderen Länder werden substanzielle Steigerungen prognostiziert, in Portugal sogar um 9,7 %. |
9.7 |
Das Problem der Nachhaltigkeit der Rentensysteme lässt sich folglich nicht als isoliertes Phänomen analysieren und lösen: Vielmehr müssen seine Ursachen eindeutig bestimmt werden, die sich nicht auf ein der europäischen Gesellschaft inhärentes Phänomen wie die generelle Überalterung der Bevölkerung beschränken, sondern die verschiedenen Aspekte des Arbeitsmarktes, des Wirtschaftswachstums und der sozialen Sicherungssysteme der einzelnen EU-Länder abdecken. |
9.8 |
Zur Behandlung der Frage der Nachhaltigkeit der Rentensysteme sind Ziele festzulegen, die über die bloße Erhöhung des Renteneintrittsalters hinausgehen: Werden nämlich keine speziellen Kriterien angewandt, dann könnte sich diese Maßnahme als sinnlos und schädlich für die Lebensqualität der europäischen Bürger erweisen. |
9.9 |
Angesichts der Unterschiede zwischen Arbeitsstellen mit mehr oder weniger verschleißenden, repetitiven und ermüdenden Tätigkeiten kann die Überalterung der Bevölkerung nicht ausschließlich mit einer Erhöhung des Renteneintrittsalters gelöst werden, denn eine längere Erwerbstätigkeit hat nicht für alle Berufe dieselbe Bedeutung, und es muss auch der Unterschied zwischen gesetzlichem und tatsächlichem Renteneintrittsalter berücksichtigt werden. |
9.10 |
Die Bekämpfung der Prekarität, der Schwarzarbeit, die Unterstützung der Lohnpolitik, eine gerechtere Vermögensverteilung und ein stabilerer gesellschaftlicher Zusammenhalt gehen Hand in Hand mit einer unvermeidlichen, schrittweisen, gewollten Erhöhung des Renteneintrittsalters, die im Rahmen eines kontinuierlichen Dialogs mit den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft beschlossen und unterstützt werden soll. |
10. Gesundheitswesen
10.1 |
Selbstverständlich hat der Anstieg des Durchschnittsalters der Bevölkerung höhere Gesundheitsausgaben zur Folge. Es ist jedoch äußerst schwierig, die Entwicklung der Gesundheitsausgaben und die spezifischen Sektoren mit größerem Investitionsbedarf für die kommenden Jahrzehnte vorherzusagen. Die voraussichtlichen öffentlichen Ausgaben lassen sich unmöglich nur auf der Grundlage demografischer Tendenzen berechnen. Die Gesundheitsausgaben hängen auch davon ab, welche einschlägigen Maßnahmen beschlossen werden, von den medizinischen Fortschritten, der Entwicklung der Krankheiten, dem Umweltverschmutzungsgrad sowie von den politischen und technologischen Entscheidungen zur Eindämmung dieser Erscheinungen. |
10.2 |
Wie bereits erläutert, belegen sämtliche Analysen jedoch die Tendenz zur Verlängerung der Berufstätigkeit. Ältere Arbeitnehmer sind gerade aufgrund ihres Alters zwangsläufig stärker als ihre jüngeren Kollegen gefährdet, zu erkranken oder unter nachlassenden Kräften zu leiden. Da die Zahl der älteren Arbeitnehmer gewiss weiter steigen wird, muss unverzüglich ein Gesundheitssystem konzipiert und verwirklicht werden, im Rahmen dessen in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wirksame Vorsorgemaßnahmen durchgesetzt werden können. Darüber hinaus werden Arbeitnehmer, die seit langem prekäre Tätigkeiten ausüben, mit Erreichen des Rentenalters in eine Notlage geraten. Für diese Menschen muss das Gemeinwesen in unterschiedlicher Form aufkommen — entsprechend den Vorkehrungen der Sozialsysteme in den Mitgliedstaaten und auch in den Bereichen Gesundheitswesen und Pflegeleistungen. Folglich wird sich die zunehmende Prekarität unmittelbar auf die Sozialversicherungskosten auswirken. |
10.3 |
Wenn das Ziel ist, die öffentlichen Ausgaben auf einem erträglichen Niveau zu halten, dann müssen die Mitgliedstaaten und die Europäische Union ihre Anstrengungen bündeln, um Programme für Pflege, Unfallverhütung, Begleitung und Informationsaustausch zu verwirklichen, indem sie hierfür Arbeitswelt und Gesundheitswesen enger und wirksamer miteinander verknüpfen. |
10.4 |
Nicht alle beruflichen Tätigkeiten sind gleich. Die Überalterung der Arbeitskräfte wirkt sich auch auf die Tatsache aus, dass es mehr oder weniger anstrengende, mehr oder weniger gefährliche, mehr oder weniger repetitive Arbeiten gibt: Ein höheres Alter hat je nach Beruf unterschiedliche Konsequenzen. Ein älterer Arbeitnehmer kann keine anstrengenden manuellen Tätigkeiten ausüben, während er leichter Verwaltungs- oder intellektuelle Aufgaben wahrnehmen kann. |
10.5 |
Die Verlängerung des Erwerbslebens bringt somit größere Gesundheitsprobleme für Arbeitnehmer in anstrengenden Berufen mit sich. Dieser Faktor muss berücksichtigt werden. Wenn für die Zukunft eine kontinuierliche Erhöhung des Renteneinstiegsalters in den geeigneten Sektoren geplant ist, dann müssen erhebliche Anstrengungen im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz unternommen werden. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) Der EWSA hatte bereits Gelegenheit, den Forschungsbedarf zur Analyse des Phänomens der Überalterung in der EU zu unterstreichen; siehe die Stellungnahme zum 7. Rahmenprogramm für Forschung „Forschungsbedarf im Rahmen des demographischen Wandels — Lebensqualität im Alter und Technologiebedarf“, ABl. C 74 vom 23.3.2005, S. 44.
(2) Siehe auch die unlängst vorgelegte Mitteilung der Europäischen Kommission „Die demografische Zukunft Europas — Von der Herausforderung zur Chance“, KOM(2006) 571 endg..
(3) Vgl. in diesem Zusammenhang die unlängst vorgelegte Stellungnahme des EWSA „Qualität des Arbeitslebens, Produktivität und Beschäftigung im Kontext von Globalisierung und demographischem Wandel“, ABl. C 318 vom 23.12.2006, Seite 157.
(4) Siehe Stellungnahme CESE 92/2007 „Menschenwürdige Arbeit für alle fördern“.
(5) Siehe zum Beispiel das vom EGB, von UNICE und CEEP unterzeichnete Dokument „Framework of actions for the lifelong learning development of competencies and qualifications“.
(6) Vgl. zum Beispiel die unlängst vorgelegten Stellungnahmen CESE „Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen“, ABl. C 195 vom 18.8.2006, S. 109, und „Beziehungen zwischen den Generationen“, ABl. C 157 vom 28.6.2005, S. 150.
(7) Vgl. Stellungnahme des EWSA „Beziehungen zwischen den Generationen“, ABl. C 157 vom 28.6.2005, S. 150.
(8) Zum Thema Arbeitsqualität siehe beispielsweise die Mitteilung der Europäischen Kommission „Die jüngsten Fortschritte in der Verbesserung der Arbeitsplatzqualität“, KOM(2003) 728 endg.
(9) Siehe die Stellungnahme des EWSA „Einwanderung, Integration und Beschäftigung“, ABl. C 80 vom 30.3.2004, S. 92.
(10) Siehe in diesem Zusammenhang die unlängst vorgelegte Stellungnahme des EWSA „Die Einwanderung in die EU und die Integrationspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und den Organisationen der Zivilgesellschaft“, (SOC/219), ABl. C 318 vom 23.12.2006, S. 128.
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/8 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, an das Europäische Parlament und an den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss hinsichtlich der Notwendigkeit der Entwicklung einer koordinierten Strategie zur Verbesserung der Bekämpfung des Steuerbetruges“
KOM(2006) 254 endg.
(2007/C 161/02)
Die Kommission beschloss am 31. Mai 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 23. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr IOZIA.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 15. März 2007 mit 97 gegen 2 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss bedauert, dass die Initiativen der Kommission zur Bekämpfung von Steuerbetrug bislang nicht in angemessener Weise durch die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten unterstützt werden, spricht sich für weitere in diese Richtung weisende Initiativen aus und fordert die Kommission auf, alle Befugnisse zu nutzen, die den EU-Institutionen bereits derzeit aufgrund der Verträge zur Verfügung stehen. |
1.2 |
Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Mitteilung der Kommission detailliert genug ist und die Probleme bei der Bekämpfung von Steuerbetrug darin zutreffend dargestellt werden. Als Hauptinstrument zur Eindämmung von Steuerbetrug nennt die Kommission dabei eine stärkere Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. |
1.3 |
In der Mitteilung wird konkret das Problem der Beziehungen zu Drittstaaten angesprochen, für das ein Ansatz auf Gemeinschaftsebene vorgeschlagen wird. Der Ausschuss befürwortet diesen Vorschlag. |
1.4 |
Der EWSA schließt sich dem bereits mehrfach von ihm befürworteten Vorschlag an, das ganze Mehrwertsteuersystem zu überdenken. Erwägenswert ist die Einsetzung eines Think Tanks, der sich mit der Frage des Ausstiegs aus dem gegenwärtigen MwSt-System befasst, wobei ein eventuell einzuführendes neues System keine zusätzliche steuerliche Belastung für Unternehmen und Bürger mit sich bringen darf. |
1.5 |
Der EWSA empfiehlt der Kommission, die derzeit bereits umfangreichen Befugnisse und Aufgaben des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) umfassend zu nutzen. Sie sollte prüfen, ob OLAF über ausreichende Mittel zur Wahrnehmung seiner institutionellen Aufgaben verfügt. |
1.6 |
Absoluten Vorrang hat für den EWSA der Vorschlag, die Wirksamkeit der Zusammenarbeit zwischen den einzelstaatlichen Betrugsbekämpfungsbehörden kontinuierlich zu verbessern und dabei u.a. die Polizeiorgane und die Ermittlungsbehörden so zu vernetzen, dass sie die bestehenden Datenbestände gemeinsam nutzen können. Der Ausschuss empfiehlt zudem eine eingehende Erörterung der damit verbundenen technischen und rechtlichen Fragen. |
1.7 |
Die vorgeschlagene Einrichtung eines hochrangigen Forums für die Verwaltungszusammenarbeit geht in die richtige Richtung; die bürokratischen Widerstände und Hürden, auf die dieser Vorschlag offenbar stößt, sind in keiner Weise nachvollziehbar. |
1.8 |
Aus der Sicht des EWSA wäre es vorteilhaft, wenn die Fortschritte, die einige Mitgliedstaaten bereits erzielt haben, in das Gemeinschaftsrecht übernommen würden, z.B. durch Einführung des Kriteriums des „normalen Marktwerts“ bei Betrugsverdacht. |
1.9 |
Der EWSA empfiehlt, bei der Einführung von Maßnahmen für eine Gesamtschuldnerschaft zwischen Lieferant und Empfänger große Vorsicht walten zu lassen. Bei offensichtlichen Scheingeschäften sollte auf jeden Fall, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofes, die Umkehrung der Beweislast in Betracht gezogen werden. |
1.10 |
Der EWSA vertritt die Ansicht, dass die von der Kommission vorgeschlagene Einführung vereinfachter Pflichten für Unternehmen, die aktiv mit der Verwaltung zusammenarbeiten, und im Gegenzug von strengeren Kontrollen und Verfahren für risikobehaftete Steuerpflichtige einer weiteren eingehenden Erörterung bedarf. |
1.11 |
Der Ausschuss ersucht die Kommission, die Programme der Gemeinschaft zur Förderung von Maßnahmen auf dem Gebiet des Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaft auch in Zukunft zu finanzieren, zum Beispiel das Programm „Hercule II“. |
1.12 |
Der EWSA empfiehlt, die Bestimmungen der Richtlinie 77/799/EWG mit den bereits bestehenden Vorschriften auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung in Einklang zu bringen und die verschiedenen Mehrwertsteuersysteme zu vereinheitlichen. |
2. Inhalt der Mitteilung
2.1 |
Als Ziel der Mitteilung nennt die Kommission die „Entwicklung einer koordinierten Strategie zur Verbesserung der Bekämpfung des Steuerbetruges“. Der diesbezügliche gemeinschaftliche Rechtsrahmen sei zwar verbessert und verstärkt worden, werde allerdings kaum genutzt, und der Grad der Verwaltungszusammenarbeit stehe in keinem Verhältnis zu der Entwicklung des innergemeinschaftlichen Handels. |
2.2 |
Die Kommission greift also ein bereits mehrfach behandeltes Thema auf, nämlich die Notwendigkeit einer verstärkten Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten. Diese stellt ein Instrument zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung dar, die den öffentlichen Haushalten Einnahmeverluste zufügen und Wettbewerbsverzerrungen verursachen können und somit das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen. |
2.3 |
Bei der Vorstellung der Mitteilung erklärte das für Steuern und Zollunion zuständige Kommissionsmitglied László KOVÁCS: „Wir müssen endlich über neue Methoden nachdenken, wie wir den Steuerbetrug wirksamer bekämpfen können. Der Steuerbetrug hat besorgniserregende Ausmaße angenommen.“ |
2.4 |
Wirtschaftsfachleute gehen davon aus, dass durch Steuerbetrug rund 2 bis 2,5 % des BIP verloren gehen, das sind zwischen 200 und 250 Mrd. EUR. Der so genannte Karussellbetrug bei der Mehrwertsteuer ist besonders besorgniserregend, aber Schmuggel und betrügerische Nachahmungen bei Alkohol und Tabak sowie der Betrug im Bereich der direkten Besteuerung stehen dem kaum nach. Der seit 1993 bestehende freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital sowie die Freizügigkeit von Personen haben dazu geführt, dass die Mitgliedstaaten immer weniger in der Lage sind, den Steuerbetrug auf sich allein gestellt zu bekämpfen. |
2.5 |
Bei den indirekten Steuern sieht das Gemeinschaftsrecht gemeinsame Vorschriften für die Mitgliedstaaten vor (einheitliche Verfahren, Benennung der zuständigen Behörden, Bestimmungen betreffend die Übermittlung der Daten), mit denen die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen und der Informationsaustausch gefördert werden sollen. |
2.6 |
Die Kommission nennt drei vorrangige Bereiche für ihre Maßnahmen: |
2.6.1 Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten
2.6.1.1 |
Nach Ansicht der Kommission lassen sich durch folgende Maßnahmen bessere Ergebnisse bei der Bekämpfung des Steuerbetrugs erreichen:
|
2.6.2 Ein neues Gemeinschaftskonzept für die Zusammenarbeit mit Drittländern
2.6.2.1 |
„Steuerbetrug endet nicht an den Außengrenzen der Union.“ Die Kommission schlägt ein Gemeinschaftskonzept für die Zusammenarbeit mit Drittländern vor; diese Zusammenarbeit erfolgt derzeit auf der Grundlage von bilateralen Abkommen, wodurch sich sehr unterschiedliche Situationen ergeben, die leicht von Steuerbetrügern ausgenutzt werden können. Darüber hinaus schlägt die Kommission auch vor, in die Abkommen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die die Union mit ihren Partnern schließt, eine Klausel zur Zusammenarbeit im Bereich der Steuern aufzunehmen. |
2.6.3 Änderung des derzeitigen Mehrwertsteuersystems
2.6.3.1 |
Die Kommission stellt die mögliche Ausweitung des Prinzips der gesamtschuldnerischen Haftung für Mehrwertsteuerschulden unter Wahrung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit zur Debatte. |
2.6.3.2 |
Sie erwägt überdies, die Anwendung des Verfahrens der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft („reverse charge mechanism“), das derzeit nur bei bestimmten Umsätzen obligatorisch ist, bei anderen Umsätzen indes im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt, auf die innerhalb eines Mitgliedstaats getätigten Umsätze auszudehnen. Die Kommission vertritt die Ansicht, dass eine Änderung des bestehenden Mehrwertsteuersystems mit einer deutlichen Reduzierung der bestehenden Betrugsmöglichkeiten und dem Ausschluss neuer Betrugsrisiken einhergehen muss, für die Unternehmen und für die Finanzverwaltungen keinen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verursachen darf und auch die Steuerneutralität sowie die Gleichbehandlung der Wirtschaftsbeteiligten sicherstellen muss. |
2.7 Andere neue Wege
2.7.1 |
Die Kommission regt überdies Überlegungen zu anderen spezifischen Maßnahmen an:
|
3. Der gemeinschaftliche Rechtsrahmen
3.1 |
Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass die im Rahmen des geltenden Gemeinschaftsrechts zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumente für die Bekämpfung von Steuerbetrug ausreichen. Als dringend erforderliche Maßnahme sollten die Mitgliedstaaten gleichwohl zu einer umfassenderen Verwendung der bestehenden Amtshilfeinstrumente unter Einhaltung der entsprechenden Fristen und Verfahren angehalten werden. In der heutigen, durch Globalisierung geprägten Wirtschaftslandschaft nimmt auch der Steuerbetrug grenzüberschreitende Formen an, weshalb die beantragten Auskünfte unbedingt für die Ermittlungen fristgerecht zur Verfügung stehen müssen. |
3.2 |
Die Kommission könnte allerdings im Hinblick auf ein einheitlicheres System für die direkte und die indirekte Besteuerung die Bestimmungen der Richtlinie 77/799/EWG mit den bereits bestehenden Vorschriften auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung in Einklang bringen und unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der Computertechnik wirksamere Verfahren für den Informationsaustausch festlegen. Eine weitere wichtige Maßnahme bestünde darin, die verschiedenen Mehrwertsteuersysteme insbesondere im Hinblick auf die Pflichten der Steuersubjekte zu vereinheitlichen. |
3.3 |
Der entsprechende gemeinschaftliche Rechtsrahmen lässt sich in fünf Hauptbereiche unterteilen:
|
3.4 |
In Anlage A werden die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet aufgelistet und ein kurzer Überblick über die entsprechenden Verfahren gegeben. |
4. Allgemeine Bemerkungen
4.1 |
Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass der wachsenden Verbreitung von Steuerbetrug energischer entgegengewirkt werden muss, und bedauert, dass die Mitgliedstaaten nach Einschätzung der Kommission ungeachtet des umfassenden und detaillierten Rechtsrahmens in völlig unzureichendem Maße auf diesem Gebiet tätig werden und zusammenarbeiten. |
4.2 |
Die Störung des reibungslosen Funktionierens von Wirtschaft und Binnenmarkt durch Steuerhinterziehung und Steuerumgehung stellt ein großes und bislang unterschätztes Problem dar. Ebenso unterschätzt wurden die Zusammenhänge zwischen den dem Fiskus vorenthaltenen Geldern, der Geldwäsche und der Wirtschaftskriminalität. Bei betrügerischen Handlungen zur Erschleichung von einzelstaatlichen oder Gemeinschaftsmitteln spielt häufig die Vorlage gefälschter Steuerbelege eine zentrale Rolle. Umgekehrt werden häufig Gelder, die durch Steuerbetrug, auch im Rahmen grenzüberschreitender Transaktionen, erzielt wurden, zur Verübung weiterer rechtswidriger Handlungen oder Straftaten verwendet. |
4.3 |
In Bezug auf die Steuerumgehung, die im Unterschied zur Steuerhinterziehung in Handlungen besteht, die an sich nicht verboten sind, jedoch einzig und allein zur Erzielung unrechtmäßiger Steuervorteile geplant und durchgeführt werden, stellt der Ausschuss fest, dass diese in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nicht einheitlich behandelt wird. Um zu vermeiden, dass durch nicht immer kohärente Vorschriften ständig steigende administrative und gesellschaftliche Kosten verursacht werden, sollten nach Ansicht des Ausschusses die einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften dadurch angeglichen werden, dass entweder ein grundsätzliches Steuerumgehungsverbot eingeführt oder aber eine Liste der Tatbestände festgelegt wird, bei deren Vorliegen die Finanzverwaltungen die Rechtsfolgen aus Geschäften, die als Steuerumgehung eingestuft werden, zu Besteuerungszwecken nicht anerkennen müssen. |
4.4 |
Nach Ansicht des Ausschusses fallen die von der Kommission vorgeschlagenen Lösungsansätze viel zu schwach aus, wenn man bedenkt, dass ihr im Vertrag die Befugnis eingeräumt wird, alle erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um das finanzielle Gleichgewicht der Gemeinschaftsinstitutionen sicherzustellen. Die Kommission besitzt hier umfangreiche Durchführungsbefugnisse, die ihr gemäß dem Beschluss Nr. 468/1999/EG des Rates vom 28. Juni 1999 vom Rat übertragen wurden. In diesem Zusammenhang sei auf die Anwendung des in Artikel 5 des Vertrags verankerten Subsidiaritätsprinzips verwiesen, wonach die Gemeinschaft auch in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, tätig wird, sofern die Ziele auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht erreicht werden können oder auf Gemeinschaftsebene besser erreicht werden können. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, diese Befugnisse voll zu nutzen. |
4.5 |
Bereits im Juni 2001 betonte die Kommission in ihrer Mitteilung „Steuerpolitik in der Europäischen Union — Prioritäten für die nächsten Jahre“ (KOM(2001) 260 endg.), dass zusätzlich zur Rechtsetzung auch alle anderen verfügbaren Instrumente zur Erreichung der vorrangigen Ziele eingesetzt werden müssten. In diesem Zusammenhang wurde hervorgehoben (1), dass steuerpolitische Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssten, was auch heute noch der Fall ist. |
4.6 |
Der Ausschuss hat seitdem wiederholt betont, dass die Übergangsregelungen geändert und schnellstmöglich endgültige Steuervorschriften eingeführt werden müssen, die auf dem Grundsatz der Besteuerung im Herkunftsmitgliedstaat beruhen. Der Ausschuss fragte sich seinerzeit nachdrücklich, „wie viele Jahre mit dem kränkelnden Übergangssystem noch vergehen müssen, bis das Ziel erreicht wird“, und forderte die Vereinfachung und Modernisierung der geltenden Vorschriften, eine einheitlichere Anwendung der Regeln und eine engere Verwaltungszusammenarbeit. Offenbar wurden hier keine Fortschritte erzielt. |
4.7 |
Der Ausschuss bekräftigt das allgemeine Ziel einer stärkeren Zusammenarbeit über das derzeitige System des Informationsaustausches (MIAS) hinaus, was die Entwicklung von Maßnahmen für die automatische bzw. unaufgeforderte Erteilung von Auskünften zwischen den Mitgliedstaaten voraussetzt. |
4.8 |
Der Ausschuss begrüßt die Einleitung einer Debatte über die Änderung des Mehrwertsteuersystems, unterstreicht jedoch seine Forderung nach einer eingehenden Folgenabschätzung. Der Ausgangspunkt dabei muss sein, dass die eventuellen Änderungen im Sinne der Wirksamkeit und Vereinfachung erfolgen und nicht als Mittel zur Erhöhung der Steuerlast für die Bürger und Unternehmen genutzt werden. In diesem Zusammenhang verweist er auf seinen bereits früher vorgebrachten Vorschlag (2), als Alternative zur Mehrwertsteuer über andere Verbrauchsteuersysteme nachzudenken, die ein Steueraufkommen gewährleisten, das dem heutigen zumindest gleichkommt, aber weniger kostspielig für die Allgemeinheit sind und eine effizientere Steuereinziehung ermöglichen. |
5. Besondere Bemerkungen
5.1 Mehrwertsteuer
Das derzeitige Mehrwertsteuersystem für innergemeinschaftliche Transaktionen beruht auf dem Prinzip der Besteuerung im Bestimmungsland und soll die Gleichbehandlung von nationalen Produkten und Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten gewährleisten. Erreicht wird dies durch die Nichtbesteuerung der Lieferung im Abgangsland und die damit verbundene Besteuerung des Erwerbs im Bestimmungsland zum gleichen Steuersatz wie bei Inlandsgeschäften.
Dieses System wurde — mit der Übergangsregelung und daher nur vorläufig — eingeführt, weil die Anwendung des Prinzips der Besteuerung im Ursprungsland unbedingt einen Zeitplan für die Einrichtung eines geeigneten Mechanismus zur ordnungsgemäßen Umverteilung der überall in der Gemeinschaft erzielten Steuereinnahmen auf die einzelnen Mitgliedstaaten im Verhältnis zu ihrem jeweiligen Verbrauch erfordert hätte. Die Einführung eines solchen Mechanismus setzt logischerweise auf jeden Fall eine Angleichung der Steuersätze voraus, damit Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden können.
5.1.1 Karussellbetrug bei der Mehrwertsteuer
Das Übergangssystem für die Besteuerung der innergemeinschaftlichen Handelsgeschäfte bietet zwar umfassende Möglichkeiten auf dem Gebiet des freien Warenverkehrs, setzt aber die einzelnen Mitgliedstaaten auch der Gefahr enormer Einbußen durch Steuerhinterziehung und Steuerbetrug aus.
5.1.1.1 |
Eine im Hinblick auf die Höhe der hinterzogenen Steuerbeträge besonders gefährliche und aufgrund ihrer schwierigen Ermittlung sehr tückische Form des Mehrwertsteuerbetrugs ist der so genannte Karussellbetrug, bei dem eigens gegründete, international tätige Gesellschaften für die Mehrwertsteuerhinterziehung instrumentalisiert werden. Das Ziel dabei besteht darin, die geschuldete Mehrwertsteuer nicht zu zahlen und anderen Gliedern in der Betrugskette den Vorsteuerabzug fiktiver MwSt.-Beträge zu ermöglichen, um so eine MwSt.-Erstattung bzw. -Verkürzung der Mehrwertsteuerschuld zu erreichen. Um diese gesetzeswidrigen Ziele zu erreichen, verfügt der Wirtschaftsteilnehmer, der seiner Steuerpflicht nicht nachkommt, normalerweise über keine wirkliche Geschäftstätigkeit mit den entsprechenden Strukturen und hat oft nur eine Briefkastenfirma. Dieser Teilnehmer verschwindet dann nach einigen Monaten „formeller Geschäftstätigkeit“ von der Bildfläche, ohne die entsprechende Steuererklärung abgegeben und die geschuldete Steuer abgeführt zu haben, was es für die Finanzverwaltungen besonders schwer macht, ihn zu ermitteln. |
5.1.1.2 |
Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass Karussellbetrug vor allem aufgrund der mangelnden Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der unterschiedlichen Steuersätze möglich ist. Der Ausschuss empfiehlt, verstärkt alle erforderlichen Formen der Zusammenarbeit und des Informationsaustausches einzusetzen, mit denen sich diese Erscheinung wirksam bekämpfen lässt. |
5.1.2 Die Verwaltungszusammenarbeit auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer
5.1.2.1 |
Angesichts der Hinterziehungstechniken bei der Mehrwertsteuer haben die Finanzverwaltungen in den Mitgliedstaaten ihre Ermittlungsmethoden im Hinblick auf eine immer wirksamere Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs verfeinert. Der Verwaltungszusammenarbeit kommt insoweit eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug zu, als daran jeweils mehrere Steuersubjekte in verschiedenen Mitgliedstaaten beteiligt sind. Durch den Abschluss entsprechender Übereinkommen konnten die Mitgliedstaaten ein System des Informationsaustausches aufbauen, das sich als nützliches Instrument erwiesen hat, um den steuerlichen Status der Steuerpflichtigen festzustellen und grenzüberschreitende Steuerbetrügereien zu bekämpfen und einzudämmen. Im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten hat der Ausschuss bereits vor geraumer Zeit deutlich gemacht, dass die Kommission eine aktivere Rolle übernehmen müsse, und begrüßt deshalb die Einführung eines Überprüfungssystems zur Bewertung der Qualität und Quantität der geleisteten Amtshilfe. |
5.1.2.2 |
Gegenwärtig ist der Informationsaustausch bei weitem noch nicht gängige Praxis, was mit kulturellen Unterschieden, der unterschiedlich weit vorangeschrittenen Einführung der Computertechnik und mit der Tatsache zusammenhängt, dass es kaum eine rechtliche Handhabe gibt, um die Untätigkeit von Mitgliedstaaten zu ahnden. Es muss daher eine gemeinsame Kultur und ein Bewusstsein dafür entwickelt werden, dass das Auskunftsersuchen an das Ausland keine Möglichkeit für den Ausnahmefall, sondern regelmäßig Teil eines Nachprüfungsverfahrens ist, wenn die Merkmale des zu überprüfenden Falles ein solches Ersuchen notwendig erscheinen lassen. Dazu müssen die Hindernisse überwunden werden, die der Verbreitung einer „gemeinschaftlichen Verwaltungskultur“ entgegenstehen, indem die Ausschöpfung der bestehenden Instrumente der Zusammenarbeit gefördert und die Einhaltung der entsprechenden Fristen und Verfahren gewährleistet wird, damit die Untersuchungsorgane rechtzeitig für ihre Ermittlungen über die beantragten Auskünfte verfügen können. |
5.1.2.3 |
Im Einklang mit den Aussagen der Kommission zur Verwendung standardisierter Computersysteme für den Informationsaustausch sollte man überdies die Möglichkeit prüfen, die an der Bekämpfung von Steuerbetrug beteiligten Polizeiorgane und Ermittlungsbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten miteinander zu vernetzen, insbesondere im Hinblick auf den direkten Datenaustausch über ein zertifiziertes E-Mail-System, und die in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden Datenbanken über Einkommensteuererklärungen gemeinsam zu nutzen, wie das bereits bei den MIAS-Daten erster und zweiter Ordnung erfolgt. Eine solche Maßnahme setzt jedoch eine Vereinbarung über die Inhalte der in diesen Datenbanken gespeicherten Daten und die Vereinbarkeit mit den in den einzelnen Mitgliedsländern geltenden Datenschutzvorschriften voraus. Diese Vernetzung wäre ein deutlicher Fortschritt bei der Bekämpfung von Steuerbetrug, da die Untersuchungsorgane damit unmittelbar, sofort und ohne unnötige bürokratische Formalitäten über die erforderlichen Informationen verfügen könnten. |
5.1.2.4 |
Auch wenn der Rechtsrahmen für den Informationsaustausch zwischen Mitgliedstaaten als in Form und Inhalt ausreichend angesehen werden kann, stehen der Eindämmung des Steuerbetrugs in der EU zwei hohe Hindernisse im Weg: die Uneinheitlichkeit der nationalen Rechtsvorschriften über die Ausübung von Untersuchungsbefugnissen durch die einzelstaatlichen Behörden und das unterschiedliche Strafmaß. Daraus lässt sich erahnen, dass Steuerbetrug vor allem in den Ländern begangen wird, in denen die Überprüfungsbefugnisse der Kontrollorgane schwächer ausgeprägt sind beziehungsweise das Strafmaß seiner abschreckenden Funktion nicht gerecht wird. |
5.1.2.5 |
Das Strafmaß für Tatbestände vergleichbarer Schwere sollte daher innerhalb der EU unter Beachtung der Souveränität der Mitgliedstaaten angeglichen werden, wie das zum Beispiel schon bei den Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche geschehen ist. Damit kann verhindert werden, dass es durch weniger strenge Rechtsvorschriften oder weniger effiziente Nachprüfungsverfahren zur Bildung von „Steuerstraf-Paradiesen“ kommt, in denen die Gelder aus Straftaten zusammenfließen bzw. die Endglieder von Karussellbetrugsketten zusammenlaufen. |
5.1.3 Der normale Marktwert als Kriterium zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage bei Betrugsverdacht
5.1.3.1 |
Die notwendige Bekämpfung von Steuerhinterziehung muss unter Beachtung der Prinzipien der Gemeinschaft — u.a. des Diskriminierungsverbots und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit — erfolgen, worauf der EuGH wiederholt hingewiesen hat. Die stärksten Abweichungen zwischen den einzelnen Finanzordnungen ergeben sich unter anderem dort, wo für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage andere Parameter als die zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Gegenleistung herangezogen werden, was nicht nur für den Fall des Eigenverbrauchs oder die Bestimmung zu unternehmensfremden Zwecken gilt, sondern auch immer dann, wenn ein Verdacht auf Steuerbetrug oder Steuerhinterziehung besteht. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass in allen Mitgliedstaaten bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der Wille der Parteien gewürdigt und somit versucht wird, die Besteuerung der tatsächlichen Gegenleistung sicherzustellen, da die Bemessungsgrundlage normalerweise mit der vereinbarten Gegenleistung für die Warenlieferung oder Dienstleistung identisch ist. Neben diesem grundlegenden Kriterium wird auch der „normale Marktwert“ herangezogen, um unter bestimmten Bedingungen die Berechnungsgrundlage für die Steuer zu berichtigen oder neu zu ermitteln. |
5.1.3.2 |
In allen Mitgliedstaaten herrscht weitgehend die gleiche Auffassung darüber, was als normaler Marktwert anzusehen ist, und diese geht im Wesentlichen aus der Richtlinie 77/388/EWG vom 17. Mai 1977 (Sechste Richtlinie) hervor. Danach gilt als Normalwert der Durchschnittspreis, der für gleichartige oder ähnliche Gegenstände bzw. Dienstleistungen unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs und auf derselben Absatzstufe, zum gleichen Zeitpunkt und am gleichen Lieferort oder ersatzweise am nächstliegenden Ort und zum nächstliegenden Zeitpunkt gezahlt wird. |
5.1.3.3 |
In allen einzelstaatlichen Rechtsordnungen wird der Normalwert ersatzweise zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage herangezogen:
|
5.1.3.4 |
Zu diesen Fällen hinzukommen Ausnahmen vom Grundsatz der Ermittlung der Bemessungsgrundlage ausgehend von der Gegenleistung in folgenden Fällen:
|
5.1.3.5 |
In diesem Zusammenhang hat der EuGH (4) festgestellt, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften zur Verhütung von Steuerhinterziehung oder -umgehung von dem in der Sechsten Richtlinie festgelegten Grundsatz, dass sich die Besteuerungsgrundlage nach der vereinbarten Gegenleistung richtet, grundsätzlich nur insoweit abweichen dürfen, als dies zur Erreichung dieses Ziels unbedingt erforderlich ist. |
5.1.3.6 |
Anders gesagt ist der Normalwert der Bezugspunkt, um auf einen eventuellen Steuerbetrug aufmerksam zu werden. Wenn die Steuerbemessungsgrundlage in Form der vereinbarten Gegenleistung unter dem Normalwert liegt, tritt dieser nicht automatisch an die Stelle der Gegenleistung, aber die Finanzbehörde kann dann einen Steuerbetrug annehmen, womit sich die Beweislast umkehrt. |
5.1.4 Gesamtschuldnerische Haftung für die Steuerzahlung
5.1.4.1 |
Im Rahmen von gesetzgeberischen Initiativen, die darauf abzielen, der Verbreitung des „Karussellbetrugs“ entgegenzuwirken, wurden in einigen Ländern Rechtsvorschriften erlassen, wonach bei einem Verkauf von zu bestimmten Kategorien gehörenden Gütern der Erwerbende für die Mehrwertsteuerschulden des Lieferanten gesamtschuldnerisch mithaftet, wenn dieser Verkauf zu einem unter dem Normalwert liegenden Preis erfolgt. |
5.1.4.1.1 |
Die Grundlage für derartige Bestimmungen liefert Artikel 21 der Sechsten Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten bestimmen können, dass eine andere Person als der Steuerpflichtige die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelten soll. |
5.1.4.2 |
Einer solchen Entscheidung liegt die Annahme zugrunde, dass sich hinter Geschäften zu Preisen, die vom Marktwert abweichen, etwas ganz anderes verstecken kann — nämlich betrügerische Finanzierungstechniken. Bei den von der betreffenden Rechtsvorschrift vorgesehenen Voraussetzungen wird im Grunde von einer Unredlichkeit des Erwerbers ausgegangen, da angenommen wird, dass dieser angesichts des gezahlten Preises von dem Betrug wissen musste (5). Es handelt sich dabei um eine widerlegbare Vermutung, da der Erwerber per Urkundenbeweis glaubhaft machen kann, dass der unter dem Normalwert liegende Preis auf objektiv nachweisbare faktische Umstände oder Ereignisse oder aber gesetzliche Bestimmungen zurückzuführen ist und daher nicht mit der ausgebliebenen Zahlung der Steuer zusammenhängt. Dies bewirkt den Wegfall der gesamtschuldnerischen Haftung für die ausgebliebene Steuerzahlung des Lieferanten. |
5.1.4.3 |
Der Ausschuss teilt die von vielen Wirtschaftsbeteiligten geäußerte Besorgnis in Bezug auf das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung. In Anbetracht der EuGH-Urteile (6) vertritt er die Auffassung, dass sich die eventuellen Maßnahmen darauf beschränken sollten, von den als tatsächlich steuerpflichtig ermittelten Personen und Unternehmen eine Sicherheitsleistung für die Zahlung der Steuer zu verlangen. Eine Regelung, wonach der Erwerbende zusammen mit dem Lieferanten gesamtschuldnerisch für die Zahlung der Steuer haftet, wenn die Lieferung zu einem Preis erfolgt, der unter dem Normalwert des Gegenstandes oder der Dienstleistung liegt, wäre also denkbar, doch sollte die konkrete Anwendung einer derart einschneidenden Vorschrift, welche den Erwerber belastet, indem sie ihm die Zahlung einer von anderen nicht entrichteten Steuer auferlegt, an besondere Voraussetzungen geknüpft werden:
|
5.1.5 |
Der Ausschuss ist aufgeschlossen für die Möglichkeit, das Verfahren der Selbstveranlagung (Reverse-Charge-System) auf Inlandsumsätze in einem Mitgliedstaat auszudehnen. Er hat unlängst in einer Stellungnahme festgestellt, dass er das Verfahren der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft als „ein Mittel [ansieht], das zur Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung erforderlich sein kann. Sie [die Umkehrung] ist gerade dann angebracht, wenn der Lieferant in finanziellen Schwierigkeiten steckt“ (7). Nach der erfolgreichen Erprobung im Bereich Baumaterial und Dienstleistungen im Bausektor hat die Kommission den Bereich der freiwilligen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft ausgedehnt. Diese Maßnahmen dürfen jedoch den innergemeinschaftlichen Handel mit Waren und Dienstleistungen insofern nicht beeinträchtigen, als unterschiedliche Fakturierungspflichten in bestimmten Fällen das effektive Funktionieren des Binnenmarktes gefährden könnten. |
5.2 Direkte Steuern
5.2.1 |
Die Bekämpfung des Steuerbetrugs muss unbedingt auch in dem allgemeineren Rahmen der Harmonisierung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über direkte Steuern und Überprüfung erfolgen. |
5.2.1.1 |
Infolge der Erweiterung der Europäischen Union werden die Unterschiede zwischen den Steuer- und Abgabesystemen zunehmend ausschlaggebend für Entscheidungen darüber sein, in welche Länder das Kapital fließt und wie die unternehmerischen Tätigkeiten dementsprechend organisiert werden. Angesichts der weitgehenden Koordinierung der Wirtschaftspolitiken bleiben den Mitgliedstaaten als Instrument, mit dem sie Entscheidungen über Investitionen und Ressourcenallokation innerhalb der Europäischen Union beeinflussen können, ihre jeweiligen (unterschiedlichen) Steuervorschriften. Gleichwohl könnten die derzeitigen beträchtlichen Unterschiede zwischen den Systemen der direkten Besteuerung der Mitgliedstaaten die Integration der Märkte in einigen Fällen behindern (8) und sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft auswirken. |
5.2.2 |
Die Angleichung der einzelstaatlichen Steuervorschriften war Gegenstand einer Analyse der Kommission in der Mitteilung KOM(2003) 726 vom 24.11.2003. Was die Unternehmensbesteuerung betrifft, lassen sich insbesondere die so genannten umfassenden Maßnahmen (comprehensive measures), die auf die Einführung einer europäischen Körperschaftsteuer auf einer gemeinsamen konsolidierten Bemessungsgrundlage abzielen (9), nur sehr schwer umsetzen, weil die Mitgliedstaaten über die Kriterien für die Bemessungsgrundlage uneins bleiben. Die Einführung einer gemeinsamen Steuer erfordert außer einem hohen Maß an Konvergenz der Wirtschaftspolitiken auch einen adäquaten Rechtsrahmen. Gemäß Artikel 94 des EG-Vertrags erlässt der Rat Richtlinien zur Angleichung derjenigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken, auf Vorschlag der Kommission und beschließt dabei einstimmig. |
5.2.3 |
Diese Bestimmung sowie die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten, die die Initiativen zur Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Bemessungsgrundlage für Unternehmen in der Europäischen Union nicht gerade erleichtern, bilden nach wie vor ein großes Hindernis für den Prozess der Angleichung der Körperschaftsteuersysteme, und zwar zum einen weil die zunehmende Zahl der Mitgliedstaaten das Erreichen der Einstimmigkeit erschwert, und zum anderen, weil in der endgültigen Version der Verfassung für Europa nicht festgelegt wurde, dass Gesetze bzw. Rahmengesetze, die Maßnahmen im Bereich der Körperschaftsteuer regeln, mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet werden. |
5.2.4 |
Im Hinblick auf einen möglichen Verzicht auf die Einstimmigkeit bildet die Analyse der Kommissionsmitteilung SEK(2005) 1785 „Sitzlandbesteuerung — Skizzierung eines möglichen Pilotprojekts zur Beseitigung unternehmensteuerlicher Hindernisse für kleine und mittlere Unternehmen im Binnenmarkt“ vom 23.12.2005 einen konkreten Schritt in Richtung einer Angleichung der Bemessungsgrundlagen für die Körperschaftsteuer (10). Diese Studie ergab, dass die in der EU-25 existierenden 23 Mio. kleinen und mittleren Unternehmen den größten Anteil der europäischen Wirtschaft ausmachen (99,8 % aller europäischen Unternehmen sind KMU) und rund 66 % der Arbeitsplätze im privaten Sektor stellen (11). Die effektive Einführung eines solchen Systems würde eine größere Internationalisierung der Tätigkeit von KMU ermöglichen, da es die Befolgungskosten (12), von denen KMU in einem weitaus größeren Maße betroffen sind als größere Unternehmen (13), reduzieren und die Möglichkeit eines Verlustvortrags, der das größte Hindernis für den Ausbau der grenzüberschreitenden Tätigkeit der Unternehmen bildet, ausweiten und damit zur Angleichung der Rechtsvorschriften im Bereich der Körperschaftsteuer auf gemeinschaftlicher Ebene beitragen würde. |
5.3 Elektronischer Handel
5.3.1 |
Das Wachstum und die technologische Entwicklung des elektronischen Handels bieten den Wirtschaftsteilnehmern neue Möglichkeiten. Die neuen Handelsmethoden erfordern jedoch eine Anpassung der Steuersysteme, insbesondere im Hinblick auf Aspekte der Verbrauchsbesteuerung. Die Steuer- und Abgabesysteme, die hauptsächlich den Regeln des konventionellen Handels gerecht werden, müssen dem Wandel Rechnung tragen und an die neu entstehenden Formen des Handels angepasst werden. |
5.3.2 |
Das Hauptproblem bei der Besteuerung elektronischer Transaktionen ist die mögliche Diskriminierung, die bei solchen Transaktionen entstehen könnte, und zwar aufgrund der unterschiedlichen Behandlung, die eine Transaktion je nach Art der Übergabe/Auslieferung des Gegenstands bzw. der Erbringung der Dienstleistung erfährt. |
5.3.2.1 |
Bei der Bewertung, ob traditionelle Grundsätze des Steuerrechts auf die Gegebenheiten des digitalen Zeitalters angewandt werden können, sollte deshalb geprüft werden, ob bei der betreffenden Steuervorschrift der Grundsatz der Neutralität eingehalten wurde, dem zufolge Transaktionen, die sich lediglich in der Art der Übergabe/Auslieferung bzw. Dienstleistungserbringung voneinander unterscheiden (online bzw. offline), die gleiche Behandlung zukommen muss. |
5.3.3 |
Die größten Probleme wirft die direkte und indirekte Besteuerung immaterieller (bzw. digitalisierter) Güter auf, da hier alle Schritte der Transaktion (Lieferung und Übergabe) elektronisch ablaufen (Online-Handel) und virtuelle Produkte im Netz angeboten werden. Am Ausgangspunkt der Abwicklung (beim Lieferanten) werden die Dienstleistungen und Gegenstände dematerialisiert, während sie am Ziel (beim Empfänger) materialisiert werden. In solchen Fällen gibt es keinen konkreten Gegenstand, der beispielsweise zu Inspektionszwecken materiell greifbar wäre. |
5.4 Befugnisse von OLAF
5.4.1 |
Nach Auffassung des Ausschusses werden in den geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die die Rechtsgrundlage für die Errichtung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) bilden, diesem Organ bereits wichtige Aufgaben übertragen, so in Artikel 2 des Beschlusses der Kommission 1999/352/EG, EGKS, Euratom. Daher wird die Kommission aufgefordert, nachhaltig auf eine Konkretisierung der derzeitigen Befugnisse von OLAF hinzuwirken und das Amt erforderlichenfalls mit weiteren Mitteln auszustatten, die für die Wahrnehmung seines institutionellen Auftrags notwendig sind, zum Beispiel nach dem Vorbild von Artikel 81/86 EGV über die Wettbewerbsaufsicht. |
5.4.2 |
Vor diesem Hintergrund könnte OLAF als Analyse- und Koordinierungsorgan für die Bekämpfung von (Steuer)Betrug auf europäischer Ebene fungieren. Es müsste mit Aufgaben und Befugnissen im Bereich der Verwaltungszusammenarbeit in Steuerfragen (direkte, indirekte und Verbrauchsteuern) betraut werden, um den Informationsaustausch zwischen den Behörden zu erleichtern, denen gemäß der jeweiligen nationalen Rechtsordnung die Bekämpfung des Steuerbetrugs obliegt. |
5.5 |
Mit der Entwicklung des innergemeinschaftlichen Handels wird eine verstärkte Zusammenarbeit beim Informationsaustausch über das Risikomanagement zu einer vordringlichen Aufgabe. Die Kommission schlägt jedoch keine konkreten Initiativen vor, sondern fordert die Mitliedstaaten lediglich auf, den Steuerbehörden das Handbuch zum Risikomanagement zu verschaffen. Der Ausschuss schlägt in diesem Zusammenhang die Einrichtung einer zentralisierten Datenbank vor, in der die Informationen der einzelnen Verwaltungen zusammenfließen, welche derzeit nur auf dem Gebiet des Zolls und auf bilateraler Grundlage vereinheitlicht sind. |
5.5.1 |
Dabei könnten Kategorien von Produkten ermittelt werden, die laut Untersuchungen der zuständigen Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten ein größeres Risiko für einen möglichen „Karussellbetrug“ bergen. Anzuführen sind hier u.a. Fahrzeuge und hochtechnologische Produkte, beispielsweise aus dem Informatikbereich und der Telefonie. Mit solchen Analyseaufgaben könnte OLAF betraut werden, das die einschlägigen Ergebnisse regelmäßig an die Mitgliedstaaten weiterleiten würde, um so die Richtung für die weitere Beobachtung des Phänomens vorzugeben und die Festlegung entsprechender gezielter Maßnahmen zu ermöglichen. Darüber hinaus sollte ein Kommunikationsfluss zwischen den Mitgliedstaaten und OLAF vorgesehen und geregelt werden. |
5.6 |
Nach Auffassung des Ausschusses ist ein gemeinschaftliches Konzept für die Beziehungen zu Drittländern eindeutig besser als bilaterale Abkommen. Zu diesem Zweck könnten spezifische Bestimmungen im Rahmen der geplanten Annahme des Doppelbesteuerungsmusterabkommens der EU aufgenommen werden, das in den Kommissionsmitteilungen „Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt“ (SEK(2001) 1681) und „Ein Binnenmarkt ohne unternehmenssteuerliche Hindernisse — Ergebnisse, Initiativen, Herausforderungen“ (KOM(2003) 726) erwähnt und vom Europäischen Parlament in der Mitteilung (SEK A5-0048) 2003 erörtert wurde. Der Vorschlag, in die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen eine spezifische Vereinbarung über die Zusammenarbeit aufzunehmen, ist zu befürworten. Bilaterale Abkommen müssen angesichts des mangelnden Willens und der fehlenden Entschlossenheit der Mitgliedstaaten auch künftig ein gangbarer Weg bleiben, d.h., dass die Prozesse zur Vorbereitung solcher Abkommen nicht abgebrochen werden dürfen. |
5.7 |
Die von der Kommission vorgeschlagene Ausweitung der Steuererklärungspflichten sollte sich strikt am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Vereinfachung ausrichten. Die notwendige Bekämpfung von Steuerbetrug darf sich nicht in ungerechtfertigten Belastungen für die Mehrheit der ehrlichen Steuerzahler und der Unternehmen niederschlagen. Es wäre daher zweckmäßig, die Pflichten für vorbildliche Unternehmen, die aktiv mit der Finanzverwaltung zusammenarbeiten, erheblich zu erleichtern, und für Steuerpflichtige, die nach objektiven Kriterien als risikobehaftet eingestuft werden, angemessen zu verschärfen. |
5.8 |
Der Ausschuss teilt nicht die Auffassung der Kommission im Hinblick auf die Besteuerung von Tabakwaren und Alkohol, die wie „normale“ Waren behandelt werden. Einige Mitgliedstaaten versuchen, mit dem Instrument der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren und Alkohol die mit dem Rauchen und Trinken verbundenen Gesundheitsprobleme zu lösen, welche natürlich Vorrang gegenüber dem Funktionieren des Binnenmarktes haben. Die Kommission schlägt vor, diese Verzerrungen zu beseitigen, doch bis dahin wird es angesichts der großen Unterschiede im Einkommensniveau und in den steuer- und gesundheitspolitischen Zielen und Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten wohl noch lange dauern. Solange die Steuersätze nicht in angemessener Weise harmonisiert sind, sollten andere Lösungen gesucht werden, bei denen die Fähigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten, eigene steuer- und gesundheitspolitische Ziele zu verfolgen, gewahrt bleibt. Zu bedenken ist auch, dass der Schmuggel von Tabakwaren nur zu einem sehr geringen Teil von EU-Ländern ausgeht und von internationalen Banden kontrolliert wird. Der Ausschuss ist sich zwar der hohen sozialen und gesundheitlichen Kosten bewusst, die mit Tabak- und Alkoholmissbrauch einhergehen, und spricht sich dafür aus, dass die zuständigen Stellen angemessene Maßnahmen zur Eindämmung dieses Phänomens ergreifen. Gleichwohl vertritt er den Standpunkt, dass die Verbrauchsteuer auf Tabakwaren und Alkohol weiterhin Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bleiben muss. |
5.9 |
Der Ausschuss ersucht die Kommission, das Programm Hercule II fortzusetzen, und würde es begrüßen, wenn das Parlament und der Rat umgehend den Kommissionsvorschlag KOM(2006) 339 endg. verabschiedeten, der für die Verlängerung dieses Aktionsprogramms der Gemeinschaft zur Förderung von Maßnahmen auf dem Gebiet des Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaft notwendig ist. Dieses Programm hat bereits bemerkenswerte Ergebnisse gezeitigt (19 Schulungsmaßnahmen mit 2 236 Teilnehmern aus den verschiedenen Mitgliedstaaten, 5 Drittländern und von anderen europäischen Einrichtungen), wobei insbesondere berücksichtigt wurde, dass angesichts des EU-Beitritts von Bulgarien und Rumänien eine stärkere Zusammenarbeit notwendig wird und dass auch diese Länder von den Maßnahmen profitieren müssen. |
5.10 |
Der Ausschuss hält die Errichtung eines dauerhaften hochrangigen Diskussions- und/oder Konzertierungsforums für zweckmäßig, damit bei Fragen des Betrugs und der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten ein umfassenderer Ansatz verfolgt werden kann. Aufgrund der gegenwärtigen Zersplitterung der Konsultation im Rahmen einer Vielzahl von — nach Zuständigkeitsbereichen unterteilten — hochrangigen Ausschüssen ist kein sinnvoller Austausch von Verfahren zur Stärkung der Zusammenarbeit und entsprechender Verhaltensweisen der Verwaltungen möglich. Der Ausschuss hält alle bürokratischen Widerstände und Vorbehalte, die im Rat (Wirtschaft und Finanzen) vorgebracht wurden, für nicht nachvollziehbar und fragwürdig. |
Brüssel, den 15. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) Stellungnahme des EWSA „Steuerpolitik in der Europäischen Union — Prioritäten für die nächsten Jahre“, ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 73-79.
(2) Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich des Ortes der Dienstleistung“, ABl. C 117 vom 30.4.2004, S. 15-20.
(3) Diese Gefahr muss tatsächlich bestehen und der Betrug muss nachgewiesen sein, damit die Rechtmäßigkeit auf Gemeinschaftsebene gewährleistet ist.
(4) Siehe Urteile in den Rechtssachen 324/82 und 131/91, Vertrieb von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen, und, jüngeren Datums, das Urteil vom 20.1.2005 in der Rechtssache C-412/03.
(5) Es wird darauf hingewiesen, dass die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung Nr. 2004/260/EG vom 16.4.2004 die abschreckende Wirkung, die die Einführung der gesamtschuldnerischen Haftung in einigen Mitgliedstaaten hatte, begrüßt und in diesem Zusammenhang auf einen operativen Mechanismus verweist, bei dem ein Mittäterverhältnis zwischen dem Erwerber und dem Lieferanten nachgewiesen werden muss.
(6) Rechtssachen C-354/03, C-355/03, C-484/03 und C-384/04.
(7) ABl. C 65 vom 17.3.2006, S. 0103-0104.
(8) Vgl. L. KOVÀCS, The future of Europe and the role of taxation and customs policy, www.europa.eu.int/comm/commission_barroso/kovacs/speeches/speach_amcham.pdf.
(9) Stellungnahme des EWSA „Schaffung einer gemeinsamen konsolidierten Bemessungsgrundlage für die Unternehmensbesteuerung in der EU“, ABl. C 88 vom 11.4.2006, S. 48.
(10) Stellungnahme des EWSA „Beseitigung unternehmenssteuerlicher Hindernisse für kleine und mittlere Unternehmen im Binnenmarkt“, ABl. C 195 vom 18.8.2006, S. 58.
(11) Quellen: Europäische Kommission, „KMU in Europa 2003“, Beobachtungsnetz der europäischen KMU 2003/7, Veröffentlichungen — GD Unternehmen; Europäische Kommission (2003), „Die Auswirkungen der EU-Erweiterung auf die europäischen KMU“, Beobachtungsnetz der europäischen KMU 2003/6, Veröffentlichungen — GD Unternehmen in Zusammenarbeit mit Eurostat. In Bezug auf die wirtschaftliche Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen in der Europäischen Union vgl. Kommissionsmitteilung SEK(2005) 1785 vom 23.12.2005, S. 15-17.
(12) In der vorgenannten Mitteilung SEK(2005) 1785 werden Befolgungskosten (rechtliche und steuerliche Beratungsdienste, Übersetzung von Dokumenten, Reisekosten und finanzielle und unternehmerische Risiken) aufgelistet.
(13) Auf der Grundlage einer Studie der Europäischen Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe, die am 11.6.2004 veröffentlicht wurde und in der Mitteilung SEK(2005) 1785 zitiert wird, sind die steuerbedingten Befolgungskosten für kleine Unternehmen bis zu 100-mal höher als für große Unternehmen. In Bezug auf die Methode zur Bestimmung der Befolgungskosten vgl. Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen SEK(2004) 1128 vom 10.9.2004, EU-Steuerumfrage.
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/17 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Wohnungswesen und Regionalpolitik“
(2007/C 161/03)
Das Europäische Parlament beschloss am 26. September 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Wohnungswesen und Regionalpolitik“.
Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 23. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr GRASSO, Mitberichterstatterin Frau PRUD'HOMME.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 15. März 2007) mit 91 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung und ohne Gegenstimmen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Wohnen ist in erster Linie ein Grundrecht, und der Zugang zum Recht auf Wohnung ist die Voraussetzung für den Zugang zu den Grundrechten und für ein menschenwürdiges Leben. Es wird in der Charta der Menschenrechte und der revidierten Europäischen Sozialcharta des Europarates anerkannt und ist in den Verfassungen zahlreicher EU-Mitgliedstaaten verankert. Eine Unterkunft zu haben, ist für die Persönlichkeitsentwicklung und die gesellschaftliche Integration eines Menschen von wesentlicher Bedeutung. |
1.2 Die Charta für das Recht auf Wohnen der Intergruppe Stadtentwicklung/Wohnungsbau
1.2.1 |
Der EWSA begrüßt die Verabschiedung der Europäischen Charta für das Recht auf Wohnen durch die Intergruppe Stadtentwicklung/Wohnungsbau des Europäischen Parlaments, in der auf die zahlreichen und ständig zunehmenden Wechselwirkungen zwischen den europäischen Politiken und den Wohnungspolitiken verwiesen und an die Bedeutung des Rechts auf Wohnung erinnert wird. |
1.2.2 |
Der EWSA fordert daher auf, die Europäische Charta für das Recht auf Wohnen in die Initiativstellungnahme des Europäischen Parlaments zum Thema Wohnen und Regionalpolitik aufzunehmen. |
1.3 Stärkung des Rechts auf Wohnung
1.3.1 |
Der EWSA wünscht, dass auf europäischer Ebene eine Reihe gemeinsamer Ziele in Bezug auf den Zugang zu Wohnraum und Mindeststandards für die Wohnraumqualität, die den Begriff der geeigneten Wohnung definieren, vorgeschlagen werden. Ohne diese Kriterien wird sich das Recht auf Wohnung nur schwer verwirklichen lassen, wo doch der Zugang zu Wohnraum als eine Mindestvoraussetzung für ein menschenwürdiges Leben gilt. |
1.3.2 |
Der EWSA gibt zu bedenken, dass die sozialen Dienstleistungen und Nachbarschaftsdienste in einer älter werdenden Gesellschaft eine immer wichtigere Herausforderung darstellen und häufig in Verbindung mit der Wohnung erbracht werden, und fordert, diese Dienstleistungen auf europäischer Ebene zu diskutieren und stärker ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Er erinnert zudem daran, dass das Sozialwohnungswesen gesondert behandelt werden muss und als solches nicht den Regeln des Marktes unterworfen werden darf, wie dies in der Dienstleistungsrichtlinie anerkannt wird. |
1.4 Das Wohnungswesen und die Strukturfonds 2007-2013: technische Unterstützung entwickeln
1.4.1 |
Der EWSA hebt hervor, wie wichtig es heute ist, dass die Möglichkeit, die Strukturfonds zur Verbesserung der Wohnungsbedingungen zu nutzen, in vollem Umfang von den zwölf neuen, aber auch den 15 alten Mitgliedstaaten wahrgenommen wird, um die Strukturfondsmittel für integrierte Stadtentwicklungsmaßnahmen zu verwenden. Aufwendungen dieser Art werden sich auf den sozialen und territorialen Zusammenhalt sowie auf das Wirtschaftswachstum positiv auswirken. Diesbezüglich regt der EWSA an, dass die europäischen Finanzinstitutionen Mittel zu sehr niedrigen Zinssätzen für integrierte Wohnungsprogramme zugunsten von jungen Erwachsenen, Zuwanderern, älteren Menschen und Behinderten bereitstellen könnten, was die Mobilität der Arbeitnehmer, die soziale Durchmischung und bezahlbare Preise für die Bewohner fördern würde. |
1.4.2 |
Der EWSA stellt fest, dass durch die Nutzung von JESSICA die Elemente zur Schaffung eines Garantiefonds für soziale Wohnungsbauprojekte größeren Umfangs gegeben sein werden, und fordert dazu auf, im Rahmen der Halbzeitüberprüfung der Strukturfonds diese Frage zu untersuchen. |
1.4.3 |
Mit diesem Ziel unterstützt der EWSA die Einsetzung eines Systems der technischen Unterstützung für die Wohnungsbauprojekte im Zeitraum 2007-2013, an dem die Netzwerke der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sowie deren Vertreter beteiligt sind und das von der Europäischen Kommission sowie den Mitgliedstaaten unterstützt wird. Durch ein solches System könnten die umzusetzenden Projekte und Methoden für eine optimale Integration der Wohnungsbauprojekte in die Stadterneuerungsprogramme genutzt werden. Zudem würde es ein solches System ermöglichen, Fachwissen zu bündeln und den Erfahrungsaustausch zu erleichtern. Die Einsetzung eines spezifischen Instruments für das Wohnungswesen erscheint äußerst wichtig, um eine angemessene Nutzung der Strukturfonds zu fördern. Ein solches Instrument kann verwirklicht werden im Rahmen von Artikel 45 der Verordnung mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds, in dem die Kommission dazu aufgefordert wird, die Einsetzung eines Systems der technischen Unterstützung zu erleichtern. |
1.5 Wohnungswesen und Energie
1.5.1 |
Der EWSA schlägt außerdem die Schaffung eines Netzes zum Austausch über das Thema Wohnungswesen und Energieeffizienz vor, durch den ein Erfahrungsaustausch sowie die Nutzung und Vertiefung der Erfahrungen der Betreiber vor Ort und somit eine sinnvolle und ambitionierte Energiepolitik ermöglicht würde. Dieses System kann verbunden sein mit dem System zur Unterstützung der Strukturfonds, da es aber nicht die gleichen Ziele verfolgt, muss eine gute Koordinierung dieser beiden Systeme gewährleistet werden. |
1.5.2 |
Der EWSA schlägt vor, in Zusammenarbeit mit den in diesem Sektor aktiven Netzwerken auf europäischer Ebene eine Informationskampagne über Möglichkeiten der Energieeinsparung in Wohnungen durchzuführen. Ziel der Kampagne sollte die Änderung der Verbrauchergewohnheiten sein. Dieser Ansatz würde die Beteiligung der europäischen Bürger erfordern und die Mobilisierung aller Akteure im Rahmen einer sinnvollen Initiative ermöglichen. Die Kampagne „Nachhaltige Energie für Europa“ zielt nicht in ausreichendem Maße auf eine stärkere Bewusstmachung ab und bleibt hinsichtlich ihrer Mittel beschränkt. |
1.5.3 |
Der EWSA fordert die Kommission auf, Vorschläge einzubringen, die auf einem weiter gefassten Ansatz als dem bisher verfolgten beruhen, der sich vorwiegend auf die Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäude stützt. Es sollte mit den Bewohnern zusammengearbeitet und der vorhandene Wohnungsbestand besser in die Überlegungen einbezogen werden. |
1.6 Das Wohnungswesen und die europäischen Institutionen
1.6.1 |
Der EWSA unterstützt überdies die Initiative der Europäischen Kommission zur Schaffung einer dienstübergreifenden Arbeitsgruppe zu Städtefragen. Er schlägt vor, dass die dienstübergreifende Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission zu Städtefragen das Thema Wohnungswesen einbezieht und zu dieser Frage einen Sprecher benennt. |
1.6.2 |
Überdies erscheint es wichtig, dass der Aspekt Wohnungswesen auch auf die Tagesordnung der Sitzungen der Minister für regionale Angelegenheiten und Städte gesetzt wird. |
2. Begründung
2.1 Das Recht auf Wohnung: ein Grundrecht
2.1.1 |
In der am 7. Dezember 2000 in Nizza verabschiedeten Charta der Grundrechte der EU heißt es (Artikel II-34): „Um die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, anerkennt und achtet die Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die Wohnung, die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen, nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.“ |
2.1.2 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) macht zwar darauf aufmerksam, dass das Wohnungswesen nicht in den Zuständigkeitsbereich der EU fällt und das Subsidiaritätsprinzip hier in vollem Umfang Anwendung findet, ist jedoch der Ansicht, dass dieser Artikel bei der Durchführung der europäischen Politiken zur Behebung der sozialen Dringlichkeit und des Wohnungsmangels für die finanziell am schlechtesten gestellten Bürger (sowie die Bevölkerungsschichten mit geringem Einkommen und die in das Berufs- und Familienleben eintretenden jungen Menschen) berücksichtigt werden. |
2.1.3 |
Auf dem Gipfeltreffen von Laeken im Dezember 2001 wurde jedoch anerkannt, wie wichtig Wohnungsfragen sind, um Armut zu bekämpfen. Der EWSA hält es für sehr wichtig, dass auf dem Gipfeltreffen die Debatte über die Notwendigkeit von mehr Sozialwohnungen zur Bekämpfung der Armut in Europa eröffnet wurde. |
2.1.4 |
Das Recht auf Wohnung ist in der Verfassung mehrerer EU-Mitgliedstaaten wie Belgien, Finnland, Griechenland, den Niederlanden, Portugal und Spanien festgeschrieben. Es könnte daher auch ein europäisches Recht auf Wohnung erwogen werden. Der EWSA hält es für strategisch wichtig, die Wohnungsfrage in die dem europäischen Verfassungsvertrag angegliederte Charta der Grundrechte aufzunehmen, und bedauert, dass das Recht auf Wohnung — bzw. zumindest das „Recht auf Wohnen“ — dort keinen Eingang gefunden hat. |
2.1.4.1 |
Der EWSA hält die Schaffung einer europäischen Wohnungsstrategie für äußerst wichtig, denn die Voraussetzung für die Verwirklichung der anderen auf europäischer Ebene anerkannten Menschenrechte wie des Rechts jeder Person auf „Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation“ und des Rechts, „eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen“, besteht darin, eine Wohnung zu haben. |
2.1.5 |
Ist der Grundsatz eines Rechts auf Wohnung erst einmal etabliert, stellt sich die Frage nach der Wirkung dieses Rechts gegenüber Dritten, d.h. der Möglichkeit der rechtlichen Handhabe einer Person, die keine Wohnung findet. Die EU muss sich daher mit den Bedingungen für die Wirksamkeit des Rechts auf Wohnung auseinandersetzen. Kann keine einheitliche Lösung erwogen werden, muss jeder Mitgliedstaat, der das Recht auf Wohnung ausruft, Auskunft darüber geben können,
|
2.1.6 |
In Anknüpfung an die am 26. April 2006 von der Intergruppe Stadtentwicklung/Wohnungsbau des Europäischen Parlaments angenommene Europäische Charta für das Recht auf Wohnen, in der Wohnen als lebenswichtiges Gut definiert wird, begrüßt der EWSA die Initiative des Parlaments, einen Bericht zum Thema Wohnen und Regionalpolitik zu erstellen. Der EWSA hofft, dass das Parlament seine Forderung nach Anerkennung des Rechts auf Wohnung unterstützt und eine Partnerschaft mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften vorschlägt, um ein angemessenes Angebot an Wohnraum zu erreichen und das Wohnen für Personen, die keinen Zugang zu den auf dem Markt befindlichen Wohnungen haben, erschwinglich zu machen. |
2.1.7 |
Aus der Studie der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen aus dem Jahr 2006 über die Lebensbedingungen und die sozialen Aspekte des Wohnens (1) geht hervor, dass zwischen den Ländern der EU-15 und den Ländern der EU-10 erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Qualität und Quantität des Wohnraums bestehen. Es sei hier auch daran erinnert, dass der Zugang zu warmem Wasser und zu Innentoiletten nicht allen Bürgern Europas gewährleistet ist, obwohl dieser zu den Kriterien für die Festlegung der Mindestbedingungen zählt, die gegeben sein müssen, um von einer geeigneten Wohnung sprechen zu können. |
2.1.8 |
Da das Wohnungswesen ein Eckstein des europäischen Sozialmodells ist, müssen sich die Herausforderungen, denen sich Europa im Hinblick auf den sozialen und demografischen Wandel gegenüber sieht, in den Wohnungspolitiken niederschlagen: Die Überalterung der Bevölkerung, die Verarmung der jungen Generationen, die aufgrund unzureichender Mittel im Elternhaus wohnen bleiben, das Angebot an behindertengerechten Wohnungen und der Zugang zu Wohnungen für Migranten — all das sind Dimensionen, die es zu berücksichtigen gilt. Daher schlägt der EWSA in Anknüpfung an die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Laeken im Dezember 2001 vor, auf europäischer Ebene folgende Maßnahmen zu verabschieden:
|
2.1.9 |
Im Übrigen muss die Mobilität im Wohnungswesen gefördert werden, um wiederum die Mobilität der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Viele Bürger sind aufgrund des mangelnden Angebots an Wohnraum, aus Steuergründen oder aufgrund der Bedingungen für die Kreditvergabe an ihr Wohnumfeld gebunden, sei es im Sozialwohnungs- oder im Eigentumssektor. Um eine bessere Flexibilität der Arbeitsmärkte zu gewährleisten, ist somit größere Wohnmobilität erforderlich. |
2.1.10 |
Das Wohnungswesen darf angesichts dieser Auswirkungen auf das soziale Leben und die städtische Wirtschaft nicht länger Gegenstand von Teilstrategien und -maßnahmen sein. Der EWSA schlägt vor, das Wohnungswesen — unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips — vielmehr als eine wichtige politische Frage zu sehen, die Auswirkungen auf das Alltagsleben der Bürger hat, und als eine Möglichkeit, die Bürger einem Projekt Europa näher zu bringen, das Tag für Tag immer mehr an Kontur zu verlieren scheint. |
2.1.11 |
Der Beitrag der Wohnungspolitiken zur Erreichung der Lissabon-Ziele — insbesondere ihre Funktion als Motor für das Wirtschaftswachstum — muss besser herausgestellt werden. Der EWSA betont, dass wohnungspolitische Maßnahmen aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Mobilität der Arbeitnehmer tatsächlich eine Ergänzung der im Rahmen der Strategie für Wachstum und Beschäftigung durchgeführten EU-Politiken darstellen und auch eine Stärkung des territorialen Zusammenhalts ermöglichen, der auch und insbesondere in den neuen Beitrittsländern über die Finanzierung der städtischen und ländlichen Infrastrukturnetze sowie über eine angemessene Energiepolitik zum Ausdruck kommen muss. |
2.2 Wohnungswesen und territorialer Zusammenhalt
2.2.1 |
Der Wohn- und Siedlungsraum war für unsere Gesellschaften schon immer Struktur gebend; die gemeinsamen öffentlichen Räume, die das Zusammenleben gewährleisten, bilden sich im Verbund mit individuellen oder kollektiven Wohnflächen heraus. Der Städtebau und die Schaffung lebenswerter Viertel, zu deren grundlegenden Bestandteilen der Wohnraum gehört, sind entscheidende Merkmale für den sozialen und territorialen Zusammenhalt. |
2.2.2 |
Auch wenn sich das Wohnungswesen und die Wohnungspolitiken von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterscheiden, so ist die Europäische Union generell durch eine sehr hohe städtische Bevölkerungsdichte gekennzeichnet. Die europäischen Städte haben ein kompaktes, jedoch eher von Gebäuden mittlerer Höhe geprägtes Erscheinungsbild und werden durch den Siedlungsraum strukturiert. |
2.2.3 |
Das Wohnungswesen nimmt daher in der Städte-, Wirtschafts- und Sozialpolitik aller europäischen Länder einen wichtigen Platz ein, und es sollte ein besserer Austausch von Lösungen stattfinden, gerade auch angesichts der Krisen, die sich in den benachteiligten Stadtvierteln zahlreicher Mitgliedstaaten abgespielt haben. |
2.2.4 |
Das Ziel der europäischen Regionalpolitik ist die Stärkung des territorialen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts durch die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der am stärksten benachteiligten Gebiete. Sie konzentriert sich seit 2005 auf die vorrangigen Ziele Wachstum und Beschäftigung der revidierten Lissabon-Strategie. |
2.2.5 |
Um die Wettbewerbsfähigkeit aller Regionen zu gewährleisten und die Beschäftigungsmobilität zu fördern, muss das Wohnangebot diversifiziert werden, und zwar sowohl in Bezug auf die Belegungsarten und die Mischnutzung der Viertel (Wohnraum und Wirtschaftstätigkeit) als auch ihre soziale Durchmischung, Garant für den sozialen Zusammenhalt. Die Ghettoisierung bestimmter Viertel macht die Wirtschaftstätigkeit dort sehr schwierig. |
2.2.6 |
Als logische Folge aus dem Vorhergehenden ergibt sich die Lokalisierung erschwinglichen Wohnraums. In Bezug auf das Recht auf Wohnung muss die Gebietskörperschaft sicherstellen, dass in allen Teilen des Gebiets, für das sie verantwortlich ist, hochwertiger und mit den jeweiligen Haushaltseinkünften zu vereinbarender Wohnraum zur Verfügung steht. |
2.2.7 |
Die Entwicklung von Neubaugebieten hat große Auswirkungen auf den ländlichen Raum, und um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, muss die Wechselwirkung zwischen den ländlichen und den städtischen Gebieten auf wohnungspolitischer Ebene unbedingt besser berücksichtigt werden. |
2.3 Wohnungswesen, Wirtschaftswachstum, Mobilität und Beschäftigung
2.3.1 |
In einigen europäischen Ländern, insbesondere den Empfängerländern der Kohäsionsfonds im vorangegangenen Förderzeitraum, ist das Wirtschaftswachstum eng mit der Dynamik des Wohnungssektors verknüpft. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Bürger leichten Zugang zu erschwinglichem Wohnraum hätten. So wird in dem im Rahmen der Lissabon-Strategie stehenden nationalen Reformprogramm Irlands für 2006 auf die geringe Nachhaltigkeit des Wachstums hingewiesen, die auf den Mangel an garantierten erschwinglichen Wohnungen zurückzuführen ist. Dem Reformplan Portugals für 2006 zufolge sind beispielsweise der Bausektor und die Kommunen stärker zu unterstützen, um die nachhaltige Entwicklung im Wohnungswesen zu fördern. |
2.3.2 |
Für die Entwicklung eines dynamischen Arbeitsmarktgebiets ist das Angebot von Wohnungen für alle Beschäftigten nach wie vor eine wesentliche Voraussetzung, und viele Arbeitsmarktgebiete in Europa haben aufgrund des Mangels an Wohnungen ein eingeschränktes Wachstum. Demzufolge kann das Wohnungswesen ein Faktor sein, der zur Starrheit der lokalen Arbeitsmärkte führt und die Mobilität der Arbeitnehmer einschränkt. |
2.3.2.1 |
Diesbezüglich sei ein interessantes Beispiel aus Frankreich angeführt, und zwar die Beteiligung der Arbeitgeber an Wohnungspolitiken in Höhe von 0,45 % ihres Lohn- und Gehaltsaufkommens als zusätzliche Mittel zur Entwicklung von Lösungen für die Wohnraumproblematik von Arbeitnehmern. Daneben verwalten die Sozialpartner auch spezielle Fonds für junge Menschen und bedürftige Haushalte (Stellung einer Kaution). |
2.3.3 |
Dies ist vor allem für Regionen, die eine steigende Zahl von Migranten aufnehmen, ein dringendes Anliegen, denn die Migranten haben Schwierigkeiten, auf den angespannten Märkten eine Wohnung zu finden, und sind mit diskriminierenden Praktiken konfrontiert, die zu gesellschaftlicher Ausgrenzung führen. |
2.3.4 |
Der Wohnungssektor ist einer der Wirtschaftszweige mit der höchsten Beschäftigungsrate in Europa. Es ist ein großes, ungenutztes Beschäftigungspotenzial vorhanden, insbesondere im Bereich der Techniken für nachhaltiges Wohnen und ökologischen Wohnungsbau, die sich künftig aller Voraussicht nach erheblich weiterentwickeln werden. Im Übrigen hat die Baubranche ein großes Defizit an Facharbeitern. |
2.3.5 |
Nachbarschaftsdienste und insbesondere Betreuungsdienste eröffnen zahlreiche Beschäftigungsmöglichkeiten und werden häufig im Rahmen von wohnungsgebundenen Dienstleistungen organisiert und bereitgestellt. So bieten die Betreiber von Sozialwohnungen in Partnerschaft mit den Anbietern sozialer Dienstleistungen nicht nur Hauspflegedienste für ältere Bewohner und Menschen mit Behinderungen, sondern auch integrierte Gesundheits-, Bildungs- und Kinderbetreuungsdienste wie etwa Mehrgenerationenhäuser an. Die kulturelle und soziale Dynamik von krisenbetroffenen Stadtvierteln kann durch die Unterstützung von Nachbarschaftsinitiativen gefördert werden. |
2.4 |
Die wohnungsgebundenen Nachbarschaftsdienste verfügen nicht nur über ein Beschäftigungspotenzial, sondern ermöglichen es auch, auf den demografischen Wandel zu reagieren, der zwangsläufig Auswirkungen auf die regionale Beschäftigungslage hat. So sind beispielsweise Mehrgenerationenhäuser, die in Deutschland Gegenstand gezielter politischer Maßnahmen sind, eine Antwort auf die Notwendigkeit einer Durchmischung und ermöglichen es, der Ausgrenzung allein stehender älterer Menschen entgegenzuwirken. Angesichts der Bevölkerungsüberalterung in ganz Europa sollte der Austausch vorbildlicher Praktiken unterstützt werden. |
2.4.1 |
Nach Auffassung des EWSA sollte das Recht auf Wohnung nicht nur aus der Sicht der Bekämpfung der Ausgrenzung betrachtet werden, sondern auch im Hinblick auf die Bevölkerungsüberalterung, die Migrationsströme und die neuen Formen der Armut sowie unter Berücksichtigung der Lissabon-Strategie, die bezweckt, der europäischen Wirtschaft durch größere Arbeitsmarktmobilität wieder neuen Schwung zu verleihen. |
2.4.2 |
Die Mobilität der Arbeitnehmer wird ein Wunschbild bleiben, solange der Zugang zu den grundlegenden Sozialrechten, darunter auch dem Recht auf Wohnung, nicht verbessert wird. Es ist eine Verarmung der Bewohner von Sozialwohnungen feststellen: Diese wurden ursprünglich für Arbeitnehmer konzipiert, die heute jedoch keinen prioritären Zugang zu Sozialwohnungen mehr haben und sich in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt schwer tun, geeignete Wohnungen zu finden. |
2.4.3 |
In den letzten zehn Jahren sind die Wohnpreise in fast allen EU-Mitgliedstaaten kontinuierlich gestiegen. Dieser Anstieg hat eine Verringerung der Konsumfähigkeit der Haushalte für andere Güter nach sich gezogen, was das nachhaltige Wachstum auf lange Sicht hemmt. Die niedrigen Zinssätze haben zudem zu einer Überinvestition im Wohnungssektor geführt, wodurch die Mittelzuweisungen für das Wohnungswesen unter Druck geraten sind (vgl. das nationale Reformprogramm Schwedens). Der Sozialwohnungssektor ist ein Hilfsmittel zur Regulierung der Wohnungspreise (über die Miete) und für die Nachhaltigkeit des Sektors. |
2.4.4 |
Der EWSA stellt im Übrigen fest, dass die Bedingungen für das Einschreiten der Behörden der Mitgliedstaaten und der Akteure im Wohnungsbereich im Rahmen der Umsetzung der Maßnahmen für das Sozialwohnungswesen zunehmend dem Gemeinschaftsrecht unterliegen. Es ist sehr wichtig, dass die wettbewerbs- und binnenmarktpolitischen Maßnahmen kein Hemmnis für wohnungspolitische Maßnahmen darstellen, die darauf abzielen, den Zugang zu geeigneten und erschwinglichen Wohnungen für alle zu gewährleisten, da diese Maßnahmen zum Wirtschaftswachstum und zur Beschäftigung in Europa beitragen. Diese Aufgaben haben sich gewandelt, und die Träger von Sozialwohnungen müssen deshalb Sozialdienste entwickeln, um auf den Mangel an integrationspolitischen Maßnahmen — insbesondere für Migranten — zu reagieren. |
2.5 Senkung des Energieverbrauchs, eine europäische Herausforderung
2.5.1 |
Der Beitrag, den das Wohnungswesen zur Senkung des Energieverbrauchs leisten kann, ist von maßgeblicher Bedeutung und wird angesichts der Energiepreise zu einem Faktor, der die Attraktivität einer Region bestimmt. |
2.5.2 |
Wie die Europäische Kommission in ihrem Aktionsplan zur Verbesserung der Energieeffizienz betont, findet sich das größte Energieeinsparungspotenzial im Wohnsektor (Haushalte), wo es auf 27 % der verbrauchten Energie geschätzt wird. |
2.5.3 |
Immer mehr Haushalte in Europa leben aufgrund der hohen Energieausgaben für ihre Wohnung in Armut (sog. Energiearmut). |
2.5.4 |
Das Potenzial für die Verringerung des Energieverbrauchs wird in dem Maße, wie auf europäischer Ebene geeignete Anreize geschaffen werden, noch weiter ansteigen. |
2.5.5 |
In diesem Zusammenhang überrascht es, dass sich die Europäische Kommission in ihrem Aktionsplan zur Verbesserung der Energieeffizienz vom Ansatz her hauptsächlich auf das Neubaugewerbe konzentriert und vorschlägt, den Anwendungsbereich der Vorschriften in diesem Sektor auszuweiten. |
2.5.6 |
Dieser Ansatz ist zu einseitig, da er die absolut notwendige Änderung unserer Lebensführung im Sinne einer umfassenderen Nachhaltigkeit, die auch die Verhaltensweisen des Einzelnen beinhaltet (einschließlich der Idee vom Eigenheim für alle, aber auch des Umweltverhaltens im Alltag), außer Acht lässt. Dies kommt einer Anhebung der für die mittleren und einkommensschwachen Haushalte schon jetzt stark überteuerten Produktionskosten gleich, ohne auf eine Verbesserung des Wohnungsbestands und des Umweltverhaltens abzuheben, deren Bedeutung doch in zahlreichen Studien belegt ist. |
2.5.7 |
Der Beitrag, den die europäischen Regionalpolitiken zur Verbesserung des Zusammenhalts und der Lebensbedingungen leisten können, ist unbestritten. Eine stärkere Berücksichtigung des Wohnungswesens in diesen Politikbereichen könnte jedoch positive Synergien ermöglichen. |
2.5.8 |
Die politischen Maßnahmen zur Energieeinsparung sind auf Neubauten ausgerichtet, wobei der vorhandene Wohnungsbestand entweder außer Acht gelassen wird oder die für Neubauten geltenden Regelungen auf den Altbestand übertragen werden. Der vorhandene Bestand an Wohnungen sollte jedoch nicht nur gebührende Berücksichtigung finden, sondern es müssen darüber hinaus auch geeignete Ansätze entwickelt werden, die den Wesensmerkmalen der Altbauten und den besonders hohen Kosten für deren Anpassung an die Standards Rechnung tragen. |
2.5.8.1 |
Bei der Gewährung staatlicher Beihilfen müssen die Eigenheiten des Sozialwohnungswesens, nämlich die geringe Solvenz der Bewohner und die — im Vergleich zum privaten Sektor — weniger gut angepassten steuerlichen Anreize berücksichtigt werden. |
2.5.8.2 |
Mit der Energiefrage sind die Probleme der nachhaltigen Entwicklung wie Wasser- und Abfallbewirtschaftung, Luftqualität, behindertengerechtes, sicheres und gesundes Wohnen jedoch nicht erschöpft. Das Wohnungswesen kann einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten, setzt jedoch den Einsatz angemessener Instrumente voraus, gerade auch für den vorhandenen Wohnbestand. |
2.6 Instrumente der EU zur Verbesserung des Beitrags des Wohnungswesens zu den regionalpolitischen Maßnahmen
2.6.1 |
Der EWSA hat sich dafür ausgesprochen, den Förderradius des EFRE in den Ländern der EU-12 auf das Wohnungswesen und in den Ländern der EU-15 auf Maßnahmen der nachhaltigen Stadtentwicklung und der Energieeffizienz sowie integrierte Ansätze zur Entwicklung benachteiligter Viertel auszuweiten. Angesichts der Bedeutung des Wohnungsaspekts müssen die Mitgliedstaaten und die Regionen Anreize und Unterstützung erhalten, damit sie im Rahmen der Strukturfonds eine Umstrukturierung der Stadtviertel und eine Verbesserung des Wohnraums einplanen. |
2.6.2 |
Integrierte Strategien zur Entwicklung von Stadtvierteln lassen sich nämlich ohne eine Berücksichtigung des Wohnaspekts nur schwer umsetzen. Diesbezüglich ist der Ansatz der europäischen Strategie zur sozialen Integration, die als Voraussetzung für das Gelingen der sozialen Integration auch das Ziel des Zugangs zu erschwinglichen und geeigneten Wohnungen umfasste, nach wie vor hochaktuell. Der EWSA hält es für unabdingbar, dass alle europäischen Instrumente mobilisiert werden, um eine bessere soziale Integration aller zu bewirken. |
2.6.3 |
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen im Rahmen des Europäischen Sozialfonds sozialintegrative, über die bloße Eingliederung auf den Arbeitsmarkt hinausgehende Maßnahmen besser unterstützt werden, da der Wohnungs- und der Beschäftigungsmarkt, wie wir gesehen haben, auf das Engste miteinander verwoben sind. Auch die Einwanderungspolitiken, die heute auf europäischer Ebene festgelegt werden, können nicht ohne Überlegungen zur Wohnproblematik auskommen, wenn sie die räumliche Ausgrenzung verhindern wollen. Die Leitlinien, die die Kommission zur Integration von Migranten über das Wohnen veröffentlichen wird, müssen ein erster Schritt in diese Richtung sein, der sich über eine bessere Unterstützung von Vorhaben mit einer Wohnungskomponente im PROGRESS-Programm (2) niederschlagen sollte. |
2.6.4 |
Wichtig ist auch, sich vor Augen zu führen, dass die Verbesserung der Energieeffizienz in den Gebäuden nicht nur für die Länder der EU-12, sondern für die gesamte Europäische Union eine Priorität darstellt. Die Energieeffizienz ist ebenso wie die Verbesserung der öffentlichen Räume, die Nutzung und Förderung erneuerbarer Energien sowie die Maßnahmen zur sozialen Integration im Rahmen der Strukturfonds in allen Mitgliedstaaten förderfähig. |
2.6.5 |
Der EWSA hat die Initiative der Europäischen Kommission und der Europäischen Investitionsbank (EIB) zur Schaffung eines neuen Finanzinstruments, JESSICA (3), mit dem die Entwicklung benachteiligter Stadtviertel, darunter auch das Sozialwohnungswesen, unterstützt werden soll, positiv aufgenommen. Es sei angemerkt, dass dieses Instrument durch das Angebot von Krediten und Bürgschaften für die Betreiber der Stadterneuerung und des Sozialwohnungswesens das notwendige Kapital für die Sanierung dieser Viertel mobilisieren kann. Dieses Instrument muss von Spezialisten für Stadterneuerung und Wohnungswesen in enger Partnerschaft mit den lokalen Gebietskörperschaften verwaltet und in den betreffenden Vierteln als Hebel zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bewohner eingesetzt werden. Auch das Instrument JEREMIE (4) ist für die Betreiber von Sozialwohnungen, die sich für die Schaffung von lebenswerten Vierteln für alle einsetzen, eine geeignete Möglichkeit. |
2.6.6 |
Auf dem Gebiet der Energiepolitik hat die Europäische Kommission im Rahmen des Programms „Intelligente Energie“ eine Pilotmaßnahme für den Sozialwohnungssektor vorgeschlagen, die es ermöglicht hat, beispielhafte Vorhaben im Bereich der Energieeffizienz und des Austauschs zwischen den Akteuren des Sektors auszuwählen und zu fördern. In Anbetracht der Ambitionen Europas, eine gemeinsame Energiepolitik zu schaffen und die Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet bestmöglich zu koordinieren, erscheint es unerlässlich, die Fortdauer eines solchen Instruments über die Unterstützung von Pilotmaßnahmen hinaus zu gewährleisten. |
2.6.7 |
Schließlich wird es die Unterstützung des 7. Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung sowohl im Bereich der technischen als auch der sozialen Innovation ermöglichen, das im Wohnungssektor vorhandene Potenzial zur Verringerung des Energieverbrauchs und auch zur nachhaltigen Stadtentwicklung zu ermitteln. |
2.6.8 |
Die europäische Normung hat sehr große Auswirkungen auf das Wohnungswesen und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen. Dabei handelt es sich jedoch um ein Gebiet, auf dem sich die technischen und städtebaulichen Entscheidungen mit gesellschaftspolitischen Erwägungen überschneiden, und es kann nicht angehen, dass den betroffenen Akteuren Normen auferlegt werden, die das alleinige Produkt von Arbeitsgruppen sind, ohne dass eine politische Kontrolle des Normungsprozesses gewährleistet wäre. So regt das Beispiel der französischen Norm zur Deliktvermeidung durch städtebauliche Planung und Architektur, die ohne eine wirkliche politische Reflexion über das auf Gefahrenanalysen beruhende städtebauliche Modell verabschiedet wurde, dazu an, den Normungsprozess in diesem Bereich zu überdenken. |
2.6.9 |
Und schließlich hat die Kommission eine Strategie für eine nachhaltige Stadtentwicklung erarbeitet, mit der die Städte angehalten werden sollen, ihre Weiterentwicklung zu überdenken, insbesondere in Bezug auf die Verkehrspolitik. Diese Strategie ist jedoch unverbindlich und läuft Gefahr, nicht ihr ganzes Potenzial entfalten zu können, wenn sie sich nicht mit dem sozialen Aspekt der nachhaltigen Stadtentwicklung auseinandersetzt. |
Brüssel, den 15. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) „First European Quality of Life Survey: Social dimensions of housing“, Dublin 2006, ISBN 92-897-0935-9.
(2) Mit dem PROGRESS-Programm soll die Umsetzung der Ziele der Europäischen Union im Bereich der Beschäftigung und der sozialen Angelegenheiten finanziell unterstützt werden. Es trägt dadurch zur Verwirklichung der Ziele der Lissabon-Strategie bei.
(3) JESSICA: Joint European Support for Sustainable Investment in City Areas — Gemeinsame europäische Unterstützung für nachhaltige Investitionen in städtische Gebiete.
(4) JEREMIE: Joint Resources for Micro to Medium Enterprises — Gemeinsame Hilfe bei der Unterstützung von Projekten in europäischen Regionen.
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/23 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Neufassung)“
KOM(2006) 760 endg. — 2006/0253 (CNS)
(2007/C 161/04)
Der Rat der Europäischen Union beschloss am 16. Januar 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 23. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr BURANI.
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14. März 2007 mit 159 Ja-Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Begründung
1.1 |
Dieser Vorschlag ist eine Neufassung der mehrmals geänderten Richtlinie 69/335/EWG des Rates betreffend die Steuern auf Kapitalzuführungen für Kapitalgesellschaften. Diese Richtlinie, die anfänglich darauf abzielte, die Besteuerungssysteme zu harmonisieren und die Mitgliedstaaten daran zu hindern, andere ähnliche Steuern einzuführen oder zu erheben, wurde mehrmals geändert. 1985 wurde mit der Richtlinie 85/303/EWG schließlich klargestellt, dass die Gesellschaftssteuer aufgrund ihrer für die Unternehmen ungünstigen wirtschaftlichen Auswirkungen gänzlich abgeschafft werden sollte. |
1.2 |
Einige Mitgliedstaaten hielten die sich aus dieser Abschaffung ergebenden Verluste bei den Steuereinnahmen jedoch für unannehmbar. Deshalb wurde mit der Richtlinie von 1985 eine Übergangslösung eingeführt und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gegeben, entweder Vorgänge von der Gesellschaftssteuer zu befreien oder einen einheitlichen Satz von höchstens 1 % zu erheben. |
1.3 |
Dieser Grundsatz gilt natürlich auch in der hier zu untersuchenden Richtlinie, bei der es sich lediglich um eine Neufassung der vorhergehenden Texte handelt. Der Ausschuss kann dies nur zu Kenntnis nehmen und begrüßen. Gleichwohl bietet die Kommissionsmitteilung Anregungen für einige Überlegungen, die sich der Rat im Hinblick auf weitere Initiativen möglicherweise zunutze machen könnte. |
2. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
2.1 |
Die Mehrheit der 25 Mitgliedstaaten ist den Vorgaben des Rates von 1985 gefolgt und hat die Gesellschaftssteuer vollständig abgeschafft. Gegenwärtig wird diese Steuer nur noch in sieben Staaten erhoben: In Polen und Portugal beläuft sich der Satz auf höchstens 0,5 %, in Zypern auf 0,6 % und in Griechenland, Spanien, Luxemburg und Österreich auf 1 %. Diese Ungleichbehandlung bildet ein Hindernis für die Gleichbehandlung der europäischen Unternehmen — eine der Voraussetzungen für ein gutes Funktionieren des Binnenmarktes. Es stimmt zwar, dass es nach wie vor im steuerlichen Bereich auch noch einige andere Unterschiede und Hindernisse gibt. Deshalb sollte aber nicht einfach auf die Abschaffung dieser Steuer verzichtet werden. |
2.2 |
Die Mitgliedstaaten, die von der Übergangsregelung der Richtlinie weiterhin Gebrauch machen, sollten den Vorteilen aus den Steuereinnahmen tunlichst die vermutlichen (und in gewissem Maße berechenbaren) Verluste gegenüberstellen, die ihnen durch das Ausbleiben von Investitionen aus anderen Mitgliedstaaten oder Drittländern infolge einer sonst fast überall abgeschafften Besteuerung entstehen. Der EWSA ist der Auffassung, dass der Verzicht auf die Übergangsregelung für die Betroffenen von Vorteil und für das gute Funktionieren des Binnenmarktes in seiner Gesamtheit ein Fortschritt wäre. |
2.3 |
Der EWSA möchte ferner auf eine Praxis aufmerksam machen, die sich einige Mitgliedstaaten zu Eigen gemacht haben: Nach der Abschaffung der Gesellschaftssteuer führten sie neue Steuern ein, mit denen die Gesellschaftssteuer „durch die Hintertür“ ersetzt wurde. In einigen Fällen hat die Kommission eingegriffen und ein Vertragsverletzungsverfahren angestrengt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass es noch weitere Fälle gibt, die nicht aufgedeckt wurden. Wachsamkeit seitens der Sozialpartner könnte zur Beseitigung solcher Fälle beitragen. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/24 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Nachrüstung von in der Gemeinschaft zugelassenen schweren Lastkraftwagen mit Spiegeln“
KOM(2006) 570 endg. — 2006/0183 (COD)
(2007/C 161/05)
Der Rat beschloss am 10. November 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe c) des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 7. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr RANOCCHIARI.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14. März 2007 mit 139 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der EWSA begrüßt das Bemühen der Europäischen Kommmission um immer größere Sicherheit im Straßenverkehr und befürwortet vorbehaltlos den zu prüfenden Vorschlag, der zu Recht zu den Initiativen zur Erreichung dieses Ziels zählt. |
1.2 |
Der EWSA würdigt das Engagement der Kommission, im Vorfeld eine Kosten-Nutzen-Analyse und eine sehr detaillierte Folgenabschätzung vorgenommen zu haben. Dadurch konnte der Vorschlag pragmatisch strukturiert und sämtliche Aspekte der Thematik angemessen berücksichtigt werden. Gleichzeitig wurde dem Schutz der schwächsten Straßenverkehrsteilnehmer die ihnen gebührende Priorität eingeräumt. |
1.3 |
Der EWSA möchte gleichwohl auf einige Schwachpunkte des Vorschlags in seiner derzeitigen Fassung hinweisen und entsprechende Ergänzungen und Erläuterungen vorschlagen, die eine reibungslosere und korrekte Anwendung in Bezug auf die Fristen, Zertifizierung und Kontrolle seiner Umsetzung ermöglichen dürften. |
1.4 |
Der EWSA hofft, dass die Kommission seine Anregungen in Bezug auf die Notwendigkeit einer effektiven einheitlichen Vorgehensweise zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich ernst nimmt. Dies gilt auch für die Tatsache, dass es wichtig ist, den Mitgliedstaaten mehr Anhaltspunkte für Prüfungsverfahren zu geben, die für die nationalen zuständigen Behörden leicht praktikabel sind. |
1.5 |
Der EWSA empfiehlt dem Rat und dem Europäischen Parlament nachdrücklich, den Richtlinienvorschlag möglichst rasch und so umzusetzen, dass der Großteil der zugelassenen Fahrzeuge erfasst wird und somit Menschenleben im angestrebten Umfang gerettet werden können. |
2. Gründe und rechtlicher Kontext des Kommissionsvorschlags
2.1 |
Die Straßenverkehrssicherheit stellt seit jeher eine der höchsten Prioritäten der Gemeinschaftsinstitutionen dar. Ein Meilenstein des dahingehenden Engagements ist sicherlich das Weißbuch zur Verkehrspolitik (1), dessen Ziel es u.a. war, die Anzahl der Todesfälle im Straßenverkehr bis 2010 zu halbieren. |
2.2 |
Folgeinitiativen wie das „Road safety action programme“ (2) (Aktionsprogramm für den Straßenverkehr),„e-safety“ u.v.a. haben einen integrierten Ansatz verfolgt, indem sie die Industrie, die öffentlichen Behörden und die Vertretungsverbände der Straßenverkehrsteilnehmer einbezogen haben. Auf diese Weise haben sie die Hürden der Vergangenheit bewältigt, die u.a. auch im Namen des Subsidiaritätsprinzips der Umsetzung konkreter und verbindlicher Maßnahmen auf europäischer Ebene im Wege standen. |
2.3 |
Es wurde viel erreicht: während sich das Straßenaufkommen in den letzten 30 Jahren verdreifachte, hat sich die Zahl der Verkehrstoten halbiert. Auf diesen Lorbeeren dürfen wir uns aber nicht ausruhen, denn Europa bezahlt mit rund 40 000 Todesfällen pro Jahr und der traurigen Prognose, dass die Zielmarke des Weißbuchs aus dem Jahr 2001 nicht erreicht werden könnte, immer noch einen zu hohen Preis für den unaufhörlichen Anstieg der Mobilität. |
2.4 |
Der EWSA ist sich bewusst, dass nur durch eine Gesamtverbesserung der drei „Pfeiler“, nämlich Automobilindustrie, Infrastrukturen und Verkehrsteilnehmerverhalten, entscheidende Fortschritte im Bereich der Straßenverkehrssicherheit erzielt werden können. Gleichwohl begrüßt er natürlich jedwede Initiative, die uns dem ehrgeizigen Ziel aus dem Jahr 2001 näher bringt, auch wenn sie nur einen dieser „Pfeiler“ anvisiert. |
2.5 |
Ganz in diesem Sinne hat der EWSA seinerzeit (3) den Erlass der Richtlinie 2003/97/EG (4) befürwortet, die im Interesse der Straßenverkehrssicherheit eine europaweite Harmonisierung der Regelungen vorschlug, um die Gefahren zu verringern, die sich aus einem unvollständigen seitlichen Sichtfeld für die Fahrer schwerer Lastkraftwagen ergeben. |
2.6 |
Mit der Richtlinie 2003/97 wurde das Ziel verfolgt, durch Einführung einer verbesserten Spiegelgruppe ab 2006/2007 das durch den toten Winkel auf der Beifahrerseite von Lkw verursachte Unfallrisiko zu senken. |
2.7 |
Denn zahlreiche Unfälle werden von Fahrern größerer Fahrzeuge verursacht, die nicht bemerken, dass sich andere Verkehrsteilnehmer ganz nah bei oder neben ihrem Fahrzeug befinden. |
2.8 |
Diese Unfälle geschehen häufig an Kreuzungen oder in Kreisverkehren, wenn die Fahrer beim Richtungswechsel andere schwächere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Fahrradfahrer und Motorradfahrer im toten Winkel unmittelbar neben ihren Fahrzeugen übersehen. |
2.9 |
Schätzungen zufolge sterben deswegen in Europa jährlich rund 400 Menschen. Allein deshalb hat nicht nur der EWSA seinerzeit den Erlass der Richtlinie 2003/97, mit der die erste Richtlinie zur Vereinheitlichung der Einrichtungen für indirekte Sicht (71/127/EWG) und die nachfolgenden geänderten Fassungen geändert und ersetzt werden sollte, vorbehaltlos befürwortet. Die aufgehobene Richtlinie regelte, wie Rückspiegel an den Fahrzeugen anzubringen sind und wie sie konstruiert sein müssen, ohne jedoch einschlägige nationale Vorschriften zu berühren. Erst mit der Richtlinie 2003/97 wurden eine bestimmte Spiegelgruppe oder andere Einrichtungen für indirekte Sicht obligatorisch, nachdem sie vorher in ganz Europa freiwillig waren. |
2.10 |
Die Richtlinie 2003/97 galt für Lastkraftwagen der Klasse N2 über 7,5 Tonnen und der Klasse N3 (5). Sie wurde allerdings bereits durch die Richtlinie 2005/27/EG (6) geändert, die unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht, dass Spiegel der Gruppen IV und V (7) nunmehr schon für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen und nicht erst für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen vorgeschrieben sind. |
2.11 |
Die Regelungen im Rahmen der Richtlinie 2003/97 gelten für genehmigte Fahrzeuge (neue Fahrzeugtypen) ab dem 26. Januar 2006 und für Erstzulassungen (Neufahrzeuge) ab dem 26. Januar 2007. Dies bedeutet, dass bereits zugelassene Fahrzeuge, also die Mehrzahl des Fuhrparks, nicht unter die Regelungen fallen. |
2.12 |
In der Europäischen Union fahren weit über 5 Millionen Lastkraftwagen über 3,5 t. In Anbetracht der Lebensdauer dieser Fahrzeuge (gut 16 Jahre) und der niedrigen Erneuerungsrate des Fuhrparks (300.000 Zulassungen pro Jahr) würde mit Beginn des turn over im Jahr 2007 der Fahrzeugbestand erst im Jahr 2023 vollständig mit neuen Spiegeln ausgestattet sein. |
2.13 |
Die Kommission hat sich mit dem vom EWSA zu prüfenden Vorschlag das Ziel gesetzt, Lösungskonzepte zu finden, um auch die bereits zugelassenen Fahrzeuge schnell sicher zu machen. |
3. Inhalt des Vorschlags
3.1 |
Die Kommission möchte letztlich mit ihrem als Übergangsmaßnahme konzipierten Vorschlag, dass die Vorschriften der Richtlinie 2003/97 in Bezug auf neue Spiegel der Gruppen IV und V (Sichtfeld Beifahrerseite) auch für bereits zugelassene Fahrzeuge der Klasse N2 und N3 gelten. Ausgenommen sind:
|
3.2 |
Die Umsetzung der Richtlinie obliegt den Mitgliedstaaten, die somit dafür zu sorgen haben, dass die neuen Spiegel innerhalb von 12 Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie angebracht werden. Folgende Ausnahmen sind möglich:
|
3.3 |
Fahrzeuge, bei denen die Anbringung der vorgeschriebenen Spiegel technisch nicht möglich ist, dürfen mit anderen Einrichtungen für indirekte Sicht (Kamera oder sonstige elektronische Instrumente) ausgestattet werden, sofern diese Einrichtungen 99 % des o.g. gesamten Sichtfeldes abdecken. In diesen Fällen müssen die Fahrzeuge von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten einzeln genehmigt werden. |
3.4 |
Es wird den Mitgliedstaaten freigestellt, den Geltungsbereich der Richtlinie auf über zehn Jahre alte Fahrzeuge auszudehnen. |
4. Allgemeine Bemerkungen
4.1 |
Der Vorschlag hat nur Sinn, wenn er rasch genug umgesetzt wird, so dass er sich maßgeblich auf den heutigen Fahrzeugbestand auswirken kann. Denn Schätzungen der Kommission zufolge wird der schrittweise Anstieg von mit neuen Spiegeln ausgerüsteten Fahrzeugen dazu führen, dass zusätzlich 1 200 Menschenleben gerettet werden können. |
4.2 |
In der Folgenabschätzung (9) zu dem Vorschlag räumt die Kommission jedoch selbst ein, dass eine sofortige und rigorose Anwendung der neuen Vorschriften etliche technische Probleme schaffen würde, was negative Auswirkungen auch wirtschaftlicher Art auf die Firmen dieser Branche hätte und dadurch Marktverzerrungen verursachen würde. |
4.3 |
Die Kommission geht davon aus, dass bei mehr als der Hälfte des Fahrzeugbestands die Rückspiegel leicht und kostengünstig, d.h. für etwa 150 EUR ersetzt werden können (10). Beim übrigen Fahrzeugbestand kommen verschiedene Lösungen in Betracht, von einer leichten Absenkung der Sichtbarkeitsvorschriften (mind. 99 %) bis zu sehr komplexen Lösungen für ältere Fahrzeuge, bei denen in einigen Fällen sogar die Führerhauskonstruktion umgebaut werden müsste, was jedoch nicht unbedingt Erfolg versprechend ist und Tausende Euro kostet. |
4.4 |
Aufgrund dieser Variablen und für schwierige Fälle, die (bei einzelnen Fahrzeugmodellen oder -versionen) unlösbar erscheinen, „sollten die Mitgliedstaaten flexibel vorgehen und Einzellösungen zulassen, sodass die Überwachungsstellen auch Alternativlösungen genehmigen können“, die zu vertretbaren Kosten realisierbar sind, wie es in dem Kommissionsdokument heißt (11). |
4.5 |
Der EWSA versteht zwar die Gründe dieser Unbestimmtheit, die durch die vielfältigen technischen Probleme bedingt ist, vertritt jedoch die Auffassung, dass der so formulierte Vorschlag zu ganz unterschiedlichen Auslegungen führen kann, was sich negativ auf den europäischen Güterverkehrsmarkt auswirkt. |
4.6 |
Der EWSA weist v.a. auf zwei kritische Aspekte des Vorschlags in seiner jetzigen Fassung hin: die Gefahr einer Ungleichbehandlung zwischen den Güterverkehrsunternehmen und folglich einer Wettbewerbsverzerrung; sowie das Fehlen eines einfachen und einheitlichen Zertifizierungs- und Kontrollsystems für die Anwendung der neuen Bestimmungen. |
4.6.1 |
Zum erstgenannten Aspekt scheint es unzweckmäßig, für die neuen Rückspiegel ein Sichtfeld von 99 % zu fordern, wenn gleichzeitig jenen Mitgliedstaaten, die bereits einschlägige Vorschriften erlassen haben, ein Sichtfeld von 95 % gestattet wird. Der Ausschuss hielte es für gerechter — und auch einfacher bei Kontrollen -, ein EU-weit einheitliches Sichtfeld vorzuschreiben. |
4.6.2 |
Zur Gleichbehandlung ist noch anzufügen, dass die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, die Anwendung der neuen Bestimmungen auf ältere Fahrzeuge eigenständig aufzuschieben (12), zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen Fahrzeugen des internationalen Verkehrs führen kann. Der EWSA empfiehlt daher, in allen Mitgliedstaaten dieselben Umsetzungsfristen anzuwenden. |
4.6.2.1 |
Dabei hält der EWSA angesichts der hohen Zahl von Fahrzeugen und der komplizierten Zertifizierung eine Anpassungsfrist von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie für notwendig, aber auch ausreichend. Auch in der letzten Sitzung des Rats Verkehr (13) scheint man sich auf diese Regelung geeinigt zu haben. Hingegen scheinen die Ratsminister dahin zu tendieren, die Richtlinie auf Fahrzeuge anzuwenden, die nicht ab 1998 sondern nach dem 1. Januar 2000 zugelassen wurden, sodass rund 15 % der zugelassenen Fahrzeuge von der Regelung ausgenommen sind. |
4.6.3 |
Noch kritischer scheint dem Ausschuss das zweite aufgezeigte Problem, die Zertifizierung der neuen Vorschriften und die Kontrolle ihrer Einhaltung. So ist zweifelhaft, ob die Prüfung und Zertifizierung des Sichtfelds bei jedem Fahrzeug im Rahmen der regelmäßigen Untersuchung wirksam durchgeführt werden kann. Die Bestimmung des Sichtfelds ist nämlich eine sehr anspruchsvolle Arbeit und umfasst verschiedene komplexe Parameter und Vermessungen. |
4.6.3.1 |
Normalerweise betrifft die Zulassungskennzeichnung — wie im Fall der Richtlinie 2003/97, auf die mehrmals verwiesen wird — die Zertifizierung einer Gesamtheit (bestehend aus Spiegel, Arm, Kabine, Sitz und Höhe des Spiegels vom Boden), die nicht nur vom Spiegel abhängt, sondern auch vom Fahrzeugmodell, an dem der Spiegel angebracht ist. Diese Prüfungen werden an einem Prototyp vorgenommen und gelten für die gesamte anschließende Serienproduktion. Somit werden die Spiegel als Gesamtheit, die aus mehreren Bauteilen besteht, zugelassen und mit einem Zulassungskennzeichen am Spiegelkörper versehen, so dass die Zulassung bei Austausch des Spiegelglases nicht erneuert werden muss. Wenn nur das Spiegelglas ausgetauscht wird, hätten somit Fahrzeuge, die noch nach Maßgabe der alten Richtlinie 71/127/EWG zugelassen sind, ein Zulassungskennzeichen auf Grund einer nicht mehr gültigen Richtlinie. |
4.6.3.2 |
Wenn jedoch keinerlei Konformitätsgarantie vorgesehen wird (Kennzeichen, Zertifikat o.ä.), besteht die Gefahr, alle Fahrzeuge nach Richtlinie 2003/97 prüfen zu müssen, d.h. es müsste das Sichtfeld jedes einzelnen Fahrzeugs neu geprüft werden, wie in den Fällen, wo elektronische Vorrichtungen eingesetzt werden, um das vorgeschriebene Sichtfeld zu erhalten. Man kann sich leicht ausmalen, wie sich dies auf die Arbeitsbelastung der Prüf- und Kontrolleinrichtungen auswirken würde, schließlich handelt es sich um Millionen Fahrzeuge. |
4.6.3.3 |
Die von der Europäischen Kommission und dem Rat vorgeschlagene Lösung sieht vor, dass die Konformitätszertifizierung nach Maßgabe der Richtlinie 96/96/EG vom 20. Dezember 1996 für Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht über 3,5 t von der technischen Überwachung vorgenommen wird. |
4.6.3.4 |
Die technische Überwachung hat zu prüfen, ob die Spiegel unversehrt und sicher an den vorgeschriebenen Stellen angebracht wurden. Daher ist es unwahrscheinlich, dass in diesem Rahmen auch bescheinigt werden kann, dass das Sichtfeld im Gesamtergebnis den oben angegebenen Vorgaben entspricht. |
4.6.3.5 |
Die andere Lösung, die der EWSA vorschlagen möchte, da sie praktikabler und zuverlässiger scheint, besteht in einer Konformitätserklärung der Firma, die die neuen Rückspiegel angebracht hat. Dies könnte ein vom Firmenleiter unterzeichnetes Dokument sein, das alle Daten des Fahrzeugs sowie der eingebauten Spiegel bzw. Spiegelgläser enthält. Diese Erklärung würde im Fahrzeug aufbewahrt und sowohl bei der Jahresuntersuchung als auch bei einer Verkehrskontrolle vorgelegt. Da dieses Dokument fast ausschließlich aus numerischen Codes besteht, wäre die Übersetzung in die Amtssprachen recht problemlos. |
5. Besondere Bemerkungen
5.1 |
In der „Begründung“ zu Beginn des Vorschlags heißt es, „Die Richtlinie 2003/97/EG ist später durch die Richtlinie 2005/27/EG der Kommission dahingehend geändert worden, dass Spiegel der Klassen IV und V nunmehr schon für Fahrzeuge [der Klasse N 2] ab 3,5 Tonnen und nicht erst für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen vorgeschrieben sind.“ |
5.1.1 |
Diese Formulierung ist jedoch irreführend, weil sie so verstanden werden kann, dass die Bestimmung für alle Fahrzeuge der Klasse N 2 unter 7,5 Tonnen gilt. In Wirklichkeit sieht die Richtlinie 2005/27/EG diese Pflicht nur für jene Fahrzeuge der Klasse N 2, die eine ähnliche Kabine wie ein Fahrzeug der Klasse N 3 haben, an der ein Spiegel der Klasse V in zwei Metern Höhe vom Boden angebracht werden kann. Nur in diesem Fall müssen zwei neue Spiegel angebracht werden. |
5.1.2 |
Der EWSA regt daher der Klarheit wegen an, Artikel 2 Buchstabe b) des Vorschlags dahingehend zu ändern, dass Fahrzeuge der Klasse N 2 unter 7,5 Tonnen, an denen kein Spiegel der Klasse V angebracht werden kann, entsprechend der Richtlinie 2005/27 ausdrücklich ausgenommen sind. |
5.2 |
In Erwägungsgrund 8 sind Ausnahmen vorgesehen für „Fahrzeuge […], die nur noch eine kurze Betriebsdauer haben“, womit natürlich die gemeint sind, die schon eine hohe Betriebsdauer und daher eine beschränkte restliche Lebensdauer haben. Da die Lebensdauer der Fahrzeuge in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich ist, sollte die Kommission diesen Begriff genauer klären, indem sie ihn quantifiziert. |
5.3 |
An vielen Fahrzeugen, die bereits im Verkehr sind, ist als Sonderausstattung auf der Fahrerseite ein Weitwinkelspiegel (der Klasse IV) angebracht. Da ein Weitwinkelspiegel nun auch auf der Beifahrerseite vorgeschrieben wird, sollte auch der Spiegel auf der Fahrerseite ausgetauscht werden. Denn der Fahrer, der ja schon mit einer ganzen Reihe von Spiegeln zu tun hat, könnte bei zwei Weitwinkelspiegeln unterschiedlicher Krümmung Einschätzungsprobleme haben. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ [KOM(2001) 371 endg..]
(2) KOM(2003) 311 endg..
(3) CESE 512/2002 — ABl. C 149 vom 21.06.2002.
(4) „… für die Typgenehmigung von Rückspiegeln, von zusätzlichen Systemen für indirekte Sicht und von mit solchen Einrichtungen ausgestatteten Fahrzeugen …….“- ABl. L 25 vom 29.01.2004.
(5) N2:Gesamtgewicht zwischen 3,5 und 12 t; N3: Gesamtgewicht über 12 t.
(7) Gruppe I Innenrückspiegel: Gruppe II und III Hauptaußenspiegel; Gruppe IV Weitwinkel-Außenspiegel; Gruppe V: Nahbereichs-Außenspiegel; Gruppe VI: Frontspiegel.
(8) In Belgien, Dänemark und den Niederlanden. Hinzu kommt Deutschland, wo ein freiwilliges Abkommen zwischen der Bundesregierung und den Lkw-Herstellern für nach 2000 gebaute Fahrzeuge dieselben Ergebnisse ermöglicht, wie in den drei vorgenannten Ländern.
(9) SEK(2006) 1238 und SEK (2006) 1239.
(10) Dieser Betrag scheint realistisch, wenn nur das Spiegelglas ersetzt wird, liegt jedoch erheblich höher, wenn der gesamte Rückspiegel ausgetauscht werden muss.
(11) Folgenabschätzung, S. 5 der italienischen Fassung.
(12) Vgl. Ziffer 3.2.
(13) Rat TTE vom 12.12.2006.
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/28 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäischen Technologieinstituts“
KOM(2006) 604 endg./2 — 2006/0197 (COD)
(2007/C 161/06)
Der Rat beschloss am 20. Dezember 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 157 Absatz 3 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.
Der Ausschuss beauftragte die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch mit der Vorbereitung der Arbeiten.
Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) Herrn PEZZINI zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 93 gegen 2 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung obenerwähnter Stellungnahme.
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Wissenschaftliche und technische Höchstleistungen und deren unternehmerische Umsetzung in wettbewerbsfähige Wirtschaftskraft sind die entscheidenden Voraussetzungen, um unsere Zukunft — z.B. mit Blick auf Nanotechnologie und Informationsgesellschaft sowie Energie- und Klimafragen — zu sichern, unsere derzeitige Position im globalen Umfeld zu erhalten und zu verbessern und das europäische Sozialmodell nicht zu gefährden, sondern auszubauen. |
1.2 |
Der Ausschuss hat stets Maßnahmen begrüßt, die darauf abzielen
|
1.3 |
Der Ausschuss unterstützt mit Nachdruck und Überzeugung die Idee, eine Einrichtung wie das Europäische Technologieinstitut (ETI) zu gründen, um zur Entwicklung qualitativ anspruchsvoller Bildung, Innovation und Forschung beizutragen und die Zusammenarbeit und Integration europäischer Spitzenforschungszentren in Industrie, Hochschulen und Wissenschaften zu fördern. |
1.4 |
Der Ausschuss betont, wie wichtig es ist, dass die Entwicklung des ETI-Vorschlags im Einklang mit ihrer Rechtsgrundlage steht, die vor allem folgenden Zielen verpflichtet ist: „Erleichterung der Anpassung der Industrie an die strukturellen Veränderungen; Förderung eines für die Initiative und Weiterentwicklung der Unternehmen in der gesamten Gemeinschaft, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen, günstigen Umfelds; und schließlich die Förderung einer besseren Nutzung des industriellen Potenzials der Politik in den Bereichen Innovation, Forschung und technologische Entwicklung“ (2). |
1.5 |
Nach Auffassung des Ausschusses muss es diesem neuen integrierten Instrument zur Bündelung von Wissen, Forschung und Innovation um Erfolg zu haben gelingen, sich gegenüber anderen bereits bestehenden integrierten Gemeinschaftsinstrumenten — wie z.B. europäische Technologieplattformen, gemeinsame europäische Technologieinitiativen, Exzellenznetze, Integrierte Projekte oder europäische Programme für Masterstudiengänge von höchster Qualität (3) — auszuzeichnen und sich von ihnen zu unterscheiden. |
1.6 |
Der Ausschuss ist sich der Tatsache bewusst, dass zwischen der Zukunft des ETI und einer Einrichtung wie dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA keine einfachen Parallelen gezogen werden können, da letztgenanntes niemals eine föderative Exzellenzinitiative war, sondern vielmehr eine Spitzenuniversität, die durch die Existenz eines Beirats, (MIT Corporation), dem auch eine eigene Investmentgesellschaft (Investment Management Company) zur Seite steht, gekennzeichnet ist. Trotzdem zeigt der Erfolg von Einrichtungen wie dem MIT, dass Exzellenz das Ergebnis eines evolutionären — auf den richtigen Grundsätzen basierenden und ausreichend unterstützten — Prozesses ist. |
1.7 |
Der Ausschuss ist jedoch der Auffassung, dass das künftige ETI — will es ein erfolgreicher Akteur sein und eine internationale Spitzenposition erlangen, d.h. ein Bezugsmodell und ein Symbol für den Erfolg europäischer Exzellenz darstellen — über die einfache Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen hinausgehen muss. |
1.8 |
Diesem Ziel müssen — in Einklang mit den im Vertrag, seiner Rechtsgrundlage, vorgegebenen Zielsetzungen — nicht nur seine Konzeption, seine Struktur und sein Gefüge voll und ganz entsprechen, sondern es muss auch eine naturwissenschaftlich und technologisch ausgerichtete Kultur der Kompetenz und Exzellenz entwickelt werden, welche die besten Studenten anzieht und die besten Wissenschaftler und Ingenieure hervorbringt. Dies ist eine Grundvoraussetzung für die Schaffung neuen Wissens und ständiger Innovation. |
1.9 |
Nach Ansicht des Ausschusses ist es gleichfalls von Bedeutung, nicht bei der Idee eines „Markenzeichens für Wissen“ (4) von internationalem Ruf stehen zu bleiben, sondern alle beteiligten Akteure müssen hartnäckig auf die Entwicklung der für alle einzelnen „Wissens- und Innovationsgemeinschaften“ (Knowledge and Innovation Communities, KIC) kennzeichnenden außergewöhnlichen Ergebnisse hinarbeiten, um konkrete marktrelevante Ergebnisse anzustreben, und zwar
|
1.10 |
Struktur und Aufbau des Instituts sollten so konzipiert und realisiert werden, dass sie
|
1.10.1 |
Die Möglichkeit des gemeinsamen Unternehmens sollte gebührend berücksichtigt werden. |
1.11 |
Zumindest der anfängliche Erfolg des ETI wird stark von einer ausreichenden Finanzierung durch die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten abhängen. Jedoch sollten keine Mittel von den anderen, bereits angenommenen Programmen für Forschung und Innovation abgezogen werden. |
1.11.1 |
Nach Auffassung des Ausschusses werden im künftigen ETI die Verfahren zur Förderung von Patenten sowie die Systeme zum Management geistigen Eigentums zum einen und die Fähigkeit zum Einwerben privater Finanzierungsmittel zum andern immer mehr Bedeutung erlangen. Letztgenannte müssen die Gemeinschaftsmittel bei Weitem übersteigen, um nicht anderen Programmen, insbesondere für Forschung und Entwicklung, Ressourcen zu entziehen. |
1.11.2 |
Was die Finanzierung betrifft, so sollte nach Auffassung des Ausschusses eine anfängliche Ausstattung mit Gemeinschaftsmitteln vorgesehen werden. Diese könnten im Rahmen der zusätzlichen Mittel bei der Halbzeitbwertung des 7. FTE-Rahmenprogramms der Gemeinschaft aufgebracht werden, wohingegen ein beträchtlicher Teil von den Mitgliedstaaten in Form eines prozentualen Anteils beigesteuert werden sollte. Nicht zuletzt könnte auf die Maßnahmen der EIB für Innovationsnetze und Hochschulforschung zurückgegriffen werden. |
1.12 |
Ebenso wichtig sind nach Auffassung des EWSA die vom Institut zu entfaltenden Fähigkeiten auf dem Wissensmarkt sowie im Bereich der Innovation und der Forschung, um immer stärkere Interaktionen zwischen dem Institut und seinen Verzweigungen, d.h. den KIC, zu gewährleisten. |
1.12.1 |
Dies kann auch mittels großer öffentlicher Veranstaltungen erreicht werden, die vom ETI-System veranstaltet werden und zum Ziel haben, ein einheitliches Exzellenzlabel zur Geltung zur bringen, das als eine mit Blick auf Anziehung und Verteilung von Wissens- und Innovationsressourcen dezentrale Netzstruktur konzipiert ist. |
1.12.2 |
Innovation und Erfolg sind das Ergebnis eines ausgewogenen Gleichgewichts zwischen zielorientierten Verfahren und individueller Freiheit für die Entwicklung neuer Ideen und Konzepte, die in einem Testbereich des Wettbewerbs erprobt werden müssen. Alle Aktivitäten im Bereich Forschung, Wissen und Innovation der gesamten Netzwerkstruktur des ETI müssen auf europäischer Ebene normierten Qualitätskriterien entsprechen. Ohne marktgesteuerte Interaktionen zwischen Forschung, Innovation und Industrie wird mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschung nur bescheidene wirtschaftliche Auswirkungen haben. |
1.13 |
Das Verfahren zur Auswahl der Netze von Unternehmen, Forschungszentren, Laboratorien und Universitäten, die sich um die Bildung einer KIC bewerben, sollten nach Auffassung des Ausschuss nach dem „bottom-up“-Prinzip erfolgen und auf eindeutigen und transparenten Kriterien basieren, zu denen Exzellenz und der berufliche Erfolg, die Fähigkeiten und die Erfahrungen im Bereich von Technologietransfer-Prozessen — vor allem in Bezug auf KMU — gehören sollten. |
1.13.1 |
Der neue Status der KIC sollte jedenfalls nicht als dauerhaft angesehen werden, sondern im Hinblick auf die Qualität und die konkreten Ergebnisse regelmäßigen Bewertungen unterzogen werden, wobei eine angemessene Anlaufzeit vorzusehen ist. |
1.14 |
Der Ausschuss ist ebenfalls der Auffassung, dass das ETI-System darauf abzielen sollte, wenn möglich bereits in der EU bestehende ausgewählte Kompetenzzentren einzubeziehen, es aber vermeiden muss, zu einem bürokratischen Überbau zur Unterstützung der bereits in der Union bestehenden Spitzenforschungs-Einrichtungen zu werden. Aus diesem Grunde müssten Aspekte der Wirtschaft und der interdisziplinären Forschung sowohl innerhalb der statutarischen Organe, als auch in den durch Auswahl gebildeten Strukturen stärker zur Geltung kommen. |
1.14.1 |
Diesbezüglich wäre es sinnvoll, eine „ETI-Investmentgesellschaft“ (ETI investment management company) zu gründen, die eine innovative Antwort auf die herkömmlichen Unzulänglichkeiten, die häufig die Beziehungen zwischen Industrie, Wissenschaft und Forschung kennzeichnen, ermöglicht. |
1.15 |
Schließlich bedarf es nach Auffassung des Ausschusses größerer Klarheit in Bezug auf die Definition und Ausstellung von ETI-Diplomen durch die KIC sowie durch das ETI selbst. Zumindest in einem ausreichend langen Übergangszeitraum sollte es denjenigen Universitäten und/oder technischen Hochschulen und Instituten — die als Partner für die einzelnen KIC ausgewählt wurden — vorbehalten sein und in ihrer Verantwortung liegen, entsprechende Diplome auszustellen; ihre Diplome könnten zusätzlich das ETI-Kennzeichen tragen, sofern die erforderlichen Mindestvoraussetzungen erfüllt sind. |
1.16 |
Die Zuerkennung des EIT-Kennzeichens für die in den KIC erworbenen Diplome sollte nach Auffassung des Ausschusses unter der Voraussetzung erfolgen, dass das Studium und die Forschungsarbeiten an mindestens drei unterschiedlichen Einrichtungen in drei Mitgliedstaaten absolviert wurden, um eine interdisziplinäre europäische Dimension des Diploms zu gewährleisten; ferner müssen sie ein ausreichendes Innovationspotenzial erkennen lassen und schließlich vom zentralen ETI bestätigt sein. |
1.17 |
Bezüglich der Satzung des ETI hält es der Ausschuss für sinnvoll, dem Verwaltungsrat und dem Exekutivausschuss (5), die im Kommissionsvorschlag vorgesehen sind, einen Aufsichtsrat und ein Exekutivkomitee zur Seite zu stellen. Der Aufsichtsrat sollte aus Vertretern der Mitgliedstaaten unter dem Vorsitz eines Kommissionsvertreters bestehen, das Exekutivkomitee hingegen sollte mit jeweils zwei Vertretern der Wirtschaft, der Forschungszentren und der Universitäten besetzt sein, wobei der Vorsitzende des Verwaltungsrats, ein Verwaltungsdirektor und ein Rektor den Vorstand bilden. |
2. Einleitung
2.1 |
In dem Halbzeitbericht „Zusammenarbeit für Wachstum und Arbeitsplätze — Ein Neubeginn für die Strategie von Lissabon“ (6), der dem Europäischen Rat auf seiner Frühjahrstagung 2005 vorgelegt wurde, kamen bereits einige Grundsätze für den Neubeginn wie z.B. die Zielgerichtetheit der zu ergreifenden Maßnahmen, umfangreiche Teilhabe, Identifikation mit den Zielen und schließlich genau bestimmte Verantwortlichkeitsebenen zum Ausdruck. |
2.2 |
Ebenso wurde festgestellt, dass die Wissensverbreitung, die durch ein qualitativ anspruchsvolles Bildungssystem zu erfolgen hat, zu den integrativen Bestandteilen der Lissabon-Strategie gehört. Insbesondere muss sich die Europäische Union dafür einsetzen, dass die europäischen Universitäten mit den besten Universitäten der Welt mithalten können: Damit dies Wirklichkeit werden kann, muss der europäische Raum der Hochschulbildung geschaffen werden, der den Aufbau und die Verbreitung des Wissens über das gesamte Unionsgebiet erleichtert. |
2.3 |
Die Kommission gab ihre Absicht bekannt, als Betrag zur Realisierung dieses Ziels ein „Europäisches Technologieinstitut“ zu gründen und sich für die Erlangung internationaler Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Universitäten einzusetzen, da sich „(...) die bestehenden Vorgehensweisen bezüglich Finanzierung, Verwaltung und Qualität als unangemessen (erweisen), um den Herausforderungen des inzwischen globalen Professoren-, Studierenden- und Wissensmarktes zu begegnen.“ |
2.4 |
Der Ausschuss hat sich bereits mehrfach zu diesem Thema geäußert (7) und u.a. in seiner Sondierungsstellungnahme zum Thema „Auf dem Weg zur europäischen Wissensgesellschaft — Der Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft zur Lissabon-Strategie“ (8) zum Ausdruck gebracht, dass ein gemeinsamer europäischer Raum des Wissens, der auf der Zusammenarbeit in den Bereichen Ausbildung, Innovation und Forschung basiert, geschaffen werden muss. In der genannten Stellungnahme forderte der EWSA auch die Unternehmen, die Finanzinstitute und die privaten Stiftungen dazu auf, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden und die Investitionen in die wissensbasierte Wirtschaft zu erhöhen und dabei auch Vereinbarungen im Rahmen der öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) auf europäischer Ebene zu fördern. |
2.5 |
Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den Vereinigten Staaten von Amerika, das 1861 in Boston gegründet wurde, zählt heute über 10 000 Studenten und einen Lehrkörper von ca. 10 000 Mitarbeitern, die in ein interdisziplinäres System hoher Qualität eingebunden sind, das Fachgebiete von Wirtschaft bis Recht, von Architektur bis Ingenieurwesen, von Verwaltungswissenschaften bis Mathematik, Physik und Biologie umfasst. Das MIT verursacht Kosten von mehr als 1 000 Mio. Dollar pro Jahr, rangiert aber auf der so genannten „Liste von Shanghai“, einer Klassifizierung der weltweit besten Universitäten, an fünfter Stelle (9). |
2.6 |
In Bezug auf Europa müssten bis zum Jahr 2010 die Ziele erreicht sein, die im „Bologna-Prozess“ festgelegt wurden, d.h. in der von der Europäischen Union im Jahr 1999 gestarteten Initiative zur Harmonisierung der unterschiedlichen Hochschulbildungssysteme in Europa mit dem Zweck, einen „Europäischen Raum der Hochschulbildung“ zu schaffen und das europäische System der Hochschulbildung weltweit zu fördern. Dabei werden folgende Ziele verfolgt:
|
2.7 |
Das Europäische Parlament hat am 26. September 2006 eine Entschließung zur Schaffung eines europäischen Qualifikationsrahmens (11) angenommen, die dem Bologna- sowie dem Kopenhagen-Prozess Rechnung trägt, die auf der Förderung einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung basiert und zu einigen konkreten Ergebnissen führen soll (12). |
2.8 |
In dem von der Kommission 2005 veröffentlichten zweiten Bericht über die erzielten Fortschritte in puncto Lissabonner Ziele im Bereich allgemeine und berufliche Bildung (13) wird u.a. auf folgende Punkte hingewiesen: Die Schwierigkeit bei der Erhöhung der Anzahl von Studienabsolventen in Europa; die erforderliche lebensbegleitende Aktualisierung und Ergänzung von Wissen, Kompetenzen und Qualifikationen mittels moderner Systeme lebenslangen Lernens sowie schließlich die notwendige Erhöhung öffentlicher Investitionen in Hochschul- und Berufsbildung, die durch private Investitionen zu ergänzen sind, sowie die Ausbildung hoch qualifizierter und kompetenter Professoren und Dozenten in Entsprechung der Anforderungen aufgrund des Generationenwechsels (ca. 1 000 000 Personen im Zeitraum von 2005-2015). |
2.9 |
Unter der Ägide der OECD wurde im Jahr 2006 eine nachfrageorientierte (14) Untersuchung erstellt (Titel: „Programme for International Student Assessment“ (PISA)) (15), die ein Gesamtbild der Charakteristika und Eignungen von Lernenden bei der Anwendung erworbener Kenntnisse vermittelt. |
2.10 |
Die Schwächen des Systems der europäischen Hochschulbildung scheinen hauptsächlich auf vier Ursachen (16) zurückzugehen:
|
2.11 |
Folgende Hauptprobleme allgemeiner Art sollen durch die Schaffung eines Europäischen Technologieinstituts (ETI) beseitigt werden:
|
2.12 |
Das Europäische Parlament hat sich in seiner Entschließung zum Haushaltsplan 2007 zwar einerseits für eine Verstärkung der Kapazitäten des Wissensdreiecks (Bildung, Forschung und Innovation) und der zwischen ihnen bestehenden Verbindungen ausgesprochen, äußerte sich andererseits aber kritisch zur Einrichtung des Europäischen Technologieinstituts, das seiner Auffassung nach „bestehende Strukturen untergraben oder sich mit ihnen überschneiden kann und deshalb in diesem Kontext möglicherweise nicht den effizientesten Einsatz von Mitteln darstellt“ (18). |
2.13 |
Auf der Tagung des Europäischen Rates vom 15./16. Juni 2006 wurde hingegen bekräftigt, dass „das Europäische Technologieinstitut, das mit bestehenden nationalen Einrichtungen zusammenarbeiten wird, neben anderen Maßnahmen, die Vernetzung und Synergien zwischen herausragenden Forschungs- und Innovationsgemeinschaften in Europa fördern, ein wichtiger Schritt sein wird, um die Lücke zwischen Hochschulbereich, Forschung und Innovation zu schließen“, und die Kommission aufgefordert, „einen förmlichen Vorschlag für die Errichtung dieses Instituts“ vorzulegen. Die Kommission legte im November 2006 als Antwort auf dieses Ersuchen den Vorschlag (19) vor, der Gegenstand vorliegender Stellungnahme ist und der auf die beiden vorhergehenden Mitteilung zu dieser Frage folgt (20). |
2.13.1 |
Diese positive Ausrichtung wurde in der Folgezeit vom Europäischen Rat auf seiner Tagung im Dezember 2006 bestätigt. |
3. Der Kommissionsvorschlag
3.1 |
Dem Verordnungsvorschlag der Kommission zur Einrichtung des ETI liegt die Idee zugrunde, dass dieses die Innovationskapazität der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft stärkt und damit zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft beiträgt. Laut Vorschlag hat das ETI folgende Zielsetzungen:
|
3.2 |
Die Kommission schlägt für das ETI eine neue, zwei Ebenen umfassende integrierte Organisationsstruktur vor, die das Bottom-up-Prinzip mit dem Top-down-Prinzip nach folgendem Schema verbindet:
|
3.3 |
Die Gesamtausgaben des ETI im Zeitraum 2007-2013 werden auf 2 367,1 Mio. EUR veranschlagt. Dieser Betrag wird finanziert
|
4. Allgemeine Bemerkungen
4.1 |
Der Ausschuss hat stets alle Initiativen zur Stärkung der Innovationsfähigkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten begrüßt und bevorzugt einen integrierten Ansatz für das Wissensdreieck und insbesondere für die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Unternehmen. Er tritt entschieden dafür ein, eine bessere Koordinierung der Forschungsanstrengungen zu gewährleisten, Innovation und Bildung in der EU zu stärken, eine wirksamere öffentlich-private Partnerschaft im Bereich der FuE anzustreben und einen besseren Zugang von KMU zu neuem Wissen zu garantieren (21). |
4.2 |
Der Ausschuss erachtet jedoch die drei folgenden Grundprinzipien, die der Neubelebung der Lissabon-Strategie zugrunde liegen, für unabdingbar:
|
4.3 |
Nach Ansicht des Ausschusses sollte deshalb genau untersucht werden, wie sich die hier behandelte Initiative in die Vielzahl der bereits laufenden Initiativen einfügt, die sich auf zahlreiche andere Politikbereiche wie Forschung, Unternehmen, Regionalentwicklung, Informationsgesellschaft, Bildung und Kultur beziehen. |
4.3.1 |
Nach Auffassung des Ausschusses darf sich das künftige Institut, um zu einem Referenzmodell und Symbol für europäische Spitzenforschung zu werden, nicht darauf beschränken, lediglich zusätzliche Ressourcen bereitzustellen, sondern es muss auf konzeptioneller, struktureller und organisatorischer Ebene darauf vorbereitet sein, den Erfordernissen des Vertrags — der maßgeblichen Rechtsgrundlage des ETI — zu entsprechen. |
4.3.2 |
Der Ausschuss betont, dass ein zentrales Element für den künftigen Erfolg des ETI in dessen Fähigkeit liegt, ein einheitliches Exzellenzlabel zu vermarkten und zur Geltung zu bringen. Dieses ist als eine mit Blick auf Anziehung und Verteilung von Wissens- und Innovationsressourcen dezentrale vernetzte Struktur konzipiert. |
4.4 |
Der Ausschuss teilt die Auffassung, dass das ETI mit einer möglichst schlanken, flexiblen und dynamischen Struktur auszustatten ist, die es ihm ermöglicht, neue Anforderungen aufzugreifen und ihnen gerecht zu werden, und er ist der Auffassung, dass die Möglichkeit der Gründung eines gemeinsamen Unternehmens erwogen werden sollte (22), betont aber gleichwohl, dass dieses Instrument ausdrücklich auf die Unternehmen und die Beschäftigung ausgerichtet sein muss und bekräftigt, dass sich das ETI auf sein erklärtes Hauptziel, die Ergebnisse von FuE in neue Marktmöglichkeiten umzuwandeln, konzentrieren muss. |
4.4.1 |
Deshalb sollten die Auswahlkriterien für seine Leitungsstrukturen nicht nur und nicht zu sehr wissenschaftliche Exzellenz, sondern auch die Fähigkeit, Kapital für Innovationen einzuwerben, Unternehmensgründungen zu tätigen, Patente zu entwickeln und zu verwerten und öffentliche/private Gelder anzuziehen — ohne die KMU zu vergessen — berücksichtigen. |
4.5 |
Dem Ausschuss zufolge muss sich eine solche Ausrichtung in den Auswahlkriterien der KIC widerspiegeln, deren Joint Ventures im Rahmen der Prioritäten des Mehrjahresprogramms der Gemeinschaft für Forschung und Innovation für alle offen sein sollten, um die Beteiligung der Unternehmen und kleineren Einheiten zu erleichtern und ein Maximum an Flexibilität bei einem Minimum an bürokratischem Aufwand zu gewährleisten. |
4.5.1 |
Die Qualifikationsmerkmale der KIC sollten besser definiert werden:
|
4.6 |
Will man im Zusammenhang mit der Lissabon-Strategie einen europäischen Raum des Wissens schaffen, sind entsprechende Anreize erforderlich, um die Mobilität zwischen den verschiedenen Wissenschaftsberufen und zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor zu fördern, damit der Austausch zwischen verschiedenen Management-Berufen sowie zwischen Führungskräften, Forschern und Ingenieuren gefördert und schließlich der Übergang vom öffentlichen Sektor zum Privatsektor (und umgekehrt) erleichtert wird (23): Mobilität in Europa muss ein Qualifizierungsmerkmal der Bildungsgänge und Programme für Forschung und technologische Anwendung sein. |
4.7 |
Was die Finanzmittel für die Tätigkeitsbereiche des ETI betrifft, betont der Ausschuss, dass die vorgeschlagene anfängliche Mittelausstattung sehr begrenzt zu sein scheint, während sie im Anschluss anscheinend auf traditionellen Programmen (24) basieren und wohl auf die bereits beschränkten Haushaltsmittel für Forschung, Innovation und Bildung für 2007-2013 zurückgreifen und mit Instrumenten mit integriertem Ansatz von bewährter Wirksamkeit konkurrieren wie Integrierte Projekte (IP), Exzellenznetze (Networks of Excellence/NoE) sowie die unlängst geschaffenen gemeinsamen Technologieinitiativen (JTI) oder europäische Technologieplattformen (ETP). |
4.7.1 |
Die für das 7. Rahmenprogramm 2007-2013 vorgesehene Mittelausstattung, die ca. 5,8 % des Gesamthaushalts der Gemeinschaft entspricht, hat sich bereits jetzt als unzureichend für die Forschungs-Fördermaßnahmen erwiesen. Diesen Mitteln können nicht noch zusätzliche Ressourcen entzogen werden, es sei denn im Zuge einer regulären Beteiligung an den Pogrammen, zu denen das ETI und die KIC gleichberechtigt mit anderen Antragsstellern Zugang haben sollten. |
4.7.2 |
Zumindest der anfängliche Erfolg des ETI ist stark von ausreichenden Finanzmitteln der Gemeinschaft abhängig, die aber nicht von anderen Programmen für Forschung und Innovation abgezogen werden dürfen: Tatsächlich scheinen die von der Kommission für den Zeitraum 2007-2013 für das gesamte ETI-System vorgesehenen Mittel viel zu gering veranschlagt zu sein, wohingegen die Gemeinschaftsmittel aus nicht ausgeschöpften Haushaltsmitteln verschwindend gering sind. Nach Auffassung des Ausschusses ist zu überlegen, ob nicht auf die Möglichkeit eines gemeinsamen Unternehmens gemäß Artikel 171 EGV unter direkter Beteiligung daran interessierter Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden sollte (siehe die für das gemeinsame Unternehmen Galileo gewählte Lösung) (25). |
4.7.3 |
Der Ausschuss ist der Ansicht, dass sich die erforderliche anfängliche Mittelausstattung mithilfe zusätzlicher Mittel erreicht ließe, die im Rahmen der Halbzeitbewertung des Siebten FTE-Rahmenprogramms der Gemeinschaft aufgebracht werden könnten und die durch direkte prozentuale Mittelzuweisungen der Mitgliedstaaten ergänzt werden sollten. |
4.7.4 |
Eine weitere Finanzierungsquelle könnte mit den Aktivitäten der EIB im Rahmen der „Innovation-2010-Initiative“ (i2i) sowie mit den Maßnahmen der EIB zur Unterstützung der Hochschulforschung (26) und Hochschulnetze erschlossen werden. |
4.8 |
Die Gemeinschaftspolitik für FuE bedarf andererseits einer systematischeren Überwachung aller Aspekte, die die Mobilität von Forschern einschränken. Diese wird gegenwärtig durch die Vielgestaltigkeit der Bestimmungen für die Anerkennung der Hochschulabschlüsse sowie der unterschiedlichen steuerrechtlichen, versicherungsrechtlichen und versorgungsrechtlichen Regelungen behindert (27). |
4.9 |
Wenn das ETI zu einem Weltklasseakteur werden soll, der auch andere europäische Akteure und Netze im Wissensdreieck zu besseren Leistungen anregen kann, dann muss es nach Ansicht des Ausschusses in die Lage versetzt werden, private Mittel von erheblichem Umfang anzuziehen, die nach und nach seine vorrangige Finanzierungsquelle werden sollten. |
4.10 |
Ein wichtiger Faktor in dieser Hinsicht könnte in der Lösung der Frage des Schutzes von geistigem Eigentum liegen, die in dem Vorschlag eventuell eingehender behandelt und geklärt werden sollte. Ferner sollte die Frage der Festlegung der ETI-Abschlüsse und ihrer Ausstellung geklärt werden. |
4.11 |
Dem Ausschuss zufolge müssen Definition und Verleihung von ETI-Diplomen — durch die KIC oder durch das ETI selbst — geklärt werden. |
4.11.1 |
In einer ausreichend langen Anfangszeit muss es denjenigen Universitäten und/oder technischen Hochschulen, die als Partner für die einzelnen KIC ausgewählt wurden, vorbehalten sein, entsprechende Diplome auszustellen. Gleichwohl sollten in dieser Anfangszeit nur dann solche Diplome ausgestellt werden, wenn bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllt sind. |
4.11.2 |
Diese Voraussetzungen könnten folgende Punkte umfassen:
|
4.12 |
In Bezug auf die Satzung des ETI hält es der Ausschuss für sinnvoll, den Verwaltungsrat, der laut Kommissionsvorschlag die Zusammensetzung des Exekutivausschusses aufgreift und der aus jeweils fünf Vertretern der Wirtschaft, der öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen und der öffentlichen und privaten Hochschulen unter dem Vorsitz eines Kommissionsvertreters besteht zu denen vier Mitglieder in Vertretung des Personals und der Studierenden des ETI und der KIC hinzukommen (28), durch folgende Organe zu ergänzen:
|
4.12.1 |
Sollte die Formel des gemeinsamen Unternehmens ETI gewählt werden, könnten die administrativen und wissenschaftlichen Beschäftigten des gemeinsamen Unternehmens einen befristeten Anstellungsvertrag erhalten, dessen Konditionen sich an die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anlehnen (29). |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) Erzeugung von Wissen durch Forschung, Verbreitung von Wissen in der Ausbildung und seine Anwendung mittels Innovation.
(2) Vgl. Artikel 157 des EG-Vertrags, der Rechtsgrundlage des Kommissionsvorschlags.
(3) Siehe z.B. EMM-Nano im Rahmen von Erasmus-Mundus, www.emm-nano.org.
(4) KOM(2006) 77 endg. vom 22.2.2006.
(5) Siehe Fußnote 28.
(6) KOM(2005) 24 endg. vom 2. Februar 2005.
(7) CESE 1438/2004 (ABl. C 120 vom 20.5.2005), Berichterstatter: die Herren EHNMARK, VEVER und SIMPSON; CESE 1435/2004 (ABl. C 120 vom 20.5.2005), Berichterstatter: Herr KORYFIDIS; CESE 135/2005 (ABl. C 221 vom 8.9.2005), Berichterstatter: Herr GREIF; CESE 139/2005 (ABl. C 221 vom 8.9.2005), Berichterstatter: Herr KORYFIDIS.
(8) ABl. C 65 vom 17.3.2006, Berichterstatter: Herr OLSSON, Frau BELABED und Herr VAN IERSEL.
(9) Siehe Shanghai-Liste 2005, Ranking der 50 besten Universitäten der Welt. Unter den Top 30 befinden sich nur 4 Universitäten der EU: 1. Harvard University, USA; 2. Cambridge University, UK; 3. Stanford University, USA; 4. University of California — Berkeley, USA; 5. Massachusetts Institute of Technology (MIT), USA; 6. California Institute of Technology, USA; 7. Columbia University, USA; 8. Princeton University, USA; 9. University of Chicago, USA; 10. Oxford University, UK; 11. Yale University, USA; 12. Cornell University, USA; 13. University of California — San Diego, USA; 14. University of California -Los Angeles, USA; 15. University of Pennsylvania, USA; 16. University of Wisconsin — Madison, USA; 17. University of Washington — Seattle, USA; 18. University of California — San Francisco, USA; 19. John Hopkins University, USA; 20. Tokyo University (Asien/Pazifik); 21. University of Michigan — Ann Arbor, USA; 22. Kyoto University, Asien/Pazifik; 23. Imperial College — London, UK; 24. University of Toronto, Kanada; 25. University of Illinois — Urbana Champaign, USA; 26. University College — London, UK; 27. Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) — Zürich, Schweiz; 28. Washington University — St. Louis, USA; 29. New York University, USA; 30. Rockefeller University, USA.
(10) ECTS — European Credit Transfer and Accumulation System.
(11) Entschließung des Europäischen Parlaments zur Schaffung eines europäischen Qualifikationsrahmens vom 26.9.2006, (2006/2002/INI).
(12) Ziele des Kopenhagen-Prozesses:
— |
ein einheitlicher Transparenzrahmen für Qualifikationen und Kompetenzen (europäischer Lebenslauf, Zertifikate, Diplome, Markenzeichen Europass Berufsbildung usw.); |
— |
Anrechnungs- und Übertragungssystem für die berufliche Bildung nach dem Vorbild des Systems für die Hochschulbildung; |
— |
gemeinsame Kriterien und Grundsätze für die Qualität in der beruflichen Bildung. Es sollen einige gemeinsame Kriterien und Grundsätze für die Qualitätssicherung entwickelt werden, die den Initiativen auf europäischer Ebene wie beispielsweise Qualitätsleitlinien und Checklisten für die berufliche Bildung zugrunde gelegt werden könnten; |
— |
gemeinsame Grundsätze für die Validierung von formalem und informellem Lernen. Dabei soll eine Reihe gemeinsamer Grundsätze zur Gewährleistung von mehr Kompatibilität zwischen den Ansätzen in verschiedenen Ländern und auf verschiedenen Stufen entwickelt werden; |
— |
eine europäische Dimension von Informations-, Orientierungs- und Beratungsleistungen, um den Bürgern so einen besseren Zugang zum lebenslangen Lernen zu ermöglichen. |
(13) SEK(2005) 419 vom 22. März 2005 — Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, Bericht 2005.
(14) Die OECD veröffentlichte am 2.10.2006 das Rahmenprogramm 2009-2015, das drei neue Untersuchungsbereiche vorsieht:
1) |
Messung des Lernprozesses im Zeitablauf und länderübergreifender Vergleich der erzielten Fortschritte; |
2) |
Beziehung zwischen Aspekten des Unterrichts und der Lernerfolge; |
3) |
Beurteilung von IKT-Kompetenzen und Technologieeinsatz zur Bewältigung eines breiteren Spektrums von Beurteilungsaufgaben. |
(15) „Assessing Scientific, Reading and Mathematical Literacy: A Framework for PISA 2006“, OECD, 11.9.2006.
(16) Vgl. „Can Europe close the education gap?“, Friends of Europe, 27.9.2005.
(17) Der Gemeinschaftshaushalt 2006 beläuft sich auf 121,2 Mrd. EUR. Davon sind 7,9 Mrd. EUR für die Wettbewerbsfähigkeit bestimmt, und davon 0,7 Mrd. EUR für allgemeine und berufliche Bildung.
(18) Entwurf einer Entschließung des Europäischen Parlaments zum Haushaltsplan 2007: Jährliche Strategieplanung (JSP) der Kommission (PE 371.730V03-00) (A6-0154/2006).
(19) KOM(2006) 604 endg. vom 18.10.2006.
(20) KOM(2006) 77 endg. vom 22.2.2006 und KOM(2006) 276 vom 8.6.2006.
(21) ABl. C 120 vom 20.5.2005, Berichterstatter: Herr VEVER, Mitberichterstatter: die Herren EHNMARK und SIMPSON.
(22) Siehe Artikel 171 (ex-Artikel 130 n) des Vertrags.
(23) ABl. C 110 vom 30.4.2004, Berichterstatter: Herr WOLF.
(24) Es ist zu betonen, dass das ETI in den neuen Legislativvorschlägen, die unter die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 17. Mai 2006 über die Haushaltsdisziplin und die wirtschaftliche Haushaltsführung fallen, nicht eigens berücksichtigt wurde.
(25) Die Organe des gemeinsamen Unternehmens sind:
— |
der Verwaltungsrat, der aus den Gründungsmitgliedern besteht; er beschließt mit einfacher Mehrheit, außer in Fragen von außerordentlicher Bedeutung, für die eine Mehrheit von 75 % der Stimmen erforderlich ist. Der Verwaltungsrat fasst alle Beschlüsse in Fragen der Programme, der Finanzen und des Haushalts. Er ernennt ferner den Direktor des gemeinsamen Unternehmens; |
— |
das Exekutivkomitee, das den Verwaltungsrat und den Direktor unterstützt; |
— |
der Direktor, der die Exekutive vertritt und mit der Geschäftsführung des gemeinsamen Unternehmens betraut ist, dessen rechtlicher Vertreter er ist. Er leitet das Personal, aktualisiert den Entwicklungsplan des Programms, erstellt die Bilanzen und Jahresabschlüsse und legt sie dem Verwaltungsrat vor und erarbeitet den Jahresbericht über die Programmentwicklung und die finanzielle Lage. |
(26) Siehe die Programme STAREBEI, EIBURS und EIB University Networks.
(27) Siehe Fußnote 22.
(28) Diese Zusammensetzung muss ebenso eine angemessene Vertretung der Sozialpartner gewährleisten.
(29) Vgl. Artikel 11 der Satzung des gemeinsamen Unternehmens Galileo, Verordnung (EG) Nr. 876/2002 des Rates vom 21. Mai 2006 zur Errichtung des gemeinsamen Unternehmens Galileo, ABl. L 138 vom 28.5.2002.
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/35 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Sichtfeld und die Scheibenwischer von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern“ (kodifizierte Fassung)
KOM(2006) 651 endg. — 2006/0216 (COD)
(2007/C 161/07)
Der Rat beschloss am 22. November 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender obenerwähnter zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 7. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr BURNS.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 146 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. |
Mit dem Vorschlag soll die Richtlinie 74/347/EWG des Rates vom 25. Juni 1974 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend das Sichtfeld und die Scheibenwischer von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern kodifiziert werden. |
2. |
Der Ausschuss hält es für äußerst nützlich, dass sämtliche einschlägigen Rechtsakte in einer Richtlinie zusammengefasst werden. Es ist gewährleistet, dass diese kodifizierte Fassung keine materiellen Änderungen aufweist und lediglich dazu dienen soll, das Gemeinschaftsrecht klar und transparent zu machen. Der Ausschuss befürwortet diese Zielsetzung voll und ganz und unterstützt in Erwägung der genannten Gewährleistung den Vorschlag. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/36 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Bestandteile und Merkmale von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern“ (kodifizierte Fassung)
KOM(2006) 662 endg. — 2006/0221 (COD)
(2007/C 161/08)
Der Rat beschloss am 22. November 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 7. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr BURNS.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 147 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. |
Mit dem Vorschlag soll die Richtlinie 74/151/EWG des Rates vom 4. März 1974 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über bestimmte Bestandteile und Merkmale von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern kodifiziert werden. |
2. |
Der Ausschuss hält es für äußerst nützlich, dass sämtliche einschlägigen Rechtsakte in einer Richtlinie zusammengefasst werden. Es ist gewährleistet, dass diese kodifizierte Fassung keine materiellen Änderungen aufweist und lediglich dazu dienen soll, das Gemeinschaftsrecht klar und transparent zu machen. Der Ausschuss befürwortet diese Zielsetzung voll und ganz und unterstützt in Erwägung der genannten Gewährleistung den Vorschlag. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und ozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/37 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit und die Ladepritschen von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern“ (kodifizierte Fassung)
KOM(2006) 667 endg. — 2006/0219 (COD)
(2007/C 161/09)
Der Rat beschloss am 22. November 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 7. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr BURNS.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 151 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. |
Mit dem Vorschlag soll die Richtlinie 74/152/EWG des Rates vom 4. März 1974 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit und die Ladepritschen von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern kodifiziert werden. |
2. |
Der Ausschuss hält es für äußerst nützlich, dass sämtliche einschlägigen Rechtsakte in einer Richtlinie zusammengefasst werden. Es ist gewährleistet, dass diese kodifizierte Fassung keine materiellen Änderungen aufweist und lediglich dazu dienen soll, das Gemeinschaftsrecht klar und transparent zu machen. Der Ausschuss befürwortet diese Zielsetzung voll und ganz und unterstützt in Erwägung der genannten Gewährleistung den Vorschlag. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/38 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Lenkanlage von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern (kodifizierte Fassung)“
KOM(2006) 670 endg. — 2006/0225 (COD)
(2007/C 161/10)
Der Rat beschloss am 29. November 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 7. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr BURNS.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 157 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. |
Mit dem Vorschlag soll die Richtlinie 75/321/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Lenkanlage von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern kodifiziert werden. |
2. |
Der Ausschuss hält es für äußerst nützlich, dass sämtliche einschlägigen Rechtsakte in einer Richtlinie zusammengefasst werden. Es ist gewährleistet, dass diese kodifizierte Fassung keine materiellen Änderungen aufweist und lediglich dazu dienen soll, das Gemeinschaftsrecht klar und transparent zu machen. Der Ausschuss befürwortet diese Zielsetzung voll und ganz und unterstützt in Erwägung der genannten Gewährleistung den Vorschlag. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/39 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen“ (kodifizierte Fassung)
KOM(2006) 692 endg. — 2003/0099 (COD)
(2007/C 161/11)
Der Rat beschloss am 11. Dezember 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 7. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr PEGADO LIZ.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 153 Ja-Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. |
Mit diesem Vorschlag für eine Richtlinie zur Kodifizierung der Richtlinie 98/27/EG vom 19. Mai 1998 (1) wird der am 12. Mai 2003 vorgelegte Vorschlag zum selben Thema (2), zu dem der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss bereits eine positive Stellungnahme (3) abgegeben hat, in geänderter Form wieder aufgegriffen. |
2. |
Die Erarbeitung des jetzt vorliegenden Vorschlags erwies sich als notwendig, weil in der Zwischenzeit (d.h. am 11. Juni 2005) die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken veröffentlicht wurde. Darin wird ausdrücklich festgelegt, dass solche Praktiken Gegenstand von Unterlassungsklagen, die in der genannten Richtlinie vorgesehen sind, sein können — mit dem Ziel, solche unlauteren Praktiken zu verhindern bzw. zu beenden sowie eine rechtliche Grundlage für Unterlassungsklagen von Verbraucherverbänden zu schaffen. |
3. |
Wie der Ausschuss in der eingangs genannten Stellungnahme festgestellt hat, darf gemäß der Interinstitutionellen Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission vom 20. Dezember 1994 im Rahmen einer Kodifizierung keine substanzielle Änderung vorgenommen werden. Die eingehende Prüfung der hier vorgeschlagenen Änderungen hat gezeigt, dass dieser Grundsatz eingehalten wurde. Dabei ist zu betonen, dass die Kommission der vom Ausschuss in seiner früheren Stellungnahme formulierten Forderung insofern nachgekommen ist, als sie dem Richtlinienvorschlag einen vollständigen überarbeiteten Text, in dem sämtliche Änderungen klar hervorgehoben sind, beigefügt hat. |
4. |
Der Ausschuss macht jedoch auf einen Punkt aufmerksam, den er bereits in seiner Stellungnahme zum ersten Kommissionsvorschlag zu diesem Thema (4), auf dem die derzeitige Richtlinie 98/27/EG beruht, herausgestellt hat: Der Verweis in Artikel 1 Absatz 1 auf einen „Anhang“ mit einer Liste von Richtlinien führt bedauerlicherweise zur Notwendigkeit einer ständigen Aktualisierung — und zwar jedes Mal, wenn, wie auch in diesem Falle, eine weitere Richtlinie veröffentlicht wird, deren materielles Recht eine Umsetzung durch Maßnahmen, so wie sie in ihrem verfügenden Teil vorgesehen sind, zum Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen erforderlich macht (5). |
4.1 |
Zudem bedeutet eine derartige Gestaltung des Rechtsaktes eine unnötig komplizierte Form der Gesetzgebung, die dem vom Ausschuss unterstützten Ziel der Kommission — nämlich „bessere Rechtsetzung“ und „Vereinfachung der Rechtsvorschriften“ — zuwiderläuft. |
5. |
Ferner erhält die in der vorgenannten Stellungnahme des Ausschusses von 1996 ausgesprochene und schon damals als zweckmäßig erkannte Empfehlung, dass „zusätzlich eine — die Unterlassungsklage in ihrer Wirksamkeit unterstützende — Haftungsklage“ angestrengt werden sollte, durch die Veröffentlichung der Richtlinie 2005/29/EG (6), insbesondere durch deren Bestimmungen in Artikel 11 und 14, noch mehr Gewicht. |
5.1 |
Deshalb fordert der Ausschuss die Kommission auf, erneut darüber nachzudenken, ob der Anwendungsbereich von Sammelklagen (insbesondere) zur Durchsetzung von Verbraucherinteressen ausgeweitet werden sollte. |
6. |
Abschließend befürwortet der Ausschuss die Initiative, soweit es ausschließlich um die Kodifizierung durch die Kommission auf der Grundlage des Beschlusses vom 1. April 1987 (KOM(1987) 868 PV) geht, so wie er dies bereits in früheren Stellungnahmen zur selben Richtlinie getan hat. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 166 vom 11.6.1998).
(2) KOM(2003) 241 endg.
(3) Stellungnahme des EWSA; Berichterstatter: Herr BURANI (ABl. C 10 vom 14.1.2004).
(4) KOM(1995) 712 endg. (ABl. C 107 vom 13.4.1996).
(5) Stellungnahme des EWSA, Berichterstatter: Herr RAMAEKERS (ABl. C 30 vom 30.1.1997). Diese Stellungnahme spiegelt die einschlägigen Feststellungen und Vorschläge insbesondere der ECLG und des BEUC sowie die anerkannteste Rechtsauffassung wider (vgl. u.a. Jérôme FRANCK und Monique GOYENS „La proposition de directive relative aux actions en cessation en matière de protection des intérêts des consommateurs: quelques impressions préliminaires“, REDC, 1996, 95 [Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Unterlassungsklagen auf dem Gebiet des Schutzes der Verbraucherinteressen: Erste Einschätzungen]).
(6) ABl. L 149 vom 11.6.2005. Stellungnahme des EWSA: CESE 105/2004 (ABl. C 108 vom 30.4.2004).
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/40 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung der Richtlinie 71/304/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der öffentlichen Bauaufträge und bei öffentlichen Bauaufträgen, die an die Auftragnehmer über ihre Agenturen oder Zweigniederlassungen vergeben werden“
KOM(2006) 748 endg. — 2006/0249 (COD)
(2007/C 161/12)
Der Rat beschloss am 13. Dezember 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 7. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr WILMS.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15.März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 87 gegen 1 Stimme bei 13 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Einleitung
1.1 |
Nach 50 Jahren kontinuierlicher Europäischer Rechtsetzung durch Vertragstexte, Richtlinien und Verordnungen, Empfehlungen, Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofes und sonstige Gemeinschaftstexte, ohne dass konsequent eine Konsolidierung der Rechtstexte erfolgte, ist das Europäische Recht sehr unübersichtlich geworden und erschließt sich selbst Spezialisten nur noch unter großen Schwierigkeiten. |
1.2 |
Auf bestimmten Rechtsgebieten wurden beispielsweise neue Richtlinien erlassen, ohne gleichzeitig den vorhandenen Richtlinienbestand konsequent daraufhin zu überprüfen, ob er durch die neue Richtlinie überholt ist bzw. in die neue Richtlinie eingearbeitet werden kann, so dass die bisherige Richtlinie zum gleichen Gegenstand gleichzeitig aufgehoben werden kann. Oder es wurden bestimmte Aspekte eines eigentlich zusammengehörenden Rechtsgebietes getrennt voneinander über die Jahre in immer neuen eigenständigen Richtlinien geregelt. Oder Richtlinien wurden durch einige Rechtsakte in Teilen nachträglich geändert, ohne dass jeweils gleichzeitig ein neuer rechtsverbindlicher konsolidierter Text verabschiedet wurde. |
1.3 |
Es ist also in der Tat an der Zeit, diesen Zustand zu ändern. Gegen eine technische Konsolidierung der vorhandenen Richtlinien spricht nichts, solange diese Konsolidierung in bester Absicht erfolgt und solange sie nicht als Mittel genutzt wird, andere Zwecke zu verfolgen, z.B. alte Rechnungen mit anderen Institutionen zu begleichen und die eigene — im politischen Prozess bisher nicht durchsetzbare — Auffassung über diesen Weg doch noch durchzusetzen. Die erklärte Absicht der Kommission, eine Entrümpelung des Rechtsbestandes unter rein rechtstechnischen Gesichtspunkten anzugehen, ist daher grundsätzlich zu begrüßen. |
1.4 |
Ebenfalls kann die gleichzeitig erklärte Absicht der Kommission, mit der Vereinfachung des europäischen Rechts zum Abbau von Bürokratie und unsinnigem Aufwand in den Mitgliedstaaten beizutragen, nur begrüßt werden. |
1.5 |
Die entsprechenden Richtlinienvorschläge der Kommission zur Aufhebung bzw. Änderung vorhandener Rechtsakte im Zuge dieses Verfahrens müssen aber ihrerseits unter den beiden vorgenannten Gesichtspunkten überprüft werden. |
2. Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags (1) und der Richtlinie 71/304/EWG
2.1 |
Die Kommission schlägt vor, mittels einer neuen Richtlinie (2) die bisherige Richtlinie 71/304/EWG aufzuheben. |
2.2 |
Die Richtlinie 71/304/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 war erlassen worden, um die Mitgliedstaaten zur Aufhebung von Beschränkungen des Zugangs zu Bauaufträgen sowie bei der Vergabe, Ausführung oder Mitwirkung bei der Ausführung von Bauaufträgen für Rechnung des Staates und aller öffentlichen Körperschaften und öffentlichen juristischen Personen zugunsten grenzüberschreitender Dienstleistungserbringer zu veranlassen. Die Richtlinie richtete sich gegen direkte und indirekte Diskriminierungen auswärtiger Dienstleistungserbringer bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch die Mitgliedstaaten. Sie verpflichtete die Mitgliedstaaten außerdem, dafür zu sorgen, dass einerseits ausländische Unternehmer gleichen Zugang zu Krediten, Zuschüssen und Beihilfen zu den gleichen Bedingungen wie inländische Unternehmen erhalten und dass ausländische Unternehmen andererseits „ohne Einschränkung und auf jeden Fall zu den gleichen Bedingungen wie Inländer Zugang zu …“ (staatlich kontrollierten) „Versorgungsquellen“ erhalten, die zur Ausführung des Bauauftrags erforderlich sind. |
2.3 |
Die Kommission begründet ihren Vorschlag damit, dass diese Richtlinie durch zwischenzeitliche Änderungen überholt sei. |
2.3.1 |
Zum einen sei der Bereich der öffentlichen Aufträge mittlerweile durch die Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG reguliert, durch die die Richtlinie überholt sei. |
2.3.2 |
Soweit die Richtlinie 71/304/EWG darüber hinaus den freien Dienstleistungsverkehr allgemein betreffe, habe sich zum anderen die Rechtsprechung des EuGH mittlerweile wesentlich fortentwickelt. In einer Fußnote zitiert die Kommission als Beleg dazu wörtlich einen Leitsatz aus der Rechtsache C 76/90 Säger, der besagt, dass Artikel 59 EWG-Vertrag (Freier Dienstleistungsverkehr, jetzt Artikel 49) nicht nur sämtliche Diskriminierungen für Dienstleistungserbringer aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit untersage, sondern auch aller Beschränkungen — selbst wenn sie unterschiedslos für alle Dienstleistungserbringer unbeschadet ihrer Herkunft gelten -, „wenn sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat tätig ist und dort rechtmäßig ähnliche Tätigkeiten erbringt, zu unterbinden oder zu behindern“. |
2.3.3 |
In ihrem Begründungstext fasst die Kommission die Rechtsprechung des EuGH so zusammen, dass er klargestellt habe, „dass durch Artikel 49 EG-Vertrag unterschiedslos geltende Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit zu behindern, untersagt“ seien. |
2.4 |
In den Erwägungsgründen hebt die Kommission unter erneutem Hinweis auf die neuen Vergaberichtlinien und das Urteil Säger darauf ab, dass durch sie für den Wirtschaftsteilnehmer ein Schutzniveau gewährleistet werde, das mindestens ebenso hoch sei, wie das aufgrund der aufzuhebenden Richtlinie. |
2.5 |
Der eigentliche Richtlinientext besteht aus vier Artikeln. Artikel 1 hebt die Richtlinie 71/304/EWG auf. Artikel 2 gibt den Mitgliedstaaten auf, diese Richtlinie zur Aufhebung einer Richtlinie durch die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften umzusetzen, deren Wortlaut der Kommission samt einer Tabelle der Entsprechungen zwischen der Richtlinie und diesen innerstaatlichen Rechtsvorschriften mitzuteilen, und auf die Richtlinie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung Bezug zu nehmen, wobei sie die Einzelheiten der Bezugnahme selbst festlegen. Artikel 3 regelt das Inkrafttreten der Richtlinie am Tag der Veröffentlichung und Artikel 4 stellt fest, dass die Richtlinie an die Mitgliedstaaten gerichtet ist. |
3. Bewertung des Kommmissionsvorschlags
3.1 |
Der vorgelegte Vorschlag für eine Richtlinie zur Aufhebung der Richtlinie 71/304/EWG hält der Überprüfung nach den in dieser Stellungnahme unter 1. ausgeführten Gesichtspunkten leider nicht in jedem Punkt vollständig stand. |
3.2 |
Generell ist anzumerken, dass die vorgeschlagene Richtlinie zur Aufhebung einer anderen Richtlinie eine der ersten Richtlinien dieses Typs aus einer ganzen Serie gleichartiger Richtlinien ist. Es ist deshalb angebracht, zu hinterfragen, ob es wirklich die effektivste Herangehensweise ist, das für die nächsten Monate und Jahre vorgelegte Arbeitsprogramm zur Aufhebung einer Vielzahl von obsolet gewordenen Richtlinien in der Weise umzusetzen, dass zur Aufhebung jeder einzelnen obsolet gewordenen Richtlinie jeweils eine einzelne neue Richtlinie erlassen wird. Es sollte bei der weiteren Umsetzung des Arbeitsprogramms noch einmal geprüft werden, ob es nicht alternativ möglich und effizienter wäre, mehrere Richtlinien zugleich durch eine einzige neue Richtlinie aufzuheben. Da die Gesetze der Mitgliedstaaten nicht selten die gleichzeitige Umsetzung mehrerer Richtlinien beinhalten, könnte dadurch vermieden werden, dass immer dieselben Gesetze der Mitgliedstaaten in kurzem Abstand gleich mehrfach angepasst werden müssten. |
3.3 |
In Bezug auf den hier vorliegenden Richtlinienvorschlag sollte noch einmal überlegt werden, ob die in Artikel 2 vorgesehene Umsetzungsform wirklich alternativlos ist, oder ob nicht eine Aufforderung an die Mitgliedstaaten, ihren Rechtsbestand daraufhin zu überprüfen, ob eine Anpassung notwendig ist und diese gegebenenfalls vorzunehmen, zur Zweckerreichung ausreichend wäre. |
3.4 |
Denn in der aufzuhebenden Richtlinie aus dem Jahre 1971 ging es im Wesentlichen um die Aufhebung damaliger diskriminierender Gesetze und Regelungen der Mitgliedstaaten sowie um die Durchsetzung allgemeiner gemeinschaftsrechtlicher Grundsätze im Zusammenhang mit der öffentlichen Auftragsvergabe, die in der Zwischenzeit in neueren Richtlinien wiederholt und weiter detailliert worden sind. |
3.5 |
Soweit es um die Abschaffung diskriminierender Regelungen der Mitgliedstaaten ging, war diese im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 71/304/EWG bereits in den siebziger Jahren bzw. in den später beigetretenen Mitgliedstaaten jeweils im Zuge der Übernahme des aquis communautaire vorzunehmen. Die geplante Aufhebung dieser Richtlinie bedeutet nun gerade nicht, dass die Abschaffung dieser früheren diskriminierenden nationalen Regelungen wieder rückgängig gemacht werden soll. Die damals erlassenen nationalen Gesetze zur Aufhebung diskriminierender Regelungen müssen also nicht an den Wegfall der Richtlinie angepasst werden, da sie ihren Zweck in aller Regel mit der Abschaffung der diskriminierenden Regelungen erreicht haben und der Vertrag und alle neueren Richtlinien das Fortbestehen der Abschaffung bzw. das Verbot diskriminierender Regelungen ohnehin vorsehen. |
3.6 |
Soweit es um die Gesetze der Mitgliedstaaten zur öffentlichen Auftragsvergabe geht, sind diese in aller Regel spätestens nach der Verabschiedung der Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG bereits auf einen Stand gebracht worden, der der Weiterentwicklung des Europäischen Rechts seit 1971 entspricht. Sofern dies noch nicht geschehen sein sollte, kann die Umsetzung der neuen Richtlinien von der Kommission noch durchgesetzt werden. Da sich sämtliche Richtlinien ohnehin grundsätzlich an die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten richten, würde daher eine einfache Aufhebung der Richtlinie 71/304/EWG auf Europäischer Ebene und ein Prüfauftrag an die Mitgliedstaaten offensichtlich vollständig ausreichen, um in diesem Fall den gewünschten Zweck zu erreichen. In den meisten Fällen wird es allenfalls noch darum gehen, bei Gelegenheit redaktionell den Verweis auf die obsolet gewordene Richtlinie 71/304/EWG zu streichen, soweit auf diese Richtlinie überhaupt noch Bezug genommen wurde. |
3.7 |
Es ist bedauerlich, aber nicht mehr zu ändern, dass die Aufhebung der Richtlinie 71/304/EG nicht bereits im Rahmen des Erlasses der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG vorgenommen wurde. Es wird daher angeregt, dass bei allen künftigen Richtlinienvorhaben grundsätzlich immer geprüft werden sollte, ob durch die neue Richtlinie nicht gleichzeitig ältere Richtlinien obsolet werden, und ggf. die Aufhebung solcher obsoleten Richtlinien direkt vorzunehmen. Auch diese Maßnahme könnte schrittweise zu größerer Kohärenz und Übersichtlichkeit des Europäischen Rechts beitragen. |
4. |
Der EWSA schlägt daher vor, dass der Richtlinienvorschlag dahingehend abgeändert wird, dass er sich darauf beschränkt, die Aufhebung der Richtlinie festzustellen und die Mitgliedstaaten aufzufordern, ihren Rechtsbestand auf Änderungsbedarf hin zu überprüfen und ggf. erforderliche Änderungen vorzunehmen. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) KOM(2006) 748 endg.
(2) KOM(2006) 748 endg.
ANHANG
zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Die folgenden Textstellen der Fachgruppenstellungnahme wurden zugunsten von im Plenum angenommenen Änderungsanträgen abgelehnt, hatten jedoch jeweils mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen auf sich vereinigt:
3.9 |
Mit der Begründung des hier vorliegenden Richtlinienvorschlags und dem zweiten Erwägungsgrund wird unterschwellig der Versuch unternommen, einer etwas einseitigen Interpretation des europäischen Primärrechts zum Durchbruch zu verhelfen. |
3.10 |
Wie schon bei dem Kommissionsentwurf zur Dienstleistungsrichtlinie geschieht dies vor allem durch eine verkürzte und einseitige Wiedergabe der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Dienstleistungsfreiheit, hier des Urteils vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-76/90 Säger, indem diese wie folgt zusammengefasst wird: Sie habe „klargestellt, dass durch Artikel 49 EG-Vertrag unterschiedslos geltende Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit zu behindern, untersagt sind.“ Als Beleg für diese Auffassung wird ein Leitsatz des Urteils in der Fußnote 7 zur Begründung zitiert. |
3.11 |
Abgesehen davon, dass der Europäische Gerichtshof in diesem Leitsatz nicht ganz allgemein von allen möglichen geltenden Maßnahmen gesprochen hat, sondern nur von Diskriminierungen und Beschränkungen, nimmt die Kommission mit ihrer Zusammenfassung und dem verkürzten Zitat einen ganz wesentlichen anderen Grundsatz des Urteils nicht zur Kenntnis. Dieser findet sich bereits in dem von der Kommission nicht zitierten Absatz 15 dieses Urteils und in vielen weiteren Urteilen: während alle direkt und indirekt diskriminierenden Maßnahmen und Anforderungen der Mitgliedstaaten klar verboten werden, erlaubt der EuGH weiterhin nichtdiskriminierende Maßnahmen und Anforderungen des Mitgliedstaates, sofern sie aus überwiegenden und zwingenden Gründen des Allgemeininteresses heraus erfolgen und gleichzeitig zur Zielerreichung geeignet und erforderlich sind und gleichzeitig nicht über das zwingend Notwendige hinausgehen. |
3.12 |
Die aus ihrer einseitigen Zusammenfassung des Urteils erkennbare Kommissionsauffassung geht dagegen offensichtlich dahin, dass für grenzüberschreitende Anbieter überhaupt keine Regeln und Anforderungen bzw. Maßnahmen des ausschreibenden Mitgliedstaates mehr gelten sollen, selbst wenn diese sich im vollen Einklang mit den Zielen der Europäischen Verträge und dem sonstigen europäischen Recht befinden, völlig diskriminierungsfrei gehandhabt werden und offensichtlich allen Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes genügen. |
3.12.1 |
Wäre diese Auffassung richtig, müssten selbst bei europäisch finanzierten Projekten der Mitgliedstaaten sämtliche Anforderungen an die Bieter als rechtswidrig angesehen werden, auch diejenigen, die auf ausdrückliche Vorschriften der EU im Zusammenhang mit der Bereitstellung europäischer Fördermittel zurückgehen. Oder auch Anforderungen, die der Einhaltung bestimmter Normvorschriften im noch nicht harmonisierten Bereich und gleichzeitig der Verkehrssicherheit dienen, wie beispielsweise nationale Vorschriften zu Farbe, Reflektionsgrad und Maßen von Ortseingangsschildern. Oder vorbildliche nationale Arbeitsschutzvorschriften, die beispielsweise — wie in den Niederlanden — das Höchstgewicht und die maximalen Ausmaße von Randsteinen regeln, um die Invaliditätsrate der Straßenbauarbeiter zu reduzieren. |
3.12.2 |
Bereits diese Beispiele zeigen die Absurdität einer Überinterpretation der Dienstleistungsfreiheit. Denn bei einer solchen Auslegung würde Artikel 49 EG-Vertrag entgegen seinem Wortlaut und entgegen dem Rechtszusammenhang mit den anderen Artikeln der Europäischen Verträge zu einer Art „Supergrundrecht“ für grenzüberschreitend tätig werdende Unternehmen, welches sämtliche rechtliche Rahmenbedingungen beseitigen würde, die aus gutem Grund und im Einklang mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der EU und ihrer Mitgliedstaaten zur Regulierung der Unternehmenstätigkeit erlassen wurden. Dieser Gedanke wäre den Unionsbürgerinnen und -bürgern wohl kaum zu vermitteln und ist bereits im Zusammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie von allen anderen europäischen Institutionen zurückgewiesen worden. |
3.13 |
Eine solche Rechtsauffassung widerspräche nicht nur dem Inhalt der neueren Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG, sondern auch dem Geist und Buchstaben der Europäischen Verträge, den Bestimmungen und ergänzenden Protokollen zum Subsidiaritätsprinzip und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofes. |
3.14 |
Es ist auch nicht die Aufgabe der Kommission oder irgendeiner anderen europäischen Institution, die Urteile des Europäischen Gerichtshofes verbindlich zu interpretieren. Schon gar nicht kann es deren Aufgabe sein, durch verkürztes Zitieren den Inhalt dieser Urteile auf eine Weise zu verändern, der dem aus den jeweiligen Urteilen erkennbaren Willen des Europäischen Gerichtshofes eindeutig widerspricht. |
3.15 |
Würden solche einseitigen Interpretationen über den Umweg eines Richtlinienvorschlags zum Bestandteil des Europäischen Sekundärrechts erhoben, würden dadurch neue Interpretationsspielräume in Bezug auf die ihr gegenüber älteren Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG eröffnet, die statt zu mehr Rechtsklarheit und -sicherheit zum Gegenteil führen würden. |
4. |
Der EWSA schlägt daher vor, dass der Richtlinienvorschlag dahingehend abgeändert wird, dass er sich darauf beschränkt, die Aufhebung der Richtlinie festzustellen und die Mitgliedstaaten aufzufordern, ihren Rechtsbestand auf Änderungsbedarf hin zu überprüfen und ggf. erforderliche Änderungen vorzunehmen und dies rein technisch mit dem zwischenzeitlichen Erlass der Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG zu begründen. |
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: 43 Nein-Stimmen: 38 Stimmenthaltungen: 12
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/44 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken“ (kodifizierte Fassung)
KOM(2006) 812 endg. — 2006/0264 (COD)
(2007/C 161/13)
Der Rat beschloss am 17. Januar 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 7. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr GRASSO.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 157 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Soll das Gemeinschaftsrecht verständlich und transparent sein, müssen häufig geänderte Rechtsakte kodifiziert werden. |
1.2 |
Bei der Kodifizierung ist das übliche Rechtsetzungsverfahren der Gemeinschaft uneingeschränkt einzuhalten. |
1.3 |
Mit dem Vorschlag soll die Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken kodifiziert werden. Die neue Richtlinie ersetzt die verschiedenen Rechtsakte, die Gegenstand der Kodifizierung sind. Der Vorschlag behält den materiellen Inhalt der kodifizierten Rechtsakte vollständig bei und beschränkt sich darauf, sie in einem Rechtsakt zu vereinen, wobei nur insoweit formale Änderungen vorgenommen werden, als diese aufgrund der Kodifizierung selbst erforderlich sind. |
1.4 |
Der Ausschuss befürwortet diese Kodifizierung. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/45 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu den 25 Rechtsakten, die dringend an den Beschluss des Rates 1999/468/EG vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse in der durch den Beschluss des Rates 2006/512/EG vom 17. Juli 2006 geänderten Fassung angepasst werden müssen
KOM(2006) 901, 902, 903, 905, 906, 907, 908, 909, 910, 911, 912, 913, 914, 915, 916, 917, 918, 919, 920, 921, 922, 923, 924, 925 und 926 endg.
(2007/C 161/14)
Der Rat beschloss zwischen dem 18. Januar und 8. Februar 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 37, 44, 47, 55, 95, 152, 175 und 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch am 14. Januar 2007 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.
Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März), Herrn RETUREAU zum Hauptberichterstatter zu bestellen, und verabschiedete mit 96 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 3 Stimmenthaltungen obenerwähnter Stellungnahme.
1. Zusammenfassung der Stellungnahme des Ausschusses
1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die Ergänzung des Komitologiesystems durch die Einführung des Regelungsverfahrens mit Kontrolle, das dem Rat und dem Parlament gestattet, die Durchführungsvorschriften zu kontrollieren und gegebenenfalls zu modifizieren, die die Kommission in den Fällen selbst festlegt, in denen ihr durch den Rechtsakt Durchführungsbefugnisse in einigen Bereichen eingeräumt werden, wobei sie jedoch nicht zu inhaltlichen Änderungen ermächtigt wird. Dabei geht es im Prinzip lediglich darum, gemäß Artikel 251 EG-Vertrag die zur ordnungsgemäßen Anwendung des besagten Rechtsakts erforderlichen Anpassungen und Änderungen vorzunehmen. |
1.2 |
Der Ausschuss stellt fest, dass die von der Kommission (1) vorgeschlagene, dringend erforderliche Modifizierung einiger Rechtsakte im Einklang mit dem Beschluss 2006/512/EG und der gemeinsamen Erklärung bezüglich des Verzeichnisses der möglichst rasch anzupassenden Rechtsakte sowie der Aufhebung der Fristen für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse steht. |
2. Die Kommissionsvorschläge
2.1 |
Mit Beschluss des Rates 2006/512/EG vom 17. Juli 2006 (2) wurde der Beschluss des Rates 1999/468/EG (3) vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse geändert, insbesondere durch Hinzufügung von Artikel 5a), durch den ein neues Regelungsverfahren mit Kontrolle eingeführt wurde. |
2.2 |
Die Komitologieverfahren zur Überwachung eines jeden Rechtsaktes werden so durch ein zusätzliches Instrumentarium erweitert. Dabei wird für die Rechtsakte, auf die dieses neue Instrument anzuwenden ist, und für die das Mitentscheidungsverfahren oder das Lamfalussy-Verfahren in Finanzfragen gilt, die Kontrolle des Parlaments über die Ausübung der Durchführungsbefugnisse gestärkt, die der Kommission durch den Rechtsakt übertragen wurden. |
2.3 |
In einer gemeinsamen Erklärung (4) haben die Kommission, der Rat und das Parlament ein Verzeichnis der Rechtsakte aufgestellt, die ihrer Ansicht nach dringend an den geänderten Beschluss angepasst werden müssen, indem nunmehr anstelle des ursprünglichen Verfahrens das vorgesehene Regelungsverfahren mit Kontrolle aufgenommen wird. Diese gemeinsame Erklärung sieht unter anderem vor, der Kommission nach den Grundsätzen einer guten Rechtsetzung die Durchführungsbefugnisse ohne zeitliche Befristung zu übertragen. |
2.4 |
Die Kommission schlägt nun vor, 26 als vorrangig erachtete Rechtsakte (5) rückwirkend zu modifizieren, um das neue Verfahren einzuführen und etwaige Bestimmungen zur zeitlichen Befristung der Durchführungsbefugnisse aufzuheben. |
2.5 |
Mit drei der aufgelisteten Mitentscheidungsinstrumente werden nicht nur andere Basisrechtsakte geändert. Es wird auch auf Komitologiebestimmungen verwiesen, die in diesen Rechtsakten anzupassen sind. Für diese drei Fälle schlägt die Kommission vor, letztere anzupassen. Das bedeutet im Einzelnen: |
2.5.1 |
Zur Anpassung der Richtlinie 2005/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2005 schlägt die Kommission vor, folgende Rechtsakte anzupassen:
|
2.5.2 |
Zur Anpassung der Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung schlägt die Kommission vor, folgenden Rechtsakt anzupassen:
|
2.5.3 |
Zur Anpassung der Richtlinie 2001/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 schlägt die Kommission vor, folgenden Rechtsakt anzupassen:
|
2.6 |
Vollständige Liste der vorrangig anzupassenden Rechtsakte:
|
3. Allgemeine Bemerkungen:
3.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat stets die Ansicht vertreten, dass die Komitologieverfahren, an denen lediglich Vertreter der Europäischen Kommission sowie Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten beteiligt sind und die je nach der Art des eingesetzten Ausschusses der Umsetzung, Konsultation oder einer aus der Überwachung und Anwendung der Rechtsakte resultierenden Regelung dienen, für die Bürgerinnen und Bürger der Union transparenter und verständlicher sein müssen, insbesondere für diejenigen, die durch die Rechtsakte unmittelbar betroffen sind. |
3.2 |
Aus diesem Grunde begrüßt der Ausschuss den Beschluss, für die Rechtsakte, die dem Mitentscheidungsverfahren unterliegen, ein neues Regelungsverfahren mit Kontrolle einzuführen. Da das Parlament nicht direkt in den Ausschüssen vertreten ist, wäre es wünschenswert, durch ein System zur Kontrolle der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse zu gewährleisten, dass diese Befugnisse nicht durch die Durchführungsvorschriften, die die Kommission selbst festlegt, überschritten werden. |
3.3 |
Die Abschaffung der Bestimmungen zu der in einigen Rechtsakten enthaltenen zeitlichen Beschränkung der Durchführungsbefugnisse, ergibt sich folgerichtig aus der Stärkung der Kontrolle durch das Parlament und den Rat sowie aus ihrer Befugnis, die durch die Kommission festgelegten Durchführungsvorschriften für jeden Rechtsakt zu ändern, der dem Mitentscheidungsverfahren und dem Lamfalussy-Verfahren unterliegt. |
3.4 |
In der gemeinsamen Erklärung vom 21. Oktober 2006 wurde die Kommission aufgefordert, unverzüglich Vorschläge im Sinne des Beschlusses vom 17. Juli 2006 vorzulegen. Der EWSA stellt fest, dass die Kommission dieser Aufforderung ordnungsgemäß nachgekommen ist. |
3.5 |
Der Ausschuss stellt des Weiteren fest, dass die modifizierten Rechtsakte den in dem genannten Beschluss aufgestellten Prioritäten entsprechen. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) KOM(2006) 901 endg. — 926 endg.
(2) ABl. L 200 vom 22.7.2006, S. 11.
(3) ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.
(4) ABl. C 255 vom 21.10.2006, S. 11.
(5) Es handelt sich um die Dokumente KOM(2006)901 bis 926 endg., eingeleitet durch die Mitteilung KOM(2006) 900 endg. Es sei darauf hingewiesen, dass der EWSA zu dem Dokument KOM(2006) 904 endg. nicht konsultiert wurde.
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/48 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden“
KOM(2006) 373 endg. — 2006/0132 (COD)
(2007/C 161/15)
Der Rat beschloss am 15. September 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 19. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr PEZZINI.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 147 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der Ausschuss teilt die Ansicht, dass Pestizide nachhaltiger eingesetzt werden müssen, um ihre positiven Wirkungen zu optimieren und ihre Schadwirkung auf die Landwirtschaft, Umwelt, Verbraucher, Betreiber und auf die gesamte Gesellschaft zu verringern. |
1.2 |
Grundsätzlich begrüßt der Ausschuss den Kommissionsvorschlag, da darin eine Problematik behandelt wird, die für das Wohl der europäischen Bürger, für die Erhaltung der Lebensqualität und des Ökosystems, für die Entwicklung des ländlichen Raums und darüber hinaus für eine positive Produktentwicklung sehr wichtig ist, damit diese auf dem Binnenmarkt und auf dem internationalen Weltmarkt — auch dank einer kontinuierlichen Qualitätssteigerung — wettbewerbsfähig bleiben. |
1.3 |
Der Ausschuss hält es für zweckmäßig, dass Aktionspläne auf einzelstaatlicher Ebene erarbeitet werden, um die Ziele der Risikominderung festzulegen und eine wirkliche Harmonisierungspolitik auf europäischer Ebene einzuleiten. |
1.3.1 |
Die Pläne müssen in geeignete einzelstaatliche, regionale und lokale Maßnahmen münden, die vor allem die drei Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigen: wirtschaftliche, soziale und ökologische Auswirkung. |
1.4 |
Nach Ansicht des Ausschusses sind Fortbildung und Information unerlässlich, um die Schutzsysteme der landwirtschaftlichen Erzeugung rational und nachhaltig zu nutzen und mögliche negative Umweltfolgen zu vermeiden. |
1.4.1 |
Die Fortbildung muss auf alle Beteiligten — einschließlich der öffentlichen Hand sowie der nichtgewerblichen Nutzer — ausgedehnt werden, wobei selbstverständlich die bereits von etablierten Einrichtungen betriebenen einzelstaatlichen Bildungssysteme aufrechtzuerhalten sind. |
1.5 |
Der Ausschuss hält es für notwendig, dass die Sensibilisierungskampagnen objektiv und neutral sind, die Vorteile für die Erzeugung sowie die Risiken verdeutlichen und sich insbesondere an nichtgewerbliche Nutzer und vor allem an die lokale öffentliche Hand richten. |
1.6 |
Bei der Einführung von Vorsichtsmaßnahmen für besonders heikle Bereiche, z.B. Vorschriften für das Sprühen aus der Luft, sollte nach Ansicht des Ausschusses ein gewisses Maß an Subsidiarität Vorrang haben. |
1.7 |
Der Ausschuss hält es für wichtig, dass der Forschung im Bereich Landwirtschaft und Pflanzenschutz genügend Raum gegeben wird, um das Risiko, das beim Einsatz von chemischen Stoffe und von Mischungen chemischer Stoffe stets vorhanden ist, auf ein Minimum zu reduzieren. |
1.8 |
Ferner ist der Ausschuss der Auffassung, dass der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie FAO, OECD und WHO sowie mit den Nachbarregionen die nötige Aufmerksamkeit gebührt. |
1.9 |
Die Globalisierung der Agrar- und Lebensmittelmärkte erfordert nach Ansicht des Ausschusses einen gemeinschaftlichen Einsatz für die weltweite Durchsetzung der europäischen Produktqualitäts- und Gesundheitsschutzstandards, v.a. durch deren Aufnahme in den Codex Alimentarius. |
2. Begründung
2.1 |
Unter dem Begriff „Pestizide“ versteht man Wirkstoffe, die grundlegende Prozesse in lebenden Organismen beeinflussen und daher Schadorganismen abtöten bzw. unter Kontrolle bringen können (1). In dem Kommissionsvorschlag wird jedoch auf die spezifischere Definition von „Pflanzenschutzmitteln“ Bezug genommen (2). |
2.2 |
Pestizide gelten als wichtig, um Kulturpflanzen vor Insekten, Nagetieren und natürlichen Krankheitserregern zu schützen, können sich jedoch in der Umwelt kumulativ ablagern und ernste Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier verursachen, vor allem wenn sie das Trinkwasser verseuchen. Zu den möglichen Gefahren für den Menschen zählen Krebs, genetische Störungen sowie chronische Schädigungen des Immunsystems. |
2.3 |
Die Risiken für die menschliche Gesundheit können aus der direkten oder indirekten Pestizidexposition, aus ihrer unsachgemäßen Nutzung oder aus Unfällen herrühren, vor allem während und nach ihrem Einsatz für die Landwirtschaft, die Landschaftspflege oder für andere Zwecke. |
2.4 |
Die Risiken einzelner Wirkstoffe in Pestiziden werden im Rahmen des Zulassungsverfahrens abgeschätzt, die Auswirkungen der Exposition gegenüber einer Mischung chemischer Stoffe auf der Ebene der Mitgliedstaaten jedoch nicht angemessen evaluiert. Daher wäre es heute sehr schwierig abzuschätzen, wie sich alle momentan verwendeten Mittel insgesamt auf die menschliche Gesundheit auswirken (3). |
2.5 |
Die Auswirkung der indirekten Exposition derjenigen Personen, die sich in dem Einsatzgebiet von Pestiziden (Ausbreitung von Sprühmitteln in der Luft) aufhalten bzw. dort wohnen, oder der Konsumenten (Rückstände auf landwirtschaftlichen Erzeugnissen bzw. im Wasser) kann für besonders anfällige Gruppen noch gravierender sein. So haben aktuelle Studien (4) die besondere Empfindlichkeit derjenigen Föten nachgewiesen, deren neurologische Entwicklung durch die Pestizidexposition ihrer Mutter gestört wurde. |
2.6 |
Zu berücksichtigen sind die Umweltgefahren, die auf die exzessive und unbeabsichtigte Freisetzung chemischer Stoffe in Wasser, Luft und Boden zurückzuführen sind und den Pflanzen, der wilden Flora und Fauna, der Qualität der einzelnen Umweltmedien und allgemein der biologischen Vielfalt schaden. |
2.6.1 |
Zugleich darf nicht vergessen werden, dass die moderne Gesellschaft auf eine breite Vielfalt an Düngemitteln, Bioziden, Lebensmittelzusätzen, Insektiziden, Pestiziden und Herbiziden vertraut, die eine höhere Lebensmittelqualität und -sicherheit ermöglichen. |
2.7 |
Bei einem verantwortungsvollen Einsatz gewährleisten diese Mittel ein Marktangebot an hochwertigen Grundstoffen, Lebensmitteln sowie Obst und Gemüse, die kostengünstig und daher für jeden Verbraucher erschwinglich sind. Der Einsatz von Ernteschutzmitteln gewährleistet hohe Erträge, verringert die durch Pilze und Bakterien verursachten natürlichen Toxine, reduziert Ernteverluste und trägt zu einem ausreichenden und dauerhaften Nahrungsmittelangebot auf dem Binnenmarkt und dem Weltmarkt bei. |
2.7.1 |
Im Übrigen durchlaufen sämtliche Fungizide, Insektizide und Herbizide bereits ein striktes Zulassungsverfahren, ehe ihr Inverkehrbringen und ihre Nutzung genehmigt werden. |
2.8 |
Der Ausschuss teilt die Ansicht, dass Pestizide nachhaltiger eingesetzt werden müssen, um ihre positiven Wirkungen zu optimieren und ihre Schadwirkungen auf Umwelt, Verbraucher und Betreiber zu verringern; dadurch würde auch der Ruf der Betreiber und derjenigen landwirtschaftlichen Betriebe verbessert, die Pflanzenschutzmittel umsichtig einsetzen. |
2.9 |
Nach Auffassung des Ausschusses muss stärker betont werden, dass ein rationalerer und rationellerer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln positive Auswirkungen für die Landwirte haben kann. Im Übrigen engagieren sich die Landwirte selbst seit Jahren für die Entwicklung rationellerer Techniken wie der integrierte Pflanzenbau und die integrierte Schädlingsbekämpfung, da sie konkreter auf die integrierte Landwirtschaft setzen wollen — dieser Trend sollte unterstützt werden. |
2.10 |
Die echte Herausforderung der Zukunft ist nicht nur, sichere und hochwertige konventionelle wie auch Bio-Erzeugnisse für „bewusstere“ Verbraucher zu liefern, sondern auch die Erwartungen derjenigen zu erfüllen, die Produkte zu moderaten Preisen und mit vergleichbaren Qualitätsgarantien kaufen wollen. |
2.11 |
Die Probleme hinsichtlich der Berücksichtigung von Umweltaspekten beim Einsatz von Pestiziden werden durch die Prioritäten des Sechsten Umweltaktionsprogramms der Europäischen Union (2002-2012) abgedeckt, das die Erarbeitung und Lancierung von sieben thematischen Strategien vorsieht. |
2.12 |
Es gibt eine deutliche Interaktion zwischen den Vorschlägen der bereits angenommenen thematischen Strategien — vor allem diejenigen über den Schutz des Grundwassers und der natürlichen Flora und Fauna, über den Schutz der Böden, über die Abfallentsorgung sowie über Rückstände und Verpackungen — und dem nun vorliegenden Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie. |
2.12.1 |
In der thematischen Strategie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden sind vier neue Umwelt- und Gesundheitsschutzmaßnahmen vorgesehen, unter anderem der Vorschlag für eine Richtlinie über einen Rahmen für den nachhaltigeren Einsatz von Pestiziden, der Gegenstand dieser Stellungnahme ist. |
2.12.2 |
Des Weiteren hat die Kommission eine Folgenabschätzung für die einzelnen möglichen Szenarien erstellt, die sich aus der Anwendung der Maßnahmen für einen nachhaltigen Einsatz von Pestiziden sowie ihrer Kosten ergeben. Darin heißt es: „Die Verluste (für die PSM-Industrie und für Landwirte, die für Schulung und Zertifizierung und für die Wartung von Ausbringungsgeräten zahlen müssen) entsprechen den Nutzen (für Landwirte, die weniger PSM verbrauchen, und für Schulungs- und Wartungseinrichtungen oder Zertifizierungsstellen)“ (5). |
2.13 |
Somit ist die Nettogesamtauswirkung, die der Verringerung der externen Kosten entspricht, eindeutig positiv: „Die Extrapolation aus einer umfassenden Studie in Deutschland legt den Schluss nahe, dass der optimierte Einsatz von Pestiziden aufgrund der Kosteneinsparung von über 200 Mio. EUR pro Jahr infolge der Verringerung externer Effekte (wie Schadwirkungen auf Gesundheit und Umwelt) der EU insgesamt nutzen dürfte“ (6). |
2.14 |
Bereits 2003 (7) hatte der EWSA Gelegenheit, sich zu einer Kommissionsinitiative bezüglich der Erarbeitung einer thematischen Strategie für den Einsatz von Pestiziden zu äußern. Der Ausschuss hält es für sinnvoll, hier auch ausdrücklich den Aspekt Pflanzenschutz zu erwähnen, der durch den Einsatz von Pestiziden sowie durch andere Techniken wie Biopestizide, Pflanzenextrakte, Präventionsmethoden, organische Methoden und Pflanzenresistenz gegenüber bestimmten Schädlingen erreicht werden kann und dessen Vorteile und Risiken auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage zu evaluieren sind. |
3. Der Kommissionsvorschlag
3.1 |
Der Kommissionsvorschlag hat zum Ziel, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt vor dem gefährlichen unsachgemäßen bzw. exzessiven Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und im Ökosystem zu schützen, indem die damit verbundenen Risiken und Schadwirkungen in einer Weise verringert werden, „die mit dem erforderlichen Pflanzenschutz vereinbar ist“. |
3.2 |
Der Kommissionsvorschlag sieht insbesondere vor:
|
4. Bemerkungen
4.1 |
Der Ausschuss begrüßt den Kommissionsvorschlag insofern, als darin eine Problematik behandelt wird, die für das Wohl der europäischen Bürger und Verbraucher, für die Erhaltung der Lebensqualität, für die Landwirtschaft und für das Ökosystem von großer Bedeutung ist. |
4.2 |
Schätzungen zufolge werden weltweit jährlich Pestizide im Wert von ca. 25 Mrd. EUR verkauft und weiterhin sehr viele Pestizide in Entwicklungsländern eingesetzt, auch wenn diese Märkte stagnieren oder zurückgehen (8). Zugleich erfordert die zunehmende Globalisierung der Agrar- und Lebensmittelmärkte, dass alle Beteiligten die entsprechenden Produktivitäts- und Gesundheitsstandards des Codex Alimentarius genau einhalten, damit sich das Gresham-Gesetz nicht auch auf diese Märkte auswirkt (9). |
4.3 |
Ferner werden in verschiedenen Teilen der Welt enorme Mengen an Pestiziden verschwendet oder unnötig eingesetzt, und viele Menschen leiden an Vergiftungen, weil die Landwirte, Betreiber und die lokalen Behörden nicht über neue technische Anwendungen informiert sind oder ihr einschlägiges Wissen nicht aktualisiert haben und weil die für den Pestizideinsatz genutzten Maschinen oftmals veraltet bzw. nicht richtig gewartet sind. Des Weiteren werden in der EU bereits verbotene gefährliche Mittel immer noch in den Entwicklungsländern eingesetzt (10). |
4.4 |
Der Ausschuss hält die Erarbeitung nationaler Aktionspläne mit quantitativen Zielen und Zeitplänen für besonders sinnvoll, um geeignete Maßnahmen zur notwendigen Risikoverringerung auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu ergreifen und dabei die drei Aspekte der Nachhaltigkeit — wirtschaftliche, soziale und ökologische Auswirkung — zu berücksichtigen. |
4.5 |
Die gesellschaftlich verantwortungsvolle Nutzung von Schutzmitteln für die landwirtschaftliche Erzeugung ist grundlegend für die Erreichung immer ehrgeizigerer sozialer Ziele, wobei einerseits dafür zu sorgen ist, dass die Landwirte ihren Verpflichtungen in der Lebensmittelkette nachkommen und hochwertige Lebensmittel für die Verbraucher erzeugen, und andererseits ein angemessenes Wettbewerbsniveau der Landwirtschaft — im Rahmen der Lissabon-Strategie — auf dem Binnenmarkt wie auf dem Weltmarkt zu gewährleisten ist. |
4.6 |
Der wirtschaftliche Aspekt der Nachhaltigkeit besagt, dass die Mittel nur in dem notwendigen Maße eingesetzt werden, um die verschiedenen Krankheiten unter der Gefahrenschwelle zu halten und so den Ertrag der Kulturpflanzen, die Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie die Wirtschaftlichkeit der Landbewirtschaftung zu steigern. |
4.7 |
In ökologischer Hinsicht sollten die Gefahren einer überhöhten und unerwünschten Konzentration chemischer Stoffe im Wasser, im Boden, in der Luft und in verarbeiteten Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen vermieden werden. Diese Stoffe schaden den Menschen, der Flora und Fauna, der Umweltqualität und allgemein der biologischen Vielfalt. Andererseits darf nicht vergessen werden, dass gegen die Ausbreitung und Vermehrung von Pflanzenkrankheiten unbedingt vorzubeugen ist. |
4.8 |
Hinsichtlich der Einführung nationaler Aktionspläne ist es wichtig, dass die künftigen Maßnahmen auf EU-weiten Vorschriften und Kriterien beruhen, damit keine Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt entstehen. |
4.9 |
Allgemeine und berufliche Bildung sowie Information sind wichtig in Zusammenhang mit einer rationalen und nachhaltigen Nutzung der Schutzsysteme der landwirtschaftlichen Erzeugung und eine Voraussetzung, um die besten landwirtschaftlichen Verfahren zu gewährleisten und mögliche negative Umweltfolgen zu vermeiden, insbesondere was die umfassende Schulung aller Beteiligten, einschließlich der öffentlichen Hand und der nichtgewerblichen Nutzer, angeht. |
4.10 |
Die Mitgliedstaaten haben unterschiedliche Ausbildungssysteme geschaffen, die auf einzelstaatlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften beruhen und von etablierten Einrichtungen betrieben werden. Nach Ansicht des Ausschusses bedarf es folglich eines flexiblen gemeinschaftlichen Bezugsrahmens, um die Ansprüche der unterschiedlichen Nutzergruppen zu erfüllen — auch auf der Grundlage didaktischer Methoden und Inhalte, die von den Betroffenen auf europäischer Ebene vereinbart (11) und im Rahmen eines sektorspezifischen Dialogs und einer Partnerschaft zwischen den Sozialpartnern vor Ort erörtert werden. |
4.11 |
Dasselbe gilt für die Informations- und Sensibilisierungskampagnen über die Vorteile der möglichen Pflanzenschutzverfahren und die Risiken von Schadwirkungen, die objektiv und neutral sein müssen. Diese Kampagnen könnten in den einzelnen Mitgliedstaaten — auch über eine Abgabe auf Enteschutzmittel — finanziert werden. Mit diesen Geldern könnten die Nutzer, insbesondere die nichtgewerblichen Nutzer, in unterschiedlicher Form, vor allem mit einfachen, über das Internet aktualisierten technischen Leitfäden, sensibilisiert werden. |
4.12 |
Der Ausschuss hält es für essentiell, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften für die regelmäßige technische Kontrolle und Wartung von in Gebrauch befindlichen Geräten für den Einsatz von Pestiziden erlassen, die auf gemeinsamen, harmonisierten Bestimmungen entsprechend den wesentlichen Anforderungen basieren. |
4.13 |
Werden Vorsichtsmaßnahmen in besonders heiklen Bereichen wie dem Wasserschutz (12) — die mit der einschlägigen Rahmenrichtlinie übereinstimmen müssen — und in Natura-2000-Gebieten ergriffen, dann ist den örtlichen Gegebenheiten und den unterschiedlichen Kulturpflanzen wie dem Reisanbau Rechnung zu tragen. |
4.13.1 |
Nach Ansicht des EWSA sind bewährte Verfahren zur Risikominderung anzuwenden, indem gemeinsame Bestimmungen und Mindestkriterien ausgewogen und rational festgelegt werden, wobei die Auswahl der Maßnahmen und ihre strenge Kontrolle jedoch Sache der Mitgliedstaaten bleiben müssten und kein generelles Verbot eingeführt werden sollte, das der Ausschuss für übertrieben hält. |
4.14 |
Hinsichtlich scharfer Beschränkungen für das Sprühen aus der Luft sollte nach Ansicht des EWSA genau bedacht werden, dass es geografische Gebiete und Situationen gibt, in denen dieses Verfahren nicht durch andere Techniken ersetzt werden kann, und dass daher für diese Maßnahmenart eventuell äußerst begrenzte Ausnahmebestimmungen zugelassen werden sollten, um die maximale Sicherheit und Professionalität der Betreiber zu gewährleisten und so Schadwirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten und die auf den unterschiedlichen Ebenen zuständigen Behörden sollten die Sicherheits- und Professionalitätsniveaus nach einheitlichen Risikobewertungsverfahren systematisch kontrollieren. |
4.15 |
In der Gemeinsamen Agrarpolitik (13) wächst die Zustimmung zur Entwicklung von Techniken des integrierten Pflanzenbaus (Integrated Crop Management — ICM) (14), in die — in gegenseitiger Abstimmung — schrittweise neue Methoden der integrierten Schädlingsbekämpfung (Integrated Pest Management — IPM) aufgenommen werden sollten. Der Ausschuss unterstützt nachdrücklich die ICM-Techniken, die einen Meilenstein auf dem Weg zu nachhaltigen Agrarsystemen darstellen. |
4.16 |
Im Übrigen ist es sehr schwierig, die unterschiedlichen Auswirkungen des Pflanzenschutzes von den Effekten einer Reihe anderer landwirtschaftlicher Methoden (Rotation usw.) zu trennen: Wenn die Mitgliedstaaten bis 2014 verpflichtet sind, allgemeine IPM-Zielvorschriften zu erarbeiten, dann muss nach Ansicht des Ausschusses die uneingeschränkte Einbeziehung der Nutzer und die vollständige Berücksichtigung der allgemeinen ICM-Techniken sowie der Fortschritte in puncto Technik und technologische Forschung in diesem Sektor gefördert werden, wobei diese Forschung auch in den Arbeitsprogrammen des Siebten Rahmenprogramms für F&E unterstützt und ausgebaut werden muss. |
4.17 |
Der Ausschuss hält es für wichtig, dass der Forschung über das Schädlichkeitsniveau neuer Technologien im Bereich Landwirtschaft und Pflanzenschutz sowie über Risikominderung beim Einsatz von chemischen Stoffen und von Mischungen chemischer Stoffe im Rahmen der Arbeitsprogramme und der Ausschreibungen des Siebten Rahmenprogramms für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration 2007-2013 genügend Raum gegeben wird. |
4.18 |
In seiner Stellungnahme zur Zukunft der GAP (15) hat der EWSA verschiedene Möglichkeiten für eine stärkere Berücksichtigung von Umweltaspekten in der Agrarpolitik aufgezeigt. Darin betont er, dass der so genannte zweite Pfeiler der Agrarpolitik vorsieht, dass die Mitgliedstaaten in der neuen Programmplanung 2007-2013 der Strukturfonds und in den nationalen und regionalen ländlichen Entwicklungsplänen Anreize für Ausgleichsmechanismen für die Landwirte schaffen, denen eine Verringerung der beim Einsatz chemischer Pestizide auftretenden Risiken gelingt (16). |
4.19 |
Die IPC-Techniken sind entsprechend den neuen Bestimmungen über die Vermarktung von Pflanzenschutzmitteln festzulegen, und die Standards für die IPM-Techniken müssen die unterschiedlichen natürlichen und klimatischen Bedingungen in der EU berücksichtigen. |
4.20 |
Schutzmittel für die landwirtschaftliche Erzeugung sind so zu handhaben und zu lagern, dass jedes mögliche Gesundheits- und Umweltrisiko vermieden wird. Nach Ansicht des Ausschusses sollte — über die vorgeschlagenen Maßnahmen hinaus — auf Gemeinschaftsebene ein Rahmen mit Mindeststandards für die Lagerung bei Großhändlern, Einzelhändlern und Landwirten festgelegt werden (17). |
4.21 |
Hinsichtlich des Systems harmonisierter Indikatoren für die obligatorische Erfassung und Mitteilung statistischer Informationen über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Pestiziden teilt der Ausschuss uneingeschränkt die Ansicht, dass statistische Angaben notwendig sind und dass sie auf der Grundlage EU-weit harmonisierter Risiko- und Verwendungsindikatoren regelmäßig erfasst werden müssen. |
4.22 |
Der Ausschuss unterstreicht, wie wichtig es ist, bei allen Beteiligten homogene Daten anzufordern und dabei auch Überschneidungen und übermäßige Belastungen durch einen hohen Verwaltungsaufwand und hohe Fachlichkeit zu vermeiden. |
4.23 |
Die Indikatoren sollten auf dem Risikoniveau statt auf den Mengen der verwendeten Mittel bzw. der vorhandenen Rückstände sowie auf den Gesundheitsauswirkungen — auch mittels WHO-Analysen — basieren und sich auch auf den Verbreitungsgrad der Krankheiten und Krankheitserreger beziehen, welche die Erzeugung befallen. |
4.24 |
Der Ausschuss hält es für sinnvoll, Aspekten der internationalen Zusammenarbeit mit Organisationen wie der FAO (18) und der OECD (19) sowie mit den Nachbarregionen, insbesondere mit den Ländern des Mittelmeerraums, mit den Balkan- und mit den Nachbarländern, genügend Bedeutung beizumessen. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) Internationaler Verhaltenskodex für den Vertrieb und die Anwendung von Pestiziden (FAO, November 2002) und Artikel 2 der Entschließung 1/123 der 123. Sitzung des Rates der FAO, 2002.
(2) Vgl. KOM(2006) 388 endg., Artikel 2, Absatz 1.
(3) Es sei darauf hingewiesen, dass weltweit bereits Methoden existieren, die vor allem in den Vereinigten Staaten verbreitet sind. Siehe
http://www.epa.gov/ord/htm/innovations.htm.
(4) Developmental neurotoxicity of industrial chemicals, Lancet 2006; 368:2167-78.
(5) Vgl. SEK(2006) 914, Ziffer 5, Absatz 2.
(6) Vgl. SEK(2006) 914.
(7) ABl. C 85 vom 8.4.2003, S. 112-118.
(8) Entschließung 1/123 des Rates der FAO 11/2002 (www.fao.org).
(9) http://de.wikipedia.org/wiki/Greshamsches_Gesetz.
(10) z.B. wurde Lindan in der EU verboten, ist jedoch in den Entwicklungsländern weiterhin in Gebrauch.
(11) Vgl. ECPA „Training resource for trainers on ICM“ und die „Guidelines on the Sustainable use of Crop protection products“.
(12) Vgl. die gemäß Richtlinie 91/414/EWG eingeführten vorbildlichen Verfahren.
(13) Vgl. CEAS „Report on CM Systems in the EU carried out for DG Environment“ und den „Kodex für den integrierten Landbau“ Initiative für nachhaltige Entwicklung in der Landwirtschaft (ENEL). Dieser Kodex wurde in dem o.g. CEAS-Bericht anerkannt.
(14) „Report on CM Systems in the EU“, Europäische Kommission, Mai 2003. Bemerkungen von PAN Europe und der EEB, 9/2002.
(15) ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 87-99.
(16) Vgl. Fußnote 3.
(17) Vgl. Guidelines for Packaging and Storage of Pesticides (Leitlinien für die Verpackung und Lagerung von Pestiziden) (FAO 1985). Momentan sehen die EU-Rechtsvorschriften über die Aufbewahrung chemischer Stoffe Standards lediglich für große Mengen vor, während es — entgegen den Erfordernissen — für begrenzte Pestizidmengen einzelner Betreiber keinerlei Vorschriften gibt.
(18) Insbesondere für die Begleitung, Anwendung und Aktualisierung des International code of conduct on the distribution and use of pesticides. November 2002.
(19) Insbesondere für die Entwicklung von Indikatoren.
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/53 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung der Richtlinie 68/89/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Sortierung von Rohholz“
KOM(2006) 557 endg. — 2006/0178 (COD)
(2007/C 161/16)
Der Rat beschloss am 11. Oktober 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 19. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr DORDA.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 159 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Einleitung
1.1 |
Der Vorschlag der Kommission betrifft die Aufhebung der Richtlinie 68/89/EWG des Rates vom 23. Januar 1968 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Sortierung von Rohholz. |
1.2 |
In Anbetracht der über mehrere Jahre hinweg geäußerten Stellungnahmen der Mitgliedstaaten sowie der Forst- und der Holzwirtschaft, nach denen die Richtlinie im Holzhandel nicht allgemein angewendet wurde, schlägt die Kommission die Aufhebung dieser Richtlinie vor. |
2. Allgemeine Bemerkungen
2.1 |
Mitte 2005 beteiligten sich 19 Mitgliedstaaten und 11 Vertreter einzelstaatlicher Industrieverbände an einer Umfrage, anhand derer festgestellt werden sollte, ob die besagte Richtlinie angewendet wird und ob ihre Aufhebung negative Folgen haben würde. Die Ergebnisse der Befragung bestätigten, dass die Mehrheit sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Industrieverbände die Richtlinie im Holzhandel nicht anwendet. Es stellte sich heraus, dass die Richtlinie nicht detailliert genug ist, dass sie die für das Holz vorgesehenen Verwendungszwecke nicht berücksichtigt und den Markterfordernissen nicht gerecht wird. |
2.2 |
Die genannte Richtlinie des Rates fand nur in begrenztem Maße Anwendung, da sie nicht verbindlich ist, die darin vorgesehenen Mess- und Sortierverfahren veraltet sind und die Marktteilnehmer sich auf die Anwendung anderer Mess- und Sortierverfahren geeinigt haben. Ungeachtet dessen wurde die Entwicklung des Binnenmarktes für Rohholz und des außergemeinschaftlichen Rohholzhandels nicht behindert. Außerdem gibt es inzwischen europäische Normen für die Messung und Sortierung von Holz, die von Fall zu Fall bei Holzgeschäften angewendet werden können und die als bessere Lösung gelten. |
2.3 |
Die Aufhebung dieser Richtlinie entspricht folglich dem Ergebnis der Konsultation der Mitgliedstaaten, der Forst- und der Holzwirtschaft. Die mit der Richtlinie verfolgten Ziele können ohne rechtliche Vorschriften der Gemeinschaft erreicht werden. |
2.4 |
Aus den genannten Gründen sowie in Anbetracht der Tatsache, dass die Aufhebung der Richtlinie keine Auswirkungen auf den Haushalt der Gemeinschaft haben und zur Vereinfachung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften beitragen wird, unterstützt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss den Vorschlag der Kommission. Er ist der Auffassung, dass Rechtsvorschriften, die kaum angewendet werden und die für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes in der betreffenden Branche nicht erforderlich sind, nicht beibehalten werden sollten. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/54 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Tierschutzkennzeichnung“
(2007/C 161/17)
Mit Schreiben vom 28. November 2006 ersuchte die deutsche Ratspräsidentschaft den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um eine Stellungnahme zu folgendem Thema: „Tierschutzkennzeichnung“.
Die Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz wurde mit den Vorarbeiten zu dieser Stellungnahme beauftragt.
Aufgrund der Dringlichkeit bestellte der Ausschuss auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 15. März) Herrn NIELSEN zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 92 gegen 6 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Das Interesse an der Förderung tiergerechterer Produktions- und Zuchtmethoden für Nutztiere in der Europäischen Union nimmt zu. Vor diesem Hintergrund wird eine freiwillige Kennzeichnungsregelung als Ergänzung zu den bereits geltenden verbindlichen Tierschutz-Mindestanforderungen angeregt, die zusammen mit den allgemeinen gewerblichen Kennzeichnungen als auch mit stärker qualitätsbezogenen Kennzeichnungen — etwa „quality schemes“ — verwendet werden kann. Dadurch würden die Kräfte des Marktes unterstützt und weder das politische System noch die einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden unnötig belastet. Derartigen Gütesiegeln kommt im Wettbewerb auf dem Lebensmittelmarkt eine wichtige Rolle zu; sie erfassen häufig unterschiedliche Elemente des Wohlbefindens von Tieren, die über die geltenden verbindlichen Mindestnormen hinausgehen. Für die Verbraucher ist es allerdings schwierig, die Grundlagen der Kennzeichnung und den Inhalt der Regeln zu überblicken, und nicht immer beruhen die Tierschutzaspekte auf einer ausreichenden wissenschaftlichen Grundlage. |
1.2 |
Ein derartiges marktbasiertes System, das auf objektiven Kriterien zur Bestimmung des Maßes an Tiergerechtheit beruht, hätte den Vorteil, flexibler, effektiver und zukunftsfähiger zu sein als politisch festgesetzte Kriterien und wäre daher zweckdienlicher. Die künftige Entwicklung der Erzeugung dürfte durch eine größere Spannbreite der Produktionsverhältnisse geprägt sein, was auf die EU-Erweiterung, die kontinuierliche Spezialisierung und Diversifizierung der Produktion sowie die strukturellen Änderungen im Einzelhandel und die Partnerschaften in der Produktentwicklung und bei Markenwaren zurückzuführen ist. |
1.3 |
Tiergerechtere Produktions- und Zuchtmethoden müssen gefördert werden, was auf direktem Weg durch Bildungsmaßnahmen und die Umsetzung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse geschehen kann, aber auch dadurch, dass die Signale des Marktes wahrgenommen werden, die zugleich auch ein wichtiger Impulsgeber für das Setzen von Schwerpunkten in der Ausbildung, bei Investitionen usw. sein können. Auf diese Weise kann ein Kennzeichnungssystem zu notwendigen durchgängigen Synergien und einem rationelleren Einsatz der Ressourcen beitragen. Die Nutztierzüchter sind an einem stabilen Rahmen interessiert, denn heutzutage müssen sie den wechselnden Vorgaben der Einzelhandelsketten, die mehr oder weniger begründet sind, folgen, was ihre Planung und Investitionsstrategie beeinflusst. |
1.4 |
Ein über die Mindestnormen hinausgehendes Tierschutzkennzeichnungssystem sollte demnach ein freiwilliges Angebot für die betroffenen Erzeuger, den Handel und die Industrie sein; privatwirtschaftliche Kennzeichnungsregelungen können auf wissenschaftlichen und praktisch fundierten Standards aufbauen und im Zuge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse aktualisiert werden. Konkret könnten auf freiwilliger Basis Logos zusammen mit einer Farbmarkierung oder einem Punktesystem eingesetzt werden, die die gewerblichen Gütesiegel ergänzen und in Verbindung mit einer privaten, unabhängigen Kontrolle eine sachliche Vermarktungsgrundlage schaffen würden. Ein solches System könnte im Prinzip für alle Nutztierarten und tierischen Erzeugnisse herangezogen werden. Den WTO-Bestimmungen zufolge könnte es auch zu gleichen Bedingungen auf eingeführte Produkte angewendet werden. |
1.5 |
Die herkömmliche Behördenregulierung soll jedoch weiterhin bei der Festsetzung von Mindestnormen in der EU erfolgen, wie auch — wie bisher — bei der Kennzeichnung der Art der Erzeugung von Eiern und ökologischen Produkten. Diese Art der Regulierung ist jedoch politisch und verwaltungstechnisch schwerfällig, weshalb sie sich weniger eignet, um Anreize für die Entwicklung artgerechterer Produktions- und Zuchtmethoden zu bieten. Auch würden Erzeuger, Industrie und Handel das System als starr und bürokratisch empfinden — nicht einmal den Verbrauchern würde es wesentliche Vorteile bringen. |
1.6 |
Die vorgeschlagene Regelung ähnelt im Wesentlichen den allgemeinen Umweltschutzkennzeichnungen, darunter dem Umweltzeichen der EU. Die Umweltschutzkennzeichnungen beruhen auf gemeinsamen Grundsätzen für die Produktion und die Anwendung auf überaus verschiedenartige Erzeugnisse, wodurch eine größere Synergie geschaffen und der Kennzeichnung zu einem größeren Bekanntheitsgrad verholfen werden kann. Aufgrund der Wettbewerbssituation werden die Akteure in der Lebensmittelbranche jedoch verständlicherweise ihre eigenen Gütesiegel bevorzugen, weshalb sich das „Umweltmodell“ nicht unmittelbar für die Tierschutzkennzeichnung eignet; außerdem muss eine Tierschutzkennzeichnung unbedingt auf einschlägigen Forschungserkenntnissen und einer Gewichtung der Tierschutzindikatoren basieren. |
1.7 |
Die Forschungsmaßnahmen in der Europäischen Union im Tierschutzbereich entscheiden, ob es in Zukunft möglich sein wird, Tierschutzbelange auf wissenschaftlicher und objektiver Basis in der Kette Landwirtschaft-Produktion-Handel zu berücksichtigen. Doch sollten die Elemente einer Kennzeichnungsregelung schon bald definiert werden, damit die Erkenntnisse aus der Forschung und einheitliche objektive, messbare und nachprüfbare Tierschutzindikatoren, sobald sie vorliegen, in eine praktische Strategie und in die Anwendung im Rahmen eines Kennzeichnungssystems umgesetzt werden, sodass die Betroffenen sich mit der Regelung vertraut machen können. |
1.8 |
Als unumgänglich erweisen sich intensive Aufklärungskampagnen u.a. an die Adresse der Verbraucher und des Einzelhandels, und zwar auch zu den vorgeschriebenen EU-Mindestnormen. Ferner sollte über die Einrichtung einer durch die Europäische Union geförderten Internetseite und einer Datenbank nachgedacht werden, um eine größere Transparenz und Offenheit zu erzielen, setzt doch die Anwendung gemeinsamer Leitlinien die Veröffentlichung des genauen Inhalts voraus. Weiterhin muss erwogen werden, das Verbot und die Kontrolle unrichtiger und irreführender Werbebehauptungen strenger zu handhaben, um sicherzustellen, dass die Unternehmen in größerem Maße ihren eigenen Behauptungen nachkommen. |
2. Hintergrund
2.1 |
Entsprechend dem Ersuchen der deutschen Ratspräsidentschaft sollen in der Stellungnahme mögliche Systeme zur Kennzeichnung der tiergerechten Erzeugung sowie die Ausgestaltung solcher Systeme beschrieben werden. Dies soll mit Blick auf die Entwicklung von Produktions- und Zuchtmethoden geschehen, die den Tierschutz stärker berücksichtigen. Dabei steht das zunehmende Interesse für das Wohlbefinden der Tiere in der Europäischen Union im Hintergrund, wo Tierschutzbelange ebenso wie andere ethische Aspekte zunehmend als Elemente des „europäischen Gesellschaftsmodells“ aufgefasst werden. Die Verbraucher haben die berechtigte Erwartung, (die in Eurobarometer-Umfragen zum Ausdruck kommt), dass tierische Lebensmittel durch Verfahren erzeugt werden, die die in der EU geltenden Rechtsvorschriften (insbesondere im Bereich des Tierschutzes) berücksichtigen, und dass objektive und glaubwürdige Kriterien vorliegen, mit deren Hilfe tiergerecht erzeugte Lebensmittel ausgewählt werden können (1). Hinzu kommt ein vielfältiger Zusammenhang zwischen Tierschutz und Gesundheit bei Nutztieren und der Entwicklung von Krankheiten, die auf den Menschen übertragen werden können. |
2.2 |
Wie aus den meisten Erhebungen hervorgeht, halten die Verbraucher das Wohlergehen der Tiere für einen wesentlichen Parameter der Produktqualität; diese Sichtweise mag in einigen Mitgliedstaaten freilich weniger stark ausgeprägt sein. Das Wohlergehen bzw. die Lebensqualität eines Tieres ist die Summe der positiven oder negativen Erlebnisse, denen das Tier im Laufe seines Lebens ausgesetzt ist: Schmerz, Krankheit, Konfliktverhalten, Verhaltensauffälligkeiten sowie Dauerstress sind als negative Erfahrungen für das Tier zu werten, wohingegen Ruhe, Schlaf, Futter, Brut- und Hautpflege als positive Erlebnisse gelten dürfen. Es gibt allerdings keine anerkannte eindeutige Definition des Wohlbefindens von Tieren. |
2.3 |
Die Europäische Union hat unter anderem auf der Grundlage der Empfehlungen des Europarats eine Reihe von Mindestnormen für den Tierschutz verabschiedet und dabei den Weg der herkömmlichen Behördenregulierung gewählt. Viele dieser Mindestnormen sollen in den kommenden Jahren im Einklang mit früheren Beschlüssen überarbeitet werden. Ferner wurden spezifische Regeln für eine freiwillige Kennzeichnung ökologischer Erzeugnisse und für die verbindliche Kennzeichnung der Produktionsmethode bei der Vermarktung von Eiern sowie einige vereinzelte Bestimmungen über die Vermarktung von Schlachtgeflügel und Rindfleisch verabschiedet. |
2.4 |
Die Lebensmittelindustrie und der Einzelhandel, die durch steigende Konzentration und Wettbewerb geprägt sind, arbeiten zunehmend mit eigenen Gütesiegeln, welche die besondere Berücksichtigung verschiedener Qualitätsaspekte — darunter auch zunehmend die artgerechte Erzeugung — verdeutlichen sollen. Parallel hierzu haben Erzeugerorganisationen und Genossenschaften eine Reihe regionaler Gütesiegel entwickelt, die sich meist auf den Tierschutzaspekt und die Ökologie beziehen. Einzelne Produktionen können vom System der EU zum Schutze geografischer Bezeichnungen und traditioneller Spezialitäten (2) profitieren. |
2.5 |
Es sind bedeutende länderspezifische Unterschiede zu verzeichnen. So dominieren auf dem britischen Markt Kennzeichnungen des Handels, während beispielsweise in Frankreich und Italien eine Vielzahl regionaler Gütesiegel zu beobachten sind. In den Niederlanden herrschen traditionell die Gütesiegel des verarbeitenden Gewerbes vor, doch führen der Einzelhandel und die Erzeugerorganisationen immer mehr eigene Gütesiegel ein. In Schweden geben herstellereigene Kennzeichnungen den Ton an, wobei in Übereinstimmung mit der in vielen Ländern anzutreffenden traditionellen Auffassung heimischen Produkten eine höhere Qualität zugeschrieben wird, zu der u.a. auch der Tierschutz herangezogen wird. |
2.6 |
Gestützt auf die Erfahrungen mit freiwilligen Kennzeichnungsregelungen beabsichtigt die Kommission, die Anwendung spezifischer, objektiver und messbarer Tierschutzindikatoren in den geltenden und künftigen Rechtsakten der Gemeinschaft zu fördern. Dies soll die Grundlage für eine Rechtsetzung über die Validierung von Produktionssystemen bilden, in denen höhere Tierschutznormen als die in den geltenden Bestimmungen festgeschriebenen Mindestnormen gelten (3). Laut Kommission erfordert dies eine Klassifizierung der angewandten Tierschutznormen mit Blick auf die Förderung der Entwicklung tiergerechterer Produktions- und Zuchtsysteme und die erleichterte Anwendung dieser Normen in der EU und auf internationaler Ebene. Außerdem will die Kommission auf dieser Grundlage Möglichkeiten für eine EU-Kennzeichnung in Erwägung ziehen. |
3. Allgemeine Bemerkungen
3.1 |
Als Vertreter der Zivilgesellschaft ist es Aufgabe des EWSA, an der Ausarbeitung und Einführung relevanter Kennzeichnungsregelungen in Form eines gemeinsamen europäischen Systems, das der nachhaltigen Entwicklung auf dem Binnenmarkt und dem Handel mit Drittstaaten dient, mitzuwirken. Das Wohlbefinden der Tiere ist Bestandteil des europäischen Kulturerbes und der Werte der Europäischen Union — wie auch die soziale Verantwortung der Unternehmen, der Umweltschutz und die Ökologie, welche bis zu einem gewissen Grad in der Rechtsetzung der Gemeinschaft festgeschrieben sind. Anknüpfungspunkte zu den Belangen der Ökologie liegen auf der Hand, die im Sinne der Nachhaltigkeit bei der landwirtschaftlichen Erzeugung auf dem Umweltschutz und dem Wohlbefinden der Tiere aufbaut. |
3.2 |
Der EWSA unterstützt das Ansinnen der Kommission, die Verbesserung des Wohlbefindens der Tiere in der Europäischen Union auf sachlicher und nachhaltiger Grundlage (4) zu fördern und hält ein gemeinsames System für die Kennzeichnung für angebracht, um so artgerechtere Produktions- und Zuchtmethoden zu fördern. Damit soll vor allem auch dazu beigetragen werden, dass sich die Marktkräfte auf objektiver Grundlage entfalten und „die richtige Richtung einschlagen“. Zugleich ist es wichtig, dass die Produktions- und Zuchtmethoden, die in höherem Maße dem Wohl der Tiere gerecht werden, durch Ausbildung und Umsetzung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gefördert werden. Die Signale des Marktes werden natürlich auch Impulse für die Schwerpunktsetzung in der Forschung, der Ausbildung der Landwirte, Berater und Tierärzte sein und sich auf künftige Investitionen in die Produktionssysteme auswirken. Ein Kennzeichnungssystem kann somit zu Synergien und zur rationalen Ressourcennutzung beitragen, und zwar nicht zuletzt in Bezug auf die Planung und Investitionsstrategie der Erzeuger. |
3.3 |
Ohne Zweifel handelt es sich um einen langfristig angelegten Prozess, der notwendig parallel zu der Entwicklung objektiver, messbarer, reproduzierbarer und wissenschaftlich fundierter Tierschutzindikatoren sowie der Validierung verschiedener Produktionssysteme stattfinden muss. Ungeachtet dessen müssen schon zu einem frühen Zeitpunkt Rahmen und Grundsätze für die Ausgestaltung eines gemeinsamen Kennzeichnungssystems für tiergerecht hergestellte Erzeugnisse festgelegt werden, sodass die Arbeiten vorbereitet und nach und nach standardisierte Tierschutzindikatoren in das System eingearbeitet werden können. Deshalb muss bei den Beteiligten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Verständnis und Akzeptanz der Leitlinien und der Ausgestaltung des gemeinsamen Systems erzielt werden, das auf alle tierischen Produkte auf möglichst freiwilliger und flexibler Basis Anwendung finden soll. |
3.4 |
Dieser Prozess wird freilich nicht nur durch einen Mangel an verfügbaren Erkenntnissen über die Tierschutzaspekte und ihre Bedeutungshierarchie kompliziert — hinzu kommen noch die Vielfalt der Verbraucherpräferenzen und Produktionsverhältnisse, der Einfluss unterschiedlicher Traditionen und Bildungsniveaus auf die Meinungsbildung, der Wettbewerb in der Lebensmittelbranche, die Vielfalt der geltenden Rechtsbestimmungen, die Schwierigkeiten beim inhaltlichen Vergleich privater Gütesiegel sowie das Vertrauensdefizit in Bezug auf private und öffentlichen Kontrollstellen, das etwa in Verbindung mit Importen in die Europäische Union herrscht. |
3.5 |
Eine klare und informative Kennzeichnung ist unter allen Umständen ein Schlüsselfaktor für die Förderung von Produktions- und Zuchtmethoden, die dem Wohl der Tiere besser Rechnung tragen. So haben die Erfahrungen mit ökologischen Produkten und alternativen Eierproduktionssystemen ergeben, dass über Kennzeichnungsregeln potenziell Einfluss auf die Produktionssysteme im Sinne des verbesserten Wohlbefindens der Tiere genommen werden kann. |
3.6 |
Kennzeichnungsregelungen fallen in die Zuständigkeit der Europäischen Union. Sie sind Gegenstand andauernder Debatten und Interessenkonflikte; die Kommission beabsichtigt, bis Ende 2007 (5) einen Vorschlag für eine geänderte Kennzeichnungsrichtlinie vorzulegen. Relevante und übersichtliche Kennzeichnungen sind nicht selten das Ergebnis von Kompromissen, die manche Wünsche und Forderungen unberücksichtigt lassen. Dies gilt nicht zuletzt für Lebensmittel, bei denen es oft heißt, die Kennzeichnungsanforderungen seien zu umfassend. Die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörden sind skeptisch, was eine noch umfassendere Kennzeichnung anbelangt, denn dadurch würde die Gefahr heraufbeschworen, dass grundlegende Informationen über die Eigenschaften der Lebensmittel durch andere Informationen in den Hintergrund gerückt würden. Zudem sind sich die Verbraucher nicht sicher, ob zusätzliche Informationen auf den Lebensmitteln, und hier besonders hinsichtlich der ethischen Merkmale, von Nutzen sind. Aus diesem Grunde sollte man es bei der Kennzeichnung artgerechter Produkte bei einem kleineren Logo bewenden lassen, das in Kombination mit einer Farbkennzeichnung, Sternen oder Punkten die bestehende Kennzeichnung ergänzt. |
4. Einfuhren in die EU
4.1 |
Weitergehende rechtliche Auflagen und Restriktionen in der EU bergen das Risiko, dass Einfuhren aus Ländern mit niedrigeren Standards die Erzeugung und den Absatz der EU-Produkte beeinträchtigen und zum Verlust von Marktanteilen auf dem Weltmarkt führen könnten. Bei intensiveren Bemühungen um das Wohlbefinden der Tiere in Europa mit seinem 30 Staaten und 500 Mio. Einwohner umfassenden Binnenmarkt (6) würden jedoch auch für Staaten außerhalb der EU und für deren Ausfuhren in die EU Anreize geschaffen. So hat etwa die zur Weltbank gehörende Internationale Finanzkorporation unlängst auf das weltweit steigende Interesse am Wohlergehen der Tiere und die Notwendigkeit von Anpassungen an diese Entwicklung hingewiesen, die sowohl in der Primärproduktion als auch in der industriellen Verarbeitung (7) erfolgen sollten. |
4.2 |
In der Europäischen Union aufgewachsene, geschlachtete und zerteilte Tiere, aus denen verarbeitete oder unverarbeitete Produkte hergestellt werden, müssen selbstredend die Mindestnormen der Europäischen Union erfüllen, weshalb hier eine Kennzeichnung überflüssig ist. Hingegen wird oft die berechtigte Forderung laut, bei Importerzeugnissen den Ursprung anzugeben oder sie so zu kennzeichnen, dass direkt oder indirekt erkennbar ist, ob sie den Mindestanforderungen der Europäischen Union gerecht werden. In früheren Stellungnahmen des ESWA wurde bereits darauf hingewiesen, dass langfristig gesehen Tierschutzbelange im Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen als vollberechtigtes Anliegen eingestuft werden sollten, damit bei der Einfuhr die Erfüllung der Mindestnormen gefordert werden kann. Vor diesem Hintergrund sollte näher geprüft werden, inwieweit die Forderung nach einer verbindlichen Kennzeichnung des Ursprungslandes bei eingeführten Produkten rechtmäßig ist. Falls es keine Gewähr für die Erfüllung von Normen gibt, die den EU-Mindestnormen entsprechen, wäre zu prüfen, ob die Angabe „unbekannte Produktionsmethode“ statthaft ist. |
4.3 |
Um alle europäischen landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die den vorgeschriebenen europäischen Tierschutznormen entsprechen, zu berücksichtigen und um sie von außereuropäischen Erzeugnissen zu unterscheiden, die nicht denselben Vorschriften unterliegen, könnte eine geeignete Herkunftsangabe bzw. eine Angabe darüber, wo der landwirtschaftliche Rohstoff, aus dem das Erzeugnis besteht, angebaut oder erzeugt wurde, im Sinne der folgenden Angaben eingeführt werden:
Die Angabe „EU“ bzw. „Nicht-EU“ kann ggf. durch ein Land ersetzt bzw. ergänzt werden, wenn alle landwirtschaftlichen Rohstoffe, aus denen das Erzeugnis besteht, in diesem Land angebaut oder erzeugt wurden. |
4.4 |
Zwar sollte Ausgangspunkt und Voraussetzung für jedwede Regelung die Vereinbarkeit mit den WTO-Bestimmungen sein, was aber nicht heißt, dass sich die Europäische Union, wie in früheren Stellungnahmen des EWSA erwähnt, nicht veranlasst sehen könnte, einseitig Schritte zu unternehmen, um das notwendige Verständnis für die Anpassung der Rechtslage herbeizuführen. Auf jeden Fall müssen Importeure und Einzelhandelsketten sowohl kurz- als auch langfristig Verantwortung übernehmen, um die Erfüllung der entsprechenden Anforderungen durch Zertifizierung und ähnliche Garantien beim Import aus Drittländern sicherzustellen. |
5. Herkömmliche behördliche Regulierung
5.1 |
In der EU wurde eine Reihe von Mindestnormen für das Wohlbefinden der Tiere festgelegt; frühere Beschlüsse verpflichten die Kommission, in den nächsten Jahren Vorschläge zu deren Überarbeitung und Aktualisierung vorzulegen (8). Die Mindestnormen wurden nach oft schwierigen politischen Verhandlungen in ausführlichen Rechtsakten festgelegt. Künftig sollten die Mindestnormen noch stärker auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und einer objektiven Analyse der Verhältnisse fußen, was auch den politischen Prozess erleichtern dürfte. Demnach sollten die Regeln gemäß dem zum jeweiligen Zeitpunkt vorhandenen Wissensstand und auf einem sachdienlichen und fundierten Niveau festgelegt werden, das die praktischen Möglichkeiten unter ordnungsgemäßen Verhältnissen in den Bereichen Primärproduktion, Transport, Betäubung und Schlachtung berücksichtigt. Auch künftig sollten die Mindestnormen unbedingt auf diese Art, also durch öffentlich-rechtliche Regulierung, festgelegt werden. |
5.2 |
Auch die Bestimmungen über die freiwillige Kennzeichnung ökologischer Produkte und die verbindliche Angabe der Produktionsmethoden bei der Vermarktung von Frischeiern wurden bis ins Detail in den Rechtsakten der Gemeinschaft festgeschrieben. Anders gesagt, bei Verwendung von näher bestimmten Bezeichnungen bei der Kennzeichnung müssen die Rechtsvorschriften der EU eingehalten werden. Dadurch sollen faire Wettbewerbsbedingungen sowie zuverlässige Verbraucherinformationen gesichert werden. Diese Art der Kennzeichnung in Kombination mit umfassenden verbindlichen Anforderungen geht auf den Wunsch der Verbraucher zurück bzw. ist wesentlich für die Funktion des Marktes, da dadurch die Verwendung von Handelsbezeichnungen geregelt wird, die die Verbraucher mit bestimmten Produktionsformen verbinden. Zudem werden die geforderten gesetzlichen Mindestbedingungen geschaffen, um Betrug und Verwechslungen auf dem Markt zu vermeiden. Auch hier haben die Erfahrungen gezeigt, dass die Festlegung von Kriterien schwierig und zeitraubend ist. Es handelt sich um eine umfangreiche Arbeit, die für die Unternehmen und die einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden mit Registrierung, Buchführung und Inspektionen verbunden ist. Dessen ungeachtet sollte das derzeit angewendete Modell der Regulierung in diesen Bereichen beibehalten werden. |
5.3 |
Dem Vorschlag für Mindestnormen zum Schutz von Masthühnern zufolge plant die Kommission spätestens zwei Jahre nach deren Verabschiedung die Vorlage eines Berichts „über die mögliche Einführung einer spezifischen, gemeinschaftsweit harmonisierten und verbindlichen Regelung zur Etikettierung von Geflügelfleisch, Geflügelfleischerzeugnissen und Geflügelfleischzubereitungen, mit der die Einhaltung der Tierschutznormen bescheinigt werden soll.“ (9) So wird ggf. ein paralleles Regelwerk zu den bestehenden Gemeinschaftsbestimmungen über Produktionssysteme für Eier mit Kennzeichnungsregeln, die sich auf unterschiedliche Produktionsformen beziehen, entstehen. |
5.4 |
Das klassische Regulierungsmodell eignet sich allerdings nur dann, wenn zwischen klar definierten Produktionsformen unterschieden werden kann, die für die Verbraucher überschaubar sind. Dies gilt gleichermaßen für die Ökologieverordnung, die primär auf die Umweltaspekte abstellt und nicht unmittelbar den Tierschutz behandelt. Das Modell könnte eventuell auch für die Masthuhnerzeugung verwendet werden, sofern der Verbraucher im Stande ist, den Hintergrund der Kennzeichnung zu verstehen und sich daran zu erinnern; das Modell wird sich indes als unüberschaubar erweisen, falls es auf mehrere tierische Erzeugnisse ausgedehnt wird. |
5.5 |
Angesichts der unterschiedlichen Produktionsverhältnisse in der erweiterten EU und der künftigen Marktentwicklung ist die herkömmliche Regulierung auch zu starr und zu kompliziert. Es bestünde die Gefahr, dass sie sich als Bremse erweist oder — infolge komplizierter Revisionsprozesse und der schwierigen Berücksichtigung natürlicher Unterschiede des Produktionsprozesses — die Entwicklung zum Stillstand bringt. Dieses politisch und verwaltungstechnisch anspruchsvolle Modell ist zudem für die Marktteilnehmer nicht attraktiv genug; dadurch würde nicht zuletzt auch der Anreiz für private Gütesiegel geringer, die sich beispielsweise auf die Erzeugung in einer bestimmten Region beziehen. Erfahrungsgemäß muss außerdem eine Zunahme des Verwaltungsaufwands für die Kontrolle befürchtet werden, wenn von einer freiwilligen zu einer verbindlichen Kennzeichnung übergegangen wird. |
5.6 |
Der verstärkte Einsatz des „klassischen“ Behördenmodells auf EU-Ebene mit Verwendung behördlicher Kennzeichnungen ist daher nicht sachdienlich. Das gilt auch für einzelstaatliche Kennzeichnungsregelungen, die prinzipiell im Widerstreit zum Binnenmarkt stehen. Auch eine Kennzeichnung, die anzeigt, dass EU-Mindestnormen erfüllt sind, wäre nur dann sinnvoll, wenn es sich dabei — wie bei den Eier-Produktionssystemen — um einen Bestandteil der Kennzeichnung auf verschiedenen Ebenen handelt. |
6. Das „Umweltmodell“
6.1 |
Ein generell freiwilliges Kennzeichnungssystem entsprechend der Regelung für die Vergabe des EU-Umweltzeichens (10) und entsprechende nationale Regelungen eignen sich weniger, um die Entwicklung von Produktions- und Zuchtmethoden zu fördern, die dem Wohl der Tiere besser Rechnung tragen. Lebensmittelindustrie und Handel würden zweifelsohne eher der Weiterentwicklung eigener Gütesiegel Vorrang einräumen. Obwohl das „Umweltmodell“ größere Ähnlichkeit mit dem vorgeschlagenen Modell auf freiwilliger Basis für tierische Produkte aufweist, wäre es als Basis für die Einführung objektiver Tierschutzkriterien ungeeignet, genau wie ein Modell, das der EU-Umweltzeichenregelung entspricht, zu bürokratisch für die Tierschutzkennzeichnung wäre. |
6.2 |
Bei den derzeitigen Umweltzeichen ist prinzipiell ein Sekretariat damit beauftragt, den Beteiligten bei der Festlegung von Umweltkriterien, die über die gesetzlichen Auflagen hinausgehen, zu helfen. Außerdem leistet dieses Sekretariat Informationsarbeit gegenüber Verbrauchern und Einkäufern. Diese Methode hat den Vorteil, dass die Kennzeichnung grundsätzlich für alle Produkte verwendet werden kann und dadurch ein größeres Anwendungsspektrum durch Synergie und ein größerer Bekanntheitsgrad der Regelung erzielt wird. Die Angaben werden durch einen neutralen Dritten garantiert, als objektiver und kontrollierter Beweis dafür, dass das Produkt auf umweltgerechte Weise erzeugt wurde und auch im gesamten Lebenszyklus umweltfreundlich verwendet wird. |
6.3 |
Bei tierischen Erzeugnissen muss die individuelle Festlegung der Kriterien, etwa der Kriterien für die Aufzucht der Tierarten und die jeweiligen Produktionsverhältnisse, durch Sachverständige auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und einer eingehenden Bewertung der Produktionssysteme erfolgen. Somit bedarf es eingehender und spezifischer fachlicher Bewertungen. Aber die durch das „Umweltmodell“ gewährleisteten klaren und glaubwürdigen Angaben gegenüber den Verbrauchern in Form einer freiwilligen Anwendung und einer marktbasierten gemeinsamen Etikettierung, die die Erfüllung bestimmter, über die gesetzlichen Auflagen hinausgehender ethischer Kriterien anzeigt, sollten auch Anwendung finden, um die Entwicklung von Produktions- und Zuchtmethoden zu fördern, die dem Wohl der Tiere besser Rechnung tragen. |
7. Private Gütesiegel
7.1 |
Private Gütesiegel funktionieren nach den Gesetzen des Marktes und unter Wahrung des gesetzlichen Verbots der unlauteren Werbung, ohne besondere behördliche Eingriffe. Diese Systeme sind flexibel und im Stande, sich laufend an die Entwicklung anzupassen. Und doch ist die Kennzeichnung aus der Perspektive des Tierschutzes nicht optimal. Das immer größere Warenangebot erschwert es den Verbrauchern, den Überblick zu wahren und Vergleiche zwischen den verschiedenen Kennzeichnungen anzustellen. Die Vermarktung spiegelt zuweilen ein falsches Bild der Produktionsverhältnisse vor: die dem Erzeugnis zugeschriebenen Eigenschaften beruhen nicht unbedingt auf sachlichen Kriterien, was unter anderem der fehlenden, ausreichend objektiven Erkenntnisgrundlage geschuldet ist. Dies führt zu einem Glaubwürdigkeitsdefizit und zu einer Wettbewerbsverzerrung gegenüber seriöseren Produkten und besseren Produktionsverhältnissen. Obendrein können sich Industrie und Handel veranlasst sehen, die Kriterien wettbewerbsbedingt auf nicht immer plausible Art zu ändern, was die Nutztiererzeuger mit Problemen konfrontiert. |
7.2 |
Aus diesen Gründen ist die Festlegung sachlicher Kriterien für die Produktion erforderlich. In dieser Hinsicht hat die Kommission die Einrichtung eines Zentrums oder Laboratoriums vorgeschlagen, das unter anderem die Aufgabe haben soll, objektive Tierschutzindikatoren zu entwickeln (11); zudem erwartet die Kommission, dass die weitere Anwendung messbarer Indikatoren in der einschlägigen Rechtsetzung der Gemeinschaft auf der Grundlage der Resultate des 2009 abzuschließenden Forschungsprojekts „Welfare Quality“ erfolgen kann. Zugleich ist es wichtig, sonstige Forschungen und Entwicklungen in den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. |
7.3 |
Die Förderung bestimmter artgerechterer Produktions- und Zuchtmethoden aufgrund fundierter wissenschaftlicher Indikatoren muss deshalb — als die beste Lösung — unbedingt als Ergänzung privatwirtschaftlicher Gütesiegel angestrebt werden. Dadurch wäre es den Unternehmen möglich, eigene Kennzeichnungen beizubehalten und weiterzuentwickeln und sich so auch von den Konkurrenten auf realer und sachlicher Grundlage abzusetzen; ferner hätten die Verbraucher die Chance, ihre Kaufentscheidung auf wahrheitsgetreuer Grundlage gemäß den eigenen Überzeugungen und Präferenzen zu treffen. Das System kann somit im Einklang mit den Prämissen des Marktes und ohne überflüssigen Eingriff der Behörden funktionieren. Dabei kann angegeben werden, dass das Produkt dem EU-Standard, der durch unparteiische Kontrolle gesichert wird, entspricht. |
8. Vorschläge für eine Tierschutzkennzeichnung
8.1 |
Es ist wichtig, den Rahmen und die Grundsätze für die Ausgestaltung des gemeinsamen Kennzeichnungssystems festzulegen, damit die Arbeiten aufgenommen und standardisierte Tierschutzindikatoren — u.a. nach Vorliegen hinreichender Teilresultate aus dem Welfare Quality-Projekt — in das System einbezogen werden können. Sodann könnten Sachverständige und ggf. das vorgeschlagene Zentrum für Tierschutz die notwendigen objektiven Kriterien ausarbeiten. Hierbei muss eine Gewichtung verschiedener Indikatoren erfolgen, die den gesamten Lebenszyklus der Tiere umfassen; diese sind in praktische und realistische Produktionsverhältnisse umzusetzen, so dass sich das Zusammenspiel zwischen Forschung, Entwicklung und Anwendung neuer Technologien optimal gestaltet (12). |
8.2 |
Dies kann in Standards für alle Nutztierarten und die grundlegendsten tierischen Erzeugnisse münden, indem dem erwähnten Zentrum bei der angeregten Kennzeichnungsregelung ein entsprechender Auftrag erteilt wird; hierbei muss die Messbarkeit und die Kontrollmöglichkeit der einzelnen Indikatoren gewährleistet sein. Der Tierschutzkennzeichnung sollen möglichst messbare und reproduzierbare Tierschutzindikatoren und nicht nur die angewandten Produktionssysteme zugrunde liegen. |
8.3 |
Handel und Industrie könnten sodann auf freiwilliger Basis ein von der EU anerkanntes Siegel für tierische Erzeugnisse einführen, das die Erfüllung über den Mindestnormen der EU liegender Standards bescheinigt. Die höheren Standards müssen auf einem Rechtsakt fußen, es sei denn, es ist rechtlich möglich, unmittelbar auf die gemeinsamen Standards zu verweisen. Die Standards könnten zum Beispiel bei der Wahl dreier höherer Niveaus 20, 40 und 60 Prozent über den Mindestnormen liegen, soweit es für die jeweilige Tierart und das Erzeugnis als sachdienlich erachtet wird. Die Garantie für die Erfüllung der spezifischen Anforderungen und die Kontrolle der Anwendung der Kennzeichnung kann über die Selbstkontrolle der Unternehmen unter Mitwirkung eines unparteiischen Prüfers, eines Instituts oder einer Organisation bzw. eines spezialisierten Zertifizierungsgremiums erfolgen, die nach Maßgabe der einschlägigen europäischen und internationalen ISO-Normen EN ISO 17000 arbeiten oder nach EN ISO 45011 als Zertifizierungsstelle akkreditiert sind. Hingegen ist eine von Fall zu Fall zu treffende Entscheidung über die Zulassung eines Logos oder die Genehmigung der Verwendung eines Logos mit den dadurch ausgelösten öffentlichen Verwaltungs- und Kontrollmechanismen nicht vorgesehen. |
8.4 |
Die Kennzeichnung könnte mit einem Farbsystem, Sternen oder einem Punktesystem kombiniert werden, die zu den bestehenden gewerblichen Kennzeichnungen hinzugefügt werden können, sofern dies keine Unstimmigkeiten mit der gemeinsamen Kennzeichnungsregelung und den bestehenden Warenmarken schafft. Das System könnte unter den gleichen Bedingungen auf Importerzeugnisse angewendet werden und würde somit keine Probleme in Bezug auf die WTO-Regeln hervorrufen. |
9. Ergänzende Maßnahmen
9.1 |
Es sollte erwogen werden, dass die für die jeweilige Kennzeichnung Verantwortlichen mit Unterstützung der EU eine Internetseite und eine Datenbank mit einer Beschreibung der vorgeschlagenen Kennzeichnungsregelung und diverser Tierschutzkennzeichnungen und -regelungen einrichten. Hier könnten die Unternehmen Informationen über ihre Produkte erteilen und auf diese Weise signalisieren, dass sie sich ethisch verantwortungsvoll verhalten. Dieselben Informationen könnten beispielsweise auch in den Einzelhandelsgeschäften zugänglich sein. Die Datenbank könnte auch eine Inspirationsquelle für die weitere Entwicklung in diesem Bereich sein. Sie würde die Transparenz fördern; das Risiko, in die Kritik zu geraten und bei Pfusch und Irreführung der Verbraucher ertappt zu werden, könnte zu einer gewissen Selbstdisziplin und internen Kontrolle beitragen. |
9.2 |
Daneben könnten strengere Bestimmungen für unrichtige oder irreführende Werbebehauptungen erwogen werden, d.h. im Falle eines Missbrauchs sollten dabei strengere Sanktionen in Erwägung gezogen werden, handelt es sich doch nicht um ein Zulassungssystem in Verbindung mit einzelstaatlicher behördlicher Kontrolle. Selbstverständlich dürfen die Unternehmen ganz legal mit wahrheitsgemäßen Anpreisungen werben, die die Verbraucher nicht irreführen; zugleich liegt es aber auch in der alleinigen Verantwortung der Unternehmen, zu gewährleisten, dass die Behauptungen über die Produkte — seien sie nun durch eine unparteiische Seite verifiziert oder nicht — der Wahrheit entsprechen. |
9.3 |
Eine weitere Alternative, die zugleich auch die einfachste wäre, bestünde darin, ausschließlich die Weiterentwicklung privater Kennzeichnungsregelungen zu fördern, und zwar mittels an die Verbraucher und den Einzelhandel gerichteter Informationskampagnen. Wie aus dem eingangs Ausgeführten hervorgeht, dürfte dies jedoch nicht ausreichen. Ungeachtet der Wahl der Kennzeichnungsregelungen oder anderer Maßnahmen sollten unter allen Umständen umfassende Informationskampagnen durchgeführt werden, sobald die Grundlage hierfür geschaffen ist. Dies kann durch Konferenzen für Meinungsbildner sowie über das Fernsehen oder Zeitungsartikel erfolgen, wobei die Kommission und die zuständigen einzelstaatlichen Behörden aber gemeinsam mit Bauern-, Verbraucher- und Tierschutzverbänden u.Ä. eine maßgebliche Rolle spielen sollten. |
9.4 |
Mitunter wird auch der Ruf nach einer obligatorischen nationalen Ursprungskennzeichnung laut, da allgemein eine Bevorzugung heimischer Produkte zu beobachten ist. Trotz der Behauptung der Wirtschaft, dadurch werde die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung heraufbeschworen, war es bisher ein grundlegendes Prinzip, dass auf nationaler Ebene strengere Regeln für das Wohlbefinden der Tiere festgesetzt werden dürfen, als durch die Mindestnormen der EU vorgeschrieben werden. Sollten die einzelnen Mitgliedstaaten unter Anwendung des Subsidiaritätsprinzips nach Maßgabe der Produktionsbedingungen und der Verbraucherinteressen in Eigenregie Kennzeichnungssysteme entwickeln dürfen, könnte sich ein solcher Ansatz rasch in eine einseitige Begünstigung heimischer Produkte verkehren, wie ja jede Form verbindlicher nationaler Kennzeichnung vom Prinzip her mit dem Binnenmarkt und den Wettbewerbsregeln der EU unvereinbar ist. Mitgliedstaaten, die höhere verbindliche Mindestanforderungen für eine oder mehrere Branchen einführen, haben jedoch ggf. die Möglichkeit, diese in das vorgeschlagene Kennzeichnungssystem einfließen zu lassen. |
Brüssel, den 15. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) Wie aus der Eurobarometer-Sonderumfrage „Attitudes of consumers towards the welfare of farmed animals“ vom Juni 2005 hervorgeht, berücksichtigen 43 % der Verbraucher in der EU beim Fleischkauf Tierschutzaspekte. 74 % der Befragten geben an, mit ihrer Kaufentscheidung Einfluss auf das Wohlbefinden von Tieren ausüben zu wollen. Allerdings weisen einige wissenschaftliche Untersuchungen darauf hin, dass die psychologischen und emotionellen Faktoren, die an die ethischen und moralischen Werte der Verbraucher appellieren, sowie die Präsentation durch den Einzelhandel und die Kennzeichnung außerordentlich komplex sind. Haltungen und Handlungen können demnach durchaus voneinander abweichen: eine politisch korrekte Haltung gegenüber ethischer Kennzeichnung führt nicht unbedingt zum Kauf von Produkten, die unter Berücksichtigung besonderer ethischer Maßstäbe hergestellt wurden. Bestimmend sind vielmehr Preis, Zugänglichkeit, Gesundheit und Geschmack. Doch reagiert die Öffentlichkeit heftig, wenn Informationen über mangelhafte Bedingungen für Produktions- oder Versuchstiere über die Medien publik werden.
(2) Verordnung Nr. 509/2006 des Rates vom 20.3.2006 über die garantiert traditionellen Spezialitäten bei Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln sowie Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20.3.2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, ABl. L 93 vom 31.3.2006.
(3) Vgl. Mitteilung der Kommission über einen Aktionsplan der Gemeinschaft für den Schutz und das Wohlbefinden von Tieren 2006-2010, KOM(2006) 13 vom 23.1.2006), worin Initiativen auf WTO-Ebene angekündigt werden sowie ein Bericht über die verbindliche Etikettierung von Geflügelfleisch und Geflügelfleischerzeugnissen (2009), ein Bericht über die weitere Anwendung messbarer Indikatoren im gemeinschaftlichen Tierschutzrecht (2009) und die mögliche Schaffung einer europäischen Qualitätsnorm für Erzeugnisse aus tierschutzgerechten Produktionssystemen sowie die Schaffung einer spezifischen technischen und finanziellen Regelung zur Förderung der Anwendung höherer Tierschutzmaßstäbe innerhalb und außerhalb der EU.
(4) Vgl. Stellungnahme CESE 1356/2006 vom 26.10.2007 zu der Mitteilung der Kommission über einen Aktionsplan der Gemeinschaft für den Schutz und das Wohlbefinden von Tieren 2006-2010 sowie CESE 1246/2005 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates mit Mindestvorschriften zum Schutz von Masthühnern, KOM(2005) 221 endg., ABl. C 28 vom 3.2.2006.
(5) Bei Welfare Quality® handelt es sich um ein von der EU finanziertes Forschungsprojekt, an dem 39 Institute und Universitäten teilnehmen, die über besonderen Sachverstand im Tierschutz verfügen. Mit dem Projekt sollen auf wissenschaftlicher Grundlage Tierschutznormen und praktische Strategien erarbeitet werden, um den Tierschutzaspekt in die Kette Landwirtschaft-Verarbeitung-Handel-Vermarktung zu integrieren und den Verbrauchern die entsprechenden Informationen bereitzustellen.
(6) Dazu gehören auch Norwegen, Island und Liechtenstein, die ebenfalls dem Binnenmarkt der EU (Europäischer Wirtschaftsraum) angehören.
(7) „Creating Business Opportunity through Improved Animal Welfare“ — Internationale Finanzkorporation (IFC) der Weltbank, April 2006. Der IFC gehören 178 Mitgliedstaaten an; die Aufforderung bezieht sich insbesondere auf Investitionen in den Entwicklungsländern mit Blick auf den Export in die entwickelten Länder. Bezüglich des Wohlbefindens von Tieren gelten in einigen Ländern außerdem traditionell Verhaltenskodizes, während gesetzliche Regelungen im eigentlichen Sinne fehlen. Dies gilt zum Beispiel für die Schweiz, Australien, Neuseeland, Argentinien und Brasilien.
(8) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über einen Aktionsplan der Gemeinschaft für den Schutz und das Wohlbefinden von Tieren 2006-2010, KOM(2006) 13.
(9) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates mit Mindestvorschriften zum Schutz von Masthühnern, KOM(2005) 221 vom 30.5.2005.
(10) Verordnung (EG) Nr. 1980/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.7.2000 zur Revision des gemeinschaftlichen Systems zur Vergabe eines Umweltzeichens, ABl. L 237 vom 21.9.2000, S. 1-12.
(11) Wie der EWSA hat in seiner Stellungnahme zum Aktionsplan angeregt hat, sollte das Laboratorium oder Zentrum global ausgerichtet und gemeinsam mit den wichtigsten Handelspartnern der EU eingerichtet werden, damit die dort entwickelten Methoden internationale Anerkennung finden.
(12) Bei den betreffenden Indikatoren wird vorausgesetzt, dass sie alle wesentlichen Gegebenheiten der betreffenden Tierart in Form von Zuchtmerkmalen, räumlichen und Einstallungsverhältnissen, der täglichen Kontrolle, von Krankheits- und Gesundheitsaspekten, der Absetzung von der Mutter, von chirurgischen Eingriffen einschließlich des Transports zum Schlachthof, der Betäubung und Schlachtung umfassen.
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/61 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und zur Festlegung des Inhalts von Anhang XI“
KOM(2006) 7 endg. — 2006/0008 (COD)
(2007/C 161/18)
Der Rat beschloss am 10. Februar 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 22. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr GREIF.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 163 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Zusammenfassung
1.1 |
Der Europäische Wirtschaft- und Sozialausschuss hält es für angebracht, eine möglichst zügige Anwendung der neuen Koordinierungsverordnung im Bereich der Sozialen Sicherheit zwischen den Mitgliedstaaten anzupeilen, was ein rasches Inkrafttreten der im Entwurf vorliegenden Durchführungsverordnung ebenso einschließt wie die Einigung auf die hier besprochene Verordnung, die die Inhalte des Anhangs XI der Verordnung 883/2004 festlegt. |
1.2 |
Der EWSA ist sich bewusst, dass eine ungebremste Anwendung des Grundsatzes der Sachverhaltsgleichstellung, die jegliche Begrenzung des nationalen Gesetzgebers auf inländische Sachverhalte im Bereich der sozialen Sicherheit unmöglich macht, mit massiven Auswirkungen auf die Systeme der sozialen Sicherheit einhergehen würde. |
1.3 |
Der EWSA anerkennt, dass daher gewisse Einträge in den Anhang XI hinsichtlich besonderer Sachverhalte in den Mitgliedstaaten notwendig sind, um einen Konflikt von nationalen Regelungen mit dem Text der Verordnung 883/2004 zu vermeiden. Der Ausschuss ruft aber dazu auf, einen Wildwuchs zu vermeiden und die Anzahl der Einträge möglichst beschränkt zu halten und davon abhängig zu machen, ob spezifische Einträge für das Funktionieren der Koordinierungsregeln im entsprechenden Mitgliedstaat in der Tat notwendig sind und dem Gebot der Verhältnismäßigkeit gehorchen. |
1.4 |
Für den EWSA ist es von besonderer Bedeutung festzuhalten, dass sich in der Praxis der Koordinierung keinesfalls herausstellen darf, dass Einträge in Anhang XI einen Nachteil der Bürgerinnen und Bürger nach sich ziehen. |
1.5 |
Für den EWSA gibt es bei den aufgenommenen Einträgen keine erkennbaren Probleme, weder für die mobilen Versicherten noch für Unternehmen und die Träger der Sozialen Sicherheit. Die Vorteile der Koordinierung für die Begünstigten dürfen durch die Einträge nicht unterlaufen werden. |
1.6 |
Der EWSA anerkennt das erfolgreiche Bemühen aller Beteiligten um Vereinfachung, was dazu führt, dass Anhang XI deutlich weniger Einträge umfasst als der korrespondierende Anhang VI zur bestehenden Koordinierungsverordnung 1408/71. |
1.7 |
Im Dienste einer raschen Anwendbarkeit der Grundverordnung in der Praxis fordert der EWSA die Mitgliedstaaten daher auf, ihre Träger der sozialen Sicherheit bereits jetzt mit den notwendigen personellen und technischen Ressourcen auszustatten, um diese rasche Umstellung zu ermöglichen. |
2. Einleitung und Hintergrund des Verordnungsvorschlags
2.1 |
Die gemeinschaftlichen Vorschriften zur Koordinierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit sind gegenwärtig in der Verordnung (EWG) 1408/71 („Grundverordnung“) und ihrer „Durchführungsverordnung“ (EWG) 574/72 geregelt, die seit dem Inkrafttreten vor mehr als 30 Jahren mehrfach geändert und aktualisiert wurden. |
2.1.1 |
Diese Verordnungen zielen darauf ab, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit Personen in ihrem Geltungsbereich, die in einem anderen Mitgliedstaat reisen, sich dort aufhalten oder dort wohnen, nicht ihre Ansprüche im Bereich der sozialen Sicherheit verlieren. Mobile Versicherte sollen nicht aufgrund ihrer Mobilität Nachteile erleiden und sollen nicht schlechter behandelt werden als nicht mobile Versicherte. Um die Wahrung der Ansprüche zu gewährleisten, schreiben diese Verordnungen die Grundsätze für die Koordinierungspraxis sowie die unterschiedlichen Modalitäten fest, die den besonderen Anforderungen der unterschiedlichen Zweige der sozialen Sicherheit entsprechen. |
2.2 |
Die Verordnung 1408/71 soll durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates ersetzt werden, die bereits am 29. April 2004 beschlossen wurde. |
2.2.1 |
Gemäß Artikel 89 der neuen Verordnung 883/2004 ist deren Durchführung in einer weiteren Verordnung zu regeln, die an Stelle der derzeit gültigen Durchführungsverordnung 574/72 treten soll. Diese seit 31.1.2006 im Entwurf vorliegende Durchführungsverordnung (1) wird derzeit im Europäischen Parlament und im Rat behandelt und war bereits Gegenstand einer gesonderten Stellungnahme des EWSA (2). |
2.2.2 |
Erst mit dem Inkrafttreten der Durchführungsverordnung kann die Verordnung 883/2004 angewandt werden und somit die zahlreichen darin bereits beschlossenen Vereinfachungen, Klarstellungen und Verbesserungen im Bereich der Sozialrechtskoordinierung für alle Nutzer greifen. Bis dahin gelten die Verordnung 1408/71 und ihre Durchführungsverordnung 574/72 uneingeschränkt weiter. |
2.3 |
In Erwägungsgrund 41 der Verordnung 883/2004 heißt es: „Zur Erleichterung der Anwendung der Koordinierungsregeln ist es erforderlich, besondere Bestimmungen vorzusehen, die den jeweiligen Eigenheiten der nationalen Rechtsvorschriften gerecht werden.“ Und genau um diese „Besonderen Vorschriften für die Anwendung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten“ geht es im Anhang XI der Verordnung 883/2004, der Gegenstand dieser Stellungnahme ist. |
2.3.1 |
Die Grundverordnung 883/2004 regelt somit die grundsätzlichen Koordinierungsregeln. Die Durchführungsverordnung ist eine Art „Gebrauchsanweisung“ für die Grundverordnung und regelt eher verwaltungstechnische Sachverhalte. Und im Anhang XI der Verordnung 883/2004 finden sich spezifische Regelungen, die auf die Rechtsordnungen einzelner Mitgliedstaaten zugeschnitten sind, um die problemlose Anwendung der neuen Koordinierungsregeln zu ermöglichen. |
2.3.2 |
Der Anhang XI dient also dazu, dass die einzelstaatlichen Systeme der Sozialen Sicherheit mit den Koordinierungsregelungen nicht in Konflikt kommen. Einzelne Regelungen von nationalen Charakteristika müssen durch Einträge in den Anhang XI abgesichert werden, um der Koordinierung nicht zu widersprechen. Anhang XI soll somit ein spannungsfreies Zusammenwirken der nationalen und gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften bei der Koordinierungspraxis im Bereich der Sozialen Sicherungssysteme in den Mitgliedsstaaten bewirken. |
2.4 |
Für jeden Mitgliedstaat wird es im Anhang XI einen eigenen Abschnitt geben. Der Umfang der Einträge einzelner Mitgliedstaaten wird stark variieren und hängt von der nationalen Rechtsordnung ab. |
2.5 |
Anhang XI wurde bei der Beschlussfassung der neuen Koordinierungsverordnung 883/2004 im Jahr 2004 vorerst gänzlich leer gelassen. Damals wurde vereinbart, dass sein Inhalt in einer folgenden Verordnung festgelegt werden soll. Diese Verordnung liegt nun im Entwurf vor (3). |
2.5.1 |
Der Anhang XI hat nicht nur Bezug auf die Verordnung 883/2004 selbst, sondern auch auf die Durchführungsverordnung. Die drei Texte kann man nicht voneinander losgelöst betrachten. Entsprechend wird der Inhalt von Anhang XI in der Ratsarbeitsgruppe Sozialfragen parallel zu den korrespondierenden Inhalten der Durchführungsverordnung behandelt. Die beiden im Jänner 2006 von der Kommission vorgelegten Verordnungsentwürfe werden somit gleichzeitig im Rat diskutiert. |
2.5.2 |
Der Inhalt von Anhang XI muss bis zum Inkrafttreten der Durchführungsverordnung vom Europäischen Parlament und dem Rat festgelegt werden. Somit stellt die Finalisierung von Anhang XI eine weitere Bedingung für die Anwendung der neuen Koordinierungsregelungen im Bereich der Sozialen Sicherheit dar. Die Rechtsgrundlage für die vorliegende Verordnung sind die Artikel 42 und 308 des EG-Vertrags. Damit ist für ein Inkrafttreten Einstimmigkeit im Rat in Verbindung mit dem Mitentscheidungsverfahren des Europäischen Parlaments verbunden. |
2.6 |
Die Kommission hat am 24.1.2006 einen Vorschlag vorgelegt, der einzelne Punkte in der Verordnung 883/2004 ändert und den Inhalt von Anhang XI festlegt. Dieser Vorschlag ist nach Konsultation mit den Mitgliedstaaten entstanden. Die Änderungen einzelner Punkte in der Verordnung 883/2004, die ja noch nicht anwendbar ist, begründen sich daraus, dass bestimmte Materien, die von Mitgliedstaaten als Eintrag in den Anhang XI gefordert wurden, als horizontale Materien erkannt wurden, die für alle Mitgliedstaaten zu regeln sind. Durch deren Einbringung in die Grundverordnung erübrigen sich gleich lautende Einträge von mehreren Mitgliedstaaten im Anhang XI. |
3. Allgemeine und besondere Bemerkungen des EWSA
3.1 |
Der EWSA hat bereits in mehreren Stellungnahmen die neuen Regelungen zur Koordinierung der einzelstaatlichen Systeme der Sozialen Sicherheit als einen wichtigen Schritt hin zur Verbesserung der Freizügigkeit in der Union begrüßt und sich insbesondere über den erweiterten persönlichen und sachlichen Geltungsbereich, die Vereinfachungen gegenüber den derzeit gültigen Regelungen sowie alle Maßnahmen zur Verbesserung der Kooperation zwischen den Sozialversicherungsträgern erfreut gezeigt. |
3.1.1 |
Der EWSA hält es für angebracht, eine möglichst zügige Anwendung der neuen Koordinierungsverordnung anzupeilen, was ein rasches Inkrafttreten der im Entwurf vorliegenden Durchführungsverordnung ebenso einschließt, wie die Einigung auf die Inhalte des Anhang XI. Der EWSA ruft in diesem Sinn alle Akteure auf, die ausstehende Behandlung der im Entwurf vorliegenden Durchführungsverordnung und auch der hier behandelten Verordnung, die den Inhalt des Anhang XI regelt, so rasch als möglich voranzutreiben (4). |
3.1.2 |
Der EWSA hat darüber hinaus bereits in seiner Stellungnahme zu dieser Durchführungsverordnung festgehalten, dass jene Frist, die nach der endgültigen Verabschiedung der Durchführungsverordnung bis zu deren Inkrafttreten vorgesehen ist, keinesfalls über die im Entwurf der Kommission vorgesehenen sechs Monate hinausgehen soll (5). |
3.2 |
In Anhang XI können die Mitgliedstaaten Einträge beantragen, um bestimmte für sie sensible nationale Bestimmungen aufrechterhalten zu können. Diese Notwendigkeit erklärt sich vor allem aus der umfassenden Sachverhaltsangleichung in der Verordnung 883/2004, wonach grundsätzlich sämtliche Sachverhalte und Ereignisse mit Rechtsfolgen im Bereich der sozialen Sicherheit, die in einem anderen Mitgliedstaat eingetreten sind, so zu behandeln sind, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären (6). |
3.2.1 |
Sachverhaltsgleichstellung bedeutet, dass beispielsweise der Bezug einer Rente von einer Einrichtung der sozialen Sicherheit eines anderen Mitgliedstaats die gleichen Rechtsfolgen nach sich ziehen muss, wie der Bezug einer inländischen Rente. Und wenn ein Unfall im Inland beispielsweise den Bezug einer Invalidenrente nach sich zieht, dann muss diese auch bei einem Unfall in einem anderen Mitgliedstaat gewährt werden. |
3.2.2 |
Der EuGH hat in der Vergangenheit fast immer zugunsten einer extensiven Sachverhaltsgleichstellung entschieden, um den Schutz der Wanderarbeitnehmer zu gewährleisten. In der derzeit anzuwendenden Verordnung 1408/71 gibt es keine allgemeine Sachverhaltsgleichstellung, sondern nur einzelne explizit geregelte Gleichstellungen. In den nicht explizit geregelten Punkten wurde öfter der Gerichtshof angerufen. Als unzulässig wurde beispielsweise erkannt, wenn die Bezugsdauer einer Waisenrente nur durch solche Wehrdienstzeiten verlängert wird, die im Inland abgeleistet werden (7), oder wenn Zeiten der Invalidität nur dann bei der Altersrente berücksichtigt werden, wenn der Betreffende bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterlag (8). |
3.2.3 |
Der EWSA ist sich bewusst, dass eine ungebremste Anwendung dieses Grundsatzes der Sachverhaltsgleichstellung, die jegliche Begrenzung des nationalen Gesetzgebers auf inländische Sachverhalte im Bereich der sozialen Sicherheit unmöglich macht, mit massiven Auswirkungen auf die Systeme der sozialen Sicherheit einhergehen würde. Auch die Erwägungsgründe 9 bis 12 der Verordnung 883/2004 zeigen, dass der Sachverhaltsgleichstellung Grenzen gesetzt werden. So muss sichergestellt werden, „dass der Grundsatz der Gleichstellung von Sachverhalten oder Ereignissen nicht zu sachlich nicht zu rechtfertigenden Ergebnissen oder zum Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art für denselben Zeitraum führt.“ (Erwäungsrund 12). Und Erwägungsgrund 11 sieht vor, dass die Gleichstellung von Sachverhalten oder Ereignissen, die in einem Mitgliedstaat eingetreten sind, in keinem Fall bewirken kann, dass ein anderer Mitgliedstaat zuständig wird oder dessen Rechtsvorschriften anwendbar werden. |
3.2.4 |
Um unerwünschte Auswirkungen der Sachverhaltsgleichstellung auszuschalten, wurden horizontale Ausnahmeregelungen, die mehrere Mitgliedstaaten betreffen, in die Grundverordnung 883/2004 aufgenommen. Spezifische unerwünschte Auswirkungen, die das System eines Mitgliedstaates betreffen, können durch Eintragung in Anhang XI vermieden werden. |
3.3 |
Die Inhalte des Anhang XI beruhen auf den Beiträgen der Mitgliedstaaten. Diese können einzelne Bestimmungen über besondere Sachverhalte nicht auf nationaler Ebene erlassen oder in Geltung belassen, ohne dass unter Umständen ein Konflikt mit dem Text der Verordnung 883/2004 entsteht. Der Anhang XI soll daher sicherstellen, dass die Verordnung in den einzelnen Punkten bezogen auf bestimmte Mitgliedstaaten derart angepasst wird, dass eine Anwendung in den einzelnen Mitgliedstaaten reibungslos funktioniert. |
3.3.1 |
Der Anhang XI ist daher hinsichtlich der möglichen Fülle an daraus folgenden Einträgen ein sensibler Teil hinsichtlich des Inkrafttretens der Verordnung 883/2004. Der EWSA anerkennt, dass gewisse Einträge notwendig sind, ruft aber dazu auf, einen Wildwuchs zu vermeiden und die Anzahl der Einträge möglichst beschränkt zu halten und davon abhängig zu machen, ob spezifische Einträge für das Funktionieren der Koordinierungsregeln im entsprechenden Mitgliedstaat in der Tat notwendig sind und dem Gebot der Verhältnismäßigkeit gehorchen. Für den EWSA ist es von besonderer Bedeutung festzuhalten, dass sich in der Praxis der Koordinierung keinesfalls herausstellen darf, dass Einträge in Anhang XI einen Nachteil der Bürgerinnen und Bürger nach sich ziehen. |
3.3.2 |
Der EWSA ist sich der Komplexität der dabei zu klärenden Fragen bewusst, ruft aber nichtsdestotrotz dazu auf, dass die Verfolgung von Partikulärinteressen zu keinen weiteren Verzögerungen bei der Anwendung der neuen Koordinierung führen darf, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Rat mit Einstimmigkeit und im Einklang mit dem Mitentscheidungsverfahren im Europäischen Parlament bestimmen muss. |
3.4 |
Die einzelnen Mitgliedstaaten wurden bereits im Zuge der Beratungen zur Verordnung 883/2004 aufgefordert, Vorschläge zur Sicherstellung der reibungslosen Anwendung der einzelnen Rechtsvorschriften zu unterbreiten. Von den Mitgliedstaaten wurden rund 150 Anträge für die Aufnahme in Anhang XI beantragt. Die Dienststellen der Kommission haben die Vorschläge ausgewertet und mit den Beamten der betreffenden Mitgliedstaaten erörtert. Etwa 50 Vorschläge wurden schließlich zur Aufnahme in den Anhang angenommen. Auf diese Weise sind die Inhalte zu Stande gekommen, die nun im hier diskutierten Kommissionsvorschlag aufscheinen. Eine abschließende Prüfung der Einträge in Anhang XI findet derzeit auf Ebene der Ratsarbeitsgruppe Sozialfragen parallel zur Behandlung der korrespondierenden Kapitel in der Durchführungsverordnung statt. |
3.4.1 |
Der EWSA wird aufgrund der Komplexität der Materie, die Detailfragen des Sozialrechts der einzelnen Mitgliedstaaten betrifft, im Detail nicht zu den einzelnen Einträgen Stellung nehmen. Auf den ersten Blick stellen die aufgenommenen Einträge aus Sicht des EWSA keine erkennbaren Probleme dar, weder für die mobilen Versicherten noch für Unternehmen und die Träger der sozialen Sicherheit. |
3.5 |
Auch die Nichtaufnahme einer Mehrheit der Einträge erscheint nachvollziehbar: Einige Anträge wurden nicht in den Anhang XI aufgenommen, entweder aus Redundanz oder wegen Unvereinbarkeit mit der Verordnung 883/2004. Manche andere Anträge auf Eintragung in den Anhang XI sind in Vorschläge für Änderungen in der Verordnung 883/2004 umgewandelt worden. Es sind dies Vorschläge, die nicht spezifischer Natur für ein Land, sondern allgemeiner Art sind. |
3.5.1 |
Durch diese Vorschläge zu Änderungen in der Verordnung 883/2004, die ebenfalls im vorliegenden Verordnungsentwurf enthalten sind, wurde vermieden, dass mehrere ähnlich lautende Einträge für unterschiedliche Mitgliedstaaten in den Anhang XI aufgenommen wurden. Damit bleibt der Anhang kürzer und die gesamte Verordnung übersichtlicher. |
3.5.2 |
Als Beispiel für diese Zusammenfassung von horizontalen Fragen kann der Artikel 1 der im Entwurf vorliegenden Verordnung genannt werden. Die darin enthaltenen Klarstellungen treffen zahlreiche Mitgliedstaaten und werden daher systemgerecht in der Verordnung 883/2004 selbst geändert und nicht durch eine Vielzahl von Einträgen in den Anhang XI. |
3.5.2.1 |
Artikel 1 Ziffer 1 betrifft eine Änderung des Artikels 14 der Verordnung 883/2004 „Freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung“. Durch diesen neuen Passus können alle Mitgliedstaaten in ihrer nationalen Rechtsordnung festlegen, dass eine freiwillige Versicherung in ihrem Sozialversicherungssystem, welches für die freiwillige Versicherung den Wohnort oder eine vorherige Beschäftigung im Inland vorschreibt, nur dann möglich ist, wenn man im System dieses Mitgliedstaats bereits irgendwann aufgrund von Beschäftigung versichert war. Ohne eine solche Ausnahmemöglichkeit könnten sich aufgrund der umfassenden Sachverhaltsgleichstellung aus Artikel 5 der Verordnung 883/2004 all jene in diesem Mitgliedstaat freiwillig versichern, die irgendwo in der EU ihren Wohnsitz hatten oder beschäftigt waren. Da die freiwillige Versicherung in den Rechtsordnungen einiger Mitgliedstaaten mit durchaus vorteilhaften Konditionen verbunden ist, wäre eine bedingungslose Öffnung unter Umständen mit Konsequenzen verbunden, die das System dieses Mitgliedstaats aus dem Gleichgewicht bringen und damit die Versicherten dieses Mitgliedstaates vor schwerwiegende Probleme stellen könnten. Deshalb kam man überein, dass alle Mitgliedstaaten für die freiwillige Versicherung eine vorherige Beschäftigung vorschreiben können. |
3.5.2.2 |
In Artikel 1 Ziffer 3 erfolgt eine Änderung von Artikel 52 der Verordnung 883/2004 „Feststellung der Leistungen“. Darin wird für alle Mitgliedstaaten, also horizontal, festgelegt, in welchen Fällen bei der Bestimmung der Leistungshöhe die so genannte Pro-Rata-Temporis-Methode nicht zur Anwendung kommt (9).
|
3.5.3 |
Wieder andere horizontale Themen wurden im Vorschlag für die Durchführungsverordnung berücksichtigt. Dies sind in erster Linie Vorschläge technischer Art. Die Einträge in Anhang XI sollen somit in der Tat beschränkt werden auf spezifische Maßnahmen für einzelne Mitgliedstaaten. |
3.6 |
Der EWSA anerkennt das erfolgreiche Bemühen aller Beteiligten um Vereinfachung, was dazu führt, dass Anhang XI deutlich weniger Einträge umfasst als der korrespondierende Anhang VI zur bestehenden Koordinierungsverordnung 1408/71. |
3.6.1 |
Darauf aufbauend soll fortgesetzt, insbesondere bei etwaigen zukünftigen Anträgen auf Eintragung im Anhang XI (u.a. seitens Rumäniens und Bulgariens im Zuge des Beitritts) sachdienlich überlegt werden, ob es sich nicht um eine horizontale Materie handelt, die systemkonform in der Grundverordnung oder in der Durchführungsverordnung behandelt werden sollte. So etwa hinsichtlich der in zahlreichen Mitgliedstaaten bestehenden Schutzklauseln im Rahmen staatlicher Fürsorgeleistung, die Personen zugute kommen, die aus politischen oder religiösen Gründen bzw. aufgrund ihrer Abstammung in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen einen Nachteil erlitten haben (10), oder auch spezielle Regelungen für Kriegsgeschädigte, ehemalige Kriegsgefangene, Opfer von Verbrechen, Opfer von Terrorismus, oder Benachteiligte durch vormalige totalitäre Regimes. Solche Schutzklauseln, die speziellen Personengruppen zwar Schutz der sozialen Sicherheit (z.B. Krankenversicherung, Rentenzahlung) oder Kompensationszahlungen bieten, sind in der Regel nicht im System der sozialen Sicherheit angesiedelt. Zielführend wäre daher auch für diese Fälle ein entsprechender Artikel für alle Mitgliedstaaten in der Grundverordnung selbst, um solche Vorschriften, die eine staatliche Leistung bzw. Entschädigung vorsehen, die aber nicht dem System der Sozialversicherung unterliegen, von der Verordnung generell auszunehmen. |
3.6.2 |
Gleichzeitig appelliert der EWSA an die Sachverständigen in den einzelnen Mitgliedstaaten, ihre Rechtsordnung intensiv im Hinblick auf die neuen Koordinierungsregelungen zu durchleuchten. Gegebenenfalls sollten noch überall dort Einträge in den Anhang XI angemeldet werden, wo es zu Problemen hinsichtlich einer reibungslosen Anwendung der Verordnung 883/2004 kommen könnte. Wenn die nationalen Rechtsordnungen im Bereich der sozialen Sicherheit nicht den Koordinierungsregelungen entsprechen, so kann das möglicherweise zahlreiche Verfahren vor dem EuGH nach sich ziehen. |
4. Weiterführende Bemerkungen zur Koordinierungspraxis
4.1 |
Die grenzübergreifende Mobilität in Europa steht ganz oben auf der EU-Agenda. Eine funktionierende Koordinierung im Bereich der Sozialen Sicherheit ist wesentlich dafür, in welchem Maß die Bürgerinnen und Bürger in der EU davon Gebrauch machen. Sie erwarten hier zu Recht praktische Vorteile aus der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit. |
4.2 |
Aus Sicht des EWSA sind die Mitgliedstaaten und die Kommission in diesem Zusammenhang gefordert, Maßnahmen zu verstärken, um allen potenziellen Nutzern der Verordnung die Regelungen und Vorteile der Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme näher zu bringen. Die dafür notwendigen Vorbereitungen sind nach Ansicht des Ausschusses unverzüglich in Angriff zu nehmen. Bestehende Instrumente zur Mobilitätsberatung (11) sind weiter bekanntzumachen und auszubauen. |
4.3 |
Der EWSA hat in diesem Zusammenhang auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, das Personal in den Trägern der sozialen Sicherheit rechtzeitig auf die neuen Regelungen und alle im Zusammenhang stehende Grundlagen vorzubereiten. Entsprechende Schulungen und Training des Personals in den Mitgliedstaaten sind unumgänglich. |
4.4 |
Im Dienste einer raschen Anwendbarkeit der Grundverordnung in der Praxis fordert der EWSA die Mitgliedstaaten daher auf, ihre Träger der sozialen Sicherheit bereits jetzt mit den notwendigen personellen und technischen Ressourcen auszustatten, um diese rasche Umstellung zu ermöglichen. Bestehende Instrumente der Akteure und Nutzer auf nationaler Ebene — insbesondere die bestehenden TRESS Netzwerke, die auf Ebene der Mitgliedstaaten die interessierten Kreise und Akteure zusammenbringen (12) — sollen dazu genutzt werden, die praktische Anwendung dieser Verordnung nach deren Inkrafttreten in den einzelnen Mitgliedstaaten entsprechend zu evaluieren. |
4.5 |
Der EWSA behält es sich vor, in einer gesonderten Initiative auf Fragen hinsichtlich des praktischen Funktionierens der Koordinierung zurückzukommen. Dabei soll insbesondere evaluiert werden, inwiefern die Bürgerinnen und Bürger die intendierten Vorteile — u.a. auch im Hinblick auf die Europäische Krankenversicherungskarte — im Bereich grenzübergreifender Mobilität auch in der Tat lukrieren können. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(2) Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“ KOM(2006) 16 endg. — 2006/0006 (COD), Berichterstatter: Herr GREIF. ABl. C 324 vom 30.12.2006.
(3) KOM(2006) 7 endg.
(4) Zuletzt auch gefordert in Stellungnahme des EWSA zum Thema „Soziale Sicherheit von Arbeitnehmern und Selbständigen“ (Berichterstatter: Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO), ABl. C 24 vom 31.1.2006 und Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“ KOM(2006) 16 endg. — 2006/0006 (COD), Berichterstatter: Herr GREIF. ABl. C 324 vom 30.12.2006.
(5) ABl. C 324 vom 30.12.2006, Berichterstatter: Herr GREIF — Ziffer 4.4.1.
(6) Siehe Artikel 5 der Verordnung 883/2004.
Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen:
Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:
a) |
„Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar.“ |
b) |
„Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte und Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären.“ |
(7) RS.C-131/96, Mora Romero, Slg. 1997, I-3676.
(8) RS.C-45/92 und C-46/92, Lepore und Scamuffa, Slg. 1995, I-6497.
(9) Bei der „Pro-Rata-Temporis“-Methode erfolgt die Berechnung der inländischen Teilpension auf Basis einer anteiligen Berechnung. Zuerst wird fiktiv berechnet, dass alle Versicherungszeitenjahre im Inland erworben wurden. Im Anschluss daran wird die inländische Teilpension als jener Prozentsatz dieser fiktiven Pension ermittelt, der dem Anteil der inländischen Versicherungszeit an der gesamten Versicherungszeit entspricht. Allerdings gibt es Fälle, in denen die Berechnung nur auf Basis der inländischen Zeiten (autonome Leistung) immer höher ist als die Leistung auf Basis der anteiligen Berechnung. Diese Fälle sind in Anhang VIII angeführt. Hier kann der zuständige Träger auf die Berechnung der anteiligen Leistung verzichten.
(10) Siehe dazu Eintrag Nr. 5 von Österreich in Anhang XI.
(11) Siehe dazu u.a.: The Community provisions on social security — Your rights when moving within the European Union:
http://ec.europa.eu/employment_social/emplweb/publications/publication_en.cfm?id=25; sowie die MISOC Datenbank zu den Sozialschutzsystemen in den Mitgliedsstaaten:
http://ec.europa.eu/employment_social/social_protection/missoc_en.htm.
Training and Reporting on European Social Security (siehe auch:
(12) http://www.tress-network.org/).
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/66 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Familie und die demografische Entwicklung“
(2007/C 161/19)
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat vom künftigen deutschen Ratsvorsitz ein Befassungsschreiben vom 19. Oktober 2006 zum Thema „Die Familie und die demografische Entwicklung“ erhalten.
Das Ausschusspräsidium hat die Erarbeitung einer Stellungnahme für ratsam erachtet, in der auch die Mitteilung der Kommission „Die demografische Zukunft Europas — Von der Herausforderung zur Chance“ (KOM(2006) 571 endg.) berücksichtigt wird, zu der die Europäische Kommission am 12. Oktober 2006 beschloss, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 22. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr BUFFETAUT.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 120 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Empfehlungen und Vorschläge
1.1 Auf eine nie da gewesene Situation reagieren
1.1.1 |
Artikel 33 der Charta der Grundrechte legitimiert die Teilhabe der Europäischen Union an familienpolitischen Überlegungen und Vorschlägen, auch wenn die konkrete Bestimmung der Maßnahmen und ihre Umsetzung aus Gründen der Effizienz und Subsidiarität eindeutig Sache der Mitgliedstaaten und lokalen Gebietskörperschaften bzw. des öffentlichen Dienstes und der Unternehmen ist. |
1.1.2 |
In ihrem am 16. März 2005 veröffentlichten Grünbuch hatte die Kommission die derzeitige demografische Lage in Europa zu Recht als Phänomen „ohne Beispiel“ bezeichnet. In der Mitteilung vom 10. Oktober 2006 ist die Rede von „eine(r) der wichtigsten Herausforderungen, denen sich die Europäische Union in den nächsten Jahren stellen muss“. Man darf es nicht bei Befunden belassen, sondern die einzige berechtigte Frage lautet: „Was lässt sich auf Gemeinschaftsebene tun?“, insbesondere im Bereich der Familienpolitik und der Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben. Im Übrigen hat der Europarat unlängst ebenfalls zu einer umfassenden europäischen Familienpolitik aufgerufen. |
1.1.3 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss empfiehlt ein Studienprogramm, Informationskampagnen, Vorschläge sowie ein Follow-up und allgemein, dass im Rahmen der Wirkungsstudien, die heute für jeden Legislativvorschlag obligatorisch sind, auch die Auswirkungen auf die Familien untersucht werden, wenn diese unmittelbar betroffen sein können. Diese Studien müssen mit den anderen großen sozioökonomischen Bereichen verbunden werden, mit denen sich die EU befasst: Beschäftigung, Wachstum, Energieentwicklung und ihre Folgen. |
1.2 Studienprogramm
1.2.1 |
Die politischen Entscheidungsträger auf europäischer, einzelstaatlicher und lokaler Ebene benötigen eine vertiefte Analyse der demografischen Entwicklungen, um den demografischen Wandel abfedern zu können. Das erste europäische Demografieforum, das im Oktober 2006 stattfand, ist eine hervorragende Initiative, die regelmäßig stattfinden sollte. |
1.2.2 |
Notwendig ist ferner die genaue Untersuchung der Bevölkerungsentwicklungen (Bevölkerungsgeographie, natürliche Bewegung, Wanderungsbewegung, Zusammensetzung nach Alter und Geschlecht, gestiegene Lebenserwartung usw.) und ihrer Ursachen (wirtschaftliche, soziale, kulturelle und ökologische Faktoren, schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Lage der Frauen und Mütter auf dem Arbeitsmarkt, flexible Beschäftigung aus familiären Gründen, erhebliche Risiken und Anforderungen des Berufslebens usw.) unter Berücksichtigung nationaler und regionaler Unterschiede. Diese Studien sollten auf jeden Fall unabhängig durchgeführt werden, da ihre Ergebnisse einzelstaatliche Maßnahmen in Frage stellen könnten. |
1.2.3 |
Denkbar wären vergleichende Studien über die einzelnen Steuer- oder Sozialsysteme, die Frauen und Männern nach der Betreuung ihrer Kinder den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern, sowie über Anreize für Männer, die familiären Pflichten mit den Frauen zu teilen. Interessant wäre ferner, die verschiedenen Steueranreizsysteme zu untersuchen, die den Ausbau von — allen zugänglichen — öffentlichen und privaten Dienstleistungen für Familien ermöglichen. |
1.2.4 |
Familien, die besondere Situationen bewältigen müssen (allein erziehende Mütter, behinderte Kinder, Pflegebedürftigkeit betagter Eltern, Einwandererfamilien mit Integrationsschwierigkeiten usw.), sollten ebenfalls Gegenstand genauer Studien sein. |
1.2.5 |
Die zunehmende Überalterung (1) mit ihren verschiedenen Formen und ihren zahlreichen geografischen Unterschieden muss Gegenstand besonderer Untersuchungen sein, in denen namentlich ihre Auswirkungen auf das Familienleben und die Familienpolitik untersucht werden. Diese Politik wurde hauptsächlich unter dem Aspekt Beziehungen zwischen Eltern und Kindern bzw. Jugendlichen analysiert. Nunmehr muss sie auch unter dem Aspekt Beziehungen zwischen Erwachsenen und ihren betagten Eltern, vor allem in puncto Arbeitszeitgestaltung und Hilfe durch das Gemeinwesen beleuchtet werden. |
1.2.6 |
Des Weiteren ist zu überlegen, wie künftige ältere Arbeitnehmer, die gesünder, dynamischer und unabhängiger sind, besser und länger am Familien-, Wirtschafts- und Gesellschaftsleben teilnehmen können, insbesondere durch eine Anpassung der Arbeitsplätze und eine stärkere aktive Teilhabe am Leben des Gemeinwesens und an Kontakten zwischen den Generationen (etwa durch Einbindung älterer Menschen in den Alltag von Schulen, Kindertagesstätten oder Kinderkrippen). Die Familie setzt sich nicht nur aus Eltern und Kindern, sondern auch aus Großeltern zusammen, die oftmals eine wichtige Rolle bei der Hilfe und Unterstützung spielen (Betreuung der Kinder, materielle Unterstützung usw.). |
1.2.7 |
Im Siebten Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2007-2013) sollte die sozioökonomische Forschung inhaltlich weiterentwickelt werden und mehr Finanzmittel erhalten, um die Forschung im Bereich der Bevölkerungsentwicklung auszubauen (2). |
1.3 Information
1.3.1 |
Die Kommission sollte ein richtiges europäisches Verzeichnis vorbildlicher Maßnahmen in puncto Familienpolitik, Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben, Gleichstellungs- und spezifischer Politik für Mütter und Väter erstellen, die uneingeschränkt familiäre Pflichten übernehmen. Hierbei sollten den Mitgliedstaaten erfolgreiche europaweite Erfahrungen vorgestellt werden, damit Paare ihren unerfüllten Kinderwunsch verwirklichen können (die Kinderzahl pro Frau liegt bei ca. 1,5 Kindern, während nach jüngsten Untersuchungen deutlich mehr Kinder gewünscht werden). |
1.4 Vorschläge
1.4.1 |
Nur durch eine rechtzeitig greifende Kombination vieler aufeinander abgestimmter Maßnahmen der Sozial-, Wirtschafts-, Umwelt-, Familien- und Gleichstellungspolitik können die negativen Auswirkungen des demografischen Wandels deutlich gedämpft werden, was nur mit einer übergeordneten Sichtweise und mit dem effektivsten Politikmix gelingt. In diesem Zusammenhang sollte die Europäische Union einen mehrjährigen Aktionsplan vorlegen, der in der Praxis der Mitgliedstaaten bewährte Maßnahmen der Politik zugunsten der Familie und der Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben umfasst. |
1.4.2 |
Da die Maßnahmen sich langfristig auf die Bevölkerungsentwicklung auswirken müssen, muss die EU die Dringlichkeit der Lage hervorheben und den Mitgliedstaaten Schritte für eine nachhaltige Familienpolitik vorschlagen. |
1.4.3 |
Die offene Methode der Koordination sollte sich zu einem familien- und gleichstellungs-, wirtschafts- und sozialpolitischen Benchmarking entwickeln, das es der Europäischen Union ermöglicht, das Beste aus der kulturellen Vielfalt ihrer Mitgliedstaaten und aus deren nationalen Politikelementen auszuwählen. |
1.4.4 |
Der Europäische Rat, das Europäische Parlament und die Kommission müssten entschlossen handeln und — unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips — die Unterzeichnung eines europäischen Familienpakts durch die Mitgliedstaaten fördern, der folgende Verpflichtungen beinhalten sollte:
|
1.4.5 |
Der Mensch ist kein bloßer Produzent und Verbraucher. Er besitzt seine eigene soziale und affektive Seite, die seine Würde ausmacht. Jede veritable humanistische Politik muss diesen wesentlichen Aspekt des menschlichen Lebens nicht nur berücksichtigen, sondern auch bewahren. Familienpolitische Maßnahmen tragen vollständig zur Entfaltung der Menschen und zur Harmonie der Gesellschaften bei. Mit einem „europäischen Familienpakt“ würde die Europäische Union zeigen, dass sie den Verpflichtungen aus ihrer Europäischen Charta der Grundrechte nachkommt. |
2. Einleitung
2.1 |
Nach ihrem Grünbuch „Angesichts des demografischen Wandels — eine neue Solidarität zwischen den Generationen“ (3) hat die Kommission unlängst eine neue Mitteilung mit dem Titel „Die demografische Zukunft Europas — Von der Herausforderung zur Chance“ vorgelegt und so verdeutlicht, welche Bedeutung sie dieser für die Zukunft der Europäischen Union entscheidenden Frage beimisst. |
2.2 |
Festzustellen ist, dass sich die Mitgliedstaaten bis zum Vertrag von Nizza bei diesem Thema stark zurückgehalten haben, während die Demografen seit etwa 20 Jahren bemüht waren, die Politiker auf die sich abzeichnende Überalterung und auf die daraus resultierenden Schwierigkeiten hinzuweisen. Es ist bedauerlich, dass die Reaktion — trotz zahlreicher, wiederholter Warnungen — so spät erfolgte und nunmehr eine veritable demografische Krise zu bewältigen ist. |
2.3 |
Seit rund zehn Jahren hat die Kommission unablässig die Bedeutung des Phänomens betont, das sämtliche Ziele der Lissabon-Strategie untergraben könnte, und hat so eine lobenswerte Hellsichtigkeit an den Tag gelegt. |
2.4 |
Tatsächlich lässt sich ohne übertriebenen Pessimismus feststellen, dass die Fertilitätsrate zwar nicht die einzige Voraussetzung für die Dynamik der Mitgliedstaaten ist und mit einem Ausbau der Kompetenzen, der Bildung und der Kreativität der einzelnen Generationen einhergehen muss, die demografische Lage in der Europäischen Union aber eine große Herausforderung für ihre künftige Wirtschaftsentwicklung und für das gesellschaftliche Gleichgewicht darstellt. |
2.5 |
Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften kann die Voraussetzungen für Produktivitätsgewinne untergraben, falls der Qualität der Arbeit und der Modernisierung der Arbeitsmethoden keine ausreichende Aufmerksamkeit geschenkt wird. Tatsächlich werden sich die Arbeitsplätze der Zukunft und das für sie erforderliche Fachwissen von dem unterscheiden, was wir heute kennen, woraus die Bedeutung des lebenslangen Lernens hervorgeht. Leider gibt es in der Europäischen Union fast 17 Millionen Arbeitslose, und hinzu kommen diejenigen, die eine Teilzeitstelle annehmen mussten, da sie keine Ganztagsstelle gefunden haben. Eine der größten Herausforderungen der EU lautet, dafür zu sorgen, dass diese Menschen wieder einen festen Arbeitsplatz finden; dann könnten in gewisser Weise auch die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Rückgangs der erwerbstätigen Bevölkerung in Europa verringert werden. |
2.6 |
Der demografische Wandel erfolgt nach dem von der Bevölkerungswissenschaft als „demografischer Übergang“ bezeichneten Zeitraum, in dem die Sterblichkeit, insbesondere die Kinder- und Müttersterblichkeit, erheblich zurückgegangen ist. Dieses Phänomen geht mit einem Rückgang der Geburtenziffer in Verbindung mit einer Abnahme der Sterblichkeit sowie mit einem erheblichen Anstieg der Lebenserwartung Neugeborener einher. |
2.7 |
Der „demografische Übergang“ und die gestiegene Lebenserwartung der Senioren (seit den 70er Jahren in Europa) sind äußerst positive Fortschritte. Unerlässlich ist jedoch, dass die Reproduktion der Generationen gewährleistet ist und das Gleichgewicht zwischen Geburten und Todesfällen nicht dauerhaft zerstört wird, was in Europa auch nicht der Fall ist. Tatsächlich übersteigt in vielen Mitgliedstaaten die Zahl der Todesfälle diejenigen der Geburten. |
2.8 |
Ein hohes Alter unter optimalen Bedingungen zu erreichen, wird auch in Zukunft angestrebt. Hierdurch werden höhere Gesundheits- und Pflegekosten, aber auch die Schaffung neuer Dienstleistungen und Waren für ältere Menschen erforderlich. Daher müssen künftig auch die Produktivität der erwerbstätigen Bevölkerung gesteigert und die Berufstätigkeit der „Senioren“ verlängert werden, die mitunter entgegen ihrem Willen aus dem Erwerbsleben ausgegrenzt werden. |
2.9 |
Gewiss gleicht in einigen europäischen Ländern die Zuwanderung das Bevölkerungsdefizit heute und in Zukunft teilweise aus, vorausgesetzt, sie geht mit Integrationsprogrammen für Migranten einher (Sprachkurse, berufliche Bildung usw.) (4). Sie kann jedoch nicht die einzige Antwort auf die demografische Herausforderung sein. Hierbei geht es nämlich nicht nur darum, wie viele Arbeitskräfte Europa benötigt, sondern auch um ein menschliches und gesellschaftliches Problem. Darüber hinaus kann es keine Lösung sein, Entwicklungsländer um ihre Arbeitskräfte und namentlich um ihre bestausgebildeten und bestqualifizierten Staatsbürger zu bringen. Die Europäische Union muss auch ihre eigenen Mittel und Wege zur Lösung der Probleme der Bevölkerungsentwicklung finden, mit dem sie konfrontiert wird. |
3. Die Kommissionsmitteilung vom Oktober 2006
3.1 |
Die Kommission erinnert gleich zu Beginn an einen Aspekt, der in der einschlägigen Debatte allzu oft vernachlässigt wird: Ein Aspekt der zunehmenden Alterung der Bevölkerung, den die Demografie als Alterung „von oben“ bezeichnet, ist eine gute Nachricht — als Zeichen einer gestiegenen Lebenserwartung der Senioren und folglich beträchtlicher medizinischer, sozialer und ökonomischer Fortschritte. |
3.2 |
Gleichzeitig mit dieser höheren Lebenserwartung ist in Europa ein starker Rückgang der Geburtenziffer zu beobachten. Folglich umfasst die europäische demografische Lage vier Charakteristika:
|
3.3 |
Hieraus ergibt sich, dass die Bevölkerung der Europäischen Union leicht schrumpfen könnte, aber vor allem stark altern wird, wenn die nach dem Zweiten Weltkrieg geborenen geburtenstarken Jahrgänge das Seniorenalter erreichen |
3.4 |
Die Projektionen der Kommission erstrecken sich bis zum Jahr 2050 und beruhen per Definition auf statistischen Schätzungen. Die Kommission will diese Projektionen als ein Mittel dafür verstanden wissen, das Bewusstsein zu wecken und den Dialog zu stimulieren. |
3.5 |
Den Kommissionsprognosen zufolge könnten 2050 zwei Personen im erwerbsfähigen Alter auf jede 65-jährige oder ältere Person kommen, während das Verhältnis heute bei vier Personen im erwerbsfähigen Alter für eine 65-jährige oder ältere Person liegt. |
3.6 |
Auf der Grundlage ihrer Prognosen stellt die Kommission fest, dass sich die zunehmende Alterung der Bevölkerung stark auf den Arbeitsmarkt, die Produktivität und das Wirtschaftswachstum sowie auf die soziale Sicherung und die öffentlichen Finanzen auswirken könnte. |
3.7 |
Zunächst könnte die Beschäftigungsquote der Frauen und der zwischen 55 und 64 Jahre alten Arbeitnehmer — bis etwa 2017 — ansteigen, doch dürfte es sich dabei nur um eine „Ruhepause“ handeln. Anschließend dürfte der demografische Wandel das Wirtschaftswachstum stark beeinträchtigen. |
3.8 |
Somit könnte die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des BIP der Europäischen Union im Zuge der zunehmenden Alterung der Bevölkerung automatisch von 2,4 % im Zeitraum 2004-2010 auf nur 1,2 % zwischen 2030 und 2050 sinken. Dies würde das Ende der Ambitionen und Zielsetzungen der Lissabon-Strategie bedeuten. |
3.9 |
Zugleich könnte die zunehmende Alterung — wenn nichts getan wird — zu einem bedeutenden Anstieg der öffentlichen Ausgaben (Renten, Gesundheitswesen und Dienstleistungen für ältere Menschen) führen, die durch eine Vertiefung des Haushaltsdefizits in eine unhaltbare Spirale öffentlicher Verschuldung münden würde. |
3.10 |
Angesichts dieser prognostizierten Schwierigkeiten ist nach Ansicht der Kommission zu überlegen, wie die Europäische Union die Mitgliedstaaten im Rahmen einer langfristigen Strategie unterstützen kann, deren rechtliche und praktische Umsetzung jedoch im Wesentlichen vom politischen Willen und von den Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten abhängt. |
3.11 |
Somit gibt die Kommission nützliche, doch recht vage oder allgemeine Denk- und Handlungsanstöße, da die Mitgliedstaaten bzw. die lokalen Gebietskörperschaften in diesem Bereich zuständig sind. |
3.12 |
Die Vorschläge betreffen die Familienpolitik und sollen die demografische Entwicklung verbessern — insbesondere durch bessere Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Familienleben (Ausbau der Betreuungseinrichtungen für Kinder und des Elternurlaubs, flexiblere Arbeitsorganisation, Veranstaltung eines jährlichen Demografieforums). |
3.13 |
Empfohlen werden ferner Maßnahmen zur Steigerung der Beschäftigungsquote über 55-jähriger Arbeitnehmer und der Produktivität in Europa sowie Bestimmungen zur besseren Bewältigung der legalen Migration und Integration legaler Migranten. |
3.14 |
Schließlich plädiert die Kommission für die Herausbildung eines ausreichend vielfältigen Spektrums an Finanzinstrumenten zur Absicherung der Rentensysteme wozu auch die Bildung von privatem Sparvermögen und Kapital gehört, damit die Menschen autonomer die Höhe des Einkommens bestimmen können, über das sie im Ruhestand verfügen möchten; dies setzt wirksame und transparente Finanzmärkte und eine hohe Qualität der Aufsicht insbesondere von Pensionsfonds voraus. |
3.15 |
Die zunehmende Alterung in Europa wird zu einem Mentalitätswandel sowie zu einer Reform der sozialen Sicherungssysteme und familienpolitischen Maßnahmen führen, denn die Aufgabe ist es, die schwierige Herausforderung in eine Chance zu verwandeln. |
3.16 |
Da die Europäische Union keine eigenen entsprechenden Zuständigkeiten besitzt, konnte sich die Kommission nur auf die Formulierung allgemeiner Grundsätze beschränken. Im Übrigen ist recht schlecht vorstellbar, wie die einschlägigen praktischen Zuständigkeiten der Europäischen Union aussehen könnten, zumal sich die notwendigen Antworten je nach der spezifischen Lage jedes Staates und je nach den spezifischen Gewohnheiten sowie sozialen und kulturellen Traditionen jedes einzelnen Volkes unterscheiden. Darüber hinaus lassen sich bestimmte Maßnahmen, etwa der Ausbau der Betreuungseinrichtungen für Kinder, nur auf lokaler Ebene — mit größtmöglicher Familiennähe — konkretisieren. Gleichwohl ist eine europäische Mobilisierung bezüglich der Bevölkerungsentwicklung dringend geboten. |
3.17 |
Der deutsche Ratsvorsitz hat sein Interesse an der Kommissionsmitteilung bekundet, sich für eine Vertiefung des familienpolitischen Aspekts ausgesprochen und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Überlegungen gebeten, inwiefern eine nachhaltige Familienpolitik zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Europas beitragen kann. |
4. Die Familie als Lebensform, die sich an den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel angepasst hat
4.1 |
Innerhalb von zwei Jahrhunderten hat der erhebliche politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel Europas sich auch auf die Familie, die Lebensweise und das Wertesystem ausgewirkt. Durch die industrielle Revolution und die Verstädterung wurde die Familie einem Wandel unterzogen. Die Großfamilie ist geschrumpft, und neue Formen des Familienlebens sind entstanden, die Bindungen zwischen den Generationen haben sich verändert, die Mentalitäten haben sich gewandelt, die wirtschaftliche Solidarität hat sich verändert bzw. abgeschwächt, und zugleich hat die wachsende wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen den Lebensstandard der Doppelverdienerfamilien erhöht. |
4.2 |
Die Lebensformen der Familien sind unterschiedlicher und vielfältiger geworden. Es wird weniger und später geheiratet. Die Zahl der unehelich geborenen Kinder sowie der Adoptionen, insbesondere nichteuropäischer Kinder, ist gestiegen. Scheidungen und neue Familien mit Kindern aus einer früheren Ehe haben ebenfalls zugenommen. Es gibt immer mehr Alleinerziehende, hauptsächlich Frauen, und diese so genannten Einelternfamilien werden oftmals von Geldsorgen gequält. Familien mit behinderten Kindern befinden sich in einer besonders schwierigen Lage, der die spezielle Aufmerksamkeit der öffentlichen Hand gebührt. Neue Familiennetzwerke sind mit dem Ziel entstanden, sich auf den Grundlagen der Solidarität und Freundschaft gegenseitig zu unterstützen (z.B. Familienkrippen). Weniger Menschen wohnen in einem Haushalt, und immer mehr Personen oder Paare leben allein und ohne Kinder. Die Frage älterer Paare, ihrer Rolle in der Gesellschaft und der Unterstützung, die sie künftig benötigen, wird immer drängender werden. Durch die Zuwanderung sind neue Familienkulturen in Europa aufgetreten und folglich noch komplexere familiäre Strukturen entstanden. |
4.3 |
In einer größtenteils ländlichen Gesellschaft war die Familie eine dreifache — affektive, wirtschaftliche und geografische — Einheit. In der Praxis wurde die Wirtschaftstätigkeit zumeist am selben Ort ausgeübt, an dem sich auch das Familienleben abspielte: Bauernhof, Werkstatt oder Geschäft. Diese dreifache Einheit hat im Zuge der Industrialisierung und Verstädterung an Bindekraft verloren oder ist ganz verschwunden. In den meisten Fällen spielen sich Familienleben und Berufsleben an unterschiedlichen Orten ab, die Familienmitglieder arbeiten weder im selben Betrieb noch in derselben Branche. Die Eltern sind seltener zu Hause, die Großeltern und anderen Verwandten wohnen oft weiter entfernt, und die Solidarität innerhalb der Familie ist nicht mehr selbstverständlich. Daher sind manche Kinder häufiger sich selbst überlassen, die meisten bleiben jedoch länger als früher zu Hause wohnen, vor allem aufgrund längerer Studienzeiten und der Schwierigkeiten junger Menschen, ins Erwerbsleben einzutreten. Dass ca. 30-jährige junge Erwachsene noch bei ihren Eltern leben und finanziell von ihnen abhängig sind, ist in einigen Mitgliedstaaten ein weit verbreitetes Phänomen. Außerdem ist festzustellen, dass die Pflege-, Sozial- und Bildungsdienste heute von mehr Kindern als früher in Anspruch genommen werden. |
4.4 |
Zwar bildet die Sehnsucht nach starken affektiven Bindungen heute wie gestern das Fundament der Familie, handelt es sich doch um ein universelles Bedürfnis des Menschen, allerdings ist die wirtschaftliche und geografische Einheit eindeutig eher die Ausnahme (landwirtschaftliche Betriebe, traditionelle Geschäfte, Handwerk ...) als die Regel geworden. |
4.5 |
Das moderne Leben ist komplexer und gewiss auch individualistischer geworden. Konkurrenzdenken ist weit verbreitet und hat allzu oft Vorrang vor den Werten der Solidarität. |
4.6 |
Die Familie hat trotz dem wirtschaftlichen Wandel, der Verstädterung und dem Vorrang des Einzelnen vor der Gemeinschaft überlebt und sich angepasst — wenngleich sie geschwächt wurde. Sie entspricht nämlich einem natürlichen Grundbedürfnis der Menschheit nach Zuneigung, Liebe, gegenseitigem Beistand und Solidarität. Im Übrigen belegen Umfragen unter der Bevölkerung und insbesondere unter jungen Menschen, dass dieses Bedürfnis sehr wohl fortdauert. |
4.7 |
Eine der größten Aufgaben ist jedoch zweifellos, Berufs-, Privat- und Familienleben für Frauen wie für Männer zu ermöglichen und deren Vereinbarkeit zu gewährleisten sowie die zunehmenden Anforderungen der Elternpflichten zu erfüllen. |
4.8 |
Aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der europäischen Gesellschaften sind mehrere Fragen für jede Familienpolitik entscheidend: Die Betreuung und Erziehung von Kindern, Unterstützung und Hilfe für ältere bzw. betagte und pflegebedürftige Menschen, Pflege eines kranken Angehörigen, eine flexible Arbeitsorganisation, Elternurlaub sowie Unterstützung bei der Rückkehr in den Beruf für den Elternteil, der seinen Berufsweg zugunsten der Kindererziehung unterbrochen hat, sowie Unterstützung und Hilfe bei der Erziehung der Kinder, die ja die Zukunft unserer Gesellschaften sind, Bekämpfung der Armut und Arbeitslosigkeit, Unterstützung für Familien, die an Krankheiten, Alkoholabhängigkeit oder anderen gesundheitsschädlichen Abhängigkeiten (Drogen-, übermäßiger Tabakkonsum usw.) leiden, Bekämpfung häuslicher Gewalt, Hilfe für Familien mit behinderten Mitgliedern usw. |
4.9 |
Tatsächlich sind konkrete und wirkungsvolle Maßnahmen vorzuschlagen, damit kein allzu starker Druck auf junge Menschen im Elternalter entsteht. Wenn von den Frauen verlangt wird, Kinder zur Welt zu bringen, beruflich voranzukommen und vermehrt erwerbstätig zu sein, dann müssen ihnen auch entsprechende Begleitmaßnahmen angeboten werden, die für eine bessere Vereinbarkeit zwischen Mutterschaft/Familie und Beruf notwendig sind. Ferner sollen zielorientierte, effektive Maßnahmen ergriffen werden, damit Väter sich ins Familienleben einbringen, ein Gefühl für ihre väterlichen Pflichten entwickeln und genauso wie die Mütter zur Kinderbetreuung in der Familie verpflichtet sind. Zu diesem Zweck muss in jenen Mitgliedstaaten, die noch keine diesbezüglichen Gesetze verabschiedet haben, unter anderem das Arbeitsrecht dahingehend geändert werden, dass Eltern kleiner Kinder — so auch Väter — Elternurlaub nehmen und ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können, um sich um ihre Kinder zu kümmern. |
5. Die Familie als eine bereits von der Europäischen Union unter ihrem menschlichen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekt anerkannte und gefestigte Lebensform
5.1 |
Die Europäische Union hat ihr Interesse für die Familie bereits offiziell bekunden wollen. So lautet Artikel 33 Absatz 1 der Charta der Grundrechte wie folgt: „Der rechtliche, wirtschaftliche und soziale Schutz der Familie wird gewährleistet“. Dieser Wortlaut impliziert, dass Familie, Wirtschaft und soziales Gefüge keine Gegebenheiten sind, die nichts miteinander zu tun haben oder völlig unabhängig voneinander sind. Im Gegenteil gibt es Interaktionen zwischen ihnen, und es liegt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schutz der Familie zu gewährleisten. |
5.2 |
Somit steht die Grundrechtecharta mit einem viel älteren Dokument im Einklang, das von sämtlichen Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde: die 1948 proklamierte Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Organisation der Vereinten Nationen (UNO), in der es in Artikel 16 Absatz 3 heißt: „Die Familie ist die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat“. |
5.3 |
Im Übrigen ist die Europäische Charta noch expliziter hinsichtlich der Bindungen zwischen Familie und Wirtschaft, wird doch in Artikel 33 Absatz 2 als einschlägiges Ziel der EU genannt, „Familien- und Berufsleben miteinander in Einklang bringen zu können“. |
5.4 |
Somit betont die Europäische Union bereits in einem Dokument, das eine Definition ihrer Grundwerte umfasst, nicht nur, dass sie Familien- und Berufsleben als besonders wichtig erachtet, sondern auch, dass es keine Unvereinbarkeit zwischen beiden geben darf bzw. dürfte. |
5.5 |
Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Grundrechtecharta mit Artikel 33 die Rolle der Europäischen Union in der Familienpolitik legitimiert, zumindest um — unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips — Impulse zu geben, zu warnen, zu informieren und die Mitgliedstaaten zur Koordinierung anzuregen. |
6. Die Familie als Quelle von Wohlstand, gesellschaftlicher Solidarität und ausgeglichenem Gefühlsleben
6.1 |
Es ist hinlänglich bekannt, dass die Zeit des Wirtschaftsbooms zwischen 1945 und 1975 auch eine Zeit des Bevölkerungsbooms war — dies ist kein Zufall. Eine dynamische Bevölkerungsentwicklung anstelle der Überalterung in Europa ist eine notwendige Voraussetzung und muss mit der Möglichkeit für alle Generationen einhergehen, ihre Kompetenzen und ihre Kreativität auszubauen und ihre Persönlichkeit zu entfalten und zugleich die Umwelt und das ökologische Gleichgewicht unseres Planeten zu wahren. |
6.2 |
Die Familie ist eine grundlegende Wirtschaftsgemeinschaft, und es besteht eine natürliche Verbindung zwischen Familie und Wirtschaft. Die Familie hat als Gemeinschaft wirtschaftliche Bedürfnisse in mehrerer Hinsicht: Ernährung, Unterkunft, Einrichtungen, Zugang zur Kultur, Freizeit, Luft- und Wasserqualität usw. In einigen Mitgliedstaaten ist die Familie auch eine Quelle von Einkommenstransfers und Sozialdiensten. Sie ist offenkundig einer der Wirtschaftsmotoren, sofern ihre Mitglieder über eine ausreichende und dauerhafte Kaufkraft verfügen. |
6.3 |
Die Anerkennung der Familie als Wirtschaftsgemeinschaft bedeutet nicht, sie auf ihre bloße ökonomische Funktion zu reduzieren oder sie nur in quantitativer Hinsicht anzusehen. Letztendlich tragen Familie und Wirtschaft zum Gemeinwesen, zum Wohle des Menschen wie zu einem ausgeglichenen Gefühlsleben bei (5). |
6.4 |
Des Weiteren ist die Familie der Hort von Faktoren, welche die wirtschaftliche Entwicklung und das soziale Gleichgewicht unter mindestens vier besonderen Aspekten begünstigen:
|
6.5 |
Bereits in der Renaissance schrieb der französische Staatsrechtler und Philosoph Jean Bodin: „Es gibt keinen Reichtum außer den Menschen“. Sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union erkennen den positiven Beitrag der Familie in menschlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sowie in puncto ausgeglichenes Gefühlsleben an und betreiben daher alle irgendeine Form der Familienpolitik. Sie wissen nämlich, dass die Völker nur mit ihren Kindern eine Zukunft haben. |
7. Familienpolitische — doch unterschiedliche — Maßnahmen in der gesamten Europäischen Union
7.1 |
In der gesamten Europäischen Union werden familienpolitische und solche Maßnahmen ergriffen, die die Gleichstellung von Männern und Frauen gewährleisten und die Vereinbarkeit von Berufs-, Gesellschafts- und Familienleben ermöglichen sollen. Diese drei Aspekte sind miteinander verbunden und bilden ein stimmiges Ganzes, auch wenn je nach Land ein Aspekt stärker als die anderen betont wird. Jedenfalls gibt es solche Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten, seien sie implizit oder explizit, stark oder schwach. |
7.2 |
Die Beweggründe hierfür sind unterschiedlich, mitunter eher moralisch-staatsbürgerlicher, mitunter eher wirtschaftlicher oder politischer Natur, doch bilden das moralische Wohl, eine gute Gesundheit und Erziehung der Kinder stets einen Grundstein der Familienpolitik — wie auch das Bestreben, Eltern ein erfülltes Leben zu ermöglichen, indem sie Familien-, Berufs- und Gesellschaftsleben miteinander vereinbaren. |
7.3 |
Die Forderung nach Gleichstellung von Männern und Frauen im Berufsleben, aber auch hinsichtlich der Belastungen des Familienlebens liegt einigen familienpolitischen Maßnahmen, insbesondere in den skandinavischen Ländern, zugrunde. In Zeiten, wo der Arbeitsplatz von der Wohnung entfernt ist und Unterbrechungen des Berufsweges aufgrund der Geburt und Erziehung der Kinder nicht immer von den Unternehmen akzeptiert und verstanden werden, sind Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben in der Tat einer der Schlüssel zu einer Familienpolitik für eine kinderfreundliche Gesellschaft. |
7.4 |
Auch die Absicht, die Chancengleichheit von Kindern in der Gesellschaft zu gewährleisten, kann Antrieb für die Familienpolitik sein. Oftmals geht es auch darum, wirtschaftliche Zwänge und Belastungen aufgrund familiärer Verpflichtungen auszugleichen. Hierzu zählen verschiedene Maßnahmen gegen die Schwierigkeiten von Vätern und insbesondere Müttern auf dem Arbeitsmarkt, weil letztere sich in aller Regel um die Erziehung kümmern, vor allem, solange die Kinder noch klein sind. |
7.5 |
In anderen Fällen wird die Frage mehr in sozial- als in familienpolitischer Hinsicht behandelt. Hierbei geht es darum, Einkommen umzuverteilen, um die Armut zu bekämpfen, ohne diese Politik stets mit einem Ausgleich für bestimmte familiäre Belastungen zu verbinden. |
7.6 |
Schließlich gab es auch eher geburtenorientierte Maßnahmen, die ausdrücklich auf die notwendige Steigerung der Geburtenrate in einem Europa abzielten, in dem zu wenig Kinder geboren werden. |
7.7 |
Sämtliche europäische Studien über den Zusammenhang zwischen Geburtenziffer und einer hohen Beschäftigungsrate der Frauen zeigen, dass eine höhere Fertilitätsrate offenkundig aus den Möglichkeiten zur Vereinbarung von familiären Pflichten und Berufsleben resultiert. Bessere Ergebnisse bei der Steigerung der Fruchtbarkeitsrate könnten mit Maßnahmen erzielt werden, die Väter kleiner Kinder veranlassen und es ihnen ermöglichen, die familiären Pflichten besser mit den Müttern zu teilen. Dieser wichtige Aspekt muss den jungen Generationen bewusst gemacht werden. |
7.8 |
Die höhere Lebenserwartung, die längeren Ausbildungszeiten junger Menschen und die Phasen lebenslangen Lernens haben die Organisationsformen des Berufs- und Familienlebens verändert und werden dies auch künftig tun. Es sollte darüber nachgedacht werden, wie Ausbildung und Beruf flexibler gestaltet werden können, damit diejenigen, die dies wünschen, eine Familie gründen können, ohne auf ihre berufliche Entfaltung verzichten zu müssen. |
8. Maßnahmen zugunsten der Familie und zur Förderung der beruflichen Chancengleichheit von Frauen und Männern
8.1 |
In der Praxis sind die Grundzüge der wichtigsten familienpolitischen Maßnahmen direkte Beihilfen und subventionierte oder kostenlose Kinderbetreuungsdienste (Kinderkrippen, Kindertagesstätten, Tagesmütternetzwerke). Es ist dafür zu sorgen, dass diese Maßnahmen die Vereinbarung von Beruf und Familie fördern. Wichtig ist ferner, dass die Kinderbetreuungsstätten allen offen stehen und für alle erschwinglich sind. |
8.2 |
Bestimmte Maßnahmen sind insbesondere auf Kinderbetreuungseinrichtungen, auf einen attraktiven Elternurlaub und auf eine aktive Politik zur Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie und zur Erleichterung der Wiedereingliederung ins Berufsleben nach dem Elternurlaub ausgerichtet. |
8.3 |
Bei anderen Maßnahmen liegt der Schwerpunkt auf Steuererleichterungen für Alleinverdiener-Familien und auf Zulagen für den Elternteil, der in den ersten Lebensjahren des Kindes zu Hause bleibt. |
8.4 |
In einigen Ländern sind Beihilfen zum Ausgleich für erziehungsbedingte Belastungen mit Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Elternpflichten verbunden, vor allem Elternurlaub, Kinderbetreuungsdienste und ein kostenloser Kindergarten usw. Diese Verbindung von Beihilfen mit familienspezifischen Dienstleistungen scheint wirkungsvoll zu sein. |
8.5 |
Die Gleichstellung von Männern und Frauen hinsichtlich der familiären Verpflichtungen sowie die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben sind offensichtlich sehr wichtig, wenn eine neue Dynamik der europäischen Familien gelingen soll. Ebenso unerlässlich ist es, die strukturellen Ursachen von Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen zu beseitigen, die vor allem damit zusammenhängen, dass die Kinderbetreuung und -erziehung allzu oft nur den Frauen aufgebürdet wird. |
8.6 |
Die Gleichstellung und Ausgewogenheit zwischen Mann und Frau — entsprechend den Wünschen, Vorlieben und Begabungen jedes Einzelnen — in puncto Erwerbstätigkeit, gemeinsam wahrgenommene Verantwortung für Kinder, Familie und Haushalt sowie Teilhabe an politischen oder sonstigen gemeinnützigen Aktivitäten — ist für die Bevölkerungsentwicklung und die Geburtenrate von entscheidender Bedeutung. Die meisten Frauen wollen zu Recht wie die Männer Erwerbsleben, Kinder und die Möglichkeit einer Mitwirkung in der Gesellschaft. |
8.7 |
Überall in Europa ist eine generelle Verschiebung des Gebäralters festzustellen — nicht ohne Auswirkungen auf die Geburtenziffer -, auch wenn die moderne Medizin und Gesundheitsforschung es auch älteren Frauen ermöglichen, Mutter zu werden. Spätere Mutterschaften erklären sich vor mit längeren Studienzeiten, aber auch mit der Einstellung der Paare, dass beide Partner erst einen hinreichend sicheren und bezahlten Arbeitsplatz haben wollen, ehe sie an Nachwuchs denken. In dieser Hinsicht wirkt sich die Arbeitslosigkeit junger Menschen und die Prekarität bestimmter Arbeitsplätze, besonders der von Frauen, zwangsläufig negativ auf die Geburtenrate und auf das Familienleben aus. Generell lässt sich sagen, dass die europäische Organisationsform des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens — junge Menschen finden immer später einen festen Arbeitsplatz, und Erwerbstätige werden immer früher in Rente geschickt — sowie die neuen Lebensformen junger Leute die Menschen nicht dazu animieren, familiäre Pflichten zu übernehmen und Kinder zu bekommen. |
8.8 |
Zur Verbesserung dieser Situationen und zur Erreichung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen sind sowohl familien- als auch gleichstellungspolitische Maßnahmen erforderlich. Dabei geht es beispielsweise um gute Betreuungseinrichtungen für Kinder, einschließlich Betriebskrippen, sowie um rechtliche, steuerliche und soziale Maßnahmen, die Frauen und Männern die Vereinbarung von Kindererziehung, Berufs- und Gesellschaftsleben ermöglichen. Des Weiteren sollte darüber nachgedacht werden, wie Großeltern, die noch berufstätig sind, ihre Arbeitszeit flexibler gestalten könnten, um sich um ihre Enkelkinder kümmern zu können. Wenn dies nicht gelingt, besteht die große Gefahr, dass sich Frauen weiterhin gegen Kinder und Familienleben entscheiden, um sich ausschließlich ihrem beruflichen Fortkommen zu widmen. |
8.9 |
Des Weiteren ist dafür zu sorgen, dass die politischen Maßnahmen die freie Entscheidung für die Wiederaufnahme einer bezahlten Arbeit erleichtern, nachdem die berufliche Laufbahn aufgrund einer Geburt und der Betreuung kleiner Kinder unterbrochen wurde. In diesem Zusammenhang sind Schulungen während des Elternurlaubs eine ausbaufähige Lösung — ebenso wie auf die Betreuung kleiner Kinder abgestimmte Arbeitszeiten. Entsprechend muss die frei gewählte Teilzeitarbeit ausgebaut werden, doch ohne die Rückkehr in eine Ganztagstätigkeit zu erschweren, wenn eine Teilzeitarbeit nicht mehr notwendig ist. Schließlich ist dafür zu sorgen, dass Mütter oder Väter, die ihre Karriere zugunsten der Betreuung ihrer Kinder unterbrochen haben, bei ihrer Rückkehr ins Berufsleben nach der Elternzeit nicht mit einem Arbeitsplatz vorlieb nehmen müssen, für den sie überqualifiziert sind. Wer erst vor kurzem in Elternurlaub gegangen ist, darf deshalb beim Personalabbau infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten jedoch keineswegs benachteiligt werden. |
8.10 |
Wichtig ist, dass der öffentliche Dienst sowie die Unternehmen, die „bürgernah“ sein müssen, soziale Maßnahmen, Verfahren und Innovationen umsetzen bzw. fördern, welche die Berufstätigkeit derjenigen Paare erleichtern, die ein Kind erwarten oder Kinder erziehen. Über Reden und Rechtsvorschriften hinaus handelt es sich hierbei auch um eine Frage der kollektiven und der inneren Einstellung, damit das Kind nicht als Störfaktor und die Mutter bzw. der Vater folglich nicht als weniger produktiv oder weniger „wettbewerbsfähig“ angesehen wird. Die zunehmenden Initiativen für Betriebskrippen oder gemeinsame Krippen mehrerer Unternehmen desselben Gebietes sollten gefördert werden, bieten sie doch eine wertvolle Dienstleistung für berufstätige Paare, indem sie zugleich deren Wege verkürzen und ihr Zeitmanagement vereinfachen. |
8.11 |
Wichtig ist ebenso, dass der öffentliche Dienst und die Unternehmen nicht die Probleme verkennen, die sich Vätern kleiner Kinder in ihrem Berufsleben stellen können, wenn sie Elternzeit nehmen oder ihre Arbeitszeit aus familiären Gründen verkürzen wollen. Der öffentliche Dienst und die Unternehmen sollten die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Väter sich ebenfalls um ihre Kinder kümmern können. Hierbei kommt den Sozialpartnern eine wichtige Rolle zu. |
8.12 |
Generell sind Anreize für Väter notwendig, alle familiären Pflichten und insbesondere die Erziehung tatsächlich mit den Müttern zu teilen. Aus vielen soziologischen Studien geht nämlich hervor, dass die „Abwesenheit“ des Vaters die Ursache großer Schwierigkeiten bei der Erziehung junger Menschen darstellt. |
8.13 |
Somit unterscheiden sich die bisherigen und die künftigen Maßnahmen und die zu bewältigenden Schwierigkeiten zwar stark voneinander, dahinter stehen aber eindeutige Ziele, um Männern und Frauen, die dies wünschen, die Familiengründung und Kindererziehung zu ermöglichen. Gleichwohl geht aus sämtlichen Erhebungen hervor, dass der Kinderwunsch der Europäer nicht erfüllt und der häufig geäußerte Wunsch nach einem dritten Kind oftmals nicht realisiert wird — häufig aus finanziellen oder materiellen Gründen und aufgrund der schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, insbesondere für Mütter. |
8.14 |
Es gibt auch einen immaterielleren Aspekt. Die Europäische Union gehört zwar zu den am stärksten entwickelten und reichsten Teilen der Welt, durchlebt momentan jedoch eine Zeit dumpfer Besorgnis. Anders als in der Zeit des Wirtschaftsbooms haben wirtschaftliche Unsicherheiten, Besorgnisse angesichts der Umweltschäden und des Klimawandels, bestimmte negative Auswirkungen der Globalisierung, die Komplexität der modernen Gesellschaften, das verlorene Vertrauen der Völker in die Prägekraft der Regierungen in Europa einen diffusen Pessimismus zur Folge, der der Geburtenrate wenig förderlich ist. In vielen europäischen Ländern haben Eltern erstmals seit langem das Gefühl, ihren Kindern in Wahrheit keine bessere Zukunft versprechen zu können. |
8.15 |
In diesem Zusammenhang seien folgende Fragen erlaubt: Sind Familie und Kindererziehung mit dem Zeitgeist überhaupt vereinbar? Wird familiärer Erfolg von der Öffentlichkeit ausreichend gewürdigt? Lassen Individualismus und ein gewisser Konsummaterialismus nicht in Vergessenheit geraten, dass der Mensch zwar ein Individuum, aber für ein Leben in der Gesellschaft bestimmt ist? Kreisen nicht im Übrigen die grundlegenden, dringlichsten Anliegen der Europäer wie Bildung, Wohnen, Berufsaussichten, ausgeglichenes Gefühlsleben und Selbstverwirklichung um die Familie? Dabei ist es vielleicht eine optimistischere und großzügigere Sichtweise des Familienlebens vordringlich; da die Frage Familie und Geburtenrate zwangsläufig das Intimste des menschlichen Wesens berührt. Daher muss die öffentliche Hand, die für das Gemeinwohl einzutreten hat, Möglichkeiten eröffnen, die den Frauen und Männern von heute eine echte Freiheit gewährleisten, eine Familie gründen zu können und so viele Kinder großzuziehen, wie sie wünschen, ohne sich dabei in persönliche Lebensentscheidungen einzumischen. |
8.16 |
Die Familien sind Quellen von Wohlstand, vor allem wenn beide Elternteile die Möglichkeit zur Ausübung einer Berufstätigkeit erhalten, und gesellschaftlicher Solidarität. Daher sollte die Europäische Union Anreize für die Berücksichtigung der Familie in der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Mitgliedstaaten schaffen und durch die Anwendung bewährter Verfahren eine nachhaltige Familienpolitik fördern. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) In der Demografie wird die Überalterung der Bevölkerung als Zunahme des Anteils älterer Menschen an einer Bevölkerung definiert, die im Allgemeinen zu einer Abnahme des Anteils junger Menschen führt. Die Zunahme der Zahl älterer Menschen wird heute im Französischen als „gérontocroissance“ (= „Gerontowachstum“) bezeichnet. Je nach Land bzw. Gebiet und Untersuchungszeitraum treten die Überalterung der Bevölkerung und das „Gerontowachstum“ nicht unbedingt zeitgleich auf, sondern können entsprechend der Kombination ihrer jeweiligen Ursachen divergieren.
(2) Siehe die Stellungnahme des EWSA vom 15.9.2004 zum Thema „Hin zum 7. Rahmenprogramm für Forschung: Forschungsbedarf im Rahmen des demografischen Wandels — Lebensqualität im Alter und Technologiebedarf“, Berichterstatterin: Frau HEINISCH (ABl. C 74 vom 23.3.2005, S. 44-54).
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2005/c_074/c_07420050323de00440054.pdf
(3) KOM(2005) 94 endg.
(4) Siehe auch die Stellungnahme des EWSA vom 13.9.2006 zum Thema „Die Einwanderung in die EU und die Integrationspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und den Organisationen der Zivilgesellschaft“, Berichterstatter: Herr PARÍZA CASTAÑOS (ABl. C 318 vom 23.12.2006).
(5) Siehe die vom Plenum am 14.3.2007 verabschiedete Sondierungsstellungnahme des EWSA zum Thema „Überalterung der Bevölkerung: Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Haushalte“, Berichterstatterin: Frau FLORIO.
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/75 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (kodifizierte Fassung)“
KOM(2006) 657 endg. — 2006/0220 COD
(2007/C 161/20)
Der Rat beschloss am 23. November 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 22. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr SOARES.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 160 Ja-Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. |
Dieser Richtlinienvorschlag ist Teil des Plans der Kommission, das Gemeinschaftsrecht zu vereinfachen und klarer zu gestalten, damit es für die Bürgerinnen und Bürger besser verständlich und zugänglich wird. |
2. |
Die Kodifizierung ist ein äußerst wichtiges Verwaltungsverfahren, bei dem der übliche Rechtsetzungsprozess der Gemeinschaft uneingeschränkt einzuhalten ist und an den zu kodifizierenden Rechtsakten keine materiell-inhaltlichen Änderungen vorgenommen werden dürfen. |
3. |
Mit dem Vorschlag soll die Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers kodifiziert werden. Die neue Richtlinie ersetzt die verschiedenen Rechtsakte, die Gegenstand der Kodifizierung sind. Der Vorschlag behält den materiellen Inhalt der kodifizierten Rechtsakte vollständig bei und beschränkt sich darauf, sie in einem Rechtsakt zu vereinen, wobei nur insoweit formale Änderungen vorgenommen werden, als diese aufgrund der Kodifizierung selbst erforderlich sind. |
4. |
Obwohl die Kodifizierung ein Prozess ist, der naturgemäß eine Änderung an den zu kodifizierenden Richtlinien weder bewirken kann noch bewirken darf, ist der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss der Auffassung, dass die Kommission im Rahmen ihrer Aufgaben über die bloße Vereinfachung von Rechtsakten hinausgehen sollte. Sie sollte den Inhalt der einzelnen Richtlinien untersuchen, um bestimmte Punkte auszumerzen bzw. zu ersetzen, die sich in der Zwischenzeit als unklar erwiesen haben oder von der Entwicklung überholt wurden. |
5. |
Dennoch: In der Erwägung, dass der Gegenstand der vorliegenden Stellungnahme die Kodifizierung einer Richtlinie ist, und unter Berücksichtigung der unter Ziffer 1 genannten Ziele und der unter Ziffer 2 und 3 aufgeführten Garantien billigt der EWSA diesen Richtlinienvorschlag. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/75 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Grünbuch — Der diplomatische und konsularische Schutz des Unionsbürgers in Drittländern“
KOM(2006) 712 endg.
(2007/C 161/21)
Die Europäische Kommission beschloss am 28. November 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Grünbuch — Der diplomatische und konsularische Schutz des Unionsbürgers in Drittländern“
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 22. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr VOLEŠ.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 170 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:
1. Zusammenfassung der Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss betont, dass das Recht der Unionsbürgerinnen und -bürger auf diplomatischen und konsularischen Schutz in Drittländern konkreter Ausdruck der Bedeutung der Unionsbürgerschaft ist. |
1.2 |
Der Ausschuss weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Bürgerinnen und Bürger deutlich besser über dieses Recht informiert werden müssen. Er hält die bisherigen Ergebnisse der Informationsaktivitäten für unzureichend. Er fordert daher, die zivilgesellschaftlichen Organisationen, deren Mitglieder in Drittländer reisen, in die Informationspolitik der EU und der Mitgliedstaaten einzubinden. |
1.3 |
Der Ausschuss macht darauf aufmerksam, dass auf dem EU-Internetportal www.travel-voyage.consilium.europa.eu Angaben darüber fehlen, welche Mitgliedstaaten im jeweiligen Drittland eine Vertretung unterhalten, wo diese ihren Sitz haben und wie sie erreicht werden können. Der Ausschuss empfiehlt, diese und alle weiteren nötigen Informationen in konzentrierter Form in einem leicht zugänglichen Internetportal mit einer einfachen Adresse zur Verfügung zu stellen. |
1.4 |
Die in Artikel 20 EG-Vertrag enthaltenen Informationen über das Recht auf Schutz in Drittländern sollten in jedem von einem EU-Mitgliedstaat ausgestellten Reisepass obligatorisch abgedruckt sein. |
1.5 |
Die Empfehlungen für Reisende in Drittländer müssten besser koordiniert und der Öffentlichkeit so zugänglich gemacht werden, dass sie problemlos, beispielsweise unter der in Ziffer 1.3 genannten Internetadresse, abgerufen werden können. |
1.6 |
Der Ausschuss empfiehlt, dass jede das Recht auf diplomatischen und konsularischen Schutz betreffende Maßnahme nicht nur im Amtsblatt, sondern auch in den Medien der Mitgliedstaaten veröffentlicht und zu einem festen Bestandteil der Kommunikationsstrategie der Kommission wird. |
1.7 |
Der Ausschuss empfiehlt die Vereinheitlichung des Umfangs und der Rechtsgrundlage des in Drittländern durch die einzelnen Mitgliedstaaten gewährten konsularischen Schutzes und fordert, dass diese Vereinheitlichung möglichst rasch in Angriff genommen wird, gegebenenfalls auch durch die Harmonisierung der einzelstaatlichen Vorschriften. Zu einer Harmonisierung auf diesem Gebiet ist es erforderlich, den Umfang des Schutzes sowie die Bedingungen, unter denen er durch die einzelnen Mitgliedstaaten gewährt wird, zu veröffentlichen. |
1.8 |
Der Ausschuss begrüßt den Vorschlag zur Ausweitung des Schutzes der Unionsbürger auf ihre Familienangehörigen, die die Staatsbürgerschaft eines Drittlandes besitzen. |
1.9 |
Der Ausschuss unterstützt den Vorschlag zur Ausweitung des gewährten Schutzes auch zur Identifizierung und Überführung der Leichname verstorbener EU-Bürger und ihrer Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, und er fordert, dass die Mitgliedstaaten, die das Abkommen des Europarates vom 26. Oktober 1973 über die Leichenüberführung noch nicht ratifiziert haben (bislang haben nur 15 Mitgliedstaaten das Abkommen ratifiziert), dies baldmöglichst tun sollten. |
1.10 |
Der Ausschuss empfiehlt, das Verfahren zur Gewährung finanzieller Hilfe für EU-Bürger in Drittländern zu vereinfachen, beispielsweise durch die Möglichkeit, den Behörden des Staates, der die Hilfe gewährt, die finanziellen Vorleistungen direkt zu erstatten, durch Erlass dieser Vorleistungen, wenn die Beträge sehr niedrig sind, und durch Einführung eines einfachen Systems zur Begleichung der Außenstände zwischen den Mitgliedstaaten. |
1.11 |
Die Einrichtung gemeinsamer Konsularabteilungen in den Gebieten, in denen es verhältnismäßig wenige Vertretungen von Mitgliedstaaten gibt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist jedoch notwendig, alle Aspekte der Rechtsetzung und des internationalen Rechts zu klären. Der Ausschuss empfiehlt, weitere Formen der Zusammenarbeit aktiv zu nutzen, beispielsweise indem konsularische Bedienstete der nicht vertretenen Mitgliedstaaten in der Vertretung eines anderen Mitgliedstaates tätig sein könnten, oder durch die Wahrnehmung konsularischer Aufgaben durch die Vertretung eines EU-Mitgliedstaats für einen anderen Mitgliedstaat oder durch die Bestellung derselben Person zum Konsularbeamten durch mehrere Mitgliedstaaten gemäß Artikel 8 und 18 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, sowie durch Ausbildungsprogramme für konsularische Bedienstete der Mitgliedstaaten. |
1.12 |
Der Ausschuss würde es begrüßen, wenn die von der Arbeitsgruppe „Konsularische Angelegenheiten“ (COCON) erarbeiteten Leitlinien für den konsularischen Schutz der EU-Bürger in Drittländern unmittelbar bindenden Charakter hätten. Dadurch würde die Rechtsunsicherheit der EU-Bürger, die sich in Drittländern aufhalten und des Schutzes bedürfen, vermieden. |
1.13 |
Die diplomatischen Vertretungen und Konsularabteilungen der Mitgliedstaaten in einem Drittland sollten über regelmäßig aktualisierte Kontakte zu den zuständigen Behörden der in diesem Land nicht vertretenen Mitgliedstaaten verfügen, damit sie deren Bürgern die Möglichkeit bieten können, im Bedarfsfalle Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Ferner sollten sie eine Liste von Dolmetschern für die Sprachen der Mitgliedstaaten vorliegen haben, die in diesem Drittland nicht vertreten sind. |
1.14 |
Die Delegationen der Europäischen Kommission in Drittländern könnten durch ihre Erfahrungen, die sie in ihrer Zuständigkeit für den Schutz von Schiffen und Fischern der EU-Mitgliedstaaten gewonnen haben, einen Beitrag zum konsularischen Schutz der EU-Bürger leisten. |
1.15 |
Die Rolle der Kommission bei der Koordinierung der Aktivitäten der Mitgliedstaaten für den diplomatischen und konsularischen Schutz der EU-Bürger in Drittländern sollte verstärkt werden. |
2. Einleitung
2.1 |
Die Europäische Kommission legte am 28. November 2006 ihr Grünbuch über den diplomatischen und konsularischen Schutz des Unionsbürgers in Drittländern vor. Das Recht auf diplomatischen und konsularischen Schutz wurde im Vertrag von Maastricht festgeschrieben. In Artikel 20 EG-Vertrag heißt es: „Jeder Unionsbürger genießt im Hoheitsgebiet eines dritten Landes, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, nicht vertreten ist, den diplomatischen und konsularischen Schutz eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates“ (1). Dieses Recht wurde ebenfalls in die im Jahre 2000 feierlich proklamierte Grundrechtecharta der Europäischen Union aufgenommen (Artikel 46) (2). Nach Artikel 20 EG-Vertrag obliegt es den Mitgliedstaaten, die notwendigen Regeln zu vereinbaren und die für diesen Schutz erforderlichen internationalen Verhandlungen einzuleiten. |
2.2 |
Die Mitgliedstaaten haben in ihrem Beschluss 95/553/EG (3) fünf Fälle definiert, in denen die Bürgerinnen und Bürger der Union das Recht haben, sich mit der Bitte um diplomatischen oder konsularischen Schutz an die Vertretung eines anderen Mitgliedstaates zu wenden:
Die Vertretungen der Mitgliedstaaten in einem Drittland können den Unionsbürgern auf dessen Ersuchen auch in anderen Fällen Hilfe gewähren. |
2.3 |
Der Schutzsuchende muss durch die Vorlage eines Reisepasses oder eines Personalausweises nachweisen, dass er die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates besitzt. Bei Verlust oder Diebstahl der Dokumente kann dieser Nachweis durch jedes andere Dokument erbracht werden, gegebenenfalls nach Überprüfung seiner Identität bei den Behörden des Mitgliedstaates, dessen Staatsangehörigkeit der Betreffende beansprucht. Nach dem geltenden Verfahren ist die Gewährleistung finanzieller Vorleistungen für einen Unionsbürger von der Genehmigung des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten oder der diplomatischen Vertretung des Mitgliedstaates abhängig, dessen Staatsbürgerschaft der betreffende Bürger besitzt. Es wurde vereinbart, diesen Beschluss fünf Jahre nach seinem Inkrafttreten, das erst im Jahr 2002 erfolgte, zu überprüfen. |
2.4 |
Die Mitgliedstaaten haben eine Arbeitsgruppe „Konsularische Angelegenheiten“ (COCON) als Instrument für den Erfahrungsaustausch eingesetzt. COCON hat Leitlinien für den konsularischen Schutz der EU-Bürger in Drittländern erarbeitet, die allerdings nicht bindend sind (4). |
2.5 |
In ihrer Mitteilung zur Umsetzung des Haager Programms machte die Europäische Kommission mehrere Vorschläge zum diplomatischen und konsularischen Schutz (5). Der ehemalige französische Außenminister Michel BARNIER erarbeitete einen ausführlichen Bericht an den Rat der EU, in dem er eine Reihe von Maßnahmen zur Einrichtung eines Zivilschutzsystems innerhalb und außerhalb der EU vorschlägt, das auch den diplomatischen und konsularischen Schutz mit einschließt (6). Unter österreichischem Vorsitz fasste der Rat in seinem Bericht vom 15. Juni 2006 die Schritte zusammen, die zu einem verstärkten Schutz der Unionsbürger in Drittländern unternommen wurden (7). 2007 wird die Kommission ihren fünften Bericht über die Unionsbürgerschaft vorlegen, der auch Initiativen zur Stärkung des diplomatischen und konsularischen Schutzes umfassen sollte. |
2.6 |
Angesichts der starken Zunahme der Reisen von Unionsbürgern in Drittländer (180 Mio. Unionsbürger verreisen jährlich außerhalb der EU) sowie der Tatsache, dass nicht alle Mitgliedstaaten in jedem Drittland eine Vertretung unterhalten, gewinnt der Schutz der Unionsbürger an Bedeutung. Eine Eurobarometer-Umfrage im Juli 2006 ergab, dass beinahe die Hälfte der Befragten in den kommenden drei Jahren voraussichtlich ein Drittland bereisen werden (8). |
2.7 |
Aus diesem Grunde stellt die Kommission in ihrem Grünbuch eine Reihe von Maßnahmen zur Diskussion, die dem Schutz der Unionsbürger in Drittländern als einem wichtigen, aus der Unionsbürgerschaft resultierenden Recht eines jeden Bürgers eines EU-Mitgliedstaates Nachdruck verleihen könnten. Mit diesen Maßnahmen werden auch Erfahrungen aus Naturkatastrophen wie dem Tsunami oder dem Hurrikan Katrin, den kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan und im Libanon und den Terroranschlägen von Bali und Sharm-el-Sheik berücksichtigt. |
2.8 |
Die geplanten Maßnahmen umfassen:
|
3. Bemerkungen zu den einzelnen Vorschlägen der Europäischen Kommission
3.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss betont, dass das Recht der Unionsbürger auf Schutz in einem Drittland, der von einer Vertretung eines anderen Mitgliedstaates, dessen Staatsbürgerschaft der betreffende Bürger nicht besitzt, gewährt wird, ein deutlicher Beleg für die Vorteile ist, die die Unionsbürgerschaft bietet. Es stärkt darüber hinaus das Zusammengehörigkeitsgefühl und ist Ausdruck der Bedeutung der Unionsbürgerschaft. |
3.2 |
Der Ausschuss weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Bürgerinnen und Bürger deutlich besser über das Recht auf konsularischen Schutz in Drittländern informiert werden müssen. Nach bisherigen Erkenntnissen sind die Bürger darüber nur unzureichend informiert. Nach einer Eurobarometer-Umfrage kennen nur 23 % der EU-Bürger, die in ein Drittland reisen wollen, dieses Recht. Es reicht nicht aus, Plakate in Flughäfen, Häfen und Bahnhöfen anzubringen oder Broschüren und Faltblätter durch Reisebüros verteilen zu lassen. An den Informationstätigkeiten sollten auch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie Nichtregierungsorganisationen beteiligt sein, da viele der in Drittländer reisenden Bürger nicht als Touristen, sondern als Unternehmer, Kaufleute, Angestellte oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen unterwegs sind. Auf den Internetportalen der Organisationen, deren Mitglieder in Drittländer reisen, könnte auf die im Internetportal der EU vorhandenen Informationen über den konsularischen Schutz der Unionsbürger verwiesen werden. |
3.3 |
Damit das Recht auf Schutz in einem Drittland wahrgenommen werden kann, muss unbedingt bekannt sein, welche Mitgliedstaaten in dem betreffenden Land eine Vertretung unterhalten, wo diese Vertretungen ihren Sitz haben und wie sie erreicht werden können. Es ist sehr schwer, an diese Informationen heranzukommen, und die Internetseiten unter www.travel-voyage.consilium.europa.eu, auf der all diese Angaben zu finden sein sollten, sind immer noch im Aufbau begriffen. Der Ausschuss empfiehlt, diese und weitere Informationen in einem leicht zugänglichen Internetportal mit einer einfachen Adresse bereitzustellen, auf das die Bürger im Notfall, auch in einem Drittland, zugreifen und von dem er die nötigen Informationen abrufen können. |
3.4 |
Die in Artikel 20 EG-Vertrag enthaltenen Informationen über das Recht auf Schutz in Drittländern sollten in jedem von einem EU-Mitgliedstaat ausgestellten Reisepass obligatorisch abgedruckt sein. Ferner wäre es wünschenswert, wenn im Reisepass auch eine Kontaktadresse, unter der konkrete Informationen gemäß Ziffer 3.2 abrufbar sind, angegeben wäre, oder wenn diese Informationen beim Ausstellen des Reisepasses mit ausgehändigt würden. |
3.5 |
Die Hinweise und Ratschläge für Reisende werden von den einzelstaatlichen Behörden herausgegeben; dabei unterscheiden sich die Empfehlungen der Mitgliedstaaten für Reisen in Drittländer mitunter grundlegend voneinander. Auch wenn es für diese Unterschiede objektive Gründe gibt, etwa die unterschiedliche Haltung eines Drittlandes zu einzelnen Mitgliedstaaten, wäre es doch wünschenswert, die Empfehlungen für Reisende unter den Mitgliedstaaten mit Hilfe ihrer diplomatischen und konsularischen Vertretungen in den Drittländern besser zu koordinieren und sie einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen. Zudem sollte geprüft werden, ob diese Empfehlungen unter der in Ziffer 3.2 genannten Internetadresse zentral veröffentlicht werden können |
3.6 |
Die Kommission schlägt vor, die Maßnahmen zur Umsetzung von Artikel 20 im Amtsblatt zu veröffentlichen, um die Bürger besser über ihre Rechte zu informieren. Der Ausschuss stimmt diesem Vorschlag zu, ist indes der Ansicht, dass dies allein nicht ausreicht. Diese Maßnahmen sollten auch in den Medien der Mitgliedstaaten veröffentlicht und darüber hinaus in die Kommunikationsstrategie der Kommission integriert werden. |
3.7 |
Der Ausschuss teilt die Ansicht der Kommission, dass es wünschenswert wäre, wenn es zu einer Vereinheitlichung des Umfangs und der Rechtsgrundlage des in Drittländern durch die einzelnen Mitgliedstaaten gewährten konsularischen Schutzes käme, und fordert, dass diese Vereinheitlichung möglichst rasch in Angriff genommen wird, gegebenenfalls auch durch die Harmonisierung der einzelstaatlichen Vorschriften. Dadurch würden die Hindernisse beseitigt, durch die einige Mitgliedstaaten ihren Bürgern den Zugang zu diesem Recht erschweren. Einige Länder beispielsweise gestatten kein Verwaltungsverfahren aufgrund einer Klage eines Bürgers wegen unterlassener Hilfeleistung, oder sie ziehen im Falle der Gewährung finanzieller Vorleistungen den Reisepass ein. Bis es zu einer derartigen Harmonisierung kommt, ist es erforderlich, den Umfang des Schutzes sowie die Bedingungen, unter denen er durch die einzelnen Mitgliedstaaten gewährt wird, für alle Bürger der EU in dem bereits erwähnten Internetportal öffentlich zugänglich zu machen. |
3.8 |
Der Ausschuss begrüßt den Vorschlag zur Ausweitung des Schutzes der Unionsbürger auf ihre Familienangehörigen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittlandes besitzen. Er empfiehlt, das Verfahren gemäß Artikel 22 EG-Vertrag anzuwenden, wodurch die Ausweitung der im Vertrag verankerten Rechte ermöglicht wird. Es geht hier um eine Frage der Menschlichkeit, die eine rasche Lösung erfordert, wie die Ereignisse unter anderem im Zusammenhang mit dem Tsunami und den kriegerischen Auseinandersetzungen im Libanon deutlich gemacht haben. |
3.9 |
Der Ausschuss unterstützt den Vorschlag auf Ausweitung des gewährten Schutzes auch zur Identifizierung und Überführung von Leichnamen verstorbener Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, die nicht Staatsbürger eines EU-Mitgliedstaats sind. In diesem Zusammenhang appelliert er an jene Mitgliedstaaten, die dem Abkommen des Europarates vom 26. Oktober 1973 über die Leichenüberführung noch nicht beigetreten sind (bislang haben nur 15 Mitgliedstaaten das Abkommen ratifiziert), dies baldmöglichst zu tun. |
3.10 |
Eine der häufigsten Bitten der Unionsbürger in Drittländern ist die um finanzielle Unterstützung in Notlagen, die infolge von Naturkatastrophen, eines Diebstahls oder durch Krankheit und Unfall entstehen können. Der Ausschuss empfiehlt, das bisherige System zu vereinfachen, das die Genehmigung des Mitgliedstaats, dessen Staatsbürgerschaft der Betroffene besitzt, erfordert und die spätere Rückzahlung der durch die Behörden dieses Staates gewährten Vorleistungen vorsieht. Es sollte die Möglichkeit geprüft werden, die Vorleistungen direkt den Behörden des Staates, der die Hilfe leistet, zu erstatten oder in Fällen, in denen es sich um sehr geringe Beträge handelt, diese zu erlassen. Ferner könnte u.a. die Einführung eines einfachen Systems zur Begleichung der Außenstände zwischen den Mitgliedstaaten erwogen werden. |
3.11 |
Die Einrichtung gemeinsamer Stellen in den Gebieten, in denen es verhältnismäßig wenige Vertretungen von Mitgliedstaaten gibt, ist ein wesentlicher Schritt, um die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der diplomatischen und konsularischen Vertretung auszubauen. Der Ausschuss erwartet, dass in diesem Zusammenhang alle Aspekte der Rechtsetzung und des internationalen Rechts geklärt werden, insbesondere der Status jener Vertretungsbüros, die Rechtsprechung, der sie unterliegen, ihr Verhältnis zur Delegation der Europäischen Kommission in dem jeweiligen Drittland, die Zahlungsmodalitäten, das Einverständnis des Drittlandes mit der Einrichtung und dem Zuständigkeitsbereich und die Konformität mit dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen und dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen. |
3.12 |
Der Ausschuss empfiehlt, weitere Formen der Zusammenarbeit aktiv zu nutzen, beispielsweise die Wahrnehmung konsularischer Aufgaben durch einen EU-Mitgliedstaat für einen anderen Mitgliedstaat oder die Bestellung derselben Person zum Konsularbeamten durch mehrere Mitgliedstaaten — so könnten konsularische Bedienstete der nicht vertretenen Mitgliedstaaten in der Vertretung eines anderen Mitgliedstaates tätig sein — sowie Ausbildungsprogramme für konsularische Bedienstete der Mitgliedstaaten. |
3.13 |
Der Ausschuss unterstützt die Initiative der Europäischen Kommission zur Nutzung gemeinsamer Vertretungsbüros auch im Hinblick auf eine Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Visapolitik einschließlich der Möglichkeit, Visaanträge gemeinsam entgegenzunehmen und Visa auszustellen. Er ist jedoch der Auffassung, dass diese Problematik nicht unmittelbar mit dem Recht der Unionsbürger auf konsularischen Schutz zusammenhängt und es aus diesem Grunde nicht angebracht ist, Beides in Verbindung zu bringen. |
4. Ergänzende Vorschläge des Ausschusses
4.1 |
Der Ausschuss ist der Ansicht, dass es von Nutzen wäre, wenn die Leitlinien der Arbeitsgruppe „Konsularische Angelegenheiten“ (COCON) unmittelbar bindenden Charakter hätten. Dadurch würde die Rechtsunsicherheit der Unionsbürger, die sich in Drittländern aufhalten und des Schutzes bedürfen, überwunden. |
4.2 |
Die diplomatischen Vertretungen und Konsularabteilungen der in einem Drittland vertretenen Mitgliedstaaten, sollten über regelmäßig aktualisierte Kontakte zu den Außenministerien, den diplomatischen Vertretungen und den Konsularabteilungen der in diesem Land nicht vertretenen Mitgliedstaaten verfügen, damit sie den Unionsbürgern die Möglichkeit bieten können, im Bedarfsfalle Kontakt mit ihnen aufzunehmen. |
4.3 |
Einer Eurobarometer-Umfrage zufolge legen die EU-Bürger in erster Linie Wert darauf, im Falle einer Notlage in ihrer Muttersprache kommunizieren zu können. Daher wäre es wünschenswert, wenn die Vertretungen der Mitgliedstaaten Listen von Dolmetschern für die Sprachen der Mitgliedstaaten vorliegen hätten, die in dem betreffenden Drittland keine Vertretung unterhalten. |
4.4 |
Der Ausschuss empfiehlt zu prüfen, ob für die Gewährung von konsularischem Schutz für die Unionsbürger verstärkt auf die Delegationen der Europäischen Kommission in Drittländern zurückgegriffen werden kann. Dabei könnten die Erfahrungen, die sie in ihrer Zuständigkeit für den Schutz von Schiffen und Fischern der EU-Mitgliedstaaten gewonnen haben, genutzt werden. Der Ausschuss empfiehlt ferner, mit den entsprechenden Drittländern Verhandlungen aufzunehmen, die auf die Anerkennung des Rechts der Delegationen abzielen, den Unionsbürgern in den vereinbarten Fällen Schutz zu gewähren. |
4.5 |
Der Ausschuss spricht sich dafür aus, die Rolle der Kommission bei der Koordinierung der Aktivitäten der Mitgliedstaaten für den diplomatischen und konsularischen Schutz der EU-Bürger in Drittländern zu stärken, wie es im Entwurf des Vertrags über eine Verfassung für Europa formuliert wurde, durch den die Rechte der Unionsbürger gestärkt werden sollen. |
Brüssel, den 14. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) ABl. C 325 vom 24.12.2002.
(2) Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Nizza, 7.12.2000.
(3) ABl. L 314 vom 28.12.1995, S. 73-76.
(4) Leitlinien für den konsularischen Schutz von EU-Bürgern, Dok. 10109/06 des Rates der Europäischen Union vom 2.6.2006.
(5) Mitteilung der Kommission KOM(2006) 331 endg. vom 28.6.2006.
(6) Bericht von Michel Barnier an den Präsidenten des Rates der Europäischen Union und den Präsidenten der Europäischen Kommission: „Für eine europäische Katastrophenschutztruppe: europe aid“, 9.5.2006.
(7) Bericht des Ratsvorsitzes, Dok. Nr. 10551/06 vom 15.6.2006.
(8) Eurobarometer-Umfrage 188 — Dezember 2006.
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/80 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission: Umsetzung des Gemeinschaftsprogramms von Lissabon — Die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse in der Europäischen Union“
KOM(2006) 177 endg.
(2007/C 161/22)
Die Europäische Kommission beschloss am 26. April 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 21. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr HENCKS.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 15. März) mit 143 gegen 61 Stimmen bei 9 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Empfehlungen und Bewertung
1.1 |
Sinn und Zweck der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse ist es, durch die Verwirklichung einer Solidargemeinschaft zum sozialen, territorialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt beizutragen, um auf die verschiedensten Umstände schwieriger sozialer Situationen zu reagieren, die die körperliche oder geistige Unversehrtheit eines Menschen beeinträchtigen: Krankheit, Alter, Arbeitsunfähigkeit, Behinderungen, prekäre Lebensumstände, Armut, Ausgrenzung, Drogensucht, familiäre Schwierigkeiten, Wohnraumprobleme, Schwierigkeiten bei der Integration von Ausländern. Darüber hinaus beinhalten die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse eine integrationspolitische Dimension, die über die reine Erbringung von Hilfsleistungen und Unterstützungsmaßnahmen zugunsten der am stärksten benachteiligten Personen hinausgeht. Das Ziel dieser Dienstleistungen besteht auch darin, all jenen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, die den Zugang aller zu grundlegenden Sozialdienstleistungen ermöglichen; sie tragen zur tatsächlichen Ausübung der Grund- und Bürgerrechte bei. |
1.2 |
Es geht somit nicht darum, Wirtschaft und Soziales in Opposition zueinander zu setzen, sondern auf eine konstruktive Synergie und eine harmonische Verbindung zwischen diesen beiden Aspekten hinzuwirken. |
1.3 |
In diesem Sinne ist der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) der Auffassung, dass das eigentliche Wesen einer Dienstleistung von allgemeinem Interesse, ihr Zweck und ihre Ziele betrachtet werden sollten, anstatt sich auf eine heikle Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Leistungen einzulassen, die zudem ständigen Entwicklungen unterworfen ist; es sollte ermittelt werden, welche Dienstleistungen in den Anwendungsbereich der Wettbewerbs- und Binnenmarktvorschriften fallen und welche Dienstleistungen aus Gründen des Gemeinwohls sowie des sozialen, territorialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip von den Behörden auf gemeinschaftlicher, einzelstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene von diesen Vorschriften ausgenommen werden müssen. |
1.4 |
Daher sollten auf Gemeinschaftsebene gemeinsame Bezugspunkte für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse festgelegt werden, die für alle Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Natur), einschließlich Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, gelten und ihren Niederschlag in einer im Mitentscheidungsverfahren angenommenen Rahmenrichtlinie finden sollten, mit der ein auf ihre besonderen Anforderungen abgestimmter Gemeinschaftsrahmen geschaffen werden könnte. |
1.5 |
Im Hinblick auf eine nicht missbräuchliche, diskriminierungsfreie und transparente Erfüllung von Gemeinwohlaufgaben sollten die bei diesen Dienstleistungen vorliegenden Gründe des allgemeinen Interesses sowie des sozialen, territorialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts von den Mitgliedstaaten in einem formalen Rechtsakt zur Aufgabenübertragung oder einem gleichwertigen Akt sowie in entsprechenden Genehmigungsvorschriften festgehalten werden, mit dem bzw. denen die Aufgaben festgelegt werden, die die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats den jeweiligen Dienstleistungserbringern zur Ausführung einer Dienstleistung von allgemeinem Interesse überträgt; weiterhin sollten darin die Rechte und Pflichten der Dienstleistungserbringer geregelt werden. Hiervon bleibt das Initiativrecht, das den Akteuren in der Gesetzgebung zuerkannt wird, unberührt. |
1.6 |
In Bezug auf die Bewertung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse weist der EWSA in diesem Zusammenhang erneut auf seinen Vorschlag hin, eine unabhängige Beobachtungsstelle für die Bewertung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Art einzurichten, die sich aus Vertretern des Europäischen Parlaments und des Ausschusses der Regionen sowie Vertretern der organisierten Zivilgesellschaft aus dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zusammensetzt. Auf einzelstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene müssen die Behörden dafür sorgen, dass sämtliche Akteure, Erbringer und Empfänger von Sozialdienstleistungen und Sozialpartner sowie alle sozialwirtschaftlichen Einrichtungen und Organisationen zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung usw. in die Regulierung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse eingebunden werden. |
2. Einführung
2.1 |
Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse bilden — ebenso wie die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, zu denen sie gehören — eine Grundvoraussetzung für die Achtung der Menschenwürde und gewährleisten das Recht des Einzelnen auf soziale Gerechtigkeit und eine umfassende Wahrung der Grundrechte wie sie in der Grundrechtecharta sowie durch internationale Verpflichtungen definiert werden, die sich insbesondere aus der überarbeiteten europäischen Sozialcharta und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ableiten. Sie tragen zur tatsächlichen Ausübung der Bürgerrechte bei. Ihr Sinn und Zweck besteht letztlich darin, durch die Verwirklichung gemeinschaftlicher Solidarität zum sozialen, territorialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt beizutragen, um vor allem auf die verschiedensten Umstände schwieriger sozialer Lagen zu reagieren, die die körperliche oder geistige Unversehrtheit eines Menschen beeinträchtigen können: Krankheit, Alter, Arbeitsunfähigkeit, Behinderungen, prekäre Lebensumstände, Armut, soziale Ausgrenzung, Drogensucht, familiäre Schwierigkeiten, Wohnraumprobleme, Schwierigkeiten bei der Integration von Ausländern. Die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse beinhalten jedoch eine integrationspolitische Dimension, die über die reine Erbringung von Hilfsleistungen und Unterstützungsmaßnahmen zugunsten der am stärksten benachteiligten Personen hinausgeht. Ihr Ziel besteht auch darin, all jenen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, die den Zugang aller zu grundlegenden Sozialdienstleistungen ermöglichen. |
2.2 |
Ein eigenes Merkmal der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse besteht darin, dass sie eine besondere Verbindung zu den Grundrechten herstellen, für deren tatsächliche Umsetzung der Staat auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene verantwortlich ist. Hierbei muss dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden, wonach die Maßnahmen der Kommission nicht über das für die Erreichung der Ziele des Vertrags erforderliche Maß hinausgehen dürfen. |
2.3 |
Da die Preisgestaltung nicht immer unmittelbar die Kosten dieser Dienstleistungen widerspiegelt bzw. dem Gesetz von Angebot und Nachfrage entspricht, könnten solche Leistungen ohne einen öffentlichen Finanzierungsanteil nicht zu einem für alle erschwinglichen Preis angeboten werden. |
2.4 |
Neben seiner Aufgabe, die Finanzierung der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse sicherzustellen, ist der Staat insgesamt dafür verantwortlich, unter Wahrung der Zuständigkeiten der beteiligten Akteure das Funktionieren der Sozialdienstleistungen zu gewährleisten und ein hohes Qualitätsniveau aufrechtzuerhalten. |
2.5 |
Darüber hinaus sind Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse — wie übrigens alle Dienstleistungen von allgemeinem Interesse — nicht nur ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, sondern tragen auch maßgeblich zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft bei und bieten ein erhebliches Potenzial zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im Nahbereich. |
2.6 |
Das Spektrum der Sozialdienstleistungen ist äußerst breit und umfasst insbesondere Einrichtungen wie Altersheime, Zentren für Menschen mit Behinderungen, Unterbringungseinrichtungen für Menschen in Notlagen, Kinderheime, Frauenhäuser, Heime für Einwanderer und Flüchtlinge, Rehabilitationszentren, Pflegeheime, soziale Wohneinrichtungen, Jugendschutzzentren, Sozial- und Bildungseinrichtungen, Schulinternate, Tagesstätten, Kindergärten und Kinderbetreuungseinrichtungen, ärztlich-soziale Dienste, Gesundheitseinrichtungen, Umschulungs- und Berufsbildungszentren, Dienste zur persönlichen und häuslichen Pflege sowie Unterstützungseinrichtungen für Familien. |
2.7 |
Diese Dienstleistungen werden in allen Mitgliedstaaten von Anbietern unterschiedlicher Rechtsform erbracht, von denen ein erheblicher Anteil Solidaritätsorganisationen der Sozial- und Genossenschaftswirtschaft ohne Erwerbszweck (Vereine und Verbände, Vereinigungen auf Gegenseitigkeit, Genossenschaften, Stiftungen) mit sehr unterschiedlichen Hintergründen (öffentlich, karitativ, philanthropisch, religiös, privat etc.) sind. Die Tätigkeit dieser Dienste wird durch gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen geregelt, die von den staatlichen Stellen vorgegeben werden. |
3. Der Kommissionsvorschlag
3.1 |
Im Rahmen der Umsetzung des Gemeinschaftsprogramms von Lissabon hat die Kommission am 26. April 2006 eine Mitteilung zu den Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse vorgelegt, die auf das Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (KOM(2004) 374 endg.) und die Abstimmung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2006 über die Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt folgt. |
3.2 |
Diese Mitteilung mit „erläuterndem Charakter“ soll die erforderlichen rechtlichen Klarstellungen bringen und betrifft ausschließlich die Sozialdienstleistungen, wobei die Gesundheitsdienstleistungen ausgeklammert bleiben (sie sollen 2007 in einer gesonderten Initiative behandelt werden). Die Kommission wird im Lichte des offenen und fortgesetzten Prozesses der Konsultation aller betroffenen Akteure, der zweijährlichen Berichte über die Sozialdienstleistungen sowie einer derzeit laufenden Studie zur Erstellung eines ersten Berichts im Jahr 2007 prüfen und entscheiden, ob ein Legislativvorschlag rechtlich erforderlich und möglich ist. |
3.3 |
Die Mitteilung fügt sich in den Rahmen der gemeinsamen Zuständigkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse gemäß Artikel 16 des EG-Vertrags. |
3.4 |
Nach der in der Mitteilung vorgeschlagenen Definition werden die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse in zwei Gruppen aufgeteilt: einerseits die gesetzlichen Reglungen und ergänzenden Systeme der sozialen Sicherung und andererseits die persönlichen Dienstleistungen, wie beispielsweise die Unterstützung einzelner Personen bei der Bewältigung besonderer Herausforderungen und Krisen im Leben, die vollständige Eingliederung in die Gesellschaft, die Integration von Menschen mit Behinderungen oder Gesundheitsproblemen sowie das Sozialwohnungswesen. |
3.5 |
Alle Sozialdienstleistungen beruhen auf einer Reihe charakteristischer Merkmale, so u.a. dem Solidaritätsprinzip, einer flexiblen und personenbezogenen Arbeitsweise (Anpassung an die Bedürfnisse des jeweiligen Leistungsempfängers), der Gemeinnützigkeit, der freiwilligen bzw. ehrenamtlichen Mitarbeit, der kulturellen Verankerung und einem asymmetrischen Dienstleister-Nutzer-Verhältnis. |
3.6 |
Nach Ansicht der Kommission steht die Modernisierung der Sozialdienstleistungen im Mittelpunkt der aktuellen Herausforderungen in Europa; sie erkennt die Sozialdienstleistungen als festen Bestandteil des europäischen Sozialmodells an, und auch wenn diese Leistungen keine klare rechtliche Kategorie innerhalb der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bilden, kommt ihnen dennoch eine besondere Funktion als Säule der europäischen Gesellschaft und Wirtschaft zu, da sie zur tatsächlichen Verwirklichung der grundlegenden sozialen Rechte beitragen. |
3.7 |
Die Kommission stellt fest, dass in diesem enorm expandierenden Sektor ein Modernisierungsprozess eingeleitet worden ist, um den Forderungen nach Universalität, Qualität und Erschwinglichkeit gleichermaßen Rechnung tragen zu können. Immer mehr Sozialdienstleistungen, die bislang direkt von der öffentlichen Hand verwaltet wurden, fallen nunmehr unter die gemeinschaftlichen Binnenmarkt- und Wettbewerbsvorschriften. |
3.8 |
Die Kommission erkennt an, dass die Rechtslage bezüglich der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse im Verhältnis zum Wettbewerbsrecht für die öffentlichen und privaten Leistungserbringer im sozialen Sektor eine Quelle der Unsicherheit darstellt. Die Kommission bemüht sich nach eigenen Angaben darum, Unschärfen zu beseitigen und die Folgerungen klar zu machen, ohne jedoch eine endgültige Lösung für das Problem zu finden. |
4. Allgemeine Bemerkungen
4.1 |
In ihrem Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse hatte die Kommission angekündigt, im Laufe des Jahres 2005 eine Mitteilung über Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse zu veröffentlichen, zu denen dem Weißbuch zufolge Gesundheitsdienstleistungen, Langzeitpflege, soziale Sicherheit, Arbeitsvermittlung und Sozialwohnungswesen zählen. |
4.2 |
In dieser Zeit der Unsicherheit in Bezug auf Wachstum und Beschäftigung, in der die Kluft zwischen den bedürftigsten und den wohlhabendsten Bevölkerungsgruppen sowie zwischen den reichsten und den ärmsten Regionen der Union trotz der gemeinschaftlichen und einzelstaatlichen Programme gegen Ausgrenzung und Armut immer größer wird, besteht ein ständig wachsender Bedarf an Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse. Dies gilt umso mehr, als infolge der demografischen Entwicklungen neuer Bedarf entsteht. |
4.3 |
Daher kann der Ausschuss die Veröffentlichung der Kommissionsmitteilung nur begrüßen, da sie die Bedeutung der Sozialdienstleistungen für die Bürger und ihre besondere Rolle als fester Bestandteil des europäischen Sozialmodells zum Ausdruck bringt und für die Entwicklung eines systematischen Ansatzes eintritt, um die besonderen Merkmale dieser Dienstleistungen zu ermitteln und anzuerkennen und den Rahmen genau zu umreißen, in dem sie funktionieren und in den Worten der Kommission „modernisiert“ werden können. Der EWSA zieht es jedoch vor, anstatt von „Modernisierung“ von einer Verbesserung der Qualität und der Effizienz zu sprechen. |
4.4 |
Es geht nämlich weder darum, sich einem wie auch immer gearteten Trend anzuschließen, noch darum, die Modernisierung mit einer Externalisierung von Aufgaben des öffentlichen Sektors an den privaten Sektor in Verbindung zu bringen, wie die Kommission dies tut (1). Vielmehr geht es darum, die Leistungen regelmäßig anzupassen, um den sozialen Bedürfnissen der Bürger und der Gebietskörperschaften Rechnung zu tragen sowie gleichermaßen die technischen und wirtschaftlichen Fortschritte und die neuen Erfordernisse des Allgemeininteresses zu berücksichtigen. |
4.5 |
Der EWSA bedauert, dass die Kommission in dieser Mitteilung entgegen ihrer Ankündigung nicht auf Gesundheitsdienstleistungen eingeht, obschon die Verflechtungen und Synergien zwischen Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen besonders zahlreich sind. Die von der Kommission formulierte Frage „welcher Zusammenhang zwischen Gesundheitsdienstleistungen und damit verbundenen Dienstleistungen wie Sozial- und Pflegedienstleistungen besteht“, die in der Konsultation vom 26. September 2006 zu Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen aufgeworfen wird und bis zum 31. Januar 2007 beantwortet werden sollte, hätte somit gestellt werden müssen, bevor der Beschluss gefasst wurde, eine Mitteilung zu erarbeiten, in der es ausschließlich um Sozialdienstleistungen geht. |
4.6 |
Ohne jegliche Erläuterung bleibt diese Herangehensweise unverständlich, umso mehr, als die Kommission in der Aufzählung der Leistungen, die unter den Begriff „Sozialdienstleistungen“ fallen, speziell die Eingliederung von Personen mit langfristigen Bedürfnissen aufgrund eines Gesundheitsproblems aufführt. |
4.7 |
Bis dato sind die Gesundheitsdienstleistungen, die dem Einzelnen einen universellen Zugang zu einer hochwertigen Versorgung sichern sollen und auf dem Grundsatz der Solidarität basieren, stets als Instrumente der Sozialpolitik angesehen worden, ebenso wie die personenbezogenen sozialen Unterstützungsdienste. |
5. Besondere Bemerkungen
5.1 Beschreibung der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse
5.1.1 |
Vorbehaltlich der vorstehenden Bemerkungen unter Ziffer 4.5 stimmt der Ausschuss der in der Kommissionsmitteilung vorgeschlagenen Beschreibung der besonderen Merkmale der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse zu. Diese Beschreibung ist weit gefasst und extensiv formuliert, was hinreichend Spielraum zur Berücksichtigung künftiger Entwicklungen in diesem Bereich lässt. |
5.1.2 |
Der Ausschuss begrüßt, dass in der Mitteilung auf die besondere Rolle der persönlichen Dienstleistungen bei der Wahrnehmung der Grundrechte verwiesen wird, wodurch die Bedeutung und Existenzberechtigung der Sozialdienstleistungen bestätigt wird. |
5.1.3 |
Die Beschreibung der Anwendungsbedingungen des gemeinschaftlichen Rahmens beschränkt sich jedoch auf die am häufigsten vorkommenden Fälle. Der EWSA gibt zu bedenken, dass sich die Systeme von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden; bei der Aufführung der einzelnen Kategorien (teilweise oder vollständige Delegation einer sozialen Aufgabe, öffentlich-private Partnerschaft) wird diesen vielfältigen Unterschieden nicht immer Rechnung getragen. Daher begrüßt der EWSA die vorgesehene öffentliche Konsultation als wichtiges Instrument zur Erlangung umfassenderer Informationen über die Tätigkeit und Arbeitsweise der sozialen Dienste. |
5.2 EG-Binnenmarkt und Wettbewerbsrecht
5.2.1 |
Im EG-Vertrag wird den Mitgliedstaaten die Freiheit zuerkannt, Aufgaben von allgemeinem Interesse zu definieren und die Organisationsprinzipien festzulegen, die sich daraus für die mit der Erfüllung dieser Aufgaben beauftragten Leistungserbringer ergeben. |
5.2.2 |
Bei der Ausübung dieser Freiheit (die in transparenter Weise genutzt werden muss und das Konzept des Gemeinwohls nicht missbrauchen darf) müssen die Mitgliedstaaten jedoch das Gemeinschaftsrecht berücksichtigen und sind beispielsweise gehalten, bei der Organisation öffentlicher Dienste einschließlich der Sozialdienstleistungen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung und die Gemeinschaftsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen zu beachten. |
5.2.3 |
Darüber hinaus muss bei als wirtschaftlich angesehenen Dienstleistungen die Vereinbarkeit ihrer organisatorischen Merkmale mit anderen Bereichen des Gemeinschaftsrechts (insbesondere Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sowie Wettbewerbsrecht) ebenfalls gewährleistet sein. |
5.2.4 |
Nach der Rechtsprechung der Gemeinschaft können praktisch alle Dienstleistungen im sozialen Bereich — mit Ausnahme von Systemen der sozialen Sicherheit, die auf dem Solidaritätsprinzip beruhen — als wirtschaftliche Tätigkeit betrachtet werden. |
5.2.5 |
Die von den Organen und Einrichtungen der EU akzeptierte extensive Definition des EuGH in Bezug auf die Einstufung wirtschaftlicher Tätigkeiten (2) hat zur Folge, dass die Gemeinschaftsvorschriften in den Bereichen Wettbewerb und Binnenmarkt (staatliche Beihilfen, freier Dienstleistungsverkehr, Niederlassungsrecht, Richtlinie zum öffentlichen Auftragswesen) sowie das Sekundärrecht in zunehmendem Maße auf Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse anwendbar sind, was zu wachsender Unsicherheit bei den Behörden, den Dienstleistungserbringern und den Empfängern führt. Durch diese Situation droht, sollte sie andauern, eine Verschiebung der Ziele der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, wo diese doch im Mittelpunkt des „europäischen Sozialmodells“ stehen. |
5.2.6 |
Die zugrunde liegenden Ziele und Grundsätze des Gemeinschaftsrahmens für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse spiegeln eine Logik wider, die im Wesentlichen auf Kriterien der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beruht. Dieser Denkansatz entspricht nicht dem der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse und ist daher in dieser Form nicht auf die Wirklichkeit der Sozialdienstleistungen in der Europäischen Union zutreffend oder anwendbar. |
5.2.7 |
Wie der EWSA bereits in seiner Stellungnahme „Zukunft der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ (CESE 976/2006) betonte, bleibt die Unterscheidung zwischen wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Natur vage und unscharf. Fast jede im allgemeinen Interesse liegende Leistung, auch wenn sie ohne Erwerbszweck oder ehrenamtlich erbracht wird, hat einen bestimmten wirtschaftlichen Wert, muss jedoch deswegen nicht unter das Wettbewerbsrecht fallen. Außerdem kann ein und dieselbe Dienstleistung gleichzeitig wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Natur sein. Ebenso kann eine Dienstleistung durchaus wirtschaftlichen Charakter besitzen, ohne dass der Markt deshalb imstande wäre, die Diensterbringung in dem inhaltlichen Sinne und nach den Grundsätzen zu gewährleisten, die für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gelten. |
5.2.8 |
So wird das Konzept der Wirtschaftstätigkeit in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sehr extensiv ausgelegt, da laut EuGH „jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten, unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens und der Art seiner Finanzierung“ als Wirtschaftstätigkeit anzusehen ist (Urteil Höfner und Elser (1991), Urteil Pavlov (2000)) und dies unabhängig davon gilt, ob ein Anbieter einen Erwerbszweck verfolgt oder nicht (Urteil Ambulanz Glöckner (2001)). |
5.2.9 |
Der wirtschaftliche Charakter der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wird vom EuGH und von der Europäischen Kommission immer mehr betont, ohne dass diesem auf der anderen Seite eine Anerkennung und Absicherung der durch diese Dienstleistungen erbrachten Gemeinwohlaufgaben entgegengestellt wird, wodurch zahlreiche rechtliche Unsicherheiten für die Leistungserbringer und -empfänger entstehen. Damit wird aus dem allgemeinen ein wirtschaftliches Interesse. Es sollte jedoch nicht danach unterschieden werden, ob die Dienstleistung wirtschaftlicher Natur ist oder nicht, sondern vielmehr danach, ob ein Erwerbszweck verfolgt wird oder nicht. |
6. Ein stabiler und transparenter Rechtsrahmen
6.1 |
Der EWSA bezweifelt, dass die Flexibilität, die nach Ansicht der Kommission durch die Anwendung des EG-Vertrags bei der Anerkennung der spezifischen Besonderheiten der Aufgaben von allgemeinem Interesse — insbesondere im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 — erreicht werden kann, ausreicht, um die Rechtsunsicherheit und -unklarheit gänzlich zu beseitigen und Sozialdienstleistungen für alle zu gewährleisten. Dasselbe gilt für die Methode der offenen Koordinierung. |
6.2 |
Alle Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, einschließlich der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, tragen zur Verwirklichung der in Artikel 2 und 3 des EG-Vertrags festgelegten Ziele der Gemeinschaft bei, so insbesondere zur Erreichung eines hohen Maßes an sozialem Schutz, zur Steigerung der Lebensqualität, zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus und zur Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts. |
6.3 |
Hieraus ergibt sich, dass die Union, die für die Verwirklichung dieser Ziele zuständig ist, auch für die entsprechenden Umsetzungsinstrumente Verantwortung trägt — also in Bezug auf die Grundrechte und den sozialen Zusammenhalt, für die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen bzw. nichtwirtschaftlichen Interesse; die Union muss daher unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie im Rahmen geteilter Zuständigkeiten mit den Mitgliedstaaten darauf achten und dazu beitragen, dass Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bereitgestellt werden und dass sie effizient und für alle zugänglich, bezahlbar und von guter Qualität sind. |
6.4 |
Angesichts der Schwierigkeiten, die Begriffe „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ und „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ umfassend zu definieren sowie angesichts der Gefahren, die ein restriktiver Ansatz mit sich bringt, sollte die Unterscheidung zwischen wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Natur aufgegeben werden; statt dessen sollte das Augenmerk vielmehr auf die besondere Aufgabe der jeweiligen Dienstleistungen und die Anforderungen (Gemeinwohlverpflichtungen) gerichtet werden, die zur Erfüllung ihres Zwecks an diese Leistungen gestellt werden und die eindeutig festgelegt werden müssen. |
6.5 |
Angesichts der äußerst unterschiedlichen Gegebenheiten, Regelungen und Verfahren auf einzelstaatlicher bzw. lokaler Ebene und der vielfältigen Verpflichtungen, die den Leistungsträgern und Behörden obliegen, müssen die zu erarbeitenden Vorschriften überdies den Besonderheiten jedes einzelnen Mitgliedstaats Rechnung tragen. |
6.6 |
Die Frage besteht somit nicht darin, was unter „wirtschaftlich“ oder „nichtwirtschaftlich“ zu verstehen ist, sondern darin zu ermitteln, welche Dienstleistungen in den Anwendungsbereich der Wettbewerbs- und Binnenmarktvorschriften fallen und welche Dienstleistungen aus Gründen des Allgemeininteresses sowie des sozialen, territorialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip von den Behörden auf Ebene der Gemeinschaft (bei den europäischen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse) sowie auf einzelstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene von diesen Vorschriften ausgenommen werden müssen. |
6.7 |
Wie vom EWSA seit Jahren gefordert (3), sollten daher auf Gemeinschaftsebene gemeinsame Bezugspunkte für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse festgelegt werden (insbesondere in Bezug auf die Art der Verwaltung und der Finanzierung, die Grundsätze und Grenzen für die Tätigkeit der Gemeinschaft und die unabhängige Bewertung der Leistungsfähigkeit dieser Parameter, die Rechte der Verbraucher und Nutzer sowie einen Mindestgemeinwohlauftrag), die für alle Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, einschließlich Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, gelten und ihren Niederschlag in einer im Mitentscheidungsverfahren angenommenen Rahmenrichtlinie finden sollten, mit der zur Vervollständigung der Dienstleistungsrichtlinie ein Gemeinschaftsrahmen geschaffen werden sollte, der auf die besonderen Anforderungen dieser Dienstleistungen abgestimmt ist. |
6.8 |
Im Hinblick auf eine nicht missbräuchliche, diskriminierungsfreie und transparente Erfüllung von Gemeinwohlaufgaben sollten die bei diesen Dienstleistungen vorliegenden Gründe des Allgemeininteresses sowie des sozialen, territorialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts von den Mitgliedstaaten in einem formalen Rechtsakt zur Aufgabenübertragung oder einem gleichwertigen Akt sowie in entsprechenden Genehmigungsvorschriften festgehalten werden, mit dem bzw. denen die Aufgaben festgelegt werden, die die zuständige öffentliche Behörde eines Mitgliedstaats den jeweiligen Dienstleistungserbringern zur Ausführung einer Dienstleistung von allgemeinem Interesse überträgt; weiterhin sollten darin die Rechte und Pflichten der Dienstleistungserbringer geregelt werden. Hiervon bleibt das Initiativrecht, das den Akteuren in der Gesetzgebung zuerkannt wird, unberührt. |
6.9 |
In diesem Akt (in Form eines Rechtsakts, eines Vertrags, einer Vereinbarung, eines Beschlusses etc.) könnte vor allem Folgendes genau festgelegt werden:
|
6.10 |
Der EWSA schlägt vor, im Rahmen eines umfassenden Ansatzes in Form einer Rahmenrichtlinie für alle Dienstleistungen von allgemeinem Interesse einen spezifischen gemeinsamen Rechtsrahmen für Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen von allgemeinem Interesse festzulegen. So könnte auf Gemeinschaftsebene die für Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse angemessene Rechtsstabilität und Transparenz gewährleistet werden, was unter strenger Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und vor allem unter Wahrung der Zuständigkeiten der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Festlegung der Aufgaben sowie bei der Verwaltung und Finanzierung dieser Dienstleistungen erfolgen sollte. Auf die in diesem Rechtsrahmen festgelegten Grundsätze sollte sich die Position der EU in internationalen Handelsverhandlungen gründen. |
7. Bewertung
7.1 |
In dem Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wurde der erforderlichen Bewertung der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse besonderer Stellenwert eingeräumt, die nach einer in einer künftigen Mitteilung näher darzulegenden Verfahrensweise erfolgen soll. |
7.2 |
Zur Intensivierung der gegenseitigen Unterrichtung und des Informationsaustauschs zwischen den Akteuren und den EU-Institutionen schlägt die Kommission ein Beobachtungs- und Dialogverfahren in Form zweijährlicher Berichte vor. |
7.3 |
Der Ausschuss weist in diesem Zusammenhang erneut auf seinen Vorschlag hin, eine unabhängige Beobachtungsstelle für die Bewertung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Art einzurichten, die sich aus Vertretern des Europäischen Parlaments und des Ausschusses der Regionen sowie Vertretern der organisierten Zivilgesellschaft aus dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zusammensetzt. |
7.4 |
Auf einzelstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene müssen die Behörden dafür sorgen, dass alle Akteure, Erbringer und Empfänger von Sozialdienstleistungen, Sozialpartner sowie alle sozialwirtschaftlichen Einrichtungen und Organisationen zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung usw. in die Regulierung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse eingebunden werden, und zwar in allen Phasen, d.h. sowohl bei der Organisation als auch bei der Festlegung, der Kontrolle, der Bewertung des Kosten-Leistungs-Verhältnisses und der Anwendung von Qualitätsstandards. |
7.5 |
Zu dieser Beobachtungsstelle sollte ein Lenkungsausschuss gehören, der die Ziele und Spezifikationen für die Bewertungen festlegt, die mit der Durchführung von Studien betrauten Einrichtungen auswählt, die Berichte prüft und eine Stellungnahme dazu abgibt. Ihm sollte ein wissenschaftlicher Beirat zur Seite gestellt werden, um die gewählte Methodik zu prüfen und gegebenenfalls einschlägige Empfehlungen auszusprechen. Der Lenkungsausschuss sollte dafür Sorge tragen, dass die Bewertungsberichte in allen Mitgliedstaaten bekannt gemacht und mit allen Beteiligten öffentlich erörtert werden; dies würde bedeuten, dass die Bewertungsberichte in allen Arbeitssprachen der Europäischen Union vorliegen müssen. |
Brüssel, den 15. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) KOM(2006) 177 endg., Ziffer 1.2, dritter Aufzählungspunkt.
(2) So hieß es in einer Mitteilung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2000: „Generell werden nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs viele Tätigkeiten von Einrichtungen, die weitgehend soziale Aufgaben ohne Gewinnabsicht erfüllen und deren Zweck nicht in der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit besteht, von den wettbewerbs- und binnenmarktrechtlichen Vorschriften der Gemeinschaft in der Regel nicht erfasst.“ (Ziffer 30) In der Mitteilung vom 26. April 2006 wird dagegen ausgeführt „[…] dass praktisch alle Dienstleistungen im sozialen Bereich als 'wirtschaftliche Tätigkeit' im Sinne der Artikel 43 und 49 des Vertrags betrachtet werden können.“
Siehe auch die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Private Sozialdienste ohne Erwerbszweck im Kontext der Daseinsvorsorge in Europa“ (ABl. C 311 vom 7.11.2001, S. 33).
(3) Stellungnahme des EWSA zum Thema „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ (ABl. C 241 vom 7.10.2002, S. 119).
Stellungnahme des EWSA zu dem „Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ (ABl. C 80 vom 30.3.2004, S. 66).
Stellungnahme des EWSA „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ (ABl. C 221 vom 8.9.2005, S. 17).
Stellungnahme des EWSA zum Thema „Zukunft der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ (ABl. C 309 vom 16.12.2006, S. 135).
ANHANG
zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Folgende Änderungsanträge, auf die mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen entfiel, wurden vom Ausschuss im Verlauf der Beratungen abgelehnt:
Ziffer 1.3
Ziffer durch folgenden Wortlaut ersetzen:
„In diesem Sinne ist der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) der Auffassung, dass das eigentliche Wesen einer Dienstleistung von allgemeinem Interesse, ihr Zweck und ihre Ziele betrachtet werden sollten, anstatt sich auf eine heikle Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Leistungen einzulassen, die zudem ständigen Entwicklungen unterworfen ist; es sollte ermittelt werden, welche Dienstleistungen in den Anwendungsbereich der Wettbewerbs- und Binnenmarktvorschriften fallen und welche Dienstleistungen aus Gründen des Gemeinwohls sowie des sozialen, territorialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip von den Behörden auf gemeinschaftlicher, einzelstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene von diesen Vorschriften ausgenommen werden müssen. Dienstleistungen können nicht einfach aus prinzipiellen Gründen von den Wettbewerbs- und Binnenmarktvorschriften ausgenommen werden. Wettbewerb, der dazu beitragen soll, den auf den Regeln der Marktwirtschaft basierenden und mithilfe kartellrechtlicher Bestimmungen regulierten Binnenmarkt zu vollenden, ist ein demokratisches Grundrecht; durch den Wettbewerb wird nicht nur staatlicher Einfluss beschränkt, sondern auch und vor allem der Missbrauch marktbeherrschender Stellungen eingeschränkt, und Verbraucherrechte werden geschützt. Ferner ermöglichen es die gemeinschaftlichen Wettbewerbs- und Binnenmarktvorschriften, den nichtgewerblichen Charakter der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse zu berücksichtigen. Es ist von grundlegender Bedeutung, das allgemeine Recht auf Sozialdienstleistungen zu gewährleisten.“
Begründung
Wie in vielen Teilen des Stellungnahmeentwurfs, insbesondere unter Ziffer 6.5, unterstrichen wird, sind Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse durch unterschiedliche historische Erfahrungen und durch eine große Vielfalt von unterschiedlichen Gegebenheiten, Regelungen und Verfahren auf lokaler, regionaler bzw. einzelstaatlicher Ebene gekennzeichnet. Die Gruppe Arbeitgeber ist deshalb im Einklang mit dem Europäischen Parlament der Auffassung, dass eine Intervention der Gemeinschaft in Form von Empfehlungen oder Leitlinien die beste Lösung wäre, dies würde auch dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit voll und ganz entsprechen: Ein bindender rechtlicher Gemeinschaftsrahmen für Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse würde jedoch ein für alle obligatorisches Modell aufzwingen, was mit Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse schlichtweg unvereinbar wäre. Mit einer Richtlinie, die sich sicher auf den kleinsten gemeinsamen Nenner stützen würde, wäre weder die Sicherheit hinsichtlich der Qualität oder der Zugänglichkeit der Leistungen für den Nutzer noch ein Fortschritt für den Binnenmarkt gegeben. Durch die Annahme einer Empfehlung könnten dagegen die Verpflichtungen hinsichtlich der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse verdeutlicht werden, die bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zu berücksichtigen sind.
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: 82
Nein-Stimmen: 91
Stimmenthaltungen: 12
Ziffer 1.4
Wortlaut wie folgt ändern:
„Daher sollten auf Gemeinschaftsebene gemeinsame Grundsätze und Werte Bezugspunkte für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse festgelegt werden, die für alle Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Natur), einschließlich Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, gelten und ihren Niederschlag in einer im Mitentscheidungsverfahren angenommenen Empfehlungen oder Leitlinien der Gemeinschaft Rahmenrichtlinie finden sollten, mit der denen ein auf ihre besonderen Anforderungen abgestimmter Gemeinschaftsrahmen geschaffen werden könnte.“
Begründung
Wie in vielen Teilen des Stellungnahmeentwurfs, insbesondere unter Ziffer 6.5, unterstrichen wird, sind Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse durch unterschiedliche historische Erfahrungen und durch eine große Vielfalt von unterschiedlichen Gegebenheiten, Regelungen und Verfahren auf lokaler, regionaler bzw. einzelstaatlicher Ebene gekennzeichnet. Die Gruppe Arbeitgeber ist deshalb im Einklang mit dem Europäischen Parlament der Auffassung, dass eine Intervention der Gemeinschaft in Form von Empfehlungen oder Leitlinien die beste Lösung wäre, dies würde auch dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit voll und ganz entsprechen: Ein bindender rechtlicher Gemeinschaftsrahmen für Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse würde jedoch ein für alle obligatorisches Modell aufzwingen, was mit Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse schlichtweg unvereinbar wäre. Mit einer Richtlinie, die sich sicher auf den kleinsten gemeinsamen Nenner stützen würde, wäre weder die Sicherheit hinsichtlich der Qualität oder der Zugänglichkeit der Leistungen für den Nutzer noch ein Fortschritt für den Binnenmarkt gegeben. Durch die Annahme einer Empfehlung könnten dagegen die Verpflichtungen hinsichtlich der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse verdeutlicht werden, die bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zu berücksichtigen sind.
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: 81
Nein-Stimmen: 94
Stimmenthaltungen: 10
Ziffer 1.6
Wortlaut wie folgt ändern:
„In Bezug auf die Bewertung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse weist der EWSA in diesem Zusammenhang erneut auf seinen Vorschlag hin, eine unabhängige Beobachtungsstelle für die Bewertung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Art einzurichten, die darauf hin, dass er sich für den Grundsatz der Bewertung einsetzt, und empfiehlt, das von der Kommission vorgeschlagene Verfahren durch ein informelles Netz zu ergänzen, das sich aus Vertretern des Europäischen Parlaments und des Ausschusses der Regionen sowie Vertretern der organisierten Zivilgesellschaft aus dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zusammensetzt. Auf einzelstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene müssen die Behörden dafür sorgen, dass sämtliche Akteure, Erbringer und Empfänger von Sozialdienstleistungen und Sozialpartner sowie alle sozialwirtschaftlichen Einrichtungen und Organisationen zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung usw. in die Regulierung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse eingebunden werden.“
Begründung
Wie in vielen Teilen des Stellungnahmeentwurfs, insbesondere unter Ziffer 6.5, unterstrichen wird, sind Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse durch unterschiedliche historische Erfahrungen und durch eine große Vielfalt von unterschiedlichen Gegebenheiten, Regelungen und Verfahren auf lokaler, regionaler bzw. einzelstaatlicher Ebene gekennzeichnet. Die Gruppe Arbeitgeber ist deshalb im Einklang mit dem Europäischen Parlament der Auffassung, dass eine Intervention der Gemeinschaft in Form von Empfehlungen oder Leitlinien die beste Lösung wäre, dies würde auch dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit voll und ganz entsprechen: Ein bindender rechtlicher Gemeinschaftsrahmen für Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse würde jedoch ein für alle obligatorisches Modell aufzwingen, was mit Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse schlichtweg unvereinbar wäre. Mit einer Richtlinie, die sich sicher auf den kleinsten gemeinsamen Nenner stützen würde, wäre weder die Sicherheit hinsichtlich der Qualität oder der Zugänglichkeit der Leistungen für den Nutzer noch ein Fortschritt für den Binnenmarkt gegeben. Durch die Annahme einer Empfehlung könnten dagegen die Verpflichtungen hinsichtlich der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse verdeutlicht werden, die bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zu berücksichtigen sind.
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: 85
Nein-Stimmen: 93
Stimmenthaltungen: 11
Ziffer 6.7
Wortlaut wie folgt ändern:
„Wie vom EWSA seit Jahren gefordert, sollten daher auf Gemeinschaftsebene gemeinsame Bezugspunkte für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse festgelegt werden (insbesondere in Bezug auf die Art der Verwaltung und der Finanzierung, die Grundsätze und Grenzen für die Tätigkeit der Gemeinschaft und die unabhängige Bewertung der Leistungsfähigkeit dieser Parameter, die Rechte der Verbraucher und Nutzer sowie einen Mindestgemeinwohlauftrag), die für alle Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, einschließlich Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, gelten und ihren Niederschlag in einer im Mitentscheidungsverfahren angenommenen Rahmenrichtlinie Empfehlungen oder Leitlinien der Gemeinschaft finden sollten, mit der zur Vervollständigung der Dienstleistungsrichtlinie ein Gemeinschaftsrahmen geschaffen werden sollte, der auf die besonderen Anforderungen dieser Dienstleistungen abgestimmt ist.“
Begründung
Wie in vielen Teilen des Stellungnahmeentwurfs, insbesondere unter Ziffer 6.5, unterstrichen wird, sind Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse durch unterschiedliche historische Erfahrungen und durch eine große Vielfalt von unterschiedlichen Gegebenheiten, Regelungen und Verfahren auf lokaler, regionaler bzw. einzelstaatlicher Ebene gekennzeichnet. Die Gruppe Arbeitgeber ist deshalb im Einklang mit dem Europäischen Parlament der Auffassung, dass eine Intervention der Gemeinschaft in Form von Empfehlungen oder Leitlinien die beste Lösung wäre, dies würde auch dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit voll und ganz entsprechen: Ein bindender rechtlicher Gemeinschaftsrahmen für Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse würde jedoch ein für alle obligatorisches Modell aufzwingen, was mit Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse schlichtweg unvereinbar wäre. Mit einer Richtlinie, die sich sicher auf den kleinsten gemeinsamen Nenner stützen würde, wäre weder die Sicherheit hinsichtlich der Qualität oder der Zugänglichkeit der Leistungen für den Nutzer noch ein Fortschritt für den Binnenmarkt gegeben. Durch die Annahme einer Empfehlung könnten dagegen die Verpflichtungen hinsichtlich der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse verdeutlicht werden, die bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zu berücksichtigen sind.
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: 84
Nein-Stimmen: 99
Stimmenthaltungen: 7
Ziffer 6.10
Wortlaut wie folgt ändern:
„Der EWSA schlägt vor, Empfehlungen oder Leitlinien der Gemeinschaft im Rahmen eines umfassenden Ansatzes in Form einer Rahmenrichtlinie für alle Dienstleistungen von allgemeinem Interesse einen spezifischen gemeinsamen Rechtsrahmen für Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen von allgemeinem Interesse festzulegen. So könnte auf Gemeinschaftsebene die für Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse angemessene Rechtsstabilität und Transparenz gewährleistet werden, was unter strenger Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und vor allem unter Wahrung der Zuständigkeiten der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Festlegung der Aufgaben sowie bei der Verwaltung und Finanzierung dieser Dienstleistungen erfolgen sollte. Auf die in diesen Empfehlungen oder Leitlinien diesem Rechtsrahmen festgelegten Grundsätze sollte sich die Position der EU in internationalen Handelsverhandlungen gründen.“
Begründung
Wie in vielen Teilen des Stellungnahmeentwurfs, insbesondere unter Ziffer 6.5, unterstrichen wird, sind Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse durch unterschiedliche historische Erfahrungen und durch eine große Vielfalt von unterschiedlichen Gegebenheiten, Regelungen und Verfahren auf lokaler, regionaler bzw. einzelstaatlicher Ebene gekennzeichnet. Die Gruppe Arbeitgeber ist deshalb im Einklang mit dem Europäischen Parlament der Auffassung, dass eine Intervention der Gemeinschaft in Form von Empfehlungen oder Leitlinien die beste Lösung wäre, dies würde auch dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit voll und ganz entsprechen: Ein bindender rechtlicher Gemeinschaftsrahmen für Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse würde jedoch ein für alle obligatorisches Modell aufzwingen, was mit Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse schlichtweg unvereinbar wäre. Mit einer Richtlinie, die sich sicher auf den kleinsten gemeinsamen Nenner stützen würde, wäre weder die Sicherheit hinsichtlich der Qualität oder der Zugänglichkeit der Leistungen für den Nutzer noch ein Fortschritt für den Binnenmarkt gegeben. Durch die Annahme einer Empfehlung könnten dagegen die Verpflichtungen hinsichtlich der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse verdeutlicht werden, die bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zu berücksichtigen sind.
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: 78
Nein-Stimmen: 97
Stimmenthaltungen: 10
Ziffern 7.3, 7.4 und 7.5
sollten durch folgenden Wortlaut ersetzt werden:
„Der A usschuss weist in diesem Zusammenhang erneut auf seinen Vorschlag hin, eine unabhängige Beobachtungsstelle für die Bewertung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Art einzurichten, die sich aus Vertretern des Europäischen Parlaments und des Ausschusses der Regionen sowie Vertretern der organisierten Zivilgesellschaft aus dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zusammensetzt.
Auf einzelstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene müssen die Behörden dafür sorgen, dass alle Akteure, Erbringer und Empfänger von Sozialdienstleistungen, Sozialpartner sowie alle sozialwirtschaftlichen Einrichtungen und Organisationen zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung usw. in die Regulierung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse eingebunden werden, und zwar in allen Phasen, d.h. sowohl bei der Organisation als auch bei der Festlegung, der Kontrolle, der Bewertung des Kosten-Leistungs-Verhältnisses und der Anwendung von Qualitätsstandards.
Zu dieser Beobachtungsstelle sollte ein Lenkungsausschuss gehören, der die Ziele und Spezifikationen für die Bewertungen festlegt, die mit der Durchführung von Studien betrauten Einrichtungen auswählt, die Berichte prüft und eine Stellungnahme dazu abgibt. Ihm sollte ein wissenschaftlicher Beirat zur Seite gestellt werden, um die gewählte Methodik zu prüfen und gegebenenfalls einschlägige Empfehlungen auszusprechen. Der Lenkungsausschuss sollte dafür Sorge tragen, dass die Bewertungsberichte in allen Mitgliedstaaten bekannt gemacht und mit allen Beteiligten öffentlich erörtert werden; dies würde bedeuten, dass die Bewertungsberichte in allen Arbeitssprachen der Europäischen Union vorliegen müssen.
Der EWSA empfiehlt, das von der Kommission vorgeschlagene Verfahren durch ein informelles Netz zu ergänzen. Der Ausschuss würde sich aktiv an diesem aus Sozialpartnern und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft bestehenden Netz beteiligen. Dadurch würde der Austausch von Erfahrungen und Informationen über bewährte Verfahren, insbesondere mittels eines Internetforums unterstützt werden.“
Begründung
Die Gruppe Arbeitgeber unterstützt den Grundsatz der Förderung von Informationsaustausch und der Bewertung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Sie ist jedoch gegen den gegenwärtigen Vorschlag, zusätzliche aufwändige und bürokratische Verfahren in Form einer unabhängigen Beobachtungsstelle zu schaffen.
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: 88
Nein-Stimmen: 99
Stimmenthaltungen: 5
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/89 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Für ein mobiles Europa — Nachhaltige Mobilität für unseren Kontinent — Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch der Europäischen Kommission von 2001“
KOM(2006) 314 endg.
(2007/C 161/23)
Die Kommission beschloss am 22. Juni 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 21. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr BARBADILLO LÓPEZ.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.15. März 2007 (Sitzung vom 15. März) mit 144 gegen 3 Stimmen bei 24 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der allgemeine Kontext, in dem das Verkehrsweißbuch 2001 erarbeitet wurde, hat sich vollkommen anders weiterentwickelt als erwartet: Das Wirtschaftswachstum ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben, die Ölpreise sind deutlich gestiegen, mit der Erweiterung hat die EU eine kontinentale Dimension erreicht, mit den neuen technologischen Entwicklungen wandelt sich der Verkehrssektor immer mehr zu einem Spitzentechnologiesektor, die Terrorismusgefahr ist ständig präsent, und der Modalsplit hat sich weiterentwickelt. All diese Aspekte machen eine Neuausrichtung der Verkehrspolitik erforderlich. |
1.2 |
Die übergeordneten Zielsetzungen der Verkehrspolitik haben sich jedoch nicht geändert: Gewährleistung einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen, sicheren und umweltfreundlichen Personen- und Gütermobilität, die einen angemessenen Schutz der Nutzer sowie eine bessere Beschäftigungsqualität bietet. Sie stehen voll im Einklang mit der überarbeiteten Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung, jedoch noch nicht mit den längerfristigen Zielen der überarbeiteten Strategie für nachhaltige Entwicklung und den Herausforderungen des Klimawandels. So fehlt es der Halbzeitbilanz insbesondere an einer kohärenten längerfristigen Strategie für die Erreichung des ersten Ziels des nachhaltigen Verkehrs, das in der überarbeiteten Strategie für nachhaltige Entwicklung zur „Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Verkehrsnachfrage“ festgelegt wurde. |
1.2.1 |
Der Ausschuss unterstützt zwar die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen, um die Effizienz der einzelnen Verkehrsträger zu erhöhen und ihren CO2-Ausstoß zu verringern, fragt sich jedoch gleichzeitig, ob all diese Maßnahmen letztlich ausreichen werden, um die seitens Europa bis 2050 erforderliche Senkung der CO2-Emissionen zu erreichen. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission daher auf, dringlichst Studien darüber in Auftrag zu geben, welche Art von Maßnahmen zur längerfristigen Reduzierung der allgemeinen Nachfrage nach Verkehrsdiensten erforderlich sein könnten. Die Überlegungen sollten angemessene Preissignale ebenso wie die Neuausrichtung der Städte- und Raumplanungspolitik umfassen, um die Bereitstellung von Gütern und die Dienstleistungserbringung sowie den Zugang zu diesen direkt vor Ort zu fördern und die Abhängigkeit von der Personen- und Güterbeförderung über längere Strecken zu verringern. Ferner sollte die Frage aufgegriffen werden, wie eine breitere Diskussion in der Öffentlichkeit zu diesen Themen angestoßen werden könnte. Außerdem sollte überlegt werden, wie verantwortungsvolle Bürger und Unternehmen am besten zu einer langfristigen Nachhaltigkeit durch ihre eigenen Verkehrs- und Reiseentscheidungen und ihr diesbezügliches Verhalten beitragen können. |
1.3 |
Die EU erstreckt sich über ein sehr vielfältiges Gebiet mit sehr unterschiedlichen geländespezifischen, territorialen und demografischen Merkmalen, in dem zentral gelegene Länder mit enormen Verdichtungserscheinungen und starkem Transitverkehr neben weitläufigen Regionen in Randlage bestehen, deren Infrastruktur nicht der gleichen ständigen Beanspruchung ausgesetzt ist. Der Ausschuss bekräftigt die Notwendigkeit, einen geografisch differenzierten Ansatz in die Verkehrspolitik aufzunehmen. |
1.4 |
Der Ausschuss begrüßt die Zielsetzung des überarbeiteten Verkehrsweißbuches, das heißt die Optimierung jedes einzelnen Verkehrsträgers wie auch aller Verkehrsträger insgesamt unter Berücksichtigung der spezifischen Möglichkeiten jedes einzelnen Verkehrsträgers, um zu umweltfreundlicheren und effizienteren Verkehrssystemen zu gelangen, die eine nachhaltige Mobilität von Personen und Gütern gewährleisten. |
1.5 |
Nach Meinung des Ausschusses ist eine Verbesserung der Interoperabilität zwischen den Verkehrsträgern und eine Stärkung des Wettbewerbs im Schienenverkehr sowie in der See- und Binnenschifffahrt erforderlich, um ihre Leistungsfähigkeit und Effizienz und folglich ihren Anteil am Modalsplit zu steigern und so ihre Rentabilität langfristig zu sichern. Außerdem können die Behörden die Koordinierung zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern fördern. |
1.6 |
Der Ausschuss ist der Ansicht, dass der öffentliche Personenregionalverkehr (ÖPRV) auf der Straße als Instrument berücksichtigt werden sollte, um die Ziele der Europäischen Kommission wie Abbau der Verkehrsüberlastung, Verringerung der Umweltverschmutzung, Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und Stärkung der Straßenverkehrssicherheit zu erreichen, da dieser Verkehrsträger eine hohe Verkehrskapazität bietet und außerdem auch dazu beiträgt, die Rolle des öffentlichen Verkehrs im Verhältnis zum motorisierten Individualverkehr (MIV) erheblich zu stärken. |
1.7 |
Der Luftverkehrssektor hat zwar in den letzten zehn Jahren infolge der Marktöffnung einen Aufschwung erlebt, doch führen die uneinheitliche Umsetzung dieses dritten Maßnahmenpakets in den einzelnen Mitgliedstaaten und die Beschränkungen, die nach wie vor für die innergemeinschaftlichen Luftverkehrsdienstleistungen gelten, zu Wettbewerbsverzerrungen. Daher ist eine Verbesserung der Funktionsweise des Binnenmarktes erforderlich. |
1.8 |
Das Fehlen eines Seeverkehrs-Binnenmarktes hindert die EU daran, die Reglementierung des Binnenverkehrs zu optimieren und so den Binnenhandel zu erleichtern. Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf die Eingliederung des Seeverkehrs in die modalen Logistikketten in der EU. |
1.9 |
Der Verkehrssektor ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in der EU, doch fehlt es an Arbeitskräften, was zu einem Anstieg der Beschäftigung von Arbeitnehmern aus Drittländern geführt hat; daher sind weitere Anstrengungen nötig, um die Ausbildung, die Attraktivität der Verkehrsberufe und die Qualität der Beschäftigung im Verkehrssektor für junge Menschen zu verbessern, wobei die sozialen Interessenträger eine wichtige Aufgabe übernehmen müssen. |
1.10 |
Die europäische Verkehrspolitik muss weiterhin auf die Harmonisierung im technischen, steuerlichen und sozialen Bereich für jeden einzelnen Verkehrsträger sowie alle Verkehrsträger insgesamt anheben, um einen Rahmen zu schaffen, in dem auch wirklich gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer herrschen. |
1.11 |
Die Verbesserung der Dienstleistungsqualität ist von grundlegender Bedeutung, um die Verkehrsträger für die Nutzer interessant zu machen. Der Ausschuss begrüßt das Augenmerk, das bei der Überarbeitung des Verkehrsweißbuches den Rechten der Nutzer und insbesondere der Nutzer mit eingeschränkter Mobilität gewidmet wird, doch müssen dabei immer auch die Besonderheiten jedes einzelnen Verkehrsträgers berücksichtigt werden. |
1.12 |
Der Schutz der Verkehrsträger muss ein vorrangiges Ziel für die Union sein. Hierfür ist die Ausweitung der Sicherheitsbestimmungen auf alle Verkehrsträger und -infrastrukturen erforderlich. Allerdings müssen unnötige Kontrollen vermieden und die Menschenrechte sowie das Recht auf Schutz der Privatsphäre der Nutzer gewahrt werden. |
1.13 |
Der Verkehrssektor ist ein großer Verbraucher von Energie aus fossilen Brennstoffen. Daher muss die Verringerung der Abhängigkeit von diesen Brennstoffen ebenso wie der Abbau der CO2-Emissionen vorrangiges Ziel sein. Zur Erreichung dieser Ziele ist unbedingt ein Programm „Forschung & Entwicklung & Innovation“ für den Verkehrssektor auszuarbeiten und dafür eine entsprechende Mittelausstattung vorzusehen, um den Einsatz alternativer Energieträger insbesondere im Stadtverkehr zu optimieren und eine vor allem in steuerlicher Hinsicht differenzierende Politik auf den Weg zu bringen, die die Eingliederung und Nutzung neuer umweltfreundlicher Technologien begünstigt. |
1.14 |
Die Infrastruktur bildet das physische Netz für die Entwicklung des Verkehrsbinnenmarktes. Ihre Optimierung muss auf zwei Herausforderungen abheben: Verringerung der Verkehrsüberlastung und Verbesserung der Zugänglichkeit durch die Ausschöpfung aller Finanzierungsmöglichkeiten. |
1.15 |
Die Verkehrsinfrastruktur sollte insbesondere in städtischen Gebieten dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs zuträglich sein. In der Investitionspolitik sollte der motorisierte Individualverkehr (MIV) schrittweise weniger darin einnehmen. |
2. Einleitung und Vorschlag der Europäischen Kommission
2.1 |
Das Verkehrsweißbuch der Europäischen Kommission mit dem Titel „Die künftige Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik“ (1) wurde 1992 veröffentlicht und bezweckte in erster Linie die Schaffung eines Verkehrsbinnenmarktes, um über die Öffnung des Marktes die Mobilität ganz allgemein zu erleichtern. Mit Ausnahme des Schienenverkehrs wurden die Ziele innerhalb von zehn Jahren im Großen und Ganzen erreicht. |
2.2 |
Im September 2001 legte die Europäische Kommission ein neues Weißbuch mit dem Titel „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ (2) vor, in dem die 60 Maßnahmen vorgeschlagen wurden, um eine Ausgewogenheit zwischen den einzelnen Verkehrsträgern herbeizuführen, die Engpässe zu beseitigen, die Nutzer in den Mittelpunkt der Verkehrspolitik zu stellen und die Auswirkungen der Globalisierung zu bewältigen. |
2.3 |
Zur Beschleunigung der Beschlussfassung und Überprüfung der erzielten Ergebnisse wurde in dem Verkehrsweißbuch 2001 ein Mechanismus für die Überarbeitung festgelegt, dem zufolge die Europäische Kommission einen Zeitplan mit konkreten Zielen vorlegen, 2005 über die Durchführung der im Weißbuch verankerten Maßnahmen insgesamt Bilanz ziehen und gegebenenfalls Änderungen vornehmen sollte. Das Ergebnis ist die vorliegende Kommissionsmitteilung, die Gegenstand dieser Stellungnahme ist. |
2.4 |
Der Ansatz für die Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch 2001 beruht u.a. auf der Neuausrichtung der Nachfrage im Verkehrsbereich nach umweltfreundlicheren Verkehrsträgern, insbesondere im Fern- und Stadtverkehr sowie auf überlasteten Strecken. Außerdem müssen alle Verkehrsträger umweltfreundlicher, sicherer und energiesparender werden. |
2.5 |
Die Mitteilung der Europäischen Kommission „Für ein mobiles Europa — Nachhaltige Mobilität für unseren Kontinent — Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch der Europäischen Kommission von 2001“ wurde auf der Grundlage einer im Jahr 2005 durchgeführten Konsultation ausgearbeitet. Im Rahmen dieser Konsultation wurden die zentrale Bedeutung des Verkehrs für das Wirtschaftswachstum und die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der politischen Maßnahmen unterstrichen. |
2.6 |
Die übergeordneten Zielsetzungen der Verkehrspolitik haben sich nicht geändert: Gewährleistung einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen, sicheren und umweltfreundlichen Personen- und Gütermobilität, die einen angemessenen Schutz der Nutzer sowie eine bessere Beschäftigungsqualität bietet. Diese Zielsetzungen stehen voll und ganz in Einklang mit der überarbeiteten Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung sowie mit der überarbeiteten Strategie für eine nachhaltige Entwicklung. |
2.7 |
Zur Erreichung dieser Ziele dürfte die Innovation eines der wichtigsten Instrumente sein: Einrichtung intelligenter Verkehrssysteme auf der Grundlage der Kommunikationstechnologien, technologisch fortgeschrittene Motoren für eine bessere Energieeffizienz und Förderung und Verwendung von Alternativkraftstoffen. |
2.8 |
Das Kernstück der Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch ist jedoch die „Co-Modality“, das heißt die effiziente Nutzung der einzelnen Verkehrsträger oder ihrer Kombinationen, mit der eine optimale und nachhaltige Nutzung der Ressourcen erreicht werden kann. Sie wird als bester Garant für die Sicherstellung einer hohen Mobilität wie auch Umweltfreundlichkeit ausgewiesen. |
3. Allgemeine Bemerkungen
3.1 |
Der Ausschuss bekräftigt den in seiner Stellungnahme zum Verkehrsweißbuch 2001 vom 19. Juni 2002 dargelegten Standpunkt, dass in den im Rahmen dieser Halbzeitbilanz vorgeschlagenen Zusatzmaßnahmen klar festgehalten werden muss, dass aufgrund der Entwicklungen im Verkehrssektor sowie des Wandels der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gegebenheiten in der EU die Gemeinschaftspolitik effizient und umgehend an die in den letzten fünf Jahren erfahrenen Änderungen und absehbare künftige Entwicklungen angepasst werden muss. |
3.2 |
Der Ausschuss unterstützt außerdem die Maßnahmen zur Verbesserung der technologischen Möglichkeiten für innovative Lösungen, die direkt zu den vorrangigen europäischen Zielen in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit, Umwelt und Soziales beitragen. |
3.3 |
Es ist von einem ganz anderen Szenario als bei der Ausarbeitung des Verkehrsweißbuches 2001 auszugehen: ein hinter den Erwartungen bleibendes Wachstum, geopolitische Spannungen, Anstieg der Ölpreise, die Auswirkungen der EU-Erweiterung, die Globalisierung, die neuen technologischen Entwicklungen, die konstante Terrorgefahr und die Weiterentwicklung des Modalsplits. Die Kommissionsmitteilung zielt auf eine Anpassung der europäischen Verkehrspolitik an die gegenwärtige Lage ab, die für das Wachstum und neue Maßnahmen maßgeblich ist. |
3.4 |
Die Halbzeitbilanz des Weißbuches aus dem Jahr 2001 ist jedoch nicht nur wegen dieses neuen Szenarios erforderlich, sondern auch aufgrund der notwendigen Fortführung der im Weißbuch abgesteckten europäischen Verkehrspolitik. Die Überarbeitung des Weißbuches muss in gleichem Maße auf eine Verkehrspolitik abheben, die auf die Optimierung aller Verkehrsträger durch Maßnahmen abzielt, mit denen diese wettbewerbsfähiger, nachhaltiger, sozial tragfähiger, umweltfreundlicher und sicherer gemacht werden, wobei ihre Nachhaltigkeit eng an den wirtschaftlichen Fortschritt und an das Wirtschaftswachstum sowie an die erforderliche Koordinierung der verschiedenen Verkehrsträger gekoppelt sein muss, die von den Behörden gefördert werden kann. |
3.5 |
Außerdem unterliegt der Verkehr sinnvollerweise in vergleichbarem Maße für alle Verkehrsträger den auf dem Konzept des „nachhaltigen Verkehrs“ beruhenden Umweltvorschriften. Dennoch ist festzuhalten, dass die von der Europäischen Kommission in Anhang II, Teil 3 der Mitteilung angeführten Studien zur Thematik Verkehr und Umwelt nicht nach den einzelnen Verkehrsträgern im Straßenverkehrssektor gegliedert sind, um so zwischen den öffentlichen Verkehrsträgern und dem motorisierten Individualverkehr (MIV) zu differenzieren, woraus deutlich zu erkennen gewesen wäre, welche negativen Auswirkungen insbesondere die intensive und unbegrenzte Fahrzeugnutzung u.a. auf die Verkehrsbelastung, die Sicherheit, die Umweltverschmutzung und den Energieverbrauch hat. |
3.6 |
Angesichts der Fortführung dieser Verkehrspolitik vertritt der Ausschuss die Ansicht, dass eine realistischere Haltung am Platze ist, und zwar:
|
3.7 |
Daher ist die auf der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit dieser beiden Sektoren beruhende Stärkung der Leistungsfähigkeit und Effizienz des Seeverkehrs, der Binnenschifffahrt und des Schienenverkehrs unerlässlich. Es gilt, die Koordinierung und Intermodalität zu fördern und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um auch weiterhin die Bereitstellung entsprechend flexibler und erschwinglicher Dienstleistungen zu sichern. |
3.7.1 |
Eine weitere Schwachstelle der bisherigen Studien besteht aber auch darin, dass sie nicht unmittelbar das in der überarbeiteten Strategie für nachhaltige Entwicklung festgelegte grundlegende Ziel der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Verkehrsnachfrage angehen. Außerdem betrachten sie auch nicht eingehend die Auswirkungen der Herausforderungen des Klimawandels und der Größenordnung der in den nächsten 50 Jahren erforderlichen Senkung des CO2-Ausstoßes. Angesichts des raschen Mobilitätsanstiegs in den letzten 50 Jahren und des offensichtlich anhaltenden Wunsch nach noch mehr Ortsveränderung (sowohl in Europa und in noch stärkerem Maße in den Entwicklungsländern), bezweifelt der Ausschuss ernsthaft, dass die für die Verhütung einer Klimakatastrophe vom Verkehrssektor zu leistende Senkung des CO2-Ausstoßes allein durch die Förderung einer größeren Energieeffizienz bei den einzelnen Verkehrsträgern und eine Optimierung des Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern erreicht werden kann, so wünschenswert all diese Ziele auch sein mögen. Die Europäische Kommission muss dringlichst Studien darüber in Auftrag geben, welche Art von Maßnahmen demnächst erforderlich sein werden, um von einer wachsenden Nachfrage nach immer größerer Mobilität abzuhalten. Diese Maßnahmen sollten u.a. geeignete Preissignale und entsprechende Städte- und Raumplanungskonzepte beinhalten, um auf eine stärkere Güterlieferung und Dienstleistungserbringung jedweder Art vor Ort hinzuwirken, die den Erwartungen der Menschen entsprechen, so dass sie nicht mehr immer größere Strecken zurücklegen müssen, um ihren Versorgungsbedarf zu decken. Außerdem sollten in diesem Zusammenhang auch Überlegungen darüber angestellt werden, wie eine breitere Diskussion in der Öffentlichkeit zu diesen Themen angestoßen werden könnte und wie verantwortungsvolle Bürger und Unternehmen am besten zu einer langfristigen Nachhaltigkeit durch ihre eigenen Verkehrs- und Reiseentscheidungen und ihr diesbezügliches Verhalten beitragen können. |
3.8 |
Die Verkehrspolitik muss auf Qualität, Sicherheit, Umweltfreundlichkeit, Effizienz des Verkehrs und Gewährleistung der Möglichkeit der Verkehrsträgerwahl für die Nutzer setzen. Der Verkehr muss wirtschaftlich rentable und sozial nachhaltige Flächendeckung erreichen, wobei die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und das im Vertrag verankerte Recht auf Mobilität nicht außer Acht gelassen werden dürfen. |
3.9 |
Die Bevölkerung im Hoheitsgebiet der EU ist ungleichmäßig verteilt. Im Durchschnitt leben 116 Einwohnern pro km2, doch reicht das Spektrum von 374 Einwohnern pro km2 in den Niederlanden bis zu 15 bis 21 Einwohnern pro km2 in den nordischen Mitgliedstaaten. Der Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung jedes Landes ist ebenfalls unterschiedlich, der europäische Durchschnitt liegt bei 80 %, die Bandbreite reicht in den Ballungsgebieten von 97,2 % in Belgien bis zu 59,9 % in Griechenland. Es gilt, die Problematik der Nutzer in ländlichen Regionen zu betonen, die auf den Verkehr angewiesen sind. |
3.10 |
Der Ausschuss bekräftigt die Notwendigkeit, einen geografisch differenzierten Ansatz in die Verkehrspolitik aufzunehmen, da sich die EU über ein sehr vielfältiges Gebiet mit sehr unterschiedlichen geländespezifischen, territorialen, demografischen usw. Merkmalen erstreckt, in dem zentral gelegene Länder, innerhalb derer es wiederum Gebiete mit enormen Verdichtungserscheinungen und starkem Transitverkehr gibt, neben ländlichen oder weitläufigen Regionen in Randlage bestehen, deren Infrastruktur nicht der gleichen ständigen Beanspruchung ausgesetzt ist. Beide Konstellationen müssen in der europäischen Verkehrspolitik differenziert und ihren spezifischen Bedürfnissen entsprechend behandelt werden. |
3.11 |
Neben dieser Problematik gibt es noch das Problem der Gebiete in Randlage, fernab der großen Ballungsräume und Industriestandorte, die bedingt durch die Nachteile ihrer Randlage mit höheren Transportkosten und folglich höheren Herstellungs- und Vertriebskosten für ihre Erzeugnisse konfrontiert sind. Der Ausschuss ist daher der Ansicht, dass die Verbesserung der Erreichbarkeit eine vorrangige Maßnahme sein muss, um die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes oder einer Region zu erhöhen und den territorialen Zusammenhalt zu stärken. |
3.12 |
Sowohl die Kommissionsmitteilung als auch das Verkehrsweißbuch aus dem Jahr 2001 sind Dokumente, in denen folgende Punkte detailliert herausgearbeitet wurden: a) die wirtschaftlichen, finanziellen und haushaltstechnischen Analysen bezüglich der Probleme, die angegangen werden müssen, sind nicht klar erkennbar; b) die Verkehrspolitik der EU misst der Wettbewerbsregulierung nicht das Gewicht bei, das sie ihr einräumen sollte; c) in den Umweltstudien und weiteren Bereichsstudien sollte eine detailliertere Differenzierung zwischen den einzelnen Verkehrsträgern und Verkehrsarten vorgenommen werden, um die Auswirkungen und etwaige Abhilfen zu untersuchen. Der Ausschuss hält es für erforderlich, Konzertierungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen, mit denen nach erfolgter Problemanalyse Initiativen festgelegt werden, um künftig für einen kohärenten und nachhaltigen Verkehr in der EU zu sorgen. |
3.13 |
In der Kommissionsmitteilung ist festgehalten, dass die meisten im Weißbuch genannten Maßnahmen vorgeschlagen oder bereits angenommen wurden. Eine Beschreibung sowie eine Bewertung der Auswirkungen sind Anhang 3 zu entnehmen, der allerdings der Kommissionsmitteilung nicht beiliegt. Der Ausschuss fordert, eine detaillierte Liste im Zeitverlauf der angenommenen Maßnahmen und ihrer Auswirkungen in die Kommissionsvorlage aufzunehmen oder explizit die Website anzugeben, auf der diese veröffentlicht werden. |
4. Besondere Bemerkungen
4.1 |
Zum Zwecke einer systematischen Analyse der Mitteilung zur Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch 2001 werden nachstehend der Gliederung Aufbau der Kommissionsmitteilung folgend die allgemeinen Aspekte beleuchtet, zu denen nach Meinung des EWSA konstruktive Anmerkungen angezeigt erscheinen. |
4.2 Nachhaltige Mobilität im Binnenmarkt — Verbindungen schaffen
4.2.1 |
Die Europäische Kommission betont, dass „der EU-Binnenmarkt das Hauptinstrument zur Gewährleistung einer vitalen Verkehrsbranche ist, die Wachstum und Arbeitsplätze schafft. Wie sich im Luftverkehrsbereich und anderen Bereichen wie der Telekommunikation gezeigt hat, ergeben sich aus der Liberalisierung des Binnenmarktes Anreize für Innovationen und Investitionen, die zur Bereitstellung besserer Dienstleistungen zu niedrigeren Kosten führen. Derselbe Erfolg lässt sich auch im gesamten Verkehrsbereich erzielen.“ Im Luftverkehr waren ein größeres Angebot für die Nutzer und billigere Flugtarife die Folge. |
4.2.2 |
Straßenverkehr: Für eine objektive Analyse der Probleme im Straßenverkehr muss eine Differenzierung bezüglich verschiedener Verkehrsarten und Besonderheiten des Straßenverkehrs vorgenommen werden, da der Großteil des europäischen Transports auf der Straße abgewickelt wird, und zwar 44 % des gesamten Güterverkehrs und 85 % des Personenverkehrs. Der Kfz-Bestand (3) in der EU-25 stellt sich wie folgt dar: 212 000 000 Individualfahrzeuge, 30 702 000 Lastkraftwagen, 25 025 000 zweirädrige Fahrzeuge und 719 400 Linien- und Reisebusse, womit eindeutig bewiesen ist, wer der grundlegende Verursacher der schwerwiegenden Probleme der Verkehrsüberlastung und der Umweltverschmutzung ist. |
4.2.2.1 |
In der Mitteilung wird nicht auf den öffentlichen Personenregionalverkehr auf der Straße eingegangen, wodurch der als mögliche Lösung in Frage kommende Umstieg von Individualfahrzeugen auf diesen Verkehrsträger stark benachteiligt wird und Einsparungen jeglicher Art in den Bereichen Sicherheit, Umweltschutz, Flächennutzung, Flexibilität usw. behindert oder gar unmöglich gemacht werden. Nach Meinung des Ausschusses sollte diese Verkehrsart berücksichtigt werden, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Hierfür muss eine Regelung auf den Weg gebracht werden, mit der ein regulierter Wettbewerb geschaffen werden kann, um die Einrichtung neuer Überlandliniendienste auf der Straße zu verhindern, die ja den Bestimmungen für Werbung und Wettbewerb der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union unterliegen müsste. |
4.2.2.2 |
Die Europäische Kommission prüft die Verringerung der zu großen Unterschiede bei der Besteuerung von Kraftstoffen für den Straßenverkehr, anstelle diese Problematik mit der Einrichtung einer gemeinsamen Steuerpolitik für alle Verkehrsträger global anzugehen, in deren Rahmen kein Verkehrsträger benachteiligt wird, sondern alle Verkehrsträger gleichgestellt sind. |
4.2.3 |
Schienenverkehr: Der Marktanteil des Schienenverkehrs am Personenverkehr ist seit 1970 von 10 % auf 6 % und am Güterverkehr von 21 % auf 8 % zurückgegangen. Internationale Güterzüge durchqueren die EU mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 18 km/h. Die Hauptprobleme des Schienenverkehrs sind der Wettbewerb mit den anderen Verkehrsträgern, die Interoperabilität der verschiedenen Systeme und seine Spezialisierung auf bestimmte Transporte. |
4.2.3.1 |
Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs ist nach Meinung des EWSA die einzige Möglichkeit, die gewünschte Effizienz und Wirksamkeit zu erreichen und folglich die Nachfrage nach diesem Verkehrsträger zu steigern und ihn so langfristig wieder rentabel zu machen. Dies erfordert die gründliche Überarbeitung des EU-Regelwerks für diesen Verkehrsträger und seine Anwendung in den einzelnen Mitgliedstaaten. |
4.2.3.2 |
Wie der Ausschuss aber bereits in seiner Stellungnahme zum Verkehrsweißbuch 2001 (4) betont hat, befürwortet er die Anwendung des Grundsatzes des „geregelten Wettbewerbs“ für die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse wie für den öffentlichen Schienen- und Straßenpersonenverkehr, die — wie in Artikel 16 EG-Vertrag festgehalten — für die Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts von grundlegender Bedeutung sind. |
4.2.4 |
Luftverkehr: Der mit den Verordnungen (EWG) Nr. 2407/92, 2408/92 und 2409/92 (drittes Maßnahmenpaket für den Luftverkehrsbinnenmarkt) geschaffene liberalisierte Markt hat den Wandel der Luftverkehrsdienstleistungen begünstigt und diese effizienter und erschwinglicher gemacht. Die uneinheitliche Umsetzung dieses dritten Maßnahmenpakets in den einzelnen Mitgliedstaaten und die Beschränkungen, die nach wie vor für die innergemeinschaftlichen Luftverkehrsdienstleistungen gelten, führen jedoch zu Wettbewerbsverzerrungen (z.B. unterschiedliche Anforderungen für die Erteilung von Betriebsgenehmigungen, Benachteiligung von Drittländern bei der Routenbedienung, Benachteiligung von Fluggesellschaften aufgrund ihres „Herkunftslandes“). Daher sind die Überprüfung der Funktionsweise des Binnenmarktes und die Vornahme der notwendigen Anpassungen zur Beseitigung dieser Wettbewerbsverzerrungen erforderlich, mit denen der Regulierungsrahmen für den einheitlichen Luftraum geschaffen und auch ergänzt werden kann, der für einen effizienteren Luftverkehr in der EU sorgen wird. |
4.2.5 |
Seeverkehr: Mehr als 90 % des Verkehrs zwischen der EU und dem Rest der Welt erfolgt über Seehäfen; mehr als 40 % des innereuropäischen Verkehrs wird auf dem Seeweg abgewickelt. Der Seeverkehr, insbesondere der Kurzstreckenseeverkehr, hat einen ähnlichen Zuwachs wie der Straßenverkehr verzeichnet und verfügt dank der aufgrund der Erweiterung enormen EU-Küste über ein großes Entwicklungspotenzial. Nach Ansicht des Ausschusses muss die Europäische Kommission die Seeverkehrsströme verfolgen und die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sich dieser Entwicklung (5) anzupassen. |
4.2.5.1 |
Das Fehlen eines Seeverkehr-Binnenmarktes, das darauf zurückzuführen ist, dass die Seestrecken zwischen den Mitgliedstaaten aufgrund der internationalen Vorschriften als „Außenstrecken“ angesehen werden, hindert die EU daran, die Reglementierung des Binnenverkehrs zu optimieren und den Binnenhandel zu erleichtern. Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf die Eingliederung des Seeverkehrs in die modalen Logistikketten in der EU. |
4.2.5.2 |
Eine stärkere Integration der Hafendienste ist nach Meinung des EWSA Grundvoraussetzung für die Konzipierung und Umsetzung einer gemeinsamen Seeverkehrspolitik, die zur Entwicklung der Hochgeschwindigkeitsseeverbindungen und dem Ausbau des Kurzstreckenseeverkehrs beiträgt und so die Effizienz und die Wettbewerbsfähigkeit des Seeverkehrs innerhalb der Logistikkette steigert, wodurch wiederum die nachhaltige Mobilität gestärkt werden könnte. |
4.3 Nachhaltige Mobilität für den Bürger — zuverlässiger und sicherer Verkehr
4.3.1 |
Beschäftigungsbedingungen: Der Verkehrssektor ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in der EU, sind doch 5 % aller Arbeitnehmer in diesem Sektor beschäftigt; und auch das Beschäftigungsniveau hat sich stabilisiert. In einigen Bereichen wie dem Schienen- oder Straßenverkehr fehlt es an qualifizierten Arbeitskräften, was zu einem Anstieg der Beschäftigung von Arbeitnehmern aus Drittländern geführt hat. Der Ausschuss teilt die Ansicht der Europäischen Kommission, dass weitere Anstrengungen nötig sind, um die Ausbildung und die Qualität der Beschäftigung für die Arbeitnehmer in diesem Sektor zu verbessern und so die Verkehrsberufe attraktiver zu gestalten, um junge Menschen für diese Berufssparte zu gewinnen. |
4.3.1.1 |
Zur Erreichung dieser Ziele müssen Bildungsprogramme unter Federführung der sozialen Interessenträger ausgearbeitet werden, die den Wesensmerkmalen und Anforderungen der einzelnen Verkehrsträger Rechnung tragen (Aus- und Weiterbildung) und mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet sind. |
4.3.1.2 |
Bei den Sozialvorschriften im Straßenverkehr muss die Gleichbehandlung aller Beschäftigten gewährleistet werden, ganz gleich, ob sie Arbeitnehmer oder Selbstständige sind. Daher muss die Richtlinie 2002/15/EG vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben, auch unmittelbar noch vor Ablauf des vorgesehenen Übergangszeitraums für Selbstständige Anwendung finden, sollen doch mit dieser Richtlinie die Straßenverkehrssicherheit erhöht, Wettbewerbsverzerrungen vermieden und besserer Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Aus den gleichen oben genannten Gründen sollten Nutzfahrzeuge mit weniger als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht, die gewerbliche Gütertransporte durchführen, in die verschiedenen Vorschriften für den Straßengüterverkehr einbezogen werden. |
4.3.2 |
Passagierrechte: Die Stärkung der Rechte der Nutzer ist unverzichtbar, um eine Verbesserung der Dienstleistungsqualität seitens der Verkehrsträger zu erreichen (u.a. Taktfrequenz, Pünktlichkeit, Komfort aller Fahrgäste, Sicherheit, überbuchungsrisikofreier Fahrkartenkauf, Preisgestaltung und Entschädigungen). Der Ausschuss schlägt vor, dass die Umsetzung von Passagierrechten so bald wie möglich abgeschlossen wird. Allerdings müssen hierbei stets die spezifischen Wesensmerkmale der einzelnen Verkehrsträger berücksichtigt werden, insbesondere derjenigen Verkehrsträger, die ihre Infrastruktur mit anderen Verkehrsträgern teilen. |
4.3.2.1 |
Der Ausschuss begrüßt, dass bei der Überarbeitung des Verkehrsweißbuches Menschen mit eingeschränkter Mobilität beim Zugang zu den Verkehrsträgern und den Beförderungsbedingungen besonderes Augenmerk gewidmet wird. Allerdings hält der Ausschuss fest, dass die Zugangsbedingungen nicht nur die Verkehrsträger an sich, sondern auch die Infrastruktur, ganz gleich ob im Luft-, See-, Binnenschiffs-, Schienen- oder Straßenverkehr, und die zusätzliche Erschwernis des Umsteigens für Menschen mit eingeschränkter Mobilität betreffen. |
4.3.3 |
Sicherheit: Die Einführung eines umfassenden Katalogs gemeinsamer Sicherheitsnormen hat zu mehr Sicherheit bei allen Verkehrsträgern geführt, insbesondere jedoch im Luft- und Seeverkehr, ebenso wie die Erstellung einer schwarzen Liste als unsicher eingestufter Luftfahrtunternehmen und die Einrichtung von Europäischen Agenturen für alle Verkehrsträger mit Ausnahme des Straßenverkehrs (Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA), Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) und Europäische Eisenbahnagentur (ERA)). Zur Verwirklichung des vorgeschlagenen Ziels, die Zahl der Verkehrstoten zu halbieren, ist daher die Ausarbeitung einer gemeinsamen Straßenverkehrssicherheitspolitik erforderlich, mit der ein gemeinschaftliches System für die Klassifizierung von Verstößen und Sanktionen festgelegt und der „Europäische Punkteführerschein“ eingeführt wird, um dafür zu sorgen, dass für jeden Verstoß in ganz gleich welchem Mitgliedstaat Punkte abgezogen werden. |
4.3.3.1 |
Darüber darf aber nicht vergessen werden, dass auch der technische Fortschritt, neues Fahrzeugdesign, „eSafety“ (Zusammenspiel Fahrzeug-Infrastruktur) und die Verbesserung der Infrastruktur durch die Beseitigung von Schwachstellen Elemente sind, die allesamt zur Steigerung der Straßenverkehrssicherheit beitragen. |
4.3.3.2 |
Der Ausschuss macht darauf aufmerksam, dass die Unfallstatistiken zum Straßenverkehr nach den einzelnen Verkehrsträgern aufgeschlüsselt werden müssten, insbesondere die Statistiken, in denen Privatfahrzeuge erfasst werden, da der MIV am stärksten zur Unfallstatistik beiträgt. |
4.3.4 |
Gefahrenabwehr: Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurden die Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr verstärkt. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass nach den Anschlägen von Madrid und London und angesichts der anhaltenden Terrorbedrohung der Schutz aller Verkehrsträger und Infrastrukturen ein vorrangiges Ziel für die Union sein muss. Hierfür ist die Ausweitung der Sicherheitsbestimmungen auf alle Verkehrsträger sowie auf alle intermodalen Logistikketten erforderlich. Allerdings muss bei all den einzuführenden Sicherheitskontrollen und -vorschriften unnötige und kostspielige Doppelarbeit bei Kontrollen vermieden und die Menschenrechte sowie das Recht auf Schutz der Privatsphäre der Nutzer gewahrt werden. |
4.3.5 |
Nahverkehr: Die Europäische Kommission schlägt die Veröffentlichung eines Grünbuches zum Nahverkehr vor, dessen vorrangige Strategie die Förderung öffentlicher Verkehrsmittel sein muss. Ferner sollte das Grünbuch einen Katalog bewährter Verfahren enthalten. Wie der EWSA bereits in seiner Stellungnahme zum Verkehrsweißbuch 2001 betonte, sind außerdem neue Investitionen und Verkehrspläne erforderlich, um die Qualität des öffentlichen Verkehrs in den überlasteten städtischen Ballungsgebieten im Einklang mit der CIVITAS-Initiative oder dem Projekt TransUrban (6) und der thematischen Strategie für die städtische Umwelt (7) zu verbessern, wofür mehr Mittel aus den europäischen Fonds zur Verfügung gestellt werden müssen. Hierbei muss das Subsidiaritätsprinzip in vollem Umfang gewahrt werden, da der Verkehr ganz selbstredend in den Zuständigkeitsbereich der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften fällt. Diese Maßnahmen reichen aber nicht aus. Es bedarf einer Nahverkehrspolitik, die die Eingliederung privater Initiativen für die Bereitstellung von öffentlichen Nahverkehrsdiensten im Straßenpersonentransport ermöglicht sowie die Liberalisierung und Optimierung der öffentlichen Ressourcen erleichtert. |
4.4 Verkehr und Energie
4.4.1 |
Der Verkehrssektor ist einer der größten Energieverbraucher. So entfallen rund 70 % des Ölverbrauchs in der EU auf diesen Sektor. Mit allein 60 % davon hat der Straßenverkehr den größten Anteil am Gesamtölverbrauch, was insbesondere auf den motorisierten Individualverkehr (MIV) zurückzuführen ist, gibt es doch 465 Fahrzeuge pro 1 000 Einwohner. Auf den Luftverkehr entfallen rund 9 % des Gesamtölverbrauchs und auf den Schienenverkehr rund 1 %. Ein fairer Wettbewerb zwischen den einzelnen Verkehrsträgern erfordert eine gleiche Besteuerung des Ölverbrauchs. Deshalb sollte erwogen werden, die Steuerbefreiung von Flugbenzin abzuschaffen |
4.4.2 |
Daher muss die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ebenso wie der Abbau der CO2-Emissionen vorrangiges Ziel sein. Zur Erreichung dieser Ziele — die Europäische Kommission schätzt das Energieeinsparungspotenzial im Verkehrsbereich auf 26 % bis zum Jahr 2020 (8) — ist unbedingt ein Programm „Forschung & Entwicklung & Innovation“ auszuarbeiten, und dafür eine entsprechende Mittelausstattung vorzusehen, um die Nutzung alternativer Energieträger (9), insbesondere im Nahverkehr, vorantreiben zu können. |
4.4.3 |
Für den stärkeren Einsatz der neuen Technologien zum Abbau von CO2-Emissionen und zur Verringerung der Ölabhängigkeit bedarf es einer differenzierten Verkehrspolitik, insbesondere im steuerlichen Bereich, die den Erwerb und die Nutzung dieser neuen Technologien, die die Verringerung der Umweltverschmutzung und die größere Energieeinsparungen ermöglichen, sowie die Entwicklung eines speziellen Dieselkraftstoffes für den öffentlichen Verkehr begünstigen. Ausschließlich diese umweltfreundlicheren Fahrzeuge (Euro-IV-Norm und in Zukunft Euro-V-Norm) sollten nach dem Vorbild anderer Verkehrsträger geringer besteuert werden. In Bezug auf ökologische Fragen darf keinesfalls eine Bestrafung steuerlicher Art angestrebt werden, sondern ganz im Gegenteil. Es gilt vielmehr, die Verkehre zu belohnen, die dank der Nutzung der oben genannten neuen Technologien zur Verringerung der Umweltbelastung und zur Erhöhung der Energieeffizienz erbracht werden. |
4.5 Optimierung der Infrastruktur
4.5.1 |
Die Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-T) stellen die physische Infrastruktur für die Entwicklung des Verkehrsbinnenmarktes bereit, doch verläuft diese Entwicklung nicht in der gesamten EU einheitlich. Nicht alle Regionen leiden unter einer Verkehrsüberlastung. |
4.5.2 |
Der Ausschuss teilt die Ansicht, dass ko-modale Logistikketten eine effizientere Lösung zu überlasteten Verkehrskorridoren darstellen könnten, da sie die Nutzung der Verkehrsinfrastruktur innerhalb und zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern optimieren. Dazu gehören Alpentunnel, Schienenkorridore und intermodale Drehkreuze. |
4.5.3 |
Das Problem der Regionen und Länder in Randlage bzw. in äußerster Randlage muss erneut hervorgehoben werden. Damit diese fernab des EU-Kernlandes liegenden Gebiete in den vollen Genuss des Binnenmarktes kommen können, muss der Aufbau der TEN-T innerhalb der vorgesehenen Fristen vollendet werden. Hierfür müssten die von der Europäischen Union gewährten Fondsmittel für den Bau dieser Netze, insbesondere derjenigen, die stark überlastete grenzüberschreitende Verbindungen betreffen (als Beispiele nennt die Europäische Kommission hier die Pyrenäenüberquerung/die Verbindungen Spanien-Frankreich und die Alpenüberquerung) angehoben werden. Eine verbesserte Zugänglichkeit insgesamt wird neben besseren Perspektiven für die regionale Entwicklung auch eine bessere Wettbewerbsfähigkeit zeitigen. |
4.5.4 |
Neben der vorstehend erwähnten Mittelaufstockung muss die Europäische Union auch ausdrücklich die Einrichtung eines gemischten Finanzierungssystems für die Bereitstellung von Infrastruktur unterstützen, die Rechtssicherheit und rechtliche Garantien für die Beteiligung privaten Kapitals an Bau und Bewirtschaftung von Verkehrsinfrastrukturen bietet. |
4.6 Intelligente Mobilität
4.6.1 |
Wie bereits erwähnt tragen intelligente Verkehrssysteme zu einer effizienteren und rationelleren Infrastrukturnutzung und in der Folge zu einer Senkung der Zahl der Verkehrstoten, zu einer Verringerung der Verkehrsüberlastung und zu einer Verbesserung des Umweltschutzes bei. |
4.6.2 |
Das ab 2010 operationelle europäische Satellitennavigationssystem GALILEO wird neue Anwendungen für alle Verkehrsträger mit sich bringen, wie beispielsweise die Initiative „Intelligentes Fahrzeug“ (10) für die Entwicklung neuer Fahrzeugtechnologien, das Programm SESAR, das zu einer besseren Abwicklung des Luftverkehrs im einheitlichen europäischen Luftraum beitragen wird oder das ERMTS-System (European Rail Traffic Management System), das die Interoperabilität zwischen nationalen Schienenverkehrsnetzen erhöhen wird. |
4.6.3 |
Der Ausschuss unterstützt voll und ganz den Ansatz, die „Co-Modality“ als Antwort des Verkehrssektors auf die Globalisierung und die Öffnung der Weltmärkte anzusehen. Für ihren Ausbau ist eine Anpassung der Infrastruktur dahingehend erforderlich, dass Verbindungen zur Sicherstellung eines lückelosen Verkehrsnetzes und zur Vermeidung von Verzögerungen und Unterbrechungen der Logistikkette vorangebracht werden. Mit der „Co-Modality“ kann der Ausbau aller Verkehrsträger, insbesondere der zu wenig genutzten Verkehrsträger, verstärkt werden. |
4.7 Die globale Dimension
4.7.1 |
Der Ausschuss bekräftigt seinen bereits in der Stellungnahme zum Verkehrsweißbuch 2001 (11) vorgebrachten Standpunkt, dass eine Verkehrspolitik auf internationaler Ebene ein Instrument der Handelspolitik sowie — in gewisser Hinsicht — auch der Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ist. Seiner Ansicht nach muss die Europäische Kommission daher in diesem Bereich die ihr im Vertrag übertragenen Rechte bei den Verhandlungen internationaler Handelsabkommen wahrnehmen, um gemäß dem Mandat des Rates nach Möglichkeit als Vertreter der Europäischen Union insgesamt im Verkehrssektor in allen zuständigen internationalen Verkehrsgremien aufzutreten. Diese Rechte beziehen sich auf die Aushandlung von Verkehrsabkommen mit Drittstaaten im Namen der Mitgliedstaaten. |
4.7.2 |
Des Weiteren erachtet es der Ausschuss als wesentlich, die Vereinfachung der Zollformalitäten, die ohne Verringerung der Dienstleistungsqualität (12) keine negativen Folgen für die Dienstleistungskosten mit sich bringen, abzuschließen, die Einhaltung der Grundsätze für die Beschränkung der Errichtung von Binnengrenzen innerhalb der EU auf der Grundlage der einschlägigen Abkommen wie des Schengen-Abkommens und künftiger Abkommen sicherzustellen. |
Brüssel, den 15. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) KOM(92) 494 vom 2.12.1992: Weißbuch über die künftige Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik: „Globalkonzept einer Gemeinschaftsstrategie für eine auf Dauer tragbare Mobilität“.
(2) KOM(2001) 370 endg. vom 12.9.2001: „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“.
(3) „Energy and transport in figures 2005“ — Generaldirektion Energie und Verkehr, Europäische Kommission.
(4) Siehe EWSA-Stellungnahme zu dem Weißbuch „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ (ABl. C 241 vom 7.10.2002).
(5) Siehe auch EWSA-Initiativstellungnahme zum Thema „Die Erreichbarkeit Europas auf dem Seeweg: Entwicklung und vorausschauende Weichenstellungen“ (ABl. C 151 vom 28.6.2005).
(6) TransUrban (Transit Systems Development for Urban Regeneration), ein von der Europäischen Union im Rahmen des INTERREG III-Programms zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gefördertes Projekt.
(7) Siehe auch die Mitteilung der Kommission über eine thematische Strategie für die städtische Umwelt, KOM(2005) 718 vom 11.1.2006.
(8) Mitteilung der Kommission: „Aktionsplan für Energieeffizienz: Das Potenzial ausschöpfen“, KOM(2006) 545 endg.
(9) Siehe EWSA-Stellungnahme zum Thema „Entwicklung und Förderung alternativer Kraftstoffe für den Straßenverkehr in der EU“ (ABl. C 195 vom 18.8.2006, S. 75).
(10) Mitteilung über die Initiative „Intelligentes Fahrzeug“ — „Sensibilisierung für die Bedeutung der IKT für intelligentere, sicherere und sauberere Fahrzeuge“, KOM(2006) 59 endg.
(11) Siehe Fußnote 4.
(12) Siehe EWSA-Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates bezüglich der Einführung eines Aktionsprogramms für das Zollwesen in der Gemeinschaft (Zoll 2013)“ (ABl. C 324 vom 30.12.2006, S. 78).
ANHANG
zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Die folgende Textstelle der Fachgruppenstellungnahme wurde zugunsten eines im Plenum angenommenen Änderungsantrags abgelehnt, hatte jedoch mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt:
Ziffer 4.6.4
„Bezüglich der Gütertransportlogistik schlägt der Ausschuss die Ersetzung der von den einzelstaatlichen Behörden auferlegten zeitlichen Fahrbeschränkungen durch von der EU koordinierte Beschränkungen vor, d.h. die Annahme einer derzeit in diesem Bereich in Arbeit befindliche Regelung, die mit der Festlegung eines transeuropäischen Mindeststraßennetzes in Einklang gebracht werden muss, das keinerlei Beschränkungen unterliegt und so die Verwirklichung eines unterbrechungsfreien Straßentransports ermöglicht.“
Abstimmungsergebnis:
82 Ja-Stimmen zugunsten der Änderung dieser Ziffer, 72 Nein-Stimmen und 9 Stimmenthaltungen.
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/97 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein gemeinschaftliches Kennzeichnungsprogramm für Strom sparende Bürogeräte“
KOM(2006) 576 endg. — 2006/0187 (COD)
(2007/C 161/24)
Der Rat beschloss am 19. Oktober 2006 gemäß Artikel 175 Absatz 1 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 21. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr VOLEŠ.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 15. März) mit 83 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt das neue Abkommen mit den Vereinigten Staaten zur Fortführung der Koordinierung der Kennzeichnungsprogramme für Strom sparende Bürogeräte für einen zweiten Fünfjahreszeitraum sowie das Bemühen der Europäischen Kommission, flexiblere und anspruchsvollere technische Spezifikationen für Bürogeräte unter Berücksichtigung des technologischen Fortschritts aufzustellen. Der Ausschuss befürwortet den Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2422/2001 zur Anpassung des Energy-Star-Programms der Europäischen Union an das neue Abkommen unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bemerkungen. |
1.2 |
In den Vereinigten Staaten ist die Registrierung in der Energy-Star-Datenbank Voraussetzung für die Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung, wohingegen in dem Kommissionsvorschlag nur die Rede ist, die Anwendung von Energieeffizienzkriterien, die zumindest den im Energy-Star-Programm vorgegebenen Auflagen entsprechen müssen, bei öffentlichen Ausschreibungen für die Beschaffung von Bürogeräten anzuregen. Der Ausschuss schlägt vor, für alle öffentlichen Ausschreibungen für die Beschaffung von Bürogeräten noch verbindlicher festzulegen, dass die Kennzeichnung der Geräte mit dem Energy-Star-Emblem eine der Voraussetzungen für die Teilnahme sein muss. |
1.3 |
Es gibt verschiedene Kennzeichnungssysteme für die Energieeffizienz in der EU wie das EG-Umweltzeichen, die umweltgerechte Gestaltung (Öko-Design) und zahlreiche Umweltzeichen in den Mitgliedstaaten. Die Europäische Kommission hat eine Koordinierung der Kennzeichnungsprogramme in der EU angestrebt, doch gibt es bislang keine sichtbaren Ergebnisse. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission daher auf, diese Kennzeichnungssysteme effizienter zu koordinieren, um jedwede Verwirrung der Verbraucher zu vermeiden. |
1.4 |
Das Energy-Star-Emblem ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Der Ausschuss fordert daher, dass die Verpflichtung der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten aufrecht erhalten wird, dieses Emblem zu fördern und die Finanzierung der Informationskampagnen durch die einschlägigen Programme für die Energieeffizienz wie das Programm „Intelligente Energie für Europa“ und die Kampagne „Nachhaltige Energie für Europa“ zu ermöglichen. |
1.5 |
Der Ausschuss fordert die Änderung der Zusammensetzung des Energy-Star-Büros der Europäischen Gemeinschaft (EGESB) als beratendes Gremium, sodass ihm Vertreter aller Mitgliedstaaten sowie der interessierten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände angehören. |
1.6 |
Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, den technologischen Fortschritt zur Konzipierung energieeffizienterer Bürogeräte im 7. Forschungsrahmenprogramm und weiteren Förderprogrammen für Wissenschaft, Forschung und Innovation stärker zu fördern. |
1.7 |
Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten sollten die erforderlichen Kontrollen und Überprüfungen durchführen, um die Rechtmäßigkeit der Registrierung eines Produkts zu überwachen, und die Ergebnisse, ganz gleich ob positiv oder negativ, veröffentlichen, um dem Energy-Star-Emblem mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. |
2. Hintergrund
2.1 |
Mit dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein gemeinschaftliches Kennzeichnungsprogramm für Strom sparende Bürogeräte wird die Verordnung (EG) Nr. 2422/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 (1) geändert, in der die Durchführungsbestimmungen für das gemeinschaftliche Kennzeichnungsprogramm für Strom sparende Bürogeräte (Computer, Bildschirme, Drucker, Kopierer und Faxgeräte), das Energy-Star-Emblem, festgelegt sind. Die Europäische Union ist dem Energy-Star-Programm, das in den Vereinigten Staaten seit 1992 gilt und auf weitere Länder ausgeweitet wurde, auf der Grundlage eines Abkommens zwischen der EU und den Vereinigten Staaten vom 19. Dezember 2000 beigetreten. Der Ausschuss hat im Jahr 2000 eine Stellungnahme zu dieser Verordnung verabschiedet (2). |
2.2 |
Die Europäische Kommission wurde als das für die Durchführung des Programms verantwortliche Verwaltungsorgan eingesetzt. Nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 2422/2001 wurde das Energy-Star-Büro der Europäischen Gemeinschaft (EGESB) als beratendes Gremium eingerichtet, das sich aus Vertretern der Hersteller, Sachverständigen, Händler, Verbraucher und Umweltschützer der Mitgliedstaaten zusammensetzt, um die Durchführung des Programms zu bewerten und neue technische Spezifikationen zur Senkung des Stromverbrauchs von Bürogeräten vorzuschlagen. |
2.3 |
In ihrer Mitteilung vom 27. März 2006 über die Durchführung des Energy-Star-Programms in der Europäischen Gemeinschaft im Zeitraum 2001-2005 schlug die Europäische Kommission vor, das im Juni 2006 auslaufende Abkommen mit den Vereinigten Staaten über dieses Programm aus folgenden Gründen um fünf Jahre zu verlängern:
|
2.4 |
Das neue am 18. Dezember 2006 vom Rat gebilligte Abkommen wurde am 20. Dezember 2006 in Washington unterzeichnet. In diesem werden erhöhte technische Anforderungen an die Geräte gestellt. Wichtigste Änderung ist die Einführung von Energieeffizienzkriterien nicht nur im Standby-Modus, sondern auch in anderen wichtigen Modi, vor allem im Betriebsmodus. Anhang C des Abkommens enthält anspruchsvolle und innovative Anforderungen an Computer, Bildschirme und bildgebende Geräte (Kopierer, Drucker, Scanner und Faxgeräte), die Schätzungen des EGESB zufolge in den nächsten drei Jahren zu Einsparungen in einer Größenordnung von bis zu 30 TWh in den 27 EU-Mitgliedstaaten führen werden. |
2.5 |
Das EGESB hat vorschlagen, das Energy-Star-Programm sollte im neuen Programmzeitraum wirksamer durchgesetzt werden und die Möglichkeit für eine raschere Anpassung der technischen Spezifikationen an neue Entwicklungen im Technologiebereich und auf den Märkten bieten. Die Vereinfachung des Energy-Star-Programms sollte Kosteneinsparungen sowohl für die Gemeinschaftsorgane als auch für die einzelnen Mitgliedstaaten mit sich bringen. |
2.6 |
Die in dem Verordnungsvorschlag enthaltenen Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 2422/2001 betreffen folgende Artikel:
|
3. Allgemeine Bemerkungen
3.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Beschluss des Rates über die Fortführung des Energy-Star-Programms und das neue Partnerschaftsabkommen mit den Vereinigten Staaten. Die Verbesserung der Energieeffizienz von Bürogeräten ist angesichts ihrer immer größeren Verbreitung und Verwendung der richtige Weg, um den wachsenden Stromverbrauch einzudämmen. Der Ausschuss unterstützt daher das Bemühen der Europäischen Kommission, in dem neuen Abkommen flexiblere und anspruchsvollere technische Spezifikationen für die einzelnen Kategorien an Bürogeräten unter Berücksichtigung des erreichten technologischen Fortschritts aufzustellen. |
3.2 |
Der Ausschuss hat bereits in seiner Stellungnahme zu dem Verordnungsvorschlag (EG) Nr. 2422/2001 betont, dass es zweckdienlich sei, das Abkommen zur Erhöhung der Energieeffizienz an den technologischen Fortschritt anzupassen. Diese Forderung behält auch für das neu aufgelegte Energy-Star-Programm ihre Gültigkeit. |
3.3 |
In den Vereinigten Staaten ist die Registrierung in die Energy-Star-Datenbank für jedes Unternehmen Voraussetzung für die Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung, wohingegen es in der EU keine derartige Verpflichtung gibt. Der Ausschuss begrüßt, dass die Europäische Kommission und die Behörden in den Mitgliedstaaten nach Maßgabe des Verordnungsvorschlags verpflichtet sind, bei öffentlichen Ausschreibungen für die Beschaffung von Bürogeräten Energieeffizienzkriterien anzuwenden, die zumindest den im Energy-Star-Programm vorgegebenen Auflagen entsprechen müssen. Der Ausschuss erwartet, dass die Europäische Kommission mit gutem Beispiel vorangeht und diese Anforderungen in ihren öffentlichen Ausschreibungen, auch für die EU-Entwicklungshilfe, durchsetzt. |
3.4 |
Das Energy-Star-Programm der EU ist eines unter mehreren Kennzeichnungsprogrammen für die Energieeffizienz von Produkten, zu denen vielfach auch Bürogeräte zählen. Dazu gehören u.a. das EG-Umweltzeichen, die umweltgerechte Gestaltung (Öko-Design) und auch Umweltzeichen in den Mitgliedstaaten wie der nordische „Weiße Schwan“, das schwedische TCO-Zeichen oder der deutsche „Blaue Engel“ usw. Die Europäische Kommission sollte die Koordinierung zwischen dem Energy-Star-Programm und anderen Kennzeichnungssystemen in der EU verbessern, doch gibt es bislang keine sichtbaren Ergebnisse. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission daher auf, effizientere Wege zur Zusammenführung dieser Maßnahmen für den Vergleich, die Koordinierung und die Anwendung gemeinsamer technischer Spezifikationen zu finden, um Verbrauchern und Nutzern einen besseren Überblick über die Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit der Produkte zu geben, ohne sich dabei jedoch in einer Vielzahl von Produktkennzeichen zu verlieren. Er fordert die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten auf, gegebenenfalls die Energy-Star-Spezifikationen sorgfältig zu prüfen. |
3.5 |
In dem Abkommen waren breit angelegte und intensive Informationskampagnen vorgesehen, um das Bewusstsein der Verbraucher und Nutzer für dieses Emblem zu erhöhen. Der Ausschuss erachtet die dabei bislang von der Europäischen Kommission und auch den Mitgliedstaaten erzielten Ergebnisse als unzureichend. Das Emblem ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt und hat praktisch keinerlei Einfluss auf die Entscheidung beim Kauf von Bürogeräten, wodurch auch der Anreiz für die Hersteller geschmälert wird, dieses Emblem stärker zu propagieren. Weder die Verbraucher noch die Arbeitgeber oder die Arbeitnehmerverbände sind in diese Informationskampagnen eingebunden. Der Ausschuss fordert daher, dass die Verpflichtung der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten, dieses Emblem zu fördern und ihre Kommunikationsmaßnahmen zu intensivieren, aufrechterhalten wird. Seiner Meinung nach sollten diese Maßnahmen über Vorhaben im Rahmen des Programms „Intelligente Energie für Europa“, der Kampagne „Nachhaltige Energie für Europa“ und weiterer Programmen finanziert werden können. |
3.6 |
Auf dem Internetportal www.eu-energystar.org steht der Energierechner für individuelle Beispielberechnungen zur Verfügung, doch sollten die Hersteller angehalten werden, die Daten über die Energy-Star-Spezifikationen ebenso wie Anweisungen in die Benutzerhandbücher der Geräte aufzunehmen, wie bei ihrer Nutzung am besten Strom gespart werden kann. |
4. Besondere Bemerkungen
4.1 |
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, interessierte nichtstaatliche Organisationen sowie die Mitgliedstaaten sind in der derzeitigen Zusammensetzung des EGESB nicht ausreichend stark vertreten. Der Ausschuss fordert daher, dass die Europäische Kommission die Zusammensetzung des EGESB transparenter gestaltet und im Sinne einer größtmöglichen Repräsentativität ändert. |
4.2 |
Die Europäische Kommission sollte die technologische Entwicklung in Richtung anspruchsvollere Energieeffizienzkriterien auch in den Förderprogrammen für Wissenschaft, Forschung und Innovation, insbesondere im 7. Forschungsrahmenprogramm, stärker fördern. |
4.3 |
In diesem Zusammenhang muss stärker zwischen dem Energy-Star-Emblem, das auf älteren Geräten aufgebracht ist, und Kennzeichnungen auf Geräten unterschieden werden, die künftig einzuführenden strengeren Auflagen entsprechen, die in Anhang C des neuen Abkommens verankert sind. In einigen Kennzeichnungssystemen wird das Datum der Anerkennung der Spezifikationen angegeben. Der Ausschuss empfiehlt, diese Frage mit den US-amerikanischen Partnern zu erörtern. |
4.4 |
Die Europäische Kommission sollte regelmäßig Informationen über die Energieeinsparungen veröffentlichen, die im Rahmen des Energy-Star-Programms dank der strengeren Auflagen für Bürogeräte im Bereich der Energieeffizienz erzielt wurden, und konkrete Beispiele für Energieeinsparungen aus dem öffentlichen Sektor, aus der Praxis in den Unternehmen und aus den Haushalten aufzeigen. |
4.5 |
Im Energy-Star-Abkommen ist vorgesehen, dass die Partner Kontrollen vornehmen müssen, um die Rechtmäßigkeit der Registrierung eines Produkts zu überprüfen. In der Verordnung sollten daher die Aufgaben der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit solchen Kontrollen und grundlegende Anweisungen für ihre Durchführung festgelegt werden. Keines der Kommissionsdokumente enthält Informationen über die Überprüfung bzw. Kontrolle der in der Datenbank erfassten Geräte. Bestehen derartige Vorschriften, sollten sie auf dem Internetportal veröffentlich werden. Wenn nicht wäre es sinnvoll, eine Prüfung für die Geräte einzuführen und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Andernfalls könnte diese der Glaubwürdigkeit des Emblems schaden. |
4.6 |
Der Ausschuss empfiehlt, die ursprüngliche Verpflichtung der Europäischen Kommission aufrecht zu erhalten, vor Ende der fünfjährigen Laufzeit des Abkommens einen Bericht zu erstellen, in dem sie die Energieeffizienz von Bürogeräten überprüft und ergänzende Maßnahmen für das Programm vorschlägt, und diesen Bericht dann dem Europäischen Parlament und dem Rat vorzulegen. |
Brüssel, den 15. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS
(1) ABl. L 332 vom 15.12.2001.
13.7.2007 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 161/100 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs“
KOM(2006) 722 endg. — 2006/0241 (COD)
(2007/C 161/25)
Der Rat beschloss am 12. Dezember 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 171 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 21. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr SIMONS.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 15. März) mit 81 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:
1. Einleitung
1.1 |
Im Zusammenhang mit dem „Europa der Bürger“ ist es ein wichtiges Anliegen, das Gemeinschaftsrecht zu vereinfachen und klarer zu gestalten, damit es für die Bürger besser verständlich und zugänglich wird und sie die spezifischen Rechte, die es ihnen zuerkennt, besser in Anspruch nehmen können. Dieses Ziel lässt sich so lange nicht erreichen, wie zahlreiche Vorschriften, die mehrfach und oftmals in wesentlichen Punkten geändert wurden, in verschiedenen Rechtsakten, vom ursprünglichen Rechtsakt bis zu dessen letzter geänderter Fassung, verstreut sind und es einer aufwendigen Suche und eines Vergleichs vieler Rechtsakte bedarf, um die jeweils geltenden Vorschriften zu ermitteln. Soll das Gemeinschaftsrecht verständlich und transparent sein, müssen häufig geänderte Rechtsakte also kodifiziert werden. |
1.2 |
Mit dem vorliegenden Vorschlag soll die Verordnung (EWG) Nr. 1017/68 des Rates vom 19. Juli 1968 über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs kodifiziert werden. Die neue Verordnung ersetzt die verschiedenen Rechtsakte, die Gegenstand der Kodifizierung sind. Der Vorschlag behält den materiellen Inhalt der kodifizierten Rechtsakte vollständig bei und beschränkt sich darauf, sie in einem Rechtsakt zu vereinen, wobei nur insoweit formale Änderungen vorgenommen werden, als diese aufgrund der Kodifizierung selbst erforderlich sind. |
2. Bemerkungen
2.1 |
Zwar entspricht der Vorschlag dem Buchstaben nach den in Ziffer 2 genannten Anforderungen, doch wirft der EWSA dennoch die dringende Frage auf, ob Artikel 5 Absatz 2 in seiner jetzigen Fassung nicht überholt ist. Der in diesem Absatz genannte Zeitraum „innerhalb von sechs Monaten nach dem Tag des Beitritts“ ist im Falle der genannten Länder (Österreich, Finnland, Schweden und die später „en bloc“ beigetretenen zehn Mitgliedstaaten) schon längst abgelaufen. Artikel 5 Absatz 2 wäre überhaupt nur dann noch sinnvoll, wenn die gemeinten Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen noch von einer EU-Institution geprüft oder behandelt würden, was aber erst nachzuprüfen wäre. |
2.2 |
Dann muss allerdings auch der genaue Wortlaut von Artikel 81 Absatz 1 des Vertrags übernommen werden, da nicht alle Vereinbarungen, sondern nur „Vereinbarungen zwischen Unternehmen“, und nicht alle Beschlüsse, sondern nur „Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen“ unter Artikel 81 Absatz 1 fallen können. |
2.3 |
Der EWSA möchte diese Gelegenheit nutzen, um die EU-Institutionen erneut darauf aufmerksam zu machen, dass die Bündelung der Seeschifffahrt und der Binnenschifffahrt unter der Überschrift „Transport zu Wasser“, wie in der „Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch der Europäischen Kommission von 2001“ oder im Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2007 bzw. im Programm des deutschen EU-Ratsvorsitzes, einschließlich des mehrjährigen Programms des deutschen, portugiesischen und slowenischen Vorsitzes, oder in den laufenden Debatten im Europäischen Parlament über den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Haftung bei Unfällen in der Passagierschifffahrt zu großen politischen Missverständnissen führen kann. Für Binnenwasserstraßen und Binnenschiffe gilt ein völlig anderer Rechtsrahmen als für den Lang- oder Kurzstreckenseeverkehr. Der vorliegende Vorschlag bezieht sich jedoch auf den passenden Rahmen, der sich in der Vergangenheit politisch bewährt hat, nämlich den Landverkehr, worunter der Schienenverkehr, der Straßenverkehr und die Binnenschifffahrt und deren Co-Modality zu verstehen ist. |
Brüssel, den 15. März 2007
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Dimitris DIMITRIADIS