ISSN 1725-2407

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 313

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

48. Jahrgang
9. Dezember 2005


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I   Mitteilungen

 

Rechnungshof

2005/C 313/1

Stellungnahme Nr. 8/2005 zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gegenseitige Amtshilfe zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft gegen Betrug und sonstige rechtswidrige Handlungen

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2005/C 313/2

Stellungnahme Nr. 9/2005 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2728/94 zur Einrichtung eines Garantiefonds für Maßnahmen im Zusammenhang mit den Außenbeziehungen (KOM(2005) 130 endg.)

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DE

 


I Mitteilungen

Rechnungshof

9.12.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 313/1


STELLUNGNAHME Nr. 8/2005

zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gegenseitige Amtshilfe zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft gegen Betrug und sonstige rechtswidrige Handlungen

(vorgelegt gemäß Artikel 280 Absatz 4 des EG-Vertrags)

(2005/C 313/01)

INHALT

1-7

I.

Einleitung

8-11

II.

Allgemeine Bemerkungen

12-19

III.

Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der traditionellen Eigenmittel und der Ausgaben

20-28

IV.

Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer

29-32

V.

Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden zur Bekämpfung der Geldwäsche

33-39

VI.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

DER RECHNUNGSHOF DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 280,

gestützt auf das Ersuchen des Rates vom 12. Oktober 2004 um Stellungnahme des Rechnungshofes zum Vorschlag der Kommission (1) für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gegenseitige Amtshilfe zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft gegen Betrug und sonstige rechtswidrige Handlungen —

HAT FOLGENDE STELLUNGNAHME ANGENOMMEN:

I.   EINLEITUNG

1.

Gemäß Artikel 280 des Vertrags koordinieren die Mitgliedstaaten ihre Tätigkeit zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft vor Betrügereien. Sie sorgen zu diesem Zweck zusammen mit der Kommission für eine enge, regelmäßige Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden. Diese Verwaltungszusammenarbeit umfasst die Meldung von Unregelmäßigkeiten, behördliche Ermittlungen, Kontrollen und Überprüfungen vor Ort, Informationsaustausch, den Entzug rechtswidrig erlangter Vorteile und verwaltungsrechtliche Sanktionen.

2.

Gestützt auf Artikel 280 und andere Bestimmungen des Vertrags existiert ein gemeinsamer Rahmen von Rechtsvorschriften, die in allen Bereichen anzuwenden sind. Allerdings bestehen die Betrugsbekämpfungsvorschriften der Gemeinschaft größtenteils aus den zahlreichen und unterschiedlichen detaillierten Vorschriften, die für die jeweiligen Gemeinschaftspolitiken gelten.

3.

Der zur Debatte stehende Legislativvorschlag zielt darauf ab, die Aufgabe der Kommission bei der Koordinierung der von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der Gemeinschaft gerichteten rechtswidrigen Handlungen auszuweiten. Der von der Kommission vorgelegten Begründung zufolge ist der für die Verwaltungszusammenarbeit geltende Rechtsrahmen in Bezug auf eine aktive Rolle der Kommission bei der Unterstützung und Koordinierung der von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen unvollständig; dies gelte vor allem für die Bekämpfung von MwSt.-Betrug und den Informationsaustausch über Geldwäsche im Zusammenhang mit EG-Betrug.

4.

Es wird ein umfassendes System der Zusammenarbeit sowohl zwischen den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten als auch zwischen diesen Behörden und der Kommission (über das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung — OLAF (2)) vorgeschlagen im Hinblick auf die Sammlung und den Austausch von Informationen über unregelmäßige Transaktionen, die von „besonderer Bedeutung für die Gemeinschaftsebene“ sind.

5.

Diese „besondere Bedeutung für die Gemeinschaftsebene“ ist durch zwei Kriterien definiert:

a)

Die unregelmäßige Transaktion muss Auswirkungen oder Verbindungen zu Vorgängen in mehr als einem Mitgliedstaat haben,

und

b)

die unregelmäßige Transaktion muss der Gemeinschaft einen vermuteten Schaden von 100 000 Euro und mehr zufügen bzw. in den betroffenen Mitgliedstaaten einen vermuteten Steuerschaden im MwSt.-Bereich von mehr als 500 000 Euro verursachen.

6.

Die vorgeschlagene Verordnung würde für alle Einnahmen- und Ausgabenbereiche der Gemeinschaft gelten, sofern keine anderen Gemeinschaftsvorschriften eine speziellere Zusammenarbeit bzw. einen breiteren Zugang der Kommission zu Informationen vorsehen.

7.

Der Hof hat den Vorschlag der Kommission im Lichte seiner einschlägigen Prüfungsarbeit analysiert und dabei auch die vom Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission gemeinsam festgelegten Bestimmungen zur besseren Rechtsetzung und die Leitlinien für die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften berücksichtigt (3).

II.   ALLGEMEINE BEMERKUNGEN

8.

Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission sind übereingekommen (4), die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zu aktualisieren und ihren Umfang zu verringern sowie sie erheblich zu vereinfachen. Trotz dieser Zielsetzung wird in dem Vorschlag der Kommission keine Anstrengung unternommen, bestehende Rechtsvorschriften zu vereinfachen oder anzupassen. Es käme eine weitere Verordnung hinzu, die parallel zu den horizontalen und sektorbezogenen Betrugsbekämpfungsvorschriften gelten würde, die derzeit in Kraft sind.

9.

Die Kommission hat sich verpflichtet (5), in ihren Rechtsetzungsvorschlägen deren finanziellen oder administrativen Auswirkungen, insbesondere für die Union und die Mitgliedstaaten, in gebührender Weise Rechnung zu tragen. Ihr Vorschlag für die neue Verordnung enthält jedoch keine Angaben über die finanziellen und administrativen Auswirkungen für die Mitgliedstaaten.

10.

In dem Vorschlag wird der Begriff „gegen die finanziellen Interessen der Gemeinschaft gerichtete Unregelmäßigkeiten“ breiter definiert und umfasst nunmehr

a)

Verstöße gegen die Vorschriften über die Mehrwertsteuer (MwSt.)

und

b)

Geldwäsche.

Diese Bereiche sind in der allgemeinen Definition der Unregelmäßigkeiten gemäß der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (6) nicht abgedeckt. Solch ein Nebeneinander unterschiedlicher Definitionen des Begriffs „Unregelmäßigkeiten“ in den Betrugsbekämpfungsvorschriften könnte zu Verwirrung und Rechtsunsicherheit führen.

11.

Diese Unsicherheit wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass die geltenden Gemeinschaftsvorschriften keine Definition des Begriffs „finanzielle Interessen der Gemeinschaft“ enthalten (7). Auch die von der Kommission vorgeschlagene neue Verordnung enthält keine entsprechende Definition.

III.   ZUSAMMENARBEIT DER VERWALTUNGSBEHÖRDEN AUF DEM GEBIET DER TRADITIONELLEN EIGENMITTEL UND DER AUSGABEN

12.

Die vom Hof kürzlich durchgeführte Prüfung der Verwaltung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (8) hat bestätigt, dass die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ein Bereich ist, in dem noch erhebliche Bemühungen sowohl bezüglich der direkten Verwaltung als auch bezüglich der geteilten Verwaltung der Gemeinschaftsmittel mit den Mitgliedstaaten erforderlich sind. Probleme in der bestehenden Zusammenarbeit sind in hohem Maße auf mangelnde operative Effizienz auf Ebene der Mitgliedstaaten wie auf Kommissionsebene zurückzuführen.

13.

Im besonderen Fall der gegenseitigen Amtshilfe im Hinblick auf die Zoll- und Agrarregelung (9) wurde festgestellt, dass kein systematisches Follow-up vorgenommen wird und dass OLAF keinerlei Vorgaben für eine laufende und konsequente Überwachung der Fortschritte machte, die im Rahmen der Verfahren für an die Mitgliedstaaten gerichtete Amtshilfeersuchen erzielt werden, und dass die Ergebnisse dieser Ersuchen daher nicht klar erkennbar sind (10).

14.

Im Sonderbericht Nr. 3/2004 über die Wiedereinziehung vorschriftswidriger Zahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (11) war der Hof zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die einschlägige Datenbank der Kommission mit den von den Mitgliedstaaten gemeldeten Unregelmäßigkeiten (12) nicht als zuverlässig, vollständig und genau angesehen werden kann.

15.

Im Fall der strukturpolitischen Maßnahmen stellte der Hof bei der Prüfung der Anwendung der einschlägigen Verordnung (13) im Jahr 2001 fest (14), dass Schwachpunkte auf allen Ebenen gegeben waren, mit dem Ergebnis, dass unvollständige, unzuverlässige, irreführende und veraltete Daten über Unregelmäßigkeiten übermittelt wurden.

16.

Diese Schwachpunkte waren u. a. darauf zurückzuführen, dass es sich als schwierig erwies, meldepflichtige Unregelmäßigkeiten in allen Mitgliedstaaten einheitlich zu definieren. Der Hof stellte außerdem fest, dass Informationen vielfach erst spät bereitgestellt und von der Kommission nicht ordnungsgemäß weiterverfolgt wurden.

17.

Die im Vorschlag vorgesehenen neuen Verfahren würden eine zusätzliche Arbeitsbelastung für die Verwaltungsbehörden in den Mitgliedstaaten und für die Kommission bedeuten, da die gemäß anderen Gemeinschaftsvorschriften bestehenden Berichtspflichten weder aufgehoben noch gestrafft werden. In der Praxis wäre es somit schwierig, die Anstrengungen und Ressourcen zu konzentrieren und zu vermeiden, dass die Kommissionsdienststellen mit Informationen und Anfragen zu Fällen mit geringerer Bedeutung überlastet werden, was letztlich erklärtes Ziel der Kommission ist (15).

18.

Das Nebeneinander der neu vorgeschlagenen Vorschriften und der geltenden sektorbezogenen Verordnungen würde das Risiko von Schwierigkeiten bei der Auslegung und einheitlichen Anwendung in den Mitgliedstaaten erhöhen. Es ergeben sich Unstimmigkeiten bei Kriterien, Fristen und Schwellenwerten für die Weitergabe von Informationen (16).

19.

Die Lage wird weiter dadurch kompliziert, dass der Umfang der neu vorgeschlagenen Berichtspflichten auch Fälle einschließen würde, in denen Unregelmäßigkeiten zwar noch nicht stattgefunden haben, aber Informationen verfügbar sind, dass Unregelmäßigkeiten geplant sein könnten (17). Es ist fraglich, ob eine solche Vorgabe realistisch ist.

IV.   ZUSAMMENARBEIT DER VERWALTUNGSBEHÖRDEN AUF DEM GEBIET DER MEHRWERTSTEUER

20.

In seinem Jahresbericht zum Haushaltsjahr 2001 (18) wies der Hof auf die zunehmende Gefahr durch Karussellbetrug und die Notwendigkeit hin, dieses Problem durch verstärkte Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden anzugehen, um die MwSt.-Einnahmen zu schützen (19).

21.

Am 1. Januar 2004 trat die Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 (20) des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer in Kraft. Ziel dieser Verordnung ist es, die Zusammenarbeit der Steuerbehörden der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von MwSt.-Betrug auszubauen. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 war schließlich ein einheitlicher Rechtsrahmen geschaffen. Vor Inkrafttreten dieser Verordnung hatte sich das Nebeneinander zweier verschiedener Rechtsakte für die Zusammenarbeit im MwSt.-Bereich als Hindernis für eine wirksame Zusammenarbeit der Steuerbehörden erwiesen.

22.

Nach Angaben der Kommission waren jene Mitgliedstaaten, die die speziellen Aufdeckungs- und Kontrollmaßnahmen zur Bekämpfung des Karussellbetrugs bereits umgesetzt haben, erfolgreich (21).

23.

Der Hof stellt fest, dass die Bestimmungen der neu vorgeschlagenen Verordnung den bereits in der Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 enthaltenen Bestimmungen weitgehend ähnlich oder sogar damit identisch sind, insbesondere in Bezug auf den Informationsaustausch und die Vorschriften für behördliche Ermittlungen (22).

24.

Geändert wird durch den Vorschlag jedoch die Rolle der Kommission (einschließlich OLAF). Nach Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 besteht die Hauptaufgabe der Kommission darin, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten zu prüfen und zu bewerten, wie die Regelungen für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden funktionieren und wie diese Regelungen wirksamer gestaltet werden könnten.

25.

Nach Maßgabe des neuen Vorschlags würde das OLAF systematisch in die Koordinierung konkreter Operationen zur Betrugsbekämpfung eingebunden und könnte bei diesen Operationen sogar eine zentrale Rolle spielen durch Zentralisierung und Analyse einschlägiger Informationen sowie durch die Möglichkeit, die Mitgliedstaaten zu ersuchen, eine besonders sorgfältige Überwachung zu veranlassen oder behördliche Ermittlungen durchzuführen.

26.

Der Hof verweist auf seine Empfehlung im Sonderbericht Nr. 1/2005 (23), derzufolge das OLAF seine Tätigkeiten auf seine Untersuchungsfunktion ausrichten sollte. Die Aufgabe, die Aktionen der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung des grenzüberschreitenden MwSt.-Betrugs zu koordinieren, wie sie dem Amt in der vorgeschlagenen Verordnung übertragen würde, könnte seine Fähigkeit beeinträchtigen, seine Hauptfunktion effizient wahrzunehmen.

27.

Außerdem würden sich praktische Probleme ergeben, weil der neue Vorschlag — im Gegensatz zur Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 — keine direkten Kontakte und keine Zusammenarbeit mit Steuerinspektoren oder Mitarbeitern von Betrugsbekämpfungseinheiten vorsieht. Vorgeschlagen wird, den Informationsfluss ausschließlich über die jeweiligen zentralen Verbindungsbüros und Steuerermittlungsbehörden abzuwickeln. Dabei besteht ein hohes Risiko, dass Schnelligkeit und Flexibilität der Koordinierungstätigkeiten beeinträchtigt werden.

28.

Die in den Ziffern 17-19 dieser Stellungnahme vorgebrachten Bemerkungen gelten auch für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der MwSt.

V.   ZUSAMMENARBEIT DER VERWALTUNGSBEHÖRDEN ZUR BEKÄMPFUNG DER GELDWÄSCHE

29.

Gemäß Beschluss 2000/642/JI des Rates (24) haben die Mitgliedstaaten zentrale Meldestellen (financial intelligence units (FIU)) eingerichtet. Diese Stellen haben die Aufgabe, Informationen zu sammeln und zu analysieren, damit zum Zwecke der Bekämpfung der Geldwäsche Zusammenhänge zwischen verdächtigen Finanztransaktionen und zugrunde liegenden kriminellen Tätigkeiten hergestellt werden können.

30.

Die Kommission schlägt vor, die FIU in die zuständigen Behörden einzubeziehen, die gemäß der vorgeschlagenen Verordnung über die gegenseitige Amtshilfe zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft zusammenarbeiten sollen. Die Kommission könnte sie dann um Unterstützung ersuchen und sie zur Übermittlung aller Informationen auffordern, die für die Aufdeckung und Prävention von Unregelmäßigkeiten von Belang sind.

31.

Der Hof weist darauf hin, dass nach dem geltenden Wortlaut des Beschlusses 2000/642/JI des Rates der Kommission gegenüber den FIU keine Funktion zukommt. Einige der Bestimmungen (25) könnten sogar so ausgelegt werden, dass die Kommissionsdienststellen vom Zugang zu von den FIU gesammelten und weitergeleiteten Informationen ausgeschlossen sind. Gemäß Artikel 19 der Leitlinien für die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften (26) wäre es somit wünschenswert, die Lage zu klären.

32.

Die in den Ziffern 17-19 dieser Stellungnahme vorgebrachten Bemerkungen gelten auch für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden zur Bekämpfung der Geldwäsche.

VI.   SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN

33.

Der Hof stimmt der Analyse der Kommission zu, dass eine effizientere Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaten sowie der Mitgliedstaaten mit der Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft gegen Betrug und sonstige rechtswidrige Handlungen notwendig ist.

34.

Der für die Bekämpfung von Betrug und Unregelmäßigkeiten geltende Rechtsrahmen ist kompliziert und, wie die Prüfungen des Hofes gezeigt haben, schwierig umzusetzen. Die vorgeschlagene neue Verordnung brächte insbesondere in Bezug auf die Definitionen und Kriterien für die Weitergabe von Informationen zusätzliche Komplexität.

35.

Darüber hinaus steht der Vorschlag, ein zusätzliches Rechtsinstrument einzuführen, im Widerspruch zu dem zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission vereinbarten Ziel (27), die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zu aktualisieren und ihren Umfang zu verringern sowie sie erheblich zu vereinfachen.

36.

Der Hof regt an, dass die Kommission sich bemühen sollte, einen Vorschlag zur Vereinfachung und Konsolidierung der gemeinschaftlichen Betrugsbekämpfungsvorschriften vorzulegen, um Doppelungen und einander überschneidende bzw. widersprüchliche Bestimmungen zu vermeiden. Die bei der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten gegebenen Schwachpunkte könnten im Rahmen dieser Überarbeitung angegangen werden.

37.

Der Hof wiederholt seine Empfehlung, die Tätigkeiten des OLAF auf seine Untersuchungsfunktion auszurichten. Eine Ausweitung der Funktion des Amtes bei der Koordinierung von Betrugsbekämpfungsoperationen der Mitgliedstaaten könnte dieser Zielsetzung zuwiderlaufen.

38.

Der Begriff „finanzielle Interessen der Gemeinschaft“, der Kernstück jeglicher Betrugsbekämpfungsvorschriften ist, sollte klar definiert werden. „Unregelmäßigkeiten“ sollten in sämtlichen Betrugsbekämpfungsvorschriften einheitlich definiert sein.

39.

Im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer empfiehlt der Hof der Kommission erneut (28), sich auf ihre Zuständigkeit für die Ermittlung von Funktionsmängeln der nationalen Systeme im Bereich der Bekämpfung des MwSt.-Betrugs und für die Vorlage von Vorschlägen an die Mitgliedstaaten bezüglich geeigneter Abhilfemaßnahmen zu konzentrieren.

Diese Stellungnahme wurde vom Rechnungshof am 27. Oktober 2005 in Luxemburg angenommen.

Für den Rechnungshof

Hubert WEBER

Präsident


(1)  KOM(2004) 509 endg. vom 20. Juli 2004.

(2)  Gemäß Artikel 2 des Beschlusses 1999/352/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 28. April 1999 zur Errichtung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (ABl. L 136 vom 31.5.1999, S. 20) hat das Amt den Auftrag, zur Zusammenarbeit der Kommission mit den Mitgliedstaaten im Bereich der Betrugsbekämpfung beizutragen sowie alle sonstigen operationellen Aufgaben der Kommission in Sachen der Betrugsbekämpfung wahrzunehmen.

(3)  Interinstitutionelle Vereinbarung vom 16. Dezember 2003„Bessere Rechtsetzung“ (ABl. C 321 vom 31.12.2003, S. 1) und Interinstitutionelle Vereinbarung vom 22. Dezember 1998 über gemeinsame Leitlinien für die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften (ABl. C 73 vom 17.3.1999, S. 1).

(4)  Siehe Ziffer 35 der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 16. Dezember 2003.

(5)  Siehe Ziffer 27 der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 16. Dezember 2003.

(6)  ABl. L 312 vom 23.12.1995, S. 1.

(7)  Einige Anhaltspunkte sind einem Urteil des Gerichtshofes zu entnehmen: In der Rechtssache C-11/00 führte der Gerichtshof aus, „dass sich die Wendung ‚finanzielle Interessen der Gemeinschaft‘ in Artikel 280 EG nicht lediglich auf den Haushalt der Europäischen Gemeinschaft im engen Sinne beschränkt“. (2003, Sammlung der Rechtsprechung I-7147, Randnummer 95).

(8)  Siehe Sonderbericht Nr. 1/2005, Zusammenfassung, Ziffer VI (ABl. C 202 vom 18.8.2005, S. 1).

(9)  Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 515/97 des Rates vom 13. März 1997 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung (ABl. L 82 vom 22.3.1997, S. 1).

(10)  Siehe Ziffer 32 des Sonderberichts Nr. 1/2005.

(11)  Siehe Ziffern 16-32 des Sonderberichts Nr. 3/2004, ABl. C 269 vom 4.11.2004, S. 1.

(12)  Gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 595/91 des Rates vom 4. März 1991 betreffend Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 283/72 (ABl. L 67 vom 14.3.1991, S. 11).

(13)  Verordnung (EG) Nr. 1681/94 der Kommission vom 11. Juli 1994 betreffend Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der Strukturpolitiken sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems (ABl. L 178 vom 12.7.1994, S. 43).

(14)  Siehe Sonderbericht Nr. 10/2001 über die Finanzkontrolle der Strukturfonds, Ziffern107-126 (ABl. C 314 vom 8.11.2001, S. 26).

(15)  Siehe Seite 6 der Begründung zum Kommissionsvorschlag.

(16)  Die Mitgliedstaaten sind dem Verordnungsvorschlag zufolge beispielsweise gehalten, ohne vorherigen Antrag alle sachdienlichen Informationen zu Unregelmäßigkeiten zu übermitteln, die Auswirkungen in anderen Mitgliedstaaten haben könnten und bei denen ein möglicher Schaden für die finanziellen Interessen der Gemeinschaft in Höhe von 100 000 Euro und mehr vorliegt. Es werden keine Fristen für die Weitergabe von Informationen gesetzt. Man könnte daher annehmen, dass die Informationen zu übermitteln sind, sobald sich die finanzielle Auswirkung eines Falles bewerten lässt. Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1681/94 der Kommission hingegen ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet — ungeachtet der betroffenen Beträge — unverzüglich alle Unregelmäßigkeiten mitzuteilen, bei denen zu befürchten ist, dass sie sehr schnell Auswirkungen außerhalb seines Hoheitsgebiets haben können.

(17)  Siehe Artikel 5 Absatz 3 des Vorschlags.

(18)  Siehe Ziffern 1.45-1.55, ABl. C 295 vom 28.11.2002, S. 1.

(19)  Im Falle der MwSt. wirkt sich Betrug indirekt auf die Eigenmittel der Gemeinschaften aus. Die Fähigkeit der Gemeinschaften, ihre Ausgabenverpflichtungen zu erfüllen, hängt nicht von der Effizienz bei der MwSt.-Erhebung oder der Betrugsbekämpfung ab. Die BNE-Eigenmittel sollen nicht durch andere Ressourcen abgedeckte Ausgaben ausgleichen. Die Folgen von MwSt.-Betrug gehen somit nicht nur zulasten des Mitgliedstaates, in dem der Betrug stattgefunden hat, sondern wegen der Erhöhung des Abrufsatzes für BNE-Eigenmittel zulasten aller Mitgliedstaaten.

(20)  Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 des Rates vom 7. Oktober 2003 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 (ABl. L 264 vom 15.10.2003, S. 1).

(21)  Siehe Bericht der Kommission über den Einsatz der Instrumente für die Verwaltungszusammenarbeit bei der Bekämpfung des MwSt.-Betrugs, KOM(2004) 260 endg. vom 16.4.2004, S. 18.

(22)  In ihrer Begründung weist die Kommission ausdrücklich darauf hin, dass auf die in der Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 geschaffenen Standards zurückgegriffen wird.

(23)  Siehe Ziffern XI. und 94.

(24)  Beschluss 2000/642/JI des Rates vom 17. Oktober 2000 über Vereinbarungen für eine Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen der Mitgliedstaaten beim Austausch von Informationen (ABl. L 271 vom 24.10.2000, S. 4).

(25)  Siehe beispielsweise Artikel 5 Absatz 4, demzufolge die zentralen Meldestellen alle erforderlichen Maßnahmen, einschließlich Sicherheitsvorkehrungen, ergreifen, um zu gewährleisten, dass die aufgrund dieses Beschlusses übermittelten Informationen anderen Behörden, Dienststellen oder Abteilungen nicht zugänglich sind.

(26)  Interinstitutionelle Vereinbarung 22. Dezember über gemeinsame Leitlinien für die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften.

(27)  Interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ vom 16. Dezember 2003.

(28)  Siehe Ziffern 4.1-4.8 des Sonderberichts Nr. 9/98 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union im Bereich der MwSt. im innergemeinschaftlichen Handelsverkehr, zusammen mit den Antworten der Kommission (ABl. C 356 vom 20.11.1998, S. 1).


9.12.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 313/6


STELLUNGNAHME Nr. 9/2005

zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2728/94 zur Einrichtung eines Garantiefonds für Maßnahmen im Zusammenhang mit den Außenbeziehungen (KOM(2005) 130 endg.)

(2005/C 313/02)

DER RECHNUNGSHOF DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 248 und 279,

gestützt auf den Vorschlag für eine Verordnung des Rates (KOM(2005) 130 endg.) zur Änderung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2728/94 des Rates zur Einrichtung eines Garantiefonds für Maßnahmen im Zusammenhang mit den Außenbeziehungen, geändert durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1149/1999 des Rates und die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2273/2004 des Rates,

gestützt auf den Beschluss des Rates vom 2. Juni 2005, den Europäischen Rechnungshof zu diesem Vorschlag anzuhören —

HAT FOLGENDE STELLUNGNAHME ANGENOMMEN:

1.

Der Hof begrüßt den größten Teil dieses Vorschlags. Zu einem Aspekt, dem Schwellenbetrag für den „Glättungsmechanismus“ (Artikel 5 Absatz 3 im Entwurf der Änderungsverordnung), hält er jedoch eine Anmerkung für angezeigt.

2.

Der Schwellenbetrag wird anhand von Kommissionsschätzungen festgesetzt, denen verschiedene Szenarien für die Darlehenstätigkeit der EU in Drittländern zugrunde liegen: Das neue Mandat der Europäischen Investitionsbank (EIB) für eine Darlehenstätigkeit in Drittländern im Zeitraum der nächsten Finanziellen Vorausschau 2007-2013 ist noch nicht verabschiedet worden. In Ermangelung zuverlässiger Daten oder Vorausschätzungen sehen die derzeitigen Vorschriften eine Anhebung der Quote der Einzahlungen in den Fonds vor, wenn sich die Fondsmittel aufgrund des Abrufs von Garantiebeträgen infolge eines Schuldnerausfalls auf weniger als 75 % des Zielbetrags belaufen. Anstelle dieser Vorschrift käme der „Glättungsmechanismus“ zum Tragen. Das neue Verfahren für die Dotierung des Fonds basiert auf Ex-post-Berechnungen, so dass die Dotierung mit zeitlicher Verzögerung erfolgt. Nach Ansicht des Hofes sollte die Kommission die Einrichtung eines Alarmsystems in Erwägung ziehen, das die Haushaltsbehörden informiert, wenn das Nettoguthaben des Fonds aufgrund der Zunahme der Garantiebeträge und/oder aufgrund des Abrufs von Garantiebeträgen auf weniger als 75 % des Zielbetrags absinkt. Dadurch würden die Haushaltsbehörden frühzeitig von ungünstigen Entwicklungen in Kenntnis gesetzt und nicht erst bei Notwendigkeit von Sondermaßnahmen zur Wiederauffüllung des Fonds (z. B. wenn die Fondsmittel 50 % des Zielbetrags unterschreiten).

Diese Stellungnahme wurde vom Rechnungshof am 10. November 2005 in Luxemburg angenommen.

Für den Rechnungshof

Hubert WEBER

Präsident